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Österreichische Post AG; PZ 18Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />

www.dasbiber.at<br />

MIT SCHARF<br />

DEZEMBER<br />

20<strong>23</strong><br />

WIR SIND DANN MAL WEG.<br />

HVALA & SELAM<br />

EIN BEST OF AUS 16 JAHREN JOURNALISMUS MIT SCHARF.


STIMMEN-<br />

VERSTÄRKERIN<br />

WER UND WAS IST DIE AK?<br />

Die Arbeiterkammer ist so etwas wie das<br />

Sprachrohr und die Anwältin der arbeitenden<br />

Menschen. Wir kämpfen dafür, dass sie gehört,<br />

fair bezahlt und rechtlich abgesichert werden.<br />

wien.arbeiterkammer.at/immernah<br />

©dikushin – AdobeStock<br />

WIEN.ARBEITERKAMMER.AT


FÜR IMMER<br />

MIT SCHARF<br />

„Seit meiner Schulzeit bin ich riesiger biber-<br />

Fan. Als ich dort mein erstes Praktikum<br />

machen durfte, wurde meine Bewunderung<br />

nur größer. biber bot kritische Geschichten<br />

von unterschiedlichen Menschen und<br />

Communitys in Österreich – Perspektiven,<br />

die sonst kein heimisches Medium abbildete.<br />

Es ließ uns einander verstehen und<br />

war gleichzeitig ein Sprungbrett für junge<br />

Journalist:innen in die Branche.“<br />

Armin Nadjafkhani, Journalist<br />

Ehemalige<br />

Redakteur:innen<br />

darüber, wie biber ihre<br />

berufliche Laufbahn<br />

geprägt hat.<br />

„Biber war der Türöffner für meine journalistische<br />

Karriere. Eine Karriere, die<br />

hierzulande für Leute mit einem Namen<br />

wie dem meinen eher unüblich ist. Der<br />

Nachteil wurde zum Vorteil, denn zum<br />

ersten Mal konnten wir Migra-Kids Einblicke<br />

liefern, die die Mehrheitsgesellschaft<br />

einfach nicht hatte.“<br />

Šemsa Salioski, Journalistin<br />

© Karahasan Mücahit Khan, BKA/ Wenzel, ifiphotography, Zoe Opratko, Billa/Robert Harson<br />

„Als ich in der biber-Akademie angefangen<br />

habe, wusste ich nicht, dass diese<br />

mein ganzes berufliches Leben formen<br />

würde. Obwohl ich fest davon überzeugt<br />

war, der Journalismus ist das Richtige<br />

für mich, habe ich mit dem Praktikum<br />

nach der Akademiezeit gelernt, dass<br />

meine persönlichen und beruflichen<br />

Stärken ganz wo anders liegen. Danke<br />

für alles, biber!“<br />

Amra Ducić, Abteilungsleiterin Digitale<br />

Kommunikation im BKA<br />

„In jungen Jahren hatte ich die<br />

Gelegenheit, in der Redaktion zu<br />

arbeiten und danach den Vertrieb<br />

des Magazins zu organisieren. Etwa<br />

zehn Jahre später bin ich Vertriebsmanager<br />

bei Billa. In einigen meiner<br />

Filialen befindet sich immer noch ein<br />

biber-Aufsteller. Ironie des Schicksaals:<br />

Jetzt liegt es an mir, diese zu<br />

entfernen – so schließt sich mein<br />

ganz persönlicher Kreis.“<br />

Teoman Tiftik, Vertriebsmanager<br />

REWE<br />

„Als mir am Reumannplatz die erste<br />

biber-Ausgabe in die Hand gedrückt<br />

wurde, hat sich eine neue Welt für mich<br />

aufgetan. biber war mein Lieblingsmagazin<br />

und meine journalistische Heimat.<br />

Ich trage den Spirit immer im Herzen.“<br />

Jelena Pantić-Panić, Journo-Mentorin<br />

„Biber hat mir, als ich gerade in Bosnien gelebt<br />

habe, die Möglichkeit gegeben, meiner Community<br />

eine Stimme zu geben. Ich hoffe, dass<br />

diese Stimme weiterhin laut bleiben kann.“<br />

Dennis Miskić, Journalist<br />

„Ich schrieb über Dinge, die mich bewegten<br />

und das schon von Tag eins in der Akademie.<br />

Darauf folgte eine Festanstellung,<br />

geprägt von unzähligen Erlebnissen und<br />

Geschichten, für die ich immer dankbar<br />

sein werde. Die Redaktion war mein Safe<br />

Space. Bleibt scharf.“<br />

Maria Lovrić-Anušić, Journalistin<br />

„Biber war und bleibt für mich Community,<br />

Zusammenhalt und Widerstand.<br />

Und den Spirit werde ich auch in Zukunft<br />

weiter in mir tragen. Danke für alles.“<br />

Özben Önal, Journalistin<br />

„Biber wird mir für immer in Erinnerung<br />

bleiben, schließlich war es nicht<br />

nur mein erster Berührungspunkt mit<br />

dem Journalismus, sondern auch mein<br />

Sprungbrett in die Medienlandschaft.“<br />

Seyda Gün, Journalistin<br />

„Biber ist für mich ein Safe Space,<br />

in dem ich mich aufgehoben und<br />

verstanden fühle. Einmal biber, immer<br />

biber – dieser Spirit bleibt bei allen<br />

(alten und jungen) Journalist:innen,<br />

die die Ehre hatten, hier zu arbeiten.“<br />

Emilija Ilić, Journalistin<br />

/ MIT SCHARF / 3


3 ABSCHIED MIT SCHARF<br />

Stipendiat:innen der biber-Akademie bedanken<br />

sich für die Zeit in der schärfsten Redaktion<br />

des Landes.<br />

8 MIT SEBASTIAN KURZ AM<br />

KEBAPSTAND<br />

Ex-Politik-Ressortleiter Amar Rajković erinnert<br />

sich an die originellsten Gesprächssettings<br />

zurück.<br />

14 WIE ALLES BEGANN<br />

Kein Geld, keine Redaktion, aber eine brilliante<br />

Idee: Biber-Gründer Simon Kravagna über den<br />

Weg zum ersten Magazin-Prototypen.<br />

14<br />

VON ANFANG AN<br />

Wie aus einer Idee<br />

ein Magazin wurde<br />

16 “BITTE OHNE POLIZEI UND<br />

OHNE ERWACHSENE“<br />

Chefredakteurin Aleksandra Tulej über den<br />

biber’schen Zugang, den nur wir konnten.<br />

IN<br />

22 JEDER MIGRA-JOURNO<br />

WAR MAL BEI <strong>BIBER</strong><br />

Ex-Akademieleiterin Marina Delcheva über<br />

das beste Sprungbrett in die österreichische<br />

Medienbranche.<br />

26 JOURNOS IN DER<br />

WÄSCHEREI<br />

FM4-Journalist Ali Cem Deniz über unser<br />

Prestigeprojekt biber Akademie.<br />

8<br />

POLITIK MIT<br />

MIGRANTISCHEM<br />

TWIST<br />

Mit Sebastian Kurz am<br />

Kebapstand und mit<br />

Michael Ludwig Burek<br />

essen – das konnte nur<br />

biber.<br />

28 HIJABI-STYLE UND<br />

EU-KLOPAPIER<br />

Delna Antia-Tatić lässt die gewagtesten Events<br />

und Fotoshooting-Ideen Revue passieren.


34 SURE DER LEIDENSCHAFT<br />

Anna Thalhammers berühmt-berüchtigte Story<br />

über Sex im Islam aus den Greatest Hits.<br />

16<br />

„WIR<br />

VERTRAUEN<br />

NUR <strong>BIBER</strong>“<br />

Wir verraten euch<br />

endlich, wie die<br />

besten Inside-<br />

Storys entstanden<br />

sind.<br />

HALT DEZEMBER<br />

20<strong>23</strong><br />

28<br />

STYLE MIT<br />

SCHARF<br />

Ob Hijabi-Style,<br />

koschere Perücken<br />

oder ein Laufsteg in<br />

Favoriten zur EU-Wahl:<br />

Wir waren Pioniere in<br />

Sachen Community.<br />

© Philipp Tomsich, Aleksandra Tulej, Marko Mestrović Cover: © Lucia Bartl, Zoe Opratko, Marko Mestrović, Ina Aydogan, Aleksandra Tulej, Aliaa Abou Khaddour, Julie Brass, Philipp Tomsich<br />

38 GENERATION HARAM<br />

Melisa Erkurts Durchbruch und „Story des<br />

Jahres 2016“ nochmal zum Nachlesen.<br />

44 <strong>BIBER</strong>-BURKINI<br />

Menerva Hammads „Burkini“-Story sorgt zehn<br />

Jahre später noch für Furore.<br />

46 AJDE CIAO, BRATE!<br />

Ivana Cucujkić-Panić über den Pioniergeist von<br />

biber in Sachen Community-Journalismus.<br />

46 DER TRAMFAHRENDE<br />

JOURNALIST AUS SYRIEN<br />

Clemens Neuholds preisgekröntes Porträt über<br />

Bilal Albeirouti, der in Wien auf Schiene ging.<br />

54 IN MEMORIAM<br />

Einer der vielen lesenswerten Texte unseres<br />

leider verstorbenen Kolumnisten Jad Turjman.<br />

76 WENN SICH EINE<br />

TÜR SCHLIESST<br />

Šemsa Salioski verabschiedet sich als Karriere-<br />

Kolumnistin.<br />

82 VOM TABUBRUCH ZUM BUCH<br />

Kultur-Ressortleiterin und Buchautorin Nada<br />

Chekh über die Herzensgeschichten, die bei<br />

biber aufgingen.<br />

.


Liebe Leser:innen,<br />

Einmal mit scharf geht noch: Dies ist das letzte biber-Magazin dieser<br />

großartigen Redaktion. Diese finale Ausgabe nehmen wir zum<br />

Anlass, nochmal das Beste aus 16 Jahren Journalismus zu feiern.<br />

Auf Seite <strong>12</strong> erfährt ihr von biber-Gründer Simon Kravagna<br />

höchstpersönlich, wie man in den frühen 2000ern eigentlich auf<br />

die Idee kam, ein Medium zu gründen, das gezielt von und für migrantische<br />

Communitys in Wien ist, und wie es unser erster Prototyp<br />

im Jahr 2006 in den Druck geschafft hat.<br />

„<br />

Wie verpackt man 16 Jahre<br />

biber in einer Ausgabe? Leicht<br />

war‘s nicht – so viele Talente, so<br />

viele gute Geschichten, so viel<br />

„mit scharf.“<br />

In diesem Heft steckt so viel<br />

Herz, so viel Wehmut und<br />

ganz viel biber.<br />

Aleksandra “ Tulej,<br />

Chefredakteurin<br />

Originelle Gesprächssettings waren unser Spezialgebiet: Amar<br />

Rajković plaudert auf Seite 8 aus dem Nähkästchen und erzählt,<br />

wie wir mit Sebastian Kurz am Kebapstand waren und wie man<br />

den Bürgermeister mit einem Rapper und einem Boxer in eine<br />

Story packt. Delna Antia-Tatić schwelgt auf Seite 28 in Erinnerungen<br />

über ganz besondere Lifestyle-Storys und Events mit migrantischem<br />

Twist.<br />

Wie kommen wir zu unseren Reportagen aus Communities, die<br />

sonst verborgen sind? Das hat man uns in der Branche oft gefragt,<br />

verraten haben wir‘s nie. Bis jetzt. Aleksandra Tulej beantwortet<br />

diese brennende Frage in ihrem behind the scenes auf Seite 16.<br />

Ein heißer Tipp: Unser Leuchtturmprojekt biber-Akademie half<br />

uns immer wieder, unseren Horizont mit neuen Geschichten und<br />

Talenten zu erweitern. Marina Delcheva erzählt auf Seite 22 vom<br />

besten Sprungbrett in die Medienbranche.<br />

Und zwischendurch gibt es noch viele Zuckerl und Ostereier zu<br />

sehen: Eine Best-Of-Covergalerie und die stärksten Storys und<br />

ihre Nachwirkungen inklusive. Bevor es jetzt für Euch auf Erinnerungsreise<br />

geht, sagen wir allen unseren Leser:innen, Partner:innen<br />

und Kolleg:innen DANKE für eure Unterstützung und Arbeit. Wir<br />

alle waren biber.<br />

Bleibt für immer scharf.<br />

Eure biber Redaktion<br />

© Zoe Opratko<br />

6 / MIT SCHARF /


IMPRESSUM<br />

MEDIENINHABER:<br />

Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21,<br />

Museumsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien<br />

HERAUSGEBER:<br />

Simon Kravagna<br />

CHEFREDAKTEURIN:<br />

Aleksandra Tulej<br />

FOTOCHEFIN:<br />

Zoe Opratko<br />

ART DIRECTOR: Dieter Auracher<br />

LEKTORAT: Florian Haderer<br />

ÖAK GEPRÜFT laut Bericht über die Jahresprüfung im 2. HJ 2022:<br />

Druckauflage 85.000 Stück<br />

Verbreitete Auflage 80.700 Stück<br />

Die Offenlegung gemäß §25 MedG ist unter<br />

www.dasbiber.at/impressum abrufbar.<br />

DRUCK: Mediaprint<br />

REDAKTION, FOTOGRAFIE & ILLUSTRATION:<br />

Nada Chekh, Delna Antia-Tatić, Amar Rajković, Ivana Cucujkić-Panić,<br />

Marina Delcheva, Šemsa Salioski, Özben Önal, Thomas Süß<br />

VERLAGSLEITUNG :<br />

Aida Durić<br />

REDAKTIONSHUND:<br />

Casper<br />

BUSINESS DEVELOPMENT:<br />

Andreas Wiesmüller<br />

GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />

Wilfried Wiesinger<br />

KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH Quartier 21, Museumsplatz 1,<br />

E-1.4, 1070 Wien<br />

redaktion@dasbiber.at, abo@dasbiber.at<br />

Erklärung zu gendergerechter Sprache:<br />

In welcher Form bei den Texten gegendert wird, entscheiden die<br />

jeweiligen Autoren und Autorinnen selbst: Somit bleibt die Authentizität<br />

der Texte erhalten – wie immer „mit scharf“.<br />

WEBSITE: www.dasbiber.at


Für Sebastian Kurz’ Porträt<br />

in der Dönerbude aus unserer<br />

Maiausgabe 2011 beneideten uns<br />

so manch andere Medien.<br />

MIT UNS AM<br />

KEBAPSTAND<br />

© Philipp Tomsich<br />

8 / POLITIKA /


Einmal Sebastian Kurz „mit alles“, Michael Häupl<br />

und die starken Männer oder Beate Meinl-Reisinger<br />

beim Kaffeesudlesen: Biber hat Politiker:innen immer<br />

wieder in unerwartbaren Lebenslagen abgelichtet.<br />

Von Amar Rajković<br />

Das ist der Politiker, der so alt<br />

ist wie wir und jetzt irgendwas<br />

mit Ausländern macht.<br />

Aber was genau – keine<br />

Ahnung.“ Die Passanten am Brunnenmarkt<br />

staunten 2011 nicht schlecht, als<br />

sie den designierten Integrationsstaatssekretär<br />

Sebastian Kurz lächelnd und mit<br />

perfekter Frisur hinter der Kebapbude<br />

für das biber-Cover posen sahen. Der<br />

25-Jährige galt damals als die größte<br />

Polithoffnung seit Bruno Kreisky und<br />

überraschte mit ausländerfreundlichen<br />

Aussagen viele Migrant:innen in Österreich.<br />

Bei dem anschließenden Kreuzverhör<br />

im türkischen Restaurant trank er<br />

Çay, offenbarte ein paar kleine Schwächen<br />

in der Wiener Allgemeinbildung<br />

(wusste nicht, wer oder was ein „Schwabo“<br />

ist), erzählte stolz von guten Schulfreundinnen<br />

mit Kopftuch und hielt sogar<br />

„Türkisch“ als Maturafach für vorstellbar.<br />

Ach, wie sich die Zeiten ändern.<br />

Ein paar Hundert Meter weiter initiierte<br />

biber einen diplomatischen Gipfel im<br />

Kent, der so in keinem anderen Medium<br />

vorstellbar war. Wiens damaliger Bürgermeister<br />

Michael Häupl, Ottakrings langjähriger<br />

Bezirksvorsitzender Franz Prokop<br />

und der damalige türkische Botschafter<br />

erzählten von ihrer Jugend, politischen<br />

Vorbildern und Lieblingsessen. Das Foto,<br />

das Michael Häupl vor einer türkischen<br />

Fahne und den türkischen Botschafter<br />

vor einer österreichischen Fahne zeigt,<br />

war schon damals ein Hinschauer – heute<br />

würde sich kein heimischer Spitzenpolitiker<br />

gerne so fotografieren lassen.<br />

und sorgte als „Papa Schlumpf“ (O-Ton<br />

einer biber-Kollegin) für Recht, Ordnung<br />

und Sichtbarkeit von Migrant:innen. Im<br />

September 2010 lief das Netz heiß, als er<br />

auf einem rosa Enzo im Museumsquartier<br />

zusammen mit Rapper Nazar und Boxer<br />

Gogi Knezević breitbeinig posierte (s.<br />

nächste Seite). 2015 war er Protagonist<br />

in einer von der SPÖ geschalteten „Foto-<br />

Love-Story“, bei der er einer im Regen<br />

stehengelassenen Wählerin den Regenschirm<br />

anbot. Das letzte Interview fand<br />

im „Pitawerk“ auf der äußeren Mariahilferstraße<br />

statt, wo Häupl kurz vor seinem<br />

Abgang als Wiener Bürgermeister noch<br />

einmal Schmäh führte und Burek mit<br />

Joghurt schnabulierte. Diese Tradition<br />

setzten wir fort und zwängten den amtierenden<br />

Bürgermeister Michael Ludwig<br />

2020 auf die Sitzbank des bosnischen<br />

„Željo Burek & Grill“ auf der Thaliastraße.<br />

POLITIK IM SUD<br />

Es altes, türkisches Sprichwort sagt:<br />

„Glaube nicht an den Kaffeesud, aber<br />

bleibe nicht ohne Kaffeesud.“ Weil in<br />

manchen migrantischen Communities<br />

der Aberglaube stark ausgeprägt ist (Ich<br />

sage nur „Promaja“, übersetzt die Zugluft,<br />

die laut Balkan-Eltern eine sofortige<br />

Lungenentzündung oder gar den Tod<br />

nach sich zieht), verzichteten wir auf<br />

Wahl-Analysen und ausgeleierte Fragen.<br />

Wir engagierten für die Wiener Gemeinderatswahlen<br />

2015 eine Wahrsagerin<br />

(Danke an dieser Stelle an Zeynep Alan),<br />

die den damaligen Spitzenkandidat:innen<br />

ihr Kismet voraussagte. Beate Meinl-<br />

Reisinger durfte sich über zwei galoppierende<br />

Pferde freuen, die als Glückbringer<br />

interpretiert wurden.<br />

Maria Vassilakou bildeten wir Jahre<br />

zuvor in High-Heels ab, bevor sie in<br />

© Zoe Opratko<br />

DER BÜRGERMEISTER, DER<br />

BOXER UND DER RAPPER<br />

Michael Häupl war jener Politiker, der in<br />

den ersten Jahren wohl am öftesten von<br />

biber interviewt wurde. Kein Wunder,<br />

er war das Oberhaupt der „Multi-Kulti“-<br />

Stadt, in der wir uns alle so wohlfühlen<br />

Im September 2020 stärkten wir uns zum Wahlkampfauftakt<br />

mit Michael Ludwig bei „Željo“ auf der Thaliastraße.<br />

/ POLITIKA / 9


direkt in Schulen und viele Schüler:innen<br />

waren bei uns in der Redaktion. Eine<br />

sonst so goscherte 14-jährige Schülerin,<br />

die bei uns Praktikum machte, verdiente<br />

sich ihren großen Auftritt im Justizministerium,<br />

weil sie sich die besten Fragen<br />

überlegt hatte. Als Alma Zadić dann<br />

tatsächlich vor ihr auftauchte, brachte sie<br />

anfangs kaum ein Wort heraus.<br />

Meine persönliche Lieblings-Polit-<br />

Geschichte war die Cover-Story „I‘m<br />

muslim, don‘t panic“ – aus dem Jahr<br />

20<strong>12</strong>. Dabei ging es um die differenzierte<br />

Betrachtung von Muslimen weltweit.<br />

Einerseits kritisierte ich dabei die<br />

westlich gefärbte, oft sehr einseitige<br />

Betonung von radikalen Muslimen, die<br />

angeblich die Mehrheit in der islamischen<br />

Welt ausmachten. Andererseits gingen<br />

mir die Hobby-Imame auf die Nerven, die<br />

politisch hetzten statt Frieden zu säen.<br />

Mit unseren Themen waren wir meistens<br />

ein bisschen voraus.<br />

Es ist so fies, ein Best-of für die<br />

letzte Ausgabe zusammenzustellen.<br />

Dabei war jede Ausgabe eine Gaudi, ein<br />

chaotisches Treiben, ein Herantasten an<br />

ernste Themen, ohne den Humor dabei<br />

zu verlieren. Mir wird der biber fehlen<br />

aber auch ewig einen ganz besonderen<br />

Platz in meinem Herzen behalten. ●<br />

ihren Kaffeesud blickte und sich dabei<br />

über den Begriff „Wirtschaftsflüchtling“<br />

echauffierte.<br />

Der Boxer, der Rapper und der Bürgermeister:<br />

Gogi Knezević, Nazar und Michael Häupl.<br />

KATER & ROLEX<br />

Übrigens, auch FPÖ-Politiker haben wir<br />

immer wieder getroffen. Mit Ausnahme<br />

von Herbert Kickl. Der wollte nämlich<br />

nicht, obwohl wir das „Go“ von seiner<br />

Pressesprecherin hatten. Warum eigentlich,<br />

Herr Kickl? Im allseits beliebten<br />

Interview-Format „Interview in Zahlen“<br />

besuchte Herausgeber Simon Kravagna<br />

aber unter anderem 2016 Präsidentschaftskandidat<br />

Norbert Hofer und seinen<br />

Kater in seinem Garten in Pinkafeld.<br />

(Juli 2016) Ein paar Jahre zuvor bezifferte<br />

Serbenfreund und Hauptdarsteller<br />

des Ibiza-Krimis HC Strache (O-Ton: „Alle<br />

Journalisten sind Huren“) im „Interview<br />

in Zahlen“ den Wert seiner Rolex und<br />

gab an, 10.000 Euro für das teuerste<br />

Geschenk an eine Frau ausgegeben zu<br />

haben. Welche Frau das war, ist nicht<br />

überliefert. Das Zahleninterview wurde<br />

zum „Big Mac“ des biber, geteilt von<br />

Journo-Größen wie Armin Wolf. Apropos<br />

Wolf. Der ZiB2-Anchorman ließ es sich<br />

nicht nehmen, selbst als Befragter beim<br />

Zahlenformat aufzutreten.<br />

„KIFFEN SIE, HERR WOLF?“<br />

Unser damaliger Schüler-Redakteur Muamer<br />

Bečirović wollte in einem anderen<br />

Interview vom ORF-Moderator wissen:<br />

„Kiffen Sie, Herr Wolf?“ Spoiler: Er tut es<br />

nicht.<br />

Die Einbindung von Schüler:innen in<br />

die Redaktion war kein bloßes Lippenbekenntnis<br />

oder ein Marketing-Gag.<br />

Wir hatten wohl die einzige Schüler-<br />

Redaktion, die diesen Namen so richtig<br />

verdiente. Redakteur:innen von biber<br />

verbrachten oft mehrere Wochen im Jahr<br />

Zum Autor: Amar Rajković war stv.<br />

Chefredakteur und Politik-Ressortleiter<br />

bei biber und arbeitet jetzt im Community<br />

Work bei der Volkshilfe Wien.<br />

P.b.b., Verlagspostamt 1070, Vetragsnummer 09Z038106 M<br />

www.dasbiber.at<br />

Magazin für neue Österreicher<br />

mit scharf<br />

OKTOBER<br />

20<strong>12</strong><br />

kost auch in<br />

der Krise nix<br />

mEIN ISLAm KENNT KEINE bOmbEN<br />

DER<br />

ÖSTERREICHISCHE<br />

JOURNALIST<br />

grAtisMAgAZin des JAhres20<strong>12</strong><br />

++ DR. LADY bITCH RAY ++ WINNETOU LEbT ++ KREUzzUg gEgEN POKEmON ++<br />

Das All-Time-Lieblings-Politcover von<br />

Politredakteur Amar Rajković.<br />

© Lucia Bartl, © Philipp Tomsich<br />

10 / POLITIKA /


Viele Jobs für eine<br />

Herausforderung:<br />

Die Klimawende Über 300<br />

Die Wiener Stadtwerke-Gruppe hält Wien am Laufen<br />

und macht die Stadt klimafit. Dafür braucht es engagierte<br />

Menschen mit vielfältigen Fähigkeiten.<br />

Gemeinsam schaffen wir die Klimawende!<br />

freie Stellen:<br />

Jetzt bewerben!


