Immozeit 03.23 I KOMPLIZIERT
KOMPLIZIERT
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AUSGABE<br />
DAS IMMOBILIENMAGAZIN FÜR DIE MITGLIEDER VON IMMOEBS E.V.<br />
33. JAHRGANG | DEZEMBER 2023<br />
Foto: TPopova – istockphoto<br />
Babyboomer verbinden Leistungsorientierung mit Pflicht, Disziplin und Fleiß. Die nachfolgenden<br />
Generationen legen Wert auf Spaß und Purpose, sind aber alles andere als faul. | Schulterblick: Wer<br />
sind eigentlich die Mitglieder von IMMOEBS e.V.? | Mehr als 100 Tage im Amt: der IMMOEBS-Vorstand. |<br />
„Noch drei Monate, wenn es dann nicht läuft, ist Schluss.“ Das Ultimatum half, die Gründer von<br />
Ubanistic in die Spur zu bringen. Die Gründer von TORVIK GRUEN empfehlen Bootstrapping.<br />
<strong>KOMPLIZIERT</strong><br />
DEUTSCHLAND: 4,50 €<br />
SCHWEIZ: 8,00 SFR<br />
EU-LÄNDER: 5,50 €
EDITORIAL<br />
Liebe IMMOEBSler,<br />
Foto: Alexander Sell<br />
Dr. Wolfgang Speckhahn, 2. Vorsitzender<br />
dass sich die Vorzeichen für die Immobilienwirtschaft geändert haben, geht auch an<br />
unserem Netzwerk IMMOEBS nicht spurlos vorbei. Die neuen Rahmenbedingungen<br />
machen es aus Sicht des Vorstands erforderlich, Anpassungen vorzunehmen – auch<br />
bei unserem Mitgliedermagazin. Die #IMMOZEIT wird ab 2024 digital erscheinen.<br />
Wir tragen mit dieser Entscheidung zum einen dem vielfach geäußerten Wunsch<br />
der Mitglieder Rechnung. Zum anderen schaffen wir es dadurch, nicht nur die<br />
Kosten zu reduzieren, sondern auch die Produktionszeiten erheblich zu verkürzen.<br />
Sprich: Wir sind mit den Themen schneller bei Euch. Das ist gerade in einer<br />
Marktphase, die von großer Unsicherheit geprägt ist, von Bedeutung. Gleichwohl<br />
wollen wir zumindest eine Ausgabe weiterhin noch als Printversion herausbringen.<br />
Denn Untersuchungen belegen, dass gedruckte Inhalte auf kognitiver Ebene<br />
nachhaltiger wirken. Zudem gibt es nicht gerade wenige Mitglieder, die nach wie<br />
vor gedruckten Magazinen den Vorrang geben. Das Meinungsbild hierzu ist im<br />
Netzwerk also nicht ganz eindeutig.<br />
Trotz der anspruchsvollen Zeiten, die wir nach etlichen Boomjahren aktuell erleben, ist es uns wichtig, an Bewährtem<br />
festzuhalten. Dazu zählt insbesondere unser Mentoring-Programm IMMOMENT. Das Interesse sowohl aufseiten<br />
der Mentees als auch aufseiten der Mentoren ist ungebrochen. Und wir sind sehr stolz darauf, dass sich auch in anspruchsvollen<br />
Zeiten wie diesen Sponsoren gefunden haben! Sie leisten mit ihrer finanziellen Unterstützung einen<br />
aktiven Beitrag zur Nachwuchsförderung und unterstützen gleichzeitig das generationsübergreifende, interdisziplinäre<br />
Miteinander. Unternehmen, die sich für eine Kooperation bzw. Sponsoring interessieren, nehmen bitte Kontakt mit<br />
uns auf. Dass sich im Rahmen dieses Programms den Teilnehmern auch neue berufliche Perspektiven und Sichtweisen<br />
auftun, zeigt sich in unserer Rubrik Start-up-Corner: Die Gründer Julian Bauer und Eskil Eggers, die sich<br />
in der ersten bzw. zweiten Ausgabe vorgestellt haben, waren beide Teilnehmer von IMMOMENT. Insofern gilt den<br />
Sponsoren des fünften Jahrgangs, der im März 2024 startet, ein großer Dank: BEOS, Berlin Hyp, WISAG und<br />
ZIA. An dieser Stelle schon mal ein kleiner Vorgeschmack auf die erste Ausgabe 2024: Wir werden mit einer losen<br />
Reihe starten und nachfragen, was aus den Teilnehmern der früheren Jahrgänge geworden ist und welche Mehrwerte<br />
die Mentoren für sich aus der einjährigen Zusammenarbeit ziehen konnten.<br />
Wir sind davon überzeugt, dass der Austausch von Wissen und Erfahrungen in Verbindung mit einem starken Netzwerk<br />
das beste Rüstzeug dafür ist, schwierige Zeiten durchzustehen.<br />
Für das Vertrauen, das Ihr uns entgegenbringt, bedanke ich mich herzlich und wünsche Euch ein schönes Weihnachtsfest<br />
im Kreis von Familie und Freunden. Kommt gut ins neue Jahr!<br />
Euer Wolfgang<br />
„IMMOMENT<br />
öffnet Türen“. Das ist<br />
die Idee des Graffitis.<br />
Umgesetzt durch Mentees<br />
und MentorInnen<br />
des 4. Jahrgangs, unter<br />
Anleitung des preisgekrönten<br />
Künstlers Helge<br />
BOMBER Steinmann,<br />
Hofheim. Das Motiv<br />
hat seinen Platz in der<br />
Geschäftsstelle von<br />
IMMOEBS e.V.<br />
Foto: Nadja Felber<br />
02 #IMMOzeit
INHALT<br />
04<br />
TITELTHEMA „<strong>KOMPLIZIERT</strong>“<br />
Seit Anfang dieses Jahres ist der Übergang zur Kreislaufwirtschaft ein<br />
weiteres Umweltziel aus der EU-Taxonomie. Die Immobilienbranche ist<br />
darauf nicht vorbereitet. Es gibt Widerstände. Komplikationen. Angst.<br />
Und etliche rechtliche Fragestellungen, die der Klärung bedürfen. Auf<br />
europäischer wie nationaler Ebene. Wohin geht die Reise? Fest steht:<br />
Der Weg ist noch weit, bis sich der zirkuläre Ansatz tatsächlich durchsetzen<br />
wird. Eine aktuelle Bestandsaufnahme zum Thema „Bauen im<br />
Kreislauf“.<br />
09 EDUCATION<br />
Die Klimaveränderung bleibt auch für die Immobilienbranche nicht<br />
ohne Folgen. Wertminderungen oder gar der vollständige Verlust von<br />
Vermögenswerten sind keineswegs mehr nur abstrakte Szenarien. Hannah<br />
Salzberger und Ben Höhn widmen sich in ihrem Fachbeitrag der Fragestellung,<br />
wie wertvoll bestehende Tools dabei sind, physische Klimarisiken<br />
zu quantifizieren?<br />
12 NEW WORK<br />
„Die Sozialisation des Menschen findet in den ersten 20 Lebensjahren<br />
statt“, sagt Prof. Dr. Jutta Rump. Im Gespräch mit der #IMMOZEIT<br />
erläutert sie, was das für das Zusammenspiel der Generationen im Arbeitsleben<br />
bedeutet. Zwar sind alle Generationen leistungsbereit, doch jede hat<br />
ihre eigenen Werte. Und diese Unterschiede haben Konfliktpotenziale<br />
in sich.<br />
16 SCHULTERBLICK<br />
IMMOEBS e.V. ist das größte und facettenreichste Alumni-Netzwerk<br />
der Immobilienwirtschaft in Deutschland. Nicht alle Mitglieder kennen<br />
sich untereinander. Das kann sich ändern. Mitglieder können sich jetzt<br />
über die Schulter blicken lassen und sich persönlich vorstellen. Mathias<br />
Virchow macht den Anfang.<br />
18 KÖPFE<br />
Nachdem die Mitglieder von IMMOEBS im Sommer den neuen Vorstand<br />
gewählt hatten, verging nicht viel Zeit: Anfang August kam das siebenköpfige<br />
Team im Rahmen eines Workshops zusammen. Dabei ging es um<br />
strategische Weichenstellungen für das Netzwerk, aber auch um den Teamspirit<br />
und die Frage, wie sich die vielen Aufgaben auf die vielen Schultern<br />
verteilen.<br />
20 EXPO-SCHNAPPSCHÜSSE<br />
Es ist eine schöne Tradition, dass sich die IMMOEBSler am ersten Messetag<br />
am Stand der Berlin Hyp, ein langjähriges Fördermitglied des Netzwerkes,<br />
zu einem Get-together treffen. Stimmen, Themen und Eindrücke von einer<br />
Messe, die in diesem Jahr unter anderen Vorzeichen stand.<br />
22 START-UP-CORNER<br />
In dieser Ausgabe beschreiben mit Urbanistic GmbH und TORVIK<br />
GRUEN gleich zwei Start-ups ihren Weg, ein Unternehmen zu gründen.<br />
Ein gutes Netzwerk, Familie und Freunde sind über alle Phasen hinweg<br />
wichtige Wegbegleiter.<br />
27 AUSBLICK | IMPRESSUM<br />
#IMMOzeit 03
TITELTHEMA<br />
Die Idee klingt bestechend: Statt Baumaterialien und -elemente nach<br />
dem Abbruch eines Gebäudes in die Deponie zu überführen, sollen sie<br />
beim Bau neuer Immobilien wiederverwendet werden. Doch Schadstoffe,<br />
Gewährleistungsängste und rechtliche Einschränkungen machen die<br />
Realisierung dieses Ansatzes kompliziert. Und wäre es nicht ohnehin<br />
sinnvoller, Gebäude so zu planen, dass sie möglichst lange stehen bleiben?<br />
Text von Christian Hunziker<br />
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04 #IMMOzeit
TITELTHEMA<br />
D<br />
ie Zeit läuft ab für die Wohnhäuser im Münchner<br />
Stadtteil Ramersdorf. „Aufgrund der Gebäudesubstanz<br />
ist eine Sanierung der Immobilien nicht<br />
möglich“, sagt Rositsa Doneva, Teamleiterin Klimaschutz<br />
der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG, die<br />
in Ramersdorf den Abriss und den anschließenden Bau neuer<br />
Wohnungen vorbereitet. Ein solcher Ersatzneubau ist eigentlich<br />
nichts Außergewöhnliches – aber das Münchner Projekt ist<br />
sehr wohl bemerkenswert. Denn die GWG will in Zusammenarbeit<br />
mit dem Umweltberatungsinstitut EPEA möglichst viele<br />
Materialien und Baustoffe der Wohnhäuser einer Wiederverwertung<br />
zuführen.<br />
„Wir brauchen einen Paradigmenwechsel – weg von der Einwegund<br />
Abfallwirtschaft, hin zur Kreislaufwirtschaft“, sagt Dr.-Ing.<br />
Matthias Heinrich, Experte für Circular Economy bei der zum<br />
Stuttgarter Beratungsunternehmen Drees & Sommer gehörenden<br />
EPEA GmbH. Damit spricht Heinrich ein Thema an, das in<br />
der Immobilienbranche immer intensiver diskutiert wird: das<br />
zirkuläre Bauen. Selbst in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung<br />
hat es das Anliegen geschafft: „Wir werden die Grundlagen<br />
schaffen, den Einsatz grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten<br />
verstärkt betrachten zu können“, halten SPD,<br />
Bündnis 90/Die Grünen und FDP in ihrer Vereinbarung fest.<br />
„Dazu führen wir u. a. einen digitalen Gebäuderessourcenpass<br />
ein. So wollen wir auch im Gebäudebereich zu einer Kreislaufwirtschaft<br />
kommen.“ Und auch die EU-Taxonomie befasst sich<br />
mit dem Thema: Der „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“<br />
ist eines der sechs Umweltziele dieses Regelwerks, das Kriterien<br />
für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten festlegt.<br />
BAUTEILE SOLLEN WIEDERVERWENDET WERDEN<br />
Zentraler Gedanke dieser Kreislaufwirtschaft ist, dass<br />
Bauelemente nach dem Abriss eines Gebäudes nicht auf der<br />
Deponie landen oder als Füllmaterial im Straßenbau eingesetzt<br />
werden, sondern in einem<br />
anderen Gebäude wiederverwendet<br />
werden. Als Beispiel<br />
dafür nennt Rositsa Doneva<br />
von der GWG mit Blick auf<br />
das Münchner Ersatzneubauprojekt<br />
die Fenster: Sofern<br />
diese den aktuellen energetischen<br />
Anforderungen entsprächen,<br />
könnten sie nach<br />
der Sanierung erneut eingesetzt<br />
werden. Eine solche<br />
Wiederverwendung, so argumentieren<br />
die Verfechter des<br />
zirkulären Bauens, spare<br />
nicht nur Ressourcen, sondern<br />
auch Geld.<br />
Doch so überzeugend das auch klingt, so kompliziert ist die<br />
Umsetzung im Detail. Um bei den Fenstern älterer Wohngebäude<br />
zu bleiben: Da sich die energetischen Anforderungen an Fenster<br />
über die Jahre massiv verschärft haben, dürfte es ausgeschlossen<br />
sein, sie in einem Neubau einfach so wieder einzubauen. „Es<br />
ist richtig, dass jahrzehntealte Fenster in der Regel nicht den<br />
energetischen Anforderungen an den Neubau entsprechen“,<br />
räumt Matthias Heinrich von EPEA ein. Das bedeute aber nicht,<br />
