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10-Punkte-Plan zur Rettung der Wiener Spitäler

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WIDER DIE WIENER<br />

SPITALSMISERE: <strong>10</strong>-PUNKTE-PLAN<br />

FÜR WIENS SPITÄLER


Einleitung<br />

Wien ist die lebenswerteste Stadt <strong>der</strong> Welt. Zu<br />

Recht erwarten sich Wiens Bürger*innen ein<br />

Gesundheitssystem, das diesem Ruf gerecht wird. Lei<strong>der</strong><br />

zeichnet sich in den letzten Jahren eine gegenläufige<br />

Entwicklung ab. Die Coronapandemie hat wie ein<br />

Brennglas Licht auf die Schwachstellen des öffentlichen<br />

Gesundheitssystems geworfen. Jetzt gilt es, zu handeln,<br />

bevor <strong>der</strong> erste Großbrand ausbricht.<br />

Die Ärztekammer für Wien hat in den vergangenen Monaten<br />

gemeinsam mit den angestellten Ärzt*innen in Wiens<br />

<strong>Spitäler</strong>n Missstände aufgezeigt und ein öffentliches<br />

Problembewusstsein geschaffen, und zwar nicht nur für die<br />

prekären Arbeitsbedingungen <strong>der</strong> Gesundheitsberufe im<br />

Krankenhaus, son<strong>der</strong>n auch für den damit in Zusammenhang<br />

stehenden zunehmenden Qualitätsverlust in <strong>der</strong><br />

medizinischen Behandlung.<br />

<strong>der</strong> direkte Austausch mit den Betroffenen während<br />

zahlreicher Aktionstage vor Wiens <strong>Spitäler</strong>n bilden die<br />

Basis für den „<strong>10</strong>-<strong>Punkte</strong>-<strong>Plan</strong> für Wiens <strong>Spitäler</strong>“.<br />

Mehr Zeit für die Patient*innen – das ist das, was sich ein<br />

Großteil <strong>der</strong> Beschäftigten im Gesundheitswesen am<br />

meisten wünscht. Gelingt es uns, den „<strong>10</strong>-<strong>Punkte</strong>-<strong>Plan</strong><br />

für Wiens <strong>Spitäler</strong>“ gemeinsam mit allen Partner*innen<br />

im <strong>Wiener</strong> Gesundheitswesen umzusetzen, werden wir<br />

nicht nur diesem Wunsch <strong>der</strong> Beschäftigen ein gutes<br />

Stück näher kommen, son<strong>der</strong>n auch dafür sorgen, dass<br />

Wien in Gesundheitsbelangen künftig weiterhin zu den<br />

lebenswertesten Städten <strong>der</strong> Welt zählt.<br />

Herzlichst<br />

Stefan Ferenci<br />

Dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, ist das Ziel <strong>der</strong><br />

Ärztekammer für Wien – zum Wohle <strong>der</strong> Patient*innen<br />

und im Sinne <strong>der</strong> im öffentlichen Gesundheitswesen<br />

Beschäftigten. Dazu haben wir in einem breit angelegten<br />

Prozess einen „<strong>10</strong>-<strong>Punkte</strong>-<strong>Plan</strong> für Wiens <strong>Spitäler</strong>“<br />

erarbeitet. In <strong>der</strong> großen <strong>Wiener</strong> Spitalsumfrage von Peter<br />

Hajek hat die Ärztekammer für Wien erheben lassen,<br />

worunter die angestellten Ärzt*innen im Berufsalltag<br />

beson<strong>der</strong>s leiden. Die Ergebnisse <strong>der</strong> Studie sowie


Inhalt<br />

I.<br />

Personalflucht jetzt stoppen:<br />

Sofortmaßnahmen <strong>zur</strong> Behebung des akuten<br />

Personalmangels in Wiens <strong>Spitäler</strong>n 4 - 5<br />

VI.<br />

Mehr Zeit für die Patient*innen:<br />

Bürokratieabbau und<br />

Digitalisierung 14 - 15<br />

..............................................................................................<br />

II.<br />

Wiens <strong>Spitäler</strong> als attraktiver Arbeitsplatz:<br />

Bessere Arbeitsbedingungen für<br />

Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Privatleben 6 - 7<br />

..............................................................................................<br />

III.<br />

Wiens <strong>Spitäler</strong> vorausschauend absichern:<br />

Transparente Personalbedarfsplanung 8 - 9<br />

..............................................................................................<br />

IV.<br />

Beste Struktur <strong>zur</strong> optimalen medizinischen<br />

Versorgung von Wiens Bevölkerung:<br />

Organisationsreform des <strong>Wiener</strong><br />

Gesundheitsverbundes <strong>10</strong> - 11<br />

..............................................................................................<br />

V.<br />

Jetzt in die Zukunft investieren:<br />

Ausbildungsoffensive 12 - 13<br />

..............................................................................................<br />

VII.<br />

Erschließung finanzieller<br />

Mehreinnahmen für Wiens <strong>Spitäler</strong>:<br />

Ausbau <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>klasse 16 - 17<br />

..............................................................................................<br />

VIII.<br />

Spitzenmedizin braucht<br />

klare Strukturen:<br />

Die Zukunft des AKH Wien 18 - 19<br />

..............................................................................................<br />

IX.<br />

Effizienzpotenziale heben:<br />

Mo<strong>der</strong>nes Management für<br />

mo<strong>der</strong>ne <strong>Spitäler</strong> 20 - 21<br />

..............................................................................................<br />

X.<br />

Gemeinsam bedarfsgerecht planen:<br />

Neuaufstellung <strong>der</strong> Gesundheitsplanung<br />

in Wien 22 - 23


I.<br />

Personalflucht jetzt stoppen: Sofortmaßnahmen <strong>zur</strong><br />

Behebung des akuten Personalmangels in Wiens <strong>Spitäler</strong>n<br />

Das drängendste Problem in Wiens <strong>Spitäler</strong>n ist ein sich<br />

täglich verschärfen<strong>der</strong> Personalmangel, <strong>der</strong> sich durch<br />

alle Berufsgruppen zieht. Befragt nach den Top-Gründen für<br />

die Arbeitsüberlastung im Spital geben 77 Prozent <strong>der</strong> angestellten<br />

