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14<br />

BIEL BIENNE 30. APRIL <strong>2024</strong><br />

CINÉMA<br />

VON<br />

LUDWIG<br />

HERMANN<br />

Der etwas andere<br />

Zweite-Weltkrieg-Film –<br />

nach dem Jugendbuch<br />

von Raquel J. Palacio.<br />

Der deutsch-schweizerische<br />

Regisseur Marc Forster<br />

(«A Man Called Otto») kann<br />

kein schlechter Mensch sein.<br />

Wer einen Film wie «White Bird»<br />

dreht, ist ein Menschenfreund.<br />

Lässt am Schluss seines Werks<br />

eine weisse Taube – Symbol des<br />

Friedens – über New York fliegen.<br />

Hoffnung liegt in der Luft!<br />

Und Hoffnung ist Anfang<br />

der Vierzigerjahre nötig. In<br />

Europa wütet der Zweite Weltkrieg.<br />

Es geschehen Ungeheuerlichkeiten<br />

– im Grossen wie<br />

im Kleinen. Was da (zuhause<br />

und in der Schule) so alles<br />

passieren kann, zeigt Forster<br />

am Beispiel des Teenagers<br />

Julian (Bryce Gheisar): ein<br />

grossmäuliger Kerl, der andere<br />

mobbt, einen Schulkameraden,<br />

der an Krücken geht,<br />

hinterhältig umschubst.<br />

Friedenstaube. Wie in<br />

Raquel J. Palacios Jugendbuch<br />

taucht bei Julian eine «menschliche<br />

Friedenstaube» auf, bringt<br />

uns – in einer Rahmenhandlung<br />

– die Geschehnisse von<br />

damals näher: Sara Blum<br />

(Helen Mirren), Julians weise<br />

und abgeklärte Grossmutter,<br />

kommt bei ihrem Enkel zu<br />

Besuch und erzählt ihm ihre<br />

Lebensgeschichte. Eine Schilderung,<br />

mit der die alte Dame<br />

ihrem garstigen Enkel versteckt<br />

«die Leviten» liest und versucht,<br />

aus ihm einen guten<br />

Menschen zu machen.<br />

Es ist die Geschichte der<br />

damals 15-jährigen Sara Blum<br />

(Ariella Glaser), eines jüdischen<br />

Mädchens, das im besetzten<br />

Elsass lebt. Im Herbst 1942, nach<br />

der Deportation von Vater und<br />

Mutter, wird Sara von den Eltern<br />

eines Klassenkameraden<br />

aufgenommen. Der Gleichaltrige<br />

hinkt, geht an Krücken –<br />

der Junge (Orlando Schwerdt),<br />

den der böse Julian einst umgeschubst<br />

hat. Er wird sich um Sara<br />

kümmern, wird ihr ein Versteck<br />

einrichten – in aller Heimlichkeit<br />

keimt zarte Liebe auf.<br />

Wolfsrudel. Marc Forsters<br />

«White Bird», der etwas andere<br />

Zweite-Weltkrieg-Film,<br />

wirkt stellenweise wie ein zuckersüsses<br />

Märchen in düsteren<br />

Kriegszeiten. Etwa dann,<br />

wenn unerwartet Wunder geschehen.<br />

Wenn Sara und ihr<br />

Beschützer bei einem Waldspa-<br />

White Bird HH(H)<br />

ziergang von einem Nazitrupp<br />

entdeckt werden, unerwartet<br />

ein Rudel Wölfe auftaucht und<br />

die Mörderbande zähnefletschend<br />

verscheucht.<br />

«White Bird» zeigt Nächstenliebe,<br />

Mitgefühl und<br />

Menschlichkeit, in einer Zeit,<br />

wo Zivilcourage Mut braucht.<br />

Das Ganze gespickt mit einer<br />

Prise Kitsch. Dank der Kinderhauptrollen<br />

rückt das allzu Süsse<br />

in den Hintergrund: Ariella<br />

Glaser und Orlando Schwerdt,<br />

die junge Jüdin und ihr<br />

Retter, sind ein ideales Paar.<br />

Und die grosse Helen Mirren?<br />

Ob als Queen Elizabeth II.,<br />

Golda Meir oder jetzt als<br />

«menschliche Friedenstaube»,<br />

sie spielt immer gut. Nur fliegen<br />

kann sie nicht.<br />

n<br />

Le film un peu différent sur la<br />

Deuxième Guerre mondiale –<br />

d’après le livre pour la<br />

jeunesse de Raquel J. Palacio.<br />

PAR<br />

LUDWIG<br />

HERMANN<br />

Liebe im<br />

Versteckten:<br />

Sara Blum<br />

(Ariella Glaser)<br />

und ihr Beschützer<br />

(Orlando<br />

Schwerdt).<br />

Le réalisateur germanosuisse<br />

Marc Forster («A Man<br />

Called Otto») ne peut pas<br />

être une mauvaise personne.<br />

Celui qui réalise un film<br />

comme «White Bird» est un<br />

Darsteller/Distribution:<br />

Ariella Glaser, Orlando Schwerdt,<br />

Helen Mirren, Bryce Gheisar<br />

Regie/Réalisation: Marc Forster (2023)<br />

Dauer/Durée: 122 Minuten/122 minutes<br />

Im Kino/Au cinéma: REX 1 (lunch’kino)<br />

Hauptsitz: Postfach, 3074 Muri b. Bern • Büro: Südstrasse 8, 3250 Lyss • Tel.: 032 387 06 76<br />

