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BIBER 10_23_OLA (1)_DIENSTAG

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ihm sei es jedoch wichtig zu betonen,<br />

dass das Phänomen keine Diagnose ist<br />

und es dafür keinen alleinstehenden<br />

Auslöser gäbe. „Erklären kann man sich<br />

das mittels des bio-psycho-sozialen Systems<br />

des Menschen“, so Lioznov. „Bio“<br />

steht für die Genetik. Wenn die Eltern in<br />

ihrem Leben starkem Stress ausgesetzt<br />

waren oder eventuell traumatisiert sind,<br />

geben sie das an ihre Kinder genetisch<br />

weiter. Der Punkt „psycho“ betrifft die<br />

individuelle psychische Verfassung. Hier<br />

spielen die eigenen Traumata, Stresssituationen<br />

und der Druck der Eltern eine<br />

wesentliche Rolle. Der dritte Aspekt,<br />

„sozial“, wird oft übersehen, obwohl er<br />

entscheidend ist. Die soziale Umwelt,<br />

beispielsweise in Form von Rassismus,<br />

kann einen erheblichen Einfluss auf das<br />

Imposter-Phänomen haben. Es handelt<br />

sich demnach um ein komplexes Zusammenspiel<br />

aus mehreren Faktoren, die in<br />

den Menschen Komplexe auslösen.<br />

„SOLL ICH WIRKLICH<br />

WEITERSTUDIEREN?“<br />

„Sie wissen, dass ihre Tochter nicht die<br />

Matura machen muss, oder?“, mit diesen<br />

Worten versuchte Tatjanas Mathematikprofessorin<br />

ihrer Mutter in einem<br />

persönlichen Gespräch zu erklären, dass<br />

nicht alle Kinder für höhere Schulen<br />

gemacht sind. Die heute 20-Jährige, die<br />

serbische Wurzeln hat, befand sich zu<br />

der Zeit in der Oberstufe eines Gymnasiums.<br />

Eigentlich war sie eine recht gute<br />

Schülerin, doch durch die Worte ihrer<br />

Mathematikprofessorin fing sie, an sich<br />

fehl am Platz zu fühlen – alle ihre guten<br />

Leistungen waren plötzlich egal. Dieses<br />

Gefühl des „Nicht-gut-genug-Seins“ lässt<br />

sie bis heute auf der Fachhochschule<br />

nicht los. Sie studiert Content Produktion<br />

und spürt das ständige Bedürfnis, sich<br />

beweisen zu müssen. Tatjana ist eine<br />

der wenigen Studierenden mit Migrationshintergrund<br />

in ihrer Studienrichtung<br />

und besonders darin sieht sie die Wurzel<br />

ihrer Unsicherheiten. „Ich wünsche mir<br />

so ein bisschen, dass ich die gleichen<br />

Möglichkeiten hätte wie meine autochthonen<br />

Kommilitonen an der FH. Sie<br />

können einfach verreisen, unbezahlte<br />

Praktika absolvieren und haben Eltern,<br />

die sie im Studium finanziell unterstützen<br />

können. Da fühle ich mich so, als hätte<br />

ich da keinen Platz und würde nicht<br />

dahin gehören“, erklärt sie bedrückt. Sie<br />

versteht nicht, warum sie diesen Platz<br />

auf der Fachhochschule bekommen hat,<br />

da sie ihn ihrer Meinung nach gar nicht<br />

verdient hätte. Sätze wie „Sollte ich nicht<br />

vielleicht abbrechen?“ oder „Soll ich<br />

wirklich weiterstudieren?“ machen sich<br />

in ihrem Kopf breit. Sie hat konstante<br />

Selbstzweifel und vergleicht sich mit<br />

ihren Mitstudierenden. Alle ihre Qualifikationen<br />

und Fähigkeiten sind nichts<br />

wert oder zumindest nicht so viel wie die<br />

der anderen. „Mir ist sehr wohl bewusst,<br />

dass Studieren etwas für jeden ist,<br />

aber vielleicht bin ich doch nicht dafür<br />

geschaffen, eine höhere Schule abzuschließen.<br />

Vielleicht sollte man das doch<br />