Ärzt*innen einen Personalmangel bei Pflegekräften,<br />

72 Prozent einen Personalmangel bei Ärzt*innen an.<br />

Wir sehen, dass sich immer mehr Gesundheitsberufe<br />

vom öffentlichen Gesundheitssystem abwenden, weil die<br />

Arbeitsbedingungen zunehmend unattraktiver werden. So<br />

denken 67 Prozent <strong>der</strong> angestellten Ärzt*innen regelmäßig<br />

daran, das Spital zu verlassen, und 90 Prozent verstehen,<br />

dass Pflegekräfte in Wiens <strong>Spitäler</strong>n kündigen.<br />

Für die im System Verbliebenen setzt sich ein Teufelskreis<br />

aus Personalausfällen und damit verbundenen Überstunden,<br />

unsicheren Dienstplänen mit ständigem Einspringen und<br />

Zeitdruck bei <strong>der</strong> Behandlung <strong>der</strong> Patient*innen in Gang, <strong>der</strong><br />

das Personalproblem weiter verschärft.<br />

Die Beschäftigten haben es satt, Patient*innen wie am<br />

Fließband abfertigen zu müssen, denn das entspricht – zu<br />

Recht – nicht ihrem medizinischen Versorgungs- und Behandlungsanspruch.<br />

Deshalb braucht es mehr Personal in<br />

Wiens <strong>Spitäler</strong>n.<br />

Die Ärztekammer für Wien for<strong>der</strong>t:<br />

> die Besetzung sämtlicher offener Dienstposten durch<br />

eine Anwerbe- und Rückholoffensive;<br />

> eine Rückkehrprämie in Höhe von EUR 24.000 steuerund<br />

sozialversicherungsfrei für alle Angehörigen von<br />

Gesundheitsberufen, die die <strong>Wiener</strong> <strong>Spitäler</strong> in den<br />

letzten fünf Jahren verlassen haben (mit gleichzeitiger<br />

Verpflichtung, in den nächsten zwei Jahren in einem<br />

<strong>Wiener</strong> Spital zu arbeiten);<br />

> eine Bleibeprämie in Höhe von EUR 24.000 steuerund<br />

sozialversicherungsfrei für alle Angehörigen<br />

von Gesundheitsberufen, die die <strong>Wiener</strong> <strong>Spitäler</strong> in<br />

den letzten Jahren am Laufen gehalten haben (mit<br />

gleichzeitiger Verpflichtung, in den nächsten zwei Jahren<br />

in einem <strong>Wiener</strong> Spital zu arbeiten);<br />

> marktkonforme Gehälter, um im Bundeslän<strong>der</strong>vergleich<br />

konkurrenzfähig zu bleiben – konkret eine Erhöhung <strong>der</strong><br />

Bruttogrundgehälter um 30 Prozent analog <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />

des Betriebsrats <strong>der</strong> Medizinischen Universität Wien (MUW)<br />

> eine adäquate Abgeltung von Nacht-, Wochenend- und


Seite 5<br />

Feiertagsdiensten sowie Rufbereitschaften aufgrund <strong>der</strong><br />

körperlich und emotional belastenden Spitalstätigkeit;<br />

> die Anrechnung aller Vordienstzeiten als Ärzt*in, und<br />

zwar unabhängig von dem/<strong>der</strong> Dienstgeber*in und dem<br />

Dienstort (Spitalsträger, Ordination o<strong>der</strong> Tätigkeit im<br />

Ausland);<br />

> substanzielle Zulagen für akute Mangelfächer in den<br />

<strong>Wiener</strong> <strong>Spitäler</strong>n, wobei die Definition eines Mangelfachs<br />

in den <strong>Wiener</strong> <strong>Spitäler</strong>n zwischen Stadt, Spitalsträgern<br />

und Ärztekammer für Wien einvernehmlich<br />

festzulegen ist;<br />

> die Etablierung externer Pooldienste <strong>zur</strong> Herstellung von<br />

Dienstplansicherheit;<br />

> ein vermehrtes Zulassen freiberuflicher Tätigkeiten im<br />

Spital, z. B. in Form von Konsiliararzttätigkeit;<br />

> die Bezahlung von Son<strong>der</strong>funktionen wie<br />

Brandschutzbeauftragte*r, Hygienebeauftragte*r,<br />

Antibiotic Stewardship etc. <strong>zur</strong> Abgeltung <strong>der</strong> Mehrarbeit;<br />

> die Schaffung bzw. <strong>der</strong> Ausbau interner Jobbörsen.<br />

> eine rechtzeitige Nachbesetzung inklusive<br />

überlappen<strong>der</strong> Besetzung von geplanten und absehbaren<br />

Personalabgängen, z. B. Pensionierungen o<strong>der</strong><br />

Schwangerschaft (ab Schwangerschaftswoche 13);<br />

> Off-Boarding-Gespräche für Mitarbeiter*innen, die<br />

kündigen möchten – mit dem Ziel, diese im Betrieb zu<br />

halten bzw. die Kündigungsgründe zu erfahren, um<br />

zukünftig gegenzusteuern;


II.<br />

Wiens <strong>Spitäler</strong> als attraktiver Arbeitsplatz:<br />

Bessere Arbeitsbedingungen für Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben<br />

