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Howard Gardners Theorie über multiple Intelligenz und ihre

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Stanko Gerjolj<br />

<strong>Howard</strong> <strong>Gardners</strong> <strong>Theorie</strong> <strong>über</strong> <strong>multiple</strong> <strong>Intelligenz</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> praktische Applikation –<br />

ein Weg des ganzheitlichen Lernens im Sinne der inklusiven Pädagogik<br />

Inklusive Pädagogik setzt Unterrichts- <strong>und</strong> Lernmethoden voraus, die Schule <strong>und</strong> Klasse<br />

in eine „Lerngemeinschaft“ transponiert (Feiner & Knauder 2007, 6), wo kulturelle, nationale<br />

<strong>und</strong> religiöse Verschiedenheiten sowie Begabungsunterschiede den Lernprozess bereichern.<br />

In einem solchen Lernprozess wird der/die SchülerIn in seiner/<strong>ihre</strong>r einmaligen Biographie<br />

ernst genommen <strong>und</strong> motiviert, diese in einer sensiblen <strong>und</strong> respektvollen Art mit<br />

MitschülerInnen zu teilen. Somit wird der/die SchülerIn in vielen Bereichen <strong>und</strong> Hinsichten<br />

zur „Lehrperson“, wodurch in der Gruppe ein kreatives Wir-Gefühl entsteht, das auch den/die<br />

LehrerIn, vor allem den Klassenvorstand / die Klassenvorständin inkorporiert.<br />

Biographisches Lernen lehrt nicht nur zu wissen, sondern Wissen zu leben <strong>und</strong> Leben in<br />

Gemeinschaft zu gestalten (Ziebertz 2001, 352). Das Toleranzprinzip im Sinne von toleriert<br />

bzw. geduldet werden wird hier aufgearbeitet <strong>und</strong> zum konstruktiven Lernen in Gemeinschaft<br />

umdisponiert. Es geht darum, dass sich das Individuum in die Lerngemeinschaft nicht erst<br />

integrieren muss, sondern vom Anfang an der Gemeinschaft angehört <strong>und</strong> dementsprechend<br />

angesehen wird. In einer solchen Klassengemeinschaft wird der/die LehrerIn vor allem<br />

hinsichtlich Lebensfragen des Öfteren herausgefordert, in die Beraterrolle einzusteigen, wo<br />

nicht das Wissen, sondern die Kunst der Kommunikation im Vordergr<strong>und</strong> steht.<br />

1 Inklusive Pädagogik <strong>und</strong> Begabtenförderung<br />

Vertreter der Begabtenförderung plädieren oft für mehr oder weniger „exklusivistische“<br />

Pädagogik, wo Begabte zumindest teilweise einen Sonderstatus genießen. Es sei gut <strong>und</strong><br />

recht, Begabungen zu fördern. Allerdings ist es genauso wichtig, dass man bei Förderung<br />

(nicht selten) partieller Begabungen auf andere Lebensdimensionen <strong>und</strong> harmonisches<br />

Persönlichkeitswachsen achtet (Ferbežar 2002, 315). Auf alle Fälle brauchen auch talentierte<br />

SchülerInnen Motivationsherausforderungen, die beide Gehirnhälfte aktivieren. Das Gelingen<br />

des Lebens braucht nicht nur einen starken IQ sondern genauso einen gebildeten EQ, der in<br />

der Kommunikation <strong>und</strong> vor allem bei Lebensentscheidungen – <strong>und</strong> dieser Lebensdimension<br />

kann sich niemand entziehen – meistens die wichtigere Rolle spielt (Goleman 1997, 50). Im<br />

Rahmen der Pflichtschulausbildung darf die Art des Lernens <strong>und</strong> Lehrens nicht außer Acht<br />

gelassen werden. Im starken Engagement für das Erwerben des Fachwissens wird nämlich in<br />

manchen Fällen bei Begabtenförderung die soziale <strong>und</strong> religiöse Dimension vernachlässigt.<br />

Solche SchülerInnen <strong>und</strong> StudentInnen erreichen Spitzenresultate in der Wissenschaft, sind<br />

aber schlecht vorbereitet für Auseinandersetzungen mit einfachen Lebensfragen <strong>und</strong> vor allem<br />

sind schlecht ausgerichtet für das Ertragen möglicher Misserfolge <strong>und</strong> Niederlagen. Auf der<br />

Kommunikationsebene sind sie oft ungeduldig <strong>und</strong> neigen zu Konflikten, was sich nicht<br />

zuletzt auf <strong>ihre</strong>n Wissenschaftsbereich auswirkt. Gelungene Kommunikation ist unheimlich<br />

wichtig <strong>und</strong> motivierend vor allem für dauerhaftes Lernen <strong>und</strong> Arbeiten (Feiner 2007, 9).<br />

Ganzheitliches Lernen, das auf positiver Kommunikation aufbaut <strong>und</strong> möglichst viele<br />

Gehirnzentren weckt, sowie alle – auch nicht rein fachwissenschaftliche – Bereiche<br />

berücksichtigt, ist von tragender Bedeutung, wenn wir nicht nur erfolgreiche Wissenschaftler,<br />

sondern auch starke, intelligente <strong>und</strong> verantwortungsvolle, selbständige <strong>und</strong> soziale Menschen<br />

erziehen wollen. Auch in solchen Fällen sind LehrerInnen als LebensberaterInnen gefragt.


