Von der Hexe <strong>zur</strong> Emanze Stark waren Frauen schon immer – auch wenn sie über Jahrhunderte hinweg als das schwache Geschlecht bezeichnet wurden. Die Geschichte der letzten Jahrtausende ist eine Chronik der Männer. Frauen waren je nach Stand Zierwerk, rechtlose Mutter und Haus- Frau, in jedem Fall dem Mann zu eigen und zu Diensten. Erst in den letzten 200 Jahren begann der langsame, aber unaufhörliche Kampf der Frauen um ihre Rechte. „Hexe“ auf dem Weg zum Galgen Was eine Frau leistet, als Mutter, als Familienmanagerin, als Partnerin und im Beruf – das galt und gilt immer noch als selbstverständlich. Gleichstellung, Wahlrecht und Selbstbestimmung hingegen mussten sich die Frauen hart erkämpfen. Hexe, Mannweib, Frauenrechtlerin, Feministin, Emanze, Sufragette, Rabenmutter – mit Titeln wie diesen wurden (und werden) Frauen belegt, die es wag(t)en, aufzulehnen und mehr zu verlangen, als man(n) ihnen zugestehen wollte. Die Geschichte, aber nicht die offizielle Geschichtsschreibung, ist voll von Frauen, die es dennoch gewagt haben, den Rahmen zu sprengen – oft mussten sie einen hohen Preis dafür bezahlen, alles aufs Spiel setzen, wenn nicht gar ihr Leben lassen. Gleiche Chancen – Doppelte Lasten? Heute spricht man – im aufgeklärten Westen zumindest - von Chancengleichheit. Frauen sind laut Gesetz gleichgestellt. In allem. Aber sind sie das wirklich? Wer trägt die Doppelbelastung Familie und Beruf? Wer sitzt nächtelang am Bett eines kranken Kindes und bewältigt den nachfolgenden Tag, als ob nichts gewesen sei? Wer muss auch heute noch mehr leisten, um die gleiche Anerkennung zu erhalten, wie die männlichen Mitstreiter? Wer verdient weniger bei gleicher Leistung? Auch im Jahr 2008 sind es immer noch zu oft die Frauen, die <strong>zur</strong>ückstecken müssen. Aber es sind auch viele Frauen, die es geschafft haben, sich zu behaupten und die Beispiel sind für andere, vor allem auch für junge Mädchen auf dem Weg zu ihrem Frausein. In der Redaktionssitzung für diese Ausgabe, auf der Suche nach starken Frauen, die wir vorstellen wollten, sind wir auf so viele gestoßen, dass uns die Wahl schwer fiel. Unsere Kurzportraits der starken Frauen sind daher nur ein ganz kleiner, stellvertretender Ausblick auf die Südtiroler Realität. Starke Frauen müssen dabei nicht unbedingt Frauen sein, die ein Unternehmen leiten oder in der Politik erfolgreich sind u.ä.m. Stark sind vielmehr alle Frauen, die selbst ihren Weg bestimmen und die jeden Tag erneut das kleine Wunder vollbringen, allen Anforderungen gerecht zu werden und die darüber oft eines vergessen: sich selbst. All diesen Frauen, der Bäuerin, der Mutter, der Berufstätigen und der Hausfrau, der Partnerin und der Forscherin – all diesen Frauen möchten wir mit dieser Radius-Ausgabe unsere Anerkennung aussprechen. Männliche Geschichtsschreibung Wenn man die Geschichtsbücher aufschlägt, so tut man sich schwer, Frau- Auch Marketenderinnen kämpften für die Freiheit Südtirols ennamen zu finden. Der Mann ist das Maß der Geschichte, aber es gibt sie, die Frauen, die Geschichte schrieben, auch in Südtirol. Man muss sich nur Zeit nehmen, nach ihnen zu suchen! Die offizielle Geschichtsschreibung erwähnt eher einen Robespierre, als eine Olympe de Gouges, die <strong>zur</strong> Zeit der französischen Revolution zum ersten Mal die Rechte der Frauen zu deklarieren wagte und 1793 auf der Guillotine endete oder eine Katharina Lanz, die mit einer Mistgabel beherzt französische Soldaten in die Flucht schlug. Die Frauenbewegung lässt sich in mehrere Phasen einteilen. Eine erste begann bereits im 12./13. Jahrhundert (Beginen), anfangs sogar von der Kirche mit Wohlwollen betrachtet. Die Hexenverfolgung der frühen Neuzeit AKTUELL setzte diesen schüchternen Versuchen der Selbstbestimmung allerdings ein ebenso jähes wie grausames Ende. Die unabhängige Frau, die weise Frau, die Frau, die es wagte, allein zu leben jagte den Männern Angst ein und wurde als Verderben bringende Hexe dem Feuertod ausgeliefert, nicht ohne vorher unter der Folter die männliche Überlegenheit bestätigt zu haben. Die Frauenbewegungen Eine zweite Emanzipationsbewegung entstand im Gefolge der französischen Revolution, als Frauen Gleichheit, Recht und Geschwisterlichkeit auch für sich beanspruchten. Aber den hitzigen Revolutionären ging es mehr um die Abschaffung der Adelsprivilegien, als um tatsächliche Gleichberechtigung. Als die Frauen plötzlich aufstanden und damit die Privilegien auch der bürgerlichen Männer in Frage stellten, wurde es den Revolutionären zu viel. Mit der Industriellen Revolution und dem Aufkommen der Arbeiterschaft geht die dritte Welle der Frauenbewegung einher. Moderne Kommunikationsmittel wie Zeitungen, Telegraf, Automobil, Telefon und die Notwendigkeit, dass auch Frauen zum finanziellen Haushalt der Familie beitragen, führten dazu, dass das Leben der Frauen sich immer mehr außerhalb der Familie abspielte und die Frauen selbstbewusster auftraten. Der erste und zweite Weltkrieg mit ihren verheerenden Folgen führten dann endgültig zum Aufbrechen der traditionellen Rollenverteilung der Geschlechter. Eine Entwicklung, die bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Denn auch wenn die Chancengleichheit gesetzlich verankert ist, braucht es im Jahr 2008 noch Gesetze, um eigentlich selbstverständliche Förderungsmaßnahmen für Frauen oder Quotenregelungen festzuschreiben… Gesetze, die gegen den Widerstand der Männer politisch hart erkämpft werden müssen. Denn immer, wenn es darum geht, Frauen zu mehr Rechten – zu ihrem Recht – zu verhelfen, fürchten die Männer um ihre Privilegien. Das Vereinbaren von Beruf und Familie ist oft eine große Herausforderung 6 05/2008 05/2008 7