den Österreicher:innen überlassen“,<br />

erzählt Tatjana.<br />

„ICH BLAMIERE MICH<br />

DOCH NUR“<br />

„Ich bin einfach ein sehr lieber, kommunikativer<br />

und offener Mensch und ich<br />

glaube, dass das vielen gefällt und sie<br />

deswegen gar nicht merken, dass ich<br />

eigentlich nichts draufhabe.“ Mit diesen<br />

Worten versucht Ana ihr Gefühl, sie<br />

würde Vorgesetzte hinters Licht führen,<br />

zu erklären. Dabei besitzt die 27-Jährige<br />

mit bosnisch-kroatischen Wurzeln mehr<br />

als nur Charme. Ihr Lebenslauf ist gefüllt<br />

mit erstklassigen Arbeitserfahrungen<br />

und auch ihr Masterstudium hat sie<br />

erfolgreich abgeschlossen. Nichtsdestotrotz<br />

plagen sie ihre Unsicherheiten.<br />

Als sich Ana letztes Jahr für einen Job<br />

als Kundenberaterin in einer großen<br />

Consulting-Firma bewarb, musste sie<br />

sich durch einen harten Bewerbungsprozess<br />

boxen. Einen Monat und vier<br />

Runden später hatte sie zwar die Stelle,<br />

doch vor allem in den ersten Monaten<br />

verfolgten sie Gedanken wie: „Oh mein<br />

Gott, wieso haben die mich genommen?“<br />

oder „Irgendwann merken sie,<br />

dass sie einen Fehler gemacht haben.“<br />

Die Frage, was die anderen über sie<br />

denken könnten, verfolgt sie auf Schritt<br />

und Tritt. Diese Denkweise hat sie schon<br />

früh von ihren Eltern vererbt bekommen.<br />

Ihnen war es wichtig, als Migrant:innen<br />

einen guten Eindruck zu machen und<br />

nicht schlechter als Österreicher:innen<br />

gesehen zu werden – das war die größte<br />

Angst der Eltern und immer mit unglaublich<br />

großer Scham verbunden. Doch<br />

diese Angst, etwas Falsches zu sagen<br />

oder zu machen, schränkt Ana nun ein,<br />

ihr wahres Potenzial zu zeigen. „Häufig in<br />

Gruppen-Settings traue ich mich nichts<br />

zu sagen, weil sich in mir solche Gedanken<br />

aufdrängen: `Die anderen werden<br />

es doch eh besser wissen und ich<br />

blamier mich jetzt nur, ich bin doch eh<br />

nicht kompetent genug, warum bin ich<br />

überhaupt hier?´ Ich unterschätze mich<br />

selbst enorm“, erzählt sie bedrückt. Eine<br />

endgültige Lösung für diese Gedanken<br />

hat die 27-Jährige noch nicht gefunden,<br />

allerdings findet sie Lob hilfreich. „Wenn<br />

Kolleg:innen mir sagen, dass ich etwas<br />

gut gemacht habe, hilft das“, erklärt<br />

sie. Sie warnt jedoch davor, von positivem<br />

Feedback abhängig zu werden und<br />

ermutigt dazu, auch ohne Bestätigung<br />

von anderen selbstbewusst und selbstständig<br />

zu handeln.<br />

SPRECHT ÜBER EURE<br />

NEGATIVEN GEDANKEN.<br />

Obwohl es zu einfach klingen mag,<br />

ist Kommunikation der Schlüssel zur<br />

mentalen Entlastung. „Die Fähigkeit,<br />

seine Schwächen zu offenbaren, ist ein<br />

Zeichen von Stärke“, betont Lioznov und<br />

ermutigt dazu, ehrlich über negative<br />

Gedanken zu sprechen. In den passenden<br />

Umgebungen und mit den richtigen<br />

Menschen kann dies eine äußerst heilsame<br />

Erfahrung sein. Sprecht mit anderen,<br />

erzählt von euch und fragt, ob sie das<br />

Gefühl kennen, ob es ihnen ähnlich geht.<br />

Irgendwer muss ja den Anfang machen.<br />

Dennoch beschäftigt mich, auch nachdem<br />

dieser Text von der Redaktion als<br />

gut befunden und abgedruckt wurde, die<br />

Frage: War das jetzt gut genug? ●<br />

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