Die Rechenschaftspflicht des Beauftragten - Universität St.Gallen
Die Rechenschaftspflicht des Beauftragten - Universität St.Gallen
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<strong>Die</strong> <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
- Ein Beitrag zum Informationsrecht im Auftragsvertrag<br />
DISSERTATION<br />
der <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>,<br />
Hochschule für Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)<br />
zur Erlangung der Würde eines<br />
Doktors der Rechtswissenschaft<br />
vorgelegt von<br />
<strong>St</strong>efan Hafner<br />
von<br />
Zürich<br />
Genehmigt auf Antrag der Herren<br />
Prof.Dr. Jean Nicolas Druey<br />
und<br />
Prof.Dr. Vito Roberto<br />
Dissertation Nr. 3216<br />
Weißensee Verlag, Berlin, 2007
<strong>Die</strong> <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und<br />
Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der<br />
vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen<br />
Anschauungen <strong>St</strong>ellung zu nehmen.<br />
<strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong>, den 12. Juni 2006<br />
Der Rektor:<br />
Prof. Ernst Mohr, PhD
Vorwort<br />
Der erste Dank gebührt meinen Eltern, die mir neben vielem anderen meine<br />
Ausbildung ermöglicht haben. Weiter möchte ich allen Personen, die mich bei dieser<br />
Arbeit in irgendeiner Weise unterstützt haben, ganz herzlich danken!<br />
Sodann möchte ich mich bei Herrn Prof.Dr. Druey für sein Interesse am Thema und<br />
für eine anregende und lehrreiche Assistenzzeit, die ich bei ihm verbringen durfte,<br />
bedanken. Für die Übernahme <strong>des</strong> Korreferats bedanke ich mich bei Herrn Prof.Dr.<br />
Roberto.<br />
Dankbar bin ich auch meinen Kollegen Dr. Christoph Schmid und Dr. Adrian<br />
Margiotta für die kritische Durchsicht der Arbeit und die intensiven Gespräche, die zur<br />
Entstehung der Arbeit beigetragen haben.<br />
Ein besonders herzliches Dankeschön geht aber an meine Frau Nadir und an meine<br />
Kinder, die mich in der Zeit der Entstehung dieser Arbeit immer unterstützt haben.<br />
Ihnen sei daher diese Arbeit gewidmet.<br />
Adliswil, im März 2007 <strong>St</strong>efan Hafner
Inhaltsübersicht<br />
- v -<br />
1 EINFÜHRUNG................................................................................................................ 1<br />
1.1 ZIEL DER VORLIEGENDEN ARBEIT .................................................................................. 1<br />
1.2 AUFBAU DER ARBEIT........................................................................................................... 1<br />
1.3 GRUNDLAGEN........................................................................................................................ 3<br />
2 RECHTSHISTORISCHE UNTERSUCHUNG DER INFORMATIONSPFLICHT<br />
„RECHENSCHAFT“ IM AUFTRAGSRECHT........................................................ 18<br />
2.1 RÖMISCHES RECHT............................................................................................................. 19<br />
2.2 ALLGEMEINES LANDRECHT FÜR DIE PREUSSISCHEN STAATEN (ALR) ............... 24<br />
2.3 CODE NAPOLÉON RESP. DER CODE CIVIL (CC) ........................................................... 30<br />
2.4 ALLGEMEINES BÜRGERLICHES GESETZBUCH FÜR ÖSTERREICH (ABGB)........... 31<br />
2.5 DRESDENER ENTWURF (DE) UND SEINE VORLÄUFER.............................................. 32<br />
2.6 BÜRGERLICHES GESETZBUCH FÜR DAS DEUTSCHE REICH (BGB) ........................ 44<br />
2.7 PRIVATRECHTLICHES GESETZBUCH FÜR DEN KANTON ZÜRICH (PGB) .............. 54<br />
2.8 SCHWEIZERISCHES OBLIGATIONENRECHT ................................................................. 59<br />
2.9 FAZIT ...................................................................................................................................... 77<br />
3 RECHTSSYSTEMATISCHE UNTERSUCHUNG DER<br />
INFORMATIONSPFLICHT „RECHENSCHAFT“ IM AUFTRAGSRECHT..... 79<br />
3.1 VORBEMERKUNGEN .......................................................................................................... 79<br />
3.2 DOKUMENTATIONSPFLICHT ALS GRUNDLAGE IM SCHWEIZERISCHEN<br />
AUFTRAGSRECHT ............................................................................................................... 81<br />
3.3 ABLIEFERUNGSOBLIGATION IM SCHWEIZERISCHEN AUFTRAGSRECHT............ 98<br />
3.4 DATENSCHUTZRECHTLICHE FRAGESTELLUNGEN IM SCHWEIZERISCHEN<br />
AUFTRAGSRECHT ............................................................................................................. 138<br />
3.5 WEISUNGSRECHT UND INFORMATIONSRECHT GEMÄSS ART. 400 OR ............... 169<br />
3.6 VERTRAUENSSITUATION UND INFORMATIONSRECHT GEMÄSS ART. 400 OR . 199<br />
3.7 INTERESSENSITUATION UND INFORMATIONSRECHT GEMÄSS ART. 400 OR.... 208<br />
4 FAZIT DER VORLIEGENDEN ARBEIT ............................................................... 304<br />
4.1 ERKLÄRTES ZIEL............................................................................................................... 304<br />
4.2 ERGEBNIS DER RECHTSGESCHICHTLICHEN DARSTELLUNG................................ 304<br />
4.3 ERGEBNIS DER RECHTSSYSTEMATISCHEN DARSTELLUNG ................................. 305<br />
4.4 ABRECHNUNGSPFLICHT ALS RECHENSCHAFTSPFLICHT ...................................... 312
Inhaltsverzeichnis<br />
- vi -<br />
VORWORT ................................................................................................................................ III<br />
ZUSAMMENFASSUNG......................................................................................................... XVI<br />
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...........................................................................................XVII<br />
LITERATURVERZEICHNIS .............................................................................................. XXIV<br />
1 EINFÜHRUNG................................................................................................................ 1<br />
1.1 ZIEL DER VORLIEGENDEN ARBEIT .................................................................................. 1<br />
1.2 AUFBAU DER ARBEIT........................................................................................................... 1<br />
1.3 GRUNDLAGEN........................................................................................................................ 3<br />
1.3.1 WESEN UND TYPENMERKMALE DES AUFTRAGVERTRAGES ............................. 3<br />
1.3.2 VERTRAGSEINTEILUNG UND EINFLUSS DER ENTGELTLICHKEITSFRAGE IM<br />
AUFTRAGSRECHT ........................................................................................................... 5<br />
1.3.2.1 Vertragseinteilung....................................................................................................... 5<br />
1.3.2.2 Einfluss der Frage der Entgeltlichkeit......................................................................... 6<br />
1.3.3 HAUPTPFLICHT DES BEAUFTRAGTEN ...................................................................... 7<br />
1.3.4 NEBENLEISTUNGS- UND NEBENPFLICHTEN DES BEAUFTRAGTEN .................. 9<br />
1.3.5 ÜBERSICHT ÜBER DIE NEBENLEISTUNGS- UND NEBENPFLICHTEN DES<br />
BEAUFTRAGTEN ............................................................................................................. 9<br />
1.3.5.1 Vorbemerkungen......................................................................................................... 9<br />
1.3.5.2 Rechenschaftsablegung............................................................................................. 10<br />
1.3.5.3 <strong>Rechenschaftspflicht</strong> ................................................................................................. 11<br />
1.3.5.4 Auskunftspflicht........................................................................................................ 11<br />
1.3.5.5 Pflicht zur Rechnungslegung .................................................................................... 12<br />
1.3.5.6 Pflicht zur Rechnungsstellung / Rechnung ............................................................... 13<br />
1.3.5.7 Aufklärungspflicht .................................................................................................... 14<br />
1.3.5.8 Benachrichtigungspflicht .......................................................................................... 15<br />
1.3.6 FAZIT: EIGENE TERMINOLOGIE ................................................................................ 15<br />
2 RECHTSHISTORISCHE UNTERSUCHUNG DER INFORMATIONSPFLICHT<br />
„RECHENSCHAFT“ IM AUFTRAGSRECHT........................................................ 18<br />
2.1 RÖMISCHES RECHT............................................................................................................. 19<br />
2.1.1 DIGESTENSTELLEN ...................................................................................................... 19<br />
2.1.1.1 D. 17.1.56.2 .............................................................................................................. 19
- vii -<br />
2.1.1.2 D. 3.3.46.4 ................................................................................................................ 20<br />
2.1.1.3 D. 2.13.9 pr. ............................................................................................................. 21<br />
2.1.2 RECHTSLEHRE ZUM RÖMISCHEN RECHT............................................................... 22<br />
2.1.3 FAZIT................................................................................................................................ 23<br />
2.2 ALLGEMEINES LANDRECHT FÜR DIE PREUSSISCHEN STAATEN (ALR) ............... 24<br />
2.2.1 KODIFIKATION .............................................................................................................. 24<br />
2.2.2 LEHRMEINUNGEN ZUM ALR SOWIE DIE PANDEKTENLITERATUR ................. 25<br />
2.2.3 JUDIKATUR ZUM ALR.................................................................................................. 27<br />
2.2.3.1 Rechenschaft und Rechnungslegung ........................................................................ 27<br />
2.2.3.2 Rechnungslegung und Belegungspflicht................................................................... 28<br />
2.2.4 FAZIT................................................................................................................................ 29<br />
2.3 CODE NAPOLÉON RESP. DER CODE CIVIL (CC) ........................................................... 30<br />
2.4 ALLGEMEINES BÜRGERLICHES GESETZBUCH FÜR ÖSTERREICH (ABGB)........... 31<br />
2.5 DRESDENER ENTWURF (DE) UND SEINE VORLÄUFER.............................................. 32<br />
2.5.1 HESSISCHE ENTWÜRFE (1842-1853) .......................................................................... 32<br />
