Standpunkt 564, 1. September 2023
Eine Publikation der Wirtschaftskammer Baselland
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8 | <strong>Standpunkt</strong> der Wirtschaft ARBEITGEBER BASELLAND <strong>1.</strong> <strong>September</strong> <strong>2023</strong><br />
EXTERNE KINDERBETREUUNG<br />
Ständeratskommission<br />
gefährdet KITA-Lösung<br />
Dass in der Schweiz etwas gehen muss in Sachen<br />
externer Kinderbetreuung, ist aus Arbeitgebersicht<br />
unbestritten. Die Schweiz rangiert<br />
beim Angebot an bezahlbarer und qualitativ<br />
guter Kinderbetreuung gemäss dem Kinderhilfswerk<br />
Unicef auf Rang 38 von 41 evaluierten<br />
Ländern, nur Zypern, die USA und die Slowakei<br />
liegen noch weiter zurück.<br />
Aus dem Nationalrat läge auch ein, wie der<br />
Schweizerische Arbeitgeberverband auf seiner<br />
Website schreibt, «fein austariertes Konzept<br />
vor». Dieser wichtige Schritt des Nationalrats<br />
hin zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf<br />
und Familie sei überfällig, schreibt der Arbeitgeberverband<br />
weiter.<br />
Der Bund übernähme 20 Prozent der Kosten<br />
Der Entwurf des Nationalrats sieht vor, dass der<br />
Bund 20 Prozent der durchschnittlichen kantonalen<br />
Kosten eines Betreuungsplatzes in einer<br />
Kindertagesstätte (KITA) übernimmt. Die tatsächliche<br />
Höhe des Bundesbeitrags würde sich<br />
danach richten, wie stark sich die jeweiligen<br />
Kantone selber in der externen Kinderbetreuung<br />
engagieren. Der Bund könnte seinen Beitrag je<br />
nach Kanton bis auf 10 Prozent reduzieren, und<br />
damit KITA-faule Kantone dazu bringen, mehr<br />
für die Kinderbetreung zu tun.<br />
Einziger Minuspunkt des nationalrätlichen<br />
Vorschlags ist aus Sicht des Arbeitgeberverbands<br />
die Geltungsdauer. Bei der Vorlage des<br />
Nationalrats würden Kinder bis zum Ende der<br />
Primarschule unterstützt, wohingegen der<br />
Arbeitgeberverband den Fokus auf die Vorschule<br />
und eventuell die beiden ersten Kindergartenjahre<br />
legen möchte. «So könnten die Kosten der<br />
Vorlage – die aktuell bei 710 Millionen Franken<br />
liegen – substanziell gesenkt werden, ohne dass<br />
die Wirkung der Arbeitsanreize bei den Eltern<br />
verwässert würde», schreibt der Arbeitgeberverband.<br />
Die Arbeitgebenden müssten alles zahlen<br />
Die Vorlage müsste eigentlich nur noch vom<br />
Ständerat abgesegnet werden und in Sachen<br />
Geltungsdauer im Sinne des Arbeitgeberverbands<br />
etwas modifiziert werden. Nun aber<br />
trüben die Diskussionen in der vorberatenden<br />
Kommission des Ständerats die optimistische<br />
Stimmung. Die Kommission für Wissenschaft,<br />
Bildung und Kultur des Ständerats, diskutiert<br />
nämlich darüber, ob die Entlastung der Eltern<br />
nicht über die Familienzulagen erfolgen sollte.<br />
«So verführerisch einfach eine solche Lösung<br />
auch klingen mag, sie hat gewichtige Nachteile»,<br />
warnt der Arbeitgeberverband. Der<br />
grösste Nachteil wäre, dass die Kosten einer<br />
solchen Lösung – wenn das heutige Finanzierungssystem<br />
beibehalten würde – zu praktisch<br />
100 Prozent von den Arbeitgebenden getragen<br />
werden müsste.<br />
Die von den Arbeitgebenden finanzierten<br />
Kinderzulagen beliefen sich 2021 auf beinahe<br />
5 Milliarden Franken. Würde die KITA-Finanzierung<br />
auf den Familienzulagen abgestützt,<br />
dürfte dies für die Arbeitgebenden Mehrkosten<br />
in Milliardenhöhe zur Folge haben. Verständlich,<br />
dass die Arbeitgebenden diesen Deal nicht<br />
eingehen wollen. <br />
Reto Anklin<br />
ARBEITGEBERVERBAND BASELLAND<br />
Arbeitgeber Baselland ist die Vereinigung<br />
