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FOKUS INTERVIEW<br />
RAUMPLANUNG<br />
die Konkretisierung in Form eines Gesetzestextes.<br />
Wobei die Verfasser darauf achten würden, dass<br />
Verwerfungen und Kollateralauswirkungen gering<br />
und – wie bei uns in einer föderalen Struktur –<br />
Bund, Kantone und Gemeinden eingebunden sind,<br />
sodass alle ihre Aufgaben erfüllen können und möglichst<br />
wenig Reibungsverlust entsteht.<br />
Viele Konjunktive. Wie weit von diesem<br />
Idealzustand sind wir in der Schweiz mit der<br />
aktuellen Rechtslage entfernt?<br />
Relativ weit. Der Gesetzgeber setzt sich im Rahmen<br />
von Gesetzesrevisionen immer wieder Teilziele.<br />
Häufig schlagen Partikularinteressen durch<br />
und führen ihrerseits zu Anpassungen. Das war in<br />
Bezug auf das Bauen ausserhalb der Bauzonen in<br />
den letzten 25 Jahren eher die Regel als die Ausnahme.<br />
Oder nehmen wir zum Beispiel den Wunsch<br />
nach Eindämmung der Zersiedelung und Rückzonung<br />
von überdimensionierten Baugebieten. Die<br />
beschlossenen Änderungen verfehlen diese Ziele in<br />
der Regel, weil sie auf halbem Weg stecken bleiben.<br />
Das sorgt für unnötige Rechtsstreitigkeiten, grosse<br />
Frustrationen bei den Betroffenen und Verschleiss<br />
bei Behörden.<br />
Wird der Verfassungsauftrag aber<br />
gleichwohl erfüllt?<br />
Nicht wirklich. Ein Hauptanliegen von 1969 war<br />
die Trennung von Baugebiet und Nicht-Baugebiet.<br />
Das war damals zentral und wäre heute noch viel<br />
BIOGRAPHIE<br />
ALAIN GRIFFEL<br />
(*1962) Prof. Dr. iur.,<br />
Lehrstuhl für Staatsund<br />
Verwaltungsrecht<br />
an der Universität Zürich<br />
mit Schwerpunkt<br />
Raumplanungs-, Bauund<br />
Umweltrecht. Studium<br />
zum Lizenziat und<br />
Doktorat der Rechtswissenschaft<br />
an der Universität<br />
Zürich. 1994<br />
Erwerb des Zürcher<br />
Rechtsanwaltspatents,<br />
danach Leiter Rechtsdienst<br />
beim Umweltund<br />
Gesundheitsschutz<br />
der Stadt Zürich und<br />
Kanzleichef der Baurekurskommissionen<br />
des Kantons Zürich.<br />
2005 Ernennung zum<br />
ordentlichen Professor.<br />
wichtiger. Das ursprüngliche RPG war diesbezüglich<br />
konsequent und hat 20 Jahre lang zur Zielerreichung<br />
beigetragen, bis dann im Jahr 2000 die erste<br />
Revision in Kraft trat. Schon damals hielt Alt-Bundesrichter<br />
Alfred Kuttler, «Raumplanungs-Rechtler»<br />
der ersten Stunde, in einem Gutachten fest,<br />
dass die Gesetzesrevision die Trennung zwischen<br />
Baugebiet und Nicht-Baugebiet in einer verfassungswidrigen<br />
Art und Weise aufweicht. Seither<br />
sind zahlreiche weitere, teils komplizierte Tatbestände<br />
hinzugekommen. Die jetzt vom Parlament<br />
beschlossene 2. Teilrevision – kurz RPG2 – schafft<br />
zusätzliche diffuse Baumöglichkeiten ausserhalb<br />
der Bauzone. Meine Bilanz ist, dass wir uns Schritt<br />
für Schritt vom Verfassungsauftrag entfernen.<br />
Warum ist die Zielerreichung in der Raumplanung<br />
so schwierig?<br />
Raumplanung ist besonders anspruchsvoll, weil<br />
viele unterschiedliche Kräfte auf sie einwirken.<br />
Gleichzeitig darf man die abstrakten Rechtsnormen<br />
hinsichtlich ihrer Wirkung nicht überschätzen.<br />
Und schliesslich verfolgen wir mit der<br />
Raumplanung zahlreiche Ziele gleichzeitig. Wir<br />
wollen Zersiedelung eindämmen, Baugebiete<br />
grundsätzlich von Nicht-Baugebiet trennen, Bodenspekulation<br />
eindämmen, gewisse finanzielle<br />
Ausgleichsmechanismen schaffen wie Mehrwertabschöpfungen,<br />
Entschädigung bei materiellen<br />
Enteignungen usw.<br />
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IMMOBILIA / Februar <strong>2<strong>02</strong>4</strong>