Kultur- und Stadtatlas 2023/24

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NACHGEFRAGT Seit 2012 ist Oliver Reitz Direktor des städtischen Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP), der die Aktivitäten der Wirtschafts- und Technologieförderung sowie des Standort- und Kongressmarketings verantwortet. Reitz wurde 1969 in Witten geboren und studierte Geografie, Öffentliches Recht, Verkehrswesen und Raumplanung. Gemeinsam mit seiner Frau und zwei Kindern wohnt Reitz in Pforzheim. In seiner Freizeit engagiert er sich für das Kulturgut „klassische Fahrzeuge“ und ist Vorsitzender des „Freundes kreises Autokultur Pforzheim“. INTERVIEW MIT WSP-DIREKTOR OLIVER REITZ FOKUS INNENSTADT Innenstädte müssen sich großen Herausforderungen stellen. Bundesweit schließen nicht nur traditionsreiche Warenhäuser, sondern auch große Handelsketten dünnen ihr Filialnetz zunehmend aus. Auch Pforzheim ist mit dieser Entwicklung konfrontiert. Wie kann die Innenstadt lebendig bleiben, wenn der Handel wegbricht? Die Frage, welche Nutzungen den Handel ergänzen und in Teilen auch ersetzen können, bewegt uns sehr. Seit den 1970er Jahren hatte sich die Einkaufslandschaft zunächst durch großflächige Standorte oftmals weit außerhalb der Innenstädte verändert, vor 30 Jahren entstanden die ersten eCommerce-Plattformen, und seitdem hat sich der Online-Handel rasant entwickelt. Artikel, die man früher in der Regel nur in einem Fachgeschäft in der Innenstadt erwerben konnte, sind heute mit einem Mausklick bestellbar oder werden als Aktionsware bei einem Discounter, im Einrichtungshaus oder im erweiterten Sortiment eines Drogeriemarktes angeboten – seien es Heimtextilien, Haushaltswaren oder Elektrogeräte. Eine lebendige und attraktive Innenstadt wird auch künftig auf einem vielfältigen Einzelhandels angebot beruhen, doch richtet sich der Blick verstärkt auf eine breitgefächerte Gastronomie, auf kulturelle Angebote, identitätsstiftende Events und nicht zuletzt auf Wohnungen und Büros, die ganz wesentlich dazu beitragen, dass sich Menschen zu möglichst jeder Tageszeit in der Innenstadt aufhalten. Im Rahmen eines Förderprogramms erhält der WSP eine Förderung in Höhe von 2,32 Millionen Euro. Was ist geplant und welche Ziele verfolgen Sie damit? Insgesamt geht es um die Steigerung der Attraktivität und der Frequenz in der Innenstadt. Mit den Fördermitteln, die rund 30 von uns eingereichte Projekte zu etwa 87 % finanziell unterstützen, möchten wir neue Impulse setzen. Wesentlich ist dabei eine deutlich engere Vernetzung innerstädtischer Akteure. Gezielt möchten wir die Immobilieneigentümer ansprechen, aber auch aktiv zugehen auf junge Menschen sowie auf Communities mit verschiedenen kulturellen Hintergründen. Nicht nur bei der Ausrichtung von Events werden wir das Enzufer stärker in den Fokus rücken, denn das Enzufer ist ein wichtiges Allein stellungsmerkmal unserer City. Leider wird die Enz häufig eher als Element wahrgenommen, welches das Sedanquartier vom Rest der Innenstadt abkoppelt. Dies möchten wir umkehren und die Areale südlich und nördlich der Enz umfassend miteinander verbinden. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf einen Verfügungsfonds, mit dem wir Akteure aus dem innerstädtischen Leben dazu ermuntern können, eigene Ideen anzustoßen und mit unserem finanziellen Zuschuss umzusetzen. Das Förderprogramm unterstützt uns nicht zuletzt auch bei Nachfolge-Konzepten für die Galeria-Warenhausimmobilie oder bei der technischen und baulichen Ertüchtigung und Erschließung des Waisenhausplatzes, auf dem nun alljährlich die Pforzheimer Winterwelt eine Heimat finden soll und an jeweils rund 50 Tagen zur Belebung beitragen wird. Mit der Pforzheimer Winterwelt sind Sie nicht nur an diesen neuen Standort, sondern auch neue Wege gegangen. Was hat Sie dabei angetrieben? Es war nicht nur die Standortverlagerung vom Marktplatz zum Waisenhausplatz. Auch langjährig etablierte Eventformate sollte man immer wieder hinterfragen und dann eine Antwort darauf geben, ob ein Festhalten am Status Quo, eine eher kleinteilige Weiterentwicklung oder ein umfassender Relaunch der richtige Weg ist. Ich habe diese dritte Option für richtig und für überfällig gehalten und mich gefreut, dass der Gemeinderat dem gefolgt ist, auch wenn im Jahr 2022 die wenigen Monate für die Abkehr von „City on Ice“ und die unmittelbare Umsetzung der „Pforzheimer Winterwelt“ eine recht sportliche Vorgehensweise mit sich brachten. Zu den Antriebsfedern zählt auch hier die Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal, welches wir mit dem Zusammenspiel von Schlittschuhlaufen, Stockschießen, Kulinarik und Geselligkeit sicherlich aufweisen können. Gleichzeitig haben wir ein zweites Alleinstellungsmerkmal, nämlich den Dreiklang von Spaß auf Kufen, Weihnachtsmarkt und Mittelaltermarkt keinesfalls aufgelöst, sondern lediglich räumlich entzerrt – auch um dem Weihnachtsmarkt wieder den Raum zur Entfaltung zu geben, den er vor vielen Jahren und vor der Implementierung unserer früheren Eisbahn auf dem Marktplatz noch hatte. Auch wenn die Überquerung der Zerrennerstraße zunächst als Hemmnis erschien, konnten wir unserem winterlichen Veranstaltungsformat mit der unmittelbaren Lage am Enzufer eine ganz neue Qualität verleihen. Angetrieben hat mich vor allem jedoch die Frage nach einer zeitgemäßen und möglichst nachhaltigen Form einer Veranstaltung in der Wintersaison. Bei in den letzten Jahren nur noch selten wirklich winterlichen Temperaturen künstliches Eis zu erzeugen, ist kaum noch vermittelbar, zumal es mit einem hohen Energieaufwand und entsprechenden Auswirkungen auf Klimaverträglichkeit und auf einen möglichst wirtschaftlichen Betrieb verbunden wäre. Die Abkehr vom künstlich erzeugten Eis und die Entscheidung für eine innovative Kunststofftechnologie für die Bodenpaneele in unserem WSP-Kufenland war sicherlich ein mutiger, aber ein absolut richtiger Schritt. Mit den neuen Möglichkeiten am Waisenhausplatz und neuen Gestaltungsmöglichkeiten haben wir aber auch darauf Wert gelegt, der Regionalität und der Authentizität mehr Gewicht zu verleihen. In Anlehnung an unsere Lage im Nordschwarzwald kommt bei der Winterwelt nun mit dem Werkstoff Holz insbesondere bei den gastronomischen Einheiten „Stadl“ und „Waldschänke“ deutlich mehr Heimatbezug zum Tragen und zur Geltung. 49
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