dass sie nicht einer neuen Nutzung zugeführt werden könnten.<br />
„Alte Fenster können zum Beispiel für vorgehängte Fassaden<br />
verwendet werden“, sagt Heinrich. „Eine andere Möglichkeit<br />
besteht darin, sie einem Hersteller zu übergeben, der daraus<br />
neue Fenster herstellt.“<br />
Doch es gibt noch weitere Probleme. „In einem Fall ist es uns<br />
nicht gelungen, gut erhaltene historische Dachziegel wiederzuverwenden,<br />
da die Baufirmen aus Gewährleistungsgründen<br />
oder aus Angst, es könnte sonst reinregnen, lieber neue Dachziegel<br />
einbauten“, berichtet Heinrich. Schadstoffe seien ebenfalls<br />
ein Problem. Und dann bereiteten auch noch Verbundwerkstoffe<br />
Sorgen. „Bei Wärmedämmverbundsystemen“, nennt Heinrich<br />
ein Beispiel, „sind zehn bis zwanzig Schichten miteinander verklebt,<br />
die man nie mehr sortenrein trennen kann.“<br />
VORZEIGEPROJEKT IN DER SCHWEIZ<br />
Dass es eine Herausforderung ist, Bauteile schadenfrei<br />
auszubauen, bestätigt Prof. Dr.-Ing. Angèle Tersluisen vom<br />
Fachbereich Architektur der Technischen Universität Kaiserslautern.<br />
Sie berichtet von befreundeten Architekten, die daran<br />
scheiterten, eine Firma zu finden, die bereit war, Betonträger<br />
auszubauen. „Die angefragten Firmen befürchteten Gewährleistungsansprüche“,<br />
erklärt Tersluisen.<br />
Trotz aller Schwierigkeiten sei es aber möglich, alte Bauteile für<br />
die Gebäudehülle zu verwenden, betont die Expertin, die auch<br />
Prokuristin bei der auf zirkuläres Bauen spezialisierten Beratungsgesellschaft<br />
ee concept GmbH ist. Sie verweist dabei auf ein Vorzeigebeispiel<br />
des zirkulären Bauens, nämlich den Kopfbau der<br />
Halle 118 (K.118) im schweizerischen Winterthur. Dort plante<br />
das Basler Baubüro in situ AG ein Gebäude, das weitgehend aus<br />
älteren, aus Rückbauten gewonnenen Bauteilen besteht.<br />
Prof. Dr.-Ing. Angèle Tersluisen<br />
von der Technischen Universität<br />
Kaiserslautern weist darauf hin, dass<br />
zirkuläres Bauen früher<br />
selbstverständlich war.<br />
Ein ähnliches Vorhaben im Süden Deutschlands ließ sich hingegen<br />
nicht realisieren. Geplant war, im Rahmen des vom Bundesinstitut<br />
für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) geförderten<br />
Forschungsprojekts RE-USE einen Ausstellungspavillon zu<br />
errichten, der zu hundert Prozent aus Rückbaukomponenten<br />
und Bauabfällen aus dem Landkreis Konstanz bestehen sollte. <br />
Foto: ee concept GmbH<br />
#IMMOzeit 05
TITELTHEMA<br />
Was ist zirkuläres Bauen?<br />
Zirkuläres Bauen bedeutet, sich mit dem<br />
Erhalt, der Aufwertung und der Aktivierung<br />
des Gebäudebestands auseinanderzusetzen<br />
und diesen als wertvolle Materialquelle<br />
wahrzunehmen. Es geht also darum, vorhandene<br />
Materialien und geschaffene<br />
Werte zu nutzen. Darüber hinaus verfolgt<br />
das zirkuläre Bauen das Ziel, Baustoffe<br />
langfristig zu nutzen und in geschlossenen<br />
Kreisläufen wiederzuverwenden, sodass<br />
über den gesamten Lebenszyklus kein Abfall<br />
entsteht.<br />
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB)<br />
Eine Erkenntnis aus dem Projekt war laut dem von der Hochschule<br />
Konstanz (Fakultät Architektur und Gestaltung) verfassten<br />
Abschlussbericht, „dass in den besichtigten Abbruchgebäuden<br />
jeweils nur ein Bruchteil der vorhandenen Bauteile für eine<br />
Wiederverwendung (…) infrage kam“.<br />
Außerdem zeigte es sich, dass gerade Bauteile, die aufgrund ihrer<br />
guten Bearbeitbarkeit eigentlich für eine Wiederverwendung<br />
prädestiniert waren, wegen Schadstoffbelastung aussortiert<br />
werden mussten. Ferner fehlen dem Bericht zufolge auf Bundesebene<br />
spezielle Regularien in Bezug auf Haftung und Gewährleistung<br />
bei gebrauchten Bauteilen. Das Fazit der Untersuchung<br />
lautet: „Die Hemmnisse, die einer umfangreichen Wiederverwendung<br />
von Bauteilen aus Bestandsgebäuden derzeit im Wege<br />
stehen, werden ohne politische und wirtschaftliche Anreize nur<br />
schwierig zu überwinden sein.“<br />
NOCH GIBT ES VIELE HERAUSFORDERUNGEN<br />
Sicher, man müsse „viel Fleiß in die Planung investieren“,<br />
sagt Architekturprofessorin Angèle Tersluisen mit Blick auf<br />
Projekte, die ganz oder mehrheitlich aus gebrauchten Materialien<br />
errichtet werden. Sie rät deshalb dazu, bei der Wiederverwendung<br />
von Bauteilen nicht unbedingt mit der Gebäudehülle<br />
zu beginnen. „Im Innenbereich ist die Wiederverwendung –<br />
vorausgesetzt, die Bauteile weisen keine Schadstoffe auf – deutlich<br />
einfacher“, erklärt sie. „Trennwände in Büros beispielsweise<br />
müssen zwar Anforderungen an den Schallschutz erfüllen, aber<br />
nicht an den Brandschutz.“<br />
Dass noch ein weiter Weg zurückzulegen ist, bis sich der zirkuläre<br />
Ansatz durchgesetzt haben wird, unterstreicht eine Studie<br />
der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).<br />
Darin untersuchte diese die Marktfähigkeit der im Rahmen der<br />
EU-Taxonomie vorgegebenen Kriterien der Circular Economy<br />
anhand von realen Bauprojekten – und kam zu einem ernüchternden<br />
Ergebnis: Keines der untersuchten Projekte kann<br />
demnach als taxonomiefähig eingestuft werden. Als besonders<br />
schwierig erwies sich die Wiederverwendung von Bauteilen:<br />
Kein einziges Vorhaben erfüllte die von der Taxonomie formulierte<br />
Materialquote, wonach die eingesetzten Baumaterialien<br />
zu mindestens 15 Prozent wiederverwendet, zu 15 Prozent<br />
recycelt und zu 20 Prozent entweder nachwachsend, wiederverwendet<br />
oder recycelt sein müssen.<br />
„Das Ergebnis ist überraschend“, sagt dazu Dr. Christine Lemaitre,<br />
geschäftsführender Vorstand der DGNB. „In Vorträgen, Diskussionen<br />
und in den Medien sprechen derzeit alle über das<br />
zirkuläre Bauen und es entsteht der Eindruck, das Thema sei<br />
in der Branche angekommen. Die Studie zeigt jedoch, dass es in<br />
der gebauten Realität in dieser Dimension nicht vorhanden ist.“<br />
WIE ZIRKULARITÄT KONKRET WIRD<br />
Dennoch gibt es diverse Neubauten, die den Kreislaufgedanken<br />
umzusetzen versuchen. Das 2019 errichtete Bürogebäude<br />
der Triodos Bank im niederländischen Driebergen<br />
beispielsweise ist so konstruiert, dass sich die einzelnen Systeme<br />
leicht trennen und rückbauen lassen. Außerdem kamen beim<br />
Bau Trockenbauwände, Holzbalken und andere Materialien aus<br />
abgebrochenen Gebäuden zum Einsatz. Ein anderes Beispiel:<br />
In Bremerhaven bereitet das Berliner Architekturbüro Partner<br />
und Partner den Bau eines viergeschossigen Gründerzentrums<br />
vor, dessen Name „De tokamen Tiet“ (plattdeutsch: die herankommende<br />
Zeit) Programm ist. „Wir verstehen unseren Neubau<br />
als Materialbank“, sagt Jörg Finkbeiner, geschäftsführender<br />
Architekt bei Partner und Partner. „Baustoffe und Komponenten<br />
werden nicht verbraucht, sondern lediglich für eine bestimmte<br />
Dauer genutzt. Später müssen sie – auf verschiedene Arten –<br />
weiterverwendet werden können.“<br />
Zu vernehmen sind aber auch kritische Stimmen. „Zirkuläres<br />
Bauen gibt es eigentlich nicht“, sagt Michael Halstenberg, Baurechtler<br />
und ehemaliger Abteilungsleiter im Bundesbauministerium.<br />
„Schätzungen zufolge können nur etwa 15 Prozent der<br />
für bauliche Anlagen benötigten Baumaterialien durch wiederverwertete<br />
Materialien gedeckt werden, und das vor allem im<br />
Tiefbau“, sagt Halstenberg, der in der Düsseldorfer Kanzlei<br />
Franßen & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB tätig ist. Eigentlich<br />
müsste das Ziel also lauten, den Anteil der wiederverwerteten<br />
Baumaterialien zu erhöhen, erklärt Halstenberg weiter. Doch<br />
da gebe es einen Zielkonflikt – denn das beste Recycling sei die<br />
Weiternutzung eines Bauwerks.<br />
Neben diesem grundsätzlichen Dilemma lauern laut dem Juristen<br />
auch technische und juristische Fallstricke. So müsse man zwischen<br />
Bauteilen und Rohstoffen unterscheiden. „Rohstoffe wie Kupfer<br />
und Stahl lassen sich relativ einfach wiederverwerten“, stellt er<br />
fest. Bei behandeltem Holz, Kunststoffen und mineralischen<br />
Stoffen sei es deutlich schwieriger. Ein Großteil der Kunststoffe<br />
werde thermisch verwertet, also verbrannt, während mineralische<br />
Stoffe häufig nicht sortenrein seien. „Deshalb kommt es oft zum<br />
Downcycling“, sagt Halstenberg. „Mineralische Stoffe werden<br />
als Gesteinskörnung zum Beispiel für den Straßenbau genutzt<br />
und sind damit für den Gebäudebereich verloren.“<br />
Auf rechtlicher Seite muss man laut Halstenberg zwischen Bauprodukten-<br />
und Abfallrecht unterscheiden. „Wenn ein Bauteil<br />
seine erste Verwendung hinter sich hat, wird es laut dem Kreislaufwirtschaftsgesetz<br />
in der Regel zu Abfall“, erläutert er. „Es sinkt<br />
gewissermaßen in die ,Unterwelt´ und muss technisch und rechtlich<br />
aufwendig wieder in die ,Oberwelt´ geholt werden.“ Bei <br />
06 #IMMOzeit
TITELTHEMA<br />
Foto: Partner und Partner Architekten<br />
Das Gründerzentrum „De tokamen Tiet“ in Bremerhaven wird nach den Prinzipien des zirkulären Bauens geplant.<br />
Nach Ansicht von<br />
Dr. Christine Lemaitre,<br />
geschäftsführender Vorstand der Deutschen<br />
Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB),<br />
ist das Thema des<br />
zirkulären Bauens in<br />
der Branche noch nicht<br />
wirklich angekommen.<br />
Foto: DGNB<br />
#IMMOzeit 07
TITELTHEMA<br />
Leuchtturmprojekten sei es zwar<br />
tatsächlich gelungen, alte Bauteile<br />
wiederzuverwerten, räumt<br />
der Experte ein. Aber das sind in<br />
seinen Augen „Einzelfälle, die dem<br />
zirkulären Bauen nicht wirklich<br />
helfen“.<br />
HOFFEN AUF DEN GE-<br />
BÄUDERESSOURCENPASS<br />
Michael Halstenberg,<br />
Rechtsanwalt in der Kanzlei Franßen & Nusser<br />
Rechtsanwälte PartGmbB, plädiert für eine<br />
möglichst lange Nutzungsdauer<br />
von Gebäuden.<br />
Zumindest einen Teil dieser<br />
Probleme hoffen die Anhänger des<br />
zirkulären Bauens mit dem Gebäuderessourcenpass<br />
zu lösen, wie<br />
er im Koalitionsvertrag der Bundesregierung erwähnt wird. Ein<br />
solcher Pass sei „die Basis dafür, kreislauffähig zu bauen“, sagt<br />
Matthias Heinrich vom Beratungsunternehmen EPEA. Die<br />
Grundidee ist dabei, dass ein solcher Pass Transparenz schafft<br />
über die wichtigsten Eigenschaften von Baumaterialien. Auf das<br />
zirkuläre Bauen spezialisierte Unternehmen wie Concular und<br />
Madaster bieten in Zusammenarbeit mit der DGNB solche Gebäuderessourcenpässe<br />
an.<br />
Verdikt „nicht sanierungsfähig“: Diese Wohngebäude der GWG München in München-<br />
Ramersdorf sollen abgerissen werden. Möglichst viele Bauteile sollen aber anschließend<br />
wiederverwendet werden.<br />
Michael Halstenberg hingegen hält dieses Thema für überschätzt<br />