2 Lernen <strong>und</strong> religiöse Lebensdimension<br />

In letzter Zeit gibt es zunehmend mehr Untersuchungen, die in verschiedenen Kontexten<br />

herausheben, wie sich die religiöse Lebensdimension auf die psychische Stabilität des<br />

Menschen positiv auswirken kann (Musek 2005, 49-50). Dementsprechend zeigen sich auch<br />

in Bereichen der pädagogischen Prozesse sowie der psychiatrischen <strong>und</strong> psychologischen<br />

Beratungstätigkeiten Tendenzen an, dass für religiöse Menschen die religiöse Dimension<br />

nicht nur nicht wegzudenken ist, sondern diese in vielen Kontexten eine sehr positive Rolle<br />

spielen kann. Applikative Vergegenwärtigung mancher Bibelgeschichten <strong>und</strong> Erzählungen<br />

deuten darauf hin, dass religiöse Kommunikation sehr wohl zu Ressourcen führt, die sowohl<br />

in pädagogisch-didaktischen als auch in beraterischen <strong>und</strong> therapeutischen Tätigkeiten<br />

unterstützend wirken <strong>und</strong> Lebenskräfte wecken, die für die Verarbeitung von manchen<br />

Lebenskrisen hilfreich sind. In vielen Jesus-Begegnungen sind z. B. therapeutische<br />

Kommunikationswege zu entdecken, die heute genauso wirksam sind wie seinerzeit. Auch die<br />

Krisen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>formen der Ängste, in denen Jesus die Menschen vorfindet <strong>und</strong> anspricht,<br />

haben sich in der Geschichte nicht wesentlich verändert. Somit kann davon ausgegangen<br />

werden, dass ges<strong>und</strong>e religiöse Erziehung <strong>und</strong> Kommunikation im Dienste des Lebens<br />

wirkungsvoll <strong>und</strong> hilfreich sein können.<br />

Inklusive Pädagogik geht davon aus, dass wir in Schulen hinsichtlich Nationalitäten <strong>und</strong><br />

Rassen sowie Kulturen <strong>und</strong> Religionen plurale SchülerInnengruppen unterrichten <strong>und</strong><br />

erziehen. Trotzdem meine ich, dass bis zu einem gewissen Grade für alle SchülerInnen gut ist,<br />

zumindest die Hauptkonturen der abendländischen <strong>und</strong> somit christlichen Tradition<br />

kennenzulernen, um sich mit ihr im Sinne der Inklusion auseinandersetzen zu können.<br />

Nichtsdestotrotz ist es für autochthone Europäer genauso wichtig, andere Kulturen,<br />

Lebensphilosophien <strong>und</strong> Religionen kennenzulernen, damit inklusive Pädagogik zu einem<br />

tatsächlich bereichernden Lernprozess werden kann. Mit dem Kennenlernen ist nicht nur<br />

kognitives, sondern eher Erfahrungs- <strong>und</strong> biographisches Lernen gemeint, wodurch wir uns<br />

befähigen, Vertreter anderer Nationen <strong>und</strong> Rassen, Kulturen <strong>und</strong> Religionen empathisch zu<br />

begegnen <strong>und</strong> als Bereicherung anzusehen. Erst dadurch kann in einer Schulklasse das für<br />

erfolgreiches Lernen <strong>und</strong> Mitarbeiten notwendige Wir-Gefühl entstehen, das sich im späteren<br />

Leben der SchülerInnen sicherlich positiv auswirken wird.<br />

3 Multiple <strong>Intelligenz</strong>en <strong>und</strong> ganzheitliches (religiöses) Lernen<br />

Obwohl sich viele LernpsychologInnen vorwiegend mit der kognitiven Erziehung <strong>und</strong><br />

Bildung beschäftigen, erkennen sie zunehmend mehr die Notwendigkeit einer Ausweitung der<br />

Auseinandersetzung mit Lernprozessen sowohl in theoretischer als auch in praktischer<br />

Hinsicht – vor allem dann, wenn im Unterricht Lebens- <strong>und</strong> humanwissenschaftliche Fragen<br />

behandelt werden. Neben verschiedenen Lerntechniken <strong>und</strong> -methoden scheint auch die<br />

<strong>Theorie</strong> der <strong>multiple</strong>n <strong>Intelligenz</strong> von <strong>Howard</strong> Gardner <strong>und</strong> seiner Nachfolger anwendbar zu<br />

sein. Wenn er in seinen Ausführungen die religiöse Dimension des Lebens <strong>und</strong> des Lernens<br />

auch nicht explizit behandelt, ist es möglich, seine <strong>Theorie</strong> im Kontext der religiösen<br />

Erziehung in einer äußerst kompatiblen Weise zu verwenden. Gegenwärtige PsychologInnen<br />

betonen, dass „der <strong>Intelligenz</strong>grad auch mit der Fähigkeit zusammenhängt, inwiefern jemand<br />

fähig ist, eine Situation zu erfassen <strong>und</strong> das Bestreben nach Lebenszielen mit dem Lebenssinn<br />

zu verbinden“ (Lohman 2000, 293). Dabei ist gegebenenfalls sowohl die spirituelle als auch<br />

die religiöse Dimension zu berücksichtigen. In beiden Fällen werden vor allem im Bereich<br />

des sozialen Lernens, dem Gardner große Aufmerksamkeit widmet (Kihlstrom, Cantor 2000,<br />

364-366), die Emotionen <strong>und</strong> Empathiefähigkeit in den Kontext der <strong>Intelligenz</strong>frage<br />

miteinbezogen (Lohman 2000, 293; Bauer 2006, 87). Auf alle Fälle kann bei religiösen


Gruppen durch respektvollen Einbezug der religiösen Lebensdimension der Lern- oder<br />

Beratungsprozess sinnvoll vertieft <strong>und</strong> intensiviert werden.<br />

Gardner versteht <strong>Intelligenz</strong> als einen „familiären“ Begriff, der verschiedene Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Dimensionen beinhaltet. In seiner Anfangsphase beschränkte er sich auf sieben<br />

<strong>Intelligenz</strong>formen, fügt aber gleich hinzu, dass dies keine endgültige Zahl sei, <strong>und</strong> betont, dass<br />

die Anzahl – je nach Gesichtspunkt – noch erweitert werden könnte (Gardner 1995, 96). In<br />

späteren Ausgaben spricht er meistens von acht <strong>Intelligenz</strong>en, wobei er in erster Linie die<br />

„naturalistische <strong>Intelligenz</strong>“ hinzufügt (Gardner 1999, 48). Auch andere Autoren behaupten,<br />

die Zahl der <strong>Intelligenz</strong>en bleibt offen (Grotzer & Perkins 2000, 492-515).<br />

Im Kontext mit didaktischer, beraterischer <strong>und</strong> therapeutischer Verwendbarkeit sind auf<br />

alle Fälle alle acht von Gardner behandelten „Hauptintelligenzen“ äußerst brauchbar.<br />

