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Klaus Hock | Claudia Jahnel | Klaus-Dieter Kaiser (Hrsg.): Mission in Film und Literatur (Leseprobe)

Mission hat in Film und Literatur weiterhin Konjunktur – sei es explizit wie in Scorseses »Silence« (2016) oder in der Netflix-Neuverfilmung von »Black Narcissus« (2020), sei es en passant wie im »Kanonenboot am Yangtse-Kiang« (1966) oder implizit wie in Herzogs »Der Nomade – Auf den Spuren von Bruce Chatwin«. Die Beiträge dieses Bandes befassen sich mit der Inszenierung von Mission in Romanen und Filmen. Dabei zeigen sich verbindende Motive wie etwa das der Grenzüberschreitung, der Begegnung mit dem »Fremden«, des Scheiterns oder der Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Macht. Gleichzeitig bleibt in der Spannung von Fiktion und Faktizität, Story und History das Verständnis von Mission offen und entzieht sich klassischen historischen, religionswissenschaftlichen und interkulturell-theologischen Deutungsmustern.

Mission hat in Film und Literatur weiterhin Konjunktur – sei es explizit wie in Scorseses »Silence« (2016) oder in der Netflix-Neuverfilmung von »Black Narcissus« (2020), sei es en passant wie im »Kanonenboot am Yangtse-Kiang« (1966) oder implizit wie in Herzogs »Der Nomade – Auf den Spuren von Bruce Chatwin«.
Die Beiträge dieses Bandes befassen sich mit der Inszenierung von Mission in Romanen und Filmen. Dabei zeigen sich verbindende Motive wie etwa das der Grenzüberschreitung, der Begegnung mit dem »Fremden«, des Scheiterns oder der Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Macht. Gleichzeitig bleibt in der Spannung von Fiktion und Faktizität, Story und History das Verständnis von Mission offen und entzieht sich klassischen historischen, religionswissenschaftlichen und interkulturell-theologischen Deutungsmustern.

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12 Kathar<strong>in</strong>a Döbler<br />

vember 2018 wurde er von den E<strong>in</strong>heimischen erschossen. Er war e<strong>in</strong> Pioniermissionar<br />

re<strong>in</strong>sten Wassers, e<strong>in</strong> rücksichtsloser Abenteurer im Namen Gottes, dem<br />

der Schutz der Sent<strong>in</strong>elesen vor tödlichen Krankheiten ebenso wenig bedeutete<br />

wie ihr erklärter <strong>und</strong> vom <strong>in</strong>dischen Staat seit 1996 gestützter <strong>und</strong> geschützter<br />

Wille, ungestört zu bleiben. Dieser <strong>Mission</strong>ar glaubte, es sei besser als Christ an<br />

den Masern oder der Grippe zu sterben, denn als Heide zu leben. Die Insel hielt<br />

er für e<strong>in</strong>e Bastion des Teufels.<br />

Literarisches Schreiben über e<strong>in</strong> manichäisches System<br />

E<strong>in</strong>e solche Weltsicht erlaubt ke<strong>in</strong>e Zwischentöne, ke<strong>in</strong>e Abweichungen. Und genau<br />

das ist das Problem beim literarischen Schreiben über <strong>Mission</strong>: Die e<strong>in</strong>zig<br />

möglichen dramaturgischen Höhepunkte <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es solchen manichäischen<br />

Systems s<strong>in</strong>d zwei: Märtyrertod <strong>und</strong> Bekehrungserfolg. Beides ist nicht besonders<br />

zeitgemäß.<br />

In der Epoche der Moderne bzw. Postmoderne lässt sich allenfalls der Zweifel<br />

noch literarisch reflektieren, gestalten, beschreiben. Aber mit dem Zweifel als<br />

thematischer Gr<strong>und</strong>lage wird nie e<strong>in</strong> literarisches Werk entstehen, das überzeugten<br />

<strong>Mission</strong>aren wie dem E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>g von Sent<strong>in</strong>el gefallen kann. Deshalb w<strong>und</strong>ert<br />

mich die überaus kritische Haltung gar nicht, die me<strong>in</strong> Roman über die Aktivitäten<br />

der Neuendettelsauer <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Papua Neugu<strong>in</strong>ea <strong>in</strong> der ersten Hälfte<br />

des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>in</strong> bestimmten <strong>Mission</strong>skreisen erfahren hat.<br />

Das literarische Projekt »De<strong>in</strong> ist das Reich«<br />

Erzählt habe ich <strong>in</strong> diesem Buch mit dem Titel »De<strong>in</strong> ist das Reich« von vier jungen<br />

Leuten aus e<strong>in</strong>fachen Verhältnissen der fränkischen Prov<strong>in</strong>z, die nach Papua-Neugu<strong>in</strong>ea<br />

reisten <strong>und</strong> dort als <strong>Mission</strong>are <strong>und</strong> <strong>Mission</strong>arsfrauen lebten <strong>und</strong><br />

arbeiteten, bis der Zweite Weltkrieg dem e<strong>in</strong>e Ende setzte. Der Titel verweist auf<br />

den historischen <strong>und</strong> kolonialen Hallraum: <strong>Kaiser</strong>reich, Kolonialreich, Deutsches<br />

Reich, Tausendjähriges Reich, Reich Gottes.<br />

In diesem Raum ist e<strong>in</strong>e Menge Platz für Zweifel.<br />

Der Roman stützt sich vorwiegend auf Material me<strong>in</strong>er eigenen Familie: Me<strong>in</strong>e<br />

Eltern s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Neugu<strong>in</strong>ea geboren, me<strong>in</strong>e Großeltern waren dort bei der <strong>Mission</strong>,<br />

ich habe <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit viel Zeit <strong>in</strong> Neuendettelsau, im Umfeld der <strong>Mission</strong><br />

verbracht. Und begegnete dort e<strong>in</strong>er Lebens- <strong>und</strong> Denkweise, die ich schon als<br />

K<strong>in</strong>d lebensfe<strong>in</strong>dlich, streng <strong>und</strong> unaufrichtig fand.

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