2.5.1.1 Rechtsgeschichtliche Entwicklung............................................................................ 32<br />
2.5.1.2 Konkrete Entwürfe zu einem Hessischen Gesetzbuch.............................................. 32<br />
2.5.1.3 Fazit...........................................................................................................................33<br />
2.5.2 BAYERISCHE ENTWÜRFE (1808-1861/64) ................................................................. 33<br />
2.5.2.1 Rechtsgeschichtliche Entwicklung............................................................................ 33<br />
2.5.2.2 Konkrete Entwürfe zu einem Bayerischen Gesetzbuch ............................................ 34<br />
2.5.2.3 Fazit...........................................................................................................................35<br />
2.5.3 SÄCHSISCHES BÜRGERLICHES GESETZBUCH (1863-1865).................................. 35<br />
2.5.3.1 Rechtsgeschichtliche Entwicklung zum Gesetzbuch ................................................ 35<br />
2.5.3.2 Rechtsprechung......................................................................................................... 37<br />
2.5.3.3 Fazit...........................................................................................................................38<br />
2.5.4 DRESDENER ENTWURF (1866).................................................................................... 38<br />
2.5.4.1 Personelle und kodifikatorische Einflüsse auf den Dresdener Entwurf .................... 38<br />
2.5.4.2 Rechtsgeschichtliche Entwicklung im Auftragsrecht ............................................... 39<br />
2.5.4.2.1 Vorbemerkungen ............................................................................................. 39<br />
2.5.4.2.2 Vorbereitender Ausschuss ............................................................................... 39
- viii -<br />
2.5.4.2.3 Redaktionsausschuss und Lesungen ................................................................ 41<br />
2.5.5 FAZIT................................................................................................................................ 42<br />
2.6 BÜRGERLICHES GESETZBUCH FÜR DAS DEUTSCHE REICH (BGB) ........................ 44<br />
2.6.1 ALLGEMEINE HINWEISE ZUR KODIFIKATIONSGESCHICHTE ........................... 44<br />
2.6.2 BESONDERE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE VON § 666 BGB................................. 44<br />
2.6.2.1 Teilentwurf <strong>des</strong> Schuldrechts bzw. die Materialsammlung ...................................... 45<br />
2.6.2.2 Erste Kommission ..................................................................................................... 46<br />
2.6.2.3 Zweite Kommission .................................................................................................. 48<br />
2.6.2.4 Denkschrift................................................................................................................ 50<br />
2.6.3 FAZIT................................................................................................................................ 51<br />
2.6.4 ÜBERSICHT ÜBER DIE ENTWURFSTEXTE ZUM BGB............................................ 53<br />
2.7 PRIVATRECHTLICHES GESETZBUCH FÜR DEN KANTON ZÜRICH (PGB) .............. 54<br />
2.7.1 § 1173 PGB UND SEINE SYSTEMATISCHE STELLUNG .......................................... 54<br />
2.7.2 PRAXIS ZUM MANDATSRECHT (§ 1173 PGB).......................................................... 55<br />
2.7.2.1 Z. X. 368:Vertrauen und Informationsrecht.............................................................. 55<br />
2.7.2.2 Z. V. 230: Pflicht zur belegten Rechnungslegung .................................................... 56<br />
2.7.2.3 Z. XVI. 359: Aufzeichnungen und Informationsrechte ............................................ 57<br />
2.7.3 FAZIT................................................................................................................................ 57<br />
2.8 SCHWEIZERISCHES OBLIGATIONENRECHT ................................................................. 59<br />
2.8.1 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE VON ART. 398 AOR.................................................. 59<br />
2.8.1.1 Entwurf Munzinger 1871 .......................................................................................... 59<br />
2.8.1.2 Entwurf Fick 1875 .................................................................................................... 60<br />
2.8.1.3 Kommissionsentwurf 1877 ....................................................................................... 61<br />
2.8.1.4 EJPD-Entwurf 1879 .................................................................................................. 61<br />
2.8.1.5 Redaktionskommissions-Entwurf I 1881................................................................. 62<br />
2.8.1.6 Redaktionskommissions-Entwurf II 1881................................................................ 63<br />
2.8.2 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE VON ART. 400 OR..................................................... 64<br />
2.8.2.1 Entwurf der Botschaft 1905 ...................................................................................... 64<br />
2.8.2.2 Entwurf der Botschaft 1909 ...................................................................................... 66<br />
2.8.3 ÜBERSICHT ÜBER DIE NORMTEXTE ZUM AOR UND OR..................................... 67<br />
2.8.4 RECHTSPRECHUNG DES BUNDESGERICHTES ZU ART. 398 AOR ...................... 70
- ix -<br />
2.8.4.1 BGE 19, 815ff.: Urteil vom 27.10.1893.................................................................... 70<br />
2.8.4.2 BGE 23, 1842ff.: Urteil vom 30.12.1897 ................................................................. 72<br />
2.8.5 FAZIT................................................................................................................................ 75<br />
2.9 FAZIT ...................................................................................................................................... 77<br />
3 RECHTSSYSTEMATISCHE UNTERSUCHUNG DER<br />
INFORMATIONSPFLICHT „RECHENSCHAFT“ IM AUFTRAGSRECHT..... 79<br />
3.1 VORBEMERKUNGEN .......................................................................................................... 79<br />
3.2 DOKUMENTATIONSPFLICHT ALS GRUNDLAGE IM SCHWEIZERISCHEN<br />
AUFTRAGSRECHT ............................................................................................................... 81<br />
3.2.1 VORBEMERKUNGEN .................................................................................................... 81<br />
3.2.2 DOKUMENTATIONSPFLICHT IM ALLGEMEINEN AUFTRAGSRECHT ............... 83<br />
3.2.2.1 Rechtsgrundlage der Dokumentationspflicht im allgemeinen Auftragsrecht ........... 83<br />
3.2.2.2 Inhalt der Dokumentationspflicht im allgemeinen Auftragsrecht............................. 84<br />
3.2.3 DOKUMENTATIONSPFLICHT IM ARZTVERTRAG ................................................. 84<br />
3.2.3.1 Allgemeines .............................................................................................................. 84<br />
3.2.3.2 Rechtsgrundlage der Dokumentationspflicht im Arztvertrag ................................... 85<br />
3.2.3.3 Inhalt der arztvertraglichen Dokumentationspflicht und Verallgemeinerung........... 89<br />
3.2.3.3.1 Drei Bereiche der Dokumentationspflicht / inhaltliche Beschreibung ............ 89<br />
3.2.3.3.2 Generelle Anforderungen an die drei Bereiche der Dokumentationspflicht.... 90<br />
3.2.3.3.3 Spezielle Anforderungen im Rahmen „Sachverhalt“ und „Handlungen“ ....... 91<br />
3.2.3.3.4 Spezielle Anforderungen im Rahmen „Aufklärung“....................................... 95<br />
3.2.4 FAZIT................................................................................................................................ 96<br />
3.3 ABLIEFERUNGSOBLIGATION IM SCHWEIZERISCHEN AUFTRAGSRECHT............ 98<br />
3.3.1 VORBEMERKUNGEN .................................................................................................... 98<br />
3.3.2 REGELUNGSGEDANKE DER ABLIEFERUNGSOBLIGATION................................ 98<br />
3.3.2.1 Rechtshistorische Betrachtung.................................................................................. 98<br />
3.3.2.2 Systematische Betrachtung ..................................................................................... 100<br />
3.3.3 INHALT DER ABLIEFERUNGSOBLIGATION.......................................................... 101<br />
3.3.3.1 Vorbemerkungen..................................................................................................... 101<br />
3.3.3.2 Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Erhaltenen ........................................ 102<br />
3.3.3.3 Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Erlangten .......................................... 104<br />
3.3.3.4 Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Geschaffenen.................................... 107
- x -<br />
3.3.3.4.1 Allgemeines ................................................................................................... 107<br />
3.3.3.4.2 Grundsätzlicher Inhalt dieser Ablieferungsobligation................................... 108<br />
3.3.3.4.3 Ablieferungsobligation in einzelnen, besonderen Auftragsverträgen............ 109<br />
3.3.3.4.3.1 Architektenvertrag ......................................................................................... 109<br />
3.3.3.4.3.2 Anwaltsvertrag............................................................................................... 112<br />
3.3.3.4.3.3 Arztvertrag..................................................................................................... 113<br />
3.3.3.4.3.4 Softwarevertrag ............................................................................................. 115<br />
3.3.3.4.4 Allgemeine Grenze der Ablieferungsobligation: sog. Handakten ................. 118<br />
3.3.3.4.4.1 Vorbemerkungen ........................................................................................... 118<br />
3.3.3.4.4.2 Begriff und Funktion der sog. Handakten ..................................................... 119<br />
3.3.3.4.4.3 Generelle Inhaltsbeschreibung....................................................................... 119<br />
3.3.3.4.4.4 Einzelne Objekte der sog. Handakten............................................................ 121<br />
3.3.4 VORLEGUNGSPFLICHT UND WEITERE EINSICHTSRECHTE IN DIE<br />
DOKUMENTATION...................................................................................................... 124<br />
3.3.4.1 Einleitung................................................................................................................ 124<br />
3.3.4.2 Auftragsrechtliche Vorlegungspflicht..................................................................... 125<br />