Ein Generationen- und damit Mentalitätswechsel im<br />

Arbeits- und Berufsleben, <strong>der</strong> sich über alle Branchen<br />

erstreckt, ist in vollem Gange. Während die Generation<br />

<strong>der</strong> Babyboomer kurz vor <strong>der</strong> Pensionierung steht, kommt<br />

eine junge, motivierte Generation nach, die jedoch nicht<br />

mehr bereit ist, auf Kosten <strong>der</strong> eigenen Gesundheit zu<br />

arbeiten. Doch die aktuellen Rahmenbedingungen im Spital<br />

sind genau das: gesundheitsgefährdend. So sagen rund<br />

58 Prozent <strong>der</strong> Spitalsärzt*innen, häufig o<strong>der</strong> andauernd<br />

körperlich erschöpft zu sein, 53 Prozent geben an, häufig<br />

o<strong>der</strong> andauernd emotional erschöpft zu sein und beinahe<br />

40 Prozent haben manchmal, häufig o<strong>der</strong> sogar andauernd<br />

das Gefühl, an einem Burnout zu leiden. Die Tatsache, dass<br />

immer mehr Angehörige von Gesundheitsberufen ihren Job<br />

an den Nagel hängen, ist unter diesen Bedingungen wenig<br />

verwun<strong>der</strong>lich.<br />

Die Arbeitgeber*innen <strong>der</strong> Zukunft können und dürfen die<br />

Bedürfnisse <strong>der</strong> neuen Generation von Arbeitnehmer*innen<br />

nicht länger ignorieren. Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie, Work-Life-Balance, eine wertschätzende<br />

Unternehmenskultur sowie Zufriedenheit am Arbeitsplatz<br />

haben einen ähnlich hohen Stellenwert wie die Entlohnung.<br />

Das gilt auch und insbeson<strong>der</strong>e für die emotional wie<br />

körperlich anstrengende Arbeit in einem Gesundheitsberuf.<br />

Die Ärztekammer für Wien for<strong>der</strong>t:<br />

> eine Arbeitszeitverkürzung auf 32 Stunden bei vollem<br />

Lohnausgleich (wobei sich die Ausbildungsdauer<br />

dadurch nicht verlängern darf);<br />

> flexible Arbeitszeitmodelle und den Ausbau <strong>der</strong><br />

Teilzeitmöglichkeiten;<br />

> den Ausbau <strong>der</strong> Betriebskin<strong>der</strong>gärten mit dem Ziel<br />

eines flächendeckenden Kin<strong>der</strong>betreuungsangebots<br />

analog den Dienstzeiten – das heißt auch für Nacht-,<br />

Wochenend- und Feiertagsdienste – für nicht<br />

schulpflichtige Kin<strong>der</strong> an allen Berufsstandorten;<br />

> die Beendigung <strong>der</strong> Diskussion über eine<br />

Wahlärzt*intätigkeit neben <strong>der</strong> Tätigkeit als<br />

Spitalsärzt*in;<br />

> eine Aufwertung <strong>der</strong> zentralen Notaufnahme, da<br />

<strong>der</strong> Dienst in einer zentralen Notaufnahme in Bezug<br />

auf Ruhepausen, Stress, psychische Belastung etc.<br />

nicht mit an<strong>der</strong>en Diensten von Fachärzt*innen<br />

vergleichbar ist. Um sicherzustellen, dass Ärzt*innen<br />

diese Dienste auch bis zu ihrem Pensionsantritt leisten


Seite 7<br />

können, braucht es spezielle Maßnahmen wie kürzere<br />

Regelarbeitszeiten, höhere Gehälter o<strong>der</strong> Zulagen,<br />

regelmäßig die Möglichkeit, Ausgleichsruhetage (wie<br />

etwa Nachtausgleichsstunden) zu konsumieren, etc.<br />

Außerdem sollen Ärzt*innen für Allgemeinmedizin in<br />

zentralen Notaufnahmen wie Fachärzt*innen<br />

entlohnt werden;<br />

> die verstärkte Möglichkeit von Spezialisierungen<br />

an einzelnen Abteilungen o<strong>der</strong> im Rahmen von<br />

Spezialambulanzen wie <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>kopfschmerzambulanz<br />

etc.;<br />

> ein definiertes Budget über EUR 5000 pro Jahr und<br />

Ärzt*in für Fortbildungsausgaben, und zwar unabhängig<br />

von Abteilung, Spital und Ausbildungsstatus;<br />

> die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen,<br />

die die medizinische Arbeit sinnvoll ermöglichen,<br />

als Weg aus <strong>der</strong> Absicherungsmedizin mit einer<br />

automatischen Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherung<br />

für jede*n Ärzt*in durch den/die<br />

Arbeitgeber*in als ersten Schritt;<br />

> den Ausbau <strong>der</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung inklusive<br />

ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung und gesunden<br />

Ernährungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz (Kantinen,<br />

Mensen);<br />

> eine mo<strong>der</strong>ne Arbeitsplatzgestaltung <strong>der</strong> Dienstzimmer<br />

und Arbeitsräume von Ärzt*innen, beginnend bei<br />

funktionsfähigen Möbeln über ausreichend Spinde bis hin<br />

zu adäquater EDV-Ausstattung;<br />

> eine mo<strong>der</strong>ne Unternehmenskommunikation, die über<br />

das Weiterleiten von E-Mails hinausgeht, sowie ein<br />

Ansprechen auf Augenhöhe, lückenlose Transparenz,<br />

verständliche Informationen sowie individuelle<br />

Beratungen, z. B. über arbeits(zeit)rechtliche Themen,<br />

für alle Mitarbeiter*innen;<br />

> eine Mitarbeiter*innenbindung durch Benefits wie<br />

bezahlte Fortbildungen, bezahlte Öffi-Jahreskarten,<br />

Son<strong>der</strong>konditionen bei verbundenen Unternehmen etc.


