Hinter verschlossenen Türen Sexualität im Orient - [di.wan] Berlin
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34 [dī.wān] 12.2007 SPECIAL<br />
SPECIAL<br />
12.2007 [dī.wān] 35<br />
lehrtenkreisen mehrmals geprüft<br />
und für authentisch befunden.<br />
Oralsex<br />
– eine Grauzone <strong>im</strong><br />
islamischen Recht<br />
Ob Oralsex von Gläubigen guten<br />
Gewissens genossen werden<br />
darf, gibt ebenfalls Anlass zur Diskussion.<br />
Dieser wird weder <strong>im</strong> Koran<br />
noch in der Sunna erwähnt, was<br />
den Schluss zulässt, dass Oralsex<br />
damals keine bekannte oder gar<br />
gängige Sexualpraktik war. Wegen<br />
fehlender schriftlicher Überlieferungen<br />
wird sie heutzutage daher<br />
als legit<strong>im</strong> angesehen, wobei <strong>di</strong>e<br />
dabei ausgetauschten Körperflüssigkeiten<br />
jedoch als „unrein“ gelten<br />
und überall dort nicht aufgenommen<br />
werden dürfen, wo sie keinen<br />
biologischen Nutzen haben. Besonderes<br />
Augenmerk wird auf <strong>di</strong>e Hygiene<br />
nach dem Sex gelegt; erst wenn<br />
Körper und Gewänder vollstän<strong>di</strong>g<br />
gereinigt sind, darf wieder zum Gebet<br />
übergegangen werden.<br />
Selbstbefrie<strong>di</strong>gung<br />
Gibt es bezüglich Beischlaf und<br />
seinen legit<strong>im</strong>en Praktiken große<br />
Verwirrung, scheint zumindest<br />
<strong>di</strong>e Selbstbefrie<strong>di</strong>gung nach koranischer<br />
Auffassung eindeutig untersagt:<br />
„Und <strong>di</strong>ejenigen, <strong>di</strong>e keine<br />
Gelegenheit zur Ehe finden, sollen<br />
sich keusch halten bis Allah sie aus<br />
seiner Fülle reich macht.“ (24:33).<br />
Aus der Sunna wird zum Beweis<br />
des Verbotes der Selbstbefrie<strong>di</strong>gung<br />
zusätzlich oft folgender Satz<br />
zitiert: „Oh ihr jungen Männer, wer<br />
von euch heiraten kann, der soll<br />
heiraten, denn es hilft den Blick zurückzuhalten<br />
und <strong>di</strong>e Keuschheit zu<br />
wahren, und wer dazu nicht in der<br />
Lage ist, der soll fasten, denn das Fasten<br />
ist für ihn ein Schutz.“ (Bukhari,<br />
Ha<strong>di</strong>th Nr. 5066) Aller<strong>di</strong>ngs wird<br />
<strong>di</strong>eses Verbot von Seiten einiger<br />
Scheichs aufgeweicht. Zum Schutz<br />
Selbstbefrie<strong>di</strong>gung unter Zuhilfenahme pornografischer Bilder. Persien / 18. Jahrhundert<br />
vor unehelichen sexuellen Übergriffen<br />
auf Frauen bei allzu großer Lust<br />
soll Masturbation erlaubt sein. Diese<br />
Ausnahmeregelung wurde hauptsächlich<br />
unter Berücksichtigung der<br />
in einigen Ländern der arabischen<br />
Welt sehr teuren Hochzeiten aufgestellt.<br />
Dieses Beispiel zeigt, dass<br />
Gelehrte der heutigen Zeit durchaus<br />
auch <strong>di</strong>e sozialen <strong>Hinter</strong>gründe<br />
der Gläubigen berücksichtigen und<br />
populäre Urteile fällen.<br />
<strong>Sexualität</strong> als<br />
para<strong>di</strong>esische<br />
Belohnung<br />
Während der Mensch <strong>im</strong> Christentum<br />
nach seinem Tode als „Engel<br />
<strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel“ (Matthäus 22,30)<br />
ohne eheliche Bindung und somit<br />
ohne sexuelle Gelüste gedacht wird,<br />
verspricht der Islam den sexuellen<br />
Genuss ohne Fortpflanzung. Dieser<br />
wird als para<strong>di</strong>esische Belohnung<br />
für ir<strong>di</strong>sche gute Taten verstanden.<br />
Den Männern wird <strong>di</strong>e Polygamie<br />
auch <strong>im</strong> Jenseits gewährt. Überir<strong>di</strong>sche<br />
Jungfrauen, sogenannte Huris,<br />
„schön wie Perlen“, stehen ihnen<br />
dort zur Verfügung. Sowohl <strong>im</strong> Koran<br />
als auch in der Sunna werden<br />
<strong>di</strong>ese ausführlich in ihrem Liebreiz<br />
beschrieben.<br />
Der Frau wird anstelle eines<br />