3.3.4.2.1 Anspruchsgrundlagen .................................................................................... 125<br />
3.3.4.2.2 <strong>St</strong>ellungnahme ............................................................................................... 126<br />
3.3.4.3 Adressatenspezifische Vorlegungspflicht ............................................................... 131<br />
3.3.5 FAZIT.............................................................................................................................. 135<br />
3.4 DATENSCHUTZRECHTLICHE FRAGESTELLUNGEN IM SCHWEIZERISCHEN<br />
AUFTRAGSRECHT ............................................................................................................. 138<br />
3.4.1 VORBEMERKUNGEN .................................................................................................. 138<br />
3.4.2 BEGRIFFE AUS DEM DATENSCHUTZRECHT ........................................................ 139<br />
3.4.2.1 Datenschutzrechtlich relevante Daten..................................................................... 139<br />
3.4.2.2 Begriff „Dokument“ im Datenschutzrecht.............................................................. 140<br />
3.4.3 ANWENDUNGSBEREICH DES DATENSCHUTZRECHTES ................................... 141<br />
3.4.3.1 Prozessuale Vorbemerkungen................................................................................. 141<br />
3.4.3.2 Begriff „interne Akten“ und neueres Datenschutzrecht.......................................... 142<br />
3.4.3.3 Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG: „Notizen“, „Arbeitshilfen“ und „Gedächtnisstützen“ ..... 144<br />
3.4.3.3.1 Regelungsgedanke ......................................................................................... 144<br />
3.4.3.3.2 Inhaltliche Bestimmung eines sog. Eigenbereichs <strong>des</strong> Auftragnehmers ....... 147
- xi -<br />
3.4.3.3.2.1 Keine Dokumentationspflicht........................................................................ 147<br />
3.4.3.3.2.2 Inhalt <strong>des</strong> sog. Eigenbereichs ........................................................................ 148<br />
3.4.3.3.3 Einfluss <strong>des</strong> Interessenwahrungsgrundsatzes auf einen Eigenbereich........... 149<br />
3.4.3.4 Art. 2 Abs. 2 lit. c DSG: Vorbehalt der Verfahrensrechte ...................................... 150<br />
3.4.4 AUSKUNFTSRECHT IM DATENSCHUTZRECHT.................................................... 151<br />
3.4.4.1 Art. 8 DSG: Grundsätzliches Auskunftsrecht ......................................................... 151<br />
3.4.4.1.1 Rechtsgrundlage ............................................................................................ 151<br />
3.4.4.1.2 Auskunftsrecht............................................................................................... 152<br />
3.4.4.1.2.1 Allgemeines ................................................................................................... 152<br />
3.4.4.1.2.2 Datensammlung als Objekt: Erste Einschränkungen <strong>des</strong> Auskunftsrechts.... 154<br />
3.4.4.1.2.3 Umfang <strong>des</strong> Auskunftsrechts: Inhärente Grenzen ......................................... 155<br />
3.4.4.2 Art. 9 DSG: Ausdrückliche Einschränkungen <strong>des</strong> Auskunftsrechts ....................... 158<br />
3.4.4.2.1 Vorbemerkungen ........................................................................................... 158<br />
3.4.4.2.2 Allgemeine Einschränkungen nach Art. 9 Abs. 1 DSG................................. 159<br />
3.4.4.2.2.1 Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG: Vorbehalt <strong>des</strong> „formellen Gesetzes“...................... 159<br />
3.4.4.2.2.2 Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG: Überwiegen<strong>des</strong> Drittinteresse................................ 162<br />
3.4.4.2.3 Art. 9 Abs. 3 DSG: Vorbehalt <strong>des</strong> überwiegenden eigenen Interesses.......... 164<br />
3.4.5 FAZIT.............................................................................................................................. 166<br />
3.5 WEISUNGSRECHT UND INFORMATIONSRECHT GEMÄSS ART. 400 OR ............... 169<br />
3.5.1 VORBEMERKUNGEN .................................................................................................. 169<br />
3.5.2 GRUNDLAGEN UND AUSGESTALTUNG DER WEISUNGSRECHTE .................. 170<br />
3.5.2.1 Gesetzliche Grundlagen .......................................................................................... 170<br />
3.5.2.2 Erscheinungsformen der Weisungsrechte im Arbeits- und Auftragsvertrag........... 171<br />
3.5.2.2.1 Verhaltensanweisungen ................................................................................. 171<br />
3.5.2.2.2 Zielanweisungen............................................................................................ 173<br />
3.5.2.2.3 Fachanweisungen........................................................................................... 175<br />
3.5.3 INFORMATIONSRECHTE IM SCHWEIZERISCHEN<br />
EINZELARBEITSVERTRAGSRECHT ........................................................................ 177<br />
3.5.3.1 Allgemeines ............................................................................................................ 177<br />
3.5.3.2 Rechenschafts- und Herausgabepflicht <strong>des</strong> Arbeitnehmers nach Art. 321b OR..... 178<br />
3.5.3.2.1 Rechtsgrundlage der Rechenschafts- und Herausgabepflicht........................ 178<br />
3.5.3.2.2 Inhalt der Herausgabe- und <strong>Rechenschaftspflicht</strong> ......................................... 179
- xii -<br />
3.5.3.3 Berichterstattungspflicht <strong>des</strong> Handelsreisenden nach Art. 348 Abs. 3 OR............. 181<br />
3.5.3.3.1 Anwendbare Rechtsnormen........................................................................... 181<br />
3.5.3.3.2 Zusätzliche Melde- und Berichtspflicht <strong>des</strong> Handelsreisenden ..................... 182<br />
3.5.3.4 <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong> Heimarbeitnehmers nach Art. 352a Abs. 1 OR.............. 183<br />
3.5.3.4.1 Anwendbare Rechtsnormen........................................................................... 183<br />
3.5.3.4.2 Spezifische <strong>Rechenschaftspflicht</strong> .................................................................. 184<br />
3.5.3.5 Zwischenfazit .......................................................................................................... 185<br />
3.5.4 UNTERSCHIEDLICHE QUALITÄT DER UNTERORDNUNG UND DAS<br />
KONTROLLRECHT....................................................................................................... 185<br />
3.5.4.1 Allgemeines ............................................................................................................ 185<br />
3.5.4.2 Subordination als Abgrenzungskriterium ............................................................... 186<br />
3.5.4.3 Unterschiedliche Unterordnungsqualität und seine Auswirkungen ........................ 187<br />
3.5.5 KONSEQUENZEN FÜR EINE INFORMATIONSRECHTSORDNUNG IM<br />
AUFTRAGSRECHT ....................................................................................................... 191<br />
3.5.5.1 Allgemeines ............................................................................................................ 191<br />
3.5.5.2 Auftragvertrag als Organisation.............................................................................. 191<br />
3.5.5.3 Auftragsrechtliches Weisungsrecht und notwendige Kommunikationsordnung .... 194<br />
3.5.6 FAZIT.............................................................................................................................. 196<br />
3.6 VERTRAUENSSITUATION UND INFORMATIONSRECHT GEMÄSS ART. 400 OR . 199<br />
3.6.1 VORBEMERKUNGEN .................................................................................................. 199<br />
3.6.2 VERTRAUEN ALS VERTRAGSGRUNDLAGE DES AUFTRAGSVERTRAGS ...... 200<br />
3.6.3 VERTRAUEN ALS WESENSMERKMAL DES AUFTRAGSVERTRAGS................ 200<br />
3.6.4 VERTRAUEN ALS REGELUNGSGEDANKE DES WIDERRUFRECHTS IM<br />
AUFTRAGSVERTRAG ................................................................................................. 201<br />
3.6.5 WIDERRUFSRECHT IM AUFTRAGSVERTRAG UND INFORMATIONSRECHT 202<br />
3.6.6 FAZIT.............................................................................................................................. 206<br />
3.7 INTERESSENSITUATION UND INFORMATIONSRECHT GEMÄSS ART. 400 OR.... 208<br />
3.7.1 VORBEMERKUNGEN .................................................................................................. 208<br />
3.7.1.1 Grundsatz der Interessenwahrung im Auftragsvertrag............................................ 208<br />
3.7.1.1.1 Verwendete Begrifflichkeit ........................................................................... 208<br />
3.7.1.1.2 Typenmerkmal und Unterscheidungskriterium ............................................. 208<br />
3.7.1.2 Frage nach dem „Anwendungsbereich“ <strong>des</strong> Interessen-wahrungsgrundsatzes....... 208
- xiii -<br />
3.7.1.2.1 Übergesetzliche Grundlage der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss hL ................. 208<br />
3.7.1.2.2 Eigener <strong>St</strong>andpunkt in der vorliegenden Arbeit ............................................ 209<br />
3.7.1.3 Weitere Untersuchung aufgrund der bisherigen Ergebnisse ................................... 213<br />
3.7.2 INFORMATIONSORDNUNG IM PERSONENGESELLSCHAFTSRECHT .............. 214<br />
3.7.2.1 Vorbemerkungen..................................................................................................... 214<br />
3.7.2.2 Anwendbare Rechtsnormen für die Bestimmung <strong>des</strong> Informationsrechts.............. 214<br />
3.7.2.3 Zweck der Informationspflicht: Verschaffung der Kontrollmöglichkeit ................ 216<br />
3.7.2.4 Gegenstand <strong>des</strong> Kontrollrechts ............................................................................... 217<br />
3.7.2.5 Grundlagen für ein umfassen<strong>des</strong> Kontrollrecht ...................................................... 218<br />
3.7.2.5.1 Besondere Risikolage <strong>des</strong> Personengesellschafters....................................... 219<br />
3.7.2.5.2 Gesellschaftsvertrag als Vergemeinschaftungsvertrag .................................. 222<br />
3.7.2.5.3 Gegenseitiges Vertrauensverhältnis und Einfluss der Treuepflicht............... 229<br />
3.7.2.6 Exkurs: Informationsrechtliche <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong> Kommanditärs.................................. 231<br />
3.7.2.6.1 Rechtsgrundlagen der Informationsordnung <strong>des</strong> Kommanditärs .................. 231<br />
3.7.2.6.2 Gegenstand der Informations- und Kontrollrechte <strong>des</strong> Kommanditärs ......... 232<br />