und begründet dies so: „Ein solcher Ressourcenpass hilft aktuell<br />
und auch in näherer Zukunft nicht weiter, weil ein Gebäude ja<br />
möglichst erst in hundert Jahren abgerissen werden soll. Dann<br />
sagt der Pass nur noch etwas über die Baumaterialien aus, nicht<br />
aber über die Beschaffenheit der Bauteile.“<br />
GEBÄUDE MÖGLICHST LANGE NUTZEN<br />
Entscheidend sei es hingegen, betont der ehemalige Ministerialdirektor,<br />
die Baumaterialien möglichst lange zu nutzen. „Das<br />
bedeutet: Man sollte sich auf das Wesentliche des Gebäudenutzens<br />
konzentrieren und möglichst einfach, aber mit hoher,<br />
das heißt robuster Qualität bauen“, sagt Halstenberg. Bestes<br />
Beispiel dafür seien die Gründerzeitgebäude, die auch heute<br />
noch, nach rund 130 Jahren, für vielfältige Verwendungszwecke<br />
genutzt würden. Ganz ähnlich sieht das Dr. Christine Lemaitre<br />
von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB):<br />
„Wenn wir über Kreislaufwirtschaft sprechen, sollte uns als<br />
Erstes der Erhalt von Bestand in den Sinn kommen und nicht<br />
der Bau eines potenziell in vielen Jahren rückbaubaren Neubaus“,<br />
betont sie.<br />
Nicht alle Gebäude könnten erhalten werden, entgegnet Matthias<br />
Heinrich von EPEA. Die eingangs erwähnte Wohnanlage der<br />
GWG München etwa weise niedrige Decken,<br />
schlechte Grundrisse und mangelnden Schallschutz<br />
auf, weshalb eine Sanierung nicht sinnvoll<br />
sei. Und selbst bei Gebäuden mit langer Lebensdauer,<br />
ergänzt Angèle Tersluisen von der Universität<br />
Kaiserslautern, müssten immer wieder<br />
einzelne Bauelemente ersetzt werden.<br />
Doch auch Tersluisen ist der Meinung, dass es<br />
zunächst wichtig ist, nutzungsneutrale Gebäude<br />
mit langer Lebensdauer zu entwickeln. Recycling<br />
sollte nach ihren Worten nur dort zum Zuge<br />
kommen, wo es nicht möglich ist, Bauteile als<br />
Foto: Drees & Sommer<br />
Ganzes wiederzuverwenden. Dabei lohne sich<br />
„ein Blick in den Rückspiegel der Baugeschichte“,<br />
sagt die Architektin: „Vieles, was wir heute als<br />
zukunftsfähig diskutieren, war früher selbstverständlich.<br />
Wenn in der Vergangenheit zum<br />
Beispiel ein Fachwerkhaus abgerissen wurde,<br />
so wurden die Balken selbstverständlich wiederverwendet.<br />
Aber in den letzten hundert Jahren haben wir uns<br />
Probleme geschaffen, die wir jetzt lösen müssen.“<br />
Der Autor<br />
Als Christian Hunziker vor längerer Zeit seine<br />
Wohnung sanierte, suchte er bei Händlern alter<br />
Bauteile nach einer passenden Altbautür für einen<br />
neu geschaffenen Wanddurchbruch. Fündig wurde<br />
er damals zwar nicht, doch seither weiß er, dass<br />
die Wiederverwendung alter Bauteile (in diesem<br />
Fall von abgerissenen Gründerzeithäusern) eine<br />
lange Tradition hat. Hunziker berichtet seit einem<br />
Vierteljahrhundert als freier Journalist über verschiedenste Aspekte des<br />
Immobilienmarkts, wobei er unter anderem für die Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung und diverse Fachzeitschriften schreibt. Außerdem moderiert er<br />
immobilienwirtschaftliche Fachveranstaltungen.<br />
Foto: www.fotostudio-neukoelln.de<br />
Foto: Michael Halstenberg<br />
08 #IMMOzeit
EDUCATION<br />
QUANTIFIZIERUNG<br />
PHYSISCHER KLIMARISIKEN<br />
WIE WERTVOLL SIND DIE BESTEHENDEN TOOLS?<br />
Foto: Frederick Doerschem – istockphoto<br />
Text von Hannah Salzberger, Ben Höhn<br />
HERAUSFORDERUNGEN IM KLIMASCHUTZ<br />
Seit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens<br />
im Dezember 2015 hat die Bedeutung von transitorischen Klimarisiken<br />
zugenommen. Der Immobiliensektor ist in hohem<br />
Maße anfällig für die Folgen des Klimawandels, daher sind<br />
genaue Risikobewertungen wichtig (Holtermans et al., 2023).<br />
Diese Risiken, die insbesondere Vermögenswerte in der Immobilienbranche<br />
betreffen, könnten zu langfristigen Wertminderungen<br />
oder sogar zum vollständigen Verlust dieser<br />
Vermögenswerte führen, insbesondere wenn Abgaben auf hohe<br />
CO2-Emissionen für die Gebäudenutzung eingeführt werden.<br />
Diese Risiken erlangen derzeit mehr Aufmerksamkeit als physische<br />
Klimarisiken. Obwohl Letztere perspektivisch schwerer<br />
wiegen könnten, befinden wir uns bis jetzt noch auf einem<br />
Erwärmungspfad, der bei ausbleibenden Maßnahmen bis zum<br />
Jahrhundertende eine Erwärmung um 4,1 bis 4,8 Grad Celsius<br />
möglich erscheinen lässt. Dies würde zu einem Anstieg des<br />
Meeresspiegels um mehr als einen Meter und zu einer erheblichen<br />
Frequenzsteigerung von Extremwetterereignissen führen,<br />
die viele Regionen der Welt unbewohnbar machen könnten. <br />
Transitorische versus physische Klimarisiken (Abbildung 1)<br />
Emissionen von fossilen Brennstoffen und<br />
Veränderungen in der Landnutzung (GtCO2/yr)<br />
Daten: SSP Database (IIASA)/GCP<br />
Quelle: Linton (2019)<br />
140<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Szenario-Gruppen<br />
Baseline (3 – 5,1 °C)<br />
6,0 W/m² (3,2 – 3,3 °C)<br />
4,5 W/m² (2,5 – 2,7 °C)<br />
3,4 W/m² (2,1 – 2,3 °C)<br />
2,6 W/m² (1,7 – 1,8 °C)<br />
–25<br />
1980 2000 2020 2040 2060 2080 2100<br />
< 6 °C<br />
< 5 °C<br />
< 4 °C<br />
< 3 °C<br />
< 2 °C<br />
PHYSISCHE Risikoquellen<br />
TRANSITORISCHE Risikoquellen<br />
#IMMOzeit 09
EDUCATION<br />
Auf politischer Ebene wurde die Bedeutung physischer Klimarisiken<br />
anerkannt und durch die Einführung der CSRD (Corporate<br />
Sustainability Reporting Directive) gestärkt. Danach<br />
müssen ab Januar 2024 schrittweise mehr europäische Unternehmen<br />
ihre physischen Klimarisiken offenlegen und die europäischen<br />
Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
(European Sustainability Reporting Standards – ESRS) implementieren<br />
(Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2022).<br />
Stufenweise Einführung der CSRD/ESRS (Abbildung 2)<br />
ESRS E1<br />
Climate Change<br />
01/2024: Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitern<br />
01/2025: Alle anderen großen Unternehmen gemäß dem Handelsrecht<br />
01/2026: Kapitalmarktorientierte SMEs<br />
01/2028: Nicht-EU-Unternehmen mit innerhalb der EU tätigen<br />
Tochtergesellschaften oder Niederlassungen<br />
Quelle: eigene Darstellung (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2022)<br />
QUANTIFIZIERUNG PHYSISCHER KLIMARISIKEN<br />
Der Offenlegung muss jedoch die Quantifizierung dieser<br />
physischen Klimarisiken vorausgehen. Theoretisch erfolgt diese<br />
aus dem Produkt von Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses und<br />
den damit verbundenen Konsequenzen, unter Zuhilfenahme<br />
sogenannter Funktionen für Hazard (Gefahr), Vulnerability<br />
(Verwundbarkeit) und Exposure (Exposition). Die physische<br />
Intensität eines Ereignisses, beispielsweise eines Sturms, wird<br />
dabei aus (auf Klimamodellen basierenden) Hazard-Funktionen<br />
abgeleitet. Die Vulnerabilität, die tatsächliche Verwundbarkeit<br />
eines Systems, bildet die Auswirkungen dieses Ereignisses beispielsweise<br />
auf den Gebäudebestand in einer Region ab und<br />
die Exposition kennzeichnet den Wert ebendieses Gebäudebestands<br />
(Dawkins et al. 2023). Die Exposition sowie die Vulnerabilität<br />
werden dagegen auf Basis von Versicherungsdaten<br />
geschätzt. Diese Aufgabe erfordert Fachwissen, Zeit und Ressourcen,<br />
weshalb viele Unternehmen auf spezialisierte Tools zur<br />
Unterstützung zurückgreifen.<br />
Quantifizierung physischer Klimarisiken (Abbildung 3)<br />
Risiko (= Wahrscheinlichkeit des Events) x Konsequenzen | Konsequenzen = F (Hazard-Intensität, Exposition, Vulnerabilität)<br />
ORTSBASIERT ASSETBASIERT<br />
Basiert auf<br />
Klimamodellen<br />
Hazard-Funktion<br />
X<br />
Vulnerabilitätsfunktion<br />
Exposition<br />
Basiert auf Versicherungsdaten<br />
Quelle: eigene Darstellung (Dawkins et al., 2023)<br />
Risikobestimmung<br />
Erwarteter Verlust (Euro/Jahr)<br />
TOOLS ZUR QUANTIFIZIERUNG PHYSISCHER<br />
KLIMARISIKEN<br />
Unterdessen gibt es eine große Anzahl von Tool-Anbietern,<br />
die sich in ihrem geografischen Fokus und der Bandbreite<br />
der von ihnen berücksichtigten Gefahren unterscheiden, und<br />
gerade diese Vielzahl und Unterschiedlichkeit macht es Unternehmen<br />
schwer, das für ihre konkreten Bedarfe bestmögliche<br />
Tool auszuwählen, denn die Vergleichbarkeit wird noch durch<br />
ein geringes Maß an Transparenz und ein erforderliches hohes<br />
Maß an Expertise erschwert.<br />
In einer aktuellen Studie werden diese wichtigsten Tools nach<br />
Maßgabe vor allem der Kriterien Datenqualität, Geografie, Methodik,<br />
Aktualität, Output, Nutzererfahrung und Support verglichen<br />
und es wird versucht, die Variabilität der Ergebnisse<br />
der Tools zu erklären. Nach ersten Auswertungen der qualitativen<br />
Informationen ergeben sich bereits wichtige Erkenntnisse.<br />
10 #IMMOzeit
EDUCATION<br />
Erstens: konzernzugehörige Anbieter gewährleisten oft unzureichende<br />
Transparenz, insbesondere in Bezug auf Berechnungsmethoden<br />
sowie Datenquellen, nutzen einheitlich globale Daten<br />
und variieren in der Zuversicht ihrer Vorhersagen. 1 Zweitens:<br />
Tool-Anbieter mit einem Konzernhintergrund stellen oft<br />
Overlay-Tools, die auf der Methodik und Datenbasis anderer<br />
bestehender Tools basieren, bereit und forcieren Benutzerfreundlichkeit<br />
sowie eine intuitive Benutzeroberfläche. Drittens: Nicht<br />
alle Instrumente sind in der Lage, das monetäre Risiko für<br />
Immobilien zu quantifizieren, und bieten stattdessen Hazard-<br />
Scores als Näherung. Viertens: Befragte Nutzer haben häufig<br />
nur ein geringes Verständnis und wenig Interesse am Quantifizierungsprozess,<br />
auch weil sie sich von der Unübersichtlichkeit<br />
des Marktes verunsichert fühlen. Oft werden die Tools lediglich<br />
zur Erfüllung regulatorischer Anforderungen verwendet, ohne<br />
dass eine umfassende Qualitätskontrolle stattfindet. Fünftens:<br />
Die Implikationen physischer Risiken werden oft nicht aktiv<br />
gemanagt und gelten aufgrund ihrer Versicherungsdeckung als<br />
weniger wichtig. Insgesamt zeigt sich, dass es vielen Akteuren<br />
in der Immobilienwirtschaft noch an grundlegendem Verständnis<br />
bezüglich der physischen Risiken und der damit verbundenen<br />
Implikationen für ihre Portfolios mangelt. Damit könnte ihnen<br />
langfristig eine strategische Handlungsoption fehlen.<br />
FAZIT<br />
Zusammenfassend zeigen die Auswertungen, dass nicht<br />
alle physischen Klimarisiken gleichermaßen zuverlässig quantifiziert<br />
werden können und dass ein dringender Bedarf an erhöhter<br />
Transparenz seitens der Hauptanbieter von quantitativen Tools<br />
besteht. Eine Verbesserung der Qualitätsstandards bei der Risikoquantifizierung<br />
ist unerlässlich, um fundierte finanzielle Entscheidungen<br />