Ein Stück<br />

Mediengeschichte:<br />

so sah der erste<br />

biber-Prototyp<br />

2006 aus.<br />

© Moritz Schell<br />

<strong>12</strong> / MIT SCHARF /


WIE ALLES BEGANN<br />

Kein Geld, keine Redaktion, aber eine scharfe Idee. Von Fake-<br />

Gucci bis hin zur Balkan-Meile: Gründer Simon Kravagna über<br />

den Launch der ersten biber-Ausgabe 2006.<br />

Von Simon Kravagna<br />

Ich war damals 35, Innenpolitik-Redakteur beim<br />

Kurier und ehrlicherweise etwas gelangweilt von<br />

den typischen Storys rund um Jörg Haider und Co.<br />

Da erreichte mich unter dem Betreff „Bewerbung<br />

für die Neue Wiener Multi-Kulti-Zeitung“ folgendes<br />

Mail: „Sehr geehrtes Team dieser neuen wunderbaren<br />

Zeitung. Ich war gerade auf der Uni und sah, dass<br />

Journalisten für eine Stadtzeitung gesucht werden.<br />

Ich bin gebürtige bosnische Kroatin und kenne mich in<br />

der Balkanszene bestens aus.“ Die Bewerberin schrieb<br />

weiter: „Life-Style und Mode in unserer Stadt sind mir<br />

bekannt. Von aufgeklebten Fälschungen, etwa das „G“<br />

zu „ucci“, bis hin zu Pumaschuhen vom Südbahnhof-<br />

Flohmarkt kann ich Bände schreiben. Musik, Konzerte,<br />

Events fangen in der Ottakringerstraße an, gehen über<br />

die türkischen Diskos bis hin zum Nachtwerk im <strong>23</strong>.<br />

Bezirk, wo wir immer wieder Balkansternchen bewundern<br />

können. Wien, Vienna, Beć oder Viyana – viele<br />

Namen, eine Stadt!!!“<br />

Es war keine klassische Bewerbung für einen Job im<br />

Journalismus, aber es war die richtige Bewerbung für<br />

mein Projekt. Ein paar Tage zuvor hatte ich Zettel an den<br />

Schwarzen Brettern in den Unis aufgehängt. Das war<br />

damals so üblich, Instagram noch nicht erfunden und<br />

selbst Facebook gerade erst am Start.<br />

Ich wollte ein neues Medium gründen<br />

„<br />

Es brauchte Zeit,<br />

bis die Redaktion<br />

wichtiger als die<br />

Herkunftsländer<br />

wurde.<br />

“<br />

und suchte nach dem, was mir in den<br />

etablierten Redaktionen fehlte: junge<br />

Journalist:innen mit Migrationsbackground,<br />

die Medien mehr Kompetenz<br />

geben würden. Durch ihre Sprachkenntnisse,<br />

ihre Netzwerke und Geschichten<br />

aus ihrer Lebenswelt.<br />

Ich suchte damals, das wusste ich<br />

nach diesem Mail, Menschen wie Ivana<br />

Martinović. Die Studentin und spätere<br />

Online-Chefin von biber schrieb mir aus Ottakring<br />

und kannte jeden Balkan-Club dort. Und es gab nicht<br />

nur eine Ivana, die sich meldete. Auch Ivana Cucujkić,<br />

später meine erste stellvertretende Chefredakteurin von<br />

biber, schickte eine Bewerbung. Im Sommer 2006 gab<br />

es dann ein Team von rund zehn jungen Talenten, verstärkt<br />

um ein paar journalistische Profis und Fotografen,<br />

die das Projekt unterstützten. Jetzt gab es nur ein Problem.<br />

Diese neue Stadtzeitung gab es zu diesem Zeitpunkt<br />

noch gar nicht. Es gab nicht einmal den Namen<br />

„biber“. Es gab in Wahrheit gar nichts: keine Redaktion,<br />

kein Geld, kein Produkt. Es gab nur eine Idee. Die Idee<br />

für ein Medium, das von Journalist:innen gestaltet wird,<br />

die Wiens viele Sprachen sprechen – und verstehen.<br />

Wie konnte im September 2006 dann überhaupt<br />

die erste biber-Ausgabe produziert werden? Durch<br />

unbezahlte Arbeit und Selbstausbeutung, wie es heute<br />

heißen würde. Konkret: Wir druckten erst, als wir genug<br />

Inserate hatten, um die Mediaprint zu bezahlen. Sonst<br />

bekam niemand Geld. Das verdienten wir damals alle in<br />

anderen Jobs.<br />

Vor dem Druck brauchte unser Magazin noch einen<br />

Namen. So richtig wollte zuerst keiner passen. Der<br />

Balkanfraktion gefielen die türkischen Vorschläge nicht.<br />

Die Wiener:innen mit türkisch-kurdischen<br />

Wurzeln wiederum konnten nichts mit<br />

den balkanischen Begriffen anfangen.<br />

Und einen österreichischen Namen<br />

wollte sowieso niemand. Es brauchte<br />

viele Runden, meist abends in Lokalen,<br />

um den Durchbruch zu schaffen. „biber“<br />

– das gefiel allen. Der jungen türkischkurdischen<br />

Gruppe, weil es für Paprika/<br />

Pfefferoni steht, den Ex-YU-Leuten, weil<br />

es Pfeffer bedeutete und den „echten“<br />

Österreicher:innen weil biber doch ein<br />

/ MIT SCHARF / 13


Aus dem Archiv: Mittels Aushang in Lokalen und auf Unis<br />

wurde 2006 die erste biber-Generation gefunden<br />

nettes Tierchen ist. Wir haben dann noch den Begriff<br />

„Multi-Kulti“ eliminiert und fertig war „biber. Stadtmagazin<br />

für Wien, Viyana und Beć“.<br />

Völlig enthusiastisch ließen wir von der ersten Ausgabe<br />

„Balkan, aber richtig!“ gleich 20.000 Stück drucken<br />

und (ohne zu fragen) bei U-Bahnstationen verteilen. In<br />

der „Community“ war die Resonanz enorm und unsere<br />

abendlichen Redaktionssitzungen wurden immer größer.<br />

Die hielten wir im damaligen Jugendverein Echo von Co-<br />

Gründer Bülent Öztoplu ab. Damals schon dabei: Amar<br />

Rajković, bis 2022 stellvertretender Chefredakteur und<br />

Eser Akbaba, später erste Marketingleiterin<br />

von biber. Nach jeder neuen Ausgabe<br />

verpackten wir gemeinsam die Magazine<br />

in Kuverts und sendeten Hunderte davon<br />

an Entscheidungsträger und Institutionen.<br />

Dabei ließen wir Pizza kommen und<br />

besprachen die nächsten Storys.<br />

Nach den ersten Ausgaben professionalisierten<br />

wir unsere Strukturen,<br />

indem wir etwa Vertriebskooperationen<br />

mit McDonalds, Anker, Spar, Billa<br />

und anderen eingingen. Die Redaktion<br />

zog von einem kleinen Gassenlokal ins<br />

„<br />

Bei uns wurde<br />

niemand<br />

integriert: Wir<br />

haben das Beste<br />

aus vielen Welten<br />

angenommen.<br />

“<br />

14 / MIT SCHARF /<br />

angesagte Museumsquartier. Aber vor allem führten wir<br />

die biber-Akademie ein. Das Ziel: Mit Hilfe von Förderern<br />

und Sponsoren journalistische Talente auszubilden.<br />

Wie ein Fußballclub scouteten wir systematisch Talente,<br />

bildeten sie aus und kamen unserem Ziel näher,<br />

die heimische Medienlandschaft zu bereichern: mit<br />

guten Journalist:innen, die die anderen Welten in Wien<br />

kennen, weil sie aus Arbeiter:innenfamilien stammen,<br />

Ramadan feiern oder aus Damaskus nach Wien geflüchtet<br />

sind und sich hier ein neues Leben aufbauen.<br />

War immer alles super? Natürlich nicht. Vor allem<br />

in den Anfangsjahren spalteten nationale Konflikte zwischen<br />

Kurd:innen und Türk:innen sowie Serb:innen und<br />

Bosnier:innen immer wieder das Team. Es brauchte Zeit,<br />

bis die Redaktion wichtiger als die Herkunftsländer wurde.<br />

Später wurde dann das Kopftuch heftig debattiert<br />

und die zunehmende Religiosität junger Muslim:innen<br />

wurde zum großen Thema. Früher als andere spürten<br />

wir auch die Radikalisierung einer kleinen Szene. Die<br />

Story „Sure der Leidenschaft – Sex im Islam“ brachte<br />

uns Drohungen von Salafisten ein. Auf Anraten des<br />

Verfassungsschutzes bauten wir eine Sicherheitstür ein.<br />

Gegen rechtsradikale polnische Trolle im Internet, die die<br />

jetzige Chefredakteurin Aleksandra Tulej im Netz verfolgten,<br />

hat die Stahltür leider nicht geholfen. Migrantische<br />

Vereine sahen in biber zudem oft eine Konkurrenz. Wir<br />

würden ihnen „ihre“ Jugendlichen wegnehmen, hieß es.<br />

In all den Jahren war „Integration“ ein Fremdwort für<br />

uns. Bei uns wurde niemand integriert: Wir haben das<br />

Beste aus vielen Welten angenommen und zu möglichst<br />

gutem Journalismus gemacht. Was zählte, waren vor<br />

allem Ideen für gute Geschichten und Leistung. Wir<br />

zogen damit Jungjournalist:innen an, die biber immer<br />

wieder Relevanz gaben wie Aleksandra Tulej, Delna<br />

Antia-Tatić, Nada Chekh, Melisa Erkurt, Alexandra Stanić,<br />

Marina Delcheva und viele mehr.<br />

In all den 16 Jahren hatten wir finanziell immer<br />

wieder zu kämpfen. Gleichzeitig gab es auch viel<br />

Unterstützung: von Menschen, Firmen und Institutionen.<br />

Dafür möchte ich mich bedanken! Vor allem bei Andreas<br />

Wiesmüller, der mit seinem Investment die Gründung<br />

der biber-GmbH im Jahr 2007 ermöglichte, sowie bei<br />

Miteigentümer Rudi Kobza. Sehr beindruckt haben<br />

mich in all den Jahren biber-Geschäftsführer Wilfried<br />

Wiesinger, der mit Nerven aus Stahl den<br />

vielen Krisen trotzte, Art Director Dieter<br />

Auracher, der nächtens mit viel Liebe das<br />

Magazin finalisierte sowie Verlagsleiterin<br />

Aida Durić, die für biber mehr als nur eine<br />

zentrale Rolle einnahm.<br />

Ist jetzt alles vorbei? Nein, denn<br />

biber hat mehr als 150 junge Menschen<br />

geprägt, die auf ihrem Weg durch die<br />

Institutionen sind oder selbst Neues – in<br />

Print, auf Instagram oder TikTok – aufbauen.<br />

Absolvent:innen unserer Akademie<br />

arbeiten in etablierten Medien. Und


noch mehr davon wirken in Firmen oder Institutionen wie<br />

Siemens, REWE, Ärzte ohne Grenzen, Teach for Austria,<br />

dem Parlament oder im Kanzleramt. Das Schöne an einer<br />

Idee ist, dass sie von Menschen weitergetragen werden<br />

kann. Unabhängig von einer fixen Organisationsform. Wir<br />

sind ein Netzwerk und viele von uns werden Wien weiter<br />

prägen und neue Initiativen starten. Diese Stadt hat noch<br />

so viel Potenzial. Wir müssen es nur heben!<br />

© Zoe Opratko<br />

biber-Gründer Simon<br />

Kravagna führte biber<br />

als Chefredakteur und<br />

Herausgeber mehr<br />

als 10 Jahre. 2019<br />

wechselte der frühere<br />

Innenpolitik-Journalist<br />

als Geschäftsführer zum<br />

forum journalismus und<br />

medien (fjum).<br />

„Ethno“-Werbung in der ersten Ausgabe: Das Sujet für den<br />

Telekom-Anbieter „One“ gestalte die Agentur Jung von Matt<br />

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„Wir sprechen nicht mit Journalisten.<br />

Außer mit biber.“<br />

GESCHICHTEN,<br />

DIE NUR DAS LEBEN<br />

(UND <strong>BIBER</strong>) SCHREIBT.<br />

© Marko Mestrović/Aleksandra Tulej<br />

16 / POLITIKA /


Ob untergetauchte Asylwerber, kriminelle<br />

Jugendgangs, tschetschenische Sittenwächter<br />

oder ein polnisch-kurdischer<br />

Zufall in einem belarussischen Grenzgebiet,<br />

der unsere Reportage gerettet hat: „Wie<br />

habt ihr das bitte schon wieder aufgetrieben?<br />

Wie kommt ihr immer an die Leute?”,<br />

wurden wir oft nach unseren Recherchen<br />

gefragt. Wir wiederum stellten uns immer<br />

die Frage: Wie sehen die Lebenswelten<br />

hinter den Schlagzeilen wirklich aus? Wie<br />

schafft man es, mit quasi null Ressourcen<br />

lebensnahe Reportagen zu bringen, die<br />

sonst keiner erzählen kann? Ein letzter Blick<br />

behind the scenes.<br />

Von Aleksandra Tulej<br />

© Zoe Opratko<br />

Mein Freund hat mir erzählt, dass man mit dir<br />

gut reden kann. Können wir uns treffen? Aber<br />

bitte ohne Polizei und ohne Erwachsene.” Im<br />

April 2019 erreicht mich auf Instagram eine<br />

Nachricht des damals 15-jährigen Omar*, der, wie sich herausstellt,<br />

Mitglied einer kriminellen Jugendgang ist. Besagten<br />

Freund hatte ich in seiner Klasse kennengelernt, in der wir<br />

im Rahmen unseres „biber-Newcomer“-Projekts unterwegs<br />

waren. Etwas erstaunt über das Vertrauen, das der damals<br />

Fremde zu mir zu haben scheint, sage ich einem Treffen zu.<br />

Nach und nach weiht Omar mich in seine Kreise ein – und<br />

prompt entsteht daraus die Reportage „Jung, brutal, kriminell<br />

– Inside Wiener Jugendgangs”. Der Artikel schlägt hohe<br />

Wellen, es tritt das ein, was nach großen biber-Reportagen<br />

immer passiert: Plötzlich rieseln die Anfragen größerer Medien<br />

ein, man möge doch bitte die Kontakte weitergeben, man<br />

sei doch unter Kolleg:innen, man wolle doch dasselbe. Naja.<br />

Mit einem kleinen aber nicht unwesentlichen Unterschied.<br />

Biber konnte das, was andere nicht konnten: Das Vertrauen<br />

der Menschen hinter den Schlagzeilen für sich gewinnen.<br />

Weil wir nicht über sie gesprochen haben, sondern mit<br />

ihnen. Wir hatten den Zugang, den sonst keiner hatte.<br />

„Das ist nicht unser Jihad“ – Drei ehemalige IS-<br />

Sympathisanten haben uns 2020 über ihren Ausstieg erzählt.<br />

„WIR SPRECHEN NICHT MIT<br />

JOURNALISTEN. ABER MIT <strong>BIBER</strong><br />

SPRECHEN WIR, IHR SEID ANDERS.”<br />

„Wir sprechen eigentlich nicht mit Journalisten. Aber mit<br />

biber sprechen wir, ihr seid anders.” Es ist dieser Satz, der<br />

uns wieder und wieder zu den besten Reportagen gebracht<br />

hat. Ob das etwas ist, womit man angeben kann, wird sich<br />

der ein oder andere jetzt fragen. Durchaus waren unsere<br />

Protagonisten ja oft problematisch, um es gelinde auszudrücken.<br />

Dabei ist es ganz einfach: Ich war nie Fan davon, Konflikte<br />

schönzureden, oder nur Positivbeispiele „gelungener<br />

Integration“ aufzuzeigen – das fand ich erstens irgendwie<br />

infantilisierend den Protagonisten gegenüber und zweitens<br />

ehrlich gesagt auch schlicht langweilig. In den Migra-<br />

Communities in Wien gibt es durchaus große Probleme, die<br />

angesprochen gehören. Aber der springende Punkt hierbei<br />

ist: Es geht darum, wer sie anspricht und vor allem wie man<br />

sie anspricht.<br />

Bussi-Bussi mit Entscheidungsträgern in Politik und<br />

Medien hat biber nie interessiert. Was uns umso mehr<br />

interessiert hat, sind die Menschen hinter den Schlagzeilen.<br />

Was daraus entstand, ist ein riesiges Netzwerk an Personen,<br />

„an die man sonst nicht rankommt”, wie wir oft von anderen<br />

Journo-Kolleg:innen zu hören bekommen. Wir hatten<br />

nie die Ressourcen oder die finanziellen Möglichkeiten, die<br />

große Medien haben – was wir hatten, waren die Menschen<br />

dahinter. Jene Menschen, die uns dann von einer Reportage<br />

auf das nächste Thema gebracht haben: Ob ehemalige<br />

IS-Sympathisanten, Straßenkonflikte zwischen afghanischen<br />

und tschetschenischen Jugendlichen in Wien, Graue Wölfe,<br />

illegale Tuning-Autorennen am Kahlenberg und und und.<br />

Die Liste wurde mit jedem Jahr länger. Dabei stellten sich<br />

uns auch immer wieder moralische Fragen, vor allem da<br />

wir oft mit Jugendlichen zu tun hatten, die gerne einmal zu<br />

viel und zu ungefiltert erzählen – mehr als ihnen guttut: Wie<br />

macht man eine Geschichte über minderjährige Drogenabhängige<br />

im Stadtpark, ohne sie selbst in Gefahr zu bringen?<br />

Wie redet man mit Frauen aus Communities, bei denen die<br />

/ POLITIKA / 17


„Wir regeln das unter uns“ – 2021 beleuchteten wir<br />

den „Straßenkonflikt“ zwischen afghanischen und<br />

tschetschenischen Jugendlichen von innen. Dafür gab es den<br />

Östereichischen Jugendpreis 2022 des BKA.<br />

In „Das Leben mit den Sittenwächtern“ lieferten<br />

tschetschenische Frauen 2020 Einblicke in ihre<br />

streng verschlossene Community.<br />

Familien nicht erfahren dürfen, wer da mit biber gesprochen<br />

hat? Das Credo: Indem man mit ihnen auf Augenhöhe<br />

spricht. Was auch oft bedeutet hat, mit Leib und Seele über<br />

Wochen in Milieus einzutauchen, mit denen man sonst nicht<br />

in Berührung kommen würde.<br />

„DAS KANNST DU NICHT SCHREIBEN.”<br />

„Das kannst du nicht schreiben. Alles, nur nicht das. Misch<br />

dich da nicht ein“, wurde mir im Sommer 2020 von allen Seiten<br />

geraten. Damals war das Thema der tschetschenischen<br />

Sittenwächter, die ihre Landsfrauen verfolgt und bedroht<br />

hatten, wieder einmal in aller Munde. Die Politik hat sich<br />

darüber aufgeregt, die üblichen Twitter-Experten haben ihre<br />

Elfenbeinturm-Meinungen dazu abgegeben, die Schlagzeilen<br />

haben sich gehäuft. „Warum, zur Hölle, spricht aber niemand<br />

mit den Frauen selbst? Mit denen, um die es bei dieser<br />

ganzen Debatte eigentlich geht?”, die Frage ging mir damals<br />

nicht aus dem Kopf. Also hat biber es getan. Weil biber, wie<br />

so oft, den Zugang hatte. Mit den Frauen aus der Reportage<br />

habe ich bis heute Kontakt und sie liefern mir immer wieder<br />

Einblicke in eine Community, die sehr verschlossen lebt.<br />

Dabei sind es ja oft Themen, die von Politik und Boulevard<br />

nur so zerrissen werden – immer wieder sprach man in<br />

Österreich von untergetauchten Asylwerbern, die hier ohne<br />

Aufenthalt leben. Aber: Wer sind diese „U-Boote”, von denen<br />

die Politik so gerne redet? Was sind ihre Beweggründe und<br />

wie kann man in Österreich untergetaucht leben? Ich wollte<br />

es aus erster Hand erfahren. Etliche Streifzüge durch Wien<br />

bleiben ohne Erfolg. Ich telefonierte damals innerhalb von<br />

zwei Tagen über 200 Kontakte durch, bis ich endlich eine<br />

Spur hatte. Es ist Juni 20<strong>23</strong>, kurz vor Redaktionsschluss:<br />

„Du bist doch fix eine Zivilpolizistin!”, begrüßt mich mein<br />

neuer afghanischer Kontakt, der illegal in Österreich lebt, bei<br />

unserem Treffen am Praterstern. Als ich ihm meinen Presseausweis<br />

zeige, vertraut er mir immer noch nicht. „Nein, zeig<br />

dein Insta, erst dann glaub ich dir.” Gesagt, getan, Vertrauen<br />

gewonnen, weitere Kontakte bekommen, Reportage<br />

geschrieben. Und dann die nächste Frage.<br />

„WO KRIEGEN WIR HEUTE NOCH EINEN<br />

AFGHANISCHEN PASS HER?”<br />

Wie bebildert man Reportagen, auf denen die<br />

Protagonist:innen nicht erkennbar sein dürfen? Biber-<br />

Geschichten waren immer bildstark. Fade Stockfotos und<br />

Symbolbilder waren nie unser Ding. Unsere Fotochefin Zoe<br />

Opratko grübelte immer von Sekunde eins mit uns, wie wir<br />

die Bildebene am besten gestalten. Bei dieser Reportage war<br />

sofort klar: Ein afghanischer, syrischer und irakischer Pass<br />

müssen her. Aber wo treibt man so etwas auf, ohne offizielle<br />

Kontakte? Wir hielten die Requisiten innerhalb weniger<br />

© Calimaat, © Zoe Opratko<br />

18 / POLITIKA /


Stunden in der Hand – wie immer. Immer hatte jemand einen<br />

Cousin, dessen Schwager, dessen Ex-Freundin jemanden<br />

kennt und… ach, ihr wisst schon, biber halt. Übrigens: Wie<br />

oft wir für unsere Shootings den Inhalt unserer Kühl- und<br />

Kleiderschränke, unsere Wohnungen, Geschwister, Partner<br />

oder eigene Körperteile hergeborgt haben – darüber<br />

schreibt Delna Antia-Tatić noch ausführlicher auf Seite 28.<br />

Die Faust, die unser Cover „Jung, brutal, kriminell“ im April<br />

2019 zierte (s. Seite 16), gehörte einem der Protagonisten<br />

– beim Shooting haben wir die Ursprungs-Idee gemeinsam<br />

mit unseren jämmerlichen Fake-Schlagringen beiseite gelegt<br />

und einfach das, was wir vor Augen hatten, abgelichtet. Und<br />

das ging dann auf. Beim Ausräumen unserer Redaktionsräumlichkeiten<br />

stieß ich letztens auf unsere Requisiten-Lade:<br />

Wenn jemand einen positiven Schwangerschaftstest, eine<br />

zerschnittene Türkei-Flagge oder einen aufblasbaren Globus<br />

braucht, gebt gern Bescheid. Gebetsteppiche, Kruzifixe und<br />

Talare hätten wir da auch im Angebot.<br />

Wir konnten jedenfalls aus nichts viel machen. Auch das<br />

war biber. Unsere Sprachenvielfalt in der Redaktion nutzten<br />

wir zum Vorteil: Nach dem verheerenden Erdbeben in der<br />

Türkei und in Syrien im Februar 20<strong>23</strong> waren wir das erste<br />

Medium, das Kontakte vor Ort hatte – die Familien unserer<br />

Redakteur:innen. Wir haben gemeinsam auf Anrufe gewartet,<br />

getrauert, gehofft – und darüber berichtet. Im April sind<br />

wir dann nach Hatay geflogen, um die Trümmer des Hauses<br />

der Familie unserer Kolumnistin Özben Önal zu dokumentieren.<br />

Das waren Reportagen, die nicht nur trockene Berichterstattung<br />

von außen waren, sondern Bestandsaufnahmen<br />

von Ereignissen, von denen unsere Redakteur:innen selbst<br />

betroffen waren – was alles doppelt schwierig machte,<br />

gleichzeitig aber auch doppelt sinnvoll. Wir hatten keine<br />

Fixer, keine Fahrer, keine Dolmetscher. Das waren alles wir<br />

selbst, unsere Familien und Bekannte vor Ort – was journalistisch<br />

ein Vorteil war, war auf der persönlichen Ebene dann<br />

aber doch schwierig. Umso stärker war dann das Endergebnis.<br />

Was nach außen oft nicht sichtbar war: Wir waren eine<br />

Handvoll Menschen, die immer 110 % gegeben haben,<br />

wenn‘s sein musste, auch mal rund um die Uhr. Die Engelsgeduld<br />

unserer Verlagsleiterin Aida Durić bei etlichen Social-<br />

Media-Shitstorms, die aus unterschiedlichsten Communities<br />

daherkamen, gehört hier auch einmal erwähnt. Ich hätte an<br />

ihrer Stelle längst einfach das Internet gelöscht. Aber trotz<br />

aller Morddrohungen und Einschüchterungsversuche haben<br />

wir immer weiter gemacht. Wir haben oft improvisiert, uns<br />

jeden Tag etwas selbst beigebracht, manchmal sind wir an<br />

Recherchen gescheitert, viel öfter wurden andere Geschichten<br />

daraus – kein Strich war umsonst, wie ich jetzt weiß. Das<br />

Credo unseres ersten Chefredakteurs und letzten Herausgebers<br />

Simon Kravagna lautete übrigens immer: „Mach, wie<br />

du glaubst. Und wenns nicht geht, bin ich da.” Für diese<br />

Herangehensweise werde ich ihm immer dankbar sein – nur<br />

so hat biber-Journalismus funktioniert.<br />

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sollten Sie Unterstützung brauchen. – Ihr Außenministerium<br />

24/7


DIE <strong>BIBER</strong>’SCHEN ZUFÄLLE<br />

Oft waren es aber auch Zufälle, die nur in unserer Redaktion<br />

möglich waren, wie im Sommer 2021. Ich werde nie vergessen,<br />

als unser Politik-Ressortleiter Amar Rajković und ich<br />

auf der berühmten Grübel-Couch der Redaktion saßen und<br />

uns den Kopf darüber zerbrochen haben, wo wir denn jetzt<br />

Protagonisten für eine Geschichte über Afghanen in Wien,<br />

die mit den Taliban sympathisieren, herbekommen. Plötzlich<br />

platzt, mir nichts, dir nichts, ein junger Afghane in unsere<br />

Redaktion – die Hochsicherheitseingangstür stand nicht nur<br />

sprichwörtlich immer offen – und will uns ein Theaterstück<br />

eines afghanischen Filmemachers vorstellen. Die Szene war<br />

tatsächlich filmreif: Wir wechseln ein paar Blicke und Worte<br />

und es wird klar: Theaterstück uninteressant, seine Erzählungen<br />

umso spannender. Wir haben unseren Protagonisten.<br />

Unsere Geschichte ist uns wortwörtlich in den Schoß<br />

gefallen – oder in die Redaktion hereinspaziert. Manchmal<br />

spazierten die Geschichten auch auf Dächern:<br />

„Du, ich komme heute etwas später. Du wirst nicht glauben,<br />

was mir heute Nacht passiert ist. Meine Katze ist weggelaufen,<br />

wir haben sie die ganze Nacht gesucht. Aber weißt du,<br />

wem das Dach von meinem Haus gehört?” Diese kryptische<br />

Nachricht unserer Kulturressortleiterin Nada Chekh an<br />

mich brachte uns zu einer Geschichte über ultraorthodoxes<br />

Judentum in Wien. Einer, die man sonst noch nie so gelesen<br />

hat, wie wir als Feedback bekamen.<br />

Bis heute kann ich übrigens nicht glauben, dass diese<br />

klassisch bibereske Situation wirklich so passiert ist:<br />

November 2021, wir stehen frierend vor einem Krankenhaus<br />

in Bielsk-Podlaski, einer kleinen Ortschaft in Polen<br />

direkt an der Grenze zu Belarus, der damaligen Sperrzone,<br />

die Polen eingerichtet hatte. Wir, das sind unsere Kamerafrau<br />

Soza Jan und ich – und unzählige andere internationale<br />

Journalist:innen und Kamera-Teams: CNN, Reuters, die<br />

ganz Großen eben. Keiner von uns dürfte offiziell hier sein,<br />

aber wir nutzen das Chaos. Alle tummeln sich hier, um ein<br />

Interview mit dem Oberarzt des Spitals, Dr. Arsalan Azzadin,<br />

zu bekommen. Der gebürtige Kurde behandelt hier Flüchtlinge,<br />

die durch Push-Backs aus Belarus wieder nach Polen<br />

gebracht werden: unterkühlt, ausgehungert, und dann auch<br />

noch mitten in der Pandemie. „Ich habe wirklich keine Zeit<br />

für Interviews, Sie müssen verstehen, das geht einfach ni…<br />

Warte! Warte! Bist du Kurdin? Ich glaube, ich kenne deine<br />

Familie!”, fragt der Oberarzt unsere Kamerafrau Soza und<br />

pickt sie aus der Menge raus. Tatsächlich – sie tauschen<br />

einige Worte auf Kurmanji aus und es stellt sich heraus,<br />

dass der Oberarzt des Krankenhauses in einem kleinen<br />

polnischen Dorf die Familie unserer Kamerafrau in Syrien<br />

kennt. „Bei Gott, das ist Schicksal, das kann kein Zufall<br />

sein! Ihr kommt rein, aber nur ihr!” Wir bekommen als einziges<br />

Medium ein Interview mit ihm, das Gespräch wird ein<br />

wesentlicher und exklusiver Bestandteil unserer Reportage<br />

über die Sperrzone im polnisch-belarussischen Grenzgebiet,<br />

wo wir übrigens als einziges österreichisches Medium<br />

waren. Ach ja: Die Grenzsoldaten haben wir dort undercover<br />

über Tinder ausfindig gemacht, aber das ist eine ganz<br />

eigene Geschichte. Ressourcen hatten wir nie, dafür haben<br />

wir gelernt, kreativ über alle Tellerränder zu blicken.<br />

Diese besonderen Zufälle – oder eher Schicksale wie diese<br />

Szenen – passieren nur bei biber. Die Redaktion wird jetzt<br />

ihre Türen schließen, aber was bleibt, sind die Menschen, die<br />

daran mitgewirkt haben. Wir werden alles dafür tun, unsere<br />

Geschichten, unsere Berichterstattung und vor allem unsere<br />

Ideen mitzunehmen und sie in möglichst vielen Redaktionen<br />

des Landes zu streuen – ihr kommt sowieso nicht um uns<br />

herum, wir sind mittlerweile zu viele. ●<br />

Zur Autorin: Aleksandra Tulej war die letzte<br />

Chefredakteurin von biber.<br />

In „Asylstatus: Untergetaucht“ (20<strong>23</strong>) erzählten Asylwerber<br />

ohne Aufenthaltsstatus von ihrem Leben im Versteck.<br />

EIN CREDIT MIT SCHARF.<br />

Biber-Journalismus hat zu einem großen Teil nur funktioniert,<br />

weil unzählige Menschen mir und uns immer<br />

und immer wieder bedingungslos geholfen und vertraut<br />

haben. Menschen, die nie für biber gearbeitet haben,<br />

aber einen großen Part geleistet haben, damit die Reportagen<br />

entstehen konnten. Mein größter Dank gebührt<br />

Fabian Reicher, der mir bei so vielen Geschichten zur<br />

Seite gestanden ist und Rückendeckung geliefert hat.<br />

Genauso bedanke ich mich bei Rami Ali, Julian Pehm,<br />

Derai Al Nuaimi, Obada Karzoon, Even Assad, Ahmad<br />

Mitaev, Mansour, Cheda, Hawa, Amina, Omar, Ahmet und<br />

all den anderen, die nicht namentlich erwähnt werden<br />

wollen oder können – ihr wisst, wer ihr seid. Ohne euch<br />

wären die meisten dieser Geschichten niemals entstanden.<br />

Ihr werdet für mich im Herzen immer „mit scharf”<br />

bleiben.<br />

© Zoe Opratko<br />

20 / POLITIKA /


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WIR WAREN <strong>BIBER</strong><br />

