WIRTSCHAFT FINDET STADT STADTMAGAZIN WÖRGL Energiepreise auf Rekordhoch Was sind die wesentlichen Einflussfaktoren? 2021 war ein Jahr, wie es die Energiebranche wohl noch nie erlebt hat. Seit mehr als einem Jahr kennt der Strompreis an den europäischen Börsen nur eine Richtung. Und so sahen wir in den letzten Monaten Notierungen, die in der Vergangenheit unvorstellbar schienen. Reihenweise mussten Energielieferanten in Österreich und Deutschland ihre Neukundenakquise aussetzen, einzelne Billiganbieter stellten sogar ihren Vertrieb komplett ein oder gingen gar pleite. WIE KONNTE ES EIGENTLICH SO KOMMEN? Sei 1996 wurden von der Europäischen Union Maßnahmen verabschiedet, deren Ziel der Aufbau eines wettbewerbsfähigen, kundenorientierten und diskriminierungsfreien EU-Strommarkts mit marktorientierten Preisen ist. Die Liberalisierung trennte den Stromsektor in den regulierten Bereich (Übertragungs- und Verteilernetze) sowie den Wettbewerbsbereich (Erzeugung, Handel und Vertrieb). Den börsenbasierten Stromhandel in seiner heutigen Form gibt es nun seit gut 20 Jahren. Er wird im Wesentlichen über die Handelsplätze der EEX in Leipzig (Terminmarkt) und den der EPEX in Paris (Spotmarkt) abgewickelt. Seit Anfang September 2021 war ein starker Anstieg aller Energiepreise zu beobachten. Vor allem die rasche Erholung der Weltwirtschaft nach dem pandemiebedingten Krisenjahr 2020 hat die Nachfrage nach Rohstoffen und Energie stark ansteigen lassen. Dies führte zu einem sehr starken Anstieg der Preise über alle Energieträger hinweg, vor allem aber der Preise für Erdgas und Kohle. Diese Kraftwerke sind in Stunden mit niedriger Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern preistreibend. Die sehr starken Preissteigerungen bei Erdgas und Kohle wirkten sich somit direkt auf den Strompreis aus. ENDKUNDENPREISE IN ÖSTERREICH FOLGEN DEM EUROPÄISCHEN MITTELWERT Die Preise für Stromkunden, insbesondere für private Haushalte, waren in Österreich über lange Phasen sehr stabil. Lediglich größere Bewegungen wie in der Ölkrise oder aber auch während der Finanzkrise führten zu stärkeren Preisänderungen. Die Preise für Endkunden werden in Energiekosten, Netzkosten und den Steuern und Abgaben unterschieden. Der Energieanteil ist also jener Anteil, der vom Preisgeschehen an den Großhandelsmärkten mitbestimmt wird. Bei einem durchschnittlichen Haushalt beträgt der Anteil der Energiekosten am Gesamtstrompreis aktuell etwas mehr als ein Drittel. ÖSTERREICHISCHE STROMPREIS- UND ENERGIEPREISINDEX AUF NEUEM ALLZEITHOCH Die Entwicklung der Großhandelspreise wiederum bildet der österreichische Strompreisindex (ÖSPI) ab, der auch für den Endkundenmarkt relevant ist. Er ist oft die Grundlage für Stromprodukte und findet sich häufig in den Allgemeinen Lieferbedingungen als Basis für Strompreisanpassungen wieder. Vor allem die letzten Monate zeigten einen deutlichen Aufwärtstrend. Im Dezember 2021 hatte der ÖSPI mit einem Wert von 148,67 ein Allzeithoch erreicht, der Tiefststand lag im November 2016 bei 48,93 Indexpunkten. Der Energiepreisindex (EPI) wiederum zeigt die Entwicklung aller für Haushalte relevanten Energieträger wie Strom, Gas, Heizöl oder Treibstoffe. Besonders auffällig ist auch hier, dass der EPI im Jahre 2021 zum starken Preistreiber der allgemeinen Teuerung wurde. TEILNAHME DER ENERGIEWIRTSCHAFT IM CO 2 -EMISSIONSHANDEL Aufgrund des Eingriffs der Politik in den CO 2 -Zertifikate-Handel, mit dem die Anzahl der ausgegebenen Emissionsrechte verringert wurden, kletterte der CO 2 -Preis weit über den geforderten Mindestpreis von 60 Euro je Tonne. Interessant an dieser Entwicklung ist, dass jeder Euro Verteuerung der CO 2 -Zertifikate zu einer Verteuerung des Stroms am Terminmarkt führt. AUSBLICK AUF DIE STROMKOSTEN EINES HAUSHALTES Eine Durchschnittsbetrachtung aller österreichischen Haushalte zeigt, dass die Stromkosten derzeit 2% der monatlichen Haushaltsausgaben pro Kopf ausmachen. Je nach Verbrauchsmuster kann sich dieser Anteil natürlich verschieben. Haushalte, die beispielsweise eine elektrisch betriebene Wärmepumpe nutzen, haben einen höheren Kostenanteil, ein Elektroauto, das zuhause geladen wird, wird diesen Anteil zusätzlich weiter steigern. Gleichzeitig verbraucht man aufgrund der höheren Effizienz dieser Technologien insgesamt weniger Energie. Experten gehen davon aus, dass diese Technologien zunehmende Verbreitung erfahren. Strom wird so vermutlich ein relevanterer Teil der Haushaltskosten werden und wird zunehmend fossile Energie wie Erdgas, Heizöl und dergleichen ersetzen. In der Wirklichkeit der Weltwirtschaft ist nicht die Moral das entscheidende Kriterium, sondern der Markt. Und eine Antwort auf die abschließende Frage zu finden, scheint unmöglich: Was wären Sie bereit für die Sonne, wenn sie scheint, für den Wind, wenn er weht und für das Wasser im Fluss zu bezahlen? Netz Stromlieferung (Energie) Steuern und Abgaben Zusammensetzung der Stromrechnung 18
<strong>Februar</strong> <strong>2022</strong> WIRTSCHAFT FINDET STADT Sichere Stromversorgung Wir sind für Sie im Einsatz - rund um die Uhr energie | sicherheit | heimvorteil stww.at 19 Fotos: Atelier Hohlrieder