Verbal-linguistische <strong>Intelligenz</strong> hat mit der Fähigkeit zur verbalen Ausdrucksweise zu<br />

tun <strong>und</strong> gehört zu den gr<strong>und</strong>legenden menschlichen Kommunikationsweisen (Lazear 1991,<br />

11-12). In der christlichen Tradition wird diese Fähigkeit besonders gepflegt <strong>und</strong> reicht bis in<br />

<strong>ihre</strong> Wurzeln zurück. „Am Anfang war das Wort“, beginnt das Johannes Evangelium (Joh<br />

1,1).<br />

Die verbal-linguistische <strong>Intelligenz</strong> beinhaltet in erster Linie vier Fähigkeiten: Zuhören,<br />

Reden, Lesen <strong>und</strong> Schreiben. Wenn wir hier auch noch die von Gardner zunehmend<br />

anerkannte aber nicht eigens behandelte emotionale <strong>Intelligenz</strong> zur Betrachtung hinzunehmen,<br />

kann man sehen, dass bezüglich des „Wortes“ nicht nur sein Inhalt, sondern auch die Art <strong>und</strong><br />

Weise, wie man es ausspricht, eine bedeutende Rolle spielt (Campbell & Campbell &<br />

Dickinson 1996, 28). Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang die Fähigkeiten,<br />

Metaphern, Abstraktionen <strong>und</strong> Symbole zu verstehen <strong>und</strong> zu gebrauchen (Lazear 1991, 3),<br />

wovon das religiöse Lernen <strong>über</strong>füllt ist. All diese Fähigkeiten verhelfen dem Menschen, das<br />

Leben zu reflektieren <strong>und</strong> somit sich selber zu beraten <strong>und</strong> zu „therapieren“ (Lazear 1991, 19-<br />

20).<br />

Hinsichtlich der religiös-beraterischen Dimension der Erziehung sehen wir bei Jesus, dass<br />

sein Wort vom Schmerz befreien <strong>und</strong> sogar vom Tode auferwecken konnte. Auch Mose<br />

musste sein Volk bzw. seine Gruppe „therapieren“, um sich in Richtung Freiheit bewegen zu<br />

können. Immer, wenn seine Leute beinahe beim Aufgeben waren, fand er das richtige Wort<br />

<strong>und</strong> sprach es in der richtigen Art <strong>und</strong> Weise aus, um sie zu ermutigen <strong>und</strong> zu befähigen,<br />

weiter gehen zu können.<br />

Mathematisch-logische <strong>Intelligenz</strong> gehört zu den traditionellen <strong>Intelligenz</strong>bereichen, die<br />

das so genannte „wissenschaftliche“ Denken ausmacht, das sich der induktiven <strong>und</strong><br />

deduktiven Vorgangsweisen bedient. Diese <strong>Intelligenz</strong> wird durch Situationen aktiviert, die<br />

als Problemfragen definiert werden, die vorwiegend kognitiv zu lösen sind (Armstrong 1999,<br />

61-62). „Alles, was mit Klassifikationen, quantitativ <strong>und</strong> qualitativ messbaren Materialien <strong>und</strong><br />

Fragen in Verbindung gebracht <strong>und</strong> dementsprechend behandelt werden kann, gehört zur<br />

Domäne der mathematisch-logischen <strong>Intelligenz</strong>“ (Lazear 1991, 40). Sie wird zunehmend<br />

herausgefordert <strong>und</strong> erweitert, wenn die „Probleme“ ethisch <strong>und</strong> moralisch konnotiert sind<br />

(Hamachek 1995, 325).<br />

Wir wissen, dass in Mythologien <strong>und</strong> im religiösen Leben Zahlen eine große Rolle<br />

spielen. In der biblisch-christlichen Tradition bedeutet z. B. die Zahl drei oft, eine Frage<br />

gründlich zu erforschen (Gerjolj 2006, 83).<br />

Einzigartige numerologische therapeutisch-beraterische Dimension finden wir bei<br />

Abrahams Verhandlungen mit Gott für Sodom (Gen 18,23-32), wo er schlussendlich zur<br />

Einsicht kommt, dass die Erlösung – auch im Sinne der psychischen Stabilität – nicht nur von<br />

seinem Einsatz abhängig, sondern zumindest für Gläubige auch als Geschenk Gottes


anzusehen ist (Gerjolj 2006, 53-54). Solche Geschichten können Menschen in der Bedrängnis<br />

ermutigen <strong>und</strong> unterstützen, weiter an sich zu arbeiten. Somit bekommt in diesem Kontext<br />

selbst die mathematisch-logische <strong>Intelligenz</strong> trotz <strong>ihre</strong>s naturwissenschaftlichen Charakters<br />

eine andere, therapeutisch-beraterische Dimension.<br />

Räumlich-visualistische <strong>Intelligenz</strong> wird in erster Linie <strong>über</strong> die Augen aktiviert, sie<br />

kooperiert aber intensiv mit vielen anderen <strong>Intelligenz</strong>zentren, wodurch die Sprachgeschichte<br />

gelungene Ausdrücke wie „Einsicht“ <strong>und</strong> „Einblick“ entwickelte, die nicht nur auf die Augen,<br />

sondern in sämtlichen Sprachen im kognitiven Sinne verwendet werden (Lazear 1991, 30). In<br />

diesem Sinne sind unsere Augen nach außen <strong>und</strong> nach innen orientiert. 1 Diese Fähigkeit<br />

unterstützt unsere Phantasie <strong>und</strong> Empathie, aufgr<strong>und</strong> dessen wir mit Hilfe der<br />