3.7.2.6.3 Rechtfertigung für ein beschränktes Kontrollrecht <strong>des</strong> Kommanditärs......... 235<br />
3.7.2.7 Fazit......................................................................................................................... 238<br />
3.7.3 ABRECHNUNGSPFLICHT UND INFORMATIONSPFLICHT IN ART. 400 OR...... 239<br />
3.7.3.1 Vorbemerkungen..................................................................................................... 239<br />
3.7.3.1.1 Ergebnisse und Einordnung........................................................................... 239<br />
3.7.3.1.2 Begriffe.......................................................................................................... 242<br />
3.7.3.1.3 Weiterer Aufbau und allgemeines und besonderes Auftragsrecht................. 243<br />
3.7.3.2 Vergütungsanspruch <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>.................................................................... 244<br />
3.7.3.2.1 Grundsätzliches zum Vergütungsanspruch.................................................... 244<br />
3.7.3.2.2 Entstehung <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs ........................................................... 245<br />
3.7.3.2.3 Fälligkeit <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs .............................................................. 246<br />
3.7.3.2.4 Abrechnungspflicht als Vorleistungspflicht zum Vergütungsanspruch ........ 246<br />
3.7.3.2.5 Formen <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs................................................................. 247<br />
3.7.3.2.5.1 Pauschalvergütung......................................................................................... 247<br />
3.7.3.2.5.2 Prozentvergütung........................................................................................... 248<br />
3.7.3.2.5.3 Zeitvergütung................................................................................................. 249
- xiv -<br />
3.7.3.2.5.4 Erfolgshonorar ............................................................................................... 250<br />
3.7.3.3 Anspruch auf Auslagen- und Verwendungsersatz und Befreiung .......................... 251<br />
3.7.3.3.1 Auslagen- und Verwendungsersatzrecht ....................................................... 252<br />
3.7.3.3.1.1 Begriff............................................................................................................ 252<br />
3.7.3.3.1.2 Modalitäten.................................................................................................... 253<br />
3.7.3.3.2 Befreiungsanspruch ....................................................................................... 254<br />
3.7.3.4 Abrechnungspflicht: Pflicht zur Rechnungslegung und zur Rechnungsstellung .... 255<br />
3.7.3.4.1 Vorbemerkungen ........................................................................................... 255<br />
3.7.3.4.2 Bestand der Abrechnungspflicht.................................................................... 255<br />
3.7.3.4.2.1 Genereller Anwendungsbereich..................................................................... 255<br />
3.7.3.4.2.2 Pflicht zur spontanen Endabrechnung ........................................................... 256<br />
3.7.3.4.2.3 Pflicht zur Zwischenabrechnung auf Verlangen............................................ 257<br />
3.7.3.4.2.4 Pflicht zur spontanen Zwischenabrechnung .................................................. 259<br />
3.7.3.4.2.5 Verjährung, Rechtsmissbrauch und Kosten................................................... 262<br />
3.7.3.4.3 Form der Abrechnung.................................................................................... 263<br />
3.7.3.4.4 Zweck der Abrechnungspflicht und speziell der Zweck der Rechnung ........ 264<br />
3.7.3.4.4.1 Vorbemerkungen ........................................................................................... 264<br />
3.7.3.4.4.2 Überprüfbarkeit der Rechnung ...................................................................... 265<br />
3.7.3.4.4.3 Angemessenheit der Rechnung (resp. der Honorarforderung) ...................... 267<br />
3.7.3.4.5 Inhalt der Abrechnungspflicht (Gegenstand der Rechnung) ......................... 269<br />
3.7.3.4.5.1 Inhalt der ersten Abrechnung......................................................................... 270<br />
3.7.3.4.5.1.1 Anwendungsbereich einer ersten (pauschalen) Abrechnung..................... 270<br />
3.7.3.4.5.1.2 Ausnahmefall:Abrechnungspflicht bei „zerstörtem“ Vertrauen ............... 272<br />
3.7.3.4.5.1.3 Möglichkeit der Begrenzung auf eine pauschale Abrechnung .................. 273<br />
3.7.3.4.5.2 Inhalt der Pflicht zur sog. spezifizierten Abrechnung ................................... 274<br />
3.7.3.4.5.2.1 Vorbemerkung ........................................................................................... 274<br />
3.7.3.4.5.2.2 Entwicklungen am Beispiel <strong>des</strong> Anwaltsrechts.......................................... 275<br />
3.7.3.4.5.2.3 Allgemeine Verallgemeinerungsfähigkeit?................................................ 279<br />
3.7.3.4.5.2.4 Einfluss der Vergütungsform auf die Spezifizierungspflicht...................... 284<br />
3.7.3.4.6 Inhalt der Pflicht beim Auslagen- und Verwendungsersatzanspruch ............ 288<br />
3.7.3.4.6.1 Vorbemerkungen ........................................................................................... 288
- xv -<br />
3.7.3.4.6.2 Gegenstand und Zweck der Spezifizierung ................................................... 289<br />
3.7.3.4.6.3 Zwingende Spezifizierungspflicht ................................................................. 289<br />
3.7.3.4.7 Belegungs- und Aufzeichnungspflicht bei der Abrechnungspflicht.............. 291<br />
3.7.3.4.7.1 Vorbemerkungen ........................................................................................... 291<br />
3.7.3.4.7.1.1 Belege ........................................................................................................ 291<br />
3.7.3.4.7.1.2 Aufzeichnungen.......................................................................................... 292<br />
3.7.3.4.7.2 Im Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungslegung............................. 292<br />
3.7.3.4.7.3 Im Zusammenhang mit dem Auslagen- und Verwendungsersatzrecht ......... 293<br />
3.7.3.4.7.4 Im Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungsstellung........................... 295<br />
3.7.3.4.7.4.1 Gegenstand ................................................................................................ 295<br />
3.7.3.4.7.4.2 Einfluss der Vergütungsform auf den Gegenstand .................................... 298<br />
3.7.3.5 Fazit......................................................................................................................... 299<br />
4 FAZIT DER VORLIEGENDEN ARBEIT ............................................................... 304<br />
4.1 ERKLÄRTES ZIEL............................................................................................................... 304<br />
4.2 ERGEBNIS DER RECHTSGESCHICHTLICHEN DARSTELLUNG................................ 304<br />
4.3 ERGEBNIS DER RECHTSSYSTEMATISCHEN DARSTELLUNG ................................. 305<br />
4.3.1 DOKUMENTATIONSPFLICHT.................................................................................... 305<br />
4.3.2 ABLIEFERUNGSOBLIGATION................................................................................... 306<br />
4.3.3 DATENSCHUTZRECHT ............................................................................................... 308<br />
4.3.4 WEISUNGSRECHT ....................................................................................................... 309<br />
4.3.5 VERTRAUEN................................................................................................................. 310<br />
4.3.6 INTERESSENWAHRUNGSGRUNDSATZ .................................................................. 310<br />
4.4 ABRECHNUNGSPFLICHT ALS RECHENSCHAFTSPFLICHT ...................................... 312
Zusammenfassung<br />
- xvi -<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Arbeit untersucht den Bestand und den Inhalt der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> im schweizerischen Auftragsrecht, wie sie in Art. 400 Abs. 1 OR<br />
kodifiziert ist. In einem ersten Schwerpunkt wird die rechtsgeschichtliche Grundlage<br />
und Entwicklung der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> anhand jener Quellen erarbeitet, welche die<br />
schweizerische Rechtslage beeinflusst haben. <strong>Die</strong> entsprechenden Ergebnisse zeigen,<br />
dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als die Pflicht zur belegten Rechnungslegung und als die<br />
Pflicht zur spezifizierten Rechnungsstellung zu verstehen ist.<br />
In der rechtssystematischen Untersuchung werden verschiedene Rechtsinstitutionen<br />
und Typenmerkmale <strong>des</strong> schweizerischen Auftragsrechts hinsichtlich ihres Einflusses<br />
auf die Informationspflicht „Rechenschaft“ dargestellt: Ausgangspunkt ist die<br />
Dokumentationspflicht und die Ablieferungsobligation <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, welche sich<br />
mit der schriftlich fixierten Information befassen. Ergänzt wird diese Darstellung<br />
durch eine Untersuchung <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen Einflusses auf die<br />
Informationsordnung im Auftragsverhältnis, welche in der Anerkennung eines<br />
grundsätzlich vor Informationsrechten geschützten Eigenbereichs <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
resultiert. <strong>Die</strong> rechtssystematische Darstellung wird durch eine Untersuchung<br />
derjenigen Rechte <strong>des</strong> Auftraggebers ergänzt, welche auf die Ausführung <strong>des</strong><br />
Auftragsvertrages (Weisungsrecht) resp. auf <strong>des</strong>sen Beendigung (Widerrufsrecht als<br />
Ausdruck der Vertrauenssituation im Auftragsvertrag) abzielen. Aus den<br />
entsprechenden Zuständigkeitsordnungen bei diesen Rechten folgt eine klare<br />
Zuordnung der Informationsrechte im Auftragsvertrag, was grundsätzlich<br />
eingeschränkte Informationsrechte gestützt auf die Rechtsgrundlage der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> bedeutet. <strong>Die</strong> entsprechenden Befunde werden aufgrund der<br />
Analyse von verschiedenen Interessensituationen im Auftragsvertrag im Vergleich zu<br />
anderen Vertragstypen (Arbeitsvertrag; Gesellschaftsvertrag) bestätigt.<br />
<strong>Die</strong> Untersuchung schliesst mit einer ausführlichen Darstellung der<br />
Abrechnungspflicht (Pflicht zur belegten Rechnungslegung und spezifizierten<br />
Rechnungsstellung), welche als der eigentliche Anwendungs- und Wirkungsbereich<br />
der Informationspflicht „Rechenschaft“ im Sinne von Art. 400 Abs. 1 OR identifiziert<br />
wird.
