Held:innen-Taten in Krisenzeiten: Das Ehrenamtsmagazi
Seit dem Jahr 2022 macht ein Begriff die Runde, den die Wissenschaftler Thomas Homer-Dixon, Ortwin Renn, Johan Rockstrom, Jonathan F. Donges und Scott Janzwood geprägt haben: „Polykrise“ . Ihre These: Unsere Welt wird nicht nur von einer immer größer werdenden Anzahl an Krisen gebeutelt. Diese Krisen scheinen auch miteinander verknüpft. Durchschaubar sei das bislang nicht, ebenso wenig erforscht. Sie waren überzeugt, das müsse sich ändern. Dass es im Augenblick nicht die eine Krise gibt, sondern zumeist mehrere zusammenspielen und zu unterschiedlichen Konsequenzen führen, das hat auch das Team von Aktion Musik / local heroes e.V. erfahren. Im Rahmen ihrer zweiten Publikation untersuchten sie „Held:innen-Taten in Krisenzeiten“. Fokus ihrer Recherchen und der dazugehörigen wissenschaftlichen Untersuchung war (natürlich) das Thema Musik. Sie wollten wissen: Was bedeutet „Krise“ in diesem Zusammenhang? Und welche Konsequenzen entstanden und entstehen daraus?
Seit dem Jahr 2022 macht ein Begriff die Runde, den die Wissenschaftler Thomas Homer-Dixon, Ortwin Renn, Johan Rockstrom, Jonathan F. Donges und Scott Janzwood geprägt haben: „Polykrise“ . Ihre These: Unsere Welt wird nicht nur von einer immer größer werdenden Anzahl an Krisen gebeutelt. Diese Krisen scheinen auch miteinander verknüpft. Durchschaubar sei das bislang nicht, ebenso wenig erforscht. Sie waren überzeugt, das müsse sich ändern.
Dass es im Augenblick nicht die eine Krise gibt, sondern zumeist mehrere zusammenspielen und zu unterschiedlichen Konsequenzen führen, das hat auch das Team von Aktion Musik / local heroes e.V. erfahren. Im Rahmen ihrer zweiten Publikation untersuchten sie „Held:innen-Taten in Krisenzeiten“. Fokus ihrer Recherchen und der dazugehörigen wissenschaftlichen Untersuchung war (natürlich) das Thema Musik. Sie wollten wissen: Was bedeutet „Krise“ in diesem Zusammenhang? Und welche Konsequenzen entstanden und entstehen daraus?
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
PORTRAIT
BUSINESS INSIGHTS
DEEPER KNOWLEDGE
LOCAL HEROES
IHR SPIELT DIE MUSIK.
DAS MAGAZIN
SEITE 30
DEEPER KNOWLEDGE | HELD:INNENZEIT
HELD:INNENZEIT
Denkt man an Helden (oder Heldinnen!),
dann kommen schnell
die ganzen Superheroes aus dem
Marvel-Universum in den Kopf:
Spider-Man, Iron Man oder Captain
America, Wonder Woman oder Jessica
Jones. Aber wer kann schon
Spinnennetze aus den Händen
schießen? Oder hat einen Anzug,
mit dem man fliegen kann?
Held:in sein heißt allzu oft, etwas
ganz Besonderes, Außergewöhnliches
leisten zu können. Superkräfte
zu haben. Über uns allzu
sterblichen „Normalos“ zu stehen.
Also: Heroisch über sich hinauszuwachsen
und tapfere Ruhmestaten
zu vollbringen. Held:innen stehen
auf Podesten, werden Weltmeister:innen,
bekommen Medaillen
umgehängt oder erhalten im Buckingham
Palast den Ritterschlag.
Man kann diese Held:innen bewundern,
ihr Fan sein oder davon
träumen, ‚einmal einen Tag lang so
wie sie zu sein‘.
Aber als Vorbilder und Inspiration
für das tägliche Leben? Taugen
sie nur bedingt. Denn wir alle, die
Allermeisten zumindest, können
eben nicht so einfach tagtäglich
heroisch Außergewöhnliches
leisten.
Oder doch?
Wie oft treffen wir auf ganz gewöhnliche
Menschen, die anderen
Menschen selbstlos helfen, oft
über die eigenen Kraftreserven
hinaus. Die sich für andere einsetzen,
ohne etwas im Gegenzug
zu erwarten, einfach weil sie es für
selbstverständlich halten. Menschen,
die ohne mit der Wimper
zu zucken, Überstunden leisten,
weil es gerade viel zu tun gibt und
es ohne ihren Einsatz anderen
schlechter ginge.
Die für erkrankte Kolleg:innen
einspringen, weil der Laden laufen
muss. Die sich ehrenamtlich engagieren,
um die Welt mit ihren Kräften
ein kleines bisschen besser
zu machen. Überall um uns herum
sind sie. Die kleinen, ganz großen
Held:innen.
Für alle diese Menschen gibt es
das schöne Wort „Alltagshelden“.