L’amour à l’abri<br />

des regards:<br />

Sara Blum<br />

(Ariella Glaser)<br />

et son protecteur<br />

(Orlando<br />

Schwerdt).<br />

philanthrope. Il fait voler une<br />

blanche colombe – symbole de<br />

paix – au-dessus de New York<br />

à la fin de son œuvre. Il y a de<br />

l’espoir dans l’air!<br />

Et l’espoir est nécessaire au<br />

début des années quarante.<br />

La Deuxième Guerre mondiale<br />

fait rage en Europe. Des<br />

monstruosités se produisent,<br />

à grande et à petite échelle.<br />

Marc Forster montre tout<br />

ce qui peut se passer (à la<br />

maison et à l’école) à travers<br />

l’exemple de l’adolescent<br />

Julian (Bryce Gheisar): une<br />

grande gueule qui harcèle les<br />

autres, bouscule sournoisement<br />

un camarade de classe<br />

qui marche avec des béquilles.<br />

Colombe de la paix.<br />

Comme dans le livre pour la<br />

jeunesse de Raquel J. Palacio,<br />

une «colombe de la paix humaine»<br />

arrive chez Julian et<br />

nous rapproche – dans une intrigue<br />

cadre – des événements<br />

de l’époque: Sara Blum (Helen<br />

Mirren), la grand-mère sage et<br />

sereine de Julian, vient rendre<br />

visite à son petit-fils et lui<br />

raconte l’histoire de sa vie. Un<br />

récit par lequel la vieille dame<br />

«fait la leçon» à son méchant<br />

petit-fils et tente d’en faire<br />

un bon garçon.<br />

C’est l’histoire de Sara Blum<br />

(Ariella Glaser), alors âgée de<br />

15 ans, une jeune fille juive<br />

qui vit dans l’Alsace occupée.<br />

En automne 1942, après la<br />

déportation de son père et<br />

de sa mère, Sara est recueillie<br />

par les parents d’un camarade<br />

de classe. Celui-ci, du même<br />

âge, boîte, marche avec des<br />

béquilles – le garçon (Orlando<br />

Schwerdt) que le méchant<br />

Julian a autrefois bousculé. Il<br />

s’occupera de Sara, lui aménagera<br />

une cachette. Dans le plus<br />

grand secret, un amour tendre<br />

est en train de naître.<br />

Meute de loups. «White<br />

Bird» de Marc Forster, un<br />

film sur la Seconde Guerre<br />

mondiale un peu différent,<br />

ressemble par moments à un<br />

conte à l’eau de rose dans<br />

la noirceur de la guerre. Par<br />

exemple lorsque des miracles<br />

inattendus se produisent.<br />

Lorsque Sara et son protecteur<br />

sont découverts par un groupe<br />

de nazis lors d’une promenade<br />

en forêt, qu’une meute<br />

de loups surgit à l’improviste<br />

et fait fuir la bande d’assassins<br />

en montrant les dents.<br />

«White Bird» montre<br />

l’amour du prochain, la compassion<br />

et l’humanité, à une<br />

époque où le courage civil est<br />

nécessaire. Le tout saupoudré<br />

d’une pincée de kitsch. Grâce<br />

aux rôles principaux d’enfants,<br />

la trop grande douceur<br />

passe au second plan: Ariella<br />

Glaser et Orlando Schwerdt,<br />

la jeune juive et son sauveur,<br />

forment un couple idéal. Et<br />

la grande Helen Mirren? Que<br />

ce soit dans le rôle de la reine<br />

Elizabeth II, de Golda Meir<br />

ou maintenant celui de la<br />

«colombe humaine de la paix»,<br />

elle joue toujours bien. Elle ne<br />

sait seulement pas voler. n<br />

Ein gewaltiger<br />

nordischer Western<br />

über Machtstrukturen,<br />

Gerechtigkeit<br />

und unwirtliche<br />

Natur.<br />

VON MARIO CORTESI<br />

Mads Mikkelsen wurde für<br />

seine Rolle mit dem Europäischen<br />

Filmpreis ausgezeichnet.<br />

Und er trägt diesen beklemmenden<br />

und erschütternden dänischen<br />

Film grandios durch die<br />

zwei Stunden.<br />