zu ermöglichen. Marktteilnehmer sollten in der<br />
Lage sein, die zugrunde liegenden Annahmen sowie Grenzen<br />
der Tools zu verstehen, um das Risiko effektiv managen zu können.<br />
Regulierungsbehörden könnten durch stärkere Normenvorgaben<br />
für die Berichterstattung über physische Klimarisiken eine stärkere<br />
Harmonisierung und damit einen intensiveren Wettbewerb der<br />
Anbieter ermöglichen. Dies würde auch den inhaltlichen Zugang<br />
der Marktteilnehmer erleichtern.<br />
In einem nächsten Schritt wird versucht, für ein synthetisches<br />
europäisches Portfolio aus rund 400 Objekten die Unterschiedlichkeit<br />
der Tools und ihre Risikobewertung für dieses Portfolio<br />
zu quantifizieren. Dies dürfte zusätzliche Informationen dahin<br />
gehend liefern, welche Qualitätsanforderungen an Tool-Anbieter<br />
zu stellen sind und wie Immobilienunternehmen bei ihrer eigenen<br />
Auswahl eines geeigneten Tools vorgehen könnten.<br />
WEITERBILDEN FÜR MEHR NACHHALTIGKEIT<br />
Mit dem Weiterbildungs-Dreiklang der IREBS Immobilienakademie,<br />
bestehend aus dem ESG-Update, dem ESG-Seminar<br />
und dem Studiengang Sustainable Real Estate Management,<br />
bieten wir Ihnen die perfekte Grundlage dafür, nachhaltige<br />
Immobilienprojekte erfolgreich zu gestalten und stets am Puls<br />
einer sich schnell ändernden Zeit zu bleiben.<br />
Das ESG-Update ist der ideale Einstiegspunkt, um Ihr Wissen<br />
über Umwelt, Soziales und Governance (ESG) in der Immobilienwirtschaft<br />
zu vertiefen. Denn nichts ist so stetig wie der<br />
Wandel – das gilt in diesen Tagen umso mehr für Debatten und<br />
Entwicklungen rund um drei Buchstaben: ESG. Mit dem ESG-<br />
Update wird genau diesem Wandel Rechnung getragen, denn es<br />
flankiert flexibel den Studiengang Sustainable Real Estate Management<br />
und das ESG-Seminar. (https://bit.ly/43Nz4Ii)<br />
Das ESG-Seminar geht einen Schritt weiter und bietet Ihnen vertiefte<br />
Einblicke in die praktische Umsetzung von ESG-Konzepten<br />
in Immobilienprojekten. Wo ist ESG in der Wertschöpfungskette<br />
relevant und was bedeuten die Begriffe „Graue Energie“,<br />
„EU-Sozialtaxonomie“, „Green Governance“ oder „Carbon<br />
Accounting“? Darüber hinaus werden Regularien auf nationaler,<br />
europäischer und internationaler Ebene erörtert und ihre Implikationen<br />
für die Branche veranschaulicht. (https://bit.ly/3PritEh)<br />
Wenn Sie sich den Herausforderungen der Zeit stellen und sich<br />
zu einer Expertin bzw. einem Experten entwickeln möchten,<br />
ist unser Studiengang Sustainable Real Estate Management<br />
die perfekte Wahl. Das Studium bietet nicht nur regulatorische,<br />
finanzwirtschaftliche und technische Fachkenntnisse, sondern<br />
gibt auch das notwendige Rüstzeug an die Hand, um Strategien<br />
für den Umbau der Immobilienunternehmen zu konzipieren<br />
und den Wandel zu managen. Dieses umfassende Programm<br />
vermittelt Ihnen nicht nur ein tiefgreifendes Verständnis für<br />
Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche, sondern auch die<br />
Fähigkeiten dazu, nachhaltige Projekte zu planen, umzusetzen<br />
und zu verwalten. Unsere hochkarätigen und praxiserprobten<br />
Expertinnen und Experten sind führende Köpfe in diesem Bereich<br />
und bringen Ihnen praxisnahe Einblicke und Fachwissen näher.<br />
(https://bit.ly/3WVzR70)<br />
Die Autoren<br />
Hannah Salzberger wuchs in der Münchner Au<br />
auf, erlangte 2019 ihren B.Sc. der Betriebswirtschaftslehre<br />
an der Universität Regensburg und<br />
setzte dort ihr Studium im Bereich M.Sc. der Immobilienwirtschaft<br />
fort. Dabei lag ihr Fokus auf<br />
Regionalökonomie und Immobilienentwicklung/-<br />
management. Sie war jeweils ein Jahr am Lehrstuhl<br />
für Immobilienökonomie sowie an der Professur<br />
für Handelsimmobilien tätig. Seit April 2023 ist sie als wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Immobilienwirtschaft tätig und wurde im<br />
Januar 2023 zur stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des IRE|BS Core<br />
e.V. gewählt, für den sie seit Beginn ihres Masterstudiums ehrenamtlich<br />
im Einsatz war. Des Weiteren ist sie seit Oktober 2023 als stellvertretende<br />
Gleichstellungsbeauftragte für Kunst und Wissenschaft der Fakultät für<br />
Wirtschaftswissenschaften an der Universität Regensburg tätig.<br />
Ben Höhn absolvierte sein Bachelorstudium der<br />
Betriebswirtschaftslehre an der RWTH in Aachen<br />
und studierte im Auslandssemester an der Sungkyunkwan<br />
University (SKKU) in Südkorea. Im Anschluss<br />
schloss er den M.Sc.RE in Immobilienwirtschaft<br />
mit den Schwerpunkten Immobilienmanagement<br />
und -entwicklung sowie Immobilieninvestition<br />
und -finanzierung an der International Real Estate<br />
Business School (IRE|BS) ab. Wertvolle praktische Erfahrungen sammelte<br />
er durch Praktika in den Bereichen Projektentwicklung und Erschließung<br />
sowie durch seine Werkstudententätigkeit in der Projektentwicklung und<br />
-steuerung bei der Volker Barth Consult GmbH in Kaiserslautern. Seit Oktober<br />
2022 ist Ben Höhn als wissenschaftlicher Mitarbeiter am von Prof. Dr. Sven<br />
Bienert geleiteten Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft<br />
am IRE|BS Institut für Immobilienwirtschaft, an der Universität Regensburg<br />
tätig.<br />
Foto: Andreas Fuchs<br />
Foto: Mathias Eckel<br />
1<br />
Während einige glauben, Überschwemmungen sehr zuverlässig prognostizieren zu können, erklären andere Fluten als kaum vorhersagbar.<br />
#IMMOzeit 11
NEW WORK<br />
Foto: Serge Randall – istockphoto<br />
„Die<br />
Diskussion<br />
um die<br />
Viertagewoche<br />
ist volkswirtschaftlich<br />
fatal“<br />
Das Begriffspaar „New Work“ ist in aller Munde, wird nicht selten mit Start-ups in<br />
Verbindung gebracht und lässt zugleich noch viel Raum für Interpretationen. Bei der<br />
Umsetzung der neuen Arbeitsideen ist der Generationenkonflikt vorprogrammiert.<br />
Jutta Rump, Hochschulprofessorin und Arbeitsweltforscherin, sagt: „Wir müssen<br />
lernen, das Thema Work-Life-Balance anders einzuordnen.“ Diese sei in der schnelllebigen<br />
Arbeitswelt von heute essenziell für den Erhalt der Arbeitskraft. Gefordert ist<br />
dabei auch die Immobilienwirtschaft.<br />
Die Fragen stellte Susanne Stauß<br />
12 #IMMOzeit
NEW WORK<br />
Frau Rump, was ist das größte Missverständnis zwischen<br />
der Generation der um die 60-jährigen Babyboomer<br />
und den Generationen Y und Z, die für die Altersklassen<br />
vom Berufseinsteiger bis zum 38-Jährigen stehen?<br />
Das eine große Missverständnis gibt es nicht, es sind vielmehr<br />
zahlreiche, sich summierende Unterschiede, die ihren<br />
Ursprung in der Sozialisation der Menschen haben. Die Sozialisation<br />
findet in den ersten 20 Lebensjahren statt und jeder trägt<br />
sie sein ganzes Leben lang mit sich herum. Die Babyboomer-<br />
Generation, der wir beide angehören, ist in einer Zeit des wirtschaftlichen<br />
Aufschwungs geboren, aber auch in einer Zeit, in<br />
der es angesichts der Masse an jungen Menschen schwierig war,<br />
einen Job zu finden. Wir mussten uns immer anstrengen, um<br />
etwas zu erreichen. Unsere Leistungsorientierung ist verbunden<br />
mit Pflicht, Disziplin und Fleiß. Außerdem herrschten in unserer<br />
Jugend klare Hierarchien vor, sowohl im Berufsleben als auch<br />
in den Familien. Vor allem in Westdeutschland war der Vater<br />
in der Regel der Hauptverdiener, Mutter und Kinder ordneten<br />
sich seinen Bedürfnissen unter. Babyboomer akzeptieren folglich<br />
Hierarchien.<br />
Die Generation unserer Kinder wuchs in einem liberaleren Umfeld<br />
und in einer multioptionalen Gesellschaft auf. Sie hatte stets<br />
Wahlmöglichkeiten, probierte beispielsweise verschiedene Sportarten<br />
oder Musikinstrumente aus. Zudem sind diese jungen<br />
Menschen schon von zu Hause aus gewohnt, mitsprechen und<br />
mitentscheiden zu können. Und: Sie wissen, dass sie ein knappes<br />
Gut sind.<br />
Wie wirkt sich dieser Unterschied in der Sozialisation auf<br />
die Leistungsbereitschaft der jüngeren Generation aus?<br />
Jüngere zeigen seit Generationen die höchste Leistungsbereitschaft.<br />
Sie basiert bei ihnen aber heute auf anderen Werten<br />
als bei den Älteren. Jüngere arbeiten aus Freude an der Arbeit,<br />
für Perspektiven und Nachvollziehbarkeit. Außerdem erwarten<br />
sie Mitspracherecht und Eigenverantwortung, also eine Führung<br />
in Sinne von Partizipation und Delegation. Für jüngere Mitarbeiter<br />
spielt die Sozialkompetenz einer Führungskraft die größte<br />
Rolle, nicht ihre Hierarchie. Die ältere Generation ist daher der<br />
Meinung, dass die Leistungsbereitschaft der jüngeren in den<br />
Keller geht, aber das ist das größte Missverständnis überhaupt.<br />
Babyboomer reagieren häufig allergisch auf den Begriff<br />
Work-Life-Balance. Ist dieser Anspruch der Jüngeren eine<br />
Anmaßung?<br />
Auf keinen Fall. Wir müssen lernen, das Thema Work-<br />
Life-Balance anders einzuordnen. Es ist wichtig, dass die Jungen<br />
in der Balance bleiben. Die Globalisierung, das Internet, der<br />
Klimawandel, Corona, Kriege: In schnelllebigen Zeiten wie den<br />
heutigen brauchen die Menschen mehr denn je Freiräume zum<br />
Verschnaufen und um Beruf und Familie unter einen Hut zu<br />
bringen. Die Basiswerte der Menschen verändern sich jedoch<br />
nicht. Dazu zählt auch der Wunsch nach Sicherheit, der insbesondere<br />
bei der Generation Z einen Bedeutungszuwachs erfuhr,<br />
da sie in den letzten drei Jahren einer erheblichen Disruption<br />
ausgesetzt war.<br />
Seit der Pandemie ist der Ruf nach neuen Arbeitszeitmodellen<br />
und nach Remote Work lauter geworden.<br />
Wie kann oder muss ich als Arbeitgeber dem gerecht<br />
werden?<br />
Die Zeitsouveränität ist ein wichtiges Thema für die nachfolgenden<br />
Generationen. Zeitmodelle sind eine eigenständige<br />
Währung geworden: flexible Arbeitszeiten, kürzere Arbeitszeiten,<br />
Remote Work. Eine unserer jüngsten Umfragen hat zudem<br />
ergeben, dass 67 Prozent aller Young Professionals den Arbeitgeber<br />
wechseln würden, wenn es, sofern die Tätigkeit es zulässt,<br />
keine mobile Arbeitsplatzmöglichkeit für sie gebe. Wichtig ist es,<br />
mit dem Mitarbeiter über dieses Thema zu sprechen. Weshalb<br />
glaubt er, dass er seine Arbeitszeiten ändern muss? Das muss<br />
ich wissen. Erst dann kann ich antworten und ihm notfalls erklären,<br />
dass die Prozesse, das System oder die Kundenwünsche<br />
damit nicht konform gehen. Ich halte zum Beispiel auch die Diskussion<br />
über die Viertagewoche für volkswirtschaftlich fatal.<br />
Können Sie das bitte erläutern?<br />
Wer heute von der Viertagewoche spricht, geht nicht<br />
von einer Viertagewoche aus, an der jeden Tag 10 Stunden<br />
gearbeitet wird, sondern von viermal acht Stunden. Auf der einen<br />