Damit gemeint: Held:innen, die nur
selten eine Urkunde bekommen
oder ein Krönchen oder auch nur
einen dankbaren Klopf auf die
Schulter. Ohne die in unserer Welt
aber nichts geht.
Vielleicht ist dieses Held:innentum
sogar noch schwerer zu leisten, als
das Weltenretten von Superman
und Wonder Woman. Über diese
werden Filme gedreht, sie werden
angehimmelt und bekommen
Lieder geschrieben. Alltagsheld:innentum
geht hingegen – im trubeligen,
gestressten, heldenhaften
– Alltag oft unter. Klar, jede(r) freut
sich über den Altruismus von engagierten
Ehrenamtler:innen. Aber
für ein ausführliches Dankeschön
ist dann doch gerade keine Zeit.
Und immer dann, wenn bei den engagierten
kleinen großen Held:innen
mal wieder die Aufgabenlast
größer wird, der große Stress ausbricht
und alle am Limit arbeiten,
bleiben Dank und Wertschätzung
(leider) gerne mal auf der Strecke
- Super-Alltagsheld:innen laufen
unter dem Berühmtheitsradar. Und
gerade weil bei vielem ehrenamtlichen
Engagement eine jegliche
Wirkung nicht sofort sichtbar ist,
sondern sich erst im Laufe der
Zeit zeigt, gibt es selten den einen
Moment, an dem der Böse besiegt
ist, die Welt gerettet wurde und die
Menschheit auf Knien dankt. Nachhaltiges
Engagement nennt sich
dieses dauerhafte Bessermachen
in kleinen Schritten. Das meint
aber auch: Ehrenamtlich Engagierte
brauchen einen langen Atem,
der sie auch durch frustrierte,
anstrengende, mühsame Momente
trägt.
Eine Atemhilfe in all den unvermeidlichen
Momenten, an denen
die Anstrengung zu groß und der
Dank zu klein werden, kann Musik
sein. Dann helfen all die Songs,
die eben gerade nicht („We are the
Champions!”) die Superheld:innen
feiern. Sondern die Hymnen, Hits
und Held:innen-Songs, die sich den
„Übersehenen“ widmen. Lieder,
in denen man sich gerade deshalb
wiederfinden und verstanden
fühlen kann. Weil sie sagen: Es ist
gigantisch, was Du leistest.
Als Musikfan kommt einem natürlich
als erstes David Bowie in den
Kopf: „We can be Heroes. Just
for one day”. Und auch, wenn es
in diesem Song eigentlich um
eine heimliche Liebe im Schatten
der Berliner Mauer geht: Bowies
Helden-Glanzstunde geht immer
zur Ermutigung in Zweifelszeiten.
Apropos Ermutigung.
Wolf Biermanns vielleicht bekanntestes
Stück „Ermutigung“, - geschrieben
für den von der SED
überwachten Freund Peter Huchel,
erinnert dann daran, sich auch bei
Gegenwind nicht wegzuducken
und bei allem Frust den Humor zu
behalten.
Dieses leise, vertrackte Stück ist
zum Innehalten. Wer ausrasten
will, greift sich das Album „The
Colour and the Shape“ der Foo
Fighters aus Seattle. In dem
vielleicht berühmtesten Song über
Alltagsheld:innen heißt es:
Ordinary – gewöhnlich, vielleicht.
Aber niemals verzichtbar. Auch
wenn es sich manchmal so anfühlen
kann. Gerade dann, wenn sich
bei allem Engagement die Wirkung
nicht sofort zeigt, wenn es Geduld,
Ausdauer, Leidensfähigkeit
und Durchhaltevermögen braucht,
um zwei Schritte vor, einen zurück
und dann wieder zwei nach vorne
zu gehen. Dann ist im Ohr dieses
Zweifelsstimme.
Die lässt sich besonders gut mit
Jack Johnson und Ben Harper zum
Schweigen bringen. Oder besser:
Übertönen lassen.
"I CAN CHANGE THE WORLDM,
WITH MY OWN TWO HANDS
MAKE IT A BETTER PLACE,
WITH MY OWN TWO HANDS
MAKE IT A KINDER PLACE,
WITH MY OWN TWO HANDS
WITH MY OWN
WITH MY OWN TWO HANDS
I CAN MAKE PEACE ON EARTH,
WITH MY OWN TWO HANDS
I CAN CLEAN UO THE EARTH,
WITH MY OWN TWO HANDS
I CAN REACH OUT TO YOU,
WITH MY OWN TWO HANDS
WITH MY OWN
WITH MY OWN TWO HANDS
WITH MY OWN
WITH MY OWN TWO HANDS."
JACK JOHNSON & BEN HARPER
WITH MY OWN TWO HANDS
Und neben den zwei Händen hat
man ja noch diesen großen Kraftspeicher
innendrin. Allen Mut, alle
Kraft, alle Liebe und alles Engagement,
daran erinnert Mariah Carey
in ihrem Hit „Hero“, findet man in
sich selbst:
SEITE 31
DEEPER KNOWLEDGE | HELD:INNENZEIT
TEXT: OLE LÖDING