Abkürzungsverzeichnis<br />
- xvii -<br />
a.a.O. am angeführten Ort<br />
ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich vom<br />
1.6.1811<br />
Abs. Absatz<br />
aBV Bun<strong>des</strong>verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft<br />
vom 29.5.1874<br />
AcP Archiv für civilistische Praxis (Tübingen)<br />
a.E. am Ende<br />
AFG BG über die Anlagefonds vom 18.3.1994<br />
AGVE Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide<br />
AJP Aktuelle Juristische Praxis (Lachen)<br />
AK Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte<br />
AKE Entscheid der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte<br />
Allg./allg. Allgemein/allgemein<br />
ALR Allgemeines Landrecht für die Preussischen <strong>St</strong>aaten von<br />
1794<br />
A.M./a.M. Anderer Meinung/anderer Meinung<br />
Amtl. Bull. <strong>St</strong>enographisches Bulletin der Bun<strong>des</strong>versammlung<br />
Anm. Anmerkung<br />
Annalen Annalen der Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit in den<br />
Preussischen <strong>St</strong>aaten (Berlin und <strong>St</strong>ettin)<br />
AnwG Anwaltsgesetz<br />
AppGer Appellationsgericht<br />
ArbR Mitteilungen <strong>des</strong> Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht<br />
(Bern)<br />
Art. Artikel<br />
aOR BG über das Obligationenrecht vom 14.6.1881<br />
ASA Archiv für schweizerisches Abgabenrecht (Bern)
- xviii -<br />
AT Allgemeiner Teil<br />
Aufl. Auflage<br />
BankG BG über die Banken und Sparkassen vom 8.11.1934<br />
BasK Basler Kommentar<br />
BBl Bun<strong>des</strong>blatt (Bern)<br />
Bd. Band<br />
Bem. Bemerkung<br />
betr. betreffend<br />
BezGer Bezirksgericht<br />
BG Bun<strong>des</strong>gesetz<br />
BGB Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896<br />
BGE Entscheide <strong>des</strong> Schweizerischen Bun<strong>des</strong>gerichtes<br />
BGer (Schweizerisches) Bun<strong>des</strong>gericht<br />
BGFA BG über die Freizügigkeit von Anwältinnen und Anwälten<br />
vom 23.6.2000<br />
BGH (deutscher) Bun<strong>des</strong>gerichtshof<br />
BGHZ Entscheidungen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshofs in Zivilsachen<br />
(Köln)<br />
BJM Basler Juristische Mitteilungen (Basel)<br />
BK Berner Kommentar<br />
BR Baurecht (Zürich)<br />
BRAO Bun<strong>des</strong>rechtsanwaltsordnung vom 1.8.1959 (Deutschland)<br />
BT Besonderer Teil<br />
BV Bun<strong>des</strong>verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft<br />
vom 18.4.1999<br />
BVR Bernische Verwaltungsrechtsprechung (Bern)<br />
bzw. beziehungsweise<br />
c. considérant/considerando (= Erw.)<br />
CCiv Code civil français vom 21.3.1804<br />
CCit. Codice civile italiano vom 16.3.1942
- xix -<br />
DE Dresdener Entwurf<br />
ders. derselbe<br />
dgl. dergleichen<br />
d.h. das heisst<br />
DIG Digeste(n) <strong>des</strong> Corpus iuris civilis<br />
digma Zeitschrift für Datenbanken und Informationssicherheit<br />
(Zürich)<br />
Diss. Dissertation<br />
DSG BG über den Datenschutz vom 19.6.1992<br />
E Entwurf<br />
E./Erw. Erwägung(en)<br />
eidg. eidgenössisch<br />
Einl. Einleitung<br />
EJPD Eidg. Justiz- und Polizeidepartement<br />
et al. und andere<br />
etc. et cetera<br />
ev. eventuell<br />
f. folgende (Seite)<br />
ff. folgende (Seiten)<br />
FN Fussnote<br />
GG Gesundheitsgesetz<br />
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
Gruchot Beiträge zur Erläuterung <strong>des</strong> Deutschen Rechts, begründet<br />
von Gruchot<br />
HE Schweizerische Blätter für Handelsrechtliche<br />
Entscheidungen (Zürich)<br />
HGB Handelsgesetz für das Deutsche Reich vom 10.5.1897<br />
HGer Handelsgericht<br />
hL herrschende Lehre<br />
Hrsg./hrsg. Herausgeber/herausgegeben
- xx -<br />
i.d.R. in der Regel<br />
i.f. in fine<br />
insbes. insbesondere<br />
i.e.S. im engeren Sinne<br />
i.V.m. in Verbindung mit<br />
i.w.S. im weiteren Sinne<br />
JAR Jahrbuch <strong>des</strong> Schweizerischen Arbeitsrechts (Bern)<br />
JdT Journal <strong>des</strong> Tribunaux (Lausanne)<br />
JherJB Jherings Jahrbuch für die Dogmatik <strong>des</strong> heutigen römischen<br />
und deutschen Privatrechts (Berlin)<br />
JuS Juristische Schulung (München)<br />
JZ Juristenzeitung (Tübingen)<br />
KG Kammergericht<br />
KGer Kantonsgericht<br />
Komm Kommentar<br />
KVG BG über die Krankenversicherung vom 18.3.1994<br />
LGVE Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide (Luzern)<br />
lit. littera<br />
m.a.W. mit anderen Worten<br />
MaschSchr. Maschinenschrift<br />
Max. Entscheide <strong>des</strong> Obergerichtes <strong>des</strong> Kantons Luzern und der<br />
Anwaltskammer (Maximen) (1961-1973)/Entscheide <strong>des</strong><br />
Obergerichtes <strong>des</strong> Kantons Luzern und seiner Kommissionen<br />
(1931-1960)<br />
M.E./m.E. Meines Erachtens/meines Erachtens<br />
MünchKomm Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch<br />
m.w.H. mit weiteren Hinweisen<br />
N Note(n)<br />
NJW Neue Juristische Wochenschrift (München u.a.)<br />
No. Nummer
- xxi -<br />
n.publ. nicht publiziert<br />
NR Nationalrat<br />
Nr. Nummer<br />
NZZ Neue Zürcher Zeitung<br />
OGer Obergericht<br />
OR BG betreffend die Ergänzung <strong>des</strong> Schweizerischen<br />
Zivilgesetzbuches vom 30.3.1911 (Fünfter Teil: Obligationenrecht)<br />
OT/O.T. Obertribunal<br />
p. page (= Seite)<br />
PGB<br />
1854/1855<br />
Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich von<br />
PKG Praxis <strong>des</strong> Kantonsgerichts von Graubünden (Chur)<br />
Pra <strong>Die</strong> Praxis <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts (1901-1990)/<strong>Die</strong> Praxis<br />
(1991 ff.)<br />
Prot. Protokoll<br />
publ. publiziert<br />
RBUR Rechenschaftsbericht <strong>des</strong> Kantons Uri<br />
Rdnr. Randnummer<br />
recht Zeitschrift für juristische Ausbildung und Praxis (Bern)<br />
Rep Repertorio di Giurisprudenza Patria (Bellinzona)<br />
Revue judiciaire Revue der Gerichtspraxis im Gebiete <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>civilrechts<br />
(Zürich)<br />
RG Reichsgericht<br />
RGZ Entscheide <strong>des</strong> (deutschen) Reichsgerichtes in Zivilsachen<br />
(Leipzig)<br />
ROHG Entscheide <strong>des</strong> Reichsoberhandelsgerichtes<br />
RVJ Revue valaisanne de jurisprudence (Sion)<br />
Rz Randziffer<br />
S. Seite(n)<br />
Sächs. Sächsisches
- xxii -<br />
SAeZ Schweizerische Ärztezeitung (Bern)<br />
SAG Schweizerische Aktiengesellschaft (Zürich)<br />
SchKG BG über Schuldbetreibung und Konkurs vom 16. 12. 1994<br />
Seuffert’s Seuffert's Archiv für Entscheidungen der obersten<br />
Gerichte in den deutschen <strong>St</strong>aaten<br />
SIA Schweizer Architekten- und Ingenieurverein<br />
sic! Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und<br />
Wettbewerbsrecht (Bern)<br />
SJ La Semaine Judiciaire (Genf)<br />
SJZ Schweizerische Juristenzeitung (Zürich)<br />
sog. So genannt (e/er)<br />
Sp. Spalte<br />
SPR Schweizerisches Privatrecht<br />
SR Systematische Sammlung der Bun<strong>des</strong>gesetze (Systematische<br />
Rechtssammlung)<br />
<strong>St</strong>änderat<br />
ss. et suivantes (= ff.)<br />
ST Der Schweizer Treuhänder (Zürich)<br />