Seite haben wir nicht genügend Mitarbeiter, auf der anderen<br />
reduzieren wir auch noch die Arbeitskraft derjenigen, die zur<br />
Verfügung stehen. Das ist ein Schneeballsystem. Es macht für <br />
Die Generationenfrage:<br />
WER GEHÖRT IN WELCHES ZEITFENSTER?<br />
Babyboomer: bis 1970 geboren<br />
Generation X: von 1970 bis 1985 geboren<br />
Generation Y: von 1985 bis 2000 geboren<br />
Generation Z: von 2000 bis 2015 geboren<br />
Quelle: Prof. Dr. Jutta Rump<br />
Foto: Simon Wegener | Steffi Burkahrt – Sammelwerk<br />
#IMMOzeit 13
NEW WORK<br />
einen Betrieb vielleicht kurzfristig betriebswirtschaftlich Sinn,<br />
wenn er Mitbewerbern über das Angebot einer Viertagewoche<br />
Mitarbeiter abwerben kann. Wenn aber alle sie einführen, führt<br />
das zum volkswirtschaftlichen Desaster. Das ist ein typischer<br />
Kernkonflikt zwischen Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft.<br />
Welche Lösungen schlagen Sie vor, um das Miteinander<br />
von Babyboomern und den Generationen Z und Y zu<br />
erleichtern?<br />
Die einfachste Lösung ist das Gespräch. Die Babyboomer<br />
müssen verstehen, wie die Generationen Z und Y ticken und<br />
weshalb. Sie sind ein Spiegelbild unserer Sozialisation. Die<br />
effektivste Form des Generationenmanagements ist es, das<br />
gegenseitige Verständnis zu wecken. Zum Beispiel bei einem<br />
Workshop, zu dem externer Input hinzugezogen wird, etwa<br />
durch Podcasts und Videos zum Thema als Intro. Im Mittelpunkt<br />
sollte die Frage stehen: Wo haben wir welche Konflikte<br />
erlebt und welche Lösungen können wir gemeinsam erarbeiten?<br />
Wichtig ist dabei natürlich die Zusammensetzung der Teilnehmer<br />
– eine Mischung aus Jung und Alt.<br />
Kommt es innerhalb des Betriebs zu einem Konflikt der Generationen,<br />
dann sind erfahrene Führungskräfte gefragt, die über<br />
sehr viel Wissen verfügen und moderierend in den Konflikt<br />
eingreifen und beiden Seiten die Augen öffnen können.<br />
Welche Rolle spielt in diesem Konflikt die Generation X,<br />
also die 39- bis 53-Jährigen?<br />
Die Jahrgänge 1970 bis 1985 sind mit einem Bein Babyboomer<br />
und mit dem anderen Bein bereits in der Welt der<br />
Generation Y angekommen. Sie sind die sogenannte Übergangsgeneration.<br />
Sie befinden sich zudem in der Rushhour<br />
des Lebens, stehen voll im Job, machen noch Karriere, haben<br />
oft Kinder und müssen gleichzeitig nach ihren Eltern sehen.<br />
Da sie das größte Verständnis für alle Generationen aufbringen,<br />
sind sie am besten als Führungskräfte geeignet. Allerdings<br />
müssen ihre Vorgesetzten angesichts der vielfältigen Aufgaben,<br />
privat sowie beruflich, besonders darauf achten, dass sich bei<br />
ihnen kein Burn-out einstellt.<br />
Wo sehen Sie als Branchenfremde die Herausforderungen<br />
der New Work im Immobilienbereich?<br />
Wir müssen im Immobilienbereich in den Paradigmenwechsel.<br />
Der Trend zu Remote Work wird bleiben und geht<br />
nicht mit dem Modell der Mikroapartments konform. Was die<br />
Immobilienbranche unter dem Motto New Work heute anbietet,<br />
ist nicht selten vor der Pandemie entworfen worden.<br />
Aber Young Professionals haben keine Lust, sich in 25 Quadratmeter<br />
kleinen Mikroapartments aufzuhalten. Sie brauchen einen<br />
Arbeitsplatz zu Hause, der denjenigen Arbeitsschutzverordnungen<br />
entspricht, die gerade für Heimarbeitsplätze entwickelt<br />
werden. Mit Coworking-Spaces allein ist nicht gedient. Das sieht<br />
man auch daran, dass es bei mehr und mehr jüngeren Menschen<br />
derzeit eine Tendenz in Richtung ländlicher Raum gibt. Darüber<br />
hinaus existiert bereits ein Umkehrtrend in Richtung kleinstädtische<br />
Zentren mit 20.000 bis 100.000 Einwohner.<br />
Dabei möchten die Immobilienentwickler dem Verwaisen<br />
der Großstädte durch Mikroapartments mit Coworking-<br />
Spaces und weiteren Sozialräumen entgegenwirken.<br />
Es gibt zwei Blöcke von jungen Menschen, die einen werden<br />
zunehmend ländliche Gegenden bevorzugen, die anderen sind<br />
eher urban verortet. Aber auch sie brauchen jetzt definitiv mehr<br />
Platz. Immobilienentwickler sollten daher kreativer bei der<br />
Vergrößerung der Wohnflächen sein, beispielsweise durch Aufstockungen<br />
von Gebäuden. Grundsätzlich spricht nichts gegen<br />
einen Coworking-Space in einem Apartmenthaus, aber eher als<br />
Add-on zum abgeschlossenen Arbeitsbereich in der eigenen<br />
Wohnung.<br />
Vielen Dank, Frau Rump, dass Sie sich für uns Zeit genommen<br />
haben.<br />
Foto: Alexander Sell<br />
ZUR PERSON<br />
Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit<br />
Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung<br />
an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen<br />
und Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability<br />
in Ludwigshafen (IBE) – eine wissenschaftliche Einrichtung der Hochschule<br />
für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und Forschungsschwerpunkt<br />
des Landes Rheinland-Pfalz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Trends in<br />
der Arbeitswelt (unter anderem Digitalisierung, Demografie, Diversität,<br />
gesellschaftlicher Wertewandel, technologische Trends, ökonomische<br />
Entwicklungen) und die Konsequenzen für Personalmanagement und Organisationsentwicklung<br />
sowie Führung. In zahlreichen Unternehmen und<br />
Institutionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist Jutta Rump<br />
als Prozessbegleiterin tätig.<br />
www.ibe-ludwigshafen.de<br />
14 #IMMOzeit
CONTENT PARTNER<br />
„Firmen, die New Work<br />
ignorieren, werden in Zukunft<br />
massive Wettbewerbsnachteile<br />
haben.“<br />
Drei Fragen an Martin Kelm, Head of Smart Building<br />
Solutions beim Spezialisten für Immobilienmanagement-<br />
Software Crem Solutions<br />
Wie können Smart Building Solutions bei der Umsetzung<br />
von New-Work-Konzepten helfen?<br />
Martin Kelm: Zunächst sollte man schauen, welche Ziele das Unternehmen<br />
verfolgt, und welche die Mitarbeitenden. Idealerweise<br />
lässt sich beides in Deckung bringen. Unternehmen wollen ihre<br />
Flächen effizienter nutzen, Energiekosten senken, hybrides Arbeiten<br />
implementieren und ihren Mitarbeitenden das Beste bieten.<br />
Tatsächlich wird das Thema New Work heute oft stärker durch die<br />
Personalabteilung getrieben als durch das Facility Management.<br />
Um die besten Köpfe zu finden, ist hybrides Arbeiten ein<br />
Muss.<br />
Die Mitarbeitenden wollen flexibel zwischen Homeoffice und<br />
Präsenz wechseln. Für beides gibt es klare Motivationen – etwa,<br />
weil man sich im Homeoffice besser konzentrieren kann, aber im<br />
Büro den Austausch mit seinen Kollegen sucht. All dies funktioniert<br />
jedoch kaum ohne intelligente Software-Steuerung. Zudem machen<br />
Tools und Kennzahlen das Thema „New Work“ auch fürs Management<br />
greifbarer. Die Geschäftsführung sieht dann auf einen Blick,<br />
dass heute x Mitarbeitende im Büro präsent sind und y Meetings<br />
gebucht wurden.<br />
Sind dafür geeignete Lösungen nicht letztlich für alle<br />
Unternehmen gleich?<br />
Martin Kelm: Keineswegs. Eine zentrale Erkenntnis aus unserem<br />
Beratungsgeschäft ist, dass jedes Unternehmen etwas anders<br />
tickt und die konkreten Anforderungen immer leicht unterschiedlich<br />
sind. Das hat mit Unternehmenskultur, strategischen Fragen,<br />
aber auch dem Gebäude selbst zu tun. Es kommt zum Beispiel<br />
vor, dass in der Theorie erdachte Collaboration Areas von den<br />
Mitarbeitenden einfach nicht angenommen werden. Manche<br />
Tätigkeiten oder auch Personen brauchen einfach ein Einzelbüro<br />
– es ist ja durchaus möglich, sie weiterhin vorzuhalten. Auch eine<br />
Vorausbuchung ist keineswegs zwingend, zumindest ein Teil der<br />
Arbeitsplätze kann auch fest zugeordnet sein. Die Praxis zeigt:<br />
Man weiß am Anfang nie genau, wohin es geht – selten werden<br />
alle Ideen, die beim Projektstart formuliert wurden, am Ende auch<br />
umgesetzt. Allerdings ist ganz klar: Firmen, die diesen Trend<br />
ignorieren, werden in Zukunft massive Wettbewerbsnachteile<br />
haben. Denn talentierte Job-Kandidaten fragen nach, wie hybrides<br />
Arbeiten im Unternehmen organisiert ist. Und sie entscheiden<br />
sich dann für Arbeitgeber, die darauf überzeugende<br />
Antworten haben.<br />
Können Sie weitere erfolgreiche Beispiele aus Ihrer<br />
Smart-Building-Praxis nennen?<br />
Martin Kelm: Arbeitsplätze und Besprechungsräume online<br />
buchen zu können, ist die Basis. Interessant wird es, wenn<br />
clevere Bausteine darauf aufsetzen. So können wir mit Sensoren<br />
beispielsweise anonym erfassen, welche Arbeitsplätze wann und<br />
wie oft genutzt werden. Die Auswertungen helfen bei der<br />
Analyse, ob das Gesamtkonzept aufgeht und welche Flächen<br />
oder Räume gegebenenfalls umgestaltet werden sollten. Das<br />
kann so weit gehen, Teile eines Gebäudes eine Zeit lang in<br />
Winterschlaf zu schicken – was sich dann auch wieder im<br />
Hinblick auf Energiekosten und CO2-Reduktion lohnt. Bewährt<br />
hat sich auch eine Funktion, mit der Mitarbeitende schnell<br />
sehen können, ob befreundete Kollegen im Büro sind und wo<br />
sie sitzen. Denn die Menschen richten ihre Präsenztage nicht<br />
zuletzt danach aus, ob ihre Freunde oder die anderen<br />
Mitglieder ihres Teams vor Ort sind. Noch ein besonders<br />
anschauliches Beispiel: Wir haben den digitalen Grundriss eines<br />
Gebäudes um eine tropische Insel ergänzt. Wer hier einen<br />
Platz belegt, signalisiert damit: Ich bin im Urlaub. Das kam extrem<br />
gut an.<br />
Wenn sich die Mitarbeitenden gut abgeholt fühlen, läuft in der<br />
Praxis vieles runder. Dann wirken die Benefits gleichermaßen für<br />
das Unternehmen und seine Angestellten.<br />
#IMMOzeit 15
SCHULTERBLICK<br />
Das IMMOEBS-Netzwerk zählt an die 3.000 Mitglieder. Es ist das größte und vielfältigste<br />
seiner Art in Deutschland. Nicht alle Mitglieder kennen sich untereinander. Noch nicht.<br />
Mit der Rubrik „Schulterblick“ kann sich das jetzt peu à peu ändern, denn hier besteht<br />
die Möglichkeit, Gesicht zu zeigen und sich anderen Mitgliedern vorzustellen. Mit dem,<br />
was man beruflich macht, in welcher IMMOEBS-Region man verortet ist und welcher<br />
Karrieretipp einen persönlich weitergebracht hat. Mathias Virchow macht den Anfang.<br />
Die Fragen stellte Alexandra May<br />
Foto: privat<br />
16 #IMMOzeit
SCHULTERBLICK<br />
Mathias, in welcher IMMOEBS-Region bist du zu Hause beziehungsweise<br />
bei welchen Regionaltreffen findet man dich?<br />
Hamburg und Frankfurt.<br />
Seit wann bist du IMMOEBS-Mitglied?<br />
Seit 2005.<br />
Warum ist es deiner Erfahrung nach empfehlenswert, Mitglied zu sein?<br />
Die IMMOEBS ist das älteste und größte immobilienspezifische, berufsbezogene<br />