III.<br />

Wiens <strong>Spitäler</strong> vorausschauend absichern:<br />

Transparente Personalbedarfsplanung


Seite 9<br />

Aufgrund von Leistungsreduktion und steigenden Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

z. B. durch die älter werdende Bevölkerung,<br />

neue Therapien, Gesundheitskrisen wie COVID-19 etc., ist<br />

es in den letzten Jahren im Gesundheitswesen zu einer<br />

massiven Arbeitsverdichtung bei gleichzeitig sinkendem<br />

Personalstand gekommen. Dieser Umstand wird bei <strong>der</strong><br />

Personalbedarfsplanung aktuell zu wenig bzw. gar nicht<br />

berücksichtigt – und das, obwohl nur elf Prozent <strong>der</strong> angestellten<br />

Ärzt*innen laut Eigenangaben ihr Arbeitspensum<br />

ohne Überstunden schaffen. 25 Prozent <strong>der</strong> angestellten<br />

Ärzt*innen sagen sogar, dass sie ihre gesetzlichen Ruhezeiten<br />

gar nicht einhalten können, was einem Bruch des<br />

Arbeitsrechts gleichkommt. Anekdotischer Evidenz folgend<br />

ist die Situation in <strong>der</strong> Pflege noch schlimmer.<br />

Um vorausschauend planen zu können, braucht es eine<br />

verlässliche Datenbasis, anhand <strong>der</strong>er Berechnungen angestellt<br />

werden können. Offenheit und Transparenz bei<br />

Dienstposten und Arbeitsleistung sind die Voraussetzung<br />

für eine realistische Personalbedarfsplanung, die sich nicht<br />

primär an ökonomischen Gesichtspunkten, son<strong>der</strong>n an<br />

den Bedürfnissen <strong>der</strong> Patient*innen und <strong>der</strong> Beschäftigten<br />

orientiert.<br />

Die Ärztekammer für Wien for<strong>der</strong>t:<br />

> einen Kassasturz in Form einer echten und ehrlichen<br />

Bestandsaufnahme des Status quo mit einer<br />

transparenten und aktuellen Auflistung aller offenen und<br />

besetzten Stellen in allen Krankenhäusern;<br />

> einen rückblickenden Leistungsvergleich auf Abteilungsund<br />

Ambulanzebene beginnend mit 20<strong>10</strong> bis heute. Dazu<br />

gehört auch eine Aufstellung <strong>der</strong> tatsächlich geleisteten<br />

ärztlichen und pflegerischen Arbeitsstunden im<br />

Zeitverlauf;<br />

> eine Neuberechnung <strong>der</strong> tatsächlich notwendigen<br />

Dienstposten auf Basis <strong>der</strong> aktuellen Normalarbeitszeit<br />

von 40 Stunden pro Woche (bzw. im Rahmen<br />

<strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>ten Arbeitszeitverkürzung) unter<br />

Berücksichtigung von Abwesenheiten (Urlauben,<br />

Krankenstände, Fortbildungen etc.).


IV.<br />

Beste Struktur <strong>zur</strong> optimalen medizinischen Versorgung von Wiens Bevölkerung:<br />

Organisationsreform des <strong>Wiener</strong> Gesundheitsverbundes<br />

Um den zahlreichen Herausfor<strong>der</strong>ungen eines mo<strong>der</strong>nen<br />

Spitalsmanagements rasch, flexibel und effizient<br />

begegnen zu können, ist eine Organisationsreform des<br />

<strong>Wiener</strong> Gesundheitsverbundes (WiGev) unumgänglich. Ziel<br />

muss es sein, dass <strong>der</strong> WiGev ein attraktiver Arbeitgeber<br />

wird, bei dem Ärzt*innen, Pflege und alle an<strong>der</strong>en<br />

Berufsgruppen gerne arbeiten. Aktuell sind nur 22 Prozent<br />

<strong>der</strong> <strong>Wiener</strong> Spitalsärzt*innen mit ihrem Arbeitsalltag<br />

zufrieden.<br />

Die Ärztekammer für Wien for<strong>der</strong>t:<br />

> eine Ausglie<strong>der</strong>ung des WiGev mit klarer Finanz- und<br />

Personalhoheit (auch über den Klinisch Administrativen<br />

Dienst) für die ärztlichen Direktor*innen <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Krankenanstalten, und zwar unabhängig von einzelnen<br />

Magistratsabteilungen (MA 02, MA 01).<br />

Es braucht daher ein mo<strong>der</strong>nes und flexibles Personalmanagement,<br />

klare Führungs- und Hierarchieebenen mit<br />

Entscheidungs- und Ressourcenkompetenz sowie flexible<br />

Arbeitszeitmodelle, die sich an den Bedürfnissen <strong>der</strong> am<br />

meisten nachgefragten Berufsgruppen orientieren. Die<br />

Erfahrungen an<strong>der</strong>er Bundeslän<strong>der</strong> haben gezeigt, dass<br />

das mit einer Ausglie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> landeseigenen <strong>Spitäler</strong> –<br />

bei gleichzeitiger <strong>10</strong>0-Prozent-Eigentümerschaft durch<br />

die öffentliche Hand – leichter möglich ist. Beispielhaft sei<br />

an dieser Stelle auch auf an<strong>der</strong>e ausgeglie<strong>der</strong>te Bereiche<br />

<strong>der</strong> Daseinsvorsorge in Wien verwiesen, wie etwa die Wien<br />

Holding, die <strong>Wiener</strong> Stadtwerke, <strong>der</strong> Fonds Soziales Wien<br />

o<strong>der</strong> die Psychosozialen Dienste Wien.


Seite11


V.<br />

Jetzt in die Zukunft investieren:<br />

Ausbildungsoffensive<br />

Die medizinische Exzellenz in Wiens <strong>Spitäler</strong>n steht und<br />

fällt mit <strong>der</strong> Ausbildung <strong>der</strong> künftigen Generation an<br />

Mediziner*innen. Durch den um sich greifenden Personalmangel<br />

im öffentlichen Gesundheitssystem kommt es in<br />

den letzten Jahren vermehrt dazu, dass Jungärzt*innen als<br />

billige Arbeitskräfte, Lückenbüßer*innen und Systemerhalter*innen<br />

herhalten müssen. Die Ausbildung bleibt dabei zunehmend<br />

auf <strong>der</strong> Strecke. 82 Prozent <strong>der</strong> Spitalsärzt*innen<br />

finden, dass die aktuellen Rahmenbedingungen im Spital zu<br />

einem anhaltenden und nachhaltigen Qualitätsverlust in <strong>der</strong><br />