Wie ein Klassentreffen nach Jahren:<br />

Amra Durić, Alexandra Stanić,<br />

Naz Küçüktekin und Marina Delcheva<br />

(v.l.n.r.)<br />

22 / POLITIKA /


Das Ende von biber ist auch das Ende der biber-Akademie. Sie war<br />

Kaderschmiede für unzählige Journalist:innen mit Migrationshintergrund<br />

und das erste journalistische Zuhause für jene, die weder Deutsch noch<br />

Qualtinger mit der Muttermilch aufgesogen haben.<br />

Von Marina Delcheva, Fotos: Zoe Opratko<br />

Ich will eigentlich nur schreiben. Ich weiß,<br />

es gibt nicht so viele von meiner Sorte“,<br />

sagte sie und zeigte auf ihr Kopftuch, „aber<br />

ich glaube, ich kann das!“ Urheberin dieser<br />

Aussage ist Menerva Hammad und sie sagte<br />

das beim Vorstellungsgespräch für die biber-<br />

Akademie 2014. Heute schreibt sie immer noch<br />

und das sehr erfolgreich, sie ist Buchautorin.<br />

Jahrzehntelang bekamen heimische Chefredakteure<br />

– es waren jahrzehntelang fast nur Männer<br />

– Sätze wie diese so gut wie nie zu hören. In<br />

den bunten Räumen der biber-Redaktion und<br />

bei den unzähligen Vorstellungsgesprächen für<br />

die biber-Akademie fielen Sätze wie diese aber<br />

ganz oft.<br />

„Am liebsten habe ich die Geschichte über<br />

den bosnischen Müllbaron geschrieben. Er<br />

hat sich in der bosnischen Stadt Prijedor ein<br />

Müllimperium geschaffen und zusammen mit<br />

korrupten Beamten ein lukratives Business<br />

aufgebaut“, erzählt Alexandra Stanić. Und es<br />

kam noch sehr viel mehr: Missbrauchsvorwürfe<br />

an der Grazer Oper, die heimlichen Symbole der<br />

serbischen Nationalisten, eine transfeindliche<br />

Montessori-Schule. Stanić ist heute erfolgreiche<br />

Autorin, Fotografin und Influencerin. Begonnen<br />

hat aber alles in der biber-Akademie vor über<br />

zehn Jahren. Seit 2011 hat die Akademie gut<br />

150 jungen Menschen – fast immer<br />

mit und selten ohne Migrationshintergrund<br />

– journalistisch ausgebildet,<br />

ihnen den Raum und die Zeit<br />

gegeben, ihre eigenen Geschichten<br />

zu erzählen und ihnen Praktika in<br />

den großen Medienhäusern des<br />

Landes vermittelt. Die Mission:<br />

Mehr Menschen mit Migrationshintergrund<br />

in die österreichische<br />

„<br />

Ich kenne fast keine<br />

Journalist:innen<br />

mit Migrationshintergrund<br />

in Österreich,<br />

die nicht bei<br />

biber waren.<br />

“<br />

Biber war für die vier Journalistinnen das<br />

Sprungbrett in die Medienbranche.<br />

Medienlandschaft zu bringen. Doch es ging auch<br />

über die Landesgrenzen hinaus: Seit 2021 hatte<br />

biber eine Kooperation mit jetzt.de, dem Onlinemagazin<br />

der Süddeutschen Zeitung in München<br />

– wo einige talentierte biber-Stipendiat*innen ihr<br />

Folgepraktikum absolviert haben. Und das mit<br />

Erfolg.<br />

„Ich kenne fast keine Journalist:innen mit<br />

Migrationshintergrund in Österreich, die nicht<br />

bei biber waren“, sagt Amra Durić. Bis vor<br />

kurzem war sie stellvertretende Online-Chefredakteurin<br />

von „Heute“ – immerhin eine der<br />

größten Tageszeitungen Österreichs. Jetzt ist<br />

sie stellvertretende Leiterin des Newsrooms der<br />

/ POLITIKA / <strong>23</strong>


Parlamentsdirektion. So richtig begonnen hat<br />

aber alles hier, mit einer Geschichte, die so noch<br />

niemand erzählt hatte: „Geld gegen Trauschein<br />

und den wertvollen österreichischen Pass.“<br />

Die biber-Akademie wurde über die Jahre<br />

die erste Anlaufstelle für viele junge Menschen<br />

mit Wurzeln auf der ganzen Welt. Die Chance<br />

für Kinder mit Migrationshintergrund, in Österreich<br />

irgendwann Journalist:innen zu werden,<br />

stand mehr als schlecht. Dieses Magazin hat<br />

die Statistik ganz maßgeblich verbessert. Denn<br />

ohne biber wären viele wohl nie im Journalismus<br />

gelandet, auch wir nicht. „Ich habe lange<br />

überlegt, ob ich Journalistin werden will, ob ich<br />

mir das zutraue, ob ich das Zeug dazu habe.<br />

Dank biber weiß ich: Ich kann das.“, sagt Naz<br />

Kücüktekin. Sie hat 2020 die biber-Akademie<br />

absolviert. Danach war sie beim „Kurier“ für das<br />

Projekt „Mehr Platz“ zuständig, wo sie weiterhin<br />

aus den migrantischen Communitys berichtete.<br />

Heute ist sie freie Journalistin und schreibt für<br />

zahlreiche österreichische Medien. Biber war<br />

das Zuhause der coolen Außenseiter und die<br />

biber-Akademie war eine Drehtür in verschiedene<br />

Welten – für die alteingesessenen<br />

Österreicher:innen in<br />

unsere, und für uns in ihre. Wir<br />

haben die Nächte bei geheimen<br />

Gürtel-Rennen verbracht,<br />

uns in Islam-Kindergärten<br />

geschlichen, waren undercover<br />

betteln und haben radikalen<br />

IS-Kämpfern nachgespürt. Wir<br />

„<br />

Ich habe lange überlegt,<br />

ob ich Journalistin werden<br />

will, ob ich mir das zutraue.<br />

Dank biber weiß ich: Ich<br />

kann das.<br />

“<br />

„Biber ist wie die erste große Beziehung“,<br />

so Alexandra Stanić.<br />

haben vom Super-Gau mit der Balkanfrau erzählt<br />

und von den absurden Sexmythen super-strenger<br />

muslimischer Eltern.<br />

Melisa Erkurt (die Chefredaktion), Ali Cem<br />

Deniz (FM4), Delna Antia-Tatić (Süddeutsche<br />

Zeitung), Jelena Pantić-Panić (Gründerin von<br />

medien.geil), Vanessa Spanbauer (Historikerin<br />

und Journalistin), Aleksandra Tulej (letzte Chefredakteurin<br />

von biber), Nada Chekh (Autorin)<br />

– all diese Journalist:innen haben ihre Reise in<br />

der biber-Akademie begonnen. Und auch ein<br />

paar waschechte Österreicher:innen wie Marian<br />

Smetana (Salzburger Nachrichten) und Clemens<br />

Neuhold (profil), der ebenfalls Leiter der biber-<br />

Akademie war, sind im Laufe der Jahre durch<br />

die bunte biber-Schule gegangen. Früher oder<br />

später sind alle weitergezogen. „Biber ist wie<br />

die erste große Beziehung“, sagt Alexandra<br />

Stanić, die neun Jahre bei biber war und später<br />

ebenfalls die biber-Akademie leitete. „Irgendwann<br />

geht die Beziehung zu Ende und du musst<br />

weiterziehen und erwachsen werden.“ Dass<br />

die nächste Generation junger migrantischer<br />

Journalist:innen ohne biber erwachsen werden<br />

muss, ist ein großer Verlust für alle Medien. ●<br />

Blättern in den alten Ausgaben: Nostalgie pur.<br />

Zur Autorin: Marina Delcheva war<br />

Akademie-Leiterin bei biber und leitet<br />

jetzt das Wirtschaftsressort bei profil.<br />

24 / POLITIKA /


der AUSSENWIRTSCHAFT-Podcast<br />

mit Eva Weissenberger<br />

STAFFEL 1 - ASIEN<br />

„Indien kann reich<br />

werden, bevor es<br />

alt wird...“<br />

überall, wo es<br />

Podcasts gibt


DIESER TEXT IST AM 19.10<br />

AUF FM4 ERSCHIENEN.<br />

FM4<br />

WIE DAS KLEINE <strong>BIBER</strong> MAGAZIN DIE<br />

ÖSTERREICHISCHEN MEDIEN GEPRÄGT HAT.<br />

Das Magazin hat nicht nur migrantischen Jugendlichen interessante Geschichten<br />

geboten, sondern auch Journalist:innen mit Migrationshintergrund den Schritt in<br />

die Medien ermöglicht. Ich lernte beim biber wie man schreibt und wie man Ikea-<br />

Küchen aufbaut.<br />

Von Ali Cem Deniz<br />

Das pinke Magazin, das in Wien an vielen Ecken zu<br />

finden war, war vielleicht eines der ersten Dinge,<br />

die mir aufgefallen sind, als ich 2008 zum Studieren<br />

nach Wien kam. Das schreibe ich jetzt nicht<br />

nur, weil mich die Meldung über das „biber“-Aus<br />

sentimental gemacht hat.<br />

In Punkto „Vielfalt und Medien“ kannte ich<br />

bis dahin nichts außer „Heimat, fremde Heimat“.<br />

Ich kann mich gut daran erinnern, wie meine<br />

Eltern und ich uns einfach freuten, wenn am Ende<br />

eines Fernsehbeitrags ein türkischer Name stand.<br />

Momente und Emotionen, die wahrscheinlich<br />

schwer nachvollziehbar sind für Menschen, die nie<br />

migriert sind oder nicht Teil einer „Minderheit“ sind.<br />

Ich erkannte im Namen „biber“ instinktiv nicht<br />

das Nagetier, sondern das türkische bzw. bosnisch/kroatisch/serbische<br />

Wort für Paprika. Als<br />

ich reinblätterte fiel mir auf, dass so gut wie alle<br />

Autor:innen „ausländische“ Namen hatten. Namen,<br />

die man eben sonst medial kaum finden konnte.<br />

JOURNALISMUS-AUSBILDUNG IN DER<br />

WÄSCHEREI<br />

In den drauffolgenden Jahren habe ich immer<br />

wieder biber gelesen. Zum Beispiel gerne die<br />

Kolumnen eines gewissen Todors, der später auch<br />

bei FM4 mein Kollege wurde und nur einer von den<br />

vielen talentierten Autor:innen ist, die für dieses<br />

Magazin gearbeitet haben. Irgendwann 2011 stieß<br />

ich dabei auf eine Anzeige: die biber-Akademie,<br />

eine zweimonatige Journalismus-Ausbildung für<br />

junge Menschen mit Migrationshintergrund. Eine<br />

Studienkollegin ermutigte mich, mich zu bewerben.<br />

Ich weiß nicht mehr was ich damals in mein<br />

Bewerbungsschreiben geschrieben habe, aber<br />

schon bald war ich in einer ehemaligen Wäscherei<br />

im 15. Bezirk und baute in einem spartanisch<br />

ausgestatteten Büro eine Ikea-Küche auf. Die<br />

biber-Akademiker:innen bauten ihr Büro selbst auf.<br />

Auch FM4 berichtete damals über die Eröffnung<br />

der Akademie.<br />

© Christoph Liebentritt<br />

26 / MIT SCHARF /


ZWISCHEN CAMPUS UND LUGNER-CITY<br />

Die biber-Akademie war so wie auch das Magazin<br />

eine Mischung aus wirklich gutem und direktem<br />

Journalismus und ganz vielen Do-It-Yourself<br />

Elementen. In den Sitzungen gab es grundsätzlich<br />

keine Tabus. Noch am ehesten vor zu „seriösen“<br />

oder „akademischen“ Texten. Man suchte einen<br />

lockeren und ungezwungenen Zugang zu Migration<br />

im weitesten Sinne. Ein Thema, das in den meisten<br />

Medien noch heute vorrangig als Problem behandelt<br />

wird.<br />

biber sollte gleichermaßen für Studis am<br />

Campus und für Jugendliche in der Lugner-City<br />

interessant sein.<br />

Und so lernten wir biber-Akademiker:innen<br />

das Schreiben. Die akademischen, verschachtelten<br />

Sätze, die viele biber-Akademiker:innen mit<br />

sich brachten, wurden abgelegt. Thomas Schmidt,<br />

der davor für die „Zeit im Bild“ gearbeitet hatte,<br />

und mitterlweile Journalismus an der University<br />

of California, San Diego, unterrichtet, brachte uns<br />

die Grundlagen bei. Kurzmeldungen, Interviews,<br />

Recherche und Reportagen. Schon bald schrieb<br />

ich über türkische Serien, die schärfste Wurst von<br />

Wien und interviewte einen damals up-and-coming<br />

Rapper namens „RAF 3.0.“, den man heutzutage<br />

als Raf Camora kennt.<br />

„<strong>BIBER</strong>“ WIRD FEHLEN<br />

Ein Versprechen der biber-Akademie war es, den<br />

Absolvent:innen ein Praktikum in größeren Medien<br />

zu vermitteln. So kam ich auch zu diesem Radiosender,<br />

wo ich Anfang 20<strong>12</strong> meine erste Geschichte<br />

schrieb. Über die Jahre habe ich dann immer<br />

mehr für FM4 gemacht und immer weniger für<br />

biber. Das letzte Mal schrieb ich 2019 für biber –<br />

über mein Leben als austro-türkischer Papa, der<br />

täglich mit Babytrage durch Meidling spazierte.<br />

Mir ist kein Medium bekannt, das solche<br />

Geschichten anbietet, wie es biber in den letzten<br />

16 Jahren getan hat. Egal ob es um Balkan-Musik,<br />

türkische Serien oder Impostor Snydrom bei jungen<br />

Migrant:innen geht. Das Aus von biber wird eine<br />

Lücke in der Medienlandschaft hinterlassen.<br />

Zum Glück hat aber biber eben dazu beigetragen,<br />

dass einige Journalist:innen mit Migrationshintergrund<br />

den Einzug in die österreichische<br />

Medienlandschaft geschafft haben. Viele, die<br />

ihre Karriere beim biber begonnen haben, hätten<br />

vermutlich weniger Chancen gehabt, wenn sie sich<br />

direkt bei den großen Medien beworben hätten.<br />

Zum Autor: Ex-biber-Akademiker Ali Cem Deniz<br />

ist heute bei FM4 tätig.<br />

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LIFESTYLE MIT<br />

HINTERGRUND<br />

„Hijabi Style“ – Geht<br />

das? Darf das? Biber<br />

darf! – sagten wir<br />

schon 20<strong>12</strong>.<br />

Ob Hijabi-Style, koschere Perücken oder ein<br />

Laufsteg in Favoriten zur EU-Wahl. Ein Rückblick<br />

von Delna Antia-Tatić auf Lifestyle bei Biber und<br />

wie Bilder für Empowerment sorgen.<br />

Von Delna Antia-Tatić<br />

© Marko Mestrović<br />

28 / RAMBAZAMBA /


© Julie Brass<br />

Manchmal gibt es eine<br />

Geschichte abseits der<br />

Hauptgeschichte. Bei biber<br />

kam das öfter vor. Meine<br />

liebste Nebengeschichte handelt von<br />

Klopapier. Ich will sie erzählen, jetzt,<br />

wo biber das letzte Mal Geschichten<br />

schreibt. Es war das Jahr 2014, eine<br />

EU-Wahl stand an und biber hatte sich<br />

in den Kopf gesetzt, junge Menschen zur<br />

Wahl zu mobilisieren. Und weil wir uns<br />

Brüssel damals so „männlich, sakkograu<br />

und über 50“ vorstellten, dachten wir<br />

uns eine Fashionshow aus: „Get dressed<br />

for Europe!“ Wir ließen acht junge Modedesigner<br />

aus ganz Europa einfliegen, von<br />

Helsinki bis Ljubljana. Wir baten sie eine<br />

extra Europa-Kollektion zu entwerfen und<br />

buchten Models, die die Kreationen auf<br />

einem Laufsteg in Favoriten präsentierten.<br />

Wir luden ganz Wien zur After-Party<br />

in die kultige Ankerbrotfabrik und der<br />

ORF berichtete in der ZiB-Nacht. Es war<br />

ein toller Erfolg. Auf der Bühne – und<br />

ja: Behind the Scenes. Denn eine Party<br />

brilliert oder scheitert an einem Ort, so<br />

hatte uns der Technikmeister damals<br />

eingebläut: dem Klo. Schön herausgeputzt<br />

vorne, bestens abgeputzt hinten<br />

– so das Eventgeheimnis. Engagierte<br />

Migrant:innen wie wir sind, wollten wir<br />

als Gastgeber natürlich keinesfalls einen<br />

schlechten Eindruck hinterlassen und<br />

tischten üppig auf. So hat Mama uns<br />

das schließlich beigebracht, wenn Gäste<br />

kommen – noch dazu aus der ganzen<br />

Welt. Biber bestellte Klopapier und<br />

Papierhandtücher und zwar in solchen<br />

Mengen, dass selbst ein akuter Noro-<br />

Virus uns nicht in Bedrängnis gebracht<br />

hätte. Wir alle erinnern uns zu gern an<br />

die Paletten-Türme voller Papierrollen,<br />

die sich in der Halle stapelten. Und wie<br />

wir am Morgen danach mit drei vollbepackten<br />

PKWs, beladen mit Klopapierrollen<br />

von Kofferraum bis unters Dach,<br />

in die Redaktion fuhren. Dort zehrten wir<br />

noch lange davon, Jahre um genau zu<br />

sein. Auf dem Klo und in der Erinnerung.<br />

Es waren tolle Jahre bei biber, wir<br />

haben die Welt bewegt. Damals war<br />

ich stv. Chefredakteurin und für das<br />

Lifestyle-Ressort verantwortlich. Ich habe<br />

Unter dem Motto „Get dressed for Europe“ veranstaltete biber eine ganze<br />

Fashion Show mit Afterparty in Wien-Favoriten.<br />

dieses Ressort von der ersten Minute<br />

an geliebt. Als Philosophiestudentin und<br />

Quereinsteigerin aus der Organisationsberatung<br />

kommend, lag das Thema zwar<br />

nicht in meinem offiziellen Kompetenzbereich.<br />

Aber biber ist wohl der letzte<br />

Ort, wo ein Zeugnis verlangt wird, nur<br />

um irgendetwas leiten zu dürfen. Wenn<br />

ich in diesen Tagen durch die Lifestyle-<br />

Zeiten blättere, fallen mir solche Projekte<br />

wie die EU-Fashionshow ein. Denn auch<br />

Lifestyle besaß bei biber, oft einen „Hintergrund“.<br />

„FÜR ANDERE MAGAZINE<br />

WÄREN DIE BILDER ZU<br />

EGDY“<br />

Prominentes Beispiel war die September<br />

Ausgabe 20<strong>12</strong>: „Hijabi Style: High<br />

Heels, Slim-Jeans & Kopftuch“ hieß<br />

jene Fashionstrecke, die ein Tabu brach.<br />

Kopftuch und Fashion – geht das? Und<br />

vor allem, darf das? Dazu muss man<br />

sagen, dass diese Strecke vor jener Zeit<br />

erschien, als große Modehäuser wie Dolce<br />

& Gabbana begannen, eigene Hijab-<br />

Kollektionen für den arabischen Markt zu<br />

/ RAMBAZAMBA / 29


uns die Strecke damals erschien, heute,<br />

10 Jahre später, könnten wir sie so nicht<br />

mehr fotografieren. Da sind Marko und<br />

ich uns einig. Denn das Model war nicht<br />

muslimisch. Die Stylistin allerdings war<br />

es: Melek Birkent, eine muslimische<br />

Fashion-Bloggerin und Lehrerin aus<br />

Wien. Im biber-Interview erzählte sie:<br />

Das Kopftuch kann „Mode“ sein. Heute<br />

würde dieses Statement aus der Zeit<br />

gefallen wirken.<br />

Marko und ich hängen am Handy wie<br />

in alten Zeiten und schwelgen in Retrospektiven.<br />

Und ich frage den langjährigen<br />

Fotochef, welche Bilder für ihn in<br />

seinen sieben Jahren wichtig waren. Das<br />

„Burkini“-Cover (s. Seite 44) habe ihn<br />

2014 in der österreichischen Fotografen-<br />

Branche auf den Radar gesetzt. Und das<br />

„Danke Putin“-Cover schließlich internationalen<br />

Ruhm beschert. Jenes Cover,<br />

das drei ukrainische Kriegsverletzte mit<br />

Beinprothesen in Österreich zu Zeiten der<br />

ersten Krim-Krise zeigt (s. Seite 64). Dieses<br />

Bild machte ihn 2015 zum Superstar<br />

auf Instagram. „Damals war Insta noch<br />

ganz frisch und die Community klein. Es<br />

gab diesen #weekly-Hashtag, mein Foto<br />

wurde markiert und über Nacht gewann<br />

ich 35.000 Follower auf einmal dazu.“<br />

Seine heutige Social-Media-Reichweite<br />

habe er diesem Cover zu verdanken,<br />

sagt Marko mir am Telefon, der mittlerweile<br />

in der Fotografen-Champions-<br />

League mitspielt, eine Agentur in Berlin<br />

hat und für internationale Kampagnen<br />

gebucht wird. Daran sieht man, dass<br />

biber nicht nur für Schreiberlinge ein<br />

Sprungbrett sein konnte. Die Freiheit,<br />

sich ausprobieren zu können, bot das<br />

Magazin stets auch auf Bildebene. „Biber<br />

hat eine völlig andere Herangehensweise<br />

an Cover und war offen für Provokatives“,<br />

erzählt Marko. „Bei anderen<br />

Magazinen hätte ich manche Bilder gar<br />

nicht erst geschossen, weil ich wusste,<br />

es wäre ihnen zu edgy.“<br />

Fremde Haare und Tabubruch: 2013 portraitierten wir Jüdinnen mit ihren Perücken –<br />

großartig fotografiert vom damaligen Fotochef Marko Mestrović.<br />

entwerfen. Inzwischen sind muslimische<br />

Models, die Kopftuch tragen und etwa<br />

für Sport-Kampagnen wie Nike modeln,<br />

sichtbar(er). Damals, 20<strong>12</strong>, war das neu<br />

und provozierte – innerhalb und außerhalb<br />

der Community. Fotografiert hat die<br />

Strecke Marko Mestrović. Es war sein<br />

erstes Cover für biber. Heute erinnert<br />

sich Marko: „Biber war das erste Magazin<br />

in Österreich, das eine Frau mit Kopftuch<br />

auf sein Fashion-Cover setze. Das<br />

gab es vorher so nicht.“ Vor allem nicht<br />

selbstbestimmt. Doch so bahnbrechend<br />

HIJABI-STYLE UND<br />

SEXYNESS MIT<br />

AUGENZWINKERN<br />

Das biber „edgy“ sein will, macht die<br />

erste Ausgabe am Cover klar. Der Community-Journalismus<br />

„mit scharf“ findet<br />

in Bild und Wort statt. Ivana Cucujkić<br />

hat das federführend geprägt. Gerade<br />

in der ersten Zeit, wo das Magazin vor<br />

allem die Balkan-Community anspricht,<br />

verstand sie es, „Sexyness mit Augenzwinkern“<br />

so zu verbinden, dass das<br />

Klischee der Jugo-Migrantin von innen<br />

heraus sowohl konterkariert wurde, als<br />

auch eine Selbstbehauptung erfuhr. Die<br />

Fotoebene wird in vielen Medien stiefmütterlich<br />

behandelt, bei biber besitzt<br />

sie stets Priorität. Die Gleichwertigkeit<br />

von Text und Foto spiegelt sich auch in<br />

einer meiner liebsten Lifestyle-Reportagen<br />

wider. „Meine fremden Haare“ war<br />

eine Geschichte über streng-orthodoxe<br />

© Marko Mestrović<br />

30 / RAMBAZAMBA /


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Ungesunder Lifestyle? Dass der auch „grün“ sein kann, zeigte die Geschichte<br />

„Grüner Druck – Shaming und Blaming im Land der Guten“ schon vor zwei<br />

Jahren - Biber wie immer seiner Zeit voraus. Und Fotochefin Zoe Opratko<br />

hat sich bei ihrer Illustrationskunst mehr als übertroffen!<br />

Jüdinnen und ihre Perücken. Ich hatte<br />

im Frühsommer 2013 eine der beiden<br />

Protagonistinnen in der Umkleide eines<br />

Fitnessstudios kennengelernt. Die junge<br />

Frau erzählte mir damals beim Föhnen,<br />

warum Jüdinnen ihre sogenannten<br />

„Scheitel“ tragen und welche Arten es<br />

gibt. So entstand die Geschichte. Marko<br />

fotografierte eine der Frauen dafür im<br />

Studio. Die Cover-Strecke sorgte für viel<br />

Aufsehen: „Kosher-Style: Meine fremden<br />

Haare.“ Noch heute denke ich mit Stolz<br />

an diese Gemeinschaftsarbeit zurück.<br />

Auf der Bildebene vermag kaum<br />

ein österreichisches Magazin biber das<br />

Wasser zu reichen. Das sehe ich damals<br />

wie heute so. Was nicht bedeutet, dass<br />

die Bilder nicht kontrovers waren. „Mit<br />

scharf“ war Voraussetzung – aber was<br />

genau heißt das? Darüber war sich auch<br />

die Redaktion längst nicht immer einig.<br />

Im Gegenteil. Es gab Generationsbrüche.<br />

Vieles würden wir sicher heute so nicht<br />

mehr shooten. Mit Zoe Opratko kam ein<br />

neuer Stil ins Heft. Die Bildchefin setzt<br />

seit vier Jahren verstärkt auf Illustrationen<br />

und Collagen. „Damit wollte ich<br />

mehr Diversität in die Bildsprache bringen“,<br />

erzählt sie mir. „Und mich freut es,<br />

dass es aufgegangen ist. Denn anfangs<br />

war die Redaktion durchaus skeptisch:<br />

Kann eine Illustration genauso „scharf“<br />

sein wie ein Foto?“ Sie kann. Das wissen<br />

wir inzwischen. Zoe erzählt auch, wie<br />

wichtig ihr die Selbstbestimmung der<br />

Autorinnen und Protagonistinnen in<br />

ihrer Fotoarbeit ist. „Gerade bei der<br />

Empowerment-Reihe! Ich habe oft 20<br />

Minuten mit den Autorinnen telefoniert.<br />

Immerhin ging es um ihre persönliche<br />

Geschichte und da war es mir wichtig,<br />

zuzuhören und zu verstehen, wie sie sich<br />

die Bebilderung ihrer Story vorstellen.“<br />

Im Empowerment-Special erzählen junge<br />

Frauen seit drei Jahren regelmäßig,<br />

wie sie in ihrem Leben für Selbstbestimmung<br />

gekämpft haben. „Manche<br />

haben mir dann gesagt: Jetzt fühle ich<br />

mich doppelt selbstbestimmt.“ Wenn<br />

Migrant:innen ihr Bild in der Gesellschaft<br />

selbst bestimmen, gerade die Frauen,<br />

gehen Text und Bild Hand in Hand.<br />

So divers und kontrovers die Lifestyle-Seiten<br />

der biber-Jahre waren, eins<br />

war bei jeder Fotostrecke konstant – und<br />

zwar egal für welches Ressort. Der volle<br />

Körpereinsatz der gesamten Redaktion.<br />

Weil biber nie Geld hatte, um Models zu<br />

buchen, gehörte es zur ersten biber-<br />

Journalist*innen-Pflicht stets und überall<br />

als Model herzuhalten. Ob mit Gesicht<br />

und Haaren, ob nur Bauch oder Hände,<br />

ob von hinten oder von oben, ganz<br />

oder halb, es gab immer Bedarf. Und<br />

ich bedanke mich an dieser Stelle bei<br />

allen Schwestern, Müttern, Vätern und<br />

anderen Verwandten, als auch bei allen<br />

Freunden, Ex-Freundinnen und Entfernt-<br />

Bekannten für ihren Körpereinsatz.<br />

Und eine kurze Nebengeschichte zum<br />

Schluss: Bei einem der letzten Shootings<br />

von Zoe stellten zwei Models fest: „Hey,<br />

sind wir nicht verwandt?“ So ist biber.<br />

Und so schön war es. ●<br />

Zur Autorin: Delna Antia-Tatić war<br />

Chefredakteurin bei biber und schreibt<br />

jetzt für die Süddeutsche Zeitung.<br />

© Zoe Opratko<br />

32 / RAMBAZAMBA /


© Niko Havranek<br />

EMPOWERMENT ZUM HÖREN:<br />

„Darfst du ein Tampon benützen?“ – „Sex vor der Ehe<br />

haben?“ – „Einen katholischen Österreicher heiraten?“,<br />

„vor der Ehe von Daheim ausziehen?“<br />

Delna Antia-Tatić hat im biber Empowerment –<br />

Podcast „Du bestimmst. Punkt.“ regelmäßig mit<br />

jungen Frauen aus den migrantischen Communitys<br />

über Selbstbestimmung gesprochen. Als Rolemodels<br />

in der Mission Empowerment schilderten die Frauen<br />

ungewohnt intim, wie sie ihre „Revolution“ gewagt<br />

haben und welche Kämpfe sie für die Freiheit als Frau<br />

durchstehen mussten. Der Podcast wurde in Kooperation<br />

mit dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF)<br />

realisiert und von OH WOW produziert.<br />

Der Podcast stürmte sofort die österreichischen<br />

Podcast-Charts, schaffte es unter die Top 30 und<br />

sorgte für breite Medienresonanz. Für den Podcast<br />

bekam Delna Antia-Tatić 2022 den Leopold-Ungar-<br />

Anerkennungspreis und eine Nominierung für die<br />

Silberne Medienlöwin: So einen Podcast gab es nur<br />

einmal in Österreich.<br />

© PicMyPlace<br />

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Das BUWOG-Projekt DECK ZEHN kann neben seiner urbanen<br />

Lage auch mit vielfältigen Angeboten für Entspannung, Ruhe und<br />

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stellt die BUWOG im November 20<strong>23</strong><br />

ein einzigartiges Projekt fertig, das modernes<br />

und komfortables Wohnen in den Mittelpunkt<br />

stellt. In dem von BKK-3-Architekten geplanten<br />

Wohnhaus in der Laxenburger Straße gibt<br />

es vom kleinen 1-Zimmer-Apartment bis zur<br />

großen Maisonette-Wohnung unterschiedliche<br />

Wohnungstypen für vielfältige Bedürfnisse.<br />

Zusätzlich offeriert das Projekt viel<br />

Platz für Gemeinschaft: Neben einem für alle<br />

Bewohner:innen zugänglichen Workspace,<br />

steht am Dach ein Gemeinschaftsraum mit<br />

einem charmant begrünten und abwechslungsreich<br />

nutzbaren Dachgarten zur Verfügung.<br />

Zusätzlich gibt es ein Sonnendeck,<br />

Bewegungsflächen auf dem Dach und eine<br />

hauseigene Sauna.<br />

Der Vertrieb für die 229 Eigentumswohnungen<br />

ist bereits in vollem Gange – Interessierte<br />

finden weitere Informationen unter<br />

deckzehn.buwog.at


34 / RAMBAZAMBA /


DER TEXT IST IN DER DEZEMBER-<br />

AUSGABE 2010 ERSCHIENEN.<br />

Fun Fact: Dieser<br />

Artikel ist bis heute der<br />

meistgeklickte Beitrag<br />

auf dasbiber.at.<br />

Dem Koran nach hat Sexualität einen<br />

großen Stellenwert im Islam. Ran darf<br />

man aber erst, wenn man verheiratet<br />

ist. Junge Muslime erzählen über ihre<br />

Gratwanderung zwischen frommer<br />

Tradition und dem Bedürfnis nach Lust.<br />

Von Anna Thalhammer und Linda Say, Collage: Zoe Opratko<br />

Sex und Islam – diese zwei Wörter in einem Satz zu<br />

verwenden ist schon hochexplosives Material und<br />

die Recherche zu diesem Artikel spiegelt das Dilemma<br />

wider, in dem sich junge Muslime befinden. „Das<br />

könnt ihr nicht drucken, ihr werdet alle Leser verlieren, denn<br />

darüber spricht man nicht“, wurde uns gesagt. Jemanden zum<br />

Reden zu bringen war nicht so einfach, denn die Angst erkannt<br />

zu werden, war groß. Dennoch dauerte jedes einzelne Interview<br />

mehr als eine Stunde und von vielen hörten wir „Ich bin<br />

so froh endlich einmal darüber reden zu können.“ Die Namen<br />

der Protagonisten wurden von der Redaktion geändert.<br />

MEHR ALS NUR SEX<br />

„Über Sex in dem Sinn habe ich mit meinen Eltern nie gesprochen.<br />

Nur, dass das Jungfernhäutchen bis zur Hochzeit nicht<br />

kaputt werden darf, das wurde mir eingebläut.“ Dunja ist 26<br />

Jahre alt, kommt aus dem Iran und ist in einer traditionellen<br />

muslimischen Familie groß geworden. Ihre Mutter, eine von vielen,<br />

„die es auch so erlebt hatten“, hat ihre Tochter nach eben<br />

diesen traditionellen Wertvorstellungen erzogen, die aber nicht<br />

unbedingt in Dunjas Welt passen.<br />

So lebt sie wie viele ihrer muslimischen Freunde in einer<br />

Doppelwelt zwischen überholten Moralvorstellungen und Löffelchenstellung.<br />

„Es geht nicht nur darum, dass ich keinen Sex<br />

haben darf. Den hatte ich schon mit 16. Das Problem ist viel<br />

tiefgreifender und dringt in etliche Bereiche des Lebens ein:<br />

ich durfte nie reiten, o.b. hab’ ich immer heimlich verwendet<br />

und die unbenutzten Binden in den Mistkübel geworfen. Reisen<br />

konnte ich nie. Jetzt lebe ich mit meinem Freund zusammen<br />

und hab ein Alibi-Zimmer in einem Mädchenstudentenheim. Ich<br />

habe mich nicht an ein sexloses Leben vor der Ehe gehalten<br />

und mir ist das bisschen Haut wurscht. Die Ehre einer Frau liegt<br />

nicht zwischen ihren Beinen. Aber vielen meiner Freundinnen<br />

ist das ganz wichtig. Sie haben dann eben Analsex, damit<br />

nichts passiert. Ich und viele andere führen ein ständiges Doppelleben,<br />

das aus einem Konstrukt von Lügen besteht.“<br />

Gerne würde Dunja mit ihren Eltern ihre Gefühle teilen und<br />

ihnen auch ihren Freund vorstellen, der das Versteckspiel seit<br />

Jahren mitspielt.<br />

„Aber für sie würde eine Welt einstürzen. Ich möchte das<br />

gute Verhältnis nicht gefährden“, sagt die schöne Perserin und<br />

zuckt ratlos mit den Schultern<br />

KEINE REINE FRAUENSACHE<br />

Wir treffen ein junges muslimisches Pärchen im Caféhaus, das<br />

während des Gesprächs nicht die Finger voneinander lassen<br />

/ RAMBAZAMBA / 35


„ICH UND VIELE ANDERE<br />

FÜHREN EIN STÄNDIGES<br />

DOPPELLEBEN, DAS AUS<br />

EINEM KONSTRUKT VON<br />

LÜGEN BESTEHT.“<br />

kann. Zu frisch ist die junge Liebe. „Mein erstes Mal hatte ich<br />

mit 19“, erzählt der 28-jährige Salih, ein türkischer Österreicher,<br />

der sich selbst als einen jener Moslems bezeichnet „der<br />

halt kein Schweinefleisch isst, aber sonst von der Religion<br />

wenig Ahnung hat“. Auch jungen muslimischen Männern ist<br />

vorehelicher Sex verboten. Salih findet das nicht zeitgemäß,<br />

aber auch er hätte sich niemals getraut mit seinen Eltern darüber<br />

zu sprechen.<br />

„Für sie wäre wahrscheinlich das größte Problem gewesen,<br />

was die Nachbarn denken. Wenn man muslimischen Background<br />

hat, dann gibt es keine Zweisamkeit. Man bekommt<br />

erstens sowieso die Familie mit und dann sogar noch die<br />

Nachbarn und möglicherweise die moralische Keule der ganzen<br />

Community.“ Seine beiden älteren Brüder wurden mit zwei<br />

Frauen aus der Türkei verheiratet. „Für mich geht das gar nicht.<br />

Ich frage mich immer: Wo bleibt bei diesem ganzen Gerede<br />

von Ehe, Sex oder Enthaltsamkeit die Liebe? Meine Mutter hat<br />

immer gesagt, das kommt mit der Zeit in der Ehe, aber für mich<br />

ist das absurd.“<br />

Salih ist nicht verheiratet, hat aber eine Freundin und ist<br />

schwer verknallt: Sarah heißt seine Flamme, sie ist <strong>23</strong> und<br />