Netzwerk in Deutschland. Beginnend auch darüber hinaus. Mich sprechen<br />
besonders die Weiterbildungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem lebenslangen<br />
Lernen und der fachliche Austausch unter den Mitgliedern an. Ich habe<br />
oftmals erlebt, wie unkompliziert und pragmatisch man sich untereinander hilft.<br />
Was findest du an der Immobilienbranche spannend?<br />
Die Immobilienbranche bietet eine einzigartige Möglichkeit, verschiedene Fachgebiete<br />
und auch zum Teil komplexe Themenbereiche zu beleuchten und stetig<br />
gedanklich weiterzuentwickeln. Klassisches Haus der Immobilienökonomie nach<br />
Prof. Dr. Karl-Werner Schulte eben.<br />
Was war der beste Karrieretipp, den dir jemand mit auf den Weg<br />
gegeben hat?<br />
Sei stets offen für neue Aufgaben und Herausforderungen – umarme den Wandel,<br />
auch den digitalen Wandel. Höre nicht auf, immer wieder Neues zu lernen.<br />
Schau über den Tellerrand und engagiere dich auch außerhalb des reinen Berufslebens.<br />
So unterstütze ich mit großer Freude die PATRIZIA Foundation.<br />
Was verbindest du mit dem Begriff „Marktzyklus“?<br />
Der immobilienwirtschaftliche Marktzyklus zeichnet den Reifegrad einer<br />
Volkswirtschaft, also die Höhe der Refinanzierungszinsen, Baukosten, Kaltmieten,<br />
etc., nach. In Anlehnung an das DiPasquale-Wheaton Model.<br />
BERUFLICHER STECKBRIEF:<br />
Name:<br />
Mathias Virchow<br />
Unternehmen: PATRIZIA SE<br />
Standorte:<br />
Position:<br />
Aufgaben:<br />
Kontakt:<br />
Studium:<br />
Hamburg und Frankfurt<br />
Associate Director<br />
Asset-Operations,<br />
Partner-Management<br />
(International und<br />
Deutschland),<br />
Rahmenverträge, u. a.<br />
Energie, Versicherungen,<br />
und PM-<br />
Ausschreibungen etc.<br />
virma@gmx.de<br />
Immobilienportfoliomanager<br />
(ebs),<br />
Jahrgang 2005<br />
Executive MBA –<br />
International (IREBS),<br />
Jahrgang 2018<br />
Wie erklärst du einem unbekannten Gast auf einer Party, was du<br />
beruflich machst?<br />
Ich wäge aktuelle gesellschaftliche Trends wie zum Beispiel Nachhaltigkeitsaspekte,<br />
ESG-Themen oder auch Fragen zum zukünftigen, modernen Arbeiten/<br />
Leben ab und leite daraus investmentrelevante Handlungsstrategien für die<br />
Immobilienwirtschaft ab, um in der Folge resultierende Dienstleistungsverträge<br />
zu bearbeiten.<br />
Was antwortest du, wenn dich jemand danach trotzdem fragt, ob<br />
du eine günstige Mietwohnung beziehungsweise Immobilie zum Kauf<br />
„beschaffen“ kannst?<br />
Gegenfrage: Zur privaten Nutzung, als Kapitalanlage oder als Teil der Altersvorsorgestrategie?<br />
Ich höre mich gerne auch mal im Netzwerk der IMMOEBS<br />
um.<br />
IMMOEBS ZEIGT GESICHT<br />
!<br />
Mitmachende gesucht<br />
Wer sich in dieser Rubrik ebenfalls einmal<br />
vorstellen und anderen IMMOEBS-Mitgliedern<br />
einen persönlichen Blick über die Schulter<br />
gewähren möchte, kann den Fragebogen mit<br />
dem Stichwort „Schulterblick“ per E-Mail an<br />
may@immoebs.de anfordern.<br />
#IMMOzeit 17
KÖPFE<br />
Die Neuen.<br />
Foto: Sebastian Kläbsch – PHOTOGRAPHER IN THE CREATIVE WORLD<br />
Wurde am 15. Juni 2023 im Rahmen der 33. ordentlichen Mitgliederversammlung gewählt: der Vorstand. Ganz links mit im Bild: Svetlana Gippert, Geschäftsführerin<br />
von IMMOEBS e.V.<br />
Die Neuen? Nicht ganz. Denn im Vorstand gab es keinen kompletten Wechsel. Allen Mitgliedern gemein ist, dass<br />
sie sich schon seit mehreren Jahren ehrenamtlich für das Alumninetzwerk engagieren. Doch der Reihe nach. Im Foto<br />
sind zu sehen (v. l. n. r.): die langjährige Geschäftsführerin Svetlana Gippert. Wieder gewählt wurde Bianca<br />
Bender als Schriftführerin. Ebenso Maria-Theresia Jais als 2. Beisitzerin. Neu in den Vorstand gewählt wurden<br />
Dr. Wolfgang Speckhahn, 2. Vorsitzender, und Bodo Dicke, 3. Beisitzer. Wurde als 1. Beisitzerin im Amt bestätigt:<br />
Lena Brühne. Neu hinzugekommen sind: Franz J.W. Hrabak, der als Schatzmeister die Finanz- und Budgetplanung<br />
im Blick hat, und Christian Schulz-Wulkow, der als 1. Vorsitzender unter anderem die strategische Ausrichtung<br />
verantwortet.<br />
18 #IMMOzeit
KÖPFE<br />
Am 8. August kamen alle Vorstandsmitglieder gut gelaunt<br />
zu einem eintägigen, moderierten Workshop zusammen.<br />
Das Ziel: sich darauf zu verständigen, was<br />
man gemeinsam für IMMOEBS e.V. erreichen möchte.<br />
Denn die Herausforderungen, die<br />
mit der Leitung verbunden sind, sind<br />
enorm: Es geht darum, die strategischen<br />
Weichen für die zukünftige<br />
Entwicklung zu stellen …<br />
… damit das gelingt, müssen die vielfältigen Aufgaben<br />
so verteilt werden, dass sie auch ehrenamtlich<br />
leistbar sind. Im Workshop wurden Ressorts,<br />
Verantwortungsbereiche und Ziele definiert.<br />
Ohne die Geschäftsstelle geht nichts: Alle Fäden laufen<br />
dort zusammen. Das Team von Svetlana leistet den Vorstandsmitgliedern<br />
operativ wertvolle Unterstützung.<br />
Wurde ebenfalls diskutiert:<br />
Was macht eine gute<br />
Zusammenarbeit aus?<br />
Standen auch auf der Agenda: die Potenziale und die<br />
Ressourcen von IMMOEBS e.V.<br />
Die Kurzformel „lenken, steuern, navigieren“ bringt den<br />
Auftrag für das Vorstandsteam kurz und knapp auf den<br />
Punkt. Welches Rollenverständnis dazu erforderlich ist,<br />
war am Ende des Tages allen klar.<br />
Fotos (diese Seite): IMMOEBS e.V.<br />
#IMMOzeit 19
EXPO-SCHNAPPSCHÜSSE<br />
Foto: Messe München<br />
Die EXPO REAL ist eine der wichtigsten Immobilienmessen Europas. Die Organisatoren haben den Anspruch,<br />
in einer Zeit der Umbrüche Orientierung zu geben. Ein umfangreiches begleitendes Konferenzprogramm soll den Teilnehmern<br />
einen Überblick über Entwicklungen, Themen, Innovationen und Lösungen geben. Rund 1.800 Aussteller<br />
aus 36 Ländern haben sich Anfang Oktober in München präsentiert. Über 40.000 Teilnehmer aus 70 Ländern haben<br />
in den insgesamt sieben Messehallen den Austausch und das Gespräch gesucht. Die Stimmung? Durchwachsen. Eine<br />
pauschale Antwort gibt es nicht. Jeder hat seinen ganz eigenen Blick …<br />
„Trotz aktueller Marktlage eine<br />
großartige Messe mit deutlich mehr<br />
Besuchern, als ich persönlich erwartet<br />
hätte. Spürbar mehr Bodenständigkeit,<br />
die Stimmung teilweise<br />
getrübt, teilweise verhalten optimistisch.<br />
Auf alle Fälle scheinen die<br />
Akteure ihre Erwartungshaltung im<br />
Vergleich zum Vorjahr angepasst zu<br />
haben und sie sprechen offen über<br />
die Herausforderungen.“<br />
Maria-Theresia Jais<br />
2. Beisitzerin<br />
OSRAM GmbH<br />
„Nach der EXPO, ist vor der EXPO …,<br />
EXPO REAL 2023 und was im Gedächtnis bleibt?<br />
1. Die von mir befürchtete schlechte Stimmung ist zumeist ausgeblieben, ingesamt war<br />
die Stimmung auch deutlich positiver, als vorher von den meisten prognostiziert.<br />
2. Aber kein Grund für Euphorie und Party. Es waren gute Gespräche, geprägt<br />
von Realität und Offenheit.<br />
3. Jetzt ist die Herausforderung, die Themen zu sortieren und konzentriert abzuarbeiten.<br />
Ich freue mich darauf, auf den Weg und jeden, der diesen Weg mit<br />
uns gehen möchte, und natürlich auf die EXPO REAL 2024.<br />
Think out of the box, mit IMMOEBS und neuen Ideen!”<br />
Bodo Dicke<br />
3. Beisitzer<br />
ENGEL CANESSA Immobilienberatung GmbH & Co. KG<br />
20 #IMMOzeit
EXPO-SCHNAPPSCHÜSSE<br />
+++++++++++++++<br />
SAVE THE DATE!<br />
+++++++++++++++<br />
Die EXPO REAL 2024<br />
findet vom Montag,<br />
7. Oktober, bis einschließlich<br />
Mittwoch,<br />
9. Oktober 2024, statt.<br />
„Gerade in herausfordernden Zeiten<br />
braucht es ein starkes Netzwerk.<br />
Expo-Eindruck:<br />
Zweckoptimismus ist eine andere<br />
Form der Realitätsverweigerung.“<br />
Christian Schulz-Wulkow FRICS<br />
1. Vorsitzender<br />
Blacklake GmbH –<br />
Blacklake Management Partner<br />
„Auf Stephen Hawking geht das Zitat zurück: ,Intelligenz ist die Fähigkeit, sich<br />
dem Wandel anzupassen.‘ Dafür sind Erfahrungen und Wissen ebenso wichtig<br />
wie der offene, ehrliche Austausch untereinander. Die EXPO REAL bot dazu<br />
eine hervorragende Gelegenheit. Die hohe Anzahl der Teilnehmer beim traditionellen<br />
Get-together des IMMOEBS-Netzwerks war jedenfalls der beste<br />
Beleg dafür.“<br />
Dr. Wolfgang Speckhahn LL.M. MRICS<br />
2. Vorsitzender<br />
TME Consulting AG<br />
„Selten ist es möglich, so viele Kontakte in so kurzer<br />
Zeit zu treffen – ob im 1:1-Gespräch oder bei spannenden<br />
Events am Rande der Messe.<br />
Die Gespräche waren deutlich inhaltsgetriebener,<br />
bodenständiger und ehrlicher als in den Jahren zuvor.<br />
Niemand, mit dem ich gesprochen habe, wollte und<br />
konnte die herausfordernden Zeiten unserer Branche<br />
schönreden. Stattdessen wurden Handlungsmöglichkeiten<br />
und Lösungen diskutiert. Diese Herangehensweise<br />
ist richtig und wichtig.<br />
Ein belastbares Netzwerk ist vor allem in herausfordernden<br />
Zeiten fundamental wichtig.“<br />
Lena Brühne<br />
1. Beisitzerin<br />
Art-Invest Real Estate Management GmbH & Co. KG<br />
„Die Messe fand ich diesmal großartig. Es war nicht zu<br />
voll, aber alle wichtigen Entscheidungsträger waren da.<br />
Die Maklerhäuser und Projektentwickler waren frustriert<br />
und man sprach die ganze Zeit von ‚Krise‘, da bei einer<br />
Rezession sich bekanntermaßen in diesen beiden Bereichen<br />
die Spreu vom Weizen trennt.<br />
Die Bestandshalter und Immobilienmanager sehen die<br />
viel zitierte ‚Krise‘ eher als Herausforderung, endlich mal<br />
ihr Können unter Beweis stellen zu können und die Aufmerksamkeit<br />
in der Branche zu bekommen, die sie eigentlich<br />
verdient haben und die ihnen wegen der geringen Margenerzielung<br />
zu Boomzeiten meist verwehrt wurde.“<br />
Bianca Bender<br />
Schriftführerin<br />
TOPAS Property Management GmbH<br />
Fotos (Schnappschüsse): IMMOEBS e.V.<br />
#IMMOzeit 21
START-UP-CORNER<br />
Start-up-Gründer Zulfukar Tosun (oben) und Eric Mathur (rechts)<br />
Fotos: Torvik Gruen<br />
DAS GESCHÄFTSMODELL<br />
TORVIK GRUEN ist ein inhabergeführtes<br />
Unternehmen und kombiniert die<br />
Bereiche Green Prop und Legal Tech.<br />
Das Produkt ist dreistufig:<br />
• Es werden mieterspezifische<br />
Mietvertragsklauseln bereitgestellt,<br />
die durch den Kunden in den<br />
eigenen Mietvertragsstandard<br />
eingearbeitet werden können. Auf<br />
Wunsch wird mit den Mietern über<br />
die Vereinbarung von Green-Lease-<br />
Mietverträgen auch verhandelt.<br />
• Der Impact dieses Mietvertrages wird<br />
in C02-Reduzierung und Energieeinsparung<br />
gemessen, oder auch<br />
im Hinblick auf die EU-Taxonomie-<br />
Ziele und Scope-3-Emissionen.<br />
• Es wird aufgezeigt, wie viele Punkte<br />
der Eigentümer durch diese Green-<br />
Lease-Klauseln bei einer Zertifizierung<br />