medizinischen Ausbildung führen.<br />

Es braucht daher eine Offensive für die ärztliche Ausbildung.<br />

Die Ärztekammer für Wien for<strong>der</strong>t:<br />

> die sofortige Möglichkeit, die Ausbildung im Spital nach<br />

Abschluss des Humanmedizinstudiums zu beginnen, auch<br />

wenn kein Dienstposten frei ist;<br />

> dass Ärzt*innen entsprechend ihrem Ausbildungsstand<br />

und Fach eingesetzt und entlohnt werden;<br />

> dass Ärzt*innen in Ausbildung entsprechend ihrer höchsten<br />

abgeschlossenen Ausbildung entlohnt werden;<br />

> dass Ärzt*innen in Ausbildung nicht über das ausbildungsrelevante<br />

Ausmaß hinaus für delegierbare Aufgaben bzw.<br />

den mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich (z. B. EKG<br />

schreiben, Blutdruckmessen, Blutabnahmen etc.) herangezogen<br />

werden;<br />

> eine Festlegung von fixen Ausbildungszeiten im Dienstplan<br />

von zumindest 20 Prozent, und zwar sowohl für Ausbildner*innen<br />

als auch für Auszubildende. In diesen Zeiten<br />

werden keine Routinetätigkeiten übernommen, son<strong>der</strong>n<br />

sie dienen ausschließlich <strong>der</strong> Ausbildung;<br />

> die Aufwertung <strong>der</strong> ärztlichen Ausbildung in <strong>der</strong><br />

Generaldirektion des WiGev, z. B. durch die Einrichtung<br />

einer Stabstelle für ärztliche Ausbildung, die mit den<br />

notwendigen personellen und monetären Ressourcen<br />

ausgestattet ist;<br />

> einheitlich zehn Tage Son<strong>der</strong>urlaub für Aus-, Fort- und<br />

Weiterbildung pro Jahr, und zwar unabhängig von Spital,<br />

Spitalsträger und Ausbildungsstatus;<br />

> einen Monat Son<strong>der</strong>urlaub pro (Teil-)Fachärzt*inprüfung<br />

sowie das Recht auf einen Monat zusätzlich unbezahlte<br />

Freistellung;


Seite 13<br />

> tatsächlich ausbildungsverantwortliche Fachärzt*innen an<br />

je<strong>der</strong> Abteilung, die die Organisation und Durchführung von<br />

Aus- und Fortbildungen innerhalb <strong>der</strong> Abteilungen gewährleisten<br />

(Erstellung und Evaluierung von Ausbildungskonzepten,<br />

Absprache mit dem/<strong>der</strong> Dienstplanverantwortlichen, um<br />

eine transparente Rotation in Spezialbereiche wie Ambulanz<br />

und OP zu gewährleisten). Dafür ist es notwendig, dass rund<br />

50 Prozent des Anstellungsausmaßes ausschließlich <strong>der</strong><br />

Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses gewidmet werden.<br />

Dies ist in <strong>der</strong> Personalplanung zu berücksichtigen;<br />

> eine enge Abstimmung <strong>der</strong> Fortbildungsverantwortlichen<br />

mit <strong>der</strong> Ärztekammer inklusive verpflichten<strong>der</strong> Meldung in<br />

<strong>der</strong> Ärztekammer, wer Ausbildungsverantwortliche*r ist;<br />

> die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> freiwilligen Weiterarbeit nach Erreichen<br />

des Pensionsalters als Ausbildungsoberärzt*in;<br />

> eine verpflichtende Evaluation sowie Audits aller Ausbildungsstätten<br />

durch ein von den Ausbildungsstätten unabhängiges<br />

Gremium (z. B. Ausbildungsausschuss Neu) sowie<br />

die Veröffentlichung <strong>der</strong> Ergebnisse auf einer externen<br />

Plattform und verpflichtende Visitation bei negativem Ergebnis.<br />

Sollte das Ergebnis <strong>der</strong> Visitation negativ ausfallen,<br />

müssen verpflichtend Konsequenzen gezogen werden;<br />

> eine transparente Publikation <strong>der</strong> Ausbildungskonzepte<br />

<strong>der</strong> einzelnen Abteilungen sowie eine regelmäßige Evaluierung<br />

durch eine dafür ein<strong>zur</strong>ichtende Stelle;<br />

> eine transparente Berechnung sowie geson<strong>der</strong>tes Ausweisen<br />

<strong>der</strong> Stellen für die Basisausbildung und <strong>der</strong> Stellen für<br />

die allgemeinmedizinische Ausbildung. Zusätzlich muss es<br />

eine klare Abgrenzung zwischen den Tätigkeiten und Ausbildungsinhalten<br />

von Ärzt*innen in Basisausbildung und<br />

Ärzt*innen in allgemeinmedizinischer Ausbildung geben;<br />

> einen verpflichtenden strukturierten Ausbildungsplan ab<br />

dem ersten Tag <strong>der</strong> Ausbildung;<br />

> ein Verbot von angeordneten Stehmonaten in <strong>der</strong> Ausbildung.<br />

Sobald Stehmonate verpflichtend eingeteilt werden,<br />

sollen diese vom Träger in Höhe eines Fachärzt*innengehalts<br />

bezahlt werden;<br />

> eine Rückübertragung <strong>der</strong> Ausbildungsstättengenehmigung<br />

an die Ärztekammern bzw. jedenfalls Parteienstellung<br />

<strong>der</strong> Ärztekammer im Rahmen des Genehmigungsverfahrens,<br />

um eine korrekte fachliche, von dem/<strong>der</strong><br />

Arbeitgeber*in getrennte und unabhängige Einschätzung<br />

<strong>der</strong> Anträge zu gewährleisten


VI.<br />

Mehr Zeit für die Patient*innen:<br />

Bürokratieabbau und Digitalisierung<br />

Während die Personaldecke in Wiens <strong>Spitäler</strong>n immer<br />

dünner wird, steigt <strong>der</strong> bürokratische Aufwand in immer<br />

lichtere Höhen. Statt Zeit mit ihren Patient*innen, verbringen<br />

Ärzt*innen immer mehr Zeit vor dem Computer. 73<br />

Prozent <strong>der</strong> angestellten Ärzt*innen geben bürokratische<br />

Tätigkeiten als Grund für ihre Arbeitsüberlastung an. Neben<br />

ausreichend Personal ist daher eine Entlastung von allen<br />

nicht ärztlichen Tätigkeiten notwendig. Darunter fallen z. B.<br />

Tätigkeiten wie das Anfor<strong>der</strong>n von Befunden, das Suchen<br />

von freien Betten o<strong>der</strong> auch das Handling von veralteten<br />

und fehleranfälligen IT-Systemen.<br />

Die Ärztekammer für Wien for<strong>der</strong>t:<br />

> eine Reduktion des Bürokratieaufwands für Angehörige <strong>der</strong><br />