Halbsyrerin, ihr Vater lebt noch immer dort.<br />

„Das Thema Sex ist bei meinem Vater einfach keines“, sagt<br />

sie. „Ich glaube, er weiß, dass ich hier in Österreich anders<br />

lebe als er sich das wünscht, aber darüber geredet wird nicht.<br />

Aber als meine kleine siebenjährige Schwester einmal bei mir<br />

in Österreich war, bekam sie mit, dass ich einen französischen<br />

Film schaute, wo in einer Soft-Sex-Szene ein bisschen nackte<br />

hüpfende Brust zu sehen war. Sie hat das meinem Vater<br />

erzählt, der vollkommen ausgerastet ist und behauptet hat, ich<br />

habe meiner Schwester die Unschuld geraubt. Bei meiner syrischen<br />

Familie läuft den ganzen Tag Al Jazeera im Fernsehen,<br />

wo man Menschen mit abgehackten Köpfen, Krieg und Blut<br />

sieht. Gewalt und Brutalität ist weniger schlimm als Sex? Die<br />

Verhältnismäßigkeiten stimmen einfach nicht, das ist absurd.“<br />

GOTT ODER BETT?<br />

Empfindet der Islam demnach Sex als etwas Schlechtes? „Ganz<br />

und gar nicht“, sagt der Wiener Imam Tarafa Baghajati. „Prinzipiell<br />

hat der Islam eine äußerst positive Einstellung zur Sexualität<br />

zwischen Mann und Frau. Dies ist in unzähligen Stellen<br />

aus dem Koran, Hadithe des Propheten und der islamischen<br />

Tradition und Literatur belegt. Sex gehört aber eindeutig in die<br />

Ehe.“ Vor Allah gilt es sogar als gute Tat, wenn sich die Ehepartner<br />

gegenseitig befriedigen. Schlechter Sex ist sogar ein<br />

Scheidungsgrund – auch für Frauen. Zudem wird der zeitlich<br />

befristete sexuelle Höhepunkt als Vorgeschmack aufs Paradies<br />

gesehen, wo diese Freuden dann dauerhaft erlebt werden<br />

können.<br />

Ein Doppelleben zwischen Glaube und Versuchung.<br />

Zu schön, um wahr zu sein? „Zwischen Theorie und Praxis<br />

gibt es große Unterschiede“, sagt Baghajati. Ein offener<br />

Umgang mit dem Thema Sex ist meist nicht möglich, obwohl<br />

das für junge Muslime wichtig wäre. Das weiß Baghajati auch<br />

aus seiner Arbeit als Gefängnisseelsorger, wo er mit jungen<br />

Häftlingen unter anderem über Sex und Selbstbefriedigung<br />

spricht. „Wenn es um Wissen geht, kannte auch der Prophet<br />

keine Tabus. So stellten ihm Frauen mit heute verblüffendem<br />

Selbstbewusstsein alle möglichen Fragen, sogar zur Sexualität.“<br />

Warum fällt es heute also trotzdem so schwer, darüber zu<br />

sprechen? „In vielen Traditionen herrscht der Irrglaube, dass zu<br />

viel Wissen zu Fehlverhalten führt.“ Man würde also eher auf<br />

den Geschmack kommen, wenn man weiß wie’s geht.<br />

„WENN MAN MUSLIMISCHEN<br />

BACKGROUND HAT, DANN GIBT<br />

ES KEINE ZWEISAMKEIT. MAN<br />

BEKOMMT ERSTENS SOWIESO<br />

DIE FAMILIE MIT UND DANN<br />

SOGAR NOCH DIE NACHBARN<br />

UND MÖGLICHERWEISE DIE<br />

MORALISCHE KEULE DER<br />

GANZEN COMMUNITY.“<br />

© Lucia Bartl<br />

36 / RAMBAZAMBA /


SCHULD ODER SÜHNE?<br />

Viele Muslime, die hier groß geworden sind stehen zwischen<br />

zwei Welten: Einerseits gehen sie hier zur Schule und bekommen<br />

dort westliche, meist freizügigere Werte vermittelt,<br />

andererseits sind sie tief in ihren Familien und deren Traditionen<br />

verwurzelt. Beidem zu entsprechen ist schwierig, also wie<br />

schaffen es junge Muslime, mit diesem Thema umzugehen?<br />

„Die Bandbreite zwischen häufigem Sex mit ständig<br />

wechselnden Partnern und Enthaltsamkeit bis zur Ehe ist groß.<br />

Jeder muss nach seinen eigenen Wertvorstellungen einen Weg<br />

finden“, sagt der <strong>23</strong>-jährige Gökhan, der sich selbst als sehr<br />

gläubig bezeichnet. Auch er hatte schon Sex, mit einer Frau,<br />

die er sehr geliebt hat. Einen One-Night-Stand würde er aber<br />

niemals haben. „Jede Sünde ist beim jüngsten Gericht vor<br />

Allah höchstpersönlich zu rechtfertigen, für so was zahlt sich<br />

das nicht aus. Aber für eine Frau, die ich liebe, stehe ich gerne<br />

grade, denn im Islam zählt nur die gute Absicht.“ Sich vor Gott<br />

zu rechtfertigen, damit hat er kein Problem, bei seiner Familie<br />

aber umso mehr. Seine Pubertät gestaltete sich schwierig.<br />

„Erklär’ einmal einer Frau, dass du sie zwar attraktiv findest<br />

und auch nicht homosexuell bist, aber trotzdem nicht mit ihr<br />

schlafen willst.“ Seine zukünftige Frau sollte schon eine Muslimin<br />

sein. Nicht unbedingt der Religion wegen, sondern weil<br />

er sich wünscht, dass sie seine Werte teilt. Ähnlich sehen das<br />

auch Mohammed, Erkan und Melih, Göknur und Dunja. Sie alle<br />

haben ihre Religion für sich neu interpretiert.<br />

„WENN ES UM WISSEN<br />

GEHT, KANNTE AUCH DER<br />

PROPHET KEINE TABUS. SO<br />

STELLTEN IHM FRAUEN MIT<br />

HEUTE VERBLÜFFENDEM<br />

SELBSTBEWUSSTSEIN ALLE<br />

MÖGLICHEN FRAGEN, SOGAR<br />

ZUR SEXUALITÄT“<br />

ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT<br />

Wo also ansetzen? „Die Gesellschaft muss sich besser kennenlernen,<br />

auch der Umgang zwischen den jungen Menschen<br />

kommt mir sehr verkrampft vor. Nicht jedes Lächeln ist gleich<br />

als Anmache zu verstehen“, sagt der Imam. Die Auseinanderhaltung<br />

der Geschlechter beginnt schon in der Moschee, die<br />

eigentlich der Ort der Zusammenkunft aller Gläubigen ist. „Das<br />

entspricht nicht der Moschee des Propheten. Zwischen Mann<br />

und Frau war höchstens eine Schnur gespannt. Die Frauen<br />

saßen zwar hinten, aber nur da die Gebetshaltung vor den<br />

Männern für sie unangenehm gewesen wäre.“ ●<br />

Zur Autorin: Anna Thalhammer war Chefin vom Dienst bei<br />

biber und ist heute Chefredakteurin von profil.


GENERATION<br />

HARAM<br />

38 / POLITIKA /


Was Sünde ist, entscheiden sie:<br />

Muslimische Teenager haben ein<br />

neues Jugendwort: „Haram!“ heißt<br />

es auf YouTube, Instagram und<br />

im Klassenzimmer. Was als Spaß<br />

begann, entwickelt sich zu einem<br />

gefährlichen Trend. Melisa Erkurt über<br />

pubertierende Großmäuler, radikale<br />

Tendenzen und eine neue Verbotskultur<br />

mitten in Wien.<br />

Melisa Erkurts Artikel „Generation<br />

Haram“ wurde 2016 zur „Story<br />

des Jahres“ gekürt und wurde<br />

Vorlage für ihren 2020<br />

erschienenen Bestseller.<br />

DER TEXT IST IN DER DEZEMBER-<br />

AUSGABE 2015 ERSCHIENEN.<br />

Von Melisa Erkurt, Illustration: Thomas Süß<br />

Das ist haram!“, ruft die halbe Klasse im Chor als<br />

Antwort auf meine Frage, weshalb sich ein Junge<br />

über den V-Ausschnitt seiner Klassenkollegin<br />

aufregt. Was genau daran haram ist, möchte ich<br />

wissen. Mensur*, der 14-Jährige, der seine Klassenkollegin<br />

Merve * aufgefordert hatte, ihren Ausschnitt zu bedecken,<br />

erklärt es mir ganz selbstverständlich: „Es ist ihre Sache,<br />

wie sie sich anzieht, aber wenn ich da hinschaue und ihren<br />

Busenschlitz sehe, ist das haram. Dann sündige ich wegen<br />

ihr.“ Mensurs Sitznachbar lacht: „Ja, haram, Bruder!“<br />

Natürlich wusste ich schon vor Mensurs Antwort, was die<br />

Klasse mit haram meint. Als Muslima kenne ich den Begriff.<br />

Haram ist ein arabisches Adjektiv und beschreibt all das, was<br />

laut der Scharia verboten ist. Wer etwas tut, was als haram<br />

definiert ist, der begeht eine Sünde. Das Gegenteil von<br />

haram ist halal, also „erlaubt“. Aber dass haram abseits von<br />

Glaubensschriften mittlerweile seinen Weg in die Jugendsprache<br />

gefunden hat, war mir noch vor ein paar Monaten<br />

nicht bewusst.<br />

In den letzten Wochen war ich an verschiedenen Wiener<br />

Schulen und habe mit dem biber-Schulprojekt „Newcomer“<br />

jeweils in einer Woche versucht einer Klasse einen Einblick in<br />

die mediale Welt zu gewähren, Rollenbilder zu hinterfragen<br />

und Trends zu diskutieren. Dieses Semester habe ich mit<br />

circa <strong>12</strong>0 Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren zusammengearbeitet.<br />

Die Schulen, an denen ich war – von NMS bis<br />

AHS und BHS – gelten größtenteils als „Brennpunktschulen“.<br />

Der Anteil von SchülerInnen mit Migrationshintergrund ist<br />

hoch, die meisten kommen aus bildungsfernen Elternhäusern<br />

– diesmal waren besonders viele Jugendliche aus muslimischen<br />

Familien dabei. SchülerInnen mit diesem Background<br />

sind nicht neu für mich. Seit zwei Jahren bin ich nun schon<br />

mit dem „Newcomer-Projekt“ in Wiener Schulklassen unterwegs.<br />

Ich habe über engagierte LehrerInnen und talentierte<br />

SchülerInnen geschrieben. Aber auch über Frauenfeindlichkeit<br />

und über Chancenlosigkeit aus diesen Klassenzimmern<br />

berichtet. Ich dachte, mich könnte eigentlich nichts mehr<br />

verwundern, aber da habe ich die Rechnung ohne „Generation<br />

haram“ gemacht.<br />

Ich möchte von Mensur und den anderen SchülerInnen,<br />

die scheinbar so genau darüber informiert sind, was im Islam<br />

verboten ist, wissen, wofür der Islam eigentlich steht. Ich<br />

bekomme keine Antwort. Diese Situation wiederholt sich<br />

in fast jeder Klasse. Auf die Frage, wer gläubig ist, zeigen<br />

meistens alle muslimischen Schüler auf. Will ich von ihnen<br />

wissen, was den Islam ausmacht, was er vermitteln soll,<br />

herrscht Stille. Frage ich die Jugendlichen aber, was haram<br />

oder halal bedeutet, antworten sie brav.<br />

AUSWENDIG LERNEN<br />

Alles, was sie über den Islam wissen, haben sie auswendig<br />

gelernt. Kein Wunder, funktioniert so in manchen österreichischen<br />

Schulen der islamische Religionsunterricht: Suren<br />

auswendig lernen. In ein paar Fällen sogar nur auf Arabisch.<br />

SchülerInnen, die kein Arabisch sprechen, verstehen also gar<br />

nicht, was sie da nachsagen. Aber auch wenn sie die Suren<br />

in einer Sprache, die sie können, lernen, so hinterfragen sie<br />

die Bedeutung nicht immer – die SchülerInnen geben oft nur<br />

wieder, was sie gelernt haben, ohne zu reflektieren. Und weil<br />

sie im Islamunterricht oft nur Suren lernen, suchen sie die<br />

restlichen Informationen zum Islam eben wahllos aus dem<br />

Internet zusammen oder informieren sich im Freundeskreis.<br />

Nach Schulschluss setze ich mich in eine Shisha-Bar. Eine<br />

Frau alleine Wasserpfeife rauchend in einer Bar, haram würden<br />

meine Schüler sagen, die mir zuvor erklärt hatten, dass<br />

Shisha rauchen für Frauen haram ist, es schaut zu lasziv aus,<br />

wenn sie die Wasserpfeife zum Mund führen und den Rauch<br />

ausblasen. Tatsächlich sind an dem Tag nur Männer zwischen<br />

16 und 25 in der Shisha-Bar. Alle stylisch gekleidet mit<br />

Frisuren und getrimmten Bärten, als kämen sie frisch vom<br />

Barbier. Dem Äußeren nach zu urteilen moderne Burschen.<br />

Ich frage eine Gruppe von vier jungen Männern, ob sie den<br />

Begriff haram kennen und verwenden. Sie lachen. Einer<br />

von ihnen, Mert*, zückt sein Handy und zeigt mir die letzte<br />

/ POLITIKA / 39


Sie rappen über „Fotzen“ und „ficken“ und werden von den Jugendlichen als Muslime gefeiert.<br />

Konversation in einer seiner WhatsApp-Gruppen:<br />

„Haraaaam“ steht da unter einem Foto von einer Frau<br />

im Bikini. Mert nimmt einen Zug von seiner Shisha,<br />

im Hintergrund läuft das Lied „Shisha Bar“ von zwei<br />

deutsch-türkischen YouTubern. „Schau dir mal das<br />

Musikvideo von denen auf YouTube an“, sagt Mert.<br />

Unter dem Video, in dem Frauen leicht bekleidet tanzen,<br />

stehen unzählige „haram“–Kommentare in Bezug<br />

auf das freizügige Erscheinungsbild der Frauen.<br />

Mert und zwei andere aus der Gruppe sind Muslime.<br />

Ob sie gläubig sind, frage ich sie, alle drei nicken.<br />

Einer von ihnen, Halil*, fügt hinzu: „Leider bin ich<br />

nicht strenggläubig, so wie es sein sollte. Dafür ist die<br />

Verlockung hier in Österreich einfach zu groß. Aber<br />

eines Tages werde ich es sein“, sagt der 19-Jährige.<br />

Mit Verlockung meint er Alkohol, Partys und Frauen.<br />

Sein Freund Goran * lacht. Der gebürtige Kroate ist<br />

fast nur mit Muslimen befreundet. Er beobachtet<br />

in den letzten Jahren einen Anstieg der Religiosität<br />

innerhalb seines Freundeskreises: „Ein paar meiner<br />

Freunde, für die Religion nie ein Thema war, sagen<br />

auf einmal, sie widmen ihr Leben jetzt Allah.“ Ich<br />

möchte von ihm wissen, ob er eine Vermutung hat,<br />

woher der plötzliche Wandel kommt. „Auf jeden Fall<br />

durch das Internet. Vines, Memes, YouTube-Videos<br />

– Islam ist überall ein Thema. Früher haben viele<br />

meiner Freunde nicht einmal erwähnt, dass sie Muslime<br />

sind, heute leben sie ihren Glauben offen, weil es<br />

durch das Internet und Deutsch-Rap cool geworden<br />

ist, Moslem zu sein.“<br />

DEUTSCHRAP & SOCIAL MEDIA<br />

Halil stimmt ihm zu. Er und seine Freunde hören am<br />

liebsten Deutschrap von Kollegah, Bushido und Alpa-<br />

Gun. Bushido und Alpa-Gun sind von ihrer Herkunft<br />

her Muslime, Kollegah ist mit 15 zum Islam konvertiert.<br />

In seinen Songtexten und Interviews spricht er<br />

Durch das<br />

Internet<br />

und<br />

Deutsch-<br />

Rap ist<br />

es cool<br />

geworden,<br />

Moslem zu<br />

sein.<br />

über den Islam – offen, verständlich und lässig – das<br />

kommt bei den Jugendlichen an. Der 32-jährige<br />

Kollegah rappt aber auch über „Fotzen“ und „ficken“<br />

und die Jugendlichen feiern ihn, weil er Moslem ist.<br />

Dass seine Songtexte gar nicht zu einer religiösen<br />

Haltung passen, spielt keine Rolle.<br />

„Kollegah ist harmlos. Aber es gibt radikale Prediger<br />

wie Pierre Vogel, von dem lassen sich Jugendliche<br />

beeinflussen. Wenn die mit <strong>12</strong> Jahren schon<br />

Zugang zum Internet haben, ist das ein Problem. In<br />

dem Alter wissen die nicht, was richtig oder falsch<br />

ist“, erklärt mir Halil. Ob Kollegahs Songtexte harmlos<br />

sind, darüber lässt sich streiten – dass der deutsche<br />

salafistische Hassprediger Pierre Vogel, der unter<br />

anderem von Muslimen verlangt für den Islam zu<br />

sterben, gefährlich ist, steht jedoch fest. Auf YouTube,<br />

eine der beliebtesten Sozialen Plattformen der<br />

Jugendlichen, kann sich jeder seine Predigten anhören<br />

– vom 14-jährigen Teenie, der in einer Identitätskrise<br />

steckt, bis hin zum 16-jährigen Schulabbrecher<br />

ohne Perspektive.<br />

RADIKALISIERUNG<br />

Soziale Netzwerke wie YouTube sind zur wichtigsten<br />

Informationsquelle für Jugendliche geworden. Dass<br />

man in dem Alter besonders schwer zwischen normal<br />

islamischen und radikal islamistischen Inhalten differenzieren<br />

kann, könnte beim Thema Religion gefährlich<br />

werden.<br />

Wie gefährlich zeigt eine im Oktober veröffentliche<br />

Studie der Stadt Wien, die die Bereitschaft zur<br />

islamistischen Radikalisierung von Jugendlichen in<br />

Wiener Jugendzentren untersucht hat – mit erschreckenden<br />

Ergebnissen. Konkret sollen 27 Prozent der<br />

muslimischen Jugendlichen zwischen 14 und 17<br />

Jahren, die von Jugendarbeitern betreut werden,<br />

gefährdet sein, sich zu radikalisieren, so die Studien-<br />

40 / POLITIKA /


autoren Kenan Güngör und Caroline Nik Nafs. 57 von 214<br />

befragten muslimischen Jugendlichen vertreten unter anderem<br />

Meinungen wie: „Religiöse Gesetze sind wichtiger als die<br />

österreichischen Gesetze ... Die islamische Welt soll sich mit<br />

Gewalt gegen den Westen verteidigen … Es soll im Namen<br />

der Religion getötet werden dürfen“.<br />

Wieso gerade Jugendliche anfällig für Radikalisierung<br />

sind, liegt auf der Hand: Identitätskrise während der Pubertät,<br />

Rebellion, aber auch ein verstärktes Dazugehören-Wollen<br />

prägen die Teenager-Zeit.<br />

Dazugehören wollte auch Florian * , ein Freund von Halil,<br />

der mit 18 zum Islam konvertiert ist, weil alle seine Freunde<br />

Muslime sind. Dass er nach wie vor Alkohol trinkt und den<br />

anderen „Versuchungen“, wie Halil sie nennt, nicht widerstehen<br />

kann, ist nicht weiter schlimm für die Freunde, Hauptsache<br />

er ist jetzt auch einer von ihnen. „Inshallah, werden<br />

wir eines Tages nach dem Koran leben“, sagt Mert tröstend<br />

und nimmt einen Schluck von seinem Bier. Nachher ist er mit<br />

seinen Freunden im Wettbüro verabredet.<br />

„HARAMSTUFE ROT“<br />

Zurück in der Schule schauen sich die Jugendlichen in der<br />

Pause einen Sketch auf Facebook an, in dem ein junger<br />

Mann eine junge Frau in den Kofferraum sperrt, weil sie<br />

fälschlicherweise behauptet hatte, Jungfrau zu sein. Die<br />

Burschen lachen über das Video, die obligatorischen „Oha –<br />

haram!“ Rufe gehen durch die Reihen, als rauskommt, dass<br />

die junge Frau aus dem Video keine Jungfrau mehr ist. Die<br />

Mädchen lächeln verlegen. Ich frage die Mädchen, die sich<br />

bisher wenig zu dem Thema haram geäußert haben, ob<br />

und in welchem Zusammenhang sie den Begriff verwenden.<br />

„Wenn meine Freundin einen kurzen Rock oder bauchfrei<br />

trägt, sage ich im Spaß haram zu ihr“, erzählt die 16-jährige<br />

Dilan * .<br />

Sie und ihre Freundinnen haben einige haram-Wortspiele<br />

auf Lager: „Machst du kein haram, ist alles tamam (in<br />

Ordnung)“ oder „haramstufe rot“ sind Sätze, die unter den<br />

Freundinnen häufig fallen – aber nur im Spaß, versichern sie<br />

mir. Ob sie das Gefühl haben, dass ihre männlichen Klassenkollegen<br />

die haram-Äußerungen auch nur lustig meinen?<br />

„Nein! Sie wissen immer, was für uns Mädchen haram ist:<br />

Shisha rauchen, Ausschnitt zeigen – neulich hat einer in Biologie<br />

haram gerufen, als unsere Lehrerin über die Menstruation<br />

gesprochen hat“, sagt Dilan.<br />

Ich frage eine Lehrerin, wie sich solche vermeintlichen<br />

Tabus auf den Schulalltag auswirken. Sie erzählt mir, dass in<br />

den letzten Jahren die Zahl der Nichtschwimmerinnen unter<br />

ihren Schülerinnen enorm gestiegen ist. Sie kann mit den<br />

Klassen keinen Ausflug ins Schwimmbad machen, weil die<br />

Mädchen nicht schwimmen können oder nicht dürfen – sich<br />

im Bikini vor Männern zu zeigen ist nämlich haram.<br />

Mädchen wie Merve, die aus einem modernen muslimischen<br />

Elternhaus stammen und von ihren Eltern aus auf<br />

jeden Fall mit ins Schwimmbad gehen dürften, trauen sich<br />

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trotzdem nicht: „Die Jungs würden schlecht über<br />