<strong>St</strong>GB Schweizerisches <strong>St</strong>rafgesetzbuch vom 21.12.1937<br />
<strong>St</strong>R <strong>St</strong>änderat<br />
<strong>St</strong>riethorst’s Archiv Archiv für Rechtsfälle aus der Praxis der Rechtsanwälte <strong>des</strong><br />
Königlichen Obertribunals (Berlin)<br />
SZW Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zürich)<br />
u.a. unter anderem<br />
UeBest Übergangsbestimmung<br />
u.U. unter Umständen<br />
v.a. vor allem<br />
VDSG Verordnung zum Datenschutzgesetz vom 14.6.1993<br />
VwGer Verwaltungsgericht<br />
Vgl./vgl. Vergleiche/vergleiche
VO Verordnung<br />
- xxiii -<br />
Vorbem. Vorbemerkungen<br />
VPB Verwaltungspraxis der Bun<strong>des</strong>behörden (1964/65 ff.)/Verwaltungsentscheide<br />
der Bun<strong>des</strong>behörden (1927-1962/63)<br />
(Bern)<br />
WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankenrecht (München u.a.)<br />
Z. Zürcherische Zeitschrift für Gerichtspraxis und<br />
Rechtswissenschaft [bis 1872: Zeitschrift für Kunde und<br />
Fortbildung der Zürcherischen Rechtspflege] (Zürich)<br />
z.B. zum Beispiel<br />
ZBJV Zeitschrift <strong>des</strong> bernischen Juristenvereins (Bern)<br />
ZBl Schweizerisches Zentralblatt für <strong>St</strong>aats- und<br />
Gemeindeverwaltung (1900-1988)/Schweizerisches<br />
Zentralblatt für <strong>St</strong>aats- und Gemeinderecht (1989 ff.)<br />
(Zürich)<br />
ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. 12. 1907<br />
Ziff. Ziffer<br />
zit. zitiert<br />
ZK Zürcher Kommentar<br />
ZPO Zivilprozessordnung<br />
ZR Blätter für Zürcherische Rechtsprechung (Zürich)<br />
ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Basel)<br />
z.T. zum Teil
Literaturverzeichnis<br />
- xxiv -<br />
Abegg, Andreas Zurückbehaltungsrechte, Retentions- und<br />
Leistungsverweigerungsrechte <strong>des</strong> Rechtsanwaltes, AJP<br />
2001 862ff.<br />
Abegglen, Sandro <strong>Die</strong> Aufklärungspflichten in <strong>Die</strong>nstleistungsbeziehungen,<br />
insbesondere im Bankgeschäft, Bern 1995<br />
Abravanel, Philippe Les devoirs généraux de l’architecte, in: Das<br />
Architektenrecht/Le droit de l‘ architecte, Hrsg.: Peter<br />
Gauch/Pierre Tercier, 3. Auflage, Freiburg 1995, 99 ff.<br />
Ammann, Martin Datenschutz im Bank- und Kreditbereich, Zürich 1987<br />
(zit.: Datenschutz)<br />
Ammann, Jürg <strong>Die</strong> Pflicht zur Edition von Urkunden und das Verfahren<br />
nach schweizerischem Zivilprozessrecht, Diss. Zürich<br />
1931 (zit.: Edition von Urkunden)<br />
Amonn, Kurt Der Kollektivanlagevertrag, in: Schweizerisches<br />
Privatrecht, Band VII/2, Basel und <strong>St</strong>uttgart 1979, 277 ff.<br />
Arndt von Arnesberg,<br />
Ludwig<br />
Lehrbuch der Pandekten, 9. Auflage, München 1877<br />
Arangio-Ruiz, Vincento Il mandato in diritto romano, Napoli 1965<br />
Bachtler, Heinz Das Moderationsverfahren nach § 34 <strong>des</strong> zürcherischen<br />
Anwaltsgesetzes, SJZ 1977 313ff.<br />
Baeriswyl, Bruno Entwicklungen im Datenschutzrecht, SJZ 1997 394ff.<br />
(zit.: Entwicklungen 1997)<br />
Baeriswyl, Bruno Entwicklungen im Datenschutzrecht, SJZ 2004 460ff.<br />
(zit.: Entwicklungen 2004)<br />
Baron, Julius Pandekten, 5. Auflage, Leipzig 1885<br />
Bauhofer, Arthur Entstehung und Bedeutung <strong>des</strong> zürcherischen<br />
privatrechtlichen Gesetzbuches von 1853 - 1855, ZSR<br />
1927 1 ff.
Behrends, Okko / Knütel,<br />
Rolf / Kupisch, Berthold /<br />
Seiler, Hans<br />
- xxv -<br />
Übersetzung und Herausgabe einer Gemeinschaftsausgabe<br />
<strong>des</strong> Corpus Iuris Civilis, Neudruck München 1990 (zit.:<br />
Gemeinschaftsausgabe)<br />
Becker, Hermann Berner Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch,<br />
Band VI: Obligationenrecht, II. Abteilung: <strong>Die</strong> einzelnen<br />
Vertragsverhältnisse, Art. 184 – 551 OR, Bern 1934<br />
Belser, Urs Das Recht auf Auskunft, die Transparenz der<br />
Datenverarbeitung und das Auskunftsverfahren, in: Das<br />
neue Datenschutzgesetz <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>, Referate der<br />
Tagungen der Hochschule <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> vom 15. Oktober und<br />
13. 11. 1992, 55 ff. (zit.: Auskunft)<br />
Belser, Urs Kommentar zum Schweizerischen Datenschutzgesetz,<br />
Hrsg.: Urs Maurer-Lambrou/Nedim Peter Vogt, 2.<br />
Auflage, Basel 2006 (zit.: DSG-Belser)<br />
Benöhr, Hans-Peter <strong>Die</strong> Grundlage <strong>des</strong> BGB - Das Gutachten der<br />
Vorkommission von 1874, JuS 1977 79ff.<br />
Beuthien, Volker Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und<br />
Nebengesetz, Band 4/2, Schuldrecht III/2, Kommentierung<br />
von §§ 651a-704, <strong>St</strong>uttgart 2000 (zit.: Soergel-Beuthien)<br />
Bluntschli, Johann Caspar<br />
Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich. Mit<br />
Erläuterungen herausgegeben von Dr. Bluntschli,<br />
Redaktor <strong>des</strong> Gesetzes, Band I-IV, Zürich 1854 – 1856,<br />
Dritter Band: Das zürcherische Obligationenrecht mit<br />
Erläuterungen, Zürich 1855<br />
Boemle, Max Der Jahresbericht als Instrument der Rechenschaft, ST<br />
1997 19ff.<br />
Bornemann, Friedrich<br />
Wilhelm<br />
Systematische Darstellung <strong>des</strong> Preussisches Landrechts,<br />
Band 3, 2. Auflage, Berlin 1843<br />
Breidenbach Commentar über das Grossherzoglich Hessische<br />
<strong>St</strong>rafgesetzbuch und die damit in Verbindung stehenden<br />
Gesetze und Verordnungen, I. Theil, Darmstadt 1842 (zit.:<br />
Commentar)
- xxvi -<br />
Brühwiler, Jürg Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, Hrsg.:<br />
Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-<br />
Organisationen, 2. Auflage, Bern 1996<br />
Brühwiler-Frésey, Lukas Medizinischer Behandlungsvertrag und Datenrecht, Zürich<br />
1996<br />
Bucher, Eugen Skriptum zum Obligationenrecht, Besonderer Teil, 3.<br />
Auflage, Zürich 1988<br />
Buntschu, Marc Kommentar zum Schweizerischen Datenschutzgesetz,<br />
Hrsg.: Urs Maurer-Lambrou/Nedim Peter Vogt, 2.<br />
Auflage, Basel 2006<br />
(zit.: DSG-Buntschu)<br />
Büren, Bruno von Der Auftrag. Ein Beitrag zur Systematik <strong>des</strong><br />
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Ehrenzweig, Armin System <strong>des</strong> österreichischen allgemeinen Privatrechts,<br />
Zweiter Band: Das Recht der Schuldverhältnisse, 2.<br />
Auflage, Wien 1928<br />
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Fellmann, Walter/Müller,<br />
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Gauch, Peter/Schluep,<br />
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Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil<br />
ohne ausservertragliches Haftpflichtrecht, Band I, 8.<br />
Auflage, Zürich 2003<br />
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil<br />
ohne ausservertragliches Haftpflichtrecht, Band II, 8.<br />
Auflage, Zürich 2003<br />
Gautschi, Georg Auftrag und Geschäftsführung in der Schweiz, Zürich<br />
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Gautschi, Georg Berner Kommentar, Das Obligationenrecht, Band VI, 2.<br />
Abteilung: <strong>Die</strong> einzelnen Vertragsverhältnisse, 4.<br />
Teilband: Der einfache Auftrag (Art. 394-406 OR), 3.<br />