aller der Wirtschaftskammer angeschlossenen<br />
Arbeitgeber. Die Angebote von Arbeitgeber Baselland<br />
stehen allen arbeitgebenden Mitgliedern<br />
der Wirtschaftskammer Baselland zur Verfügung.<br />
DRITTSTAATSANGEHÖRIGE – Im Kampf gegen den Fachkräftemangel rollen der Bund und der<br />
Kanton Basel-Landschaft den roten Teppich aus für Spezialistinnen und Spezialisten aus Nicht-EU-Staaten,<br />
die nach ihrem Hochschulstudium in der Schweiz auch hier arbeiten wollen.<br />
Roter Teppich für Fachkräfte<br />
Der Trend bei Drittstaatsangehörigen,<br />
die ihr Studium in der Schweiz<br />
an einer der universitären Hochschulen,<br />
kantonalen Universitäten,<br />
Eidgenössischen Technischen Hochschulen<br />
(ETH) oder an den Fachhochschulen<br />
und pädagogischen<br />
Hochschulen abschliessen und danach<br />
auch in der Schweiz arbeiten,<br />
zeigt nach oben.<br />
Die erleichterte Zulassung dieser<br />
Personen zum Arbeitsmarkt zeigt<br />
Wirkung. Im vergangenen Jahr arbeiteten<br />
im Kanton Basel-Landschaft<br />
zwölf Drittstaatsangehörige, die davon<br />
profitieren konnten. Im Jahr zuvor<br />
waren es erst deren fünf, und<br />
2020 noch keine einzige Person. Dies<br />
steht in der Antwort der Baselbieter<br />
Regierung auf eine Interpellation, die<br />
FDP-Landrat Andreas Dürr im Juni<br />
dieses Jahres eingereicht hatte.<br />
Alle Gesuche bewilligt<br />
«Es liegt kein Fall vor, bei welchem<br />
bei einer oder einem Drittstaatsangehörigen<br />
mit Schweizer Hochschulabschluss<br />
mit Arbeitsort im<br />
Kanton Basel-Landschaft eine Aufenthaltsbewilligung<br />
verweigert worden<br />
ist», schreibt die Baselbieter<br />
Regierung weiter.<br />
Für Studierende aus Drittstaaten,<br />
die nach ihrem in der Schweiz absolvierten<br />
Hochschulstudium auch<br />
in der Schweiz arbeiten möchten,<br />
sieht es gut aus. Dies freut auch die<br />
Arbeitgebenden, die dringend auf<br />
Fachkräfte angewiesen sind, von wo<br />
auch immer diese kommen.<br />
Die Bemühungen der FDP tragen<br />
also Früchte. Wie Dürr in seiner Interpellation<br />
schreibt, hatte diese gefordert,<br />
dass in der Schweiz ausgebildete<br />
Spezialistinnen und Spezialisten<br />
hier bleiben und arbeiten dürfen,<br />
Wer in der Schweiz ein Hochschulstudium absolviert, soll nach dem Abschluss auch in der Schweiz arbeiten<br />
dürfen.<br />
Bild: Shutterstock<br />
auch wenn er oder sie aus einem<br />
Drittstaat kommt. Und die Bedingungen<br />
sollen noch besser werden: Derzeit<br />
beraten National- und Ständerat,<br />
ob Drittstaatsangehörigen mit<br />
Schweizer Hochschulabschluss der<br />
Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt<br />
weiter erleichtert werden soll, indem<br />
sie von den Höchstzahlen (Kontingente)<br />
ausgenommen werden, wenn<br />
ihre Erwerbstätigkeit von hohem wissenschaftlichem<br />
oder wirtschaftlichem<br />
Interesse ist. Weder der Kanton<br />
Basel-Landschaft noch der Bund hätten<br />
im Rahmen des Zustimmungsverfahrens<br />
jemals einer Arbeitskraft<br />
AHV-INITIATIVE – Die Initiative «Für ein besseres Leben im Alter» fordert eine 13. AHV-Rente. Dies würde<br />
die aktive Generation stark belasten und den Generationenvertrag untergraben, sagt das «Centre Patronal».<br />
Zwei neue Gotthardtunnel – pro Jahr<br />
Im Frühling 2024 entscheiden die<br />
Stimmberechtigten in der Schweiz<br />
über die vom Gewerkschaftsbund<br />
eingereichte Initiative «Für ein besseres<br />
Leben im Alter».<br />
Die Abstimmungsvorlage, die vom<br />
Parlament und vom Bundesrat zur<br />
Ablehnung empfohlen wird, fordert,<br />
dass die Pensionierten eine 13. AHV-<br />
