Für Sebastian Kurz’ Porträt in der Dönerbude aus unserer Maiausgabe 2011 beneideten uns so manch andere Medien. MIT UNS AM KEBAPSTAND © Philipp Tomsich 8 / POLITIKA /
Einmal Sebastian Kurz „mit alles“, Michael Häupl und die starken Männer oder Beate Meinl-Reisinger beim Kaffeesudlesen: Biber hat Politiker:innen immer wieder in unerwartbaren Lebenslagen abgelichtet. Von Amar Rajković Das ist der Politiker, der so alt ist wie wir und jetzt irgendwas mit Ausländern macht. Aber was genau – keine Ahnung.“ Die Passanten am Brunnenmarkt staunten 2011 nicht schlecht, als sie den designierten Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz lächelnd und mit perfekter Frisur hinter der Kebapbude für das biber-Cover posen sahen. Der 25-Jährige galt damals als die größte Polithoffnung seit Bruno Kreisky und überraschte mit ausländerfreundlichen Aussagen viele Migrant:innen in Österreich. Bei dem anschließenden Kreuzverhör im türkischen Restaurant trank er Çay, offenbarte ein paar kleine Schwächen in der Wiener Allgemeinbildung (wusste nicht, wer oder was ein „Schwabo“ ist), erzählte stolz von guten Schulfreundinnen mit Kopftuch und hielt sogar „Türkisch“ als Maturafach für vorstellbar. Ach, wie sich die Zeiten ändern. Ein paar Hundert Meter weiter initiierte biber einen diplomatischen Gipfel im Kent, der so in keinem anderen Medium vorstellbar war. Wiens damaliger Bürgermeister Michael Häupl, Ottakrings langjähriger Bezirksvorsitzender Franz Prokop und der damalige türkische Botschafter erzählten von ihrer Jugend, politischen Vorbildern und Lieblingsessen. Das Foto, das Michael Häupl vor einer türkischen Fahne und den türkischen Botschafter vor einer österreichischen Fahne zeigt, war schon damals ein Hinschauer – heute würde sich kein heimischer Spitzenpolitiker gerne so fotografieren lassen. und sorgte als „Papa Schlumpf“ (O-Ton einer biber-Kollegin) für Recht, Ordnung und Sichtbarkeit von Migrant:innen. Im September 2010 lief das Netz heiß, als er auf einem rosa Enzo im Museumsquartier zusammen mit Rapper Nazar und Boxer Gogi Knezević breitbeinig posierte (s. nächste Seite). 2015 war er Protagonist in einer von der SPÖ geschalteten „Foto- Love-Story“, bei der er einer im Regen stehengelassenen Wählerin den Regenschirm anbot. Das letzte Interview fand im „Pitawerk“ auf der äußeren Mariahilferstraße statt, wo Häupl kurz vor seinem Abgang als Wiener Bürgermeister noch einmal Schmäh führte und Burek mit Joghurt schnabulierte. Diese Tradition setzten wir fort und zwängten den amtierenden Bürgermeister Michael Ludwig 2020 auf die Sitzbank des bosnischen „Željo Burek & Grill“ auf der Thaliastraße. POLITIK IM SUD Es altes, türkisches Sprichwort sagt: „Glaube nicht an den Kaffeesud, aber bleibe nicht ohne Kaffeesud.“ Weil in manchen migrantischen Communities der Aberglaube stark ausgeprägt ist (Ich sage nur „Promaja“, übersetzt die Zugluft, die laut Balkan-Eltern eine sofortige Lungenentzündung oder gar den Tod nach sich zieht), verzichteten wir auf Wahl-Analysen und ausgeleierte Fragen. Wir engagierten für die Wiener Gemeinderatswahlen 2015 eine Wahrsagerin (Danke an dieser Stelle an Zeynep Alan), die den damaligen Spitzenkandidat:innen ihr Kismet voraussagte. Beate Meinl- Reisinger durfte sich über zwei galoppierende Pferde freuen, die als Glückbringer interpretiert wurden. Maria Vassilakou bildeten wir Jahre zuvor in High-Heels ab, bevor sie in © Zoe Opratko DER BÜRGERMEISTER, DER BOXER UND DER RAPPER Michael Häupl war jener Politiker, der in den ersten Jahren wohl am öftesten von biber interviewt wurde. Kein Wunder, er war das Oberhaupt der „Multi-Kulti“- Stadt, in der wir uns alle so wohlfühlen Im September 2020 stärkten wir uns zum Wahlkampfauftakt mit Michael Ludwig bei „Željo“ auf der Thaliastraße. / POLITIKA / 9