Auflage, Bern 1971<br />
Gautschi, Georg Grundsätzliches zur Rechenschaftsablegung im<br />
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Geiser, Thomas <strong>Die</strong> Treuepflicht <strong>des</strong> Arbeitnehmers und ihre Schranken,<br />
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Geiser, Thomas <strong>Die</strong> Aufklärungs- und die Dokumentationspflicht <strong>des</strong><br />
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Kanton Zürich, Hrsg.: Verein Zürcherischer<br />
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Dissertation von Dr. Paul Wegmann, Zürich 1988<br />
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Hrsg.: Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann, Band 3,<br />
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Hofstetter, Josef Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in:<br />
Schweizerisches Privatrecht, Band VII/2, Basel 1979 (zit:<br />
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Honsell, Heinrich Römisches Recht, 6. Auflage, Berlin 2005<br />
Honsell, Heinrich/Mayer-<br />
Maly, Theo/Selb, Walter<br />
Römisches Recht, Hrsg.: Paul Jörs/Wolfgang<br />
Kunkel/Leopold Wenger, bearbeitet von Heinrich<br />
Honsell/Theo Mayer-Maly/Walter Selb, 4. Auflage, Berlin<br />
1987<br />
Huber, Eugen System und Geschichte <strong>des</strong> schweizerischen Privatrechts,<br />
4 Bände, Basel 1893
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Jäger, Peter Neue Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts zum<br />
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Jakobs, Horst<br />
Heinrich/Schubert, Werner<br />
Jakobs, Horst<br />
Heinrich/Schubert, Werner<br />
Jakobs, Horst<br />
Heinrich/Schubert, Werner<br />
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Berlin und New York 1978 (zit.: Jakobs/Schubert,<br />
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Jörs, Paul Geschichte und System <strong>des</strong> Römischen Privatrechts,<br />
Berlin 1927<br />
Kah, Karl Das badische Landrecht, Freiburg 1860<br />
Kaiser, Urs <strong>Die</strong> zivilrechtliche Haftung für Rat, Auskunft,<br />
Empfehlung und Gutachten, Diss. Bern 1987<br />
Karrer, Hans Eigenart und systematische <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong> abhängigen<br />
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Recht, Diss. Zürich 1933<br />
Kaser, Max Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt: Das<br />
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Kaser, Max Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht,<br />
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Koller, Alfred Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil,<br />
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Kornmeier, Fritz <strong>Die</strong> rechtliche <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong> Handelsreisenden:<br />
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Kramer, Ernst A. Schleudertrauma: Das Kausalitätsproblem im Haftpflichtund<br />
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Kramer, Ernst<br />
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Krause, Hermann Der deutschrechtliche Anteil an der heutigen<br />
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Kuhn, Moritz <strong>Die</strong> rechtliche Beziehung zwischen Arzt und Patient, in:<br />
Handbuch <strong>des</strong> Arztrechts, Hrsg.: Heinrich Honsell, Zürich<br />
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Kuhn, René/Koller,<br />
Gerhard<br />
Küng, Manfred/Büchi,<br />
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Lasserre Claude Le contrôle de la gestion, l’examen de la situation et le<br />
secret <strong>des</strong> affaires, Lausanne 1945<br />
Laufs, Adolf Fortschritte und Scheidewege im Arztrecht, NJW 1976<br />
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Leuenberger, Christoph <strong>Die</strong>nstleistungsverträge, ZSR 1987 II 1ff.<br />
Luhmann, Niklas Vertrauen, Ein Mechanismus der Reduktion sozialer<br />
Komplexität, 4. Auflage, <strong>St</strong>uttgart 2000<br />
Mayer-Maly, Theo Römisches Recht, 2. Auflage, Wien 1999<br />
Maurer, Urs Kommentar zum Schweizerischen Datenschutzgesetz,<br />
Hrsg.: Urs Maurer-Lambrou/Nedim Peter Vogt, 2.<br />
Auflage, Basel 2006<br />
(zit.: DSG-Maurer)<br />
Meier-Hayoz,<br />
Arthur/Forstmoser, Peter<br />
Grundriss <strong>des</strong> schweizerischen Gesellschaftsrechts, 10.<br />
Auflage, Bern 2006<br />
Meili, Alfred <strong>Die</strong> Entstehung <strong>des</strong> schweizerischen Kaufrechts. Ein<br />
Beitrag zur quellenkritischen Untersuchung <strong>des</strong><br />
Obligationenrechts, Zürich 1976<br />
Merz, Hans Hundert Jahre schweizerisches Obligationenrecht,<br />
Jubiläumsschrift, Freiburg 1982 (zit.: Hundert Jahre)<br />
Merz, Hans Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, in: Schweizerisches<br />
Privatrecht, Band VI/1, Basel und Frankfurt a. M. 1984<br />
(zit.: SPR VI/1)<br />
Merz, Hans <strong>Die</strong> Quellen <strong>des</strong> schweizerischen Obligationenrechts von<br />
1881, in: Festschrift für Konrad Zweigert zum 70.<br />
Geburtstag, Tübingen 1981 (zit.: Quellen)<br />
Meyer, B. Das Anstellungsverhältnis <strong>des</strong> Handelsreisenden, Zürich<br />
1978
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Mittermaier <strong>Die</strong> neuesten Gesetzgebungsarbeiten auf dem Gebiete der<br />
Civilgesetzgebung mit besonderer Beziehung auf die<br />
neueren Civilgesetzbücher oder Entwürfe für das<br />
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und Zürich (...), welche die Prüfung der neuen Arbeiten<br />
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Morelli <strong>Die</strong> Geschäftsführung im klassischen römischen Recht,<br />
Berlin 1935<br />
Möth, Karl Das Honorar <strong>des</strong> Anwalts, seine Handakten und das Recht<br />
ihrer Zurückbehaltung, Zürich 1937<br />
Mugdan, Benno <strong>Die</strong> gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch<br />
für das Deutsche Reich, herausgegeben und bearbeitet in 5<br />
Bänden mit Sachregister und Ergänzungsband, Band 2,<br />
Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1899 [Neudruck,<br />
Aalen 1979] (zit.: Materialien)<br />
Mühlenbruch, Ernst<br />
Friedrich<br />
Lehrbuch <strong>des</strong> Pandektenrechts, 3. Auflage, Erster Theil,<br />
Halle 1835; Zweiter Theil, Halle 1836<br />
Müller, Robert Ausgewählte Gebiete der betrieblichen Kommunikation<br />
eines Spitals und die Rechte der Beteiligten (Unter<br />
besonderer Berücksichtigung der Patientenrechte), Zürich<br />
2003<br />
Münch, Peter Aktuelles aus dem Bun<strong>des</strong>gericht, ZBJV 133 333f.<br />
Nater, Hans Anwaltsrubrik, SJZ 2001 229ff.<br />
Nobel, Peter Rechtsformen der Zusammenarbeit von Anwälten, in:<br />
Schweizerisches Anwaltsrecht, Festschrift zum Jubiläum<br />
„100 Jahre Schweizerischer Anwaltsverband“, Hrsg.:<br />
Walter Fellmann, Bern 1998, 339ff.<br />
Nörr, <strong>Die</strong>ter Mandatum, fi<strong>des</strong>, amicitia, in: Mandatum und<br />
Verwandtes: Beiträge zum römischen und modernen<br />
Recht, Hrsg.: <strong>Die</strong>ter Nörr/Shigeo Nishimura, Berlin 1993,<br />
13ff.