Spiegelneuronen uns nicht nur bildhaft in Zustände anderer versetzen können, sondern<br />

genauso handeln <strong>und</strong> sprechen lernen (Bauer 2005, 78).<br />

Sehr oft wird diese Form als eine der ältesten <strong>Intelligenz</strong>formen angesehen. Der Mensch<br />

denkt bildhaft, womit diese <strong>Intelligenz</strong> durch Sehen geweckt <strong>und</strong> mittels Beobachtung<br />

unterstützt wird. Sie hilft uns, sich räumlich zu orientieren <strong>und</strong> Bewegungsprozesse zu<br />

visualisieren. Ein Beispiel hiefür sind z. B. Schirennläufer <strong>und</strong> viele andere Sportler, die vor<br />

den jeweiligen Rennen <strong>ihre</strong>n Bewegungsablauf genau visualisieren <strong>und</strong> sich einprägen. 2 Aber<br />

auch im Bereich vieler Lebensfragen können wir durch Visualisieren konkrete Situationen<br />

vorausdenken, uns in diese hineinversetzen <strong>und</strong> somit lernen, richtig zu reagieren, wenn wir<br />

uns dann in solchen Begebenheiten tatsächlich befinden. Das heißt, dass wir durch<br />

Antizipieren der Lebenssituationen zu besseren Entscheidungen gelangen können (Lazear<br />

1991, 52).<br />

Die räumlich-visualistische <strong>Intelligenz</strong> im Sinne der therapeutisch-beraterischen Funktion<br />

spielt vor allem im Islam, aber auch in anderen Religionen eine tragende Rolle. In der Bibel<br />

wurden unter anderem Bergspitzen als Orientierungspunke an <strong>und</strong> Kommunikationspunkte<br />

mit Gott angesehen. Die christliche Tradition gründete Wallfahrtsorte, wo Menschen neue<br />

Lebenskraft schöpfen können. In solchen Situationen wird beim Menschen das innere, auch<br />

kontemplative Auge genannt (Lazear 1991, 30), besonders aktiv, da er in beruhigender<br />

Atmosphäre mit sich selbst <strong>und</strong> empathischerweise mit anderen immanent <strong>und</strong> transzendent<br />

kommuniziert <strong>und</strong> dabei Wege visualisiert, die Hoffnung auf eine Lösung bahnen. Zugleich<br />

geben solche Stätten der gesamten Umgebung gewisse Orientierung, Sicherheit <strong>und</strong><br />

Zuversicht.<br />

Körperlich-kinästhetische <strong>Intelligenz</strong> unterstützt unser Lernen, das auf körperlichen<br />

Bewegungen gründet. Obwohl wir fähig sind, unseren Körper bis zu den automatisierenden<br />

Bewegungsabläufen durchzutrainieren, sind die aus der körperlich-kinästhetischen <strong>Intelligenz</strong><br />

stammenden Fähigkeiten zunehmend breiter anzusehen (Lazear 1991, 75). Balletttänzer/innen<br />

lernen z. B. erst dann bestimmte Melodien tatsächlich kennen, wenn sie diese in Bewegung<br />

umgesetzt <strong>und</strong> ausgedrückt haben. Auch im sonstigen Lernen, selbst beim Auswendiglernen<br />

<strong>und</strong> Einprägen kognitiver Inhalte (Campbell & Campbell & Dickinson 1996, 67-68),<br />

verspüren wir immer wieder die Kraft der körperlichen Ausdrucks- <strong>und</strong><br />

1<br />

Bei Träumen bewegen sich z. B. unsere Augen ähnlich als wenn wir „den Film“ tatsächlich beobachten würden<br />

(Lazear 1991, 58-59).<br />

2<br />

Daraus ist ersichtlich, dass die räumlich-visualistische <strong>Intelligenz</strong> besonders eng mit der körperlichkinästhetischen<br />

<strong>Intelligenz</strong> zusammenarbeitet. Die Kooperation zwischen diesen zwei <strong>Intelligenz</strong>en verläuft<br />

dermaßen eng zusammen, dass – vor allem in Angstzuständen – eine von Augen empfangene Information<br />

Abkürzungen zum Reaktionszentrum findet <strong>und</strong> dabei andere Gehirnzentren ignoriert, damit man schneller<br />

reagieren kann (Jensen 2005, 16; Goleman 1997, 47).


Bewegungsvarianten. 3 Ausübung <strong>und</strong> Praktizieren körperlich-kinästhetischer <strong>Intelligenz</strong> ist<br />

auch deswegen äußerst wertvoll, weil durch Bewegung beide Gehirnhälften <strong>und</strong> somit<br />

zahlreiche <strong>Intelligenz</strong>zentren aktiviert werden (Lazear 1991, 85). Diese konstruktiv erlebte<br />

Spannung zwischen „Körper <strong>und</strong> Seele“ motiviert den Menschen, sich in seiner Gesamtheit<br />

als Lebewesen der Sprache <strong>und</strong> des Dialogs zu fühlen <strong>und</strong> dementsprechend zu handeln<br />

(Juhant 2006, 19).<br />

Sämtliche Meditationsübungen beinhalten Körperhaltungen <strong>und</strong> Bewegungen als<br />

tragende Elemente. Christliche <strong>und</strong> andere religiöse Traditionen entdecken wiederum die<br />

Bedeutung der religiösen <strong>und</strong> liturgischen Haltungen <strong>und</strong> Bewegungen, die nicht nur Gott<br />

„verlangt“, sondern auch der Mensch „braucht“. Zahlreiche Tänze – nicht nur liturgische –<br />

haben therapeutische Bedeutung <strong>und</strong> Funktion. Die erwähnten Wallfahrtsorte werden<br />

schlussendlich als „Pilger-Orte“ betrachtet, wo nicht nur der Ort, sondern auch das „Pilgern“<br />

eine therapeutische Rolle spielt. Nicht zuletzt sind die Israeliten in die Freiheit „gegangen“.<br />

Weiters können Kreuzweg <strong>und</strong> sämtliche andere Prozessionen als therapeutische Wege<br />

angesehen werden.<br />

Rhythmisch-musische (musikalische) <strong>Intelligenz</strong> ist ein Teil unserer „Lebensart“, denn<br />

das rhythmische Herzklopfen bestimmt unser Leben vom Anfang an (Armstrong 1999, 111).<br />

Diese <strong>Intelligenz</strong> ist ebenso eng mit der körperlich-kinästhetischen <strong>Intelligenz</strong> verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

unterstützt andere <strong>Intelligenz</strong>zentren. In Kooperation mit der körperlich-kinästhetischen<br />

