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BRUTAL BELIEBT - Thaizeit

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18 | thaizeit | Dezember 2010/Januar 2011 | WeihnaChten<br />

der glAube An eine scHönere Welt<br />

Gerhard Kuppler ist Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Bangkok. Die traditionellen Weihnachtsgepflogenheiten<br />

verlieren auch fern der Heimat nicht an Sinn, erklärt er in seinem Weihnachstgruß an die THAIZEIT-Leser.<br />

Historisch<br />

gesehen gibt<br />

es wenig<br />

Nachweisbares über Zeit und Ort der Geburt<br />

Jesu. Sicher ist er nicht im Jahre Null geboren,<br />

denn da war König Herodes, der ihn als Konkurrenten<br />

umbringen wollte, bereits vier Jahre<br />

tot. Wahrscheinlich war sein Geburtsjahr das<br />

Jahr sieben vor Christus, denn da gab es eine<br />

helle Planetenkonstellation, die der Weihnachtsstern<br />

gewesen sein könnte.<br />

auch wurde Weihnachten als fest der<br />

Geburt Jesu erst über 300 Jahre später gefeiert.<br />

das wichtigste fest der ersten Christen<br />

war ostern: der sieg des lebens über den<br />

tod, der sieg Gottes über die mächte dieser<br />

Welt und damit über die angst vor diesen<br />

mächten. und das hieß auch der sieg Gottes<br />

über den Gottkaiser, der von rom aus die<br />

Welt beherrschte und die Christen verfolgte,<br />

weil sie ihm seine Göttlichkeit bestritten.<br />

hier, im zur Weihnachtszeit sommerwarmen<br />

thailand, scheint zumindest ein<br />

teil der Weihnachtstraditionen, die wir aus<br />

deutschland kennen, wenig nachvollziehbar.<br />

„leise rieselt der schnee…“, „schneeflöckchen,<br />

Weißröckchen…“, rentierschlitten<br />

und pelzbemäntelte, schwitzende<br />

Weihnachtsmänner überschreiten für die<br />

meisten menschen doch die Grenzen des<br />

guten Geschmacks. oder doch nicht? denn<br />

schließlich gibt es auch in der Wärme viel<br />

menschliche kälte. und die Weihnachtsbotschaft<br />

heißt: die kälte kann überwunden<br />

werden. Gott ist selbst in die kälte der Welt<br />

gekommen, damit wir im Glauben daran<br />

kraft finden, die kälte zu überwinden.<br />

und so wurden die Weihnachtsgeschichte<br />

und die Weihnachtstraditionen<br />

komponiert als Gegengeschichten und Gegentraditionen<br />

zur kälte, zur brutalität, zum<br />

Wahnsinn der Welt. der Glaube macht die<br />

Welt schöner als das Wissen um historische<br />

Gegebenheiten. die Weihnachtsgeschichte,<br />

die in unzähligen Weihnachtskrippen an<br />

Weihnachten in fast allen christlichen häusern<br />

mit figuren nachgestellt wird, diese<br />

Weihnachtsgeschichte mit maria und Josef,<br />

der krippe, den hirten und den Engeln:<br />

sie ist eine Gegengeschichte zum machtanspruch<br />

des kaisers in rom. der nannte sich<br />

„Erlöser“, „friedensbringer“. „si vis pacem,<br />

para bellum“ – „Wenn du frieden willst, bereite<br />

den krieg vor.“<br />

q WeihnaChtStraditionen<br />

Sind GeGenGeSChiChten<br />

mit dem kleinen kind Jesus kommt ein<br />

anderer Gott in die Welt: „Wenn du frieden<br />

willst, lebe frieden.“ Gott ist nicht der, der<br />

menschliche macht verstärkt, nicht der beschützer<br />

der mächtigen, sondern er kommt<br />

zu den kleinen, zu denen, die scheinbar<br />

nichts gelten. Zu dem jungen mädchen maria,<br />

das ein kind erwartet, zu den hirten, die<br />

nichts haben. Er wird in ärmliche verhältnisse<br />

geworfen.<br />

später kommen noch ochs und Esel<br />

dazu und fragen frei nach dem propheten<br />

Jesaja: mensch, wo ist eigentlich deine heimat,<br />

wo sind deine Wurzeln – im haben<br />

oder im leben, im ausnützen oder im vertrauen?<br />

und irgendwann werden die Weisen<br />

aus dem morgenland zu königen und<br />

sagen: die stärkste macht ist nicht bei den<br />

irdischen herrschern – deren macht vergeht<br />

meist schneller als sie denken. man sieht es<br />

an den Cäsaren von rom, den napoleons,<br />

hitlers, stalins und honeckers. „den sozialismus<br />

in seinem lauf halten weder ochs<br />

noch Esel auf.“ an Weihnachten tun sie’s<br />

doch. man versteht, dass Christen in diktatorischen<br />

staaten verfolgt werden und dass<br />

man die zentrale Weihnachtsbotschaft zur<br />

religion degradieren will.<br />

und natürlich ist das schenken eine<br />

Gegengeschichte gegen die Weltgeschichte,<br />

die eine Geschichte der raffgier ist und der<br />

herrschsucht. Jede Weihnachtstradition ist<br />

solch eine Gegengeschichte. man braucht<br />

gar nicht so viel fantasie, um hinter diesen<br />

hundertfältigen Weihnachtstraditionen<br />

die Geschichte und die Gegengeschichte<br />

zu ergründen oder sie gar neu zu erfinden.<br />

Warum nicht? und vielleicht feiert man<br />

Weihnachten am angemessensten, wenn<br />

man seine eigene Gegengeschichte zu den<br />

dunklen seiten der eigenen Welt erfindet,<br />

komponiert, lebt. die sammelnde ruhe der<br />

muschel gegen die unruhe. die freude an<br />

den Gaben der schöpfung gegen das „immer-schneller“.<br />

Weihnachten heißt: in diesen<br />

kleinen Geschichten wohnt Gott. Er will<br />

im dunkel wohnen und hat es doch erhellt.<br />

„Aber dass der Glauben die Welt schöner<br />

macht als das Wissen, stimmt doch“.<br />

(martin Walser).<br />

evangelisChe gemeinde<br />

Gerhard KuPPler, Pfarrer<br />

tel: +66 2391 3631<br />

fax: +66 2711 3925<br />

email: ev.kirche.th@gmail.com<br />

www.die-bruecke.net

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