mich reden und bestimmt Fotos von mir im Bikini<br />

rumschicken“, sagt die 15-Jährige. Auf der letzten<br />

Schullandwoche hat ein Klassenkollege Merves<br />

Kleidungsstil kommentiert. „Er hat gesagt, es wäre<br />

haram sich als Muslima so zu kleiden. Dabei hatte ich<br />

nur Jeans und ein etwas engeres T-Shirt an.“<br />

EIN MÄNNLICHES PROBLEM<br />

Meine Gespräche mit den Jugendlichen zeigen<br />

mir, dass es mehrheitlich die Burschen sind, die im<br />

Namen der Religion Verbote für andere erstellen und<br />

so das Leben ihres (weiblichen) Umfelds einschränken.<br />

Auch die Studie der Stadt Wien macht deutlich:<br />

Radikalisierung ist männlich. Doch diese männlichen<br />

Jugendlichen, vor denen sich zur Zeit alle fürchten,<br />

haben in Wirklichkeit keine Ahnung von dem, was<br />

sie sagen. Sie tun ja nicht einmal selber das, was sie<br />

predigen. Sie widersprechen sich in allem, was sie<br />

sagen – denn sie sagen es nur, um cool zu sein.<br />

Ich habe das Gefühl, dass sie in Wirklichkeit die<br />

Mädchen beneiden, die die besseren Noten haben,<br />

die blühenderen Zukunftsaussichten, die keinen auf<br />

„harten Kerl“ machen müssen. Die Mädchen, die<br />

sich so gut integrieren konnten und an ihnen vorbeiziehen.<br />

Wenn ich die SchülerInnen frage, was sie<br />

mal werden wollen, antworten die Mädchen „Ärztin“<br />

oder „Anwältin“, die Buben grinsend mit „AMS“ oder<br />

„Bombenleger“ – sie wissen, dass sie nicht mithalten<br />

können und kontern mit Provokation, veralteten Rollenbildern<br />

und gefährlichen Verhaltensvorschriften.<br />

ISLAM IST MACHT<br />

Sie, die Burschen, die Fünfer schreiben, durchfliegen,<br />

schief angeschaut werden, wollen sich zumindest<br />

in einem Punkt mächtig fühlen. Sie haben erkannt,<br />

dass die Leute Angst vor dem Islam haben. Sie<br />

stellen ihren Handyklingelton in „Allahu Akbar“ („Gott<br />

ist groß“) Rufe um und genießen die verängstigten<br />

Blicke der anderen in der U-Bahn, wenn ihr Handy<br />

klingelt. Sie posen auf jedem ihrer Profilfotos mit<br />

dem angehobenen Isis-Zeigefinger. Sie teilen die<br />

Anti-Islam-Posts der FPÖ und lesen stolz die Hass-<br />

Kommentare von Strache-Fans.<br />

Sie wissen, da draußen gibt es hunderttausende<br />

Erwachsene, die sie am liebsten abschieben würden,<br />

weil sie Angst vor ihnen – ein paar Teenagern<br />

– haben. Der Islam steht für sie für die Macht über die<br />

Ängste der anderen und sie wollen mächtig sein in<br />

einer Gesellschaft, in der sie sowieso schon als Verlierer<br />

gelten, die sie abgeschrieben hat, die ihnen eh<br />

nichts mehr zutraut, außer den Weg in den Dschihad.<br />

PROBLEM ANSPRECHEN<br />

So wie die Studie der Stadt Wien gibt auch dieser<br />

Bericht nur einen Überblick über einen kleinen Teil<br />

der muslimischen Jugendlichen in Wien. Aber er<br />

zeigt einen Trend auf, der sich schnell verstärken<br />

„Was wollt<br />

ihr mal<br />

werden?“<br />

„AMS oder<br />

Bombenleger“<br />

könnte, wenn nicht bald etwas geschieht. Wenn nicht<br />

deutlich mehr Geld für Sozialarbeiter in Schulen und<br />

Jugendprojekte gesteckt wird, aber auch, wenn es<br />

von Seiten der muslimischen Vertreter kein echtes<br />

Eingeständnis dafür gibt, dass es dieses Problem<br />

gibt und der Islam damit auch mitten in Österreich<br />

die Unterdrückung von Frauen und Verachtung von<br />

Andersdenkenden legitimiert.<br />

Ja richtig, es ist nur ein kleiner Teil der Jugendlichen,<br />

die so drauf sind. Aber diese Gruppe von<br />

pseudo-religiösen Jung-Machos wird größer, einflussreicher<br />

und damit gefährlicher. Und ja richtig, natürlich<br />

ist die Mehrheit der muslimischen Jugendlichen<br />

nicht so drauf. Aber es gibt solche Jugendliche und<br />

dieses wachsende Problem müssen wir als biber-<br />

JournalistInnen ansprechen, ansonsten missbrauchen<br />

rechte Parteien diesen Zustand für ihre politischen<br />

Zwecke, obwohl ja gerade sie mit ihrer anti-muslimischen<br />

Hetze solche Teenager noch mehr antreiben.<br />

Ob die Jugendlichen, die ich kennengelernt habe,<br />

Dschihadisten werden, bezweifle ich stark. Aber<br />

das ist ja auch kein Maßstab. So wie sie jetzt sind,<br />

müssen sie sich schon ändern. Und zwar schnell und<br />

deutlich. Denn pubertäre Großmäuler, die keinen<br />

Respekt vor Frauen und der österreichischen Gesellschaft<br />

haben, werden Erwachsene ohne Perspektive,<br />

die ihre Kinder genauso erziehen könnten. Und<br />

während der eine Teil der Gesellschaft diese Jugendlichen<br />

fürchtet, sie am liebsten abschieben würde,<br />

leugnet der andere Teil das Gefahrenpotential und die<br />

Jugendlichen bleiben wieder sich selbst überlassen<br />

und kreieren sich ihre eigene Welt – voll von Widersprüchen,<br />

Einschränkungen und ganz viel haram. ●<br />

*Namen von der Redaktion geändert<br />

Zur Autorin: Melisa Erkurt war Chefreporterin bei<br />

biber und leitet jetzt Die_Chefredaktion.<br />

WAS SAGT DIE AUTORIN HEUTE?<br />

Als ich 2016 die Reportage „Generation<br />

Haram“ veröffentlichte, traf ich einen Nerv.<br />

Journalist*innen, Politiker*innen, Lehrer*innen,<br />

Jugendliche – noch nie bekam ich so viele Reaktionen.<br />

Sieben Jahre später ist der Text leider noch<br />

immer aktuell. Es hat sich nicht viel geändert. Noch<br />

immer bleiben junge, muslimische Männer auf der<br />

Strecke, was sich im schlimmsten Fall in Sexismus<br />

oder Antisemitismus äußert. Meistens aber sind sie<br />

selber die Leidtragenden. Noch immer braucht es<br />

mehr positive Identifikationsfiguren, mehr Zugang<br />

zu ihren Emotionen, mehr Bewusstsein dafür, dass<br />

sie auch einen anderen Platz haben, als den, denen<br />

manche Teile unserer Gesellschaft für sie vorgesehen<br />

haben.<br />

Melisa Erkurt, Journalistin und Buchautorin<br />

42 / POLITIKA /


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LUKOIL LUBRICANTS:<br />

KLIMANEUTRAL UND NACHHALTIG IN DER LOBAU<br />

© LUKOIL<br />

Schritt für Schritt hat LUKOIL seinen Wiener<br />

Produktionsstandort für Schmiermittelproduktion<br />

in der Lobau zum zukunftsweisenden<br />

Beispiel für energieeffiziente<br />

Industrieproduktion ausgebaut: Mit großflächiger<br />

Photovoltaik, einem High-Tech Energiemanagementsystem<br />

und neuerdings einer<br />

eigenen, umweltfreundlichen Hackschnitzelanlage<br />

zur Beheizung des Bürogebäudes<br />

leistet das Unternehmen einen Beitrag auf<br />

dem Weg in eine klimafreundliche Zukunft.<br />

Strom aus erneuerbarer Produktion<br />

Bereits in den vergangenen Jahren hat LUKOIL im<br />

Rahmen des „Green Project“ substanziell in die<br />

Nachhaltigkeit der Produktionsstätte in der Lobau<br />

investiert: Eine 1.000 kW-Photovoltaikanlage, höchste<br />

Energieeffizienz in allen Produktionsprozessen,<br />

Umstieg auf Strom aus Wasserkraft, LED-Beleuchtung,<br />

nachhaltiges Abfallmanagement und eine Minimierung<br />

von Plastik bei der Verpackung ermöglichen nachhaltiges<br />

Wirtschaften.<br />

Starke Impulse für Biodiversität<br />

Aus der Nähe zum Nationalpark Donauauen, mitten im Naherholungsgebiet<br />

der Lobau, ergab sich die starke Motivation, auch die<br />

Verbesserung der Biodiversität zum Teil des „Green Project“ zu<br />

machen: So sorgen regionale Obstbäume, Vogelhäuser, Bienenstöcke<br />

und eine Naturwiese auf dem Betriebsareal für ein ökologisch<br />

wertvolles Umfeld. Selbst das Rasenmähen ist „bio“ – dafür<br />

sorgen fünf friedlich grasende Schafe.<br />

Energiemanagement und Biomasse<br />

Aber LUKOIL geht noch weiter: Nach Inbetriebnahme der PV-Anlage<br />

setzt LUKOIL jetzt den nächsten logischen Schritt im Bereich<br />

Energieeffizienz – mit der Inbetriebnahme einer 400 kW power-toheat<br />

Anlage. Dabei produziert eine elektrische 400 kW-Heizanlage<br />

aus Strom Wärme, die für die Schmierstoffproduktion und die<br />

Beheizung der Lagertanks eingesetzt wird.<br />

Heizen mit Biomasse<br />

Für die Beheizung des Bürogebäudes sorgt seit kurzem eine<br />

eigene Hackschnitzelanlage – gleichsam als Signal, dass LUKOIL<br />

als eines der größten privaten Energieunternehmen der Welt<br />

die gesamte Bandbreite der Energiequellen im Portfolio hat. Die<br />

Hackschnitzelanlage spart mehr als 100 Tonnen CO2 pro Jahr und<br />

versorgt das Büro mit wohliger nachhaltiger Wärme.


„SIND SIE DIE <strong>BIBER</strong>-<br />

BURKINIFRAU?“<br />

DER TEXT IST IN DER SOMMER-<br />

AUSGABE 2014 ERSCHIENEN.<br />

Menerva Hammad mit dem<br />

Cover, das damals für Furore<br />

sorgte.<br />

44 / RAMBAZAMBA /


© Zoe Opratko<br />

Was passiert, wenn Redakteurin<br />

Menerva Hammad in ihrem neuen<br />

Burkini im Kongressbad schwimmen<br />

geht? Alle glotzen, ein Badegast will<br />

sie in die Türkei schicken, doch der<br />

Bademeister eilt zu Hilfe.<br />

Von Menerva Hammad<br />

Diese Frau muss hier raus! Ich kann das nicht<br />

länger ansehen! Wie können Sie zulassen, dass<br />

hier jemand in einem Burkini schwimmt?!“ Mit<br />

dieser Aussage, einem Zeigefinger in meine<br />

Richtung ausgestreckt und einer wütenden Miene kam eine<br />

mir unbekannte Frau im Freibad auf mich zu. Sie hatte zwei<br />

Bademeister an ihrer Seite und mit der Beschwerde gerufen,<br />

eine Dame – in dem Fall war das ich – sei vollständig bekleidet<br />

im Wasser.<br />

POSTLEITZAHL AUF POBACKE<br />

Alle Leute im Wasser schauten mich fragend an, die Bademeister<br />

waren verwirrt und ich ging aus dem Wasser. Die<br />

Dame konnte nicht aufhören mit ihrem drohenden Zeigefinger<br />

vor meiner Nase zu fuchteln und schimpfte mit mir: „Ich<br />

habe Sie gesehen, Sie kamen mit diesem Gewand schon<br />

hier herein! Das ist unhygienisch!“ Ich versuchte mich zu<br />

verteidigen: „Schauen Sie, das ist ein Burkini, und der Stoff<br />

aus dem der gemacht wurde, ist wie der von einem stinknormalen<br />

Badeanzug, es ist nur mehr Stoff dran.“ Sie sah mich<br />

unglaubwürdig an und fasste meinen Burkini ohne mich zu<br />

fragen an. Als sie bemerkte, dass ich Recht hatte, kam die<br />

nonplusultra Aussage von ihrer Seite : „Trotzdem, wir sind<br />

hier nicht in der Türkei! Sie müssen SOFORT gehen!“<br />

Das regte mich so sehr auf, zumal meine Eltern aus<br />

Ägypten sind, dass mir nur diese Antwort einfiel: „Ich verstehe,<br />

ich muss mich also ausziehen, um Österreicherin zu sein?<br />

Schön! Was wollen Sie denn von mir sehen? Meine Brüste,<br />

davon könnte ich Ihnen zwei anbieten, eine Pobacke, davon<br />

hätt ich eine ganze Postleitzahl, so groß ist mein Hintern!<br />

Oder vielleicht lieber ein bisserl Wampe? Ich habe viel Wampe,<br />

man sieht das nur nicht. Ich kann Ihnen aber leider nichts<br />

zeigen, was Sie nicht ohnehin schon kennen und wenn Sie<br />

sich hier umsehen, dann werden Sie viel Brust und vor allem<br />

Wampe sehen, ist es denn so schlimm, wenn das dann eine<br />

Person nicht von sich zeigt?“ Sie ignorierte meine zu direkte<br />

Antwort, lief rot an und drehte sich zum Bademeister: „Ich<br />

möchte, dass diese junge Dame geht!“ Der Bademeister sah<br />

sie an und meinte ganz gelassen: „Diese junge Dame hat<br />

Eintritt gezahlt, keinem was getan UND ich sehe ihre Badekleidung<br />

nicht als unpassend. Sie dagegen haben für Aufruhr<br />

gesorgt, unsere Schwimmgäste belästigt und jemanden<br />

beleidigt. Ich bitte nun Sie zu gehen.“<br />

Menerva Hammads Burkini-Cover<br />

sorgte 2014 für viele Diskussionen<br />

über bedeckte Schwimmkleidung<br />

in Österreichs Bädern.<br />

MEIN HELD, DER BADEMEISTER<br />

Die Frau und ich waren sehr verwundert, sie, dass sie gehen<br />

musste und ich, dass ich bleiben durfte. Ich bedankte mich<br />

sehr bei ihm und sah sie nicht einmal mehr an. Als ich später<br />

in der Umkleidekabine das Geschehen gedanklich vor Augen<br />

hatte, musste ich kurz überlegen. Im Prinzip ist es egal was<br />

ich tue, was meine Eltern durchgemacht haben, um in dieses<br />

Land zu kommen, wie viele Jobs mein Vater hatte, damit er<br />

sich meine Ausbildung leisten konnte, was ich studiert habe,<br />

was ich arbeite, wie sehr ich mich anstrenge, oder was ich<br />

für dieses Land tue, ich bleibe immer die Ausländerin. Und<br />

wenn mich mein äußeres Erscheinungsbild nicht verrät, dann<br />

tut das mein Name. Ich frage mich, ob es jemals besser sein<br />

wird, denn einfach ist es nicht, nein, einfach ist es nicht.<br />

Aber solange es Menschen wie meinen Bademeister gibt,<br />

die sich für den Menschen im Menschen einsetzen, sich von<br />

keinerlei Äußerlichkeiten täuschen lassen und keine Angst<br />

haben gegen den Strom zu schwimmen, stirbt meine Hoffnung<br />

nicht. Als ich mich auf den Heimweg machte, bat ich<br />

ihn noch um ein Selfie mit mir, denn auch wenn ich nicht auf<br />

den Mund gefallen bin und immer meine Frau stehe, so war<br />

ich heute ein hilfloses Mädchen und habe durch ihn gelernt,<br />

dass Helden nicht immer maskiert sind. ●<br />

Zur Autorin: Menerva Hammad war freie Redakteurin bei<br />

biber und ist heute Sexualpädagogin und Buchautorin.<br />

WAS SAGT DIE AUTORIN HEUTE?<br />

Diese Geschichte bedeutet mir nicht nur viel, weil sie<br />

meine erste und einzige Cover-Story für Biber ist, sondern<br />

weil ich durch sie herausgefunden habe, welche<br />

Emotion meine innere Schreibfeder bewegt: Wut.<br />

Ich habe damals im Freiband mit einer Rassistin<br />

(nennen wir das Kind einfach beim Namen, oder?) zu tun<br />

gehabt, der mein Burkini nicht gefallen hat, der Bademeister<br />

hat mich in Schutz genommen, die Situation<br />

ist eskaliert und mir ging es danach richtig beschissen.<br />

Fragen wie „Warum sind Menschen in diesem Land so<br />

einseitig im Kopf?“ beschäftigten mich danach sehr<br />

und ich habe einfach den Frust in die Tasten gehauen.<br />

Stunden später zeigte die Story Online über 100.000<br />

Klicks, Tage später wurde ich von TV- und Radiosendern<br />

kontaktiert, erste Jobangebote trudelten ein, und so<br />

kam ich eigentlich zum nächsten Praktikum bei einem<br />

großen TV-Sender. Ich werde heute – 9,5 Jahre später<br />

– immer noch auf der Straße von Menschen erkannt, die<br />

auf mich zeigen und mich fragen : „Sind Sie die biber-<br />

Burkinifrau?“<br />

Menerva Hammad, Sexualpädagogin und Buchautorin<br />

/ RAMBAZAMBA / 45


TIME TO SAY<br />

„GUDBAJ“!<br />

Zum Abschied gibt<br />

es kein Trompetenrambazamba.<br />

Einfach ein leises:<br />

Ajde ćao, brate!<br />

Von Ivana Cucujkić-Panić<br />

IVANAS WELT ENDET NICHT MIT <strong>BIBER</strong>:<br />

Ivana nennt biber ihr „erstes Baby“, das sie als redaktionelle Leihmutter<br />

2006 als Gründungsmitglied zur Welt brachte. Mittlerweile hat sie ihre eigenen<br />

zwei Sprösslinge. Als Mutter von zwei Buben findet ihr Leben zwischen<br />

Legosteinen, Selfcare und ziemlich dunklen Augenringen statt. In ihrem<br />

Podcast „Mutti ist Kaputti“ lässt die selbst ernannte Bobo-Balkanmutter<br />

Dampf mit anderen müden Eltern ab. Jetzt überall, wo es Podcasts gibt!<br />

Ivanas Welt findet außerdem auf Instagram weiter statt: Folgt Ivana unter<br />

@ivanaswelt


© Zoe Opratko<br />

Die erste Liebe vergisst man nicht. Die erste<br />

Redaktionssitzung mit scharf auch nicht. Es war<br />

biber auf den ersten Blick. Ein zusammengewürfelter<br />

Haufen Kids of Dijaspora, die auf der<br />

Suche nach dem (beruflichen) Sinn des Lebens waren, im<br />

Inserat nicht genau gelesen haben, dass das nicht bezahlt<br />

wird, oder einfach eine neue Flirtzone abchecken wollten.<br />

Wir saßen zu fünfzehnt, in einem unbeheizten Keller(?)<br />

raum und versuchten, das erste deutschsprachige Diversitymagazin<br />

zu machen. Pioniervibes lagen in der Luft. Und wir<br />

hatten ziemliche Narrenfreiheit.<br />

<strong>BIBER</strong> PIONIRI<br />

Wir durften Vieles ausprobieren, fast alles war erlaubt. Manches<br />

davon peinlich, einiges scharf an der Grenze des guten<br />

Geschmacks und würden wir heute wohl so nicht mehr<br />

schreiben. Es war ein Open Space der Identitätsfindung junger<br />

Menschen, die zum ersten Mal „irgendwas mit Medien“<br />

machten und sich handwerklich ausprobierten. Und da saßen<br />

sie dann, die erste Redaktion des biber im Gassenlokal eines<br />

Bobo-Bezirks, in dem fast niemand von ihnen nicht ansässig<br />

war. Manche mit Kriegserfahrung, manche geflüchtet oder<br />

hier geboren. Erste, zweite, dritte Generation. Alle mit einem<br />

Rucksack Identität, Verlust, kulturellem Dilemma, Stolz, Wut,<br />

Neugier, Humor und dieser unglaublichen Überzeugung, hier<br />

passiert grad etwas Einzigartiges und wir sind dabei. Ja, es<br />

war einzigartig.<br />

PIZZA GAB ES ALS DANKESCHÖN<br />

Manchmal verhedderten wir uns in den Redaktionssitzungen<br />

in ethnische Konflikte, trugen die Konflikte der alten Heimat<br />

in Wien Neubau aus, waren beleidigt, haben geflucht.<br />

Und weil wir trotzdem alle am Ende des Tages Wiener<br />

Tschuxln waren, machten wir in der Redaktion den Griller<br />

an und drehten ein paar Čevapi, während die letzten Texte<br />

fertiggetippt wurden für die nächste Ausgabe. Die wir dann<br />

gemeinsam verpackt und mit Postpickerl beklebt haben.<br />

Zigtausende. Bis in die Nacht hinein. Gratis. Nein. Pizza gabs<br />

als Dankeschön. Naja. Aber der Pioniergeist war zu sehr<br />

angefixt und wir Jugos und Türken zu tief im Muster unserer<br />

Gastarbeiter-Eltern, für den Arbeitgeber Leib und (Privat)<br />

Leben zu geben.<br />

Genau diese toxische Kombination aus naivem jugendlichen<br />

Idealismus und Überzeugung, bei etwas echt Geilem<br />

dabei zu sein, und tiefsitzender, generationsübergreifender<br />

Dankbarkeitspflicht trieb so viele Leute an, ihre Spuren im<br />

biber-Magazin zu hinterlassen.<br />

ICH WAR JUNG UND<br />

BRAUCHTE DAS GELD<br />

Mich trieb es jedenfalls über Nacht von Belgrad in den Bus<br />

zurück nach Wien. Es waren Sommerferien. Runterfahren<br />

natürlich. Der Plan war, die nächsten zwei Monate mit einem<br />

gehobenen Maß an Ernsthaftigkeit ins Belgrader Nachtleben<br />

einzutauchen und vor dem 30. August nicht nüchtern und<br />

ohne Wimperntusche wieder aufzutauchen. Der Anruf des<br />

Chefredakteurs aus Wien warf diese life goals in die Donau,<br />

die auch durch Serbien fließt: „Das Shooting für die erste<br />

Ausgabe findet in drei Tagen statt. Du kannst eh kommen<br />

gell?“ Jaja, klar, genau das war immer mein Plan gewesen.<br />

Tja, long story short – die Busreise dauerte 15 Stunden.<br />

50 km vor der ungarischen Grenze kam mein Vater mich in<br />

Hegyeshalom abholen, weil die Buskolonne einfach nicht<br />

kürzer wurde und der Rauch in meinem „Zoran Reisen“-Bus<br />

(jap, damals durfte mal noch im Busmikrokosmos rauchen)<br />

irgendwann arg an die Lungen gingen, nicht so arg wie der<br />

Turbofolk, der aus den Boxen dröhnte. Aber hey, ein Shooting<br />

in einem echten Fotostudio, von einem echten Fotografen<br />

und das nicht für die Seite drei. Ich bin jung und ...bekam<br />

dafür eh kein Geld. Aber meine Jugofamily reichte die Ausgabe<br />

bis ins vlahische Dorf in Ostserbien weiter.<br />

DAMIT DIE ELTERN STOLZ SIND<br />

Es war der Stolz der Eltern, die Früchte ihrer Schufterei in<br />

diesem Land, die Kompensation für die Wertschätzung, die<br />

sie nie bekamen, das respekterweisende Nicken der Verwandtschaft<br />

– „Ehhh, dein Junge ist jetzt Žurnalist, ahh?“.<br />

Solche Motive trieben viele Redakteur:innen an, mitzubibern.<br />

All die Ivanas, Amars, Esers, Delnas, Monikas, Dinos,<br />

Aleksandras, Bülents, Alis, Dakis, Ljubos, Damirs, Zwetelinas,<br />

Cems, Todors, Güness, Bojans, Antonios, Radas, Darkos,<br />

Semras und viele, viele mehr. Zu schreiben, Anzeigen zu<br />

verkaufen, die Bürosessel selber zusammenzuschrauben,<br />

bei Bedarf das Klopapier beizusteuern oder selber zu modeln<br />

für die Fotostrecken und Cover, weil das Budget knapp war,<br />

knapp blieb, oder einfach fehlte. Dann haben wir einfach<br />

das gemacht, was sonst mit uns gemacht wurde: Wir haben<br />

unsere Familien emotional erpresst („Du kommst aufs Cover,<br />

ich schwöre!“) und sie unbezahlt vor die Fotolinse, in – Hand<br />

aufs Herz – unmögliche, teilweise genreübergreifende Outfits<br />

und Setups gesetzt.<br />

OHNE SCHARF<br />

Am Ende ist die Rechnung für das biber doch nicht aufgegangen.<br />

So schnell wieder vorbei. Wie ein heftiger Sommerflirt.<br />

Die Erinnerung an eine heftige Ferienliebe. Ein<br />

bittersüßes Techtelmechtel, das einen über Jahre nicht<br />

losließ und prägte.<br />

Was ist das Vermächtnis von biber? So eine Ferienliebe<br />

hinterlässt eine Kerbe im Herzen. Diese hier vermachte<br />

mir eine Handvoll Menschen, die ich heute Freunde nenne.<br />

Mit denen ich Frühstücksdates verabrede, Urlaube plane,<br />

Kinderfotos tausche und wenn es die Zeit und die körperliche<br />

Verfassung zulassen, hin und wieder mit einem gewissen<br />

Maß an Ernsthaftigkeit in den Partyvibe vom Sommer 2006<br />

abtauche. Und dafür, liebes biber-Magazin, bekommst du<br />

von mir ein aufrichtiges Hvala, danke & Živeli! Mach’s gut. ●<br />

Zur Autorin: Ivana Cucujkić-Panić schrieb bei biber 16 Jahre<br />

lang ihre Kolumne „Ivanas Welt.“, davor war sie stv.<br />

Chefredakteurin und Chefin vom Dienst. Heute hat sie<br />

ihren eigenen Podcast „Mutti ist Kaputti“. (Mehr Info links)


DIE GESCHICHTE IST IM“PROFIL“<br />

NR. 20 / 2021 ERSCHIENEN.<br />

Bilal Albeirouti war Teilnehmer<br />

eines 2017/18 organisierten<br />

Medientrainings für Flüchtlinge bei<br />

biber. Der gebürtige Syrer arbeitete<br />

in seiner Heimat als Journalist.<br />

48 / RAMBAZAMBA /


DER SYRER,<br />

DER NACH<br />

ÖSTERREICH<br />

KAM UND<br />

TRAMFAHRER<br />

WURDE<br />

Von Clemens Neuhold, Fotos: Zoe Opratko<br />

Bilal Albeirouti flüchtete als Journalist nach Österreich.<br />

Nun ist er Straßenbahnfahrer in Wien. Eine<br />

Geschichte über das Scheitern, die Hartnäckigkeit,<br />

den Erfolg – und die verschlungenen Wege<br />

der Integration.<br />

„Foa“, sagt der Fahrlehrer. „Vor? Wohin vor?“, denkt sich<br />

der 39-jährige Fahrschüler Bilal Albeirouti. "Foa!",wiederholt<br />

der Fahrlehrer sein Kommando. "Vor?" Bilal versteht noch<br />

immer nur Bahnhof und erstarrt am Fahrersitz. "Fahren!",wird<br />

der Fahrlehrer langsam unrund. Jetzt versteht der Syrer und<br />

drückt den schwarzen Hebel mit der linken Hand nach vorn.<br />

Die Tramway setzt sich in Bewegung.<br />

Das war vor zwei Monaten. Seit zwei Wochen lenkt Bilal<br />

die Straßenbahnen der Wiener Linien allein durch die Stadt<br />

– mit bis zu 200 Fahrgästen im Rücken. Mit dem 2er oder<br />

D-Wagen umkreist er das Zentrum Wiens, den 38er oder<br />

43er führt er vom Schottentor weit hinauf in die Weinberge<br />

und wieder zurück. Insgesamt zehn Linien umfasst das Streckennetz,<br />

das er von seinem Bahnhof Hernals aus betreut.<br />

Der Syrer ist einer der ersten neuen Flüchtlinge in diesem<br />

Job.<br />

Als er Anfang 2016 am Hauptbahnhof in Wien ankommt,<br />

springen ihm diese „Maschinen“ sofort ins Auge. Straßenbahnen<br />

kennt er aus den Erzählungen seiner Mutter und<br />

von Bildern des historischen Damaskus. In der syrischen<br />

Hauptstadt wurden die Tramways 1967 eingestellt und durch<br />

Busse abgelöst. Dass er eine dieser Maschinen eines Tages<br />

selbst lenken würde, kommt Bilal damals nicht in den Sinn. Er<br />

hat ganz andere Pläne.<br />

Ex-biber-Textchef Clemens Neuhold<br />

gewann für diesen im „profil“ erschienenen<br />

Artikel einen Anerkennungspreis des<br />

Österreichischen Integrationsfonds.<br />

VOM JOURNALISTEN<br />

ZUM TRAMFAHRER<br />

Bilal Albeirouti arbeitet als Sport- und Chronikjournalist,<br />

bis er vor dem Syrienkrieg in den Libanon und dann weiter<br />

nach Österreich flüchtet. In Damaskus hat er einen Bachelor<br />

in Kommunikation abgeschlossen. Das Studium wird in<br />

Österreich anerkannt. Hier versucht er, im alten Beruf Fuß<br />

zu fassen. Er scheitert. Und steckt sich neue Ziele. Seine<br />

Geschichte zeigt, was gelingende Integration auch bedeutet:<br />

sich nicht an Träume vom leichten Leben im Westen zu<br />

klammern, an Bilder, die nicht selten die Schlepper zeichnen.<br />

Sondern: sich realistische Ziele zu setzen und diese hartnäckig<br />

zu verfolgen.<br />

Bilal lerne ich 2017 in der „biber“-Akademie kennen. Das<br />

Migrantenmagazin hat eine eigene Klasse für Flüchtlinge<br />

eingerichtet, ich leite einen Kurs. Bilal fällt mir auf, weil er zu<br />

allem etwas zu sagen hat und auch nicht vor heiklen Themen<br />

zurückschreckt. Nach der Akademie wird er freier Mitarbeiter<br />

bei „biber“. Er schreibt über ältere Österreicherinnen („Sugar<br />

Mamas“), die sich junge Flüchtlinge als Liebhaber nehmen<br />

und sie gegen Sex finanziell aushalten; über kleine Kinder,<br />

die Kopftuch tragen; Syrer, die „Millionen“ in ihre alte Heimat<br />

transferieren; Flüchtlinge, die ihre Selfies mit Sebastian Kurz<br />

löschen, weil sie mittlerweile Angst vor dem harten Kanzler<br />

haben. Wichtige Geschichten, die von anderen Medien<br />

aufgegriffen werden – und Bilal doch nicht zum Durchbruch<br />

als Journalist verhelfen. Denn er schreibt die Storys nicht<br />

allein. Sein Deutsch ist nicht gut genug dafür. Und er muss<br />

schmerzhaft erfahren, dass Journalismus im neuen Land keine<br />

sichere Bank ist, sondern eine Branche, in der es selbst<br />

für Österreicher immer schwerer wird. Bilal will einen stabilen<br />

Job, um seine Familie zu ernähren.<br />

ELF KILO ALS LETZTE HÜRDE<br />

Ich erinnere mich, wie er vor vier Jahren mit seiner Frau,<br />

seinem achtjährigen Sohn Mohamed und seiner eineinhalbjährigen<br />

Tochter Mira am Wiener Brunnenmarkt auftaucht.<br />

Wir arbeiten mit der biber-Akademie an einer Story über den<br />

türkisch geprägten Markt, auf dem sich syrische Händler<br />

immer stärker ausbreiten. Bilal zeigt uns stolz seine Tochter.<br />

Die Familie ist am Vortag aus dem Libanon angekommen. Er<br />

hat das Land verlassen, als seine Frau schwanger war. Erst<br />

am Wiener Flughafen konnte er Tochter Mira zum ersten Mal<br />

im Arm wiegen. Noch drei Monate lang nennt die Kleine ihn<br />

"Onkel".<br />

Bilal arbeitet als Rezeptionist in einem Hotel, lernt aus<br />

den Gesprächen mit älteren Gästen. Doch der Kampf mit der<br />

Sprache geht weiter. Er wechselt in die Security-Branche.<br />

Steht den ganzen Tag „wie eine Säule“ vor Banken. Stumm.<br />

Sein Deutsch schwindet wieder. Im Herbst 2020 wird er<br />

gekündigt. Einfach so. Zuvor schon hat er einen Lehrgang<br />

zum Einzelhandelskaufmann absolviert und Hunderte Bewerbungen<br />

verschickt. Kaum Rückmeldungen. Wenn doch:<br />

Lager. Bei den Wiener Linien klappt es erst im dritten Anlauf.<br />

Die letzte Hürde sind elf Kilo, die er zu viel auf die Waage<br />

bringt. Er speckt innerhalb von drei Monaten ab und startet<br />

im Jänner 2021 mit elf weiteren Personen. Drei Monate dauert<br />

die bezahlte Ausbildung in Theorie und Praxis. Verdienst:<br />

1800 Euro brutto.<br />

/ RAMBAZAMBA / 49


„Weiche. Schiene. Disponent. Am Anfang habe ich kein<br />

Wort verstanden“, erinnert sich Bilal. Drei Mal ist er kurz<br />

davor, aufzugeben. Seine Frau macht ihm Mut. Seine Ausbildner<br />

schenken ihm nichts. Der Job ist mit großer Verantwortung<br />

verbunden. Nur wer bei seiner ersten Solofahrt so<br />

sicher ist, dass er seine gesamte Familie mitnehmen würde,<br />

kommt durch den Kurs, lautet das Credo des Ausbildners.<br />

Bilal bezahlt einen ägyptischen Bekannten, der ihm die<br />

Skripten in einfache Worte übersetzt. Er lernt sie auswendig,<br />

auch am Wochenende. Bei der Prüfung beantwortet er alle<br />

<strong>23</strong> Fragen korrekt. Er besteht als einer von vier Kursteilnehmern.<br />

