Der Bayerische Wald
Geschichten vom Anhalten und Bleiben
Geschichten vom Anhalten und Bleiben
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
DER BAYERISCHE WALD<br />
Geschichten vom Anhalten und Bleiben …<br />
1
DER BAYERISCHE WALD UND DER AMAZONAS.<br />
EIN PLANET, EIN ÖKOSYSTEM<br />
WIR ATMEN ALLE DIESELBE LUFT UND<br />
TRINKEN DASSELBE WASSER …<br />
2
LÄNGER ANHALTEN ODER BLEIBEN …<br />
»Nachhaltig« – das Wort lauert grad an jeder Ecke, inflationär.<br />
Es scheint wie ein Schwamm. Ganz oben steht gern der<br />
<strong>Wald</strong>, sei es als CO2-Speicher, als Holzlieferant für unsere<br />
Öfen oder als Refugium für den Artenschutz. Wir haben<br />
uns auf eine Reise durch den <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> gemacht, wo<br />
man von <strong>Wald</strong> schon immer – sehr unaufgeregt – richtig viel<br />
Ahnung hatte, und damit auch davon, was jetzt als »nachhaltig«<br />
bezeichnet wird. Wir haben viel hinterfragt und<br />
gelernt. Vorweggeschickt: <strong>Der</strong> <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> war schon<br />
immer ziemlich »nachhaltig«, sonst gäbe es ihn sicher in<br />
dieser Form einfach gar nicht mehr.<br />
Was meint das eigentlich, dieses »Nachhaltig«-Wort? »Nachhalten«<br />
wurde ursprünglich definiert mit »längere Zeit anhalten<br />
oder bleiben«. Darauf kommen wir noch zurück, weil das<br />
ein vernünftiger Gedanke ist.<br />
Forstwirtschaftlich kam, nachdem der Mensch den <strong>Wald</strong> bereits<br />
zu seinem Nutzen umgestaltet hatte, Hans Carl von<br />
Carlowitz ins Spiel, der 1713 zum ersten Mal den Begriff der<br />
»Nachhaltigkeit« verwendete: Es sollte so viel nachgepflanzt<br />
werden, wie man dem <strong>Wald</strong> entnahm oder nur so viel entnommen,<br />
wie nachwächst. Ein sinnvoller Gedanke, wirtschaftlich in<br />
jedem Falle. Im Jahr 1713 lebten in Europa etwa 120 Millionen<br />
Menschen. Heute sind das etwa 721 Millionen!<br />
Es gibt große Unschärfen in diesem Nachhaltigkeitsbegriff.<br />
Umso mehr hat es uns gefreut, im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> mit sehr<br />
handfesten Menschen darüber sprechen zu können. Die Sache<br />
bekam Erdung, Form, Gesicht und oftmals sehr pragmatische<br />
und überraschende Erkenntnisse. Wir bekamen es mit »Nachhaltigkeitsspezialisten«<br />
zu tun, die sich selbst gar nicht als solche<br />
empfanden. Aber deren Handeln von dem beeindruckenden<br />
Naturraum geprägt ist, in dem sie leben und für den sie sich<br />
auch verantwortlich fühlen. Was über die wirtschaftliche Seite<br />
schon hinausgeht.<br />
»Längere Zeit anhalten oder bleiben«. Die ursprüngliche<br />
Definition der »Nachhaltigkeit«. Da denken wir vielleicht<br />
eher kurz, indem wir über den »Kaffeebecher to go« weiter<br />
diskutieren und das prima finden, wenn der recyclebar würde.<br />
»Nachhaltig« muss vielleicht gar nicht unser neu erfundener<br />
Kaffeebecher werden, mit dem wir über die Straßen hetzen.<br />
Luxus wär doch –neuerdings als »Work-Life-Balance« wiederentdeckt<br />
– genug Zeit zu haben, diesen Kaffee sitzend zu genießen<br />
aus einer schönen Tasse, in Ruhe, in lustiger Gesellschaft,<br />
vielleicht noch mit einem herrlichen Blick. Langsamer werden<br />
und bewusster mit unserem Genuss und unserer Zeit umgehen.<br />
Auch dafür steht die Ferienregion <strong>Bayerische</strong>r <strong>Wald</strong>.<br />
»Längere Zeit anhalten oder bleiben«. Nochmal. Global gesehen.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> und der Amazonas. Ein Planet, ein<br />
Ökosystem, wir atmen dieselbe Luft, trinken dasselbe Wasser.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> ist sehr, sehr mutig vorangegangen. <strong>Der</strong><br />
Nationalpark ist weiterhin ein großes Experiment, getragen von<br />
den Menschen, die hier seit Generationen leben und begleitet<br />
von Wissenschaftlern, die aus der ganzen Welt anreisen, um<br />
von diesem <strong>Wald</strong>, der sich da selbst neu aufstellt, zu lernen. <strong>Der</strong><br />
Mensch darf reinschauen, traut seinen Augen nicht, weil das so<br />
ganz anders ausschaut als ein Nutzwald. <strong>Der</strong> <strong>Wald</strong> jenseits der<br />
Nationalparkpfade bleibt unbetretbar, aber die Einblicke sind<br />
faszinierend. Es bewahrheitet sich, wie eng alles mit allem verwoben<br />
ist. Eine Stimme aus dem Amazonas hatten wir noch im<br />
Kopf, die sagte, es ginge nicht um »Nachhaltigkeit«, sondern<br />
um Ökosysteme. Alles hängt mit allem zusammen. Vermutlich<br />
sprechen nicht nur Bäume in der Nachbarschaft durch Wurzeln<br />
miteinander, vielleicht tauscht sich auch der <strong>Bayerische</strong><br />
<strong>Wald</strong> mit den Kollegen im Amazonas aus. Wer weiß …<br />
Das größte bisher entdeckte Lebewesen dieser Erde ist ein Pilz.<br />
Er erstreckt sich über eine Fläche von neun Quadratkilometern.<br />
Mittlerweile ist erforscht, dass Pilze Informationen transportieren.<br />
Schlaue Pilze sprechen vermutlich auch mit ihren Nachbarpilzen<br />
und auf diesem Wege auch Wälder mit Wäldern …<br />
der <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> mit dem Amazonas.<br />
»Längere Zeit anhalten oder bleiben«. Nachhaltig ist bewusst.<br />
Langsam reisen. Endlich mal Zeit haben, um sich bewusst zu<br />
werden, was man da eigentlich grad konsumiert, sieht, liest,<br />
hört, isst, trinkt, riecht, denkt …<br />
Vermutlich hat es schon seinen Grund, dass auch ein anderer<br />
Begriff – der der »Achtsamkeit« – derzeit ähnlich oft zu hören<br />
ist. Was sicher mit unserer Sehnsucht zu tun hat, einen Gang<br />
runterzuschalten, intensiver zu leben. Mehr verbunden mit<br />
unserer eigenen Natur und der um uns herum.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> hat da viel zu bieten. Beim Eintauchen in<br />
diese sagenhafte <strong>Wald</strong>landschaft stellt sich vieles von allein ein.<br />
Im Folgenden stellen wir Menschen, Geschichten und schönste<br />
Gelegenheiten vor, um anzuhalten oder zu bleiben.<br />
3
INHALT<br />
06<br />
NO INSTA IM WOID<br />
<strong>Wald</strong>erlebnisse jenseits von Social Media und Virtual Reality.<br />
10<br />
MENSCH UND WALD = ?<br />
Mit einer Rangerin unterwegs im Naturpark <strong>Bayerische</strong>r <strong>Wald</strong>.<br />
14<br />
WALD, WASSER, WALDWASSER<br />
Viel Wissen- und Staunenswertes in einem<br />
»Haus am Strom« – Kraftwerk inklusive.<br />
18<br />
NACHHALTIG BIER TRINKEN<br />
Über bayerische »Nerds« in Sachen Brauen, Bier und Nachhaltigkeit.<br />
22<br />
KLEINE PFLANZEN, GROSSE WIRKUNG<br />
Natürliche Kräuter sind lecker, gesund und<br />
manchmal auch ein wenig »geistreich«<br />
24<br />
»DE WO VUI SCHNEIN, DE HAM WENG OBST«<br />
Die besonderen Streuobstwiesen im Lallinger Winkel.<br />
28<br />
ALTE FUSSSPUREN ÜBERALL …<br />
Mythen und Märchen haben im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong><br />
eine seeehr lange Tradition.<br />
30<br />
TEIG IM KOPF UND WAS MAN DARAUS LERNEN KANN …<br />
Über einen backenden »Philosophen« und seine besondere Sicht auf<br />
unser täglich Brot.<br />
4
34<br />
MEHR ANALOG VIELLEICHT …<br />
Fleisch essen kann auch nachhaltig sein.<br />
38<br />
KÄSE, DER NACH WIESE SCHMECKT!<br />
Wenn Begeisterung und Leidenschaft auf<br />
Geschäftssinn treffen.<br />
40<br />
BACK TO THE ROOTS …<br />
»Nose to tail« oder wie das ganze Tier zur<br />
Delikatesse wird.<br />
42<br />
LANGSAM IM WOID<br />
Entschleunigen kann man im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong><br />
besonders gut – und nachhaltig ist es auch.<br />
46<br />
WISSEN SCHAFFT NACHHALTIGKEIT!<br />
Das NAWAREUM – ein ungewöhnliches Museum.<br />
50<br />
NACHHALTIG FREUNDE<br />
Über Gäste und Gastgeber.<br />
54<br />
REISEN IM BAYERISCHEN WALD<br />
Viele nützliche und interessante Tipps für die Urlaubsplanung.<br />
55<br />
IMPRESSUM<br />
5
NO INSTA IM WOID<br />
Wer denkt, er war ja schon oft im <strong>Wald</strong>, wird im Nationalpark<br />
<strong>Bayerische</strong>r <strong>Wald</strong> eines Besseren belehrt.<br />
Es werden ihm die Augen übergehen, was ein <strong>Wald</strong><br />
so veranstalten kann. »<strong>Der</strong> <strong>Wald</strong> braucht uns nicht«, sagt in<br />
einem Nebensatz recht lapidar ein echte Waidlerin, die wir später<br />
noch vorstellen werden. Man kann sich von ihr durch diesen<br />
zauberhaften <strong>Wald</strong> führen lassen. Das haben wir ausprobiert.<br />
Hinein in die Wildnis also beim Parkplatz in Finsterau. Ab da<br />
sind es noch drei Kilometer zur deutsch-tschechischen Grenze.<br />
Jahrzehntelang das Ende der westlichen Welt, die Grenze zur<br />
ehemaligen Tschechoslowakei.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> war lang das »Armenhaus« Bayerns. Statt<br />
fruchtbarer Äcker der Donauebene, offenem Weideland und<br />
Weinbergen, hatte man hier »nur« <strong>Wald</strong>. Dann kam noch die<br />
Grenzziehung, geografisch gezogen oder politisch, jedenfalls<br />
eine Wand. Was blieb, war der <strong>Wald</strong> und von dem galt es sich<br />
zu ernähren. Mit ihm lebte man zusammen. Man musste drauf<br />
schauen, dass es ihm gut ging und er als Lebensgrundlage weiter<br />
taugte. Ein Nationalpark wie dieser hätte deshalb vielleicht woanders<br />
gar nicht so mutig entstehen können.<br />
Die Entwicklungen im ältesten Nationalpark Deutschlands<br />
werden mittlerweile wissenschaftlich begleitet – die dortige<br />
Forschungsabteilung hat sich weltweit einen Namen gemacht.<br />
Und sie kann Antworten auf viele Fragen geben. Was passiert<br />
eigentlich, wenn ein <strong>Wald</strong> einfach nur <strong>Wald</strong> sein darf, so wie<br />
das hier nicht ohne Widerstand vor 50 Jahren entschieden wurde?<br />
Was macht er mit seinen abgestorbenen Flächen? Wie passt<br />
er sich an steigende Temperaturen an – ohne die Einmischung<br />
des Menschen in einer Welt, die eigentlich im Kosten- und<br />
Nutzenmodus tickt?<br />
Es ist eine gewaltige Chance, hier im Nationalpark <strong>Bayerische</strong>r<br />
<strong>Wald</strong> genau zu beobachten, was passiert, wenn der millimetergroße<br />
»Buchdrucker« seinen Lebenssinn darin sieht, kranke<br />
und schwache Fichten ihrem schnellen Ende zuzuführen. Und<br />
der Mensch eben mal nicht eingreift.<br />
Unsere Wanderung mit der Rangerin auf markierten Pfaden<br />
durch diesen wilden <strong>Wald</strong> ist beeindruckend. Ein besonderes<br />
Gefühl, dass wir abseits gekennzeichneter Pfade diese Natur<br />
nicht betreten dürfen. Mystisch, geheimnisvoll, Blicke in eine<br />
Welt, die uns nicht »insta« ist.<br />
Im Nationalpark lehrt der <strong>Wald</strong>. Extremismus in Sachen Nachhaltigkeit,<br />
könnte man das auch nennen. Ein alter Baum fällt<br />
um. Auf seinem Wurzelstock wächst ein neuer Baum. Moose<br />
siedeln sich an. Im Schatten und den Löchern, die seine stürzenden<br />
Wurzeln gerissen haben, entstehen feuchte Biotope für<br />
Amphibien. Absterben füttert hier eine Fülle von neuem Leben.<br />
<strong>Der</strong> Rotrandige Fichtenporling hat sich wieder angesiedelt. Ein<br />
Pilz, der nur an sterbenden Fichten lebt, und der gleich auch<br />
mal die zitronengelbe Tramete angelockt hat, einen parasitären<br />
Pilz am Pilz, der eigentlich schon als ausgestorben galt. Totholz<br />
ist nicht Totholz. Totholz der Fichte erzeugt ein anderes Biotop<br />
als Totholz der Buche. Für die Biodiversität ist das wesentlich.<br />
<strong>Der</strong> Nationalpark ist ein Forschungslabor, von dem wir alle<br />
profitieren. Dieser <strong>Wald</strong> zeigt, was er uns empfiehlt für die Zukunft.<br />
In Sachen Artenvielfalt, Humusbildung, Anpassung an<br />
den Klimawandel …<br />
Die Rangerin, die uns fast fünf Stunden diese erstaunlichen<br />
Einblicke eröffnet hat, heißt Brigitte Schreiner. Eine geborene<br />
Waidlerin, die von ihrem Glück spricht, jeden Tag im<br />
