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STADTMAGAZIN Bremen Oktober 2023

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LOKALES<br />

AUF DIE<br />

OHREN!<br />

PODCASTS AUS<br />

BREMEN<br />

„Wir lassen <strong>Bremen</strong> erzählen!“<br />

„Eine Stunde reden“ / Bei <strong>Bremen</strong>-Zwei-Podcasthost Mario Neumann kommen alle 14 Tage<br />

Zufallsbegegnungen aus <strong>Bremen</strong> und umzu zu Wort, die ihm die Geschichte(n) ihres Lebens erzählen.<br />

Fotos: Radio <strong>Bremen</strong>/ Josephine Gotzes<br />

16<br />

Ein Podcast ohne Promis, ohne Promo,<br />

ohne große Namen. Das Konzept von<br />

<strong>Bremen</strong>-Zwei-Redakteurin Nicole<br />

Ritterbusch klingt zunächst ungewöhnlich.<br />

Aber es geht auf – denn sie und Podcasthost<br />

Mario Neumann sind überzeugt, dass<br />

jeder Mensch eine Geschichte zu erzählen<br />

hat. Alle zwei Wochen stellt sich der Reporter<br />

deshalb mit seinem Schild „Eine Stunde<br />

reden?“ auf eine Straße irgendwo in <strong>Bremen</strong><br />

und wartet – bis er jemanden gefunden<br />

hat, der 60 Minuten mit ihm über die<br />

kleinen und die großen Fragen des Lebens<br />

sprechen will. Es geht um Erfolg und Scheitern,<br />

um verpasste und gelebte Träume, um<br />

eine turbulente Jugend oder die große Liebe<br />

– kurz, um echte Geschichten aus <strong>Bremen</strong><br />

und umzu. Im Gespräch verraten die beiden,<br />

wem sie mit ihrem Podcast eine Stimme<br />

geben und warum ihr Konzept im Radio<br />

ganz besonders gut funktioniert.<br />

Wie sind die „Gespräche mit Unbekannten“<br />

entstanden und warum im Radio?<br />

Ritterbusch: Ich liebe das Spontane und<br />

das Einfach-mal-machen und bin überzeugt<br />

davon, dass jeder Mensch eine Geschichte<br />

zu erzählen hat. Diese in <strong>Bremen</strong><br />

zu finden, war und ist die Idee meines<br />

Konzepts – wir nehmen uns Zeit zum Zuhören<br />

und geben Raum zum Erzählen.<br />

Also haben wir irgendwann Mario mit<br />

unserem selbst gebastelten Schild auf den<br />

Marktplatz geschickt, um zu schauen, was<br />

passiert. Wollen Menschen überhaupt reden?<br />

Und auch: Wollen andere die Einblicke<br />

in unbekannte Lebensgeschichten hören?<br />

Schnell stellte sich heraus: Sie wollen!<br />

Neumann: Ich finde Menschen an sich<br />

einfach faszinierend, doch die wirklich gesellschaftsrelevanten<br />

Geschichten sind oft<br />

versteckt und finden wenig Platz in den<br />

Nachrichten. Wir wollen diese herauskitzeln<br />

und den Menschen aus unserer Mitte<br />

eine Stimme geben. Was treibt sie um,<br />

welche Sorgen, Ängste oder Freuden haben<br />

sie? Es geht in der Sendung nicht um Voyeurismus,<br />

sondern darum, zu teilen und<br />

das Miteinander begreifbar zu machen. Das<br />

Radio hat anderen Medien dabei viel voraus,<br />

denn die Intimität des Gesprächs wird<br />

rein akustisch vermittelt, es gibt keine störenden<br />

oder ablenkenden visuellen Faktoren.<br />

Das merken sowohl meine Gesprächspartner:innen<br />

als auch die Hörer:innen. Sie<br />

können einfach mal erzählen oder einfach<br />

mal zuhören. Unser Format ist ja auch nie<br />

auserzählt, jede Folge birgt etwas Neues.<br />

Wie bereiten Sie sich auf die Gäste vor?<br />

Neumann: Wenn ich mit meinem Schild<br />

losziehe, möchte ich neugierig und vorurteilslos<br />

unterwegs sein und offen für die<br />

Geschichten und die Schicksale, die kommen.<br />

Nicht ich stehe im Mittelpunkt, sondern<br />

mein Gast, das ist die Essenz unserer<br />

Sendung. Die Herausforderung liegt für<br />

mich darin, das Steuer abzugeben und mich<br />

einzulassen auf die individuelle Perspektive.<br />

Ich weiß vorher nie, was auf mich zukommen<br />

wird. Auf dieses Unbekannte und<br />

Spontane zu reagieren ist das Anspruchsvolle<br />

an unserem facettenreichen Format.<br />

Während des Gesprächs landen wir oft bei<br />

persönlichen Lebensgeschichten. Das erfordert<br />

Mut seitens der Gäste – und viel<br />

Vertrauen in mich. Als Host ist es meine<br />

Aufgabe, mit Fingerspitzengefühl für die<br />

Gäste da zu sein und sie, das ist ganz wichtig,<br />

auch mal schweigen zu lassen.<br />

Mit welchen Gefühlen gehen Sie selbst<br />

aus den Gesprächen heraus?<br />

Neumann: Ich spreche mit Menschen, deren<br />

Lebensweg oft wirklich sehr holprig verlaufen<br />

ist und die oft tragische Schicksale zu tragen<br />

haben. Es geht um Trauer, Tod oder Tabuthemen<br />

wie Missbrauch, Mobbing und Depressionen.<br />

Das macht das Zuhören unglaublich<br />

hart, die Geschichten tun auch mir weh und<br />

sind schwer auszuhalten. Nach den Aufzeichnungen<br />

bin ich deshalb oft platt und emotional<br />

verausgabt. Aber auch glücklich und<br />

dankbar, dass mir meine Gäste ihr Vertrauen<br />

geschenkt und mich an ihrem Leben haben<br />

teilhaben lassen. Denn trotz allem hören ich<br />

und wir ja auch viele schöne Geschichte voller<br />

Hoffnung, Lebensfreude und Zukunftspläne.<br />

Was bleibt von einem Menschen, den<br />

man eine Stunde lang kennengelernt hat?<br />

Neumann: „Eine ganze Stunde nur für<br />

mich? Warum wollt ihr das hören?“, das<br />

höre ich tatsächlich häufig. Es ist herzerwärmend,<br />

wie sich die Gäste mir anvertrauen,<br />

wie sie ihre Lebensgeschichte erzählen<br />

und damit auch anderen Mut machen. Eine<br />

Frau hat es mal toll formuliert, als sie mir<br />

sagte, ich strahle eine solche Ruhe aus, die<br />

es ihr leicht mache, sich endlich mal alles<br />

von der Seele reden zu können. Die Bindung,<br />

die bei diesen Gesprächen entsteht,<br />

bleibt oft bestehen. Ich schätze mich glücklich,<br />

so viele spannende Persönlichkeiten<br />

während unserer preisgekrönten Podcast-<br />

Reise schon kennengelernt zu haben.<br />

Das Interview führte Svenja Conrad.<br />

„Eine Stunde reden“<br />

Hier geht‘s zu den Folgen:

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