Andere Migranten, die hier geboren sind und länger<br />

Zeit hatten, Deutsch zu lernen, fallen durch. Bilal hat diesen<br />

Extraantrieb, der von seinen Vorgesetzten registriert und<br />

honoriert wird. Auf seiner Jungfernfahrt besteht Wiens neuer<br />

Bimfahrer aus Syrien darauf, dass seine gesamte Familie mit<br />

an Bord ist.<br />

Der Alltag eines Journalisten kann auf vielerlei Pfade<br />

führen, beim Straßenbahnfahren ist der Weg durch Schienen<br />

klar vorgegeben. Im Journalismus gibt es für gute Geschichten<br />

Likes im Internet und Schulterklopfer in der Redaktion.<br />

Beim Straßenbahnfahren ist es Pflicht, nicht Kür, die Intervalle<br />

einzuhalten, Kollegen rechtzeitig abzulösen, zwischen vier<br />

und fünf Uhr aufzustehen und Dienst am Wochenende zu<br />

schieben (freie Wochenenden sind ein Privileg von Dienstälteren).<br />

ZU 100 PROZENT ANGEKOMMEN<br />

Wie geht es meinem Kollegen Bilal mit diesem beruflichen<br />

Spurwechsel? Zunächst einmal ist er stolz. Auf die Tätigkeit,<br />

auf die Uniform. „Die Österreicher haben mich dorthin<br />

geführt, wo ich jetzt bin. Jetzt führe ich sie durch die Stadt.<br />

In die Arbeit, zu Freunden, durchs Wochenende.“ In der Fahrerkabine<br />

fühlt er sich als Herr der Straße, begegnet anderen<br />

Kollegen auf Augenhöhe. Selbst Polizisten grüßen ihn mit<br />

seiner Uniform wertschätzend. Wie sich das anfühlt, könne<br />

nur jemand nachvollziehen, der aus einem Land wie Syrien<br />

kommt, wo man Polizisten mit Angst begegnet, sagt Bilal.<br />

Als Journalist konnte mein Ex-Kollege sicher freier und<br />

kreativer arbeiten. Doch ohne Anstellung war er existenziell<br />

unfrei. Nun bekommt er 2100 Euro brutto, 14 Mal im Jahr,<br />

mit Zulagen für Nachtdienste und Wochenenden. Die Freiheit<br />

eines Bimfahrers ist anders gelagert. „Ich hole mir in der<br />

Früh am Bahnhof den Wagenpass und Fahrplan ab, dann<br />

nehme ich mir einen Zug. Nach der letzten Fahrt gehe ich<br />

nach Hause. Dazwischen habe die volle Verantwortung, was<br />

auf der Fahrt passiert und bin mein eigener Chef.“<br />

Im Pausenraum sitzt Bilal einer Kollegin gegenüber, die<br />

vor 21 Jahren begonnen hat – als eine der ersten Frauen. Sie<br />

macht ihren Job noch immer gerne. „Junge Kollegen geben<br />

heute schneller auf“, ist ein langgedienter Kollege überzeugt.<br />

Manche schaffen den Umstieg im Unternehmen und werden<br />

Disponenten (so heißen jene Taktgeber, die über die Einhaltung<br />

des Fahrplans wachen).<br />

Vorerst passt es für Bilal. Er fühlt sich zu „100 Prozent“<br />

angekommen. Was rät er Landsleuten, die noch unterwegs<br />

sind, die Mindestsicherung beziehen, Kurse belegen, Jobs<br />

wieder verloren haben – oder gar nicht versuchen, ins<br />

System Österreich hineinzukommen? Die weniger Antrieb<br />

oder Bildung haben als Bilal? Er kennt Familienväter, die in<br />

der Mindestsicherung nicht sehr viel weniger bekommen als<br />

er bei den Wiener Linien. 48 Prozent der Syrer in Österreich<br />

sind arbeitslos, Tendenz zuletzt wieder steigend.<br />

Bilal rät: „Gebt nicht auf. Ihr müsst nicht perfekt Deutsch<br />

sprechen. Probiert es einmal, zehn Mal, 100 Mal. Österreich<br />

wartet auf euch.“ Und noch eines motiviert ihn, um vier Uhr<br />

aufzustehen: die Staatsbürgerschaft. Die gibt es nur mit Job.<br />

Bilal will schon nächstes Jahr Österreicher werden. Danach<br />

fehlt eigentlich nur noch: eine Runde im Wiener Dialekt. Na<br />

oisdonn! ●<br />

Zum Autor: Clemens Neuhold war Textchef bei biber und<br />

ist jetzt Innenpolitik-Redakteur bei profil.<br />

HINTER DER GESCHICHTE<br />

Clemens Neuhold schreibt seit 2015 für das Nachrichtenmagazin<br />

profil und ist ein biber-Urgestein. Neben seiner<br />

Tätigkeit als Kurier-Redakteur steuerte er 2006 Texte für<br />

die ersten biber-Ausgaben bei. Danach wurde er biber-<br />

Textchef und Mitbegründer der Journalismus-Akademie,<br />

in der er immer wieder unterrichtete. 2017 lernte er in der<br />

biber-Flüchtlingsklasse den Syrer Bilal Albeirouti kennen.<br />

Er verfolgte dessen beruflichen Werdegang mit allen<br />

Höhen und Tiefen über Jahre – bis zu dessen Einfahrt in<br />

die Tram-Remise der Wiener Linien. Bei einer Testfahrt mit<br />

exzellenter Kurvenlage trafen sie sich für diese Geschichte,<br />

die 2021 im profil erschien, wieder. Die Story über<br />

Bilal wurde mit dem Winfra-Preis der Wiener Lienien und<br />

dem Anerkennungspreis des Österreichischen Integrationsfonds<br />

(ÖIF) ausgezeichnet. Albeirouti ist weiterhin als<br />

Tramfahrer in Wien unterwegs.<br />

50 / RAMBAZAMBA /


DIESER TEXT IST IM JÄNNER<br />

2022 ERSCHIENEN.<br />

MEINUNG<br />

„LIEBE GENERATION Z, WIR MÜSSEN ÜBER<br />

EURE ARBEITSMORAL SPRECHEN“<br />

Job-Bewerbungen per Instagram-DM, Sprachnachrichten statt E-Mails, persönliche<br />

Befindlichkeiten vor Arbeitsmoral. Revolutioniert die Generation Z gerade mutig und<br />

selbstbewusst die Arbeitswelt oder würde ein wenig alte, strenge Schule nicht schaden?<br />

Von Aleksandra Tulej<br />

Die Generation Z ist anders als wir Millenials. In vielerlei<br />

Hinsicht: Sie legen quasi „von klein auf“ Wert auf Diversität,<br />

Political Correctness, machen sich Gedanken um die<br />

Klimakrise und um ihre mentale Gesundheit. Alles Themen,<br />

die bei unserein in dem Alter zwar schon in den Startlöchern<br />

standen, aber bei Weitem keine Prioritäten waren.<br />

Vor allem aber ist die Gen Z mutiger, als wir es gewesen<br />

sind.<br />

Ich bin 29 Jahre alt und gehöre noch zu der Generation,<br />

in der Autoritäten, Hierarchien und Unterordnung<br />

eine riesige Rolle gespielt haben. Mit dieser „Ja-Sager“-<br />

Mentalität bin ich aufgewachsen. Sei es durch meine eher<br />

strenge Erziehung, durch meine konservative Schullaufbahn<br />

oder allgemein durch das damalige vorherrschende<br />

„Du hast auf Ältere und Erfahrenere zu hören“-Credo. War<br />

alles daran gut und richtig? Auf keinen Fall.<br />

Was aber die Arbeitswelt betrifft, konkret die Medienwelt,<br />

scheint sich hier ein Konflikt anzubahnen.<br />

Vielleicht spricht auch der Neid aus mir, da die jüngere<br />

Generation dieses scheinbar internalisierte Selbstbewusstsein<br />

und den Mut hat, Dinge zu tun, die für uns undenkbar<br />

gewesen wären. Seinem Chef am ersten Praktikumstag zu<br />

widersprechen, sich zu weigern, Aufgaben auszuführen<br />

oder nicht einmal daran zu denken, Ausreden zu erfinden,<br />

warum man eine Deadline verschlafen hat, scheint ganz<br />

unbedenklich zu sein.<br />

In unserer Redaktion herrschen seit jeher flache Hierarchien<br />

– mir fällt aber immer mehr auf, dass die immer jüngeren<br />

Nachwuchstalente diese noch mehr ebben wollen.<br />

Mit einer kompletten Selbstverständlichkeit, versteht sich.<br />

Aber in einem Umfeld, in dem es sowieso schon keine<br />

„von oben herab“-Mentalität gibt, finde ich das einfach<br />

respektlos. Sie meckern darüber, dass ein Termin „zu früh“<br />

ist, weil sie eigentlich ausschlafen wollen. Sie haben eine<br />

„bessere Idee“, wie man ein Thema journalistisch aufgreift<br />

– nur ist diese Idee mangels Erfahrung einfach nicht gut.<br />

Kritik vertragen sie aber nicht. Wozu auch, heutzutage<br />

kann sich jeder Journalist nennen, der Karussellposts zu<br />

gesellschaftskritischen Themen auf Instagram bastelt.<br />

Zurück zum Tagesgeschäft:<br />

Wir kriegen Praktikum-Bewerbungen per Instagram-<br />

DM, versehen mit Feen-Emojis und Herzchen. Ernst nehmen<br />

kann ich so etwas nicht. So habe ich zur Zeit meiner<br />

Praktika solche E-Mails verfasst: „Sehr geehrter Herr XY,<br />

ich verspäte mich heute 15 Minuten, die U-Bahn hatte<br />

eine Störung. Das kommt nie wieder vor, Entschuldigung.<br />

Hochachtungsvoll, Aleksandra Tulej.“<br />

„DUU, ALSO MIR GEHT’S HEUT NICHT SO GUT,<br />

ICH BIN NICHT SO GUT DRAUF. ICH KOMME DANN<br />

SPÄTER.“<br />

Jahre später, mittlerweile selbst in einer Führungsposition,<br />

bekomme ich von PraktikantInnen Sprachnachrichten mit<br />

dem Inhalt: „Duu, also mir geht’s heut nicht so gut, ich bin<br />

nicht so gut drauf. Ich komme dann später.“ Meine erste<br />

Reaktion: Geht’s noch? Mein zweiter Gedanke: Was, wenn<br />

ich eine verbitterte alte Frau bin, die in einem verrosteten<br />

Konstrukt festhängt, in dem mentale Gesundheit nicht<br />

einmal angesprochen wird? Um das zu unterstreichen,<br />

drücke ich mich so aus, wie es nur jemand (und dieser<br />

© Zoe Opratko<br />

52 / MIT SCHARF /


jemand kann kein Gen Z’er sein) tut, der gerade alle Folgen<br />

der neuen Sex-And-The-City-Fortsetzung in einem durch<br />

geschaut hat: Ich kam nicht umhin, mich zu fragen: Sind<br />

Millennials die neuen Boomer?<br />

„NEIN, ICH MUSS MEINEN HUND HOLEN.“<br />

Die Arbeitswelt wandelt sich – und das nicht erst seit<br />

gestern. Aber irgendwo habe ich diesen Sprung verpasst.<br />

Ich bin in einem Zwiespalt zwischen „Respekt, wie ihr das<br />

handhabt“ und „Wo bleibt der Respekt uns gegenüber?“.<br />

Diese Selbstverständlichkeit, mit der diese neue Generation<br />

in die Arbeitswelt einsteigt, sich ihre Rechte einfordert<br />

und Missstände aufzeigt ist mir neu. Davon können wir<br />

uns sicherlich etwas abschauen. Aber wenn jüngere KollegInnen<br />

nicht zu einem Zoom-Call erscheinen und „Nein, da<br />

bin ich gerade Essen.“ oder „Nein, ich muss meinen Hund<br />

holen.“ als komplett selbstverständliche Gründe während<br />

der Arbeitszeit ansehen, bin ich ehrlich gesagt baff.<br />

Melisa Erkurt schreibt in ihrer taz-Kolumne „Revolution<br />

in der Arbeitswelt: 9 to 5 ist so Boomer“ genau darüber.<br />

Ich muss beim Lesen durchgehend nicken, schmunzeln<br />

und auch den Kopf schütteln. Alles gleichzeitig.<br />

Die Pandemie hat auch ihr Ding getan: Nine to five gab<br />

es im Journalismus eh nie so wirklich, jetzt noch weniger.<br />

Die Frage ist nun: Was machen wir daraus? Irgendwann<br />

werden sie eh nach ihren eigenen Regeln spielen.<br />

Bis aber die Gen Z die komplette Arbeitswelt übernommen<br />

hat, wird sie einige Jahre noch mit uns Millennials und –<br />

oh Schreck – sogar mit verbleibenden Boomern kooperieren<br />

müssen. Und wir mit ihnen.<br />

Wie kriegen wir das also hin? Sollen wir nach der Pfeife<br />

der Gen Z tanzen und uns was von ihrer Arbeitsmoral<br />

abschauen? Sollen wir ihnen stärker klarmachen, dass sie<br />

sich bitte ein bisschen zurücknehmen sollen und dass sie<br />

nicht die wichtigsten Schneeflocken auf diesem Planeten<br />

sind? Wahrscheinlich nichts davon und beides gleichzeitig.<br />

Ich mache einmal den ersten Schritt und frage: Liebe Gen<br />

Z-LeserInnen, habt ihr eine Idee?<br />

In meiner gesamten biber-Laufbahn bekam ich auf keinen<br />

Text so viel Resonanz, wie auf diesen hier. Keine noch so<br />

aufwändige Recherche, keine Auslandsreportage, keine<br />

heikle-Community-Story: Nichts, das ich je produziert habe,<br />

hat derartige Reaktionen ausgelöst, wie dieser zynische Kommentar,<br />

den ich übrigens – jetzt kann ich’s ja zugeben – eines<br />

WAS SAGT DIE AUTORIN HEUTE?<br />

Nachmittags innerhalb von 20 Minuten heruntergetippt habe.<br />

Was folgte, war ein (teils eh berechtigter) Shitstorm seitens<br />

Gen Z-Fraktion und (oh, Wunder) Applaus Seitens Boomer-<br />

Etage: Ich frage mich bis heute, warum gerade dieser<br />

Kommentar für so viel Diskussionsstoff sorgt – die Medienanfragen<br />

zu dem Thema rieseln bis heute ununterbrochen ein.<br />

KARRIERE MIT ZUKUNFT – BEI DER STADT WIEN<br />

Du bist motiviert, packst gerne an und möchtest Teil der<br />

Stadt Wien sein? Dann haben wir good news für dich! Mit<br />

Ende August 2024 vergibt die Stadt Wien wieder Lehrstellen<br />

für 15 verschiedene Lehrberufe. Darunter beispielsweise<br />

Tischler*in für alle handwerklich Begabten,<br />

Kraftfahrzeugtechnik für alle Autoliebhaber*innen und Verwaltungsassistenz<br />

für alle Organisationstalente. Die Stadt<br />

Wien setzt als eine der größten Arbeitgeberinnen Österreichs<br />

auf qualifizierte Lehrausbildung nach modernsten<br />

Standards. Mit der Lehre bei der Stadt Wien trägst du nicht<br />

nur dazu bei, die lebenswerteste Stadt mitzugestalten, sondern<br />

förderst auch dein individuelles Talent für die Zukunft.<br />

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LEHRE ZUR VERWALTUNGSASSISTENZ:<br />

Für alle Organistationstalente ist die Lehre zur Verwaltungsassistenz<br />

genau das Richtige. Neben Büroarbeiten wie<br />

Protokollieren oder Ablage machen, kümmerst du dich um<br />

verschiedene Anfragen von Kund*innen, verwaltest Termine<br />

und Anliegen und das alles fast gleichzeitig. Die Aufgaben<br />

sind dabei so vielfältig wie die Stadt selbst.<br />

Das war die Vorstellung von nur einem der über<br />

20 Lehrberufe der Stadt Wien.<br />

Na, möchtest du noch<br />

mehr erfahren? Alle Infos<br />

zu den verfügbaren Lehrstellen<br />

findest du hier:


Der leider mittlerweile verstorbene biber-Kolumnist Jad Turjman hat Ausgabe für Ausgabe seine scharfsinnigen Gedanken geteilt. Wir möchten<br />

ihm an dieser Stelle noch einmal die letzte Ehre erweisen. Jad, die gesamte biber-Redaktion verneigt sich vor dir.<br />

ICH BIN JETZT ÖSTERREICHER. ABER<br />

MIT SCHLECHTEM GEWISSEN.<br />

Liebe Leser:innen, nun ist es offiziell:<br />

Ich habe die österreichische Staatsbürgerschaft<br />

erhalten. Ihr könnt Österreich<br />

dazu gratulieren, dass ich sie angenommen<br />

habe. Als Österreicher möchte<br />

ich jetzt meine Meinung dazu äußern,<br />

dass wir zu viele Ausländer in unserem<br />

schönen Land haben. Man darf ja seine<br />

Meinung dazu haben. Also sage ich frei<br />

Von Jad Turjman,<br />

im Juni 2021<br />

an dem Leben hier teilhaben. Aber<br />

seit ich sie habe, verspüre ich einen<br />

bitteren Beigeschmack. Erstens weiß<br />

ich nicht, wie ich mich angesichts<br />

dessen fühlen soll. Ich bin immer noch<br />

derselbe Mensch wie vor einer Woche.<br />

Zweitens habe ich Schuldgefühle vor<br />

anderen, die die Staatsbürgerschaft<br />

viel notwendiger brauchen aber nicht<br />

heraus: Ausländer raus!<br />

Spaß beiseite, seit ich die Staatsbürgerschaft<br />

habe, spüre ich einen großen Drang nach Bier<br />

und danach, sexistische und rassistische Witze<br />

zu machen. Ich will jetzt nicht den Eindruck<br />

erwecken, dass alle Österreicher Alkoholiker<br />

sind. Ich will es nur behaupten. Nein, wirklich<br />

Spaß beiseite. Ich bin glücklich und sehr dankbar<br />

dafür, dass ich die österreichische Staatsbürgerschaft<br />

bekommen habe. Ich fühle mich jetzt<br />

davor sicher, dass irgendeine rechtsgesonnene<br />

Regierung mir mein Asyl entziehen könnte. Ich<br />

freue mich auch sehr darüber, dass ich in irgendein<br />

Nachbarland Syriens reisen kann und meine<br />

Familie dort endlich wieder in die Arme schließen<br />

kann. Und ganz wichtig, ich darf jetzt wählen und<br />

bekommen. Meine Bekannte Hayat lebt seit<br />

zwanzig Jahren in Österreich. Ihre drei Kinder sind<br />

hier geboren und aufgewachsen und nie in Syrien<br />

gewesen. Denn sie dürfen sowieso mit ihrem Konventionsreisepass<br />

nicht dorthin. Hayat ist wie die<br />

meisten Alleinerziehenden eine Heldin und Kämpferin<br />

bei der Bewältigung ihres Alltags. Als Kurdin<br />

war sie schon in Syrien staatenlos. Ihr Antrag auf<br />

österreichische Staatsbürgerschaft wurde nach<br />

zwei Jahren Verfahrensdauer mit der Begründung,<br />

sie verdiene zu wenig, abgelehnt, obwohl sie<br />

mehreren Arbeiten gleichzeitig nachgeht und in<br />

Summe mehr als ich verdient. Aber da sie für vier<br />

Personen aufkommen muss, entspricht ihr Gehalt<br />

nicht dem geforderten Limit. So bleiben sie und<br />

ihre Kinder immer noch staatenlos.<br />

IN MEMORIAM<br />

Am 29. Juli 2022 ist Autor, Kolumnist und<br />

Schriftsteller Jad Turjman bei einem Unfall in<br />

den Bergen tödlich verunglückt. Jad war ein<br />

Ausnahmeschriftsteller, der auch die schwersten<br />

Etappen seines Lebens mit viel Humor und<br />

Weitblick beschreiben konnte – und das in<br />

einer Sprache, die er erst nach seiner Flucht<br />

erlernte. Mit seinen Romanen, Kolumnen und<br />

Stand-Up-Programmen hat er nicht nur Menschen<br />

im gesamten deutschsprachigen Raum<br />

in ihrem tiefsten Inneren berührt, sondern<br />

auch gezeigt, was mit einer vorrausschauenden<br />

Lebenseinstellung wie seiner alles<br />

möglich sein kann.<br />

Er hat bei biber über sein Leben in Österreich<br />

geschrieben, und hatte die unglaubliche Gabe,<br />

ernste Themen stets humorvoll aufzugreifen,<br />

ohne sie dabei ins Lächerliche zu ziehen. Jad<br />

wurde nur 32 Jahre alt.<br />

Was bleibt, sind seine wundervollen Bücher<br />

und Kolumnen, die für die Ewigkeit zeigen,<br />

was für ein außergewöhnlicher Mensch und<br />

ein Vorbild er gewesen ist.<br />

Ruhe in Frieden, Jad.<br />

Robert Herbe<br />

54 / MIT SCHARF /


MEIN BRUDER HAT NICHT<br />

DIESELBE WERTIGKEIT AM<br />

FLUGHAFEN<br />

Ich habe auch meinem jüngeren Bruder<br />

gegenüber Gewissensbisse. Er hat vor<br />

Kurzem in Damaskus sein Rechtswissenschaftsstudium<br />

abgeschlossen und<br />

muss nun zum Militär einrücken. Aber<br />

er möchte verständlicherweise nicht Teil<br />

der Gewaltspirale werden. Also muss er<br />

das Land verlassen. Mit seinem syrischen<br />

Reisepass hat er kaum Möglichkeiten. In<br />

der gleichen Situation stand ich vor sieben<br />

Jahren. Ich weiß, von welcher Verzweiflung<br />

und Zerrissenheit man an dieser Stelle<br />

geplagt wird. Er schickt mir ständig Fotos<br />

und Videos von seinen spielenden kleinen<br />

Töchtern und fragt: „Wie kann ich die<br />

zwei verlassen?“ Wir sind Brüder, aber wir<br />

haben jetzt nicht mehr dieselbe Wertigkeit<br />

am Flughafen. Und das schmerzt. Ich<br />

liebe Österreich. Ich finde, es ist ein geiles<br />

Land. Ich habe mittlerweile einen emotionalen<br />

Zugang zu den Menschen, zu ihrem<br />

Dialekt und vor allem zur Natur. Aber der<br />

Weg, Österreicher zu werden, hat mir die<br />

behördliche Abwertung jener Menschen,<br />

die Österreicher werden wollen, klar verdeutlicht.<br />

Für die Staatsbürgerschaftsprüfung<br />

brauchen wir eine eigene Kolumne.<br />

Zweitausendzweihundert Euro hat mich<br />

das alles insgesamt gekostet. In anderen<br />

Ländern kostet es gar nichts oder nur<br />

einen symbolischen Betrag. In Kanada gibt<br />

es sogar ein Einbürgerungsgeschenk und<br />

einen kleinen Festakt. Ich habe meine Verleihungsurkunde<br />

per Post bekommen, und<br />

der Brief vom Landeshauptmann war nicht<br />

einmal personalisiert: „Liebe neue Österreicher...“<br />

Ich denke, dass es höchste Zeit ist,<br />

dass Österreich eine Reform zur Erlangung<br />

der Staatsbürgerschaft vornehmen sollte.<br />

Und zum neuesten Kommentar des Herrn<br />

Bundeskanzlers, der die Erleichterung des<br />

Zuganges zur Staatsbürgerschaft als Entwertung<br />

sieht, frage ich mich, was ist mehr<br />

entwertend für Österreich? Hayats Kindern<br />

die Staatsbürgerschaft zu geben oder das<br />

rassistische Gedankengut solcher Politiker?


OLDIE<br />

2016<br />

ALLER ANFANG<br />

„Was ist dran am Schwabo-Mann?“ haben wir uns<br />

2009 gefragt und Dating-Klischees bei Migras vs.<br />

Österreichern analysiert. Basierend auf persönlichen<br />

Anekdoten und Zuspitzungen natürlich.<br />

Alles an diesem Cover schreit 2009: Das Wording<br />

(würden wir heute nicht mehr so machen), das<br />

Foto (würden wir heute nicht mehr aufs Cover<br />

packen), die Geschichte – nunja, 2009 war sie ein<br />

absoluter Renner, sagen die früheren biber-Leute.<br />

© Moritz Schell<br />

56 / MIT SCHARF /


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BUREK VON MAMA GANZ OHNE FLEISCH?<br />

Ja du hast richtig<br />

gelesen! Ich habe das<br />

Experiment gewagt,<br />

das Burek-Rezept von<br />

meiner Mama ganz<br />

ohne Fleisch auszuprobieren.<br />

War meine<br />

Mama skeptisch? Ja!<br />

Hat es trotzdem funktioniert?<br />

Und wie! Und<br />

weil der fleischlose<br />

Burek so ein Hit war,<br />

gibt’s jetzt das Rezept<br />

zum nachkochen! Viel<br />

Spaß dabei & prijatno!<br />

Alles was ihr braucht<br />

für vier Portionen:<br />

Für den Teig<br />

● 1kg Weizenmehl universal<br />

● 5 TL Salz<br />

● 550ml lauwarmes Wasser<br />

● 150ml Sonnenblumenöl<br />

● 1kg Weizenmehl universal<br />

Für die Füllung<br />

● 2 Packungen Veganes<br />

Faschiertes von Spar Veggie<br />

● zwei Zwiebeln<br />

● zwei Knoblauchzehen<br />

● 2 EL Vegeta<br />

● 2 TL Paprikapulver<br />

● eine Prise Pfeffer<br />

● 1 EL Sonnenblumenöl<br />

Zuerst machen wir den Teig:<br />

Mischt 1kg Mehl mit 5TL Salz,<br />

550ml lauwarmen Wasser & 150 ml<br />

Sonnenblumenöl zusammen und<br />

knetet es zu einer Kugel zusammen.<br />

Danach den Teig zum Schlafen<br />

legen & mit einem feuchten<br />

Tuch überdecken.<br />

Wichtig: Das Wasser muss lauwarm<br />

sein, sonst kann der Teig nicht so<br />

gut aufgehen.<br />

Während der Teig ruht, machen<br />

wir unsere Füllung. Mische jetzt das<br />

vegane Faschierte mit der Zwiebel,<br />

zwei Knoblauchzehen, 1EL Rapsöl<br />

sowie 2EL Vegeta, 2TL Paprikapulver<br />

& 1TL Pfeffer zusammen.<br />

Zusätzlich noch einen Schuss Sojasauce<br />

hinzufügen.<br />

Das Prinzip beim Würzen ist: mehr<br />

ist mehr.<br />

Während dem Warten etwas<br />

Butter, eine Prise Vegeta sowie<br />

zwei Knoblauchzehen in einem Top<br />

erhitzen.<br />

Danach die Füllung am Rand verteilen<br />

& etwas von der erhitzen Butter<br />

draufgeben<br />

Zum Schluss einrollen und auf ein<br />

eingeöltes Blech in Schneckenform<br />

eindrehen<br />

Das Ganze dann für rund 30-40min.<br />

(je nachdem wie stark euer Backrohr<br />

ist) bei 220 Grad backen bis es<br />

goldbraun ist.<br />

Nachdem der Teig ca. 20 Minuten<br />

ruhen durfte, wird er mit einem<br />

langen Nudelholz auf BKS oklagija<br />

genannt ausgerollt. Danach etwas<br />

Sonnenblumenöl darauf tropfen und<br />

für 10 Minuten ruhen lassen.<br />

Et voilà fertig ist euer fleischloser<br />

Burek! Empfohlene Einnahme mit<br />

Ajran, Krautsalat & Ajvar.<br />

Kleiner Tipp: Wenn ihr Kartoffeln<br />

in die Füllung untermischt, wird’s<br />

noch besser!