z. B. nach DGNB erhalten kann.<br />
TORVIK GRUEN<br />
„Das Feedback<br />
aus dem Netzwerk<br />
hat uns<br />
besser gemacht“<br />
Die Fragen stellte Alexandra May<br />
22 #IMMOzeit
START-UP-CORNER<br />
Es gibt immer wieder Menschen, die Chancen erkennen und ergreifen,<br />
indem sie neue Geschäftsideen entwickeln und diese mit Mut,<br />
Engagement und Leidenschaft zum Erfolg führen. IMMOEBS-Mitglied<br />
Zulfukar Tosun und Eric Mathur haben sich mit ihrem Start-up auf<br />
das Themenfeld „Green Lease“ spezialisiert.<br />
Foto: Choose Art Studios<br />
Zulfukar, du bist Handelsimmobilienökonom und hast<br />
den Sprung gewagt, ein Unternehmen zu gründen. Mit<br />
welcher konkreten Idee?<br />
Wir bieten mietzweckspezifische Green-Lease-Klauseln<br />
mit Impact an. Green-Lease-Klauseln mit Impact sind so gestaltet,<br />
dass ihr Einfluss messbar ist. Außerdem haben wir für<br />
den Residential-Bereich eine grüne Hausordnung entwickelt.<br />
Um die Außenhaut kümmern sich andere, wir kümmern uns<br />
um das, was drinnen passiert.<br />
Wie ist die Idee dazu entstanden?<br />
Ich komme aus dem Commercial-Real-Estate-Leasing.<br />
Eric hat seinen MBA zum Thema Nachhaltigkeit im Einzelhandel<br />
mit Auszeichnung abgeschlossen. Dort ist das Thema<br />
Green Lease während Corona immer präsenter geworden. Nach<br />
vielen Gesprächen mit Mietern wurde klar, dass es eine gewisse<br />
Abneigung gegen Bemühungsklauseln als Green Lease gibt. Das<br />
haben auch viele Bestandshalter und Asset-Manager bestätigt.<br />
Auf der anderen Seite haben wir verstanden, dass Bemühungsklauseln<br />
keinen Wert für Immobilienbesitzer haben, da diese von<br />
Banken oder für Zertifizierungen nicht akzeptiert werden. Wir<br />
haben rund einhundert User-Exploration-Gespräche geführt,<br />
vom Facility-Management über das Asset-Management bis hin<br />
zu Fondsmanagement. Die Frustration war teilweise unüberhörbar.<br />
Unsere Aufgabenstellung lautete daher: Wie bringt man Mieter<br />
dazu Green-Lease-Klauseln zu akzeptieren, und wie kann der<br />
positive Impact dieser Klauseln gemessen und für Finanzierungen<br />
oder Zertifizierungen zum Beispiel nach DGNB genutzt<br />
werden?<br />
Deine Dienstleistung klingt erklärungsbedürftig. Kannst<br />
du mal an einem Beispiel erläutern, wie der Impact beim<br />
Green-Lease-Vertrag gemessen wird bzw. wie Vermieter<br />
diesen verfolgen können?<br />
Nehmen wir als Beispiel mal einen Büromieter. In dem<br />
Office arbeiten vielleicht zehn Menschen. Im Schnitt verbrauchen<br />
diese zehn Mitarbeiter pro Jahr 60.000 Blatt Papier. Wenn der<br />
Mieter sich verpflichtet, seinen Papierverbrauch zu senken, gibt es<br />
weniger Müll. Das spart wiederum Geld, weil das Abfallvolumen<br />
sinkt. Unsere Klauseln geben dem Mieter Tipps, wie er dies erreichen<br />
kann, ohne selbst ein großes Investment zu tätigen.<br />
Wir können anhand von operativen Verbrauchsdaten, die wir<br />
durch unsere KI analysiert haben, z. B. das Müllaufkommen von<br />
Mietern im Bürobereich beziffern. Wir erstellen die Formel,<br />
diese wird in eine Mietvertragsklausel gegossen. Wir berechnen<br />
z. B. die CO2 Einsparung, dann DGNB-Punkte – und wir<br />
können Mietverträge scoren, um zu messen wie grün sie sind.<br />
Wie ist die Nachfrage und wer fragt Green-Lease-Verträge<br />
nach? Sind es eher die Institutionellen ...?<br />
Das Interesse ist hoch. Es sind viele Institutionelle, aber<br />
auch Family-Offices. Der Druck, ESG-konform zu handeln, wird<br />
immer größer und die Bestandsgebäude werden nicht jünger.<br />
Gab es bei der Gründung Hürden und wenn ja, wie gelang<br />
es, diese zu überwinden?<br />
Es hat schon etwas gedauert, bis wir unser Produkt rund<br />
hatten. Die Entwicklungsschritte von Dezember letzten Jahres<br />
bis jetzt sind schon wahnsinnig groß gewesen. Ich denke,<br />
dass Hartnäckigkeit eine wichtige Voraussetzung dafür war, dass<br />
wir nicht alles hingeschmissen haben.<br />
Bei der Registrierung unseres Firmennamens wurde gefragt,<br />
warum wir uns wie die Stadt Torvik in Norwegen nennen. Es<br />
war etwas mühsam, dem Rechtspfleger zu erklären, dass wir uns<br />
nicht nach der Stadt Torvik in Norwegen benannt haben. Unser<br />
Name kommt vom großartigen Erfinder der Einkaufszentren,<br />
Viktor Gruen. Tauscht man die ersten und die letzten drei Buchstaben<br />
miteinander entsteht Torvik Gruen.<br />
Was waren deine persönlichen F*ckups bei der Gründung?<br />
Während unserer Profilschärfung haben wir ein Mitglied<br />
verloren und mussten das aufarbeiten. Es war aber wichtig,<br />
dass diese Person wusste, dass sie absolut ok ist. Nur der Zeitpunkt<br />
war falsch. Wir hoffen aber, in Zukunft wieder zusammenarbeiten<br />
zu können.<br />
Wer oder was hat dir in dieser Situation geholfen?<br />
Unsere Teammitglieder haben die Gabe sich gegenseitig aus<br />
einem Tief zu ziehen. Mir hat ein langer Spaziergang zwischen<br />
Praunheim und Eschborn immer wieder gutgetan.<br />
Welche Ziele hast du dir für dein/euer Unternehmen<br />
gesteckt?<br />
Wir sind in einer Nische des ESG unterwegs. Unser Wissen ist<br />
hoch spezialisiert und nutzt die KI-Technologie. Trotzdem ist der<br />
Baustein Green Lease unverzichtbar, wenn es darum geht, die<br />
Immobilie nach vorne zu bringen. Für die letzten Meter bis zu<br />
einer Zertifizierung nach z. B. DGNB braucht es noch die Punkte<br />
aus den Green-Lease-Mietverträgen. Wer glaubhaft ESG-<br />
Beratung anbieten will, muss diesen Baustein seinen Kunden<br />
anbieten. Daher ist es unser Ziel, eine Kooperation mit anderen<br />
Unternehmen aufzubauen, denen dieser Baustein fehlt.<br />
Aus den Erfahrungen, die ihr gemacht habt:<br />
Was empfiehlst du anderen, die gründen möchten?<br />
<br />
#IMMOzeit 23
START-UP-CORNER<br />
Just do it! Wer diesen Artikel liest, hat ja bereits Zugriff auf<br />
das IMMOEBS-Netzwerk. Ich persönlich habe unglaublich viel<br />
Unterstützung aus unserem Netzwerk erhalten. Dafür bin ich sehr<br />
dankbar. Das Feedback aus dem Netzwerk hat uns besser gemacht.<br />
Wir haben von Anfang an extensiv innerhalb unseres Teams<br />
kommuniziert. Das führte zu sehr fruchtbaren Ergebnissen.<br />
Wie lautet euer bester Rat, den ihr weitergeben möchtet?<br />
Versucht so lange wie möglich, Bootstrapping* zu machen.<br />
Und habt Spaß.<br />
Worin bestehen für euer Unternehmen aktuell die größten<br />
Herausforderungen?<br />
Unsere größte Herausforderung ist, die Waage zwischen<br />
Euphorie und Enttäuschung zu halten. Wir lernen jeden Tag<br />
hinzu. Aktuell ist der Bedarf an Green-Lease-Beratung deutlich<br />
höher, als wir angenommen haben.<br />
Was würde dabei helfen, Gründungen in Deutschland<br />
zu erleichtern?<br />
Natürlich müsste jetzt Digitalisierung genannt werden. Aber ich<br />
denke, dass wir schon in den Schulen stärker Finanzwissen vermitteln<br />
müssen. Eine Firma zu gründen ist mehr oder weniger,<br />
einfach. Eine Firma am Leben zu halten und vielleicht sogar<br />
an die nächste Generation zu übergeben, das ist schwieriger.<br />
DER GRÜNDERSTECKBRIEF<br />
Zulfukar Tosun<br />
Zulfukar ist Green-Lease-Experte für der gewerblichen<br />
Immobilienbereich, geschäftsführender<br />
Gesellschafter von Torvik Gruen und seit 2021<br />
IMMOEBS-Mitglied. Er hatte bei nationalen<br />
und internationalen Unternehmen verschiedene<br />
Head- und Senior-Positionen im Commercial<br />
Letting inne. Er ist DGNB-zertifizierter ESG-<br />
Manager. Zulfukar verantwortet den Bereich<br />
Akquise und Business-Development.<br />
Eric Mathur<br />
Eric ist ein vielseitig erfahrener Experte im<br />
Bereich Nachhaltigkeit im Einzelhandel und<br />
Gesellschafter von Torvik Gruen. Seine MBA-<br />
Abschlussarbeit wurde von der Universität des<br />
Saarlandes als beste Arbeit des Jahrgangs<br />
ausgezeichnet. Mit einem internationalen<br />
Hintergrund, da er sowohl in Asien als auch<br />
in Australien gelebt hat, behält er stets die<br />
neuesten Trends im Bereich Nachhaltigkeit im<br />
Auge. Eric verantwortet den Bereich Finanzen<br />
und Unternehmensführung.<br />
URBANISTIC<br />
„Wir haben<br />
zeitweise sieben<br />
Tage die Woche<br />
gearbeitet“<br />
Wie ist die Idee entstanden, zu gründen?<br />
Die Wurzeln unserer Gründung liegen in der TU München,<br />
denn Nils und Michael, die anderen beiden Mitgründer von<br />
Urbanistic, haben hier jahrelang an Stadtmodellen geforscht.<br />
Ich war zu dem Zeitpunkt Projektentwickler bei einem großen<br />
Wohnungsunternehmen. Meine Aufgabe war es, den Bestand<br />
weiterzuentwickeln, zu ergänzen sowie Ankäufe zu prüfen. Das<br />
alles sehr analog und nicht sehr zeitgemäß: mit Lineal und Stift<br />
auf ausgedruckten Flurkarten. Wenn man bedenkt, dass auf<br />
diesen Grundlagen Entscheidungen für millionenschwere Projekte<br />
getroffen werden … Durch einen Zufall bekam ich mit, woran<br />
Nils und Michael arbeiteten, und merkte, dass die beiden die<br />
Lösung meiner Probleme hatten: sehr schnell, einfach und genau<br />
Machbarkeitsstudien für Nachverdichtungen und Ankaufsstudien<br />
erstellen. Dann ging es schnell: Wir tauschten uns aus, kündigten<br />
unsere Jobs und gründeten Urbanistic.<br />
Wie lange hat es gedauert, die Geschäftsidee umzusetzen?<br />
Was war die größte Hürde und wie gelang es, diese zu<br />
überwinden?<br />
Nils und Michael haben bereits sechs Jahre Forschungszeit<br />
an der TUM investiert. Diese wichtige Zeit muss man auf jeden<br />
Fall in die Umsetzung der Geschäftsidee mit einberechnen.<br />
Allerdings ist wohl die größte Hürde die Umsetzung der Idee<br />
in ein „endnutzerfreundliches Produkt“. Das hat noch mal zwei<br />
Jahre in Anspruch genommen. Immerhin haben wir den Anspruch,<br />
komplexe Stadtplanungsprozesse in eine simple digitale<br />
Lösung zu überführen.<br />
Was waren deine persönlichen F*ckups? Wer oder was<br />
hat dir in dieser Situation geholfen?<br />
Kurz zu unserer Situation vor drei Jahren: Wir alle drei<br />
wurden kurz nach Gründung Väter. Das war echt heftig, da wir<br />
in unserem Unternehmen zeitweise sieben Tage die Woche<br />
gearbeitet haben. Alle Bögen waren überspannt: die Geduld<br />
unserer Frauen, unsere Dispos, das gesundheitlich tragbare Arbeitspensum.<br />
Der schlimmste Moment für mich war, als unsere<br />
Frauen uns das Ultimatum stellten: Noch drei Monate, wenn<br />
*Bootstrapping = gründen aus eigener finanzieller Kraft, das heißt ohne Kredite bzw. Fremdkapital.<br />
24 #IMMOzeit
START-UP-CORNER<br />
Manchmal braucht es einen kräftigen Impuls von „außen“, um den eigenen Blickwinkel zu verändern.<br />
Bei den Gründern der Urbanistic GmbH, Marc-Christian Hodapp, Nils Seifert und Michael Mühlhaus,<br />
half ein Ultimatum genau zur rechten Zeit, den Fokus neu zu justieren. Es hat sie „aus ihrer Blase<br />
