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PT-Magazin - Ausgabe 1•2 | 2024

Automatisch gut? • Paradigmenwechsel erforderlich: Kant und der gesunde Menschenverstand • Visionäre Technologiepartnerschaft: Mittweida und Estland • Führungs-Macht und Ohnmacht: Zwischen Machtvakuum und Kontrollwahn • Mehr Aufrichtigkeit: Vertrauen braucht Verantwortung

Automatisch gut?

• Paradigmenwechsel erforderlich: Kant und der gesunde Menschenverstand
• Visionäre Technologiepartnerschaft: Mittweida und Estland
• Führungs-Macht und Ohnmacht: Zwischen Machtvakuum und Kontrollwahn
• Mehr Aufrichtigkeit: Vertrauen braucht Verantwortung

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14 Gesellschaft<br />

Nach Banklehre, Betriebswirtschaftsstudium und neun Jahren bei BMW in München<br />

ist Bernhard Pointner seit 2012 Geschäftsführer der Milchwerke Berchtesgadener Land.<br />

Gras braucht Kühe<br />

Da auch die Zahl der alternativen Konsumenten<br />

überschaubar bleibt, schläft<br />

der Molkereichef trotz ständiger alternativer<br />

Soja- und Haferhypes weiterhin<br />

ruhig. Zudem es im Grünlandgürtel der<br />

Alpen gar keine Anbauflächen für Hafer<br />

gibt, sondern Wiesen. Wir Menschen<br />

können Gras nicht gut verdauen. Es<br />

braucht Kühe mit ihrem speziellen Verdauungstrakt,<br />

um Gras in Lebensmittel<br />

zu verwandeln. Denn Kühe haben als<br />

Wiederkäuer nicht nur einen Magen,<br />

sondern gleich vier: Pansen, Netzmagen,<br />

Blättermagen und Labmagen. Übrigens:<br />

Da das Grünland gleichzeitig<br />

große Mengen an CO2 speichert, ist die<br />

Milchwirtschaft in der Alpenregion nahezu<br />

klimaneutral.<br />

Salzwasser aus den Alpen<br />

An den Alpen regnet es viel, unabhängig<br />

davon, ob Kühe grasen oder nicht.<br />

Lässt man den Regen über die Donau<br />

ungenutzt bis ins Schwarze Meer fließen,<br />

wird Salzwasser draus. „Warum<br />

sollen wir das nicht zur Lebensmittelproduktion<br />

nutzen?“ fragt Pointner.<br />

„Wie sonst wollen wir in ein paar Jahren<br />

zehn Milliarden Menschen auf der Welt<br />

© MILCHWERKE BERCHTESGADENER LAND CHIEMGAU EG<br />

ernähren, wenn wir solche natürlichen<br />

Standortvorteile nicht ausnutzen?“<br />

Apropos natürliche Vorteile: Pointner<br />

lässt zwar Milch aus den Alpen auch<br />

per LKW bis Berlin oder Hamburg fahren,<br />

aber mit modernster Technik. Seine<br />

40-Tonner brauchen nur 27 Liter auf<br />

100 Kilometer. Er ist sicher, dass seine<br />

Milch klimafreundlicher ist als Milch<br />

aus Schleswig-Holstein, für die Soja aus<br />

Brasilien verfüttert wurde. Deshalb ist<br />

Soja aus Übersee schon seit 2017 bei<br />

den 1.600 Bauern der Molkerei genauso<br />

verboten wie das Totalherbizid Glyphosat.<br />

Glas-Flaschen-Spiele<br />

Die Bundesumweltministerin will Müll<br />

dadurch vermeiden, dass die gesamte<br />

Milch wie vor Jahrzehnten in Glasflaschen<br />

verkauft werden soll. „Das ist<br />

nicht zu Ende gedacht“, kontert Pointner,<br />

der gerade die wohl modernste Abfüllanlage<br />

für Glasflaschen weltweit in<br />

Betrieb genommen hat. „Glasflaschen<br />

sind nur in der Nische sinnvoll. Um die<br />

gleiche Menge Milch in Glasflaschen<br />

abzufüllen, die auf einen LKW mit Kartons<br />

passt, müssen erstmal 30 Lastwa-<br />

gen mit leeren Flaschen auf den Hof<br />

kommen. Selbst wenn es genug Fahrer<br />

gäbe, würde der Dieselverbrauch<br />

explodieren!“ Leider ist man in den<br />

Regierungsvierteln Berlins an solchen<br />

Praxiserfahrungen nicht interessiert.<br />

Pointner nahm vergangenen Sommer<br />

in Berlin extra an einem parlamentarischen<br />

Frühstück teil, bei dem rund<br />

fünfzig Abgeordnete eingeladen waren.<br />

Allerdings hatten nur zwölf geantwortet.<br />

Von denen kamen nur vier. Und von<br />

den Grünen war kein einziger dabei.<br />

Gerade die führen das Landwirtschaftsund<br />

das Umweltministerium.<br />

„Bei drei Euro für Butter<br />

beginnt die Todeszone“<br />

Als vergangenes Jahr Milch und Butter<br />

im Kühlregal sehr teuer waren, machte<br />

Pointners Spruch von der Butter-<br />

„Todeszone“ die Runde. An diesem Auf<br />

und Ab der Preise waren übrigens deutsche<br />

Spekulanten kaum beteiligt. Stattdessen<br />

wollte China seine Lager vollmachen<br />

und kaufte eine Weile alles auf<br />

dem Spotmarkt auf, was zu bekommen<br />

war. Das war für manche Molkerei so attraktiv,<br />

dass sie die Preise hochsetzten,<br />

damit in Deutschland weniger verkauft<br />

wurde und mehr für den Spotmarkt<br />

blieb. Seit China nicht mehr kauft, hat<br />

sich der einst hohe Milchpreis anderer<br />

Molkereien halbiert und nun streiten<br />

sie sich mit den Lebensmittelketten.<br />

Pointner hatte vergangenes Jahr nicht<br />

mitgemacht und stattdessen mit der<br />

Kampagne „In guten wie in schlechten<br />

Zeiten“ auf Preisstabilität gesetzt und<br />

diese Strategie ging auf.<br />

Lieferantentreue<br />

Die Preisstabilität im Verkauf korrespondiert<br />

mit Preisstabilität im Einkauf.<br />

Die Milchbauern der Genossenschaft<br />

im südöstlichen Zipfel Deutschlands<br />

werden gut bezahlt. Auch wenn die Bioverbände<br />

Steigerungen für überlebensnotwendig<br />

halten, werden keine großen<br />

Sprünge drin sein. „Für Milchbauern<br />

gilt dasselbe wie für andere Branchen:<br />

Es kommt immer darauf an, wie du deinen<br />

Betrieb managst.“ erklärt Pointner.<br />

Wer seine Prozesse im Griff hat, kommt<br />

mit den Milchpreisen hin. Die anderen<br />

haben Probleme. Niemand kann mit<br />

Preisen an den Start gehen, die auch<br />

dem Schlechtesten noch Gewinn garantieren.<br />

•<br />

<strong>PT</strong>-MAGAZIN <strong>1•2</strong> <strong>2024</strong>

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