Bachelor- & Master-Abschlüsse Semester - itchy feet
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62 – Jobs & Praktika<br />
Gastfreundschaft bei Nacht<br />
Entwicklungszusammenarbeit in Mali<br />
Für viele Hochschulabsolventen stellt die Entwicklungszusammenarbeit<br />
die lukrativsten Arbeitsplätze. Wer träumt nicht davon, bei schönem<br />
Wetter in exotischen Ländern und malerischen Landschaften zu arbei-<br />
ten, Auslandszuschlag zu kassieren und dabei das Gefühl zu bekommen,<br />
Menschen zu helfen? So auch ich. Durch mein Studium der Angewand-<br />
ten Afrikastudien in Bayreuth hatte ich bereits allerlei Interessantes über<br />
Afrika gehört und fühlte mich vorbereitet genug, erste praktische Erfah-<br />
rungen zu sammeln. Ich begann, einen Praktikumsplatz zu suchen und<br />
nahm über Beziehungen meiner Professoren direkten Kontakt zu Nicht-<br />
regierungsorganisationen auf. Nach einem Telefonanruf eines Dozenten<br />
in Mali hatte ich meine Praktikumsstelle. Ich verließ das Büro mit einem<br />
breiten Grinsen, denn schließlich war ich mit einem Fuß schon in Afrika.<br />
Mein Arbeitgeber war ein Verein, der sich um den Erhalt der einzigarti-<br />
gen Tradition des Nomadenvolks der Tuareg bemüht. Projekte wie Brun-<br />
nen- bzw. Schulbau, die Einrichtung von Dokumentationszentren und die<br />
Ausbildung von Krankenschwestern sollen dem Volk der Tuareg helfen,<br />
mit den Herausforderungen der globalen Welt besser umgehen zu können.<br />
Das Besondere an dem Verein ist, dass er nur mit der lokalen Bevölke-<br />
rung zusammenarbeitet, somit die Kreativität und Lösungskompetenzen<br />
dieser fördert und durch den Verzicht auf ein Büro in Mali Ausgaben für<br />
den Verwaltungsapparat spart. Einen Großteil meiner Vorbereitungen<br />
widmete ich der Geschichte der Tuareg, den Begebenheiten des Landes,<br />
den Aktivitäten des Vereins und den Richtlinien der Entwicklungszusam-<br />
menarbeit. Nach mehreren ärztlichen Untersuchungen, zahlreichen Imp-<br />
fungen und letzten unabdingbaren Besorgungen wie einem Moskitonetz,<br />
dem Buch „Wo es keinen Arzt gibt“ von David Werner und Medikamen-<br />
ten, war ich bereit, in einem der ärmsten Länder der Welt mein erstes<br />
Praktikum anzutreten.<br />
Nach der Landung in Bamako hatte ich zunächst drei Tage Zeit, mich an<br />
mein neues Leben in dem schwülen Klima Malis zur Regenzeit und an die<br />
Auswirkungen des Kulturschocks zu gewöhnen. Das Vorhaben, ein halbes<br />
Jahr in einem fremden Land zu bleiben, verbunden mit der menschlichen<br />
Angst vor dem Fremden, wirkte ziemlich ermüdend auf den Körper. So<br />
verbrachte ich die ersten Tage mit Lesen und Schlafen auf meinem Hotel-<br />
zimmer. Doch irgendwann packte mich die Neugier und ich begann, mir<br />
meine Arbeitswelt zu erschließen und mir einen groben Plan zu erstellen.<br />
Meine Arbeitsaufgabe war schon in Deutschland klar: Ich würde bereits<br />
existierende Projekte des Vereins begutachten und dokumentieren,<br />
darüber Interviews mit der lokalen Bevölkerung führen, Modifikationen<br />
aufnehmen und in Projektvorschläge umformulieren. Mein Arbeitsplatz<br />
waren die von den Tuareg bewohnten und nur schwer zugänglichen<br />
Wüstengebiete im Südosten und Norden des Landes. In diesen Regionen<br />
gibt es keine Infrastruktur. Dort wo eine Straße sein sollte, ist meistens<br />
nur eine Piste, wenn diese nicht während der letzten Regenzeit weg-<br />
geschwemmt wurde oder überschwemmt ist. Die schlechten Straßen-<br />
verhältnisse erlauben es nur Allradwagen und LKWs in diese Gebiete<br />
zu gelangen. Vorne in der Kabine gibt es zwei Plätze für vier Passagiere,<br />
die restlichen dreißig nehmen oben auf der Ladefläche Platz. Platz neh-<br />
men heißt, sich irgendwo hinzusetzen, sein Gepäck irgendwo festzubin-<br />
den, und sich mit allen möglichen Körperteilen die ganze lange Fahrt über<br />
festzuhalten. Dank der schlechten Straßenverhältnisse fährt man nicht<br />
schnell. Man hat gute Chancen, heil aus der Sache heraus zu kommen.<br />
Fahrpläne gibt es nicht, nur Richtwerte und Routen, über die aber fast je-<br />
der in der Stadt Auskunft geben kann. Wartezeiten von fünf bis 20 Stun-<br />
den muss man schon einplanen, falls man sich überhaupt so etwas wie<br />
einen Plan gemacht hat. Die Dauer der Fahrt für eine Strecke von 200km<br />
kann zwischen zehn Stunden und drei Tagen dauern.<br />
Als ich nach zehn Stunden in Ménaka ankam, war die Nacht schon vor-<br />
angeschritten und es gab keine Beleuchtung in dem 3.000-Seelen-Dorf.<br />
Ich bat einen Mitreisenden, mich zu dem Haus des „chef de village“ zu<br />
führen, denn Hotels gab es in diesem Dorf keine und ich wollte nicht auf<br />
der Straße neben den Kühen übernachten. Trotz meiner Dreistigkeit emp-<br />
fing mich die Hausherrin sehr herzlich. Sie bot mir ein Bett, etwas zu Es-<br />
sen und eine Dusche an. Am besten vergegenwärtigt man sich diese<br />
Gastfreundschaft, wenn man die Situation auf ein Dorf in Deutschland<br />
überträgt. Ein Afrikaner klopft nachts an der Tür des Bürgermeisters und