<strong>Wald</strong> zu sein. Neben all den Besonderheiten auf unserem Weg,<br />
den Blicken, den Düften, den Geschichten, erfahren wir viel<br />
über ihre persönlichen Wurzeln im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>. Als wär<br />
sie ein Baum hier. Diese Natur jedenfalls öffnet nachhaltig die<br />
Sinne, wenn man sich drauf einlässt. Vieles hätten wir nicht bemerkt<br />
ohne unsere fachkundige Führerin. Sie ist, wie auch die<br />
anderen Ranger und Rangerinnen, täglich unterwegs im Nationalpark,<br />
schaut nach dem Rechten, informiert die Besucher<br />
und Besucherinnen, beseitigt mittlerweile viel Müll und passt<br />
auf ihren <strong>Wald</strong>, seine Tiere, Pilze und Pflanzen auf.<br />
»No Insta«, sagt sie. Hmm. Insta wird grad von TikTok abgelöst.<br />
Ein ordentliches Sterben einer großen Buche als Totholz<br />
dauert dreißig Jahre. Insta vermodert recht schnell scheinbar<br />
und was bleibt?<br />
Man kann sich das ein oder andere Achtsamkeitsseminar vermutlich<br />
sparen und stattdessen einfach im Nationalpark wandern<br />
gehen. Die Wege respektvoll nicht verlassen, weil dieser<br />
<strong>Wald</strong> uns dafür Eindrücke, ja fast Gemälde, zeigt, die wir so<br />
nicht gesehen hätten, wenn wir quer durchgetrampelt wären.<br />
Ein geheimes menschenfreies Reservat, das wir noch brauchen<br />
werden und von dem wir lernen können.<br />
6
7
8
Tipp: <strong>Wald</strong> und Mensch, Waidler und Woid: In St. Oswald erfährt man darüber sehr viel mehr. Das <strong>Wald</strong>geschichtliche Museum (mit <strong>Wald</strong>bahn<br />
und Bus erreichbar) bündelt alles rund um den <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>. Hintergründe, Wissenschaftliches, Historisches, Interaktives, breit vernetzt, ohne<br />
Eintritt und vor allem sehr umfassend und inspirierend bietet dieses Museum viele Antworten auf alle Fragen rund um den Nationalpark.<br />
9
10
MENSCH UND WALD = ?<br />
Das ist eine spannende Frage. Das Ergebnis hinter<br />
dem »Istgleich«-Zeichen? Wir fahren – nicht zu<br />
verwechseln – heute in den NATURPARK Oberer<br />
<strong>Bayerische</strong>r <strong>Wald</strong>. Eben nicht zu verwechseln mit dem NA-<br />
TIONALPARK <strong>Bayerische</strong>r <strong>Wald</strong>. Auf der Fahrt dorthin<br />
verkünden die Nachrichten: Rein rechnerisch ist heute irgendwo<br />
auf diesem Planeten der achtmilliardste Mensch geboren<br />
worden. Hier ist alles ruhig, trotz dieser beunruhigenden<br />
Nachricht recht menschenleer. Mitte November und noch immer<br />
ein Farbspektakel wohin das Auge auch blickt. Die Wiesen<br />
beeindruckend grün, die letzten Blätter haben sich in gleißendes<br />
Gold gehüllt. Die Sonne blendet, man weiß nicht recht,<br />
wie dick man sich anziehen soll, aber dann wird es doch alles<br />
zu warm bergauf. Wir treffen die Rangerin Laura Wollschläger<br />
auf dem Wanderparkplatz am Kaitersberg.<br />
Um mit ihr eine Runde um diesen mehr als geschichtsträchtigen<br />
Felsbrocken zu drehen. Rangerin wie die in Kanada, das<br />
wollte sie immer schon werden, erzählt sie. Und hat es geschafft,<br />
hier im tiefen <strong>Wald</strong>, als Fränkin, aus Fürth, eigentlich eine<br />
Großstadtpflanze. Die auf ihren Führungen von den älteren<br />
Einheimischen immer wieder allerhand heimische Geschichten<br />
erzählt bekommt. Eine wunderbare Arbeit, Geschichten<br />
weitertragen, Menschen durch diesen <strong>Wald</strong> führen.<br />
Unsere Wanderung um den Kaitersberg bietet neben sagenhafter<br />
Naturschönheit auch sagenhafte Geschichten: Hier hauste<br />
der wilde Räuber Heigl. <strong>Der</strong> Heigl zählte wohl zu den vermeintlich<br />
»guten Räubern«, indem er bevorzugt Vermögende<br />
ausraubte. <strong>Der</strong> Robin Hood des <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>es also. Und<br />
die »Rauchröhren«, zwei hohe zylinderförmige Felsbrocken,<br />
die den Kaitersberg krönen, dienten im Dreißigjährigen Krieg<br />
der Bevölkerung als Versteck vor den einfallenden Schweden.<br />
Die Felsen schirmten den hellen Schein der Feuer nach außen<br />
ab, der Rauch konnte nach oben abziehen.<br />
Kaitersberg, Arber oder Lusen zählen zu den begehrtesten<br />
Ausflugszielen des <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>es. Auch für Fotografen.<br />
Nachhaltiger Naturschutz funktioniert hier am besten ohne<br />
»Insta-Post«. Dann gibt es sie nämlich weiterhin, diese Tage,<br />
an denen man ganz allein da oben auf dem Berg stehen kann. So<br />
wie heute zum Beispiel. Beim Abstieg dann ein kleiner Schreck.<br />
Hier wurde gewaltig abgeholzt! Maschinen haben tiefe Spuren<br />
im Boden hinterlassen. Naturpark heißt nämlich nicht Nationalpark.<br />
Im Naturpark ist der <strong>Wald</strong> auch wirtschaftlich mit uns<br />
Menschen verbunden. Nur der kleinste Teil des Naturparks<br />
ist Staatswald. Einige besondere Teile sind Naturschutzgebiete.<br />
<strong>Der</strong> größte Teil aber ist privater Wirtschaftswald. Aus dem<br />
die <strong>Wald</strong>bauern das »Käferholz« schnell hinausschaffen. Und<br />
als Brennholz verkaufen, das derzeit unsere vielen neuen Öfen<br />
heizt! Die frisch abgeholzten Flächen wirken erstmal schockierend.<br />
Oft aber werden genau diese Flächen von einem Auerhahn<br />
besetzt, weil er die Lichtung liebt. Im Nationalpark haben<br />
wir bereits gelernt, dass die Brachen im <strong>Wald</strong> nicht unbedingt<br />
schlecht sind. Verjüngung kann stattfinden, der <strong>Wald</strong> stellt sich<br />
neu auf. Allerdings bleibt im Nationalpark das Totholz für Pilze<br />
und Insekten liegen – statt in unseren Öfen zu landen. <strong>Der</strong><br />
Naturpark hingegen bezieht uns Menschen mit ein. Räuber<br />
oder nicht.<br />
Während der Nationalpark versucht, den <strong>Wald</strong> vor uns acht<br />
Milliarden streng zu beschützen, ist der Naturpark ein Miteinander<br />
von Mensch und <strong>Wald</strong>. Also eigentlich auch ein Experiment.<br />
Hier begegnen sich täglich unterschiedlichste Interessen.<br />
Wirtschaften, Wandern, Jagen, Radfahren, Bäume umarmen,<br />
Langlaufen, den Blick genießen, durchschnaufen und sich erholen.<br />
Bei der Frage, was den Naturpark »nachhaltig« macht, kam<br />
eine klare Antwort. Bildung! Vermittlung, was <strong>Wald</strong> eigentlich<br />
leistet. Das beginnt schon bei den ganz Kleinen. Anton<br />
Auerhahn, Luki Luchs und ein paar weitere lustige Gesellen<br />
begleiten Schulkinder im Naturpark durch deren Alltag. <strong>Wald</strong>projekttage<br />
und Ausflüge zum Thema Nachhaltigkeit und Artenschutz<br />
sind feste Bestandteile der Umweltbildung.<br />
Keineswegs nur für die Kleinen. Die Rangerinnen und Ranger<br />
bieten übers Jahr zahlreiche Führungen und Wanderungen<br />
an. <strong>Wald</strong>erkundung mit Gleichgesinnten. Wir begegnen dabei<br />
Schwefelflechten, die am liebsten »saures« Gestein besiedeln<br />
und uns heute grell entgegenleuchten. Oder hören von den<br />
Eigenheiten der seltenen Kammmolche am Pfahl, die nur in<br />
fischfreien Tümpeln leben wollen. Die hier von Menschenhand<br />
neu angelegt werden. Also, wie lautet nun die Antwort auf unsere<br />
Frage? Mensch und <strong>Wald</strong>? Was kommt dabei heraus? <strong>Der</strong><br />
<strong>Wald</strong> beherbergt vieles, was überlebenswichtig für uns acht Milliarden<br />
Menschen sein wird. Je achtsamer wir mit dem <strong>Wald</strong><br />
umgehen, je mehr Respekt wir ihm entgegenbringen, umso<br />
mehr kann er uns zurückgeben. Wärmendes Holz, reine Luft,<br />
geheime Ruheoasen, das Schimmern seiner goldenen Blätter,<br />
Tautropfengeglitzer, seidene Spinnweben und das Murmeln<br />
seiner zahllosen Wasseradern. Mensch und <strong>Wald</strong>, das kann gut<br />
zusammengehen, finden wir. Am <strong>Wald</strong> liegt’s nicht.<br />
Tipp: Wer den nachhaltigen Abschluss seiner Wanderung im<br />
Naturpark sucht, dem sei die Einkehr in einem der Gasthäuser,<br />
die sich zum »LandGenuss Bayerwald« zusammengeschlossen<br />
haben, ans Herz gelegt. Regional und köstlich.<br />
11
12
<strong>Wald</strong> bis zum Horizont und Menschen darin, die ihre Heimat lieben und schützen.<br />
13
WALD, WASSER, WALDWASSER<br />
Zu 95 Prozent bestehen wir bei unserer Geburt<br />
aus Wasser. Ein wenig senkt sich dieser Anteil im Lauf<br />
des Lebens, am Ende sind es aber immer noch stolze 70<br />
Prozent. Zwei bis drei Liter verlassen uns täglich. Würden wir<br />
nicht nachfüllen, wären wir in spätestens sechs Tagen mausetot.<br />
Gesundes Wasser ist deshalb unentbehrlich. Wasser verdunstet,<br />
regnet, tanzt als Schneeflocke um unsere Nasen, bildet Teiche,<br />
Flüsse und Meere. Ein gewaltiger globaler Kreislauf. Wir als<br />
»Durchlaufstation« mittendrin. Wäre dieser Kreislauf nicht<br />
nachhaltig, ginge ganz schnell gar nichts mehr.<br />
Wie eng <strong>Wald</strong> und Wasser verbunden sind, lässt sich auf einer<br />
kleinen »Wasserreise« durch den <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> hervorragend<br />
erkunden.<br />
Beginnen wir bei einem Spektakel ganz besonderer Art. Am<br />
Fuß des <strong>Wald</strong>es, etwa 25 Kilometer unterhalb der Dreiflüssestadt<br />
Passau fließt die Donau in einem gewaltigen Strom<br />
hinüber nach Österreich. Hier liegt das Donaukraftwerk Jochenstein.<br />
Auf der Fahrt durchs »Naturschutzgebiet Donauleiten<br />
Passau bis Jochenstein«, entlang des glitzernden breiten<br />
Stroms, gewinnt man bereits eine leise Ahnung, um welche<br />
Masse an Wasser es sich hier tatsächlich handelt. Die gewaltige<br />
Kraft des Flusses lässt sich auf einem Gang über die bebende<br />
Staumauer sogar körperlich spüren. Das 1956 in Betrieb genommene<br />
Kraftwerk ist mit seinen fünf Kaplanturbinen das<br />
größte Laufkraftwerk Deutschlands. Betreiber ist mittlerweile<br />
der österreichische VERBUND, einer der größten Erzeuger<br />
von Strom aus Wasserkraft in Europa. In Jochenstein wird Wasser<br />
zu Strom. »Klimafreundlich«.<br />
Wir treffen uns mit dem Leiter des »Haus am Strom«, dem<br />
Biologen Ralf Braun. Ein Freund der Flora und Fauna, ein<br />
genauer Beobachter für das Zuwandern von Arten entlang der<br />
Donau. Beim Thema Fisch verweist er mit Begeisterung auf alte<br />
Bilder des Europäischen Hausen. Ein Stör, der bis zu neun Meter<br />
lang wird und im Schwarzen Meer beheimatet ist. Seinen<br />
Laichzug machte er ursprünglich auch die Donau hinauf, über<br />
eine sagenhafte Strecke von mehr als 2.000 Kilometern. Gejagt<br />
wurde er schon von den Römern, die über »Nachhaltigkeit«<br />
vermutlich noch nicht nachgedacht hatten, dafür aber auch<br />
keinen Strom verbrauchten. Am Kraftwerk Jochenstein ist eine<br />
recht einladende »Umgehungsstraße« für Fische in Planung.<br />
Bei einem Besuch im »Haus am Strom« lässt sich sehr viel über<br />
Wasser lernen, über unsere Abhängigkeit und unseren Umgang<br />
14
Oben: Das Donaukraftwerk Jochenstein verwandelt<br />
Wasserkraft in Strom. Nachhaltiger geht es fast nicht!<br />
Unten: Das »Haus am Strom» vermittelt Natur und<br />
Ökologie der Donauleiten und der Donau.<br />
15
Links: <strong>Der</strong> Hischkäfer ist einer der beeindruckenden<br />
Bewohner der Wälder an der<br />
Donau.<br />
Rechte Seite oben links: <strong>Der</strong> <strong>Wald</strong>wasserbrunnen<br />
spendet wohltuende Erfrischung<br />
an heißen Tagen.<br />
Rechte Seite oben rechts: »Das Haus am<br />
Strom« vermittelt lebendig und unterhaltend<br />
die Ökologie der Donau und der<br />
Donauleiten.<br />
Rechte Seite unten: Das Flusskraftwerk<br />
Jochenstein mit den Donauleiten.<br />
mit dem Element. Ein Tretboot lädt ein, mit Schweiß auf der<br />
Stirn eine kleine »Energieerzeugungsfahrt« zu machen, um<br />
»eigenbeinig« zu erfahren, wieviel Kraft es im Wadel tatsächlich<br />
braucht, um eine 40 Watt-Birne in Gang zu setzen. Ein sehr<br />