herausgerissen“. Mit ihrem Proptech-Unternehmen revolutionieren sie nicht nur die Stadtplanungssoftware.<br />
Sie helfen auch dabei, in der Projektentwicklung Risiken und Potenziale frühzeitig zu erkennen.<br />
Developer können davon profitieren.<br />
Die Fragen stellte Alexandra May<br />
es dann nicht läuft, ist Schluss. Ich dachte: Das wars. Wenn wir<br />
das jetzt nicht schaffen, dann war es das mit unserer Vision.<br />
Wir haben unsere Karten auf den Tisch gelegt und im Gegenzug<br />
ein ungeschöntes Feedback bekommen. Das hat uns aus unserer<br />
Blase herausgerissen.<br />
Daraufhin haben wir unser Produkt überdacht und reduziert. Wir<br />
wissen, was technologisch möglich ist, und wollten das immer<br />
im Gesamten umsetzen. Allerdings ist für die Kunden lediglich<br />
ein Bruchteil nützlich, der Rest ist eventuell schön und bestenfalls<br />
beeindruckend. Aber es geht um direkte ökonomische Mehrwerte.<br />
Dazu mussten wir gezwungen werden.<br />
Die Gründer von Urbanistic: Nils Seifert (links), Michael Mühlhaus (Mitte)<br />
und Marc-Christian Hodapp (rechts)<br />
Fotos: Urbanistic GmbH<br />
Welche Ziele hast du dir mit deinem/habt ihr euch mit<br />
eurem Unternehmen gesteckt?<br />
Wir begreifen uns als Brücke zwischen GIS und BIM. Das<br />
bedeutet, dass wir in den frühen Planungsphasen möglichst alle<br />
Infos verfügbar und anwendbar machen. Dadurch reduziert sich<br />
die Komplexität, die Kollaboration ist einfacher und es können<br />
bestmögliche Entscheidungen getroffen werden. Unsere Kunden<br />
sollen per Mausklick komplexe Modelle erstellen und <br />
#IMMOzeit 25
START-UP-CORNER<br />
DAS GESCHÄFTSMODELL<br />
urbanistic. revolutioniert die Planungsphasen mit<br />
interaktiven 3-D-Stadtmodellen. Ankaufsprüfungen<br />
sowie die Machbarkeit von Projekten werden nicht in<br />
Monaten, sondern in wenigen Minuten abgeklärt.<br />
Baurechtsprüfung, Kennzahlen und Risiken werden<br />
interaktiv berechnet. Wir beschäftigen uns seit 2014<br />
mit der Forschung zur Stadtplanung und setzen<br />
Standards in Sachen Nachhaltigkeit (ESG) und Effizienz<br />
(Kennzahlen). Am Anfang steht oft eine Idee<br />
mit sehr geringer Informationslage und vielen Fragezeichen.<br />
Der gängige Prozess ist von „Trial and Error“<br />
geprägt und kostet viel Zeit und Geld. Durch interaktive<br />
3-D-Stadtmodelle bieten wir eine umfassende<br />
Sicht auf Risiken und Potenziale von Planungsvarianten.<br />
Wir liefern Echtzeitanalysen, Potenzialerkennung<br />
und Kostenkalkulation, um Risiken zu minimieren,<br />
Entscheidungen zu optimieren und Baugenehmigungen<br />
zu beschleunigen. Das Angebot richtet sich<br />
an Architekten, Stadtplaner, Projektentwickler und<br />
Kommunen. Jeder, der nach schnelleren Prozessen<br />
und besseren Ergebnissen in der Projektentwicklung<br />
sucht, findet in Urbanistic. die Antwort auf das<br />
Problem der Entscheidungsfindung bei begrenzten<br />
Informationen.<br />
DER GRÜNDERSTECKBRIEF<br />
Marc-Christian Hodapp – Business und Kooperationen<br />
Marc hat mehrere Jahre als Architekt und Projektentwickler<br />
gearbeitet und stellt sicher, dass bei Urbanistic<br />
der Kunde im Fokus der Lösung steht. Er ist für das<br />
operative Geschäft und die strategische Ausrichtung<br />
von Urbanistic zuständig und verantwortet das B2Bund<br />
das Projektgeschäft.<br />
Nils Seifert – Forschung und Entwicklung<br />
Nils ist für die Entwicklung des Produkts zuständig.<br />
Aus seiner langjährigen Forschungsarbeit bringt er<br />
Erfahrung in Konzeption, Prototyping und Umsetzung<br />
neuer Softwarekonzepte mit und sorgt so für einen<br />
kurzen Weg von der Produktidee bis zur Umsetzung.<br />
Nils verantwortet außerdem die Gestaltung und das<br />
UI- und UX-Design. Gemeinsam mit Michael leitet er<br />
das Entwicklerteam.<br />
Michael Mühlhaus – Technologie und DevOps<br />
Michael ist für Technologien, Schnittstellen und die<br />
Skalierbarkeit des Produkts verantwortlich. Durch seine<br />
langjährige Forschungserfahrung kennt er sowohl<br />
die Anwender- als auch die Entwicklersicht. Diese<br />
Erfahrung nutzt er, um bei Urbanistic für eine effektive<br />
Zusammenarbeit zwischen Produktentwicklung, Implementierung<br />
und IT-Betrieb zu sorgen.<br />
dadurch hektarweise Zeit sparen. Unser Ziel ist es, dass die<br />
Informationen dahin kommen, wo sie am wertvollsten sind: an<br />
den Anfang.<br />
Aus den Erfahrungen, die du gemacht hast: Was empfiehlst<br />
du anderen, die gründen möchten? Wie lautet<br />
dein bester Rat, den du weitergeben möchtest?<br />
Rat geben finde ich schwierig, das klingt so, als würde man<br />
am Ende seiner Reise stehen und rückblickend die Erleuchtung<br />
haben, da bin ich allerdings noch lange nicht angekommen. Was<br />
mir persönlich hilft: Wenn es zu gut läuft, holen gute Freunde<br />
und Familie einen schnell vom hohen Ross runter. Wenn es zu<br />
schlecht läuft, bringen einen gute Freunde und Familie schnell<br />
wieder hoch.<br />
Worin bestehen für dein/euer Unternehmen aktuell die<br />
größten Herausforderungen?<br />
Die Lage im Bereich Projektentwicklung. Wir haben eine<br />
super Lösung hierfür, allerdings geht es den klassischen Projektentwicklern<br />
im aktuellen Marktumfeld nicht gut. In diesem Umbruch<br />
sind die Unternehmen, die es schaffen, Technik zielführend<br />
zu integrieren oder sogar ihr Geschäftsmodell zu wandeln, die<br />
Gewinner. Das zu zeigen, dass man genau jetzt ein Tool wie<br />
urbanistic. braucht, mit dem man die Machbarkeit von Projekten<br />
früh abschätzen kann, das ist unsere Herausforderung.<br />
Was würde dabei helfen, Gründungen in Deutschland<br />
zu erleichtern?<br />
Wir haben in Deutschland tolle Unterstützung durch<br />
Förderprogramme wie EXIST, durch Seed-Investoren wie<br />
High-Tech Gründerfonds und durch Branchenverbände, die<br />
junge Unternehmen pushen, wie Bitkom, GPTI, Blackprint<br />
und sogar der ZIA. Dazu, wie man das Gründungsumfeld verbessern<br />
könnte, fallen mir viele Dinge ein. Offensichtlich sind<br />
die Vereinfachung von Ausschreibungsverfahren, der Abbau<br />
von bürokratischer Fleißarbeit, mehr Förderungen für junge<br />
Gründer, bessere betriebswirtschaftliche Allgemeinbildung.<br />
Sehr konkret für unsere Branche: Leider ist es zu Beginn immer<br />
schwer, die ersten Unternehmen von sich zu überzeugen – es<br />
existieren ja noch keine Referenzen. Allerdings bin ich der Überzeugung,<br />
dass dieser Zustand immer besser wird.<br />
GRÜNDER, meldet euch!<br />
Mit der Rubrik „Start-up-Corner“ in der IMMOZEIT bekommen die Gründer<br />
aus dem IMMOEBS-Netzwerk die Gelegenheit, sich mit ihrer Geschäftsidee<br />
vorzustellen und von ihren Erfahrungen im Zuge der Gründung zu berichten.<br />
Dazu einfach in einer kurzen Mail an may@immoebs.de die Geschäftsidee<br />
beschreiben, angeben, wann gegründet worden ist, und den Fragebogen<br />
anfordern. Die Redaktion der IMMOZEIT meldet sich umgehend zurück.<br />
GRÜNDERPORTRÄTS 2023<br />
Modoplus GmbH – Ausgabe 01/2023<br />
estateHUB GmbH – Ausgabe 02/2023<br />
26 #IMMOzeit
DAS IMMOBILIENMAGAZIN FÜR DIE MITGLIEDER VON IMMOEBS E.V.<br />
DEUTSCHLAND: 4,50 €<br />
SCHWEIZ: 8,00 SFR<br />
EU-LÄNDER: 5,50 €<br />
Babyboomer verbinden Leistungsorientierung mit Pflicht, Disziplin und Fleiß. Die nachfolgenden<br />
Generationen legen Wert auf Spaß und Purpose, sind aber alles andere als faul. | Schulterblick: Wer<br />
sind eigentlich die Mitglieder von IMMOEBS e.V.? | Mehr als 100 Tage im Amt: der IMMOEBS-Vorstand. |<br />
„Noch drei Monate, wenn es dann nicht läuft, ist Schluss.“ Das Ultimatum half, die Gründer von<br />
Ubanistic in die Spur zu bringen. Die Gründer von TORVIK GRUEN empfehlen Bootstrapping.<br />
AUSGABE<br />
33. JAHRGANG | DEZEMBER 2023<br />
AUSBLICK<br />
KI – der bessere Planer?<br />
Sie heißen beispielsweise „LookX AI“, „Buildots“ oder „PropertyMax“. Sie versprechen viel. Mehr Baurecht. Weniger<br />
Fehler. Mehr Wert. Und geringere Kosten. Doch was ist mithilfe von künstlicher Intelligenz und computergestützten<br />
Algorithmen aktuell möglich? Erfahrungen, Meinungen und Möglichkeiten in der nächsten Ausgabe:<br />
AUSBLICK –<br />
#IMMOZEIT 01/2024<br />
Erscheinungstermin:<br />
April 2024<br />
+++ DIGITAL, ABER NOCH<br />
VON MENSCHEN<br />
GEMACHT +++<br />
Illustration: artundwork designbüro<br />
IMPRESSUM<br />
<strong>KOMPLIZIERT</strong><br />
Foto: TPopova – istockphoto<br />
Herausgeber<br />
Verein der Ehemaligen und<br />
Förderer der Postgraduateund<br />
Masterstudiengänge zur<br />
Immobilienökonomie an der<br />
EBS Universität für Wirtschaft<br />
und Recht und der Universität<br />
Regensburg IMMOEBS e.V.<br />
Svetlana Gippert –<br />
Geschäftsführerin<br />
Adolfsallee 35<br />
65185 Wiesbaden<br />
www.immoebs.de<br />
Telefon: 0611 580867-0<br />
E-Mail: info@immoebs.de<br />
Lena Brühne – 1. Beisitzerin<br />
Maria-Theresia Jais – 2. Beisitzerin<br />
Bodo Dicke – 3. Beisitzer<br />
Redaktion<br />
Dr. Wolfgang Speckhahn<br />
Alexandra May –<br />
Chefredaktion (V.i.S.d.P.)<br />
Christian Hunziker<br />
Susanne Stauß<br />
Anzeigenverkauf | Vermarktung<br />
IMMOEBS e.V. – Geschäftsstelle<br />
Vassiliki Uhrig<br />
Telefon: 0611 580867-18<br />
E-Mail: uhrig@immoebs.de<br />
Hinweis<br />
Diese Veröffentlichung sowie alle in<br />
ihr enthaltenen Artikel und Bilder sind<br />
urheberrechtlich geschützt.<br />
Herausgeber und Redaktion übernehmen<br />
keine Verantwortung für unverlangt<br />
eingesandte Manuskripte oder Illustrationen.<br />
Wir bedanken uns für das<br />
veröffentlichte Bildmaterial, Informationen,<br />
Illustrationen, Tabellen und Charts,<br />
die uns zur Verfügung gestellt wurden.<br />
#IMMOZEIT<br />
Das Immobilienmagazin<br />
für die Mitglieder von<br />
IMMOEBS e.V.<br />
Vorstand IMMOEBS e.V.<br />
Christian Schulz-Wulkow –<br />
1. Vorsitzender<br />
Dr. Wolfgang Speckhahn –<br />
2. Vorsitzender<br />
Franz J.W. Hrabak –<br />
Schatzmeister<br />
Bianca Bender – Schriftführerin<br />
Anzeigenschluss<br />
für die Ausgabe 01/2024 ist der<br />
17. Februar 2024.<br />
Druck<br />
W.B. Druckerei GmbH<br />
Dr.-Ruben-Rausing-Straße 10<br />
65239 Hochheim am Main<br />
#IMMOzeit 27
IMPULSE.<br />
INSPIRATIONEN.<br />
UND NETZWERKEN.<br />
Sinn und Zweck eines Netzwerks ist, das Netzwerken zu fördern. Im realen Leben ebenso wie in der digitalen<br />
Welt. An LinkedIn führt deshalb kein Weg vorbei. Auch für das größte europäische Alumni-Netzwerk nicht. Über<br />
4.000 Follower* zählt #IMMOEBS inzwischen – und stetig werden es mehr Follower, die sich bei LinkedIn über<br />
aktuelle Aktivitäten und Nachrichten der Mitglieder, über die Arbeit in den Arbeitskreisen und über das Netzwerk<br />
auf dem Laufenden halten.<br />
FOLLOW US: #IMMOEBS<br />
Bist du auch<br />
schon dabei?<br />
Nein? Dann wird’s<br />
höchste Zeit!<br />
*Stand: Juli 2023.<br />
Abbildung: SpicyTruffel – istockphoto