<strong>Intelligenz</strong> kommt diese am besten beim Tanzen zum Ausdruck. Oft wird sie als Trägerin der<br />

Traditionen <strong>und</strong> Hauptinitiatorin der Kulturentwicklung gehandhabt (Lazear 1991, 95). Wie<br />

angedeutet, richtet sich das Gr<strong>und</strong>gefühl für den Rhythmus nach dem Herzklopfen <strong>und</strong> dem<br />

Atem, was wir bereits im Mutterleib erfahren haben. Manche Wissenschaftler sehen die<br />

rhythmisch-musikalische <strong>Intelligenz</strong> als Gr<strong>und</strong>intelligenz an <strong>und</strong> weisen darauf hin, dass<br />

unser Gehirn selbst nach den Prinzipien des Rhythmus <strong>und</strong> der Musik arbeitet (Lazear 1991,<br />

102).<br />

Beide <strong>Intelligenz</strong>arten – die rhythmisch-musikalische <strong>und</strong> körperlich-kinästhetische –<br />

unterstützen unser Auswendiglernen <strong>und</strong> kognitives Lernen. Nicht zuletzt ist Musik eng mit<br />

der mathematischen Logik verb<strong>und</strong>en, woraus wir schließen dürfen, dass sich die rhythmischmusikalische<br />

<strong>und</strong> die mathematisch-logische <strong>Intelligenz</strong>en gegenseitig unterstützen <strong>und</strong><br />

erweitern. Zugleich wissen wir, dass wir besser auswendig lernen können, wenn es<br />

rhythmisch <strong>und</strong> melodisch klingt. Bekannterweise wurden alte mündliche Überlieferungen<br />

<strong>und</strong> Texte bildhaft <strong>und</strong> fabelhaft konzipiert sowie rhythmisch <strong>und</strong> melodisch geformt <strong>und</strong><br />

weiter erzählt.<br />

Die konstruktive Kombination zwischen verbal-linguistischen, rhythmisch-musischen<br />

<strong>und</strong> körperlich-kinästhetischen <strong>Intelligenz</strong>formen macht wahrscheinlich den intensivsten<br />

Lernprozess aus. Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass solche Kombinationen immer<br />

ethisch f<strong>und</strong>iert <strong>und</strong> anwendbar sind. 4<br />

Auch hier sei in Erinnerung gerufen, dass bei Prozessionen meistens gesungen <strong>und</strong><br />

gebetet wird – beides in einem rhythmischen Klang. In der Bibel lesen wir, dass z. B. nach<br />

dem Durchschreiten des Schilfmeeres gesungen <strong>und</strong> getanzt wurde (Ex 15,1-21). Aus der<br />

Sicht der erzieherischen Beratung <strong>und</strong> Therapie ist es wichtig, Fortschritte <strong>und</strong> Erfolge zu<br />

3<br />

Bekannterweise haben in der Vergangenheit Pfarrer <strong>und</strong> Pastoren beim Spazierengehen <strong>ihre</strong> Predigten <strong>und</strong><br />

Ansprachen vorbereitet.<br />

4<br />

Solche Kombinationen werden oft bei militärischen „drillartigen“ Ausbildungen angewendet. Ich erinnere mich<br />

an einen militärischen Lernprozess, als wir ein ideologisches Lied gesungen bzw. geschrien haben, dabei<br />

marschiert <strong>und</strong> gelaufen sind <strong>und</strong> zum Schluss geschossen haben. Wir haben die „Übung“ dermaßen gut gelernt,<br />

dass wir – ich bin mir ziemlich sicher – genauso geschossen hätten, wenn vor uns unschuldige Menschen<br />

gestanden wären. Dass solche Lernprozesse therapeutische Verarbeitung im Sinne von Friedenserziehung<br />

brauchen, steht außer Zweifel.


feiern, zu besingen <strong>und</strong> „betanzen“. Mitglieder religiöser Gruppen fühlen sich getragen, wenn<br />

sie von der Gruppe mit Gesang <strong>und</strong> Gebet unterstützt werden – sowohl während als auch nach<br />

der Krise.<br />

Intrapersonale <strong>Intelligenz</strong> bestimmt unsere innere Welt <strong>und</strong> lehrt uns, Metakognition<br />

auszuüben. Wir sind fähig aus uns herauszusteigen <strong>und</strong> mit uns selbst zu kommunizieren. 5<br />

Sämtliche Meditationen <strong>und</strong> viele Gebete geschehen auf der Ebene der intrapersonalen<br />

<strong>Intelligenz</strong>. Auch zahlreiche Bibelgeschichten können als innere Dialoge <strong>und</strong> intrapersonale<br />

Empfindungen angesehen <strong>und</strong> interpretiert werden. Erwähnenswert sind auch unsere Träume,<br />

die ohnedies in uns verlaufen <strong>und</strong> eine beraterische <strong>und</strong> therapeutische Funktion haben<br />

(Gerjolj 2006, 128-133).<br />

Intrapersonale <strong>Intelligenz</strong> unterstützt holistisches Lernen <strong>und</strong> Denken. Indem der Mensch<br />

„stehenbleibt“ <strong>und</strong> seinen Blick nach innen richtet, öffnen sich weite Horizontebenen, wo er<br />

sich selbst sehen <strong>und</strong> fühlen <strong>und</strong> wo er sich besser orientieren kann. Aus der Perspektive nach<br />

innen kann er bessere Orientierungsrichtungen nach Außen entdecken, um erwerbungswerte<br />

Ziele für seine Zukunft definieren zu können.<br />

Interpersonale <strong>Intelligenz</strong> ermöglicht das vielfältige Kommunizieren der Menschen<br />

miteinander. Zugleich hat diese Fähigkeit einen großen Anteil am Lernen. 6 Daraus wird<br />

deutlich, dass der Mensch auch als Lernender ein kommunikatives Wesen ist <strong>und</strong> in bzw. aus<br />

Beziehung lebt <strong>und</strong> lernt (Juhant 2006, 18). Bereits nach Gardner zählt diese <strong>Intelligenz</strong> zu<br />

den LehrerInnen des Lernens. Erweitert auf die religiöse Dimension des Lebens im<br />

christlichen Kontext lässt sich daraus schließen, dass der Mensch als Ebenbild Gottes diese<br />