sinnlich konzipiertes Museum. Mit einem wasserbetriebenen<br />
Aufzug. Und mit lebenden wie ausgestopften Bewohnern. Das<br />
Aquarium bietet einen Blick quasi unter die Wasseroberfläche<br />
auf eine kleine Schar typischer Donaufische, wie zum Beispiel die<br />
Nase. An einem ausgestopften Biber wird die Möglichkeit echter<br />
Nachhaltigkeit vorgeführt: Zwar fällt der zottige Langzahn reihenweise<br />
Bäume, pflanzt nichts nach oder leistet gar Ausgleichszahlungen,<br />
aber mit dem, was er baut, schafft er laufend neue<br />
Ökosysteme für zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten.<br />
Spannend auch für Kinder, da das Museum viel Wert auf interaktives<br />
Vermitteln legt. Kein erhobener Zeigefinger, sondern<br />
viel Entdeckerfreude rund um das komplexe Thema Mensch<br />
und Wasser.<br />
Wir wollen uns donauaufwärts bewegen, um zu erkunden, wo<br />
es eigentlich herkommt, dieses viele Wasser. <strong>Der</strong> Trinkwasserbrunnen<br />
direkt vor dem Museum schickt den Wasserreisenden<br />
schon auf den Weg: »<strong>Wald</strong>wasser«! »<strong>Wald</strong>wasser«? Eine<br />
spannende Sache: Sieben Landkreise im und um den <strong>Bayerische</strong>n<br />
<strong>Wald</strong> und die Stadt Deggendorf haben sich genossenschaftlich<br />
ihr wertvolles Trinkwasser als Marke gesichert – um<br />
es nachhaltig gegen Gewinnmaximierung zu schützen. <strong>Wald</strong><br />
speichert zwar viel Wasser, aber aus geologischer Sicht hatte der<br />
<strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> schon immer ein Grundwasserproblem – es<br />
fließt durch den granitenen Untergrund recht schnell ab. Was<br />
bereits 1983 zum Bau der Trinkwassertalsperre in Frauenau<br />
führte. Ohne dieses besondere Bewusstsein für den Wert des<br />
Lebensmittels Wasser gäbe es das deutschlandweit beispielhafte<br />
»<strong>Wald</strong>wasser«-Projekt vermutlich nicht. Davon profitieren<br />
nicht nur 225.000 Menschen in Niederbayern und der Oberpfalz,<br />
sondern auch der Gast im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> kann das<br />
»<strong>Wald</strong>wasser« mittlerweile an unzähligen Orten verkosten.<br />
Hoteliers und Wirte servieren es gern passend in den schönen<br />
Karaffen und Gläsern der Glasfachschule Zwiesel. Regionales<br />
Handwerk umschmeichelt regionales Wasser. Schöner geht’s<br />
nicht! Und auch abseits der Gastronomie begegnen dem Wanderer<br />
oder Radfahrer an immer mehr Orten die »<strong>Wald</strong>wasser«brunnen.<br />
Womit wir wieder am Anfang wären: Ein Schluck und wir sind<br />
wieder »Durchlaufstation« im weltweiten Wasserkreislauf.<br />
Diesmal mitten im <strong>Wald</strong> und mit dem großen Vergnügen, ein<br />
gesundes Wasser zu verkosten, das vielleicht noch Geschichten<br />
von knorrigen Bäumen, aus geheimnisvollen Hochmooren,<br />
murmelnden Bachläufen und verborgenen Höhlen zu erzählen<br />
weiß …<br />
16
17
18
Links: <strong>Der</strong> »Bierpapst« und Nachaltigkeitspionier Bernhard Sitter.<br />
Rechts oben: Die Sudkessel sind nicht nur Dekoration.<br />
Rechts unten: Stolz präsentiert Bernhard Sitter seine Holzvergaser.<br />
NACHHALTIG BIER TRINKEN<br />
Darf man nur so viel trinken wie gebraut werden<br />
kann? Oder soll man so viel brauen wie getrunken werden<br />
kann? Würde man beim Bier so denken wie Hans<br />
Carl von Carlowitz 1713 über die Nachhaltigkeit in der<br />
Forstwirtschaft, wären die Folgen fatal. Beschäftigen wir uns<br />
statt mit dem Konsum lieber mit der Herstellung dieses herrlichen<br />
Getränks. Im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> gibt es dazu echte Experten.<br />
Wir besuchen den »Bierpapst« des <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>es, den<br />
Biersommelier, Brauer, Wirt und Hotelier Bernhard Sitter.<br />
Dazu geht’s weit hinauf. Als wir schon fürchten, dass hier<br />
nichts mehr kommt außer Bäumen, sind wir da. Wir betreten<br />
das Hotel durch einen Nebeneingang und finden uns von 6000<br />
Maßkrügen umgeben wieder! Wir staunen. Eine beeindruckende<br />
Sammlung, die mit zahlreichen Kuriositäten durch 100 Jahre<br />
Braugeschichte führt. An der Rezeption empfängt uns dann<br />
der Sitterbräu höchstpersönlich. <strong>Der</strong> zum Thema Nachhaltigkeit<br />
eine Menge zu sagen hat. Dabei geht es ihm vor allem um<br />
die Energie. Denn das Hotel mit seinen weitläufigen Wellnessanlagen<br />
sowie die Brauerei sind komplett CO2-neutral – und<br />
zwar gänzlich ohne Zertifikatehandel! Eines der wenigen<br />
Hotels weltweit übrigens. Geschafft wird das durch eine Holzverstromungsanlage.<br />
Sie erzeugt zwei Mio. kWh Strom und ca.<br />
fünf Mio. kWh Wärme pro Jahr, viermal so viel wie Hotel und<br />
Brauerei selbst benötigen. Im Laufschritt dann durch sein Imperium.<br />
Wir sind erstaunt, wie durchdacht sämtliche Abläufe sind.<br />
Wärme, die bei der Holzvergasung mehr nebenbei anfällt, heizt<br />
die Pools. In der Küche geht’s weiter: Frisch, ehrlich, regional und<br />
bei der Stromerzeugung bemüht man sich auch beim Kochen,<br />
nichts zu verschwenden. Nebenan entsteht ein »Energiewald«<br />
aus einer Pappel-Weiden-Kreuzung, die besonders frohwüchsig<br />
ist, und alle fünf Jahre »geerntet« werden kann. Es gäbe noch<br />
viel zu schreiben. Wir sind uns sicher, dem Herrn Sitter gehen<br />
die Ideen nicht aus, denn er denkt bereits über die Herstellung<br />
von »Terra preta« nach, schwarze Erde, die unglaublich fruchtbar<br />
ist und vor allem im Amazonasbecken anzutreffen. Eigentlich<br />
die logische Fortsetzung von Holzverstromung und Hotelbetrieb.<br />
Mit dem Ergebnis, Böden zu verbessern und alles wieder<br />
dahin zurückzugeben, woher es kommt. Ein Kreislauf. Wir sind<br />
beeindruckt. Geht doch! CO2-freier Urlaub, sich mit gutem Gewissen<br />
im geheizten Außenbecken treiben lassen und danach bestes<br />
Bier und regionale Köstlichkeiten genießen.<br />
19
Links: Rudi Hirz prüft den Hafer für seine besonderen Bierkreationen.<br />
Rechts: Die »Seminarbrauerei« für Bierseminare in der modern<br />
eingerichteten Brauliebe.<br />
Weiter geht’s, denn wir wollen noch zu einem »Kollegen« des<br />
Sitterbräu: Zum »Apostelbräu« Rudi Hirz in Hauzenberg.<br />
Brauer in fünfter Generation, mit Herzblut und ebenfalls ungewöhnlichen<br />
Ideen. Das verwundert nicht, wenn man sich ein<br />
bisschen einliest in die Geschichte dieser Brauerei. 1890 wurde<br />
sie von Josef Hirz (Ururgroßvater von Rudi Hirz) in der<br />
Hauzenberger Bräugasse 1 gegründet. Als Wagnermeister hatte<br />
er mehr Ambition als Brauerfahrung, das Bier war schlecht,<br />
was ihn aber keineswegs abschreckte. Er überzeugte die Kundschaft<br />
von den heilbringenden Wirkungen seines Getränks und<br />
hinterließ, als er mit 80 Jahren starb, mehrere heilkundliche<br />
Bücher. Die Begeisterung für die gesunde ursprüngliche Getreidesorten<br />
hat sich eindeutig weitervererbt. Die nachfolgenden<br />
Generationen eigneten sich aber zusätzlich auch noch das<br />
nötige Handwerkszeug an. 1931 übernahmen zuerst Sohn und<br />
dann Enkel die Brauerei. Rudi Hirz versteht sein Handwerk.<br />
2020 gewann sein »Schwarzer Hafer« den Bio-Oscar – eine<br />
Auszeichnung, die für die besten Bioprodukte Bayerns vergeben<br />
wird. <strong>Der</strong> Schwarzhafer ist eine alte Sorte mit dunklen<br />
Körnern. Regional angebaut. Das ist Rudi Hirz sehr wichtig.<br />
Er überzeugt jährlich die umliegenden Biolandwirte, für<br />
ihn Urgetreidesorten wie Einkorn, Emmer, Schwarzhafer oder<br />
Dinkel sowie Biogerste und -roggen anzubauen. Unabhängigkeit<br />
vom Ausland, von störungsanfälligen langen Lieferketten<br />
und von Zwischenhändlern. Die Wertschöpfung soll in der Region<br />
bleiben. Eine eigene Mälzerei und Sud vom eigenen Hopfenfeld<br />
machen den Apostelbräu zusätzlich autark. Und köstlich!<br />
Das neueste Projekt ist die »Brauliebe«, die Rudi Hirz<br />
direkt neben seine Brauerei gestellt hat. Die Inspiration dazu<br />
holte er sich in Italien, wo er oft zugange war. Und so gibt es<br />
zu den Bierspezialitäten herrlich duftende Pizzen. Geht gut zusammen,<br />
konnten wir feststellen. Die großzügige Architektur<br />
hat sogar noch Platz für Seminar- und Veranstaltungsräume.<br />
Auf Bierseminaren und im »1. Original Dinkelbier-Museum«<br />
lässt sich Erstaunliches lernen und entdecken.<br />
»UNABHÄNGIGKEIT VOM AUSLAND<br />
UND DIE WERTSCHÖPFUNG SOLL IN<br />
DER REGION BLEIBEN. «<br />
20
21
KLEINE PFLANZEN, GROSSE WIRKUNG<br />
Zum Thema Kräuter haben wir uns mit einer Fachfrau<br />
getroffen. Vor allem eine Fachfrau für Naturschutz und<br />
viele botanische Themen: Anette Lafaire, Gebietsbetreuerin<br />
im Naturpark Oberer <strong>Bayerische</strong>r <strong>Wald</strong>. Was bedeutet<br />
nachhaltiges Verhalten in Bezug auf diese kleinen wertvollen<br />
Pflanzen eigentlich, die oft recht unauffällig den Weg säumen?<br />
Die Naturschützerin, die vor allem mit einem botanischen Interesse<br />
an die Sache herangeht, hat da einiges beizutragen. Kräuter<br />
lieben häufig die mageren, trockenen Standorte. Manche<br />
sind nur weit oben zwischen Felsköpfen zu finden, Wind und<br />
Wetter direkt ausgesetzt. Im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> ist Granit und<br />
Gneis vorherrschend. Noch prächtiger wird’s auf Kalk. Wer<br />
schon mal am Mittelmeer wilden Thymian gekostet hat, der ist<br />
enttäuscht vom heimischen Topfthymian, der zwar prächtig ins<br />
Kraut schießt, geschmacklich aber mit seinem wilden Bruder<br />
nicht mithalten kann.<br />
Im Naturpark gibt es Standorte, die nachhaltig Schutz erfahren.<br />
Das Vorkommen von wilder Arnika beispielsweise wird sogar<br />
ein wenig geheim gehalten, um räuberische Blütensammler abzuhalten.<br />
Das Abreißen der Blütenköpfe verhindert ihre Fortpflanzung<br />
und bedeutet oft das Ende der ganzen Population.<br />
Arnica montana L., wie sie sich botanisch nennt, ist eine wertvolle<br />
Heilpflanze, die sich auf sonnigen Weiden wohlfühlt. Zu<br />
ihrem Schutz wird hier im Naturpark manchmal auch grasenden<br />
Schafen verboten, sich die Pflanzen vor Abwurf der Samen<br />
schmecken zu lassen. <strong>Der</strong> Rückgang der Arnica montana lässt<br />
sich auf den jahrzehntelangen Verlust von extensivem Grünland<br />
und unpassende Landnutzung zurückführen. Und damit<br />
sind wir bei der Nachhaltigkeit. Das Vorkommen seltener und<br />
wertvoller Kräuter ist oft Gradmesser dafür, wie wir mit unserer<br />
Landschaft umgehen.<br />
So unauffällig viele Kräuter daherkommen, so gewaltig ist im<br />
Gegensatz dazu ihre Wirkung. Ein großer Teil unserer Arzneien<br />
basiert auf ihren Inhaltstoffen. Man denke auch an die<br />
heilkundlichen Forschungen der Hildegard von Bingen<br />
oder das reiche Wissen, das in Klöstern über die Jahrhunderte<br />
zum Thema entstanden ist. Einen schönen Einblick dazu gibt<br />
das Franziskanerkloster in Neukirchen beim Heiligen Blut.<br />
Seit 350 Jahren gedeihen hier die Pflanzen in einem herrlichen<br />
Garten. in dem sich alles um die Schöpfung, um gartenbauliche,<br />
gesundheitliche und ökologische Aspekte dreht. Von Mai<br />
bis Oktober ist er mit Führungen zugänglich und soviel darf<br />
gesagt werden: Hier gibt es eine Menge altes Gartenwissen zu<br />
entdecken. Und altes Kräuterwissen kommt im <strong>Bayerische</strong>n<br />
<strong>Wald</strong> auch bei einer wunderschönen Tradition zum Ausdruck:<br />
Am 15. August, dem Feiertag Mariä Himmelfahrt, werden die<br />
»Kräuterbuschen« geweiht. Pflanzen, die Mensch und Vieh<br />
hilfreich waren, wurden zu Sträußen gebunden und nach der<br />
Segnung an dunkle luftige Orte des Hauses, den Herrgottswinkel,<br />
den Dachboden oder auch in den Stall gehängt. Im Dunkel<br />
behielten die Pflanzen zudem ihre Heilkräfte und man konnte<br />
sich den ganzen Winter über gegen allerhand Beschwerden<br />