REPORTAGE<br />

2022<br />

Österreichische Post AG; PZ 18Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />

www.dasbiber.at<br />

MIT SCHARF<br />

SEPTEMBER<br />

2022<br />

+<br />

HEINZ FISCHER SPIELT<br />

FUSSBALL<br />

+<br />

MARCO POGO<br />

IN ZAHLEN<br />

+<br />

HAUPTBERUF<br />

VERSUCHSKANINCHEN<br />

+<br />

WIR KINDER<br />

VOM STADTPARK<br />

HEROIN, PROSTITUTION UND OBDACHLOSIGKEIT:<br />

WIENS VERGESSENE JUGEND WIR KINDER VOM STADTPARK<br />

Speed, Heroin, Crystal Meth, Prostitution und<br />

Obdachlosigkeit gehören zu ihrem Alltag, sie sind<br />

+ + + WAHL-SPEZIAL: DIE BP-KANDIDATEN durch alle IM sozialen CHECK Netze + gefallen: + + Wir trafen<br />

Wiens vergessene Kinder, die von der Gesellschaft<br />

längst aufgegeben wurden und selbst<br />

keine Zukunft mehr sehen. Die Reportage schlug<br />

hohe Wellen, danach zog es auch Medien wie<br />

den Falter in den Stadtpark. Das Cover wurde für<br />

die Geschichte übrigens, wie so oft in biber‘scher<br />

Tradition – nachgestellt.<br />

© Zoe Opratko<br />

58 / MIT SCHARF /


gemeinsam besser leben<br />

9 bis 5?<br />

Sicher nicht<br />

mit mir!<br />

Sag uns, wie DU arbeiten<br />

willst und starte deine<br />

Vertriebskarriere mit<br />

flexiblen Arbeitszeiten.<br />

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Tanja Köb,<br />

Kundenberaterin,<br />

Vorarlberg<br />

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DIE PARTNER:INNEN<br />

DES <strong>BIBER</strong><br />

„Guter Journalismus schafft Verständnis:<br />

Indem er Einblicke in das Leben anderer<br />

vermittelt, berührt, verbindet, Probleme<br />

und Lösungen aufzeigt. Biber hat<br />

Geschichten geschrieben, die in der<br />

österreichischen Medienlandschaft fehlen<br />

werden. Deshalb war biber immer ein<br />

wichtiger Partner des ORF.“<br />

Martin Biedermann<br />

Leiter Marketing und Kommunikation ORF<br />

„Die Einstellung des Magazins biber ist<br />

ein herber Verlust für die österreichische<br />

Medienlandschaft. Die innovativen Artikel<br />

mit einer gesalzenen Prise Pul Biber zeugten<br />

von „würzig-scharfem“ Journalismus. Wir<br />

wünschen allen biber-Mitarbeiter*innen alles<br />

Liebe und Gute für die Zukunft und möchten<br />

uns für die Arbeit und das Herzblut aufrichtig<br />

bedanken.“<br />

Herbert Schweiger<br />

Geschäftsführer der Wiener Volkshochschulen<br />

„In der Wiener Städtischen sind mehr als 40<br />

Nationalitäten vertreten. Wir schätzen diese<br />

Vielfalt, denn unterschiedliche Nationalitäten<br />

bringen unterschiedliche Ideen, Perspektiven<br />

und Lösungsansätze ein. Faktoren, die auch<br />

im Journalismus unverzichtbar sind. Aus<br />

diesem Grund war die Wiener Städtische ein<br />

verlässlicher Partner der biber Akademie!“<br />

Sabine Toifl<br />

Leitung Werbung und Sponsoring, Wiener Städtische Versicherung<br />

„Als internationaler Konzern war es der<br />

OMV besonders wichtig engagierte<br />

Jungjournalist:innen mit internationalen<br />

Wurzeln in der biber Akademie zu<br />

unterstützen, um Weltoffenheit und<br />

unterschiedliche Betrachtungsweisen<br />

zu fördern. Die bunte Vielfalt von biber<br />

mit Scharf wird in der österreichischen<br />

Medienlandschaft fehlen. Wir bedanken uns<br />

für die jahrelange gute Zusammenarbeit<br />

mit dem gesamten Redaktionsteam!“<br />

OMV Presse-Team<br />

„Das biber hat Würze und Schärfe<br />

in die Medienlandschaft gebracht,<br />

das wird sehr fehlen. Denn für mich<br />

hat das Biber den Vielen und ihren<br />

Lebensrealitäten eine Stimme gegeben –<br />

so wie die Arbeiterkammer das tut. Das<br />

tun leider nicht viele Medien im Land,<br />

umso schmerzlicher ist das Ende. Allen<br />

Mitarbeiter:innen wünsche ich eine gute<br />

Zukunft!“<br />

Renate Anderl<br />

Arbeiterkammer Präsidentin<br />

60 / MIT SCHARF /


„Das biber war über Jahre eine Bereicherung<br />

der Medienvielfalt in Österreich. Hier wurden<br />

zahlreiche journalistische Karrieren begründet<br />

und geprägt. Das biber war eine Institution, an dem<br />

Menschen an sich und eine offenere und inklusivere<br />

Gesellschaft geglaubt haben. Österreichs<br />

Medienlandschaft verliert durch die Einstellung<br />

des Magazins an Farbe – und Schärfe.“<br />

Das Presseteam der Erste Bank<br />

„Wien steht für Vielfalt. Spar steht für<br />

Vielfalt. Das biber steht für Vielfalt. Neben<br />

der journalistischen Qualität und dem<br />

redaktionellen Mut war das ein Hauptgrund<br />

für die jahrelange Zusammenarbeit<br />

zwischen SPAR und ,biber mit scharf‘.“<br />

Hannes Glavanovits<br />

Leiter Werbung und Information SPAR-Zentrale St. Pölten<br />

„biber steht für Vielfalt und<br />

Verständigung zwischen Menschen.<br />

Diese Werte sind für die Europäische<br />

Union elementar. Auch deshalb haben<br />

wir biber gerne unterstützt. Mit der<br />

Einstellung von biber verliert die<br />

Medienlandschaft gehörig an Würze.<br />

Wir wünschen den engagierten<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

alles Gute und hoffen auf ein baldiges<br />

Wiederlesen.“<br />

Martin Selmayr<br />

EU-Botschafter<br />

Hey du!<br />

Kein Plan was du mit<br />

deiner beruflichen<br />

Zukunft anstellen<br />

willst?<br />

Unser Tipp:<br />

Die IT ist und bleibt<br />

die Branche der<br />

Zukunft!<br />

www.it-ausbildung.wien<br />

Von Supermarktkassen bis zu smarten<br />

Rasenrobotern – die IT ist überall,<br />

vernetzt Menschen, treibt die Wirtschaft<br />

voran und spart Ressourcen.<br />

In der Welt der IT gibt es unendlich viele<br />

Möglichkeiten. Die IT ist ein riesiges Netzwerk<br />

von Expert:innen, die gemeinsam die Zukunft<br />

gestalten.<br />

Was es alles gibt!<br />

Einen österreichweiten Überblick über die<br />

vielfältigen Bereiche und Berufe in der IT,<br />

zeigt die IT-Ausbildungsdatenbank, initiiert<br />

von der Fachgruppe UBIT Wien. Von der<br />

Softwareentwicklung über Netzwerksicherheit<br />

bis hin zu künstlicher Intelligenz – es gibt eine<br />

breite Palette von Ausbildungsmöglichkeiten<br />

für Ein- und Umsteiger:innen in die IT.<br />

IT-Expert:innen sind gefragter denn je.<br />

Wer eignet sich für die IT? Man muss kein<br />

Mathe-Genie sein, aber kreativ und<br />

lösungsorientiert und offen für einen Job,<br />

der sich ständig weiterentwickelt.<br />

Einen Job, in dem Flexibilität, Kompetenz und<br />

Wissen zählen und nicht Geschlecht, Alter<br />

oder Herkunft.<br />

Tipp für UBIT Unternehmer:innen.<br />

Noch bis Ende des Jahres läuft die<br />

Einreichfrist für den Bildungsbonus der<br />

Fachgruppe UBIT. Gefördert werden<br />

Kurskosten für Aus- und/oder Weiterbildung.


RAMBAZAMBA<br />

2022<br />

Österreichische Post AG; PZ 18Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />

www.dasbiber.at<br />

MIT SCHARF<br />

OKTOBER<br />

2022<br />

+<br />

IRANISCHE<br />

REVOLUTION IN WIEN<br />

+<br />

HÄUPL IN ZAHLEN<br />

+<br />

LIEBE ZU DRITT<br />

+<br />

WIR FAHREN NICHT<br />

MEHR RUNTER<br />

NIEMAND FÄHRT MEHR RUNTER.<br />

Die Sommer in der Heimat sind nicht mehr so, wie<br />

WENN DAS HEIMATDORF DER ELTERN wir sie aus unserer AUSSTIRBT<br />

Kindheit kennen: Man trifft auf<br />

Stille statt großen Familienfesten und Grabkerzen<br />

statt Pralinen. Sind wir die letzte Generation, die<br />

noch „runterfährt?“ Wir haben darüber geschrieben,<br />

warum immer mehr Migra-Kids nicht mehr<br />

die Heimat ihrer Eltern besuchen wollen: Maria<br />

Lovrić-Anušić hat mit dieser Geschichte einen<br />

Nerv getroffen, die Resonanz aus der Ex-Yu-Community<br />

war riesig.<br />

© Zoe Opratko<br />

62 / MIT SCHARF /


COVER<br />

2016<br />

HELDEN OHNE BEINE<br />

Ukrainische Soldaten, die der Krieg in der Ostukraine<br />

zu Invaliden gemacht hat, lernten in einem<br />

Rehabilitationszentrum in Österreich wieder das<br />

Gehen. Und wir haben sie interviewt und abgelichtet.<br />

Dieses Cover hat 2015 gleichermaßen<br />

für Bewunderung und Kritik gesorgt: die russische<br />

Botschaft zeigte sich not amused, Fotochef<br />

Marko Mestrović, der das Cover fotografiert hatte,<br />

gewann über Nacht 35.000 Follower auf Instagram<br />

dazu.<br />

© Marko Mestrović<br />

64 / MIT SCHARF /


BENOÎT PIÉRON<br />

Monstera deliciosa<br />

26.1O.2O<strong>23</strong>—7.1.2O24<br />

MuseumsQuartier<br />

Museumsplatz 1, A-1070 Wien<br />

www.mumok.at<br />

Benoît Piéron, Moniqa, 20<strong>23</strong>, polymer paste, customized snow<br />

globe, figure made by Marie Dumas / L’ Atelier Lyonnais,<br />

Courtesy Galerie Sultana, Paris, Photo: Deinhardstein © mumok


UNDERCOVER<br />

2016<br />

VERHÜLLTE MISSION<br />

Als Reaktion auf die umstrittene „Islam-Kindergarten-Studie“<br />

von Ednan Aslan hat biber sich 2016<br />

selbst ein Bild gemacht: Nour Khelifi besuchte<br />

undercover 14 der sogenannten „Islam-Kindergärten“<br />

– unter dem Vorwand, ihren ausgedachten<br />

Sohn dort anmelden zu wollen. Das Fazit: Die<br />

Einrichtungen waren von höchst unterschiedlicher<br />

Qualität, aber in keinem einzigen der Kindergärten<br />

konnte die Journalistin radikale Tendenzen<br />

aufspüren – für die großartige journalistische<br />

Leistung rieselte es wohlverdiente Preise.<br />

© Marko Mestrović<br />

66 / MIT SCHARF /


Ich hab‘ ein Händchen<br />

fürs Sparen.<br />

NEU:<br />

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holen &<br />

sparen!<br />

GET IT ON


KONTROVERSE<br />

2017<br />

Österreichische Post AG; MZ 09Z038106 M; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />

www.dasbiber.at<br />

MIT SCHARF<br />

NEWCOMER<br />

SCHOOL<br />

EDITION<br />

WINTER 2017/18<br />

DIE LETZTEN<br />

ÖSTERREICHER<br />

AFGHANINNEN<br />

ÜBER TABUS<br />

ZU DICK FÜR<br />

DIE LIEBE<br />

+<br />

RAF<br />

CAMORA<br />

GEWINNE<br />

T<br />

I C K E T S<br />

BETEN &<br />

SAUFEN<br />

ZWISCHEN GLAUBE UND HEIMLICH VERSUCHUNG<br />

HARAM<br />

Hijab und Bierflasche: Dürfen wir das? Dieses<br />

Cover sorgte gleichermaßen für Staunen,<br />

Bewunderung aber auch Entsetzen. Ein klarer Fall<br />

von „Würden wir heute nicht mehr so machen.“<br />

2017 haben wir‘s aber gemacht, um die Reportage<br />

„Heimlich Haram“ zu bebildern. Aleksandra<br />

Tulej sprach damals mit jungen Muslimen in<br />

Wien, die ein Doppelleben zwischen Glaube und<br />

Versuchung führten. Es war auch das erste Cover<br />

unserer späteren Fotochefin Zoe Opratko.<br />

<strong>BIBER</strong> 11_17 ME _AS.indd 1 28.11.17 02:32<br />

© Zoe Opratko<br />

68 / MIT SCHARF /


ANWALT<br />

Hannes<br />

Havranek von<br />

der Kanzlei FSM<br />

Rechtsanwälte<br />

hat biber seit<br />

der Gründung<br />

rechtlich beraten<br />

© Natascha Unkart<br />

Lieber Hannes,<br />

in 16 Jahren hat der Verlag kein einziges<br />

Gerichtsverfahren führen müssen. Das<br />

haben wir auch deiner sehr umsichtigen<br />

Beratung zu verdanken. Du hast uns bei<br />

heiklen Storys, investigativen Geschichten<br />

und anderen rechtlichen Themen stets<br />

bestens begleitet. Der biber-Verlag dankt<br />

dir für diese tolle Zusammenarbeit!


ILLUSTRATION<br />

20<strong>23</strong><br />

Österreichische Post AG; PZ 18Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />

www.dasbiber.at<br />

MIT SCHARF<br />

APRIL<br />

20<strong>23</strong><br />

+<br />

ARZT ODER<br />

ENTTÄUSCHUNG<br />

+<br />

SCHULDIG<br />

GESHOPPT<br />

+<br />

2 MONATE NACH<br />

DEM ERDBEBEN<br />

+<br />

„ABENDLAND IN<br />

MIGRANTENHAND?“<br />

DEN NAGEL AUF DEN KOPF<br />

Bei Cover-Entscheidungen waren wir uns selten<br />

WIE AUSLÄNDERHASS WIEDER gleich SALONFÄHIG alle einig, oft haben WIRDwir viel herumdiskutiert<br />

und gegrübelt. Außer da: Als Aliaa Abou<br />

Khaddour im April 20<strong>23</strong> diese kreative und smarte<br />

Illu für uns entwarf, gab es aus der Redaktion<br />

ein einstimmiges „Habemus Cover!“. Die Illustration<br />

für die Coverstory über den Rechtsruck<br />

und Ausländerhass in Österreich erfreute sich auf<br />

Instagram großer Beliebtheit. Nur zurecht, wie wir<br />

finden.<br />

© Aliaa Abou Khaddour<br />

70 / MIT SCHARF /


© 20<strong>23</strong> McDonald's. In allen teilnehmenden Restaurants in Österreich. Produkt mit Schmelzkäsezubereitung.<br />

Alle panierten Hühnerprodukte aus Hühnerfleischstücken geformt und zusammengefügt.<br />

Ausgenommen Fremdmarken.


WIEN GÜNSTIG ERLEBEN<br />

MIT DEM VORTEILSCLUB DER STADT WIEN<br />

Sparen leicht gemacht. Mit den neuen Angeboten<br />

des Vorteilsclubs der Stadt Wien kannst du noch<br />

günstiger in den Club, ins Theater, ins Fitnesscenter<br />

oder in den Prater. Wie? Das zeigen wir dir hier!<br />

Egal ob Punschtrinken, Essen gehen, ins Kino<br />

oder in den Prater – die ständig wachsende<br />

Auswahl an Angeboten des Vorteilsclubs der<br />

Stadt Wien erstreckt sich jetzt über Alltag,<br />

Restaurants, Events, Museen – und und und.<br />

Außerdem kannst du auch bei über 200<br />

Gewinnspielen Tickets für Kino-Premieren,<br />

Musicals, Konzerte und Sportevents ergattern.<br />

Als Mitglied im Vorteilsclub kannst du<br />

von Rabatten zwischen 20 und 50 Prozent<br />

profitieren – klingt nicht schlecht angesichts<br />

der aktuellen Teuerung, oder? Zudem<br />

erwarten dich spezielle Angebote wie der<br />

Prater-Montag und der Volkstheater-Sonntag.<br />

Die einzige Bedingung? Du musst älter als<br />

16 Jahre alt sein.<br />

© Julius Silver


BEZAHLTE ANZEIGE<br />

© Stefan Diesner<br />

Am besten bleibst du natürlich mit der Stadt<br />

Wien-App up-to-date. Vom Überblick über die<br />

Gewinnspiele und Partner-Unternehmen des Vorteilsclubs<br />

über Informationen via Push-Nachrichten<br />

bis hin zur Teilnahme an Gewinnspielen oder<br />

das Einlösen von Ermäßigungen – all das geht am<br />

einfachsten über die Stadt Wien-App. Zusätzlich<br />

kannst du die Stadt Wien-App auch als Vorteilsclub-Karte<br />

nutzen – einfach die App runterladen<br />

und deine Mitgliedsnummer im Profil eingeben:<br />

wien.gv.at/app<br />

WIEN-WIN-SITUATION<br />

Der Vorteilsclub der Stadt Wien bietet dir vielseitige<br />

Freizeitangebote rund um die lebenswerteste<br />

Stadt der Welt. Egal ob Freizeittipps, zahlreiche<br />

Gewinnspiele oder Ermäßigungen – hier ist für<br />

jede*n was dabei. Das freut nicht nur die über<br />

135.000 Wiener*innen, die bereits Clubmitglied<br />

sind, sondern auch die Wiener Wirtschaft. Also<br />

eine Wien-Win-Situation sozusagen.<br />

WIE MELDE ICH MICH AN?<br />

Scanne den QR Code<br />

damit du direkt eine<br />

Übersicht aller Vorteile<br />

bekommst:<br />

vorteilsclub.wien.at<br />

Nach der kostenlosen Registrierung<br />

kannst du direkt alle Rabatte nutzen.<br />

ibreakstock./Canva<br />

VORTEILSCLUB DER<br />

STADT WIEN<br />

Kostenlos<br />

Einzigartig<br />

Unvergessliche<br />

Events<br />

Einmalige<br />

Gewinnspiele<br />

Mindestens<br />

20 Prozent<br />

Ermäßigung<br />

Exklusive Einblicke<br />

in die Stadt Wien


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GÜNSTIGER IN DEN CLUB ODER INS KINO<br />

Seit Anfang 2022 hat der Vorteilsclub der Stadt Wien sein Portfolio an Angeboten auf über 600 erweitert.<br />

Auch wenn alles gerade teurer wird, kannst du so deine Freizeit in Wien nach wie vor vielfältig und günstig<br />

gestalten. Über 550 Wiener Unternehmen bieten Rabatte von bis zu 50% an. Was das genau heißt?<br />

Du kommst an bestimmten Tagen<br />

günstiger in Clubs rein, wie z.B. ins<br />

Weberknecht oder ins Werk – inklusive<br />

Fast Lane.<br />

Wenn du es gemütlicher magst und<br />

auf klassische Wiener Kaffehauskultur<br />

stehst: Mit dem Vorteilsclub<br />

kriegst du z.B. im Café Landtmann<br />

20 Prozent Rabatt auf deine Rechnung<br />

gegen Vorreservierung.<br />

Dir ist mehr nach einem Burger?<br />

Auch kein Problem: Für die Burger<br />

Boutique im 17. Bezirk gilt dasselbe.<br />

Und wenn du dich nach dem ganzen<br />

Sitzen mal bewegen willst, kannst du<br />

bei Garage Gym für -20% auf deinen<br />

Mitgliedsbeitrag eine Runde Pumpen<br />

gehen.<br />

WIE KANNST DU<br />

PARTNER WERDEN?<br />

Nicht nur die Wiener*innen profitieren<br />

vom Vorteilsclub der Stadt Wien, sondern<br />

auch die Wiener Wirtschaft. Bist du selbst<br />

Unternehmer*in? Dann kannst auch du<br />

Teil des Vorteilsclubs werden. Du kannst<br />

ganz einfach deine Angebote über den<br />

Vorteilsclub präsentieren und generierst<br />

somit noch mehr Bekanntheit für dich<br />

und deine Firma. Dein Unternehmen wird<br />

dann über die Stadtzeitung MEIN WIEN,<br />

via Social Media, Newsletter, die Stadt<br />

Wien-App, die Website oder bei Events<br />

präsentiert. Alle Infos dazu findest du<br />

unter vorteilsclub.wien.at/b2b-kontakt<br />

Wenn du dann immer noch zu viel<br />

Energie hast: Am Prater-Montag<br />

bekommst du bei vielen Fahrgeschäften<br />

1+1 gratis Tickets und beim<br />

Wintermarkt am Riesenradplatz auch<br />

noch Ermäßigungen auf ausgewählte<br />

Speisen und Getränke bei gekennzeichneten<br />

Hütten.<br />

Natürlich kommt das Kulturangebot<br />

auch nicht zu kurz: Ob Mozarthaus<br />

Vienna, Burgtheater, Beethoven<br />

Museum oder CasaNova Vienna:<br />

Auch hier gibt’s Rabatte und 1+1<br />

gratis Tickets.<br />

Wie du siehst, gibt es mehr als genug Auswahl.<br />

Wir empfehlen: Einfach mal Durchklicken!<br />

ibreakstock./Canva, Icons by Icons8


EMPOWERMENT<br />

2020<br />

Österreichische Post AG; PZ 18Z041372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />

www.dasbiber.at<br />

+<br />

UKRAINISCHER<br />

BOTSCHAFTER<br />

IN ZAHLEN<br />

+<br />

GUTER<br />

FLÜCHTLING,<br />

SCHLECHTER<br />

FLÜCHTLING<br />

+<br />

ŠVABO-LEHRER<br />

+<br />

MIT SCHARF<br />

NEWCOMER<br />

SCHOOL<br />

EDITION<br />

JUNI 2022<br />

„SEI EIN MANN!“<br />

DER KAMPF EINER JUNGEN SERBIN UM IHRE IDENTITÄT<br />

© Zoe Opratko<br />

WIR BESTIMMEN. PUNKT.<br />

In unserer beliebten Empowerment-Reihe haben<br />

Frauen aus den unterschiedlichen Migra-Communities<br />

in Wien immer wieder ihre persönlichen<br />

Selbstbestimmungs-Geschichten erzählt und<br />

somit Tabus und veraltete Rollenbilder durchbrochen.<br />

Ob Jungfrauenmythos, Sexualität, konservative<br />

Familienverhältnisse: Unzählige Leser:innen<br />

haben sich in diesen Geschichten wiedergefunden.<br />

Die Reihe wurde durch den ÖIF finanziert.<br />

/ MIT SCHARF / 75


KARRIERE & KOHLE<br />

Para gut, alles gut<br />

Von Šemsa Salioski<br />

FOMO („FEAR OF MISSING OUT“) WAR GESTERN!<br />

New year new me! Lasst uns ehrlich sein, jede*r von uns hat diesen<br />

Satz schon mal gesagt. Für viele Menschen ist das neue Jahr wie ein<br />

Neustart. Lästige Angewohnheiten werden im alten Jahr gelassen und<br />

im neuen Jahr wird voll durchgestartet. Fair enough! Aber wer hat das<br />

wirklich langfristig durchgezogen? Oft braucht es eine Stütze, jemanden,<br />

der uns beisteht und mit uns unseren inneren Schweinehund bekämpft.<br />

Die VHS ist unser Fels in der Brandung. Mit Kreativkursen, Kochkursen,<br />

Bewegungskursen, Kursen zur Persönlichkeitsentwicklung und vielen mehr<br />

bietet sie nicht nur eine riesige Auswahl an guten neuen Gewohnheiten,<br />

sondern hilft uns auch noch diese langfristig beizubehalten. First Step um<br />

den inneren Schweinehund loszuwerden -> vorbeischauen auf www.vhs.at<br />

MEINUNG<br />

Wenn sich eine Tür schließt,<br />

öffnet sich eine andere<br />

Meine letzten Wochen waren zugegebenermaßen<br />

sehr tränenreich.<br />

Ich musste mich nämlich gleich von<br />

zwei Jobs verabschieden: Einmal via<br />

Kündigung von einer Vollzeitstelle als<br />

Redakteurin, die mir zwar meine lang<br />

ersehnte finanzielle Sicherheit geboten<br />

hatte, aber vom toxischsten Chefredakteur,<br />

der mir je über den Weg gelaufen<br />

war, geführt wurde. Und zum Zweiten<br />

musste ich Tschüss zu Biber sagen,<br />

meiner ersten journalistischen Liebe,<br />

die ich seit der Schulzeit kannte und für<br />

die ich seit 2016 gearbeitet habe. Einer<br />

der beiden Abschiede ist mir klarerweise<br />

schwerer gefallen als der andere.<br />

Biber, der Spirit und das vielfältige<br />

Team dahinter, vor allem unter der<br />

Leitung unserer unfassbar talentierten<br />

Chefredakteurin Aleksandra, werden<br />

niemals ersetzt werden können. Das<br />

Magazin bleibt wohl als eines der<br />

wertvollsten Medienprodukte dieses<br />

Landes in Erinnerung. Wir wissen alle,<br />

dass Leute mit Namen wie dem meinen<br />

sich in Österreich ohne Biber oft nur<br />

in ihren Träumen hätten Journalist:in<br />

nennen können. Passend dazu wird mir<br />

natürlich auch meine Kolumne schrecklich<br />

fehlen, die es mir erlaubt hat, zwei<br />

Jahre lang als Migra-Arbeiter:innenkind<br />

Struggles und Tipps rund um Uni oder<br />

Arbeit mit anderen zu teilen. Ob gute<br />

oder schlechte Erfahrungen – Abschied<br />

bedeutet immer Unsicherheit. Ich<br />

habe den Satz, den ich für meine<br />

letzte Kolumne als Titel gewählt habe,<br />

selbst immer gehasst. Ja, ich bin<br />

ein Gewohnheitstier, aber manchmal<br />

muss man darauf vertrauen, dass sich<br />

nach einem bitteren Ende die nächste<br />

Tür öffnet. Dass es bei mir so schnell<br />

ging, hat mich selbst überrascht. Die<br />

Zusage für meinen neuen Job, um<br />

den ich mich ohne Kündigung niemals<br />

beworben hätte, kam nur zehn Tage<br />

danach. Und wisst ihr was? Ich habe<br />

vor rund zwei Jahren in einem Podcast<br />

erwähnt, dass ich, neben meiner<br />

Arbeit als Journalistin, „irgendwann“ im<br />

Bereich Entwicklungszusammenarbeit<br />

tätig sein will. „Irgendwann“ scheint<br />

jetzt zu sein – und das gleich als<br />

Referentin für Öffentlichkeitsarbeit mit<br />

eigenem „Biro“ – das lässt die Herzen<br />

von Balkan-Arbeiter:inneneltern gleich<br />

höher schlagen! Nein, im Ernst. Ich bin<br />

überglücklich und werde Biber ewig<br />

dafür dankbar sein, dass es Leuten<br />

wie mir den Weg zu unseren Träumen<br />

erleichtert hat.<br />

salioski@dasbiber.at<br />

CONTENT<br />

CREATOR:INNEN,<br />

DENEN IHR<br />

FOLGEN SOLLTET<br />

Die Idee, andere bei Geld- oder<br />

Karrierefragen zu unterstützen, hatte<br />

natürlich nicht nur ich. Folgt, wenn ihr<br />

nach Inspiration oder Problemlösungen<br />

sucht, gerne den folgenden drei<br />

Instagram-Profilen:<br />

parween.mander: Hier erwarten<br />

euch Themen wie besseres<br />

Geldmanagement, „Money Trauma“<br />

in Migrant:innenfamilien und<br />

zahlreiche persönliche Geschichten<br />

der Business Insider-Autorin<br />

workhap: Hier erwarten euch Tipps<br />

rund um Bewerbungsgespräche,<br />

Anschreiben, Gehaltserhöhungen,<br />

sowie lustige Memes und rants einer<br />

„LinkedIn Top Voice“<br />

loewhaley: Hier erwarten euch<br />

nachgestellte Alltagszenen, bei<br />

denen Vorgesetzte oder Kolleg:innen<br />

Grenzen überschreiten. Die<br />

Creatorin zeigt dabei, wie man auf<br />

professionelle Art Weise mit solchen<br />

Situationen umgehen kann.<br />

© Zoe Opratko<br />

76 / KARRIERE /


NEMA PROBLEMA<br />

TELENOVELA<br />

Nachdem Mama Senada die Überstunden aufgeschrieben &<br />

ausbezahlt bekam, hat sie allen Kolleginnen ebenfalls den<br />

gleichen Tipp gegeben. Dadurch sind sie auf die AK und ihren<br />

Aufgaben im Allgemeinen zu sprechen gekommen. Die große<br />

Frage, die jedoch niemand beantworten konnte war, wer<br />

eigentlich in charge ist & wie es dazu kommt. Zuhause lässt die<br />

Frage Mama Senada gar nicht los. Sohn Nenad klärt sie auf!<br />

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NEUES AUS DEM LEBEN<br />

DER FAMILIE PRAVDOVIĆ<br />

Warum ziehst<br />

du so eine Miene<br />

Mama? Die Sache mit den<br />

Überstunden war doch<br />

voll der Erfolg!<br />

Über was?<br />

Ahhh du meinst<br />

wer in charge ist?<br />

Schau ich zeig dir ein paar<br />

Videos von TikTok.<br />

Ja stimmt…<br />

Ich denk eh<br />

nur nach.<br />

Weißt du<br />

meine Kolleginnen<br />

und ich haben uns<br />

heute nur gefragt, wer<br />

oder was diese AK<br />

eigentlich ist…<br />

Wer<br />

ist das?<br />

Oh und<br />

wie wird man dort<br />

Präsidentin?<br />

Alle Infos<br />

rund um<br />

die AK<br />

Wahl gibt’s<br />

hier<br />

Das ist<br />

die Präsidentin<br />

Renate Anderl. Sie sorgt<br />

für Gerechtigkeit!<br />

Ganz einfach,<br />

sie wird von uns, den<br />

Arbeitnehmer:innen gewählt!<br />

Fotos: Zoe Opratko<br />

Die Arbeiterkammer kümmert sich um die Anliegen aller Arbeiter:innen<br />

und Konsu ment:innen. Dafür muss sie aber wissen: Welche Probleme,<br />

welche Wünsche, liegen den Arbeitnehmer:innen besonders am Herzen?<br />

Um welche Themen soll sich die Arbeiterkammer kümmern? Wohin soll<br />

sich die Arbeitswelt entwickeln? Egal ob österreichische oder andere<br />

Staatsbürgerschaft – #deineStimme macht uns alle stärker! Du hast als<br />

Arbeitnehmer:in und AK Mitglied ein Wahlrecht, egal welchen Pass du hast.<br />

Deswegen ist es wichtig, dass auch du bei der AK-Wahl vom 10.–<strong>23</strong>.4.2024 teilnimmst!