Gesundheitsberufe durch den Ausbau des „Klinisch Administrativen<br />

Diensts“ (kurz KAD) mithilfe <strong>der</strong> Aufnahme einer<br />

adäquaten Anzahl unterstützen<strong>der</strong> Verwaltungsmitarbeiter*innen<br />

inklusive einer Qualifizierungsoffensive sowie<br />

eines neu zu definierenden Tätigkeitsbereichs für den KAD;<br />

> eine Reduktion des Dokumentationsaufwands durch<br />

die Digitalisierung von Prozessen inklusive <strong>der</strong> flächendeckenden<br />

Ausrollung von Patient*innendatenmanagementsystemen<br />

(PDMS o<strong>der</strong> elektronische Fieberkurve);<br />

> das vollumfängliche Umsetzen delegierbarer Tätigkeiten;<br />

> eine funktionale und unterstützende Hard- und Software<br />

wie in <strong>der</strong> Praxis anwendbare Spracherkennung für die<br />

Dokumentation im klinischen Alltag und gesetzeskonforme<br />

Dienstplantools;<br />

> ein 24/7-IT-Service und -Back-up für die kritische Infrastruktur,<br />

z. B. Überwachungsmonitore in zentralen Notaufnahmen;<br />

> ein zentrales Bettenmanagement in jedem Spital mit<br />

einem eigenen 24/7-Dienstrad, um das stundenlange unkoordinierte<br />

Bettensuchen durch einzelne diensthabende<br />

Ärzt*innen zu verringern;<br />

> eine Aufstockung <strong>der</strong> Kapazitäten <strong>der</strong> Krankentransporte<br />

zwischen Partnerspitälern, um stundenlange Wartezeiten<br />

für den Transport von A nach B zu beenden;<br />

> eine flexible Anpassung <strong>der</strong> Erstversorgungsambulanzen<br />

des Ärztefunkdienstes, die den <strong>Spitäler</strong>n vorgelagert sind,<br />

und zwar in zeitlicher und personeller Hinsicht durch die<br />

jeweiligen ärztlichen Direktor*innen ohne zusätzliche<br />

Genehmigungs- o<strong>der</strong> Budgetprozesse mit an<strong>der</strong>en<br />

Entscheidungsträger*innen.


Seite 15


VII.<br />

Erschließung finanzieller Mehreinnahmen für Wiens <strong>Spitäler</strong>:<br />

Ausbau <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>klasse


Seite 17<br />

Im Bundeslän<strong>der</strong>vergleich fallen die WiGev-<strong>Spitäler</strong> durch<br />

einen geringen Son<strong>der</strong>klasseanteil auf. Aus politischen<br />

Gründen spricht sich die Stadt gegen den Ausbau <strong>der</strong><br />

Son<strong>der</strong>klasse aus. Dies führt dazu, dass dieser Markt<br />

ausschließlich Betreiber*innen von Privatspitälern<br />

überlassen wird. Das wirtschaftliche Potenzial <strong>der</strong><br />

Son<strong>der</strong>klasse bleibt für das öffentliche System ungenutzt.<br />

Gleichzeitig wechseln zunehmend Ärzt*innen aus dem<br />

öffentlichen System in den wachsenden Privatsektor, was<br />

den Personalmangel im öffentlichen Gesundheitswesen<br />

weiter verschärft.<br />

> eine Erhöhung bestehen<strong>der</strong> Zulagen für Fächer ohne<br />

Son<strong>der</strong>klasse (z. B. Psychiatrie o<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und<br />

Jugendheilkunde) sowie die Auszahlung <strong>der</strong> Zulagen<br />

nicht nur bei 12,5-Stunden-Diensten.<br />

Die Ärztekammer für Wien for<strong>der</strong>t:<br />

> einen Ausbau <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>klasse (tagesinterventionell<br />

und stationär) in den WiGev-<strong>Spitäler</strong>n – mit dem<br />

gemeinsamen Ziel, diesen Markt nicht privaten<br />

Betreiber*innen zu überlassen;<br />

> substanzielle Ausgleichszahlungen für son<strong>der</strong>klasseschwache<br />

Fächer, um einer mangelnden Attraktivität<br />

dieser Fächer und in weiterer Folge einer Abwan<strong>der</strong>ung<br />

von Ärzt*innen aus dem Spital entgegenzuwirken;


VIII.<br />

Spitzenmedizin braucht klare Strukturen: Seite 18<br />

Die Zukunft des AKH Wien<br />

Die Medizinische Universität Wien liegt im aktuellen<br />

Newsweek-Ranking <strong>der</strong> weltweit besten Krankenhäuser<br />

auf Platz 30. Das ist vor allem ein Verdienst <strong>der</strong> Mitarbeiter*innen.<br />

Doch die vergangenen Jahre waren für die Beschäftigten<br />

<strong>der</strong> MedUni Wien for<strong>der</strong>nd, und zwar nicht nur<br />

aufgrund <strong>der</strong> COVID-19 Pandemie. Abwan<strong>der</strong>ung – vor allem<br />

in den nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich –, eine mangelnde Flexibilität,<br />

die Überschreitung von Arbeitszeitgrenzen, unbezahlte<br />

Arbeitszeit sowie eine defizitäre Führungskultur sind nur<br />

einige <strong>der</strong> Problemfel<strong>der</strong>.<br />

Eine große Mitarbeiter*innenumfrage unter den Beschäftigten<br />

am AKH Wien, an <strong>der</strong> rund 3000 Personen teilgenommen<br />

haben, unterstreicht den Handlungsbedarf:<br />

Für 66 Prozent ist ein Dienstzeitmodell ohne Betriebsvereinbarung<br />

mit wechselnden Diensten im Rahmen <strong>der</strong><br />

Normalarbeitszeit nicht akzeptabel. 57 Prozent <strong>der</strong> Mitarbeiter*innen<br />

in klinischen Organisationseinheiten haben<br />

nicht genügend Zeit, um sich ihrer wissenschaftlichen<br />

Tätigkeit zu widmen, gar 74 Prozent können keine eingetragenen<br />

Forschungszeiten nutzen. 58 Prozent <strong>der</strong> Ärzt*innen<br />

können nicht bestätigten, dass die Delegation administrativer<br />

Tätigkeiten ihrer hinreichend gegeben ist. Weitere<br />

38 Prozent berichten, dass es für sie keine interessanten<br />

beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten an <strong>der</strong> MedUni<br />