daraus bedienen. Beeindruckend in jedem Fall auch wie das<br />
umfangreiche Wissen über verschiedenste Heilwirkungen der<br />
Pflanzen von Generation zu Generation weitergegeben wurde.<br />
Den Mittelpunkt des Buschen bildet auch heute noch die Königskerze,<br />
auch Marienkerze genannt. Gegen Halsweh, Heiserkeit<br />
und Husten. Schafgarben und Johanniskraut dürfen nicht<br />
fehlen. Salbei, Alant, Spitzwegerich, Arnika, Beifuß, Lavendel,<br />
Ebereschenbeeren, Frauenmantel, Ringelblume und Kamille<br />
und noch viele weitere heilkräftige Pflanzen umrunden die Königskerze.<br />
<strong>Der</strong> Anzahl der verwendeten Kräuter kommt dabei<br />
auch noch eine magische Bedeutung zu. Sieben, neun, zwölf<br />
oder 99 Kräuter sollten es am besten sein. Die Sieben beispielsweise<br />
steht für die sieben Schöpfungstage.<br />
Verbrennt man bei Gewittern und Stürmen ein paar Pflanzenteile,<br />
ist man vor Blitz und Unglück gefeit. Sagt man.<br />
Doch nicht nur als Blitzableiter werden Kräuter verbrannt.<br />
Das alte Ritual des Räucherns begleitet die Menschen seit jeher.<br />
Dem Kräuterduft wird dabei reinigende Wirkung für Wohnräume<br />
und Ställe nachgesagt und sogar Heilkraft für Kranke. In<br />
jedem Fall aber ein sehr sinnliches Ritual, das in unserer hektischen<br />
Zeit für ein wenig Ruhe sorgen kann, ganz abgesehen<br />
vom bezaubernden Duft, den Fichtenharz und Salbei hinterlassen.<br />
Und dann gibt es da natürlich noch zwei sehr spezifische Kräuterspezialitäten<br />
des <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>es: Meum thamanticum<br />
und Potentilla Tormentilla, und zwar in hochprozentiger, flüssiger<br />
Form. Bärwurz und Blutwurz. Unverkennbar und etwas<br />
eigenwillig. Echte Waidler also. Mit heilsamer Wirkung nach<br />
einem schweren Essen, ansonsten – wie auch bei allen anderen<br />
Kräutertrunken – beachte man die richtige Dosierung, da sonst<br />
der Schuss auch nach hinten losgehen kann.<br />
Tipp: Und wer nun Feuer gefangen hat und nachhaltig mehr<br />
lernen möchte, für den bietet der <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> viele Führungen<br />
durch <strong>Wald</strong> und Wiesen an – mit Kräuterexpertinnen.<br />
Denn meist sind das traditionell die Frauen, die hier die Führung<br />
übernehmen. Teilnehmende Männer aber jederzeit willkommen.<br />
22
23
24
»DE WO VUI SCHNEIN, DE HAM WENG OBST«<br />
Geballtes Wissen des Streuobstexperten Josef<br />
Jakob im Lallinger Winkel bei Deggendorf. Er wird<br />
gern der »Birnensepp« genannt. In seinem Satz steckt<br />
eigentlich das gesamte Wissen in Sachen Nachhaltigkeit. Er<br />
bringt auf den Punkt, wie unser Umgang mit der Natur sein<br />
sollte. Und unsere Ernte dann sein könnte.<br />
Aber erstmal hinein in den Lallinger Winkel. Im Vorwald bei<br />
Deggendorf gelegen, zeichnet sich diese Gegend schon immer<br />
aus durch ihr mildes Klima im Talkessel. Um 780 etablierten<br />
hier die Benediktinermönche von Niederalteich den Obstanbau.<br />
Garantiert orientierten sich die Mönche am Paradies:<br />
Eine blühende Landschaft und die Menschen im Einklang<br />
damit. Ein Stückerl dieses Paradieses wurde hier bis heute auf<br />
den Streuobstwiesen rund um Lalling bewahrt. In einer Zeit, in<br />
der gerade alle über die Nachhaltigkeit reden, wieder ziemlich<br />
aktuell.<br />
Was ist eigentlich eine Streuobstwiese? Per Definition braucht<br />
es dafür »hochstämmige Baumformen«. Die »verstreut« in<br />
der Landschaft stehen. Daher der Name. Ihre Bewirtschaftung<br />
ist »extensiv«. Das ist wichtig. Die gegenteilige »intensive«<br />
Bewirtschaftung ist darauf ausgelegt, möglichst viel Ertrag auf<br />
möglichst geringer Fläche zu erwirtschaften. Die Pflanzen werden<br />
gezielt beschnitten, klein (»niedrigstämmig«) und eng gehalten<br />
– deshalb ist auch einiges an chemischer Behandlung zur<br />
Schädlingsbekämpfung von Nöten. Das Landschaftsbild spielt<br />
bei dieser Bewirtschaftungsform keine Rolle.<br />
Die Streuobstwiesen hingegen sind von jeher prägend im Bild<br />
der mitteleuropäischen Kulturlandschaft. Allein im Frühling<br />
hier diese blühenden, sanft zum <strong>Wald</strong> ansteigenden Wiesen<br />
entlang der Donau zu erleben, ist ein Feuerwerk für Augen<br />
und Nasen. Unter den Bäumen wachsen Wiesen für Heugewinnung,<br />
Beweidung, Artenvielfalt. Die Lebensdauer einiger<br />
der »verstreuten« Apfelbäume beträgt bis zu 120 Jahre. So ein<br />
Baum begleitet und versorgt uns also ein ganzes Leben und sogar<br />
noch unsere Kinder. Maria Gruber vom Streuobstzentrum<br />
Niederbayern in Lalling lässt die Bäume auch nach ihrem Absterben<br />
gern als Totholz auf den Wiesen. Sie sind ein Zuhause<br />
für Pilze und Insekten, die nachfolgende Bäume und die ganze<br />
Wiese weiter erhalten. Streuobstwiesen beherbergen über<br />
5.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten. Sowie über 6.000 Obstsorten!<br />
Viele alte Sorten wären ohne den Einsatz, die Überzeugung<br />
und das Wissen der Streuobstbäuerinnen und -bauern<br />
nicht mehr vorhanden. In Sachen Biodiversität also spektakulär.<br />
Links: Das Fallobst der Streuobstwiesen ist Lebensraum für<br />
viele Tiere und Organismen.<br />
Oben und nächste Seite: Im späten Sommer, wenn das Obst<br />
reif ist, entfalten die Streuobstwiesen im Lallinger Winkel<br />
ihren besonderen Charme.<br />
25
In den dicken Borken der alten Bäume finden Vögel Nahrung,<br />
Baumhöhlen werden zu Bruthöhlen. Fledermäuse, Wendehälse,<br />
Steinkäuze und Grünspechte lieben diese Kulturlandschaft.<br />
Fallobst ist lebenswichtig für zahllose Falter und Schmetterlinge.<br />
Die wiederum als Bestäuber eine wichtige Rolle spielen.<br />
Also eigentlich sind hier alle glücklich. Und werden satt.<br />
Auch der Mensch, der in diesem paradiesischen Garten erntet.<br />
Eine besondere Spezialität der Vorwaldwiesen und des Lallinger<br />
Winkels, ist der Most. Ein gesundes Getränk mit langer Tradition,<br />
mit oder auch ohne Alkohol. Seit der Keltenzeit wird er hier<br />
an der Donau bis hinunter ins niederösterreichische Mostviertel<br />
gekeltert. Besonders geeignet sind dafür gerbstoffreiche Birnen.<br />
Dazugegeben werden Most-, Wirtschafts- oder Tafeläpfel.<br />
Teils auch Quitten. Selten die Früchte des Speierlingsbaums,<br />
ein mittlerweile fast unbekannt gewordener Wildobstbaum.<br />
Gelegentlich auch Kirschen. Im Lallinger Winkel finden sich<br />
viele Experten für alte Sorten und ihre Verarbeitung. Anna Sigl,<br />
eine 86-jährige Einödbäuerin, hat die Kunst des Veredelns von<br />
Obstbäumen schon im Alter von acht Jahren gelernt. Legendär.<br />
Ein wenig berühmt wurde sie nebenbei auch durch das Buch<br />
»Anni und Alois. Arm sind wir nicht. Ein Bauernleben«, erschienen<br />
2012.<br />
Weiter im Lallinger Winkel: <strong>Der</strong> ist auch ziemlich jung! Denn<br />
hier im Paradies wird jährlich die »Deutsche Mostkönigin«<br />
gekrönt. Eine Tradition seit 1994. Was Folgen hat. Zum Beispiel<br />
den Königinnengarten in Lalling. Hier stehen die Bäume<br />
der Most-Majestäten: Herzogin Olga, Klapperapfel, Große<br />
Prinzessin, … Ein kleiner Spaziergang führt von Lalling über<br />
den Königinnengarten nach Ranzing. Und über Frohnmühle<br />
wieder zurück.<br />
Aktuell amtiert Lisa Atzinger als 20. Repräsentantin paradiesischer<br />
Früchte. Gekrönt auf dem jährlichen Lallinger Mostfest<br />
Ende Mai.<br />
Im Übrigen zählt der Lallinger Winkel zu den »100 Genussorten<br />
Bayerns«. <strong>Der</strong> »Obstkorb des <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>es«,<br />
wie er auch genannt wird – hier bietet sich noch einiges neben<br />
dem Most: Apfelmarkt in Hunding, Hochprozentiges am<br />
Obstmarkt, der Streuobsterlebnisgarten oder Feng Shui am<br />
Kurparksee.<br />
Nach unserer Genusstour dann doch nochmal zurück zu unserem<br />
Anfangsgedanken. Die Streuobstwiese verbindet mit dem<br />
Nationalpark einiges – und das ist wohl genau das, was den<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> und seine Bewohner ausmacht: Eine tiefe<br />
Verbundenheit mit der Natur, ein genaues Beobachten und<br />
viel Vertrauen, dass die Natur schon alles richtig macht. Und<br />
wir dann ein Stück dieses Paradieses sein können. Nicht so viel<br />
zuschneiden und vielleicht genau deshalb eine gute Ernte bekommen.<br />
26
27
28
ALTE FUSSSPUREN ÜBERALL …<br />
»<br />
Meistens<br />
sehe ich die Welt doppelt,<br />
und zwar nicht wegen einem Glas, sondern die<br />
jetzige Zeit und alte Fußspuren überall.«<br />
Ein akribischer Ergründer dieser Fußspuren und der Mann, der<br />
uns hier Bob Dylan zitiert, heißt Jakob Wünsch, Mythenforscher<br />
aus dem Landkreis Deggendorf und unermüdlicher<br />
Entdecker der alten Fußspuren, die sich im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong><br />
bis hinüber nach Böhmen finden. Nachhaltig, denn durch ihn<br />
blitzen uralte Erzählungen plötzlich wieder in unserer Gegenwart<br />
auf. Zeitlose Erzählungen, denn Darsteller, Dramaturgie<br />
und Inhalte dieser Geschichten sind bis heute gültig. Nicht<br />
umsonst arbeiten Künstler wie Psychologen gern damit. Jakob<br />
Wünsch holt aus. Er spricht von Schamanen, deren Träume zu<br />
Erzählungen wurden, und diese dann zum Mythos. Entstanden<br />
im kollektiven Unterbewussten.<br />
Neben Bob Dylan, dem begnadeten Geschichtenerzähler,<br />
hält er es nämlich auch mit Carl Gustav Jung, dem<br />
Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie.<br />
Seine Archetypenlehre erklärt, warum ganz ähnliche<br />
Erzählungen in China wie im kleinen Bayern entstehen konnten.<br />
Sterne entstanden, weil Menschen mit Steinen Löcher ins<br />
schwarze Tuch der Nacht warfen, hinter dem man die Sonne<br />
vermutete. So erklärte man sich die Himmelskörper in China.<br />
Franz Xaver von Schönwerth sammelte in der Oberpfalz<br />
Geschichten ein, die das ganz ähnlich formulierten. Ein<br />
Feuerwerk für den Mythenforscher: Gab es eine gemeinsame<br />
Erzählung? Oder konnte die an verschiedenen Orten ganz ähnlich<br />
entstehen, weil wir Menschen uns letztlich in unseren tiefsten<br />
Träumen, Ängsten und Hoffnungen doch gleichen, instinktiv<br />
also recht ähnliche Geschichten erfinden? Wie auch immer,<br />
nachhaltig an der Sache ist, dass Mythen durch die Menschheitsgeschichte<br />
immer weitergetragen werden. Von Generation<br />
zu Generation. Hätte man damit aufgehört, wären wir heute<br />
kulturell und überhaupt recht arm dran. Archaisches Wissen,<br />
das der gesamten Menschheit gehört.<br />
Zurück in den <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>: Auf eine Wanderung zur<br />
Saulochschlucht bei Deggendorf beispielsweise. Eine wilde Gegend.<br />
Um die Entstehung dieses Naturdenkmals rankt sich ein<br />
Mythos von kegelnden Teufeln, die man sich beim Anblick der<br />
Felsbrocken bestens vorstellen kann. Und weiter hinauf: Auf<br />
1.000 Metern Höhe, versteckt im dichten Hochwald bei Greising,<br />
begegnet dem Wanderer die »Hölzerne Hand«. Hinterlassen<br />
von einem Mann, der sich im <strong>Wald</strong> verirrt hatte, und in<br />
seiner Verzweiflung lauthals versprach, jährlich eine Wallfahrt<br />
zu machen, wenn er nur wieder herausfände aus dem Dickicht.<br />
Worauf plötzlich eine alte Frau aus dem Gebüsch heraus erschien,<br />
die ihm stumm mit ihrer Hand die Richtung wies. Sagenhaft,<br />
wie eine solche Verzweiflung eine hilfreiche Wegweiserin<br />
herbeiführen kann.<br />
Dem modernen GPS-Wanderer würde die alte Dame vielleicht<br />
gar nicht auffallen. Denn dazu muss man sich mit offenen Augen<br />
in die Mystik dieses <strong>Wald</strong>es hineinziehen und sich auch ein<br />
wenig davon verwirren lassen. Wenngleich hier natürlich von<br />
Verirrung abgeraten und für das rechtzeitige Erscheinen hilfreicher<br />
alter Frauen keine Garantie übernommen werden kann.<br />