Im <strong>18</strong>. Jahrhundert bittet<br />

ein ehemaliger Hauptmann<br />

(Mads Mikkelsen) die dänische<br />

Krone um Erlaubnis, ein Stück<br />

unfruchtbares Heidekraut-Land<br />

urbar machen zu dürfen und<br />

die Gründung einer Kolonie<br />

vorzubereiten. Er möchte die<br />

in Europa noch unbekannten<br />

Kartoffeln anpflanzen und sich<br />

damit vielleicht ein Vermögen<br />

und königliche Anerkennung<br />

erarbeiten. Doch vor ihm sind<br />

andere Idealisten an den harschen<br />

Lebensbedingungen in<br />

dem wilden, unbewohnbaren<br />

Jütland gescheitert. Denn kämpfen<br />

muss man nicht nur gegen<br />

eine schwer zu kultivierende,<br />

unwirtliche Erde, sondern auch<br />

gegen adlige, selbstherrliche<br />

Landbesitzer. Diese nehmen an,<br />

dass Landstücke, die an ihren<br />

Besitz grenzen, automatisch<br />

ihnen gehören. Aber bedroht<br />

wird man auch durch brutale<br />

Banditen, Wölfe und Unwetter<br />

wie Sandstürme.<br />

Stirne bieten. Der 54-jährige<br />

dänische Filmemacher<br />

Nikolaj Arcel, der mit seiner<br />

Stephen-King-Verfilmung «Der<br />

dunkle Turm» keine Lorbeeren<br />

erntete, zeigt hier seine Stärke<br />

für karge, dramatische Historien-<br />

Er kämpft auf verlorenem Posten:<br />

Der Kartoffelpflanzer (Mads Mikkelsen)<br />

im kargen Jütland.<br />

Western. Zusammen mit einer<br />

Haushälterin (Amanda Collin),<br />

die vor der Vergewaltigung durch<br />

den Adelsherrn geflohen ist, und<br />

einem recht- und schutzlosen<br />

Roma-Mädchen (Melina Hagberg)<br />

baut der einstige Soldat ein Haus<br />

und die ersten Kartoffelfelder. Finanziert<br />

mit seiner Soldatenrente<br />

Werkzeuge, Nahrung, ein Pferd.<br />

Bietet mutig dem sadistischen,<br />

arroganten Grundbesitzer (Simon<br />

Bennebjerg) die Stirn, der brutal<br />

gegen alle vorgeht, die sich<br />

ihm widersetzen. Und Hilfe<br />

vom König erhält er nicht, weil<br />

er durch ein Netz von dekadenten<br />

königlichen Profiteuren und<br />

Erbsenzählern vordringen müsste.<br />

Präzision. Mads Mikkelsens<br />

aus dem Militär entlassener<br />

Hauptmann kämpft<br />

praktisch immer auf verlorenem<br />

Posten, steckt Niederlagen<br />

ein, ist als ambivalente<br />

Figur alles andere als ein<br />

Held. Natürlich ist die einst<br />

reale Geschichte durch den<br />

2020 erschienenen Roman<br />

und durch das Drehbuch mit<br />

spannenden Momenten bereichert<br />

worden. Aber die Machtstrukturen<br />

und der ungleiche<br />

Kampf um Gerechtigkeit, die<br />

Diskriminierung Schwächerer<br />

und die Lösung durch Selbstjustiz<br />

sind mit grosser Präzision<br />

und sorgfältig bearbeitet<br />

worden. Und Filmemacher<br />

Arcel erzählt diesen epischen<br />

nordischen Western mit beeindruckenden<br />

Bildern von<br />

der kargen, öden, unwirtlichen<br />

Landschaft. n<br />

Darsteller/Distribution:<br />

Mads Mikkelsen, Amanda Collin.<br />

Regie/Mise en scène: Nikolaj Arcel (2023)<br />

Länge/Durée:128 Minuten/128 minutes<br />

Im Kino/Au cinéma: REX 2<br />

King’s Land HHHH<br />

Il se bat à corps perdus: le planteur de<br />

pommes de terre (Mads Mikkelsen)<br />

dans le Jütland aride.<br />

Un formidable<br />

western nordique<br />

sur les structures<br />

du pouvoir,<br />

la justice et<br />

la nature<br />

inhospitalière.<br />

PAR MARIO CORTESI<br />

Mads Mikkelsen a été récompensé<br />

par le Prix du cinéma<br />

européen pour son rôle. Et il<br />

porte de manière grandiose ce<br />

film danois oppressant et bouleversant<br />

tout au long de ses<br />

deux heures.<br />