Rente erhalten. «Und dies, trotz ‹besorgniserregender<br />
AHV-Finanzperspektiven<br />
und des Ungleichgewichts<br />
zwischen den Generationen›», wie<br />
der Presse- und Informationsdienst<br />
der Arbeitgeberorganisation «Centre<br />
Patronal» (CP) schreibt.<br />
Geld ausgeschüttet, der es am wenigsten<br />
benötigt. Die zusätzlichen<br />
Ausgaben müssten durch eine Erhöhung<br />
der Mehrwertsteuer und höhere<br />
Beiträge zulasten der Arbeitnehmer<br />
und der Unternehmen finanziert<br />
werden. «Dies würde im Endeffekt<br />
bedeuten, dass die in der Summe ärmeren<br />
aktiven Erwerbstätigen zumit<br />
Hochschulabschluss aus einem<br />
Drittstaat nur aufgrund fehlender<br />
Kontingente die arbeitsmarktliche<br />
Zulassung verweigert, schreibt die<br />
Regierung in der Interpellationsantwort.<br />
Sinneswandel bei Unternehmen<br />
«Die Gesetzesanpassung könnte allenfalls<br />
zu einer veränderten Wahrnehmung<br />
seitens Unternehmungen<br />
bezüglich der Gewinnung von Drittstaatsangehörigen<br />
mit Schweizer<br />
Hochschulabschluss führen»,<br />
schreibt die Regierung in ihrer Interpellationsantwort.<br />
Dies könne dazu<br />
beitragen, dass die Zulassungszahlen<br />
weiter steigen. Zusätzliche Erleichterungen<br />
sind geplant. Wer heute<br />
als Drittstaatsangehöriger um eine<br />
Arbeitsbewilligung ersucht, muss 17<br />
Tage auf den Bescheid warten. Die<br />
Digitalisierung soll die Abläufe vereinfachen<br />
und beschleunigen. Die<br />
Regierung plant, die kantonalen ausländerrechtlichen<br />
Bewilligungsprozesse<br />
an EasyGov.swiss anzubinden<br />
und alle ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahren<br />
elektronisch abzuwickeln.<br />
Im Verlauf des übernächsten<br />
Jahres sollte es so weit<br />
sein.<br />
Reto Anklin<br />
Haus der Wirtschaft<br />
Hardstrasse 1<br />
4133 Pratteln<br />
Telefon: +41 61 927 64 64<br />
E-Mails: info@arbeitgeber-bl.ch<br />
www.kmu.org/arbeitgeber-bl<br />
Erwerbstätige würden geschröpft<br />
Die Initiative schlägt vor, die Konten<br />
der ersten Säule durch zusätzliche<br />
jährliche Ausgaben in der Höhe<br />
von rund 5 Milliarden Franken<br />
weiter zu belasten. «Dies entspricht<br />
den Kosten für den Bau von zwei<br />
zusätzlichen Strassentunneln am<br />
Gotthard jedes Jahr oder dem<br />
Jahres budget der Armee, die doch<br />
als so teuer gilt», kommentiert der<br />
CP. Es würde einer Verdoppelung<br />
der derzeitigen jährlichen AHV-Einnahmen<br />
aus der Mehrwertsteuer<br />
gleichkommen.<br />
Bei einer Annahme der Initiative<br />
würde nach Ansicht des CP genau<br />
an den Teil der Bevölkerung mehr<br />
Mit dem Geld, das die Initianten zusätzlich in die AHV stecken wollen, könnten jedes Jahr zwei Gotthardstrassentunnel<br />
finanziert werden. Das Doppelbild zeigt die aktuelle Baustelle in Göschenen im vergangenen Dezember.<br />
Leidtragende, bei einer Annahme der AHV-Initiative wären die derzeit Erwerbstätigen.<br />
Bild: Shutterstock<br />
sätzlich geschröpft werden, um neue<br />
Leistungen an die in der Summe<br />
reicheren Rentner zu verteilen»,<br />
schreibt der «Centre Patronal».<br />
Ein verlockendes Angebot<br />
Mehr Leistung zu erhalten, ohne diese<br />
finanzieren zu müssen, ist natürlich<br />
ein verlockendes Angebot, doch<br />
handelt es sich dabei um einen Affront<br />
gegen den bereits strapazierten<br />
Generationenvertrag.<br />
«Für ein besseres Leben im Alter»<br />
müssten gemäss «Centre Patronal»<br />
andere Massnahmen ergriffen<br />
werden, «als die begrenzten Ressourcen<br />
der nachfolgenden Generationen<br />
zu plündern». Reto Anklin