Wien gibt. Daher müssen die Rahmenbedingungen für die<br />

Mitarbeiter*innen gezielt verbessert werden.<br />

Aus diesem Grund for<strong>der</strong>t die Ärztekammer für Wien, dass<br />

das AKH als eigenständiges Bundesspital geführt wird.<br />

Konkret bedeutet das, dass alle Beschäftigten bei einem*r<br />

einheitlichen Arbeitgeber*in nach einheitlichen Rahmenbedingungen<br />

beschäftigt sind. Ziel muss ein geplantes und<br />

gesteuertes universitäres Exzellenzzentrum sein, in dem nur<br />

im Ausnahmefall Regelversorgung übernommen wird.<br />

Um die Betriebsfähigkeit bis <strong>zur</strong> Überführung in ein Bundesspital<br />

zu gewährleisten, unterstützt die Ärztekammer für<br />

Wien die For<strong>der</strong>ungen des Betriebsrats des wissenschaftlichen<br />

Personals <strong>der</strong> MUW und for<strong>der</strong>t:<br />

> eine Erhöhung <strong>der</strong> Bruttogehälter (ohne Journaldienstzulage)<br />

für alle Mitarbeiter*innen <strong>der</strong> MedUni Wien um<br />

30 Prozent;<br />

> 60 zusätzliche Ärzt*innen <strong>zur</strong> Entlastung von Bereichen<br />

mit beson<strong>der</strong>s hohen klinischen Anfor<strong>der</strong>ungen;<br />

> eine adäquate Bezahlung von Journaldiensten durch die<br />

Verdoppelung <strong>der</strong> Journaldienstentgelte und die Bezah-


lung ab 15.30 bzw. 16.00 Uhr sowie die Abschaffung von<br />

durch Journaldienste (z. B. Ruhetagen) gesammelten<br />

Minusstunden;<br />

> die Bezahlung von längeren durchgehenden Telefonaten<br />

bzw. Arbeiten (> 30 Minuten) im Bereitschaftsdienst sowie<br />

bei Anwesenheit im Spital;<br />

> eine Ausweitung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung (mehr Ferienbetreuung<br />

und Kin<strong>der</strong>gartenplätze vor allem für Kin<strong>der</strong><br />

unter drei Jahren, eine Kin<strong>der</strong>betreuung in <strong>der</strong> MedUni<br />

Wien, Veranstaltungen außerhalb <strong>der</strong> Dienstzeit);<br />

> Mitarbeiter*innen sollen ihre Dienstzeit für definierte Zeiträume<br />

nach Bedarf beliebig reduzieren können;<br />

> freiwilliges Homeoffice bzw. Telearbeit für alle Arbeiten,<br />

die ortsungebunden möglich sind (z. B. Radiologie);<br />

> die Sicherung von Zeit für Lehre und Forschung (mindestens<br />

20 Prozent individuelle Forschungszeit in <strong>der</strong><br />

Regelarbeitszeit sowie eine verlässliche Berücksichtigung<br />

auch bei Dienstplänen);<br />

> zwei fixe Wissenschaftstage pro Woche ab Abschluss <strong>der</strong><br />

Fachärzt*inausbildung und für Stellen mit interner Karrierevereinbarung<br />

(kurz IKV-Stellen), ein fixer Wissenschaftstag<br />

für Ärzt*innen in Fachärzt*inausbildung;<br />

> den Ausbau des Wissenschaftspaketes inklusive Publikationsservice,<br />

Statistikambulanz, Grantmanager*in;<br />

> die zeitliche und finanzielle För<strong>der</strong>ung von Kongressbesuchen,<br />

Weiterbildungsveranstaltungen und Auslandsaufenthalten;<br />

> eine gezielte Karriereplanung für Mitarbeiter*innen mit befristeten<br />

Arbeitsverträgen sowie strukturierte Mitarbeiter*innengespräche;<br />

> professionelle Führungsqualitäten als weiteres Auswahlkriterium<br />

bei <strong>der</strong> Besetzung von Führungspositionen im<br />

Berufungsverfahren, das obligatorisch um mo<strong>der</strong>ne Auswahlmethoden<br />

erweitert wird (z. B. Assessment Center, bei<br />

denen nicht nur akademische Leistungen bewertet werden);<br />

> den Ausbau gezielter Weiterbildungsmaßnahmen für<br />

Führungskräfte;<br />

> ein geordnetes Onboarding für alle neuen Mitarbeiter-<br />

*innen inklusive Softwareschulungen, eines strukturierten<br />

„Re-Boarding“ nach <strong>der</strong> Karenz sowie eines systematisierten<br />

Offboarding mit sämtlichen Mitarbeiter*innen, die die<br />

MedUni Wien verlassen;<br />

> eine mo<strong>der</strong>ne technische Ausstattung von Arbeitsplätzen<br />

für mehr Effizienz (Hard- und Software);<br />

> ein Leistungserfassungssystem <strong>zur</strong> objektiven Personalplanung<br />

(statt nicht aussagekräftiger KPIs, wie <strong>der</strong>zeit z. B.<br />

die Zahl <strong>der</strong> Notfallpatient*innen).