männlichen Harems eine andere Be-<br />
lohnung versprochen: Da <strong>di</strong>e weibliche<br />
sexuelle Wollust nicht so stark<br />
ausgeprägt sei, erwarten sie nach<br />
islamischer Vorstellung materielle<br />
Geschenke <strong>im</strong> Para<strong>di</strong>es. Zudem<br />
wird sie <strong>im</strong> Jenseits mit ihrem Ehemann<br />
– sofern er durch Missetaten<br />
nicht in <strong>di</strong>e Hölle verbannt worden<br />
ist – wieder vereint. Die Ha<strong>di</strong>the,<br />
<strong>di</strong>e der <strong>Sexualität</strong> <strong>im</strong> Para<strong>di</strong>es einen<br />
derart hohen Stellenwert be<strong>im</strong>essen,<br />
bleiben aller<strong>di</strong>ngs umstritten –<br />
nicht zuletzt wegen der durch <strong>di</strong>ese<br />
Ha<strong>di</strong>the motivierten Selbstmordattentate.<br />
Einziges Ziel sollte es nach<br />
Meinung der Kritiker sein, das Angesicht<br />
Gottes zu erblicken.<br />
Am Ende steht<br />
<strong>di</strong>e in<strong>di</strong>viduelle<br />
Interpretation<br />
Trotz der Fülle und Vielfältigkeit<br />
an Informationen und Regeln,<br />
<strong>di</strong>e der Islam für beinahe jede Situation<br />
des <strong>di</strong>esseitigen und jenseitigen<br />
Lebens bereithält, kann er keinesfalls<br />
als „<strong>di</strong>e Lösung“ gelten. Gerade<br />
bei den verwirrenden Regeln<br />
und Fatwas, welche <strong>di</strong>e erlaubten<br />
Sexualpraktiken auf Erden behandeln,<br />
sollte auf den Ausspruch Muhammads<br />
zurückgegangen werden,<br />
der besagt, dass am Ende das Herz<br />
jedes Einzelnen zu entscheiden hat.<br />
Let's talk about sex...<br />
Die ägyptische Ärztin und Wissenschaftlerin Heba Qutb ist als<br />
Sexologin, Therapeutin für sexuelle Angelegenheiten, tätig. In ihrer<br />
Kairoer Praxis berät sie Ehepartner, gibt Sexualunterricht für Familien<br />
und 'heilt' Homosexuelle. In ihrer eigenen TV-Show klärt sie <strong>di</strong>e<br />
ägyptische Gesellschaft auf und versucht dabei, ihre Thesen und<br />
Erklärungen islamisch zu begründen und zu legit<strong>im</strong>ieren.<br />
[dī.wān] Wie sieht der Alltag in Ihrer Praxis aus? Was<br />
für Menschen kommen und mit welchen Anliegen?<br />
HEBA QUTB Als ich meine Praxis vor etwa sieben Jahren<br />
eröffnete, kamen nur Menschen aus der Oberschicht.<br />
Mittlerweile kommen meine Patienten jedoch aus fast<br />
allen Bereichen der Gesellschaft und von überall her<br />
aus Ägypten, sogar aus anderen Ländern, auch aus Europa,<br />
Australien und den USA. Am Anfang war es ein<br />
Ereignis, wenn Männer in <strong>di</strong>e Praxis kamen. Mittlerweile<br />
kommen jedoch mehr Männer als Frauen. Natürlich<br />
kommen auch viele Ehepaare.<br />
[dī.wān] Sind unter ihren Patienten auch Kopten oder<br />
nur Musl<strong>im</strong>e?<br />
HEBA QUTB Es kommen viele Kopten, fast jeden Tag.<br />
[dī.wān] Wie oft haben Sie in Ihrer Praxis mit Fällen<br />
von Frauenbeschneidung zu tun? Wie wirkt sich Frauenbeschneidung<br />
auf <strong>di</strong>e <strong>Sexualität</strong> aus?<br />
HEBA QUTB In meiner Praxis werde ich damit nicht oft<br />
konfrontiert. Ich denke, dass sich Frauenbeschneidung<br />
auch nicht auf <strong>di</strong>e <strong>Sexualität</strong> auswirkt.<br />
[dī.wān] Sie denken, dass es Frauen nicht daran hindert,<br />
Spaß am Sex zu haben?<br />
HEBA QUTB Ja, und ich habe wissenschaftliche Belege dafür.<br />
Das bedeutet nicht, dass ich nicht gegen <strong>di</strong>e Frauenbeschneidung<br />
wäre! Ich bin absolut dagegen, zumal <strong>di</strong>ese<br />
Praktik weder eine religiöse noch eine me<strong>di</strong>zinische<br />
Grundlage hat. Auf der anderen Seite wirkt es sich tatsächlich<br />
wenig auf <strong>di</strong>e <strong>Sexualität</strong> der Frau aus. Die Nervenenden<br />
existieren auch nach dem Entfernen der Kli-