„Lehrerin des Lernens“ als besondere Gabe Gottes ansieht, die in der Trinitätstheologie <strong>ihre</strong>n<br />

Höhepunkt erreicht (Himes 1992, 120). Die Trinität weist darauf hin, dass Gott in christlicher<br />

Glaubensbotschaft ein Gott der Kommunikation ist.<br />

Im Bereich der religiösen Dimension wird Beratung diese <strong>Intelligenz</strong> in erster Linie im<br />

Gebet geweckt, vor allem dann, wenn ein zwischenmenschlicher Dialog zustande kommt.<br />

Religiöse Traditionen haben Gebete entwickelt, wo sich zwei Gruppen oder Einzelpersonen<br />

abwechseln, wodurch nicht nur ein Dialog mit Gott, sondern auch ein zwischenmenschlicher<br />

Dialog stattfindet. 7 Obwohl in der heutigen, vorwiegend individualistisch geprägten<br />

Gesellschaft dies allerdings nicht immer leicht zu erlernen ist, liegt gerade im –<br />

entwicklungspsychologisch gesehen – rechtzeitigen Praktizieren der interpersonalen<br />

<strong>Intelligenz</strong> „die Antwort auf die Frage der humanen Ethik“ (Juhant 2006, 20). In der<br />

biblischen Geschichte <strong>über</strong> die Sinnflut, die aus der Sicht der lernpsychologischen<br />

Interpretation zu den Lebensjahren eingeordnet werden kann, als Kinder die Logik der<br />

Beziehungen lernen, sehen wir, dass ausschließlich Lebewesen gerettet wurden, die <strong>über</strong> sich<br />

hinaus wachsen konnten, <strong>und</strong> nur diejenigen die Krise <strong>über</strong>leben konnten, die<br />

beziehungsfähig waren (Gerjolj 2006, 31, 228). Das heißt nicht, dass alle Menschen religiös<br />

5 Wie innerlich <strong>und</strong> therapeutisch diese <strong>Intelligenz</strong> wirkt, sehen wir z. B. im Tagebuch der Anne Frank, wo es<br />

sich um einen eindrucksvollen inneren Dialog mit sich selbst handelt.<br />

6 William Glasser behauptet: „Der Mensch erlernt bis 10% von dem, was er gelesen hat; bis 20% von dem, was<br />

er gehört hat; bis 30% von dem, was er gesehen hat; bis 50% von dem, was er gesehen <strong>und</strong> gehört hat; bis 70%<br />

von dem, was er mit anderen besprochen hat; bis 80% von dem, was er erfahren hat <strong>und</strong> bis 95% von dem, was<br />

er gelehrt hat“ (Zitiert nach: Lazear 1991, 117).<br />

7 Rosenkranz kann allenfalls als religiös therapeutischer Vorgang angesehen werden, wo auf mehreren Ebenen<br />

ein meditativer Dialog verläuft. Erstens wird ein transzendierender Dialog mit Gott geführt, zweitens verläuft ein<br />

Dialog zwischen zwei Gruppen (Vorbeter- <strong>und</strong> Nachbetergruppe), drittens geschieht ein sensibler Dialog<br />

innerhalb dieser zwei Gruppen <strong>und</strong> viertens wird ein emphatischer Dialog mit der Person, für die man betet,<br />

realisiert.


sein müssten. Das soziale Umfeld braucht aber eine religiöse <strong>und</strong> ethische Kultur, um<br />

Krisensituationen <strong>über</strong>brücken zu können (Woschitz 2000, 40).<br />

Durch Kombination mit der interpersonalen <strong>Intelligenz</strong> sind wir fähig, Empathie zu<br />

praktizieren (Lazear 1991, 155). Auch beim Gebet wird empathisch kommuniziert. Wenn<br />

Jesus von der Liebe zu den Feinden spricht, denkt er eigentlich an die empathische Fähigkeit<br />

des Menschen. In der Tiefe der intrapersonalen <strong>und</strong> interpersonalen religiösen<br />

Kommunikation versetzt man sich intuitiv in die Lage des „Feindes“, wodurch man ihn besser<br />

verstehen kann, aufgr<strong>und</strong> dessen sich auf alle Fälle ein Weg der Versöhnung besser<br />

visualisieren lässt. Beten beide in Konflikt verwickelte Seiten füreinander, können<br />

Versöhnungsw<strong>und</strong>er geschehen.<br />

Naturalistische <strong>Intelligenz</strong> gibt uns das Gefühl der Realität <strong>und</strong> der Wahrnehmung der<br />

Umwelt <strong>und</strong> der Lebenssituationen. Dementsprechend wird sie oft als „common-sense“<br />

verstanden. Dabei geht es nicht bloß um die Anpassungsfähigkeit, sondern darum, die Realität<br />

auch bei Veränderungstendenzen in einer realistischen Weise wahrzunehmen <strong>und</strong> diese erst<br />

dann – auch realitätsbezogen – ändern zu wollen (Gardner 1999, 48-49). „Vor allem aus<br />

erzieherischer Sicht genügt es nicht, bloß eine Sammlung der kognitiven Fähigkeiten zu<br />

besitzen. Intelligent sein heißt ebenso zu wissen, wie ich meine Fähigkeiten sinnvoll<br />

verwenden <strong>und</strong> wie ich mich <strong>und</strong> die Umgebung ändern kann“ (Grotzer, Perkins 2000, 493).<br />

Somit entwickelt sich <strong>Intelligenz</strong> zur Tugend <strong>und</strong> Weisheit, die Kultur- <strong>und</strong> Wertorientierung<br />

sehr wohl respektiert <strong>und</strong> berücksichtigt (Sternberg 2000, 638).<br />

In der Bibel finden wir diese <strong>Intelligenz</strong>züge bei Brot- <strong>und</strong> Fischvermehrungen, wo Jesus<br />

die konkrete Realität erfasst <strong>und</strong> dementsprechend handelt. Aus beraterisch-therapeutischer<br />