Gut beschildert führen Wanderwege hinauf auf den Lusen,<br />
1373 m, fünfthöchster Berg des Bayerwalds. Sein Felsgipfel ist<br />
eine geologische Sehenswürdigkeit. Und schon wieder: <strong>Der</strong><br />
Sage nach war auch hier der Teufel am Werk, als er die Granit-<br />
Felsblöcke über seinen Goldschatz aufgetürmt hat.<br />
Oftmals sind die Geschichten des Bayerwalds aus seinen sagenhaften<br />
Naturformationen hervorgegangen. Moore, Schluchten<br />
und Baumriesen mit geradezu menschlicher Anmutung.<br />
Unberührte Natur, die die Fantasie der Menschen bis zum<br />
heutigen Tag bewegt. Geschichten, die weitergetragen werden.<br />
Manchmal auch ganz schaurige, wie es den gesammelten<br />
»Weihrazgeschichten« des passionierten Grafenauer Geschichtensammlers<br />
und -erzählers Karl-Heinz Reimeier<br />
zu entnehmen ist. Auf seinen Recherchen nach Liedern, Bräuchen,<br />
Reimen und Sagen des <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>es kamen ihm<br />
immer wieder lang verschwiegene Erzählungen über Geister,<br />
arme Seelen, Wiedergänger, allerlei finstere Gestalten und wunderliche<br />
Vorgänge zu Ohren. Die er aufgeschrieben hat. Falls<br />
man »gründeln« oder sich gruseln möchte.<br />
Um nochmal Jakob Wünsch zu zitieren: »Mit den Mythen<br />
ist es wie mit einer Baumscheibe und ihren Jahresringen. Es<br />
kommt immer noch ein Ring, eine Erzählung dazu. Manches<br />
einfach nur, um die Geschichte in die Zeit zu heben. Das Interessante<br />
ist, sich von außen nach innen durchzuarbeiten und<br />
festzustellen, der Kern der Geschichte ist unberührt. Und noch<br />
heute gültig.«<br />
29
TEIG IM KOPF UND WAS MAN<br />
DARAUS LERNEN KANN …<br />
Ein sonniger Tag. Wir fahren abwärts, von Weiden hinab<br />
in eine kleine Senke. Wir besuchen einen Bäcker, der<br />
hier in neunter Generation sein Handwerk betreibt. Neun<br />
Generationen – nachhaltiger geht’s kaum! Die Grafmühle in<br />
Thyrnau bei Passau wurde zum ersten Mal 1190 erwähnt. Sie<br />
gehörte einem Grafen, daher der Name. 1620 wurde sie privatisiert<br />
und erworben von den Zimmermanns. 1713 heiratete<br />
Heinrich Bauer dann eine Zimmermann-Witwe. Seither<br />
lebt und arbeitet hier die Familie Bauer. Heute der Bio-Bäckermeister<br />
Josef Bauer mit seiner Frau, den Kindern und einem<br />
lustigen Dackel.<br />
Die Tür des beeindruckenden alten Gebäudes ist offen, obwohl<br />
der Laden heute geschlossen ist. Am Ende des langen Gangs<br />
Geräusche, ein Lichtschein. <strong>Der</strong> feine Geruch gibt die Richtung<br />
vor.<br />
»Bin glei do«. Ein bisschen dauert’s, dann steht er da, recht<br />
mehlig klopft er Hände und Kittel ab, es staubt, er schneuzt und<br />
schon sind wir mitten im Gespräch. Vor den alten Holzöfen,<br />
Passauer Manufakturen, Klappen in der Wand. »Den älteren<br />
hab ich 1926 gebaut«, witzelt Josef Bauer. Solche Scherze<br />
können nur entstehen, wenn man sich mit seinen Vorgängern<br />
tief verbunden fühlt. Den Ofen hat der Großvater gebaut und<br />
er wird noch heute täglich angeheizt. Davor zwei Schubkarren<br />
mit groben Holzscheiten. Aus dem eigenen <strong>Wald</strong> natürlich.<br />
Beim Thema Holzheizen erklärt uns Josef Bauer den Ringrohrbackofen,<br />
über den er nachdenkt. Mit Holzfeuer wird da<br />
Wasser zu Wasserdampf. <strong>Der</strong> dann ringförmig um die Backkammern<br />
zirkuliert. Ofen dreimal so groß, die Holzmenge wäre<br />
aber die gleiche wie jetzt. Weiter geht’s zur Mühle. Das ist kein<br />
leichtes Thema. <strong>Der</strong>zeit steht sie still. Passende Mitarbeiter zu<br />
finden ist ein Problem. Trotz individueller Arbeitsmodelle, die<br />
er anbietet. Wir wundern uns. In einer Zeit, in der alle gut und<br />
nachhaltig essen wollen, will keiner gut und nachhaltig arbeiten?<br />
Wo der Trend zum »Veggi« geht, wo regionale Produkte<br />
richtig Perspektive haben? »Brot« ist ein großes Thema. Übers<br />
»Selber-backen« – wofür in der Corona-Zeit mal Besinnung<br />
war – geht meisterliches Backen natürlich hinaus. Dabei geht’s<br />
um Leidenschaft. Handwerk und Kunst. Das merken wir schon,<br />
als Josef Bauer ins Detail geht. Die Getreidelieferanten. Mit<br />
denen er glücklich ist. »Regional«, das ist kein angesagtes Werbewort<br />
für ihn. Er kennt seine Lieferanten höchstpersönlich. Er<br />
weiß, wo sein Weizen, Roggen, Dinkel und mittlerweile auch<br />
der Emmer wachsen. Ein gutes Brot erfordert eine Art »Hineinspüren-Können«<br />
in den Teig. Das Getreide ist sowieso nicht<br />
jedes Jahr gleich. Da gibt es Schwankungen in seinen Reaktionen,<br />
auf die der Bäcker reagieren muss – und das ein oder andere<br />
zugeben, wenn der Teig sagt, dass er das jetzt heute braucht.<br />
Und dann kommen wir auf »Fodmap«. Böse Sache! Mitunter<br />
der Grund für viele Unverträglichkeiten. »Fodmap« ist die<br />
englische Abkürzung für »fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide,<br />
Monosaccharide und Polyole«. Schnell vergärende<br />
Kohlenhydrate, wie sie etwa in Süßigkeiten, Brot (besonders<br />
Weizen) oder Milchprodukten stecken. Was Josef Bauer dazu<br />
zu sagen hat, macht uns nachdenklich, und führt uns zu einem<br />
anderen Thema, das viel mit der Nachhaltigkeit zu tun hat. Es<br />
handelt sich um »Zeit«.<br />
»Teig im Kopf« – als er das sagt, lacht er – heißt für ihn der<br />
ständige Gedanke, wie es grad seinem Sauerteig geht. Bei dem<br />
er auch nachts manchmal noch vorbeischaut. Je länger so ein<br />
Teig ruht und sich mental aufs Backen vorbereiten darf, umso<br />
gesünder und bekömmlicher wird er für uns. Sogar bei seinen<br />
Kleingebäcken gönnt er dem Teig mittlerweile möglichst 12 bis<br />
24 Stunden. Aus dem Thema »Zeit« kommen wir in unserem<br />
Gespräch nicht mehr raus. <strong>Bayerische</strong>r <strong>Wald</strong> eben. Es wird philosophisch.<br />
Wie wollen wir arbeiten? Wie leben? Unsere Vorfahren<br />
haben viel gearbeitet, aber kontinuierlich. Ohne Stress.<br />
Wie der Sauerteig. Von diesem Bäckermeister kann man viel<br />
lernen. Allein die Formulierung, dass der »Teig geht«, spricht<br />
Bände. Zwei Worte, fast ein Gedicht, wenn man das genauer<br />
betrachtet …<br />
Nachhaltigkeit, das heißt auch weiterdenken können. Neun<br />
Generationen. Unfassbar viele Brote, die da gebacken wurden<br />
und werden, die Bäcker wie auch die Landwirte ernährt haben<br />
– und natürlich die Brotesser. Wasser und <strong>Wald</strong> liefern die<br />
Energie. Und jetzt ist da ein philosophischer Bäckermeister, der<br />
wieder weiterdenkt, während er duftende Brote backt und mit<br />
dem Teig spricht. Die Frau des Bäckermeisters hat’s erkannt: Es<br />
ist eine große Achtsamkeit in der Arbeit, die hier täglich gemacht<br />
wird. <strong>Der</strong> ruhende und gehende Teig. Ruhen und Gehen<br />
… typisch für diese Region.<br />
Tipp: Die »Kleine Wasserkraft« ist im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> einer<br />
der stärksten Energieerzeuger. Was an vielen alten Mühlen und<br />
dem natürlichen Gefälle liegt. Ein Stopp lohnt sich immer, sobald<br />
sich ein Mühlenrad zeigt! Und sei das nur, um dem Gemurmel<br />
des Wassers zuzuhören, das da aus dem <strong>Wald</strong> kommt<br />
… vielleicht trifft man dort zusätzlich einen Philosophen, der<br />
köstliches Brot backt.<br />
30
31
32
33
34
Links: Lucki Maurer im »Stoi« bei seinen Waygu-Rindern.<br />
MEHR ANALOG VIELLEICHT …<br />
Ein Besuch im »STOI«, Schergengrub 3, bei Rattenberg.<br />
Wo unten im Donautal der Nebel wabert, spitzt hier<br />
die Sonne raus und erleuchtet die weitläufigen Wiesen<br />
und Weiden, auf denen sich hinter der nächsten Hügelkuppe<br />
die schwarzen Rinder von Lucki Maurer vermutlich grade<br />
herumtreiben. Wir sind ein bisschen zu früh, deshalb sehen wir<br />
noch, wie er bestens gelaunt auf seinem kleinen Traktor unterwegs<br />
ist. Auch wenn diese Rinder hier ganzjährig in ihrer Herde<br />
draußen sind, muss er täglich nach dem Rechten sehen, für<br />
genug Wasser sorgen oder sich um den Strom in den Zäunen<br />
kümmern. »Aktives Weidemanagement« nennt man das. Was<br />
bedeutet, dass die Herde immer mal wieder ein Stückchen weiterzieht.<br />
Das verlangt genug Gelände und Aufmerksamkeit in<br />
Sachen Boden und Pflanzen. Viel Arbeit mit der Heuernte für<br />
den Winter ist eh klar.<br />
Lucki Maurer ist bekannt wie ein bunter Hund, den meisten<br />
Menschen fällt gleich das Grillen ein, sein Spezialistentum<br />
in Sachen Wagyu-Rinder. Auftritte in Kochshows, Artikel in<br />
renommierten Zeitschriften, eine ganze Reihe eigener Bücher,<br />
ein ausgeklügeltes Sortiment an Profi-Grillgerätschaften und<br />
neuerdings, auch angeregt durch die »nicht-systemrelevante«<br />
Coronaschließung der Gastronomie, Schraubgläser, die vom<br />
Rehragout bis zum Boeuf Bourguignon Selbstgekochtes beinhalten.<br />
Eine logische Entwicklung, stellen wir fest, als wir mit<br />
ihm ein Gespräch über die »Nachhaltigkeit« anfangen. <strong>Der</strong><br />
ein oder andere Vegetarier oder Veganer runzelt hier vielleicht<br />
die Stirn und argumentiert, da dreht sich doch alles um Fleisch!<br />
Pupsende Kühe und Methan! Das ist richtig. Dahinter aber<br />
steht hier ein überzeugter Waidler, der in Sachen Kochen die<br />
Welt bereist und viel gelernt hat. Und jetzt – »stoisch« könnte<br />
man sagen – den Hof seiner Großeltern in die nächste Generation<br />
führt. Da wird’s spannend.<br />
Denn einig waren wir uns gleich: Die Generation unserer<br />
Großeltern hat über Nachhaltigkeit nicht viel gesprochen, sie<br />
aber täglich gelebt. Vorratshaltung – eine Selbstverständlichkeit.<br />
Fleisch hatte hohen Stellenwert, das gab es keineswegs<br />
täglich. Gefüttert wurde mit eigenem Heu, die Schweine mit<br />
leckeren Küchenresten. Selbst denken war überlebenswichtig.<br />
Heute bestellen wir »Prepperbücher«, wollen wieder lernen,<br />
wie Lebensmittel haltbar gemacht werden, weil die Angst vor<br />
dem großen Stromausfall umgeht.<br />
Und noch mehr schöne neue Begriffe: Zero Waste .… Lucki<br />
Maurer betreibt das längst, indem er seine Tiere komplett<br />
verarbeitet. Da entsteht gar kein »Waste«. Aus dem Leder<br />
seiner Tiere werden neuerdings Kochschürzen genäht, die vermutlich<br />
erst nach 200 Jahren täglichem Einsatz ihre schönste<br />
Patina erreichen. »Tierwohl« – auch so ein neues Wort. Ein<br />
wenig eng ums Herz wird es dem Lucki Maurer sichtbar,<br />
als er vor dem Dry Ager steht, in dem gerade die Reste seines<br />
liebsten Bullen Benno reifen. Benno durfte 14 Jahre alt werden,<br />
führte ein stiergerecht wildes Leben und hat unzählige Nachkommen.<br />
Auch als Ochse erlebt man in Schergengrub mindestens<br />
fünf glückliche Weidesommer. Geschlachtet wird vor Ort<br />
mit fachmännischem Schuss. Stresslos.<br />
<strong>Der</strong> Respekt dem Tier gegenüber ist auch spürbar, als wir im<br />
Stall die Kälbchen besuchen. Die dürfen da rein und raus, haben<br />
sogar die Freiheit, sich von der Mama abzusondern, um sich<br />
mit den Kälbchenkollegen ins dicke Stroh zu kuscheln. Was<br />
sichtbar genutzt wird.<br />
Nachhaltigkeit. Das hat wirklich viel mit Respekt zu tun. Gegenüber<br />
dem Tier. Und mit viel bäuerlichem Wissen um den<br />
hohen Wert von Lebensmitteln. Darum geht’s hier. Diese Haltung<br />
setzt sich in der »Kocherei« des Lucki Maurer fort.<br />
Kulinarik sollte eigentlich ein Schulfach sein wie Rechnen und<br />
Schreiben, oder auch die Musik, sagt er. Weil es mit Wertschätzung<br />
zu tun hat. Und damit auch Wertschätzung den Menschen<br />
gegenüber. Da taucht zum Beispiel ein Thema wie Rassismus gar<br />
nicht auf. Weil’s um Dinge geht, die uns alle ganz essenziell miteinander<br />
verbinden. Vielleicht erscheint ja mal ein philosophisches<br />
Buch vom Lucki Maurer, das wär schön.<br />
Da verbindet und benennt ein bodenständiger kluger Koch und<br />