Selbermacher<br />

Die Brüder Mehmet und<br />

Orhan Gün haben vor rund<br />

einem Jahr das Burger-Restaurant<br />

„Flip n Dip Burger“<br />

in der Lange Gasse eröffnet.<br />

Ihr Spezialgebiet: Premium<br />

plant-based Burger, die auch<br />

den leidenschaftlichsten<br />

Fleischessern schmecken<br />

werden.<br />

Von Nada Chekh, Fotos: Zoe Opratko<br />

Mehmet Gün führt gemeinsam mit<br />

seinem Bruder Orhan ein Premium-<br />

Burgerlokal in der Langen Gasse 74.<br />

Selbstverständlich<br />

vegan<br />

Beim Betreten des Lokals merkt<br />

man sofort: Es steckt viel Liebe<br />

zum Detail drin. Vom Neonschild<br />

bis hin zu den knalligen Menükarten wurde<br />

nichts dem Zufall überlassen. Es kommt<br />

ein bisschen „American Diner“-Feeling<br />

auf, aber mit modernem Ambiente. Doch<br />

was unterscheidet „Flip n Dip Burger“ von<br />

anderen veganen Restaurants? „Bei uns ist<br />

‚Premium Burger‘ keine Floskel, sondern<br />

wirklich unser Hauptanliegen und die Lücke,<br />

die wir in der Wiener Gastro-Landschaft<br />

schließen wollen“, erzählt Mehmet, den wir<br />

krankheitsbedingt ohne seinen Bruder im<br />

Lokal antreffen.<br />

Geboren wurden Mehmet und Orhan<br />

in der irakischen Hauptstadt Baghdad. Ihre<br />

Mutter ist turkmenischer Herkunft und der<br />

Vater war ein Türke, der im Irak für die UNO<br />

arbeitete. Als in den früher 80er-Jahren<br />

der Krieg im Irak ausbrach, zogen die Eltern<br />

über Istanbul nach Wien, als die Brüder<br />

noch Kinder waren. „Wir haben unseren<br />

Geschmackssinn von unserer Mama geerbt<br />

und und haben früh erkannt, dass alles, was<br />

sie auf den Tisch zauberte auch unseren<br />

Freunden sehr gut schmeckte“, erzählt<br />

Mehmet.<br />

BEKÖMMLICHE BURGER<br />

Von den Burgern bis zu den Milkshakes ist<br />

die Auswahl bei Flip n Dip komplett vegan.<br />

Doch das Wort vegan vermisst man im<br />

Lokal gänzlich – und das ist gute Absicht.<br />

Zu viele potenzielle Kund:innen, vor allem<br />

der älteren Generationen, würde das sonst<br />

erfahrungsgemäß abschrecken. „Ich kann<br />

diese ablehnende Reaktion gut verstehen<br />

– wenn man irgendwo schon einmal einen<br />

trockenen veganen Burger gegessen hat,<br />

78 / KARRIERE /


ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Aber<br />

mittlerweile kann man mit Beyond Meat<br />

richtig gute Pattys machen, wo man keinen<br />

Unterschied zu echtem Fleisch schmeckt.“<br />

Die Speisekarte versteht sich von Haus aus<br />

als „plant-based“, auch bei den Shakes wie<br />

dem Strawberry Swirl ist vom fruchtigen<br />

Sirup bis zum veganen Sahnehäubchen kein<br />

einziges tierisches Produkt enthalten.<br />

Der gute Geschmack geht in allem<br />

vor – von den eigens für das Lokal entwickelten<br />

fluffigen Brioche Buns, bis zu den<br />

kräftigen Saucen und natürlich den Burger<br />

Pattys von Beyond Meat oder dem hausgemachten<br />

Crispy Chik’n aus Erbsenprotein.<br />

Mehmet betont: „Diese Burger liegen nach<br />

dem Essen nicht wie ein Ziegel im Magen,<br />

sondern sind außergewöhnlich leicht und<br />

bekömmlich.“ Absolutes Unikat ist der<br />

Flip n Dip Burger, dessen Brioche in Lauge<br />

getunkt wird, am besten mit knusprigen<br />

Fries dazu.<br />

Bis zu „Flip n Dip“ durchlief Mehmet<br />

viele Stationen im Laufe seiner Karriere:<br />

Durch seine Vorgeschichte in der Wiener<br />

Clubszene, wo er als DJ Met D’Phunk einigen<br />

Leuten ein Begriff sein könnte, kennt<br />

er sich bestens damit aus, wie man ein<br />

gutes Projekt auf die Beine stellt. Sein drei<br />

Jahre jüngerer Bruder Orhan kommt aus<br />

einer ganz anderen Ecke – nämlich aus der<br />

Sozialarbeitsszene und bringt ein Händchen<br />

für gute Burger mit. Gemeinsam mit dem<br />

Küchenchef Réné Salfenauer entwickelten<br />

sie das Menü – an die tollen Rezepte kommt<br />

niemand heran. „Das ist ein Betriebsgeheimnis“,<br />

so Mehmet.<br />

Flip n Dip Burger<br />

Lange Gasse 74, 1080 Wien<br />

Ein „Strawberry Swirl“ passt ganz<br />

wunderbar zum plant-based Burger-Menü<br />

bei Flip n Dip.<br />

WKO-WIEN HILFT<br />

Im Gründerservice der<br />

WKO-Wien kann man bei<br />

einem Beratungsgespräch<br />

alle Fragen stellen, die die<br />

Gründung eines Unternehmens<br />

betreffen. Im Vorhinein<br />

kann man sich auch<br />

schon eigenständig online<br />

informieren. Ob generelle<br />

Tipps zur Selbstständigkeit,<br />

rechtliche Voraussetzungen,<br />

Amtswege oder<br />

Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten:<br />

Auf<br />

der Website kommt man<br />

mit wenigen Klicks zu allen<br />

wichtigen Informationen.<br />

wko.at/wien<br />

www.gruenderservice.at<br />

Die Selbermacher-Serie ist<br />

eine redaktionelle Kooperation<br />

von das biber mit der<br />

Wirtschaftskammer Wien.<br />

VON DER IDEE<br />

BIS ZUR<br />

GRÜNDUNG<br />

© Halfpoint/stock.adobe.com<br />

Der schnellste<br />

Weg zu unseren<br />

Services.<br />

Basis-Informationen und Tools zur Gründung<br />

finden Sie auf unserer Webseite.<br />

www.gruenderservice.at


WELCOME TO MY WORKPLACE<br />

FH CAMPUS WIEN<br />

Vor einem Jahr hat uns Standort-Studiengangsleiterin Bettina Madleitner<br />

die Lehrsäle der Gesundheits- und Krankenpflegestudierenden gezeigt.<br />

Heute führt sie uns durch das neue Gebäude der FH Campus Wien, das<br />

noch mehr Platz für noch mehr Studierende bietet.<br />

„Personen in ihren Krisen zu begleiten,<br />

Sicherheit zu geben, Kontrolle zurück zu<br />

geben – das ist für mich Caring im Sinne<br />

einer professionellen Gesundheits- und<br />

Krankenpflege“, so die Studiengangsleitern.<br />

Über 17 Jahre stand Bettina Madleitner<br />

als Gesundheits- und Krankenpflegerin<br />

im direkten Praxisfeld.<br />

Bettina Madleitner ist selbst Gesundheits-<br />

und Krankenpflegerin und<br />

absolvierte ein Studium der Pflegewissenschaften.<br />

Seit nahezu 10 Jahren lehrt<br />

sie hauptberuflich an der FH Campus<br />

Wien, ist Fachbuchautorin und wirkt im<br />

Kompetenzzentrum für Angewandte<br />

Pflegeforschung der FH Campus Wien<br />

mit. Im Gespräch mit ihr wird schnell<br />

klar, wie sehr sie ihre Berufung zum<br />

Beruf gemacht hat. Persönlich ist für sie<br />

die gelebte Fürsorge ein entscheidender<br />

Punkt für ihren Karriereweg gewesen,<br />

der letztlich auch in die Lehre führte.<br />

Als erstes führt uns Bettina Madleitner<br />

an ihren Lieblingsplatz im neuen Gebäude.<br />

Während wir die Treppen runtergehen<br />

bleibt sie stehen und sagt: „Hier<br />

fühle ich mich total wohl, selbst dieses<br />

Stiegenhaus ist für mich einer meiner<br />

Lieblingsplätze, der direkt zum zweiten<br />

führt.“ Nach ein paar Schritten erreichen<br />

wir das Audimax, in dem beinahe<br />

300 Studierende Platz finden. „Ich mag<br />

das Audimax so gern, weil es so schön<br />

nach Holz riecht und so hell ist. Aber<br />

am meisten liebe ich es, wenn ich mit<br />

meinem Headset vorne stehe, und mir<br />

ein ganzes Auditorium zuhört, während<br />

ich über die Gesundheits- und Krankenpflege<br />

spreche.“<br />

Neben dem Audimax bietet das neue<br />

Gebäude am Verteilerkreis unterschiedlich<br />

große Seminarräume sowie <strong>12</strong><br />

Funktionsräume, wo die Studierenden<br />

praxisorientiert lernen. Dort führt uns<br />

Madleitner als nächstes hin. Auf dem<br />

Weg zu einem der Funktionsräume<br />

stoßen auch ein paar Erst-Semestrige<br />

zu uns und erzählen, welche Einheiten<br />

sie im Studium am meisten mögen: Die<br />

Fertigkeitentrainings, denn hier üben<br />

sie alles, was sie in der Praxis dann


BEZAHLTE ANZEIGE<br />

brauchen. „Methoden- und Fachkompetenzen<br />

werden genauso gefördert, wie<br />

die soziale und kommunikative Kompetenz<br />

der Studierenden für die spätere<br />

Begleitung der Patient*innen“, so die<br />

Studiengangsleiterin. Hierzu können<br />

auch mal Schauspielerpatient*innen<br />

eingesetzt werden, die realitätsnah den<br />

Arbeitsalltag in Gesundheitseinrichtungen<br />

vermitteln sollen. Auch auf sich<br />

selbst achten, ist im Pflege-Berufsalltag<br />

wichtig. Den eigenen Körper nicht<br />

überfordern und die Patient*innen<br />

mobilisieren, lernen die Studierenden im<br />

Fertigkeitentraining Kinaesthetics. „Dabei<br />

gibt es immer eine Situation, die ganz<br />

besonders auffällt. Beim ersten Versuch<br />

das theoretisch Gelernte in die Praxis<br />

umzusetzen, wird offensichtlich, dass es<br />

sich um komplexe Interventionen handelt.“<br />

Diese sind ebenso zu erlernen wie<br />

der theoretische Inhalt. Das Fertigkeitentraining<br />

zielt auf genau diese Fähigkeiten<br />

ab. „Hands on“: Lernen durch direktes<br />

Tun und Wiederholung führt dazu, dass<br />

es zu keiner Barriere des Theorie-Praxis-<br />

Transfers kommt.<br />

Bei unserer Führung wird schnell klar,<br />

wie vielfältig Gesundheits- und Krankenpflege<br />

und entsprechend auch das<br />

Studium ist: Von der Langzeitpflege,<br />

familienorientierter und gemeindenaher<br />

Pflege bis hin zur Dialyse, Anästhesieund<br />

Intensivpflege ist alles dabei. An der<br />

FH Campus Wien wartet man mit der<br />

neuesten Ausstattung mit sämtlichen<br />

technischen Geräten, etwa zur Blutgasanalyse,<br />

Beatmung und Reanimation auf.<br />

Auch sind ein Intensiv-Überwachungsbereich,<br />

verschiedene Funktions- und<br />

Simulationsräume, etwa für die Trainings<br />

in Bezug auf Kinder- und Jugendlichenkrankenpflege,<br />

und ein originalgetreuer<br />

OP-Saal im Gesamtpaket des Studiums<br />

dabei.<br />

Die FH Campus Wien, der Fonds Soziales Wien und der Wiener Gesundheits verbund<br />

sind als Ausbildungsoffensive Teil des Prozesses „Pflege Zukunft Wien“<br />

Pflege findet nicht im Vakuum statt, es<br />

bedarf einer gelingenden Kommunikation<br />

innerhalb der Berufsgruppe ebenso<br />

wie der Zusammenarbeit mit anderen<br />

Professionen.“<br />

Für alle Interessent*innen werden<br />

regelmäßig Informationsnachmittage,<br />

Sprechstunden mit den Standort-<br />

Studiengangsleiter*innen und das Open<br />

House am 15. März an der FH Campus<br />

Wien angeboten. „Mythen rund um den<br />

Beruf Gesundheits- und Krankenpflege<br />

lassen sich am besten vor Ort aufklären“,<br />

weiß Bettina Madleitner.<br />

→ Studienstart: 2x pro<br />

Jahr – im Februar und im<br />

September<br />

→ Nächster Studienstart:<br />

September 2024<br />

→ Bewerbungsfrist:<br />

8.1.–21.7.2024<br />

→ Abschluss: Bachelor of<br />

Science in Health Studies<br />

inkl. Berufsberechtigung<br />

→ Mindeststudienzeit: 6<br />

Semester (Vollzeit)<br />

© FH Campus Wien / Sched<br />

Der Rohbau für das nächste Haus am<br />

Gelände der FH Campus Wien feiert<br />

soeben Dachgleiche, auch in diesem<br />

Haus sind Räumlichkeiten ganz aufs<br />

Studium im Health & Care Bereich<br />

ausgerichtet. Ein ganzes Stockwerk ist<br />

Simulationstrainings gewidmet, hier steht<br />

vor allem auch interdisziplinäres Training<br />

auf dem Programm. „Professionelle<br />

Begleite Bettina Madleitner bei ihrem<br />

Rundgang. Alle weiteren Facts zu<br />

Infotermine, Bewerbung, Wiener Pflegeausbildungsprämie<br />

und andere waff-<br />

Förderprogramme findest du auf<br />

www.fh-campuswien.ac.at\pflege-b


VOM TABUBRUCH<br />

ZUM BUCH<br />

Frauen als „kostbare Perlen“, die<br />

beschützt werden müssen: Dieses<br />

verbreitete Bild in muslimischen<br />

Communitys prangerte Nada Chekh an.<br />

© Marko Mestrović<br />

82 / RAMBAZAMBA /


Nicht über die Communitys<br />

zu sprechen, sondern mit<br />

ihnen – das war immer das<br />

Credo von biber. Was es<br />

bedeutet, wenn die Storys<br />

über das Persönliche hinausgehen<br />

und warum das<br />

fehlen wird.<br />

Von Nada Chekh, Fotos: Marko Mestrović und Zoe Opratko<br />

Es gibt heutzutage herzlich wenig Menschen, die<br />

voller Stolz von sich behaupten können, dass<br />

sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren. Bei biber<br />

kamen Menschen aus den unterschiedlichsten<br />

Communitys zusammen, die alle dieses unglaubliche Privileg<br />

teilen, Journalismus zu machen, der sie selbst betrifft<br />

und sie antreibt. Es galt die unausgesprochene Devise:<br />

Wir sind biber und biber ist Wir. Wir arbeiten nicht nur<br />

für das Magazin, sondern leben es – schließlich sind wir<br />

gleichzeitig die Zielgruppe. Und so, wie wir das Magazin<br />

lebten, ernährten wir es auch mit den Geschichten aus<br />

unseren Elternhäusern und unserer Kindheit. Womöglich<br />

gab es für jeden einzelnen biber-Journalisten diese eine<br />

Story, die einen inneren Fluch brach – oder endlich ein<br />

Problem sezierte, das innerlich lange und schwer herumgetragen<br />

worden war. Für mich ist diese eine Geschichte<br />

„Meine Tochter, meine Perle“, in der es um muslimische<br />

Mütter als Vorarbeiterinnen des Patriarchats ging, und<br />

wie ein toxisches Klima der Überwachung vor allem zum<br />

Leidwesen der Töchter in der arabisch-muslimischen<br />

Community herrscht. Die Geschichte entstand angetrieben<br />

durch meine persönliche Erfahrung und Erziehung in<br />

der Community und wurde letztlich ausgelöst durch ein<br />

türkisches Cousinenpaar, das mir nach einem Workshop<br />

in einer Mittelschule in Wien-Meidling nicht mehr aus dem<br />

Kopf ging. Die Art und Weise, wie eine der Cousinen die<br />

andere auf Schritt und Tritt begleitete und kontroverse<br />

Dinge sagte, wie „Frauen müssen ein Kopftuch tragen,<br />

weil sie wie kostbare Perlen sind, die man vor den Blicken<br />

der Männer schützen muss“, erinnerten mich stark an die<br />

jungen Mädchen, mit denen ich aufgewachsen war und<br />

vor denen kein Geheimnis sicher gewesen war.<br />

Je nach Sprache und Kulturkreis variiert dieses Bild der<br />

Frau als Perle – mal sind sie Blumen, mal sind sie Edelsteine<br />

oder Schmuck. Aber niemals sind sie (erwachsene)<br />

Menschen, die auf sich selbst aufpassen können. Die<br />

Vorstellung einer „Familienehre“, die auf den Schultern der<br />

Töchter lastet, prägt viele junge Frauen aus konservativen<br />

Communitys – seien sie muslimisch oder nicht. Ich veröffentlichte<br />

diese Story im Juni 2019 – und gewann dafür<br />

den JournalistInnenpreis Integration in der Kategorie Print<br />

des Österreichischen Integrationsfonds.<br />

THEMEN AUS DER MITTE DES<br />

GESELLSCHAFT – NICHT VOM RAND<br />

Tabus zu brechen erfordert dabei viel innere Kraft und<br />

sprachliches Geschick – vor allem bei jenen Storys, die<br />

weit über das Persönliche gehen und einen verletzbar für<br />

die eigene Community machen. Denn fehlende (Selbst-)<br />

Kritik ist erst der Grund, weshalb sich so viele althergebrachten,<br />

sexistischen Bilder in migrantischen Communitys<br />

so hartnäckig halten. All die rigiden Wertvorstellungen und<br />

Mythen über Geschlechterrollen, der Kult um Jungfräulichkeit<br />

bis zur Ehe oder die Mechanismen zur (sexuellen)<br />

Überwachung von Frauen, oder ein kritischer Zugang zu<br />

extremeren Verschleierungsformen wie Burka und Niqab,<br />

lassen sich in der arabisch-muslimischen Community kaum<br />

ohne Gegenwind kritisch aufarbeiten. Doch wer sollte diese<br />

Tabus sonst endlich brechen, wenn nicht Menschen aus<br />

der Community selbst? Biber war nicht nur ein Medium,<br />

sondern auch eine Plattform, bei der man Zuflucht und<br />

„Eine Blume<br />

ohne Wurzeln.<br />

Wie ich<br />

Selbstbestimmung<br />

zwischen<br />

Doppelleben<br />

und Doppelmoral<br />

fand.“<br />

erschien Ende<br />

Oktober 20<strong>23</strong><br />

beim Haymon<br />

Verlag.<br />

/ RAMBAZAMBA / 83


offen gestanden – denn nur biber gab mir die einzigartige<br />

Möglichkeit, diese Themen, die ich, wie viele andere<br />

junge Menschen mit Migrationsgeschichte sozusagen<br />

„von Zuhause“ kennen, journalistisch zu erforschen. Ganz<br />

wesentlich war dabei auch das Gefühl, das eigene Narrativ<br />

unter Kontrolle zu haben. Oft wurde intern bis kurz vor<br />

Redaktionsschluss über gewisse Formulierungen debattiert,<br />

oder last-minute eine Geschichte (oder Teile davon)<br />

anonymisiert, um die Protagonisten zu schützen – denn<br />

wir hatten nicht nur journalistisches Know-How, sondern<br />

auch die nötige Sensibilität, um besondere Umstände<br />

und Bedürfnisse bei Community-Themen zu berücksichtigen.<br />

Meine Kollegin Aleksandra Tulej beschrieb in ihrem<br />

Text auf Seite 16 schon den besonderen Zugang und das<br />

Vertrauen in die biber-Redaktion, das uns die Leserschaft<br />

entgegenbrachte. In migrantischen Communitys ist das<br />

Vertrauen in den Journalismus oftmals ohnehin ein wenig<br />

geknickt: Sei es nun dadurch, dass es in vielen Heimatländern<br />

keine besonders ausgeprägte Presse- und Meinungsfreiheit<br />

gibt, oder durch die einseitige und kulturell<br />

unsensible Berichterstattung hierzulande.<br />

„Meine Tochter, meine Perle“ wurde mit dem<br />

JournalistInnenpreis Integration 2019 ausgezeichnet.<br />

Verständnis für die eigene Situation finden konnte: Das,<br />

was die „neuen“ Österreicher:innen bewegt, sind jedoch<br />

keine Themen vom „Rand der Gesellschaft“, wie manche<br />

Menschen wohl über unsere Zielgruppe denken würden<br />

– im Gegenteil: Es sind die Themen, die eigentlich direkt<br />

aus der Mitte unserer Gesellschaft kommen, aber sonst<br />

kein Gehör und allem voran keine sensible Aufarbeitung<br />

in den Medien finden würden. Noch immer ist die Vielfalt<br />

der österreichischen Gesellschaft längst nicht in der<br />

Medienbranche repräsentiert. Biber hatte einen sozialen<br />

Auftrag, den Journalismus in Österreich von innen heraus<br />

zu unterwandern, um gegen diese lähmende Homogenität<br />

in den Redaktionen anzukämpfen.<br />

GESCHICHTEN „VON ZUHAUSE“<br />

In meinem Fall waren Storys wie „Meine Tochter, meine<br />

Perle“ ein wahrer Katalysator für die Karriere. Die Themen,<br />

die mich in meiner über sechsjährigen Laufbahn bei<br />

biber immer wieder beschäftigten – Islam, Feminismus,<br />

weibliche Selbstbestimmung und das Recht auf eine<br />

Privatsphäre – landeten kürzlich sogar in meinem ersten<br />

Buch mit dem Titel „Eine Blume ohne Wurzeln“. Ohne<br />

biber wäre weder dieses Projekt jemals zustande gekommen,<br />

noch dieser wichtige Raum für Debatten überhaupt<br />

AUSGERÜSTET FÜR DIE<br />

MEDIENBRANCHE<br />

Das Ende von biber bedeutet für mich: Das Ende eines<br />

Lebensabschnittes. Ich habe praktisch meine gesamten<br />

20er in dieser Redaktion im Herzen von Wien verbracht<br />

und viele nervenaufreibende, schöne, fordernde und<br />

versöhnliche Momente mit meiner lieben Kollegschaft<br />

durchlebt. Noch dazu habe ich meine Berufung zum Beruf<br />

gemacht und alles an nötigem Handwerk niederschwellig<br />

und direkt am Job gelernt. Und das Wichtigste war, dass<br />

auch einmal eine Story nicht aufgehen konnte, und aus<br />

den Fehlern wurde etwas für das Leben gelernt. Für mich<br />

ist es nun an der Zeit, das biber-Nest zu verlassen und<br />

auf die Suche nach neuen Herausforderungen zu gehen,<br />

in einem der umkämpftesten und dynamischsten Berufsfeldern<br />

überhaupt. Doch ich bin guter Dinge, denn biber<br />

gab mir das notwendige Wissen und Selbstbewusstsein<br />

für diesen wichtigen, nächsten Schritt. Und ich sehe dies<br />

als unglaubliches Privileg, das leider den kommenden<br />

Generationen nicht mehr zuteil wird. Ich frage mich, wie<br />

viele potenzielle Herzensgeschichten nun im Sand der Zeit<br />

verfließen werden, ohne jemals eine Leserschaft zu erreichen,<br />

um Flüche zu brechen. Diese Flüche existieren nicht<br />

nur in Form von Tabus in den verschiedenen Communitys,<br />

sondern vor allem in uns selbst. Sie ernähren sich von der<br />

Angst und Verunsicherung, und vom Unbehagen. Im Laufe<br />

meiner Zeit bei biber habe ich schon vielen Menschen<br />

geholfen, ihre persönlichen Flüche zu brechen: Durch<br />

sorgfältiges Redigieren von Texten, etwa der Gastautorinnen<br />

aus unserer Empowerment-Reihe, oder in Form von<br />

Interviews mit Betroffenen unterschiedlichsten Problemen.<br />

So sprach ich mit einer kurdischen Bauchtänzerin über das<br />

Tabu Tanzen in der Community und die Ächtung, die sie<br />

traf, oder interviewte die Afghanin Nadia Ghulam, die sich<br />

zehn Jahre lang als ihren verstorbenen Bruder ausgab und<br />

© Zoe Opratko<br />

84 / RAMBAZAMBA /


so nicht nur unter, sondern mit den Taliban<br />

lebte. Für ein Fotoshooting nachts am Gürtel<br />

mit migrantischen Sexworkern, oder eine<br />

40km lange Fahrradtour kreuz und quer durch<br />

Wien, oder die Häme von meiner Familie<br />

dafür, dass ich einst mit einem Kondom auf<br />

dem biber-Cover abgelichtet war, war ich mir<br />

niemals zu schade. Ich werde definitiv diese<br />

abenteuerlichen Arbeitstage vermissen und<br />

das Magazin und meine Kollegschaft in Ehren<br />

halten.<br />

Danke für alles! ●<br />

Zur Autorin: Nada Chekh begann 2017 als<br />

Nada El-Azar in der biber-Akademie. Zuletzt<br />

war sie Kultur-Ressortleiterin und Akademieleiterin<br />

bei biber.<br />

© Eugénie Sophie<br />

Für manche Geschichten wurde es auch sportlich:<br />

40 km quer durch Wien radeln? kein Problem!<br />

Verlass‘ dich nicht<br />

auf andere.<br />

Sorg‘ selber vor.<br />

Weil Finanzplanung<br />

Lebensplanung ist.<br />

Seit 25 Jahren begleiten wir<br />

Menschen auf ihrem finanziellen<br />

Lebensweg.<br />

Unsere Mission besteht darin,<br />

Menschen zu unterstützen, klug<br />

vorzusorgen und ihre Träume<br />

verwirklichen zu können.<br />

www.finum.at


DIESER TEXT IST IM<br />

NOVEMBER 2022<br />

ERSCHIENEN.<br />

DER QUOTEN-ALMANCI<br />

WARUM MEINE FAMILIE TOXISCH UND<br />

GLEICHZEITIG EIN SAFE SPACE IST<br />

„Du hast schon wieder so viel abgenommen, du musst mehr essen, Kind!“, sagt meine Tante<br />

erschrocken als ich im Haus meiner Großeltern im Dorf eintreffe. Eine Aussage, die ich Zuhause in<br />

Wien im Keim ersticken würde. Aber hier im türkischen Yayladağı an der syrischen Grenze, wo mein<br />

Vater aufgewachsen ist, gehören ungefragte Kommentare zu meinem Aussehen zur Norm.<br />

Von Özben Önal<br />

WIR SIND UNTERSCHIEDLICH<br />

SOZIALISIERT<br />

Meine Tante meint es gut. Sie macht sich Sorgen darüber,<br />

ob ich nicht genug esse oder schief angeschaut werden<br />

könnte und mich dann unwohl fühle. Später beim Essen<br />

besteht sie drauf, dass ich Nachschlag nehme. Ein Nein<br />

wird nicht akzeptiert. Meine Tanten sind die letzten, die<br />

sich an den Tisch setzen, um zu essen. Warten soll ich<br />

nicht, das Essen würde doch kalt werden. Ihre Brüder sind<br />

vor Jahrzehnten nach Deutschland ausgewandert, um Geld<br />

zu verdienen und damit die gesamte Familie zu unterstützen.<br />

Deshalb sollen sie und ihre Kinder keinen<br />

Finger rühren, wenn sie zu Besuch sind. Meine<br />

Tanten lieben ihre Brüder. Sie sind einander so<br />

nah, wie man sich nur nah sein kann. Jahrelang<br />

schliefen alle sechs Geschwister im gleichen<br />

Zimmer. Damals hatte die Familie finanzielle<br />

Probleme, doch sie sprachen nie darüber. Sie<br />

lernten, Dinge runterzuschlucken, um niemanden<br />

zu belasten. Diese Verhaltensweisen sind<br />

uns, als Kinder dieser Geschwister, von klein auf<br />

mitgegeben worden. Der Unterschied: Sie hatten weder<br />

Psychotherapeut*innen zur Aufarbeitung ihrer Traumata,<br />

noch hatten sie ein sensibilisiertes Umfeld in dem Tabus<br />

gebrochen und über mentale Gesundheit gesprochen<br />

wurde.<br />

EIN SICHERER HAFEN IN<br />

SCHWEREN ZEITEN<br />

Als ich vor kurzem die Nachricht erhielt, dass mein Cousin<br />

verstorben war, brach ich zusammen. Unsere gesamte<br />

Kindheit zog plötzlich an mir vorbei. Die Distanz zu ihnen<br />

ist in solchen Momenten noch unerträglicher – sich nicht<br />

umarmen und küssen zu können, am Telefon herumzustammeln,<br />

weil ich mir unsicher bin, wie ich Beileidsbekundungen<br />

auf Türkisch richtig formuliere – das fühlt sich<br />

Kolumnistin Özben<br />

Önal ist euer „Quoten-<br />

Almanci“ – ein bisschen<br />

deutsch, ein bisschen<br />

türkisch, mit ein bisschen<br />

Liebe zu Wien. In ihrer<br />

Kolumne berichtet sie<br />

über Schönes, Schwieriges<br />

und Alltägliches.<br />

ziemlich beschissen an. Also flog ich hin. Trotz dem Leid,<br />

dem ich begegnete und der Bedrückung, spürte ich eine<br />

unglaubliche Erleichterung bei meiner Ankunft. Denn ich<br />

wusste, nur hier fühle ich mich jetzt sicher. Es wurde wenig<br />

geredet, aber so viel gesagt. Ich ließ die Hand meiner Tante<br />

nicht los. Ich hielt stundenlang schweigend den Bruder<br />

meines verstorbenen Cousins im Arm. Ich küsste meine<br />

Oma jeden Abend vor dem Schlafengehen. Ich fuhr am<br />

letzten Tag mit meinen Cousinen und Cousins auf den Bauernhof,<br />

um Erdbeeren zu sammeln, so wie wir es als Kinder<br />

taten. An Hakans Grab beteten und weinten wir danach<br />

zusammen. Heute weiß ich, wie heilend das war.<br />

ES IST NICHT IMMER NUR<br />

SCHWARZ UND WEISS<br />

In den letzten Jahren sind mir die problematischen<br />

Muster innerhalb der Familie immer<br />

bewusster geworden und ich fing an zu hinterfragen,<br />

ob sie gesund sind. Gleichzeitig blicke ich<br />

nostalgisch auf die Tage im Dorf bei der Familie<br />

zurück. Wir verstehen einander auf eine Weise,<br />

auf die es Menschen außerhalb dieser Familie nie könnten<br />

– das verbindet uns. Wir führen alle individuelle Leben, wir<br />

haben verschiedene Weltansichten und doch wir brauchen<br />

einander, um uns vollkommen zu fühlen. Wir kennen<br />

unsere vulnerabelste Seite – abseits von unserem anderen<br />

Leben und unserem anderen Ich. Doch wir haben verstanden,<br />

dass es in Ordnung ist in zwei verschiedenen Welten<br />

zu leben. Dass der Spalt zwischen uns – so anstrengend<br />

und zerreißend er manchmal sein mag – notwendig ist.<br />

Gleichzeitig sind wir als neue Generation fähig dazu, die<br />

ewige Kette des Schweigens und Verdrängens zu durchbrechen.<br />

Zur Autorin: Özben Önal war biber-Kolumnistin und<br />

schrieb für uns aus Deutschland und der Türkei.<br />

© Zoe Opratko<br />

86 / MIT SCHARF /


„Ich setze<br />

mich dafür<br />

ein, Horizonte<br />

zu erweitern.“<br />

Rudi, Kameramann<br />

Ein Mitarbeiter des ORF, der wie all seine Kolleginnen und Kollegen den Auftrag hat, mit einem<br />

ausgewogenen Programm zu einer funktionierenden Gemeinschaft in Österreich beizutragen.


#glaubandich

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