IX.<br />

Effizienzpotenziale heben:<br />

Mo<strong>der</strong>nes Management für mo<strong>der</strong>ne <strong>Spitäler</strong><br />

Neben fehlenden Ressourcen sind mitunter ungenutzte<br />

Effizienzpotenziale und Fehlplanungen seitens des<br />

Managements o<strong>der</strong> <strong>der</strong> direkten Vorgesetzen für die<br />

Probleme in Wiens <strong>Spitäler</strong>n verantwortlich. So beurteilen<br />

65 Prozent <strong>der</strong> Spitalsärzt*innen die Qualität <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Unternehmensführung und 34 Prozent die Qualität <strong>der</strong><br />

direkten Vorgesetzten als schlecht.<br />

Es gilt daher, die Bemühungen <strong>zur</strong> Optimierung <strong>der</strong><br />

Versorgung zu intensivieren und Missmanagement auf<br />

struktureller Ebene vorzubeugen.<br />

Die Ärztekammer für Wien for<strong>der</strong>t:<br />

> eine Verbesserung <strong>der</strong> Lenkung von Patient*innenströmen<br />

– mit dem Ziel, Effizienzpotenziale zu heben<br />

und Patient*innen am Best Point of Service optimal zu<br />

versorgen;<br />

> Bettensperren analog <strong>der</strong> Pflege, wenn ärztliche<br />

Dienstposten nicht besetzt sind;<br />

> ein effizienteres Entlassungsmanagement durch eine<br />

bessere Zusammenarbeit mit Pflegeheimen und die<br />

Etablierung von temporären Intermediäreinrichtungen,<br />

um Spitalsbetten nicht mit pflegebedürftigen Menschen,<br />

die keine Spitalsversorgung benötigen, zu besetzen;<br />

> einen Ausbau <strong>der</strong> medizinischen Versorgung in<br />

Pflegeheimen, um die <strong>Spitäler</strong> zu entlasten;<br />

> die Nutzbarmachung <strong>der</strong> Spitalsinfrastruktur<br />

außerhalb <strong>der</strong> Betriebszeiten und gegen Einhebung<br />

einer Nutzungsgebühr für Betreiber*innen einer<br />

Privatordination, wie in Privatspitälern üblich;<br />

> die Veröffentlichung je<strong>der</strong> Gefährdungsanzeige unter<br />

Anonymisierung <strong>der</strong> personenbezogenen Daten<br />

sowie sofortiges Einschreiten <strong>der</strong> verantwortlichen<br />

Managementebene – mit dem Ziel einer unbürokratischen<br />

und raschen Lösungsfindung;<br />

> die Abschaffung <strong>der</strong> Teilzeit- bzw. Doppelprimariate.<br />

Primar*in o<strong>der</strong> Abteilungsvorstand ist ein Fulltime-<br />

Job, und zwar sowohl in Bezug auf die notwendige<br />

medizinisch-fachliche Kompetenz als auch in Bezug auf<br />

die Führungsaufgaben. Folglich soll sich jede*r Primar*in<br />

ausschließlich um eine Abteilung kümmern;


Seite 21<br />

> die Bestellung aller Führungskräfte<br />

inklusive ärztlicher Direktor*innen und<br />

Primarärzt*innen auf Zeit, das heißt<br />

mit einer Bestellung auf fünf Jahre und<br />

anschließen<strong>der</strong> Reevaluation inklusive<br />

einer Befragung <strong>der</strong> Mitarbeiter*innen;<br />

> eine verpflichtende breite Einbindung<br />

klinisch tätiger Ärzt*innen sowie<br />

<strong>der</strong> Ärztekammer für Wien als<br />

Standesvertretung in alle Change-<br />

Prozesse, um Fehlplanungen zu<br />

vermeiden.


X.<br />

Gemeinsam bedarfsgerecht planen:<br />

Neuaufstellung <strong>der</strong> Gesundheitsplanung in Wien


Seite 23<br />

Die Ärztekammer Wien ist als Interessensvertretung<br />

<strong>der</strong> Ärzteschaft eine zentrale Partnerin im <strong>Wiener</strong><br />

Gesundheitswesen. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe<br />

ist nicht nur eine Selbstverständlichkeit, son<strong>der</strong>n auch eine<br />

Notwendigkeit.<br />

Die Sorgen und Anliegen <strong>der</strong> Beschäftigten im Gesundheitswesen<br />

müssen Richtschnur und Wegweiser für eine<br />

bedarfsgerechte Gesundheitsplanung sein.<br />

> die Beiziehung <strong>der</strong> Ärztekammer für Wien in die<br />

Gehaltsverhandlungen des WiGev analog dem<br />

Erfolgsmodell <strong>der</strong> <strong>Wiener</strong> Ordens- und Privatspitäler;<br />

> eine gemeinsame Reevaluierung des Spitalskonzepts<br />

2040.<br />

Die Ärztekammer für Wien for<strong>der</strong>t:<br />

> regelmäßige, transparente, ergebnisorientierte und<br />

ehrliche Gespräche mit <strong>der</strong> <strong>Wiener</strong> Gesundheitspolitik,<br />

<strong>der</strong> Generaldirektion des WiGev und den Gesundheitsplaner*innen<br />

<strong>der</strong> Stadt über die notwendigen Weiterentwicklungen<br />

<strong>der</strong> <strong>Wiener</strong> <strong>Spitäler</strong>;<br />

> die Einrichtung je einer ständig tagenden gemeinsamen <strong>Plan</strong>ungskommission<br />

für die <strong>Wiener</strong> <strong>Spitäler</strong> und für den WiGev;<br />

> die gleichberechtigte Zuziehung <strong>der</strong> Ärztekammer für<br />

Wien in die Landeszielsteuerungskommission;


Impressum: Ärztekammer für Wien, Kurie angestellte Ärzte, Körperschaft des öffentlichen<br />

Rechts, vertreten durch den Präsidenten, <strong>10</strong><strong>10</strong> Wien, Weihburggasse <strong>10</strong>-12,<br />

Fotocredits: Dreamstime.com, Juni 2023<br />

Unsere For<strong>der</strong>ungen – aekwien.at/for<strong>der</strong>ungen

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