Landwirt aus dem <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> auf schönste Weise vieles,<br />
was neuerdings so kompliziert überall herumwabert. Und je<br />
mehr geredet wird, umso unlösbarer erscheinen die Probleme.<br />
Ein »analoger« Mensch sei er und beklagt sich ordentlich,<br />
dass das neue Album seiner Lieblingsband so schwer noch als<br />
einfache CD zu bekommen sei. Die will er kaufen, auspacken<br />
und sich in aller Ruhe hinsetzen zum Anhören. Mal schnell<br />
downloaden und nebenbei hören kommt für ihn nicht in Frage.<br />
Altmodisch, möchte man meinen, aber eigentlich wahnsinnig<br />
modern. Raus aus dem Hamsterrad, genießen und den Dingen<br />
damit Respekt zollen. Nachhaltig hören, sozusagen.<br />
35
36
37
Oben: Den Kühen der Berls geht es sichtlich gut.<br />
Unten links: Nur durch viel Leidenschaft für das Handwerk entsteht ein besonderes Produkt.<br />
Unten rechts: In ihrem Hofladen kann man den Käse der Berls kaufen.<br />
KÄSE, DER NACH WIESE SCHMECKT!<br />
Wir besuchen Markus Berl auf seinem Biomilchhof<br />
bei Ascha. Er hat viel zu tun. Trotzdem haben<br />
wir zueinander gefunden. So geht’s an diesem klaren<br />
Tag runter von der Autobahn, hinein in den hügeligen Vorwald,<br />
durch Dörfer mit alten Wirtshäusern und schließlich durch ein<br />
Wäldchen, hinter dem sich abrupt weitläufige Weiden auftun.<br />
Ohne Kuh. Stattdessen verlustiert sich dort gerade krächzend<br />
eine große Schar Vögel. Was die da wohl grad rausziehen aus<br />
dem Boden, fragen wir uns. Markus Berl rennt vorbei, parkt<br />
schnell einen Traktor um und will sich noch umziehen, weil<br />
er aus dem Kuhstall kommt. Im Laufschritt erledigt er diverse<br />
Handwerkerprobleme und Anfragen aus der Käserei. Landwirtschaft<br />
im Winter – früher war das mal ein Aufatmen, weil nix<br />
los war. Man spann Wolle, erzählte sich Geschichten und hat<br />
viel geschlafen. Das Gegenteil scheint hier der Fall zu sein. Jetzt<br />
ist er so weit. Umgezogen, wohlriechend und mit zwei Kaffeetassen<br />
in der Hand.<br />
»Nachhaltig«? Eigentlich eine seltsame Frage. Erste Aufzeichnungen<br />
seines Hofs lassen sich zurückverfolgen auf das Jahr<br />
1250! Wäre hier nicht nachhaltig gewirtschaftet worden, gäbe es<br />
den Hof längst nicht mehr. Aber warum macht der Berl Markus<br />
plötzlich was anders? Zurück zum Biobauern und die Kühe<br />
raus aus dem Stall?<br />
Es begann recht harmlos. Markus Berl brauchte nach seiner<br />
Hofübernahme eine neue Milchkammer. Während er da so vor<br />
sich hin mauerte, kam in seinem Kopf das eine zum andren und<br />
wurde immer größer. Die Milch kommt von seinen Kühen. Sie<br />
schmeckt eindeutig besser, wenn die Kühe Gras und Heu fressen.<br />
Diese Qualität bis zum Endprodukt zu halten, ist für die<br />
Berls echte Wertschöpfung. Nicht umsonst ließen sie ihre Milch<br />
nebenbei von einem österreichischen Lohnkäser zu Rohmilchkäse<br />
verarbeiten. Abgesehen davon: Die Kuhherde wäre auf den<br />
Weiden eindeutig glücklicher. Kuhglück ist Markus Berl<br />
und seiner Frau Sonja ebenso wichtig wie die Milch, von der<br />
sie leben. Also, Kühe raus! Und konsequent Heumilch und die<br />
A2-Milch, für die der Biohof 2022 beim Wettbewerb »Bayerns<br />
beste Bioprodukte« mit Gold ausgezeichnet wurde, selbst verarbeiten<br />
und vermarkten. Wer »A2« sagt, muss scheinbar auch<br />
»B« wie »Bio« sagen und »D« wie »Direktvermarktung«.<br />
Die Milchkammer wurde immer größer. Trinkmilch, Joghurt<br />
und Butter aus eigener Herstellung folgten. Als man dann beim<br />
»K« wie »Käse« und »Käserei« angelangt war, wurde es<br />
richtig aufwändig. Käsen ist Kunst! Und der <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong><br />
schließlich nicht das Allgäu, wo es eine lange Käsetradition gibt.<br />
Familie Berl hatte der Ehrgeiz jetzt gepackt. Als sein Lohnkäser<br />
in die wohlverdiente Rente ging, war der nächste Schritt<br />
fällig: Markus Berl lernte das Käsen selbst. Dass er sich dafür<br />
quer durch Europa beste Lehrmeister ausgesucht hat, kann man<br />
heute schmecken. Seine Käsesorten sind nicht einfach nur Bio-<br />
Käse. Wir probieren uns im Hofladen durch das Sortiment, das<br />
vom Buglkäse über Schnittkäse über Camembert bis zum Stilton<br />
reicht. Jeder anders. Und kann mit Schweizer oder Französischen<br />
Spezialitäten ziemlich gut mithalten, finden wir. Nicht<br />
ohne Grund beliefert er mittlerweile auch Feinkosthändler in<br />
München oder Hamburg. Oder den Starkoch des <strong>Bayerische</strong>n<br />
<strong>Wald</strong>s, Lucki Maurer. Aber auch ganz bodenständig zahlreiche<br />
Biomärkte und Käseläden der Region. Wir reden über Landwirtschaft.<br />
»<strong>Der</strong> Käse verzeiht nichts«, sagt Markus Berl.<br />
Er verändert Verhalten und Geschmack, wenn die Milch nicht<br />
passt. Und die hängt untrennbar damit zusammen, was die Kuh<br />
frisst. Dafür bewirtschaftet er allerhand Flächen. Die Wiesen<br />
bereichert er mit gesunden Kräutern, er baut Erbsen, Kleegras,<br />
Luzerne und Hafer an. Auf die Qualität des Heus achtet er penibel.<br />
Beim Schnitt der Wiesen lässt er Blühstreifen für Insekten,<br />
Feldhasen, Rebhühner und Rehe zurück. Die Düngung übernehmen<br />
die Kühe. Sie stehen fast ausschließlich auf Stroh, das<br />
als Festmist im Sommer zurück auf die Wiesen wandert. Jährlich<br />
verbessert sich dadurch die Bodenqualität, ernährt Pflanzen<br />
und Bodenlebewesen, und ist im Winter auch noch Nahrung<br />
für Vögel, die sich hier am Hof die Körner holen. Käseherstellung<br />
braucht viel Wasser. Am Berlhof ist das Quellwasser aus<br />
dem <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>. Besser und viel weniger kalkhaltig als<br />
das Wasser aus der Leitung.<br />
»Den Hof gibt es seit 1250«, sagt Markus Berl, »und ich<br />
wollte auf keinen Fall derjenige sein, mit dem das hier endet«.<br />
Drum war es wichtig, nachhaltig zu denken. Und radikal umzubauen.<br />
Veränderung, um etwas erhalten zu können. Zwei seiner<br />
drei Söhne kommen von der Schule heim. Moritz erzählt uns<br />
von seinem Versuch, einen »halbfesten Schnittkäse mit im Buchenholz<br />
geräucherten Paprikaschoten« zu kreieren. Das kann<br />
ja noch lustig werden … Ludwig spielt ziemlich gut Fußball.<br />
Vor dem Stall stehen ein paar Kühe und werfen sehnsuchtsvolle<br />
Blicke hinüber zur Sommerweide. Vermutlich eine Winterdepression.<br />
Gegen die auf diesem Hof täglich etwas unternommen<br />
wird: Markus Berl sagt, bei allem Stress, den er hier hat, muss<br />
immer noch Zeit sein, seine Kühe zu streicheln.<br />
38
39
»RESPEKT UND HÖCHSTE KUNSTFERTIGKEIT. DAS IST<br />
DIE PHILOSOPHIE FÜR DIE SICH DER WEG LOHNT – UND<br />
SELBST DER IST WUNDERSCHÖN.«<br />
BACK TO THE ROOTS …<br />
»<br />
Rote<br />
Beete kommen jetzt, Kürbis ist durch.«<br />
Das haben wir heute gehört, als wir eine novemberliche<br />
Reise zu einem besonderen kleinen Restaurant<br />
im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> machten. Vor dem Wirtshaus<br />
warteten schon die Steigen mit den frisch geernteten Knollen.<br />
Ein paar Tragerl Bier dazu. Alles aus der Nachbarschaft. Vor<br />
dem Hintereingang sonnte sich eine schwarzweiße Katze auf<br />
grauem Fußabstreifer. Die Fahrt dorthin war imposant. Immer<br />
weiter hinauf und hinein in den Nationalpark. Raus aus dem<br />
Nebel der Donauebene. <strong>Der</strong> <strong>Wald</strong> außen rum immer wilder.<br />
Das Licht im Übergang vom unscharfen Nebel zum gleißend<br />
scharfen Blau geradezu mystisch. In Frauenau, dem Glasdorf,<br />
zweigt ein Sträßchen ab. Wiesen und Weiden, charaktervolle<br />
Pferde, Schafherden unsichtbar hinter Hügelkuppen, alter<br />
Baumbestand und das Gut der Freiherrn von Poschinger. Die<br />
nicht unbeteiligt sind an der bayerischen Geschichte. Ein alter<br />
Steinbrunnen plätschert im herbstlichen Biergarten. Sonst ist<br />
es hier einfach mal nur still. Früher Nachmittag, das Restaurant<br />
öffnet ausnahmsweise erst um 17 Uhr. Moritz Oswald de<br />
Mesquita empfängt uns. Ein außergewöhnlicher Name, und<br />
ein Koch, der schon die Welt bereist hat. Und das mitten im<br />
Bayerwald? Wir reden bei einem Bier in der Wirtschaft mit<br />
Moritz. Fragen ihn nach seiner Geschichte. Und hören, was<br />
wir immer öfter hören auf unserer Reise durch diese Region:<br />
Das Heimweh treibt sie zurück, die Waidler. Die Sehnsucht<br />
nach ihrem <strong>Wald</strong>. In diesem Falle nach erlebnisreichen Jahren<br />
in Frankreich, dem Eldorado für Gourmets. Lyon und Paris.<br />
Zurück in einen <strong>Wald</strong>, wo definitiv keine Auster zu ernten ist.<br />
Dafür aber ein Saibling.<br />
Kulinarisch hätten er und sein Mann Fabio, ebenfalls Koch,<br />
gern radikal mit Moosen begonnen. 100 Prozent regional – in<br />
der Spitzengastronomie sogar recht angesagt derzeit. Weiter<br />
hätte sich dann auch konsequent keine Zitrone mehr auf einem<br />
Schnitzel gefunden, weil die hier schließlich nicht wachsen. Als<br />
es Radlern und Kindern deswegen dann fast die Tränen in die<br />
Augen trieb, wurde ein Kompromiss gemacht und der Zitronenschnitz<br />
kam wieder drauf, aufs Schnitzel …<br />
Aber noch lang keine Pommes dazu. Sondern flachgedrückte<br />
kleine Kartoffeln, die grade – höchst knusprig – zum Liebling<br />
der Kinder avancieren.<br />
Es ist ein anderes kulinarisches Denken, das hier herrscht, im<br />
schönen grünen Interieur mit den alten Jagdbildern. Manch-<br />
40
mal ist einiges auf der Karte vielleicht schon aufgegessen von<br />
Gästen, die früher da waren. Manchmal hat der Nachbar grade<br />
geschlachtet und dann ist unter dem Schlagwort »Kurzgebratenes«<br />
genau zu erwarten, was vom Tier von »nose to tail«<br />
(ohne was zu verschwenden) respektvoll und mit höchster<br />
Kunstfertigkeit verarbeitet wird. Das kann auch Lunge oder<br />
Zunge sein. Spezialitäten. Das ist die Philosophie. Dafür lohnt<br />
sich der Weg. Mal ganz abgesehen von der schönen Fahrt dorthin.<br />
Was soll das eigentlich, haben wir gefragt, sich als Koch in einer<br />
landwirtschaftlich so kargen Umgebung niederzulassen und<br />
sich darauf zu beschränken, was diese Kargheit so abwirft?<br />
Was ein Koch mit Können dazu zu sagen hat, klingt nie karg.<br />
Das Gegenteil ist der Fall. <strong>Der</strong> <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> als Naturraum<br />
gibt so vielen besonderen Pflanzen ein Zuhause. Berühmt ist er<br />
für seine Kräuter. Hier werden deshalb auch mal Tagetes verarbeitet,<br />
Storchenschnabel und anderes »wilde Zeug«. Geschmäcker<br />
mit Heilwirkung.<br />
Vielleicht auch mit der Zusatzwirkung, uns zur Besinnung zu<br />
bringen – in einer Zeit, in der die Supermarktketten die Kürbissaison<br />
bis zum März hinausziehen. Dann wird er eben aus<br />
Südafrika eingeflogen, während der letzte »hiesige« Kürbis im<br />
Dezember eigentlich schon gegessen ist. Spannend an der ganzen<br />
Besinnung und den heimgekehrten Köchen im <strong>Bayerische</strong>n<br />
<strong>Wald</strong>: Es wird vieles neu versucht oder wiederentdeckt, das wir<br />
schon fast vergessen haben: Wintergemüse mit ihren Krautsorten,<br />
Kohl und Rüben. Spitzenköche verwirklichen sich plötzlich<br />
wieder beim Fermentieren. Ein geräucherter Tofu überzeugt sogar<br />
eingeschworene Leberkässemmel-Esser und kommt zu 100<br />
Prozent aus dem <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>! Keine Abholzung am Amazonas<br />
und bio sowieso. Womit wir bei der Landwirtschaft wären.<br />
Kargheit macht zwangsläufig kreativ. Sie eröffnet auch Freiraum<br />
für Freigeister. Ums Eck denken zu können war das Resultat.<br />
Und vorher eben immer überlebenswichtig in dieser Region.<br />
Ums Eck herum und damit auch um allerhand Bäume herum.<br />
So hat uns der Koch Moritz Oswald de Mesquita erzählt,<br />
dass er auch erstmal um einige Bäume herum musste, um direkt<br />