Sicht ist aber vor allem die Geschichte <strong>über</strong> die Hochzeit zu Kana interessant, wo sich Maria<br />

von der Situation ansprechen lässt <strong>und</strong> einen Dialog mit Jesus <strong>und</strong> <strong>ihre</strong>r Umgebung startet,<br />

wodurch in einer therapeutischen Vorgangsweise die Gruppe in Not zur Gruppe in Fülle wird<br />

(Joh 2,1-22).<br />

4 Beispiel für praktische Anwendung<br />

Praxisbezogen lässt sich folgende beraterisch-therapeutische Vorgangsweise<br />

herausarbeiten – am Beispiel „Konfliktbearbeitung“: 8<br />

1. Ich schreibe drei bis fünf Konflikte <strong>und</strong> Krisensituationen auf ein Blatt Papier auf<br />

(naturalistische <strong>und</strong> verbal-linguistische <strong>Intelligenz</strong>).<br />

2. Dann vergleiche ich die angeführten Konflikte miteinander <strong>und</strong> wähle den „für mich in<br />

diesem Augenblick" wichtigsten Konflikt aus, an dem ich weiterarbeiten möchte<br />

(naturalistische <strong>und</strong> mathematisch-logische <strong>Intelligenz</strong>).<br />

3. Den ausgesuchten Konflikt schreibe ich in der Mitte eines neuen Blattes auf. Im nächsten<br />

Schritt schreibe ich spontan <strong>und</strong> „ohne denken“ ca. drei Minuten alle Wörter, die mir<br />

spontan zu diesem Konflikt einfallen, um den aufgeschriebenen Konflikt herum – im<br />

Sinne von „brain-storming“ – auf. Die Wörter sollen möglichst auf dem ganzen Blatt<br />

verstreut sein (verbal-linguistische <strong>Intelligenz</strong>).<br />

4. Die aufgeschriebenen Wörter ordne ich in drei Gruppen ein – nach eigenen Kriterien oder<br />

nach einem vorgegebenen Vorschlag. 9 Dabei muss ich die Wörter nicht „abschreiben“.<br />

8 Die Methode ist der pädagogischen <strong>und</strong> beraterischen Arbeit (in <strong>und</strong> außerhalb der Schule) für Altersstufen ab<br />

15 angepasst, ist aber genauso im Bereich der Erwachsenenbildung anwendbar. Damit der/die LeserIn den<br />

Prozess auch identifikationsmäßig <strong>und</strong> emotional besser mitverfolgen kann, wird dieser meistens in der „Ich-<br />

Form“ geschildert, wird aber von einem/einer GruppenleiterIn geleitet.


Diesen Prozess führe ich aus, indem ich die in die erste Gruppe eingereihten Wörter mit<br />

einer gleichen Farbe, die zur zweiten Gruppe gehörenden Wörter mit einer anderen <strong>und</strong><br />

die zur dritten Gruppe gezählten Wörter mit einer dritten Farbe <strong>über</strong>male (räumlichvisualistische<br />

<strong>Intelligenz</strong>).<br />

5. Auf ein neues Blatt Papier male ich nun den ausgesuchten Konflikt auf. Ich stelle den<br />

Konflikt bildhaft dar (räumlich-visualistische <strong>Intelligenz</strong>).<br />

6. Den behandelten Konflikt forme ich nun in einen einfachen <strong>und</strong> kurzen Satz um <strong>und</strong><br />

suche mir einen Rhythmus aus, mit dem ich dann den Satz (den Konflikt) immer wieder<br />

wiederhole. Anschließend ergänze ich den Rhythmus mit einer Melodie <strong>und</strong> beginne den<br />

Konflikt zu singen. 10 Dabei ist mein Blick auf das Bild (den Konflikt) gerichtet<br />

(rhythmisch-musische <strong>und</strong> räumlich-visualistische <strong>Intelligenz</strong>).<br />

7. Meinen Konflikt versuche ich nun mit verschiedenen Körperhaltungen auszudrücken.<br />

Anschließend suche ich diejenige Körperhaltung aus, mit der ich meinen Konflikt am<br />

besten ausdrücken kann. Dann verbleibe ich in dieser Körperhaltung zwei Minuten stehen<br />

(körperlich-kinästhetische <strong>Intelligenz</strong>).<br />

8. Nach diesem Punkt ist die Einzelarbeit im Sinne von Bildbearbeitung, bei religiösen<br />

Gruppen aber auch ein Gebet angebracht. 11<br />

9. Hier kann ich den Vorgang (ganz oder nur teilweise) wiederholen, indem ich das Ziel (den<br />

gelösten Konflikt) aufschreibe, r<strong>und</strong> herum Wörter verstreue (einordnen ist nicht geplant)<br />

<strong>und</strong> male, die Lösung zuerst rhythmisch <strong>und</strong> dann auch singend wiederhole. Auch die<br />

Lösung setze ich in eine Körperhaltung um.<br />

10. Geleitete Traumreise: Ich befinde mich an einem Bahnhof <strong>und</strong> reise mit einem "Zeitzug"<br />

in die Zukunft – für mehrere h<strong>und</strong>ert Jahre. Wenn ich nach der Fahrt von z. B. 900 Jahren<br />

aussteige, blicke ich von dort zurück in die Gegenwart, wo ich eine mir bekannte <strong>und</strong><br />

nahestehende Person entdecke, die sich mit <strong>ihre</strong>m Konflikt auseinandersetzt. Wie sieht sie<br />

aus? Was fühlt sie? Wie steht sie zum Konflikt <strong>und</strong> wie sieht <strong>ihre</strong> gesamte Situation aus?<br />

Was würde ich ihr raten, sollte ich ihr irgendwann begegnen? Ist der Konflikt wert, sich<br />

emotional dermaßen hineinzusteigern <strong>und</strong> daran so viel Nerven zu verlieren? Ist eine<br />

Lösung sichtbar <strong>und</strong> wie kann die beobachtete Person das Ziel erreichen? Welche Mittel<br />

