26.02.2024 Aufrufe

Christfried Böttrich: Das Evangelium nach Lukas (Leseprobe)

Lukas ist nicht der Erste, der ein Evangelium schreibt. In seinem Vorwort blickt er zurück auf die »Vielen«, die vor ihm schon eine Erzählung über die Ereignisse um den Propheten aus Nazaret abgefasst haben. Was veranlasst ihn, einen erneuten Versuch zu unternehmen? Und worin besteht das besondere Anliegen seines Entwurfes? Der außerordentlich hilfreiche Kommentar geht diesen Fragen nach, in dem er sowohl den historischen Kontext als auch die theologischen Akzente in der Jesus-Christus-Geschichte des Lukas sichtbar macht. Der dritte Evangelist ist ein Wanderer zwischen den Welten: Als Judenchrist bleibt er in der Geschichte des Gottesvolkes verwurzelt; als Diasporajude bemüht er sich, die »frohe Botschaft« dem gebildeten Publikum der hellenistisch-römischen Welt nahezubringen. Dabei wird der »Weg« zu seinem herausragenden und beherrschenden Motiv. Ursprung und Ziel dieses Weges prägen das theologische Profil jeder einzelnen Perikope und verleihen dem lukanischen Erzählwerk im Ganzen eine Dynamik, die es bis heute zu einer faszinierenden und stimulierenden Lektüre macht.

Lukas ist nicht der Erste, der ein Evangelium schreibt. In seinem Vorwort blickt er zurück auf die »Vielen«, die vor ihm schon eine Erzählung über die Ereignisse um den Propheten aus Nazaret abgefasst haben. Was veranlasst ihn, einen erneuten Versuch zu unternehmen? Und worin besteht das besondere Anliegen seines Entwurfes?
Der außerordentlich hilfreiche Kommentar geht diesen Fragen nach, in dem er sowohl den historischen Kontext als auch die theologischen Akzente in der Jesus-Christus-Geschichte des Lukas sichtbar macht. Der dritte Evangelist ist ein Wanderer zwischen den Welten: Als Judenchrist bleibt er in der Geschichte des Gottesvolkes verwurzelt; als Diasporajude bemüht er sich, die »frohe Botschaft« dem gebildeten Publikum der hellenistisch-römischen Welt nahezubringen. Dabei wird der »Weg« zu seinem herausragenden und beherrschenden Motiv. Ursprung und Ziel dieses Weges prägen das theologische Profil jeder einzelnen Perikope und verleihen dem lukanischen Erzählwerk im Ganzen eine Dynamik, die es bis heute zu einer faszinierenden und stimulierenden Lektüre macht.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Vorbereitung 3,1–4,13<br />

69<br />

in Frage. Ausnahmslos der ganzen Schar gegenüber 145 weist Johannes die Annahme,<br />

die Taufe könne vor dem »bevorstehenden Zorn« (dem göttlichen Gericht) erretten, als<br />

ein irriges Gerücht (»Wer hat euch weisgemacht ...?«) zurück. Wozu sonst aber sollte<br />

die Taufe dienen? Will Johannes die Schwelle hochsetzen, bevor es zur Taufe kommt?<br />

Auf jeden Fall ist dieser erste Satz noch vor dem Taufgeschehen zu platzieren. 8 <strong>Das</strong><br />

sieht bei dem folgenden Satz jedoch schon ganz anders aus. Der Taufe, bestehend aus<br />

einem Bekenntnis (Umkehr) sowie dem zeichenhaften Wasserritus mit Unter- und<br />

Auftauchen, folgt der Zuspruch der Sündenvergebung. Damit sollten die Täuflinge im<br />

göttlichen Gericht bestehen können. Doch nun setzt der Täufer noch einmal neu an:<br />

Weder warnt er vor der Taufe, noch wirbt er für sie; vielmehr besteht er darauf, dass<br />

Umkehr und Sündenvergebung auch Konsequenzen haben und zu einer neuen Lebensgestaltung<br />

führen. »Früchte bringen« ist eine eingeführte Metapher im Kontext<br />

ethischer Unterweisung 146 die beschreibt, was aus der Taufe erwächst. Diese »Früchte«<br />

bleiben zunächst noch unbestimmt; allein, sie sollen der »Umkehr« entsprechen. Was<br />

Johannes zu den »Früchten« sagt, setzt also die Taufe schon voraus. Erneut beginnt er<br />

mit einer Unterstellung: Seine Adressaten scheinen sich ihre »Abrahamskindschaft«<br />

zugutezuhalten. Betrachten sie diese biologisch ererbte Zugehörigkeit als ein Privileg,<br />

das Umkehr im Sinne einer Veränderung des Lebens erübrigt, oder vertrauen sie auf<br />

Abraham als ihren Fürsprecher im Gericht? Erkennt Johannes bei ihnen ein Problem<br />

mit der Umkehrtaufe im Ganzen (die sie als Glieder des Gottesvolkes eigentlich gar<br />

nicht nötig hätten), oder liegt das Problem bei den »Früchten«? Auffälligerweise stellt<br />

der Täufer ihre Abrahamskindschaft nicht in Frage, relativiert aber deren exklusiven<br />

Anspruch. Wen meint er, wenn er von Abrahamskindern spricht, die Gott »aus diesen<br />

Steinen« erwecken könne? Ist das bereits ein versteckter Hinweis auf die Völker, die zu<br />

Gott »umkehren« werden, weil sie glauben wie Abraham? So würde Paulus argumentieren.<br />

Lk hingegen hält sich damit auffallend zurück. Sein Täufer will lediglich provozieren;<br />

er möchte diejenigen, die er tauft, zu besseren Abrahamskindern machen. Für<br />

ihn bedeutet wahre Kindschaft beides: Herkunft und Verhalten. 9 Der Abschnitt endet<br />

mit einem Gerichtsbild von atemberaubender, bedrängender Drastik: Zum »Früchte<br />

bringen« bleibt gar keine Zeit mehr. Die Wurzeln sind schon freigelegt; die Axt wird<br />

bereits zur Hand genommen; es gibt nur noch den kurzen Moment zwischen Maßnehmen<br />

und Zuschlagen. <strong>Das</strong> Urteil über den Baum scheint gefällt zu sein. Feuer ist<br />

eine eingeführte Gerichtsmetapher. Der Baum wird verbrannt, also völlig vernichtet.<br />

Nicht anders geht es denen im Gericht, die keine guten Taten vorzuweisen haben. Noch<br />

dringlicher lässt sich die vorangegangene Mahnung kaum unterstreichen.<br />

10–11 In der »Standespredigt«, die den Mittelteil ausmacht, ändert sich plötzlich<br />

der Ton. Was »Früchte, die der Umkehr entsprechen« sein könnten, wird anhand von<br />

drei Beispielen illustriert. Sie alle entstammen dem Bereich sozialgerechten Handelns.<br />

Vor allem aber rückt die Rede wieder von der Atemlosigkeit des vorausgegangenen<br />

145 Mt 3,7 lässt Johannes diese Worte allein an die »Pharisäer und Sadduzäer« adressieren und unterscheidet<br />

damit zwischen dem umkehrwilligen Volk und seinen umkehrunwilligen Autoritäten.<br />

146 Belege bei Wolter, <strong>Lukas</strong> HNT, 159.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!