in Frauenau diesen wunderbaren Saiblingszüchter zu entdecken.<br />
Vielleicht macht’s das aus, die Reise in den Bayerwald. Ums Eck<br />
eröffnet sich eine Lichtung und genau da ist das Besondere zu<br />
finden – was man grad gesucht hat, als man aus dem moosigen<br />
Dunkel des <strong>Wald</strong>s aufgetaucht ist.<br />
41
42
Links: Auf dem Wochenmarkt in Viechtach werden<br />
viele lokale und regionale Produkte angeboten – den<br />
besonderen Einkaufsflair gibt es gratis dazu.<br />
LANGSAM IM WOID<br />
Macht man in Deutschland eine Umfrage,<br />
welche Ferienregion als besonders nachhaltig empfunden<br />
wird, so steht der <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> ganz oben<br />
auf der Liste. »Tolle Landschaft, Wandern, Berge, Erholung,<br />
<strong>Wald</strong>« sind die Stichpunkte, die den Menschen gleich einfallen.<br />
Aber wer urlaubt eigentlich im »Woid« – und warum? 2019<br />
wurden 1,4 Millionen Besucher im Nationalpark gezählt. Im<br />
Coronajahr 2020, zum 50. Geburtstag des Nationalparks, gab<br />
es in Deutschland nur »Urlaub dahoam« – statt »mit dem<br />
Flugzeug weit weg«. Wohnmobile waren gar nicht mehr so<br />
schnell zu produzieren wie sie bestellt wurden. Jeder war am<br />
liebsten im eigenen Haus unterwegs. Ein »Besucheransturm«<br />
auch im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>. Es gab Verstöße gegen die Regeln,<br />
die im Nationalpark die Natur schützen – einfach mal quer<br />
durchlaufen oder das fahrende Häuschen mitten im <strong>Wald</strong> abstellen.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> wie der Nationalpark wurden<br />
ähnlich überschwemmt wie die Voralpen Sommer für Sommer.<br />
Mittlerweile urlauben im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> zunehmend auch<br />
die Münchner, um dem Rummel vor der eigenen Haustür zu<br />
entgehen. Und um hier etwas zu finden, das einen Urlaub zum<br />
Urlaub macht: Erholung und Auszeit.<br />
Mittlerweile fliegen die Flugzeuge ja wieder, es wird nachgeholt<br />
und vorgeflogen mit dem Argument, dass man ja nicht weiß,<br />
wie lang man sich das noch leisten kann …<br />
Interessant ist ein weiterer Blick in die Statistik, der zeigt, dass<br />
viele, die im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> Urlaub gemacht haben, wiederkommen.<br />
Südtirol gab kürzlich bekannt, keinesfalls noch weitere Touristenunterkünfte<br />
bauen zu wollen. An den Lieblingsorten<br />
der Insta-Fotografen wie den Drei Zinnen oder dem Pragser<br />
Wildsee gibt es demnächst Zugangsbeschränkungen. <strong>Der</strong> Bayerwald<br />
geht’s gelassen an. Nach Corona hat es sich hier wieder<br />
entspannt. Dennoch: »Vom Boa weg«, wie man so schön sagt,<br />
konzentriert man sich auf die Nachhaltigkeit der Ferienregion.<br />
Ökologie, Ökonomie und soziale Verträglichkeit gehören zusammen.<br />
Lebenswert soll es bleiben für die Bewohner. Sonst ist<br />
es für den Gast auch nicht schön.<br />
Wir treffen uns mit einer Expertin, Monika Häuslmeier,<br />
Tourismuschefin in Viechtach. Und sind beeindruckt. Eine<br />
echte Netzwerkerin mit übergreifendem Denken. »Nachhaltigkeit«<br />
funktioniert nicht als Inselstaat, sagt sie.<br />
43
44
Oben: Mit der <strong>Wald</strong>bahn geht es von Viechtach ganz bequem durch eine<br />
der schönsten Landschaften des <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>es zum Wandern.<br />
Unten links: Das malerische Schwarzregental.<br />
Unten rechts: <strong>Der</strong> Weg zu den Öffis ist nie besonders weit.<br />
»DER TOURISMUS DES BAYERISCHEN WALDES KOMMT<br />
NICHT LAUT DAHER, VIELLEICHT IST DAS DER GRUND,<br />
WARUM VIELE WIEDERKEHREN.«<br />
Viechtach ist als Fair-Trade-Stadt zertifiziert. Das ist auch einem<br />
engagierten Bürgermeister zu verdanken, der das schon<br />
vor vielen Jahren vorangetrieben hat. Fair-Trade-Stadt zu werden<br />
bedeutet, dass Lokale, Schulen, Vereine, Geschäfte, die<br />
Wirtschaft und die Behörden an einem Strang ziehen müssen.<br />
Sonst wird das nix. Im Gespräch wird das spürbar. Viechtach<br />
hat sogar ein »Jugendparlament«. Und auf dem berühmten<br />
Bauernmarkt, der mitunter Grund ist für die Auszeichnung<br />
als einer von »100 Genussorten Bayerns«, gibt es gelegentlich<br />
»Wastecooking« – ein Projekt von Jugendlichen, die mit nicht<br />
mehr verkäuflichen Lebensmitteln und der Unterstützung von<br />
Profiköchen für die Allgemeinheit ein kostenloses, hervorragendes<br />
Mahl auf dem Markt servieren. Abgesehen davon ist<br />
dieser Markt, ebenso wie der Wochenmarkt am Mittwoch, insgesamt<br />
ein wichtiger sozialer Treffpunkt. <strong>Der</strong> ein oder andere<br />
Stammtisch verabredet sich genau zur »Marktzeit«. Und angeboten<br />
werden herrliche regionale Produkte. »Die kurzen Wege<br />
sind wichtig«, sagt Frau Häuslmeier. Man kennt sich und<br />
man hilft sich und man redet und alle sind am Schluss beteiligt.<br />
Vielleicht ist das das Geheimnis. Alle müssen eingebunden sein.<br />
Dem Gast in Viechtach begegnet dieses Prinzip überall. Na bitte,<br />
geht doch. Und eine Gemeinde im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> macht’s<br />
vor. Statt Stadtflucht wird hier die »Stadtflucht rückwärts« erlebt:<br />
Viechtach baut, bevorzugt im Kern, Mehrfamilienhäuser.<br />
Die jungen Leute kommen zurück. Nachhaltig lebenswert also.<br />
Was man auch als Tourist hier erlebt. Steigt man in Viechtach in<br />
die <strong>Wald</strong>bahn, geht’s hinein ins »Bayerisch Kanada«, wie sich<br />
die unberührte Naturschönheit des Schwarzen Regens nennt.<br />
Stadtbus ist kostenlos und Trinkwasser gibt es aus öffentlichen<br />
Brunnen im Rahmen der »Kampagne Wasser«.<br />
<strong>Der</strong> Tourismus des <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>es kommt nicht laut daher,<br />
vielleicht ist das der Grund, warum viele wiederkehren.<br />
Das imposante <strong>Wald</strong>gebiet bedarf unserer Achtsamkeit. Dafür<br />
gibt der <strong>Wald</strong> viel zurück, was anderswo schwer zu finden ist.<br />
Zeit hat hier andere Dimensionen. Es gurgelt mal ein Bach,<br />
eine Nebelschwade hält sich am Baumwipfel fest, der Rotmilan<br />
zieht seine Kreise und nachts belauscht man mit viel Glück die<br />
Unterhaltung zweier <strong>Wald</strong>käuze. Eine leise Gegend, die dazu<br />
einlädt, endlich mal »anders zu reisen«. Bewusster. Langsamer.<br />
Aufmerksamer. Nachhaltigkeit hat hier Tradition und Expertentum,<br />
denn Ressourcen waren nie uneingeschränkt verfügbar,<br />
Zusammenhalt unabdingbar. Ein echter Schatz, der hier gehütet<br />
wird. Den man als Gast im »Woid« mit großem Genuss<br />
entdecken kann.<br />
45
WISSEN SCHAFFT NACHHALTIGKEIT!<br />
Je tiefer uns die Reise in Sachen Nachhaltigkeit in den<br />
<strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> führte, umso tiefer ging’s auch im Kopf.<br />
Eine Frage ergab eigentlich gleich schon wieder die nächste.<br />
Wir wollten den Dingen jetzt einmal wirklich auf den Grund<br />
gehen und besuchen deswegen das NAWAREUM in Straubing.<br />
Ende 2022 steht das Museum kurz vor seiner Eröffnung, letzte<br />
Vorbereitungen laufen, große Hektik. Mittlerweile freut sich<br />
die Einrichtung über einen gelungenen Start und zahlreiche begeisterte<br />
Besucher.<br />
Europaweit ist das Konzept des NAWAREUMs einzigartig. Eigentlich<br />
kein »Museum« im klassischen Sinne, denken wir bei<br />
unserem Rundgang, sondern eine Ausstellung, die wohl immer<br />
in Bewegung bleiben wird. Denn sie befasst sich mit Nachhaltigkeit,<br />
also sehr erfrischend mit unserer Gegenwart, unserem<br />
Leben als Mensch in dieser Zeit auf diesem Planeten.<br />
Vor dem Rundgang noch ein kleiner Exkurs: In der Donauebene<br />
finden sich unzählige steinzeitliche Siedlungsspuren. Das<br />
fruchtbare Schwemmland und die reich vorhandenen Rohstoffe<br />
ermöglichten es den Menschen früh, hier sesshaft zu werden.<br />
Nicht ohne Grund entstand genau hier, am Fuße des <strong>Bayerische</strong>n<br />
<strong>Wald</strong>es, nach und nach ein wissenschaftliches Zentrum<br />
in Sachen Nachwachsender Rohstoffe. Das TFZ (Technologieund<br />
Förderzentrum) als Einrichtung des <strong>Bayerische</strong>n Landwirtschaftsministeriums<br />
beschäftigt sich hier – noch bevor es<br />
2002 »TFZ« genannt wurde – eigentlich schon seit 1973 für<br />
den ländlichen Raum mit der Nutzung von Energieträgern aus<br />
nachwachsenden Rohstoffen und Reststoffen aus der Landund<br />
Forstwirtschaft. Biogene Festbrennstoffe, erneuerbare<br />
Kraftstoffe oder Materialien werden hier erforscht. Am TUM<br />
Campus Straubing verfolgen verschiedene Studiengänge Ziele<br />
im Bereich Nachhaltigkeit und Bioökonomie. Ein Standort des<br />
Fraunhofer-Instituts entwickelt nebenan katalytische Verfahren<br />
zur Nutzung nachhaltiger Rohstoffe und CO2. Also eine<br />
ganze Menge Kompetenz, die sich hier ballt.<br />
Aber was soll Wissenschaft, wenn sie nicht Wissen schafft, dachte<br />
man sich. Woraus die Idee für das NAWAREUM entstand.<br />
Damit zurück zum Haus. Die gelungene Architektur des Gebäudes<br />
spiegelt bei jedem Schritt und Blick, was Inhalt ist. Holz<br />
aus dem <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>. Interessante Ausblicke. Passivhaus.<br />
Gute Luft! Sofort riechbar beim Betreten. Die Luft wird aber<br />
schnell überholt von den organischen Windungen, die eine<br />
Bühnenbildnerin hier verwirklicht hat. Sie macht sich scheinbar<br />
eine Art von Magnetismus zunutze, der uns gleich in ein<br />
grünes Gebilde hineinzieht. Plötzlich finden wir Erdenbürger<br />
uns als Bestandteil einer Pflanzenzelle wieder. Hier geht’s also<br />
los mit dem Leben …<br />
46
47
48
DAS NAWAREUM IST TATSÄCHLICH KEIN »MUSEUM« IM KLASSISCHEN<br />
SINNE, SONDERN EINE GELUNGENE UND VIELSEITIGE AUSEINANDER-<br />
SETZUNG MIT UNS SELBST, UNSEREM KONSUMVERHALTEN, UNSEREM<br />
UMGANG MIT BEGRENZTEN RESSOURCEN.<br />
Und so geht’s auch weiter, eins ergibt hier ganz sinnlich das andre.<br />
Wachsen, sich ernähren, produzieren, Energie verbrauchen.<br />
Jede Station des Rundgangs birgt erstaunliche Entdeckungen.<br />
Oft auch ernüchternd in Hinsicht darauf, was grade alles als<br />
vermeintlich »nachhaltig« so unterwegs ist. Uns wurde erklärt,<br />
dass 1 kg Kaffeebohnen 19.000 l Wasser verbrauchen (den To-<br />
Go-Becher noch nicht mitberechnet vermutlich), 1 kg Schokolade<br />
17.000 l, 1 kg Schweinefleisch 6.000 l und 1 l Bier nur 300<br />
l. Das lässt nachhaltig Freude auf den nächsten Brauereigasthof<br />
aufkommen.<br />
Wir entdecken einen Fahrradschlauch, der sich sehr robust anfühlt<br />
und tatsächlich aus Löwenzahnwurzel hergestellt wurde.<br />
Es kann viel angefasst werden. Ein schönes Konzept. Denn<br />
»Begreifen« hat viel mit »begreifen« zu tun.<br />
Wer ein bisschen mehr Zeit und ein paar Spielkameraden mitbringt:<br />
An zwei sehr ausgeklügelten Stationen lassen sich erhellende<br />
Spiele spielen. Ein Dorf soll versorgt werden. Mit Energie<br />
und Landwirtschaft. Das kann dauern, wenn man’s drauf anlegt<br />
… ein guter Tipp für Bürgermeister oder die, die es noch werden<br />
wollen.<br />
Das NAWAREUM ist tatsächlich kein »Museum« im klassischen<br />
Sinne, sondern eine gelungene und vielseitige Auseinandersetzung<br />
mit uns selbst, unserem Konsumverhalten, unserem<br />
Umgang mit begrenzten Ressourcen. Einen wertvollen Beitrag<br />
dazu leistet die Kunst. Vom Eingang an bereichern Künstler mit<br />
Skulpturen und Installationen das Geschehen. Bis hinauf ans<br />
Ende des Rundgangs, denn in einem kleinen Gang kommen<br />
mitten im tiefsten Niederbayern zwei bemerkenswerte Briten<br />
zum Zuge: Paul Spooner und Tim Hunkin. Die mit ihren<br />
hölzernen Automatenkästchen »à la Struwwelpeter« für Erschrecken<br />
und Lachen sorgen.<br />
Es zeugt von Weitblick und Humor der Museumsmacher, diese<br />