<strong>und</strong> Kompetenzen hat sie zur Verfügung, um das Ziel zu erreichen? In meinem Inneren<br />

schreibe ich ihr einen Vertrauensbrief. Anschließend nehme ich den gedanklich<br />

geschriebenen Brief mit, steige in den Zug wieder ein <strong>und</strong> fahre nun in die Gegenrichtung<br />

zurück. Wenn ich am Bahnhof wieder ankomme, wache ich auf (werde ich durch den/die<br />

LeiterIn aufgeweckt) <strong>und</strong> schreibe den mitgebrachten Brief auf ein Blatt Papier<br />

(intrapersonale <strong>Intelligenz</strong>).<br />

11. Den Prozess setze ich mit der Einnahme der Körperhaltung, die den Konflikt darstellt,<br />

fort. Nach zwei Minuten unbewegter Haltung beginne ich aus der Konflikthaltung heraus<br />

in Richtung „Konfliktlösung“ zu tanzen <strong>und</strong> dabei die Lösung zu singen. Es ist<br />

9 Nach dem in der Praxis bewährten Muster können die Wörter folgenderweise in drei Gruppen aufgeteilt<br />

werden: Gruppe 1: unmittelbar mit dem Konflikt zusammenhängende Ausdrücke; Gruppe 2: teilweise mit dem<br />

Konflikt zusammenhängende Ausdrücke; Gruppe 3: nicht mit dem Konflikt zusammenhängende Ausdrücke.<br />

10 Der Satz soll möglicherweise in der „Ich- Form“ lauten, damit ich mich in die Konflikt- oder Krisensituation<br />

besser hineinsteigern <strong>und</strong> den Konflikt fühlen kann.<br />

11 Bei einer gründlichen Konfliktbearbeitung können Bilder bearbeitet bzw. „gelesen“ <strong>und</strong> besprochen werden.<br />

Nachdem die Gruppe gesagt hat, was sie am Bild sieht, kommt die Beschreibung des Bildes vom Autor an die<br />

Reihe. Die Bildbearbeitung, bei der die gesamte Gruppe mitmacht, kann stufenweise erfolgen wie z. B.: Auf dem<br />

Bild sehe ich … (Beobachtung); Als „Bild“ fühle ich … (emotionale Beobachtung); Der Titel des Bildes kann<br />

lauten … (Interpretation); Aussprache des Autors (emotionale Fokussierung); Wünsche zum Bild oder an den<br />

Autor (Lernen, Beratung <strong>und</strong> Therapie). Bei religiösen Gruppen können Wünsche im Sinne von Fürbitten<br />

angewendet <strong>und</strong> der Prozess mit einem gemeinsamen, am besten vom Autor ausgesuchten Gebet beendet<br />

werden. Die Fürbitten können mit „Wir bitten dich, erhöre uns“ oder „Herr. erhöre uns“ beantwortet werden.


angebracht, während verschiedener Körperbewegungen immer wieder auch meine<br />

Gr<strong>und</strong>haltungen sowohl des Konfliktes als auch von der Lösung einzunehmen<br />

(rhythmisch-musische <strong>und</strong> körperlich-kinästhetische <strong>Intelligenz</strong>).<br />

12. Paar- oder Kleingruppenarbeit: Je zwei Personen oder Leute in Kleingruppen teilen sich<br />

gegenseitig <strong>ihre</strong> Schlüsselerfahrungen, bezogen auf die einzelnen Lernstufen, mit. Sie<br />

erzählen, wie es ihnen bei verschiedenen Tätigkeiten im Laufe des Prozesses ergangen ist<br />

<strong>und</strong> wie sie sich gefühlt haben sowie zu welchen Erkenntnissen <strong>und</strong> Einsichten sie<br />

gekommen sind (interpersonale <strong>und</strong> emotionale <strong>Intelligenz</strong>). 12<br />

Einzelne Stufen können auch ausgelassen werden, wobei wir dann damit zu rechnen<br />

haben, dass der Prozess nicht mehr als ganzheitlicher Lernprozess angesehen werden kann.<br />

Da Gardner selber des Öfteren darauf hinweist, dass es neben der von ihm behandelten noch<br />

weitere <strong>Intelligenz</strong>formen gibt, kann man annehmen, dass ein Lernprozess im Sinne von<br />

Beratung <strong>und</strong> Therapie umso ganzheitlicher ist, desto mehr <strong>Intelligenz</strong>arten bewusst<br />

berücksichtigt <strong>und</strong> angewendet werden.<br />

In einer ähnlichen Weise lassen sich auch manche andere Fragen bearbeiten, wie z. B.<br />

Lebensziele, Berufsentscheidungen etc.<br />

Summary: <strong>Howard</strong> Gardner's Theory of Multiple Intelligences and Its Practical<br />

Application – a Way of integrative Learning in the Sense of inclusive Pedagogic<br />

An increasing number of recent investigations have shown a positive role of the religious<br />

dimension in the formation of a positive and psychologically stable personality. Thus, with<br />

religious persons the religious dimension of life becomes an element of advisory and<br />

therapeutic communication and can play a very positive role in numerous complex life<br />

situations. By making individual Biblical narratives topical in an applicative manner there are<br />

opened ways to sources of vitality that encourage the person in distress and support him in his<br />

search for more creative forms of communication when he has to deal with crises and to solve<br />

complicated relations. In many Jesus' miracles, for example, one can find characteristic<br />

features of therapeutic communication that are no less effective today than they were in his<br />

time. Nor have life dilemmas and basic forms of fear essentially changed during history,<br />

which means that for a religious person in the modern world a positive and healthy religious<br />

education remains equally important as it was in the past.<br />

Gardner's theory of <strong>multiple</strong> intelligences does not explicitly include the religious<br />

dimension though it allows it and in many life situations even suggests it. This especially<br />

applies to a person, who does not <strong>und</strong>erstand his faith just as an »accessory«, but experiences<br />

it as a part of his learning, work and life. It is true of practically all intelligences that they seek<br />

their final range in the transcendence.<br />

Key words: inclusive pedagogic, intelligences, counselling, learning process, religious<br />

learning, integral learning.<br />

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12 Die angeführte Bildbearbeitung kann auch als Endpunkt eingesetzt werden.


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