wanderbar02_2023
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Foto: privat; Text: Ulrich Pramann<br />
»Es braucht Mut, neue Wege zu<br />
beschreiten und für den Winter<br />
Angebote aufzubauen, die auch mit weniger<br />
oder ohne Schnee auskommen. Doch es<br />
erfordert zusehend auch immer mehr Mut,<br />
sich alleine auf den Schnee zu verlassen<br />
und auf ihn angewiesen zu sein.«<br />
Fazit der Fachtagung »Schneesicher? Sicher nicht«<br />
in Einklang bringen und das Gleichgewicht zwischen Tourismus<br />
und Lebensqualität erhalten, damit die Regionen durch den<br />
Tourismus – Stichwort Overtourism – nicht ausbluten.<br />
Ausbluten – was meinen Sie damit?<br />
Wenn in einer touristisch stark entwickelten Gemeinde der Fokus<br />
allein auf das Wohl des Gastes ausgerichtet ist, wenn so<br />
gut wie keine Veranstaltungen oder Aktivitäten mehr für die<br />
Einheimischen stattfinden, kann ihnen das einen wichtigen<br />
Teil des soziales Lebens nehmen und Akzeptanz gefährden.<br />
Man muss darauf achten, dass Einheimische und Gäste gut<br />
koexistieren und sich im besten Fall gegenseitig bereichern.<br />
Können Sie ein Beispiel nennen?<br />
Ja, Bad Hindelang. In der Gemeinde liegt der Fokus klar auf<br />
den Einheimischen, und der Gast soll und kann sich als Einheimischer<br />
auf Zeit fühlen – und nicht umgekehrt.<br />
Sind Einheimische, die sich mit dem Tourismus wohlfühlen,<br />
also bessere Gastgeber?<br />
Ja. Das spricht natürlich<br />
auch eine<br />
andere Art<br />
von Gast<br />
an,<br />
Interview mit Katharina Gasteiger<br />
nämlich den, der authentische<br />
Erlebnisse schätzt. Zum Beispiel<br />
Baumpflanzaktionen, Ausflüge zur<br />
Sennerin auf die Alpe oder vom Hotelier<br />
geführte Wanderungen – so etwas<br />
schätzen Gäste.<br />
Welche der Sorgen werden besonders diskutiert?<br />
Was passiert mit der bestehenden Winterinfrastruktur,<br />
in die massiv investiert wurde? Die muss sich ja<br />
amortisieren, ein rascher Ausstieg ist da kaum möglich.<br />
Die Message war nicht: Wir müssen ab sofort unabhängig<br />
vom Wintertourismus sein.<br />
Sondern?<br />
Es läuft solange es läuft. Man muss sich der Problematik bewusst<br />
sein und einen Transformationsprozess in der eigenen<br />
Destination starten. Also keine Investitionen in die Infrastruktur<br />
mehr, eine nachhaltige Tourismus-Strategie entwickeln,<br />
neue touristische und wirtschaftliche Standbeine aufbauen<br />
für eine Zeit, wenn der Wintersport nicht mehr angeboten<br />
werden kann. Wichtig ist auch, die Infrastruktur ganzjährig zu<br />
nutzen, also ebenso in den Sommermonaten attraktive Angebote<br />
am Berg zu schaffen.<br />
Gibt es dazu seriöse Untersuchungen?<br />
Fest steht: Die idealen Schneetage werden weniger. Besonders<br />
stark zugenommen hat die Schneearmut unterhalb von<br />
1300 m Höhe, was niedrig gelegene Gebiete hart trifft. CIPRA<br />
Deutschland, ein Verband von Naturschutz-Organisationen<br />
im bayerischen Alpenraum, hat aktuelle Studien aus der Tourismuswissenschaft<br />
im Dossier »Facts4Tourism« aufbereitet.<br />
Darunter auch zu dem so wichtigen Thema Resilienz.<br />
Welche Alternativen zeichnen sich ab?<br />
Skitourengehen in höheren Lagen, oder Winterwandern –<br />
diese naturnahen Aktivitäten werden immer populärer. Hier<br />
braucht es besonders gute Maßnahmen zur Besucherlenkung<br />
und Umweltbildung, um die Tiere in ihren Ruhezonen<br />
nicht zu stören. Viele Gemeinden setzen vermehrt auf Ganzjahrestourismus,<br />
auf Kultur und Kulinarik und bauen die Wanderinfrastruktur<br />
aus.<br />
Welchen Stellenwert wird in Zukunft Winterwandern haben?<br />
Ich habe dazu keine Zahlen, aber ich vermute: einen deutlich<br />
höheren.<br />
Weiß man, was der Gast erwartet, wenn der Schnee fehlt?<br />
Das »BeyondSnow«-Projekt wird dazu ab Dezember <strong>2023</strong><br />
eine entsprechende Umfrage in den Pilotregionen starten.<br />
Worauf sollten sich Wintergäste einstellen?<br />
Sie sollten flexibel und offen sein, um ihre Urlaubsregion so<br />
zu erleben, wie sie ist. So etwas wie Schneesicherheit gibt<br />
es in den bayerischen Alpen nicht, d. h. Gäste sollten die<br />
Schönheit der Landschaft so annehmen, wie sie sich aktuell<br />
präsentiert. Im Winter können Wanderungen auch durch eine<br />
karge Bergwelt etwas sehr schönes, beruhigendes sein. Und<br />
immer beliebter wird die Kombination aus Mountainbike und<br />
Schneeschuhen ab der Schneefallgrenze.<br />
wanderbar! 02|23<br />
anderbar!<br />
61