beiden Künstler hier zum Zuge kommen zu lassen, die in<br />
Sachen Nachhaltigkeit keineswegs »auf der Brennsuppe dahergeschwommen«<br />
sind. Paul Spooner betreibt viele seiner<br />
»Automaten« mit einer einfachen Handkurbel. Womit<br />
er komplizierteste Vorgänge in Gang setzt. Tim Hunkin ist<br />
unter anderem Konstrukteur der Neal’s Yard Water Clock im<br />
Londoner Covent Garden Bezirk. Ein geniales Kunstwerk, das<br />
allein durch den Wasserfluss, ausgelöst von einem Vorratsbehälter<br />
auf dem Dach, betrieben wird.<br />
Gut gelungen, dieser kluge, humorige Abschluss. Bei dem man<br />
auch mal über sich selbst lachen kann. Vielleicht sind wir gar<br />
nicht so wichtig, wie wir denken. Aber ziemlich wichtig, dass<br />
wir denken! Das lässt sich hier lernen.<br />
TIPP: Das NAWAREUM endet nicht am Ausgang. Teil des<br />
Projekts ist der Garten. Und die Kastanie vor dem Haus, die gerade<br />
beschlossen hat, als fünfter Baum am bayernweiten Projekt<br />
Baum 4.0 teilzunehmen.<br />
49
50
Links: Im Brunner Hof sind die Überreste von 58 alten Bauernhöfen verbaut.<br />
NACHHALTIG FREUNDE<br />
Wer sind eigentlich die Gäste des <strong>Bayerische</strong>n<br />
<strong>Wald</strong>es? Und warum? Im Jahr 2019, also vor Corona,<br />
waren das 1,9 Millionen Menschen, die in der Region<br />
Erholung suchten. Mehrtägige Übernachtungsgäste – neben<br />
den regionalen Wanderern, die »ihren <strong>Wald</strong>« sowieso regelmäßig<br />
besuchen. Nur 6 - 16 Prozent der Gäste des Nationalparks<br />
sind zum ersten Mal hier, berichtet ein Artikel der Süddeutschen<br />
Zeitung aus dem Jahr 2020. Bemerkenswert. Denn<br />
diese Zahlen lassen auf nachhaltige Begeisterung schließen. <strong>Der</strong><br />
Hauptgrund für den Urlaub im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> ist – statistisch<br />
erfasst – glasklar: die Natur.<br />
Die sich hier recht radikal gebärdet. Weltweit gibt es kaum<br />
Wälder, in denen Menschen anderen Menschen das Betreten<br />
des <strong>Wald</strong>s nur auf bestimmten Wegen erlauben. Und sich dort<br />
dennoch auf genau diesen erlaubten Wegen ein spektakulärer<br />
Blick in eine Wildnis eröffnet, die man vorher so noch nie gesehen<br />
hat. <strong>Der</strong> Anspruch der traditionellen Bayerwaldgäste ist<br />
sehr hoch. Bewusstes Reisen, offene Augen, Mensch sein dürfen,<br />
der staunend diese Natur betrachtet.<br />
Unter den Urlaubern sind Menschen, die in ihrer Arbeit sehr<br />
gefordert sind und deshalb auf der Suche nach einer Auszeit.<br />
Vieles davon bestätigt uns ein erfahrener Gastgeber, der Wirt<br />
vom Brunner Hof in Arnschwang. Andreas Brunner ist<br />
ein Hotelier mit Herzblut. Mit 18, nach dem plötzlichen Tod<br />
des Vaters, hat er von heute auf morgen Gasthof und Metzgerei<br />
übernommen. Woraus er zusammen mit seiner Familie ein bemerkenswertes<br />
4-Sterne-Haus mit Wellness und bester Küche<br />
gemacht hat. Im Gespräch mit ihm stellen wir fest, dass seine<br />
Leidenschaft weit hinausgeht übers Hotelwesen. <strong>Der</strong> Vizepräsident<br />
des DEHOGA Bayern spricht vor allem über seine<br />
Region und die Menschen an sich. Was er diesbezüglich in seinem<br />
Hotel umgesetzt hat, lässt sich vielleicht so wiedergeben:<br />
Schönste Bestätigung für ihn ist, wenn seine Gäste zufrieden<br />
sind und wiederkommen. Das Hotel soll nicht nur Erholungsort<br />
für Urlaubsgäste, sondern auch ein lebendiger Veranstaltungsort<br />
für die sein, die hier leben. Im Hotel befindet sich<br />
nach wie vor ein traditionelles Wirtshaus. Ein Ort, der das Kennenlernen<br />
ermöglicht. Stammtischfreundschaften kommen da<br />
vor. Langjährige Beziehungen, die sich zwischen Bayerwäldlern<br />
und Gästen entwickelt haben. Bis manche Gäste letztendlich<br />
ganz geblieben sind.<br />
Die tiefe Verbundenheit mit seiner Heimat zeigt sich auch bei<br />
dem Rundgang durchs Hotel. Was die Architekten weltweit<br />
im Zuge der Klimadebatte »neu« entdecken, macht er schon<br />
lang: Seine Gebäude beinhalten Bestandteile von mittlerweile<br />
58 abgebauten Bauernhöfen. Wirkliches Recycling also. Wertvolles<br />
und Historisches kommt nicht einfach weg. Beim Abriss<br />
historischer Höfe hat ihm das Herz geblutet. Woraufhin er<br />
wichtige Bestandteile eben retten – Tradition und Altes bewahren<br />
und erhalten – musste. Es gibt einiges, das jetzt »lagert«,<br />
lieber aber verbaut er es wieder. Dicke Holzbalken, sonnenverbrannte<br />
Altholzbretter, Maschinen oder Fensterstöcke erzählen<br />
viel über diese Gegend.<br />
Man braucht nicht weiter zu schreiben, dass der Rest des Hotels<br />
ebenso durchgedacht ist. Solarkraft bis Wasserstoffplanung.<br />
Mitglied im »Landgenuss Bayerwald«, womit die Küche eh<br />
schon zu 2/3 regionale Zutaten verwendet. Federführend in<br />
allerhand regionalen und politischen Geschichten treiben Andreas<br />
Brunner weiter ganz andre Dinge um: zum Beispiel<br />
Putzschwämme zu 100% aus Brennnessel. Alles, was eh schon<br />
da ist und uns immer Lebensgrundlage war: genau anschauen,<br />
vielleicht umdefinieren und in neue Planungen integrieren. Bewusster<br />
Umgang mit Ressourcen war hier im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong><br />
immer nötig, weil ja außer <strong>Wald</strong> nicht viel da war. Darin lagert<br />
immens viel Wissen – und Schaffenskraft!<br />
Ein ausführlicher Tipp: Jetzt konnten wir alle wegen der<br />
Pandemie und den damit verbundenen Beschränkungen nicht<br />
mehr ins Ausland reisen. Stattdessen haben wir das eigene<br />
Land entdeckt, die Wohnmobilbauer kamen kaum mehr hinterher<br />
mit ihren Lieferungen. Die Besucheranstürme waren in<br />
der heimischen Natur ebenso kaum mehr zu bewältigen. Jetzt<br />
können alle wieder fliegen. <strong>Der</strong> <strong>Bayerische</strong> <strong>Wald</strong> aber bleibt<br />
weiter der <strong>Wald</strong> – und so natürlich wie wunderschön. Wir haben<br />
ihn auf unserer Reise in Sachen »Nachhaltigkeit« durchquert,<br />
herrliche Wiesen haben sich dazwischen aufgetan und<br />
immer wieder haben wir wirkliche Freunde gefunden und tiefe<br />
Gespräche geführt. Übernachtet auf Höfen mit sensationellem<br />
Blick, wo grad ein »Zimmer frei« war. In der Nacht bei geöffnetem<br />
Fenster das Gespräch zweier <strong>Wald</strong>käuze belauscht,<br />
die Kilometer voneinander entfernt auf ihren Bäumen saßen –<br />
und sich scheinbar stundenlang einiges zu erzählen hatten. <strong>Der</strong><br />
nächste Tag zwischen fröhlichem Kuh-Muh und Ziegen-Mäh<br />
beginnt dann auf dem Bauernhof mit einem köstlichen Frühstück.<br />
Bäuerin und Tourist reden einfach übers Leben … beste<br />
Art der Völkerverständigung. Bei einem Frühstücksei, das gestern<br />
nebenan gelegt wurde. Das ist Luxus! Denn, was ist denn<br />
eigentlich beglückend? Es sind Begegnungen. Die Möglichkeit,<br />
mal einfach in aller Ruhe wieder nur Mensch und <strong>Wald</strong>kauz<br />
sein zu dürfen!<br />
51
52
53
NACHHALTIG IST DAS, WAS BLEIBT …<br />
SCHREIBT EURE EIGENE GESCHICHTE<br />
Jeder hat ihn – den einen Ort, von dem man nie genug<br />
bekommt. <strong>Der</strong> einen erdet und beschwingt, beruhigt und<br />
inspiriert, entspannt und energetisch neu auflädt – je nachdem,<br />
was Leben und Umstände gerade fordern. <strong>Der</strong> sich gut<br />
anfühlt und genau richtig riecht, schmeckt und klingt. <strong>Der</strong><br />
einem das Gefühl gibt, just in diesem Moment mit der ganzen<br />
Welt im Reinen zu sein. Kurz: <strong>Der</strong> einen einfach immer zuverlässig<br />
glücklich macht. Genau solche »Lieblingsplätze« findet<br />
man im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>. Das kann ein Stein an einem Bach<br />
sein mit Vogelgezwitscher und Wassergeplätscher als Hintergrundmusik.<br />
Die gemütliche Stube mit weichen Kissen und<br />
wohligem Kaminfeuer. Eine Bäckerei, die mit ihrem Gebäckduft<br />
schlagartig Kindheitserinnerungen weckt. Eine Bank am<br />
Gipfelkreuz, die die Weite des Himmels zum Greifen nahe<br />
rückt. Eine stille, sonnenüberflutete <strong>Wald</strong>lichtung, ein See im<br />
Dämmerlicht, ein Tisch unter Kastanienbäumen, ein Café mit<br />
besonders feinem Kaffee und besonders schönem Ausblick.<br />
Was dich im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong> erwartet!<br />
• Farben & Formen der Natur bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen<br />
neu entdecken, Dimensionen erforschen, Weite genießen:<br />
Für die »visuellen Entspanner« verspricht der <strong>Bayerische</strong><br />
<strong>Wald</strong> herrlichste Aus- und Einblicke und tolle Panoramen<br />
auf den Gipfeln und Aussichtspunkten.<br />
• Absolute Entspannung für die Ohren liefern die zwei Naturparke<br />
und der älteste Nationalpark Deutschlands – hier gibt’s<br />
Natur pur, Wildnis hautnah und eine akustische Kulisse, die an<br />
belebender Ruhe kaum zu überbieten ist.<br />
• Reizvielfalt zum Anfassen: Beim Klettern, Bootswandern<br />
oder Bogenschießen, auf Burgruinen und Baumwipfelwegen,<br />
in Bergwerken oder auf Abenteuerwanderung mit tierischer<br />
Begleitung lässt sich die Natur in ihrer ganzen Vielfalt »ertasten«.<br />
• Emotionen ausgelöst durch Gerüche – also tief Luft holen<br />
und den Duft des frischen <strong>Wald</strong>bodens und die reine Bergluft<br />
genießen und für schöne Erinnerungen „konservieren“. 20<br />
Luftkurorte gibt es im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>, die diesen Titel dank<br />
ihrer reinen, sauerstoffreichen Luft tragen dürfen.<br />
• Deftige Brotzeiten, selbstgemachte Kuchen, traditionelle Rezepte<br />
und regionale Zutaten verwöhnen auf urigen Berghütten<br />
und in schattigen Biergärten die Gaumen und schaffen so köstliche<br />
kulinarische Erinnerungen. Eine Abenteuerreise und Verwöhnkur<br />
für den Geschmackssinn!<br />
54
DEIN PERFEKTER URLAUB –<br />
TIPPS FÜR DEINE URLAUBSPLANUNG<br />
1. Dein <strong>Bayerische</strong>r <strong>Wald</strong><br />
Lass dich inspirieren und stöbere auf unserer Webseite. Finde<br />
deinen persönlichen Lieblingsplatz oder deine Lieblingswanderung<br />
im <strong>Bayerische</strong>n <strong>Wald</strong>.<br />
2. Gastgeber online suchen & buchen.<br />
Komfortable Hotels, gemütliche Ferienwohnungen, erlebnisreiche<br />
Bauernhöfe und die besten Campingplätze – buche<br />
jetzt deinen unvergesslichen Urlaub.<br />
3. Erlebnis online suchen & buchen.<br />
Du hast die Wahl: Geführte Wanderungen, Tiererlebnis,<br />
Veranstaltungen, Museumsbesuche, Aktionstage … Viele der<br />
Angebote sind sogar kostenlos!<br />
4. Anreise planen<br />
Egal ob du mit Bus, Bahn oder Auto anreist. Hier findest du<br />
Infos und Tipps – auch wie du vor Ort ohne Auto mobil sein<br />
kannst.<br />
5. Jetzt heißt es erholen und freie Zeit genießen<br />
– schön, dass du da bist!<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber:<br />
Tourismusverband Ostbayern e.V.<br />
Im Gewerbepark D 04 · 93059 Regensburg<br />
Tel. 0941 58539-0 · Fax 0941 58539-39<br />
info@bayerischer-wald.de · www.bayerischer-wald.de<br />
Layout, Satz und Produktion:<br />
Thomas Kujat<br />
Liebigstr. 3 · 83435 Bad Reichenhall<br />
Text: Barbara Stefan<br />
Fotos: Thomas Kujat,<br />
Franziska Schrödinger (NAWAREUM)<br />
Druck: Mayr Miesbach GmbH, 83714 Miesbach, 05/24/10<br />
Gedruckt auf Naturpapier.<br />
Die Texte und Fotos entstanden teilweise im Rahmen der<br />
Förderung »Tourismus in Bayern – fit für die Zukunft« des<br />
<strong>Bayerische</strong>n Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung<br />
und Energie.<br />
55
WALD (AUCH WALDUNG) IM ALLTAGSSPRACHLICHEN<br />
SINN UND IM SINN DER MEISTEN FACHSPRACHEN IST<br />
EIN AUSSCHNITT DER ERDOBERFLÄCHE, DER VON BÄU-<br />
MEN DOMINIERT WIRD UND EINE GEWISSE, VOM DEU-<br />
TUNGSZUSAMMENHANG ABHÄNGIGE MINDEST-<br />
DECKUNG UND MINDESTGRÖSSE ÜBERSCHREITET.