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KOLUMNE<br />
AUS DEM HERZEN DER RAUTE<br />
Als dem Werder-Management der Kragen platzte<br />
Immer nur Hohn und Spott wegen der schlechten Leistungen der<br />
Mannschaft, das ging so einfach nicht weiter. Deshalb platzte<br />
den Werder-Bossen gewaltig der Kragen. Sie verfassten sogar<br />
einen Brandbrief, um den Zuschauern mal so richtig die Meinung<br />
zu sagen. Volle Attacke gegen die eigenen Fans und Mitglieder!<br />
Das glauben Sie nicht? Es ist tatsächlich so bei Werder <strong>Bremen</strong><br />
passiert. Und das nicht etwa in einer der Abstiegssaisons, sondern<br />
vor einem Jahrhundert, um das Jahr 1924. Das historische Schriftstück<br />
ist in einer Vitrine im Vereinsmuseum „Wuseum“ zu sehen<br />
und wirklich lesenswert. Die Überschrift klingt eher harmlos: „Von<br />
typischen Schwächen unserer Mitglieder.“ Was danach aber folgt,<br />
unterschrieben vom Vorsitzenden Alfred Ries und zwei Kollegen<br />
aus der Vereinsführung, das hat es in sich. Es zeugt von Wut und<br />
Enttäuschung. Und vom festen Glauben an das Gute im Fußballfan.<br />
Auslöser des ganzen Theaters war eine, nun ja, etwas deutlichere<br />
Werder-Niederlage: 3:8 gegen Komet. Danach, so steht<br />
es im Brief, soll es ein solches<br />
Murren in der Menge gegeben<br />
haben und so viele Anschuldigungen,<br />
als hätten „die Vereinsverantwortlichen<br />
ein Staatsverbrechen<br />
begangen“. Es folgt ein<br />
herrlicher Satz: „Welch große<br />
Geister umgeben uns, wenn<br />
man sich die Gesichter der<br />
Foto: F. T. Koch<br />
Jean-Julien Beer, Jahrgang 1977,<br />
liebt den Fußball. Er war viele Jahre<br />
Chefredakteur des Fachmagazins<br />
„Kicker“ und ist heute Chefreporter<br />
des „WESER-KURIER“. In seiner<br />
Kolumne wirft er einen Blick hinter<br />
die Kulissen des SV Werder.<br />
Besserwisser anschaut?“ Und<br />
im nächsten Absatz: „Herrschaften,<br />
besinnt Euch auf Euch<br />
selbst. Seid Ihr mehr als Menschen?“<br />
Die Mannschaft habe doch<br />
ihr Bestes gegeben, „aber mit<br />
Schwächen, wie sie unseren<br />
Torhüter befielen, konnte man<br />
nicht rechnen“. Nach einem<br />
gewonnenen Spiel wimmele es in <strong>Bremen</strong> vor „Hurra-Patrioten“,<br />
kritisierten die Werder-Bosse. Nach Niederlagen aber scheue man<br />
sogar das Bekenntnis zur Mitgliedschaft. Deshalb wurde offen gefragt:<br />
„Kritiker, Nörgler und Lästerer – wo bleibt euer Rechtsempfinden?“<br />
Man brauche Werderaner, die Freud und Leid in Gemeinschaft<br />
ertragen können.<br />
Das Internet mit all seiner anonymen Hetze sollte dem Verein<br />
erst viele Jahrzehnte später zu schaffen machen. Aber auch damals<br />
brannte offenbar schon die Hütte nach derben Niederlagen. Was<br />
für ein Dokument Bremer Fußballgeschichte …<br />
Foto: FR<br />
10<br />
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18. nov 10.dez<br />
<strong>Bremen</strong><br />
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