Au <strong>18</strong> e siècle, un ancien<br />

capitaine (Mads Mikkelsen)<br />

demande à la couronne danoise<br />

l’autorisation de défricher une<br />

parcelle de terre de bruyère stérile<br />

et de préparer la fondation<br />

d’une colonie. Il souhaite planter<br />

des pommes de terre, encore<br />

inconnues en Europe, et peutêtre<br />

faire fortune et obtenir la<br />

reconnaissance royale.<br />

Mais avant lui, d’autres idéalistes<br />

ont échoué en raison des<br />

conditions de vie difficiles dans<br />

le Jütland sauvage et invivable.<br />

Il faut en effet lutter non seulement<br />

contre une terre difficile à<br />

cultiver et inhospitalière, mais<br />

aussi contre des propriétaires<br />

terriens nobles et autocrates.<br />

Ceux-ci supposent que les terres<br />

qui jouxtent leur propriété leur<br />

appartiennent automatiquement.<br />

Mais on est également<br />

menacé par des bandits brutaux,<br />

des loups et des intempéries<br />

comme des tempêtes de sable.<br />

Faire front. Le cinéaste<br />

danois Nikolaj Arcel, 54 ans,<br />

qui n’a pas reçu de lauriers<br />

avec son adaptation de Stephen<br />

King «La tour sombre»,<br />

montre ici sa force pour les<br />

westerns historiques austères<br />

et dramatiques. Avec une gouvernante<br />

(Amanda Collin) qui<br />

a fui le viol d’un noble et une<br />

jeune fille rom sans droit ni<br />

protection (Melina Hagberg),<br />

l’ancien soldat construit une<br />

maison et ses premiers champs<br />

de pommes de terre. Avec sa<br />

pension de soldat, il finance<br />

des outils, de la nourriture et un<br />

cheval. Il défie courageusement<br />

le propriétaire terrien sadique et<br />

arrogant (Simon Bennebjerg),<br />

qui agit brutalement contre<br />

tous ceux qui s’opposent à lui.<br />

Et il ne reçoit pas d’aide du<br />

roi, car il devrait passer par un<br />

réseau de profiteurs royaux<br />

décadents et de radins.<br />

HHHH ausgezeichnet / excellent<br />

HHH sehr gut / très bon<br />

HH gut / bon<br />

H Durchschnitt / médiocre<br />

– verfehlt / nul<br />

Précision. Le capitaine<br />

incarné par Mads Mikkelsen,<br />

démobilisé, se bat pratiquement<br />

toujours contre<br />

son camp, essuie des défaites<br />

et, en tant que personnage<br />

ambivalent, est tout sauf un<br />

héros. Bien sûr, l’histoire autrefois<br />

réelle a été enrichie de<br />

moments passionnants par le<br />

roman paru en 2020 et par le<br />

scénario. Mais les structures de<br />

pouvoir et la lutte inégale pour<br />

la justice, la discrimination des<br />

plus faibles et la solution de se<br />

faire justice soi-même ont été<br />

traitées avec une grande précision<br />

et un grand soin. Et le<br />

cinéaste Nikolaj Arcel raconte<br />

ce western nordique épique<br />

avec des images impressionnantes<br />

d’un paysage aride,<br />

désolé et inhospitalier. n<br />

AUF EINEN BLICK … EN BREF…<br />

Mario<br />

Cortesi<br />

Ludwig<br />

Hermann<br />

l C’è ancora domani (Lido 1+2) HHHH<br />

l King’s Land (Rex 2) HHHH HHH<br />

l Dune: Part Two (Apollo, Beluga) HHH(H) HHH(H)<br />

l One Life (Lido 2) HHH(H) HHH(H)<br />

l Civil War (Apollo) HHH(H) HHH<br />

l Challengers (Lido 1) HHH HHH<br />

l The Monk and the Gun (Rex 2) HHH HHH<br />

l Back to Black (Beluga, Rex 2) HHH<br />

l Ghostbusters: Frozen Empire (Apollo) HH HH(H)<br />

l La Voie Royale (Lido 2)<br />

HH<br />

Biel Bienne-Bewertung / Cote de Biel Bienne: HHHH ausgezeichnet / excellent HHH sehr gut / très bon HH gut / bon H Durchschnitt / médiocre – verfehlt / nul

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