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Oser, Hugo Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Das<br />
Obligationenrecht, Bun<strong>des</strong>gesetz betreffend die<br />
Ergänzung <strong>des</strong> schweizerischen Zivilgesetzbuches vom<br />
30. März 1911, Art. 1 – 529, Zürich 1915<br />
Oser,<br />
Hugo/Schönenberger,<br />
Wilhelm<br />
Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, V.<br />
Band: Das Obligationenrecht, 2. Teil (Halbband): Art. 184<br />
– 418, 2. Auflage, Zürich 1936<br />
Ott, Hans Ärztliches Berufsrecht, in: Handbuch <strong>des</strong> Arztrechts,<br />
Hrsg.: Heinrich Honsell, Zürich 1994, 215 ff.<br />
Page, Gérald Le droit d’accès aux données personnelles: Fondemants,<br />
étendue, limites, in: La nouvelle loi fédérale sur la<br />
protection <strong>des</strong> données, Lausanne 1994, 113 ff.<br />
Payllier, Pascal Rechtsprobleme der ärztlichen Aufklärung, Zürich 1999<br />
Patry, Robert Précis de droit suisse <strong>des</strong> sociétés, vol. 1: Les Notions<br />
fondamentales, Les sociétés sans personalité juridique,<br />
Bern 1976 (zit.: Précis)<br />
Patry, Robert Grundlagen <strong>des</strong> Handelsrechts, in: Schweizerisches<br />
Privatrecht, Band VIII/1, Basel 1976 (zit.: SPR VIII/1)<br />
Pedrazzini, Mario M. Der Ausbau <strong>des</strong> Datenschutzes, in: Zur Zukunft von <strong>St</strong>aat<br />
und Wirtschaft in der Schweiz, Festschrift für Kurt Furgler<br />
zum 60. Geburtstag, Zürich 1984, 316 ff. (zit.: Ausbau)<br />
Pedrazzini, Mario M. <strong>Die</strong> Grundlagen <strong>des</strong> Datenschutzes im Privatbereich: die<br />
Grundzüge und der Geltungsbereich <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzes,<br />
in: Das neue Datenschutzgesetz <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>, Referate der<br />
Tagungen der Hochschule <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> vom 15. Oktober und<br />
13. November 1992, 19 ff. (zit.: Grundlagen)<br />
Pedrazzini, Mario M. Les gran<strong>des</strong> options du législateur, in: La nouvelle loi<br />
fédérale sur la protection <strong>des</strong> données, Lausanne 1994, 19<br />
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Pétel, Philippe Les obligations du mandataire, Paris 1988 (zit.:<br />
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Peter, Hansjörg Texte zum römischen und schweizerischen<br />
Obligationenrecht, Zürich 2000 (zit: Peter, Texte)
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Peter, James Thomas Das Datenschutzgesetz im Privatbereich. Unter besonderer<br />
Berücksichtigung seiner motivationalen Grundlage, Zürich<br />
1994<br />
Plattner, <strong>St</strong>efan <strong>Die</strong> Haftung <strong>des</strong> Kollektivgesellschafters, Basel 2003<br />
Pöschmann Sächsisches BGB, Leipzig 1869<br />
Puchta, Georg Friedrich Pandekten, Bearbeitete Ausgabe von Prof. Schirmer, 12.<br />
Auflage, Leipzig 1877<br />
Rehbein, Hugo/Rheincke,<br />
Otto<br />
Allgemeines Landrecht für die Preussischen <strong>St</strong>aaten mit<br />
Erläuterungen, 5. Auflage, Berlin 1894<br />
Rehbinder, Manfred Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen<br />
Privatrecht, Band VI: Obligationenrecht, 2. Abteilung: <strong>Die</strong><br />
einzelnen Vertragsverhältnisse, 2. Teilband: Der<br />
Arbeitsvertrag, Art. 319 – 362 OR, Bern 1985<br />
Rennefahrt, H. Schweizerisches Obligationenrecht, Zürich 1919<br />
Riemer, Hans Michael Persönlichkeitsrechte und Persönlichkeitsschutz gemäss<br />
ZGB 28 im Verhältnis zum Datenschutz-,<br />
Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, sic! 1999 103ff.<br />
Roberto, Vito Kommentierung <strong>des</strong> Entschei<strong>des</strong> BGE 124 III 456ff., AJP<br />
1999 342ff. (zit.: Kommentierung)<br />
Roberto, Vito Gedanken zur Haftung <strong>des</strong> Arbeitnehmers (insbesondere<br />
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Rommé, Oliver Abhängige Arbeit und gemeinsame Zweckverfolgung,<br />
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Rüegg, Alois Der Effektenbörsenauftrag unter spezieller<br />
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Schlosser, Ralph/Villa,<br />
Marco/Dessemontet,<br />
François<br />
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Schmidlin, Bruno/Cannata,<br />
Carlo<br />
Schneeberger, Thomas<br />
Droit Privé Romain (Obligations - Succession -<br />
Procédure), Lausanne 1988<br />
Der Einfluss <strong>des</strong> Entgelts auf die rechtliche <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> im Bereich der Verschuldenshaftung, der<br />
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- xl -<br />
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Aufgrundlage <strong>des</strong> Bluntschli’schen Kommentars<br />
allgemeinfasslich erläutert, Zürich 1888<br />
Schneider, Albert/Fick,<br />
Heinrich<br />
Schönenberger,<br />
Wilhelm/Jäggi, Peter<br />
Schönenberger,<br />
Wilhelm/<strong>St</strong>aehelin, Adrian<br />
Das schweizerische Obligationenrecht, samt den<br />
Bestimmungen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzes betreffend die<br />
persönliche Handlungsfähigkeit mit allgemeinfasslichen<br />
Erläuterungen, 2. Auflage, Zürich 1891 (und 3. Auflage,<br />
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Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, V.<br />
Band: Obligationenrecht, Teilband V1a: Allgemeine<br />
Einleitung, Vorbemerkungen vor Art. 1 OR, Kommentar<br />
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Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, V.<br />
Band: Das Obligationenrecht, Teilband V2c: Der<br />
Einzelarbeitsvertrag, 1. Lieferung (Art. 319 – 330a),<br />
Zürich 1984<br />
Schraner, Marius Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, V.<br />
Band: Obligationenrecht, Teilband V1e: <strong>Die</strong> Erfüllung der<br />
Obligation, Kommentar zu den Art. 68-96 OR, 3. Auflage,<br />
Zürich 2000<br />
Schröder, Karl Probleme der zivilrechtlichen Haftung <strong>des</strong><br />
freipraktizierenden Zahnarztes, Diss. Zürich 1982<br />
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Gesetzbuch, Recht der Schuldverhältnisse, Allgemeiner<br />
Teil, Band 1, Berlin und New York 1980 (zit.:<br />
Vorentwürfe der Redaktoren, Band 1)<br />
Schubert, Werner Vorentwürfe der Redaktoren für ein Bürgerliches<br />
Gesetzbuch, Recht der Schuldverhältnisse, Teil 2,<br />
Besonderer Teil, Berlin und New York 1980 (zit.:<br />
Vorentwürfe der Redaktoren, Band 2)
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eingeleitet von Werner Schubert, Keip 1986 (zit.: Bayern)<br />
Schweingruber, Edwin Kommentar zum Arbeitsvertrag <strong>des</strong> Schweizerischen<br />
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grenzüberschreitender Sicht, in: Information, Technologie<br />
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Schwimann,<br />
Michael/Apathy, Peter<br />
Praxiskommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen<br />
Gesetzbuch samt Nebengesetzen, Hrsg.: Michael<br />
Schwimann, Wien 1988<br />
Seiler, Hermann Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch,<br />
Band 3: Schuldrecht, Besonderer Teil, 1. Halbband, Hrsg.:<br />
Kurt Rebmann und Franz Jürgen Säcker, Kommentierung<br />
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Senn, Myriam Gesellschaftsrecht, Zürich 2001<br />
Siegwart, Alfred Kommentar zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, V.<br />
Band: Obligationenrecht, 4. Teil: <strong>Die</strong><br />
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Sintenis, Karl Das Corpus Iuris Civilis (Romani), in 7 Bänden, ins<br />
Deutsche übersetzt von einem Verein Rechtsgelehrter und<br />
herausgegeben von Karl E. Otto/Bruno Schilling/Karl F.<br />
Sintenis, Band 2 (Pandekten Buch 12-27), Leipzig 1831<br />
[Neudruck <strong>des</strong> Scientia Verlags Aalen, 1984]<br />
Slongo, Doris Der Softwareherstellungsvertrag, Diss. Zürich 1991
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Einzelarbeitsvertrag, 2. Lieferung (Art. 331 – 355), Zürich<br />
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<strong>St</strong>amm Marie-Louise Das Weisungsrecht <strong>des</strong> Arbeitgebers und seine Schranken,<br />
Diss. Basel 1977<br />
<strong>St</strong>anzl, Gustav Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch,<br />
Hrsg.: Heinrich Klang und Franz Gschnitzer, 2. Auflage,<br />
Wien 1968<br />
<strong>St</strong>audinger, Julius<br />
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von <strong>St</strong>audingers Kommentar zum Bürgerlichen<br />
Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen,<br />
Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse §§ 657 – 740,<br />
10. Titel: Auftrag (§§ 662 – 676) erläutert von Roland<br />
Wittmann, 12. Auflage, Berlin 1980<br />
<strong>St</strong>effen, Erich Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer<br />
Berücksichtigung der Rechtsprechung <strong>des</strong> Reichsgerichts<br />
und <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtshofes, Hrsg. von Mitgliedern <strong>des</strong><br />
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811, Zehnter Titel: Auftrag ( §§ 662 – 676), bearbeitet von<br />
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herausgegeben von Karl E. Otto/Bruno Schilling/Karl F.<br />
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zitiert nach Separatdruck aus dem Jahre 1994 (zitiert:<br />
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Band I, Hrsg.: Heinrich Honsell/Nedim Peter<br />
Vogt/Wolfgang Wiegand, Art. 394-411 OR, 3. Auflage,<br />
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Werro, Franz Le mandat et ses effets, une étude sur le contrat d’activité<br />
indépendante selon le Code suisse <strong>des</strong> obligations: analyse<br />
critique et comparative, Fribourg 1993<br />
Werro, Franz Code <strong>des</strong> obligations I, Code <strong>des</strong> Obligations art. 1-<br />
529/Hrsg.: Luc Thévenoz/Franz Werro, Basel 2003 (zit.:<br />
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Werro, Franz/Haas,<br />
Josiane<br />
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Widmer, Michael Der Softwarepflegevertrag, Zürich 2000<br />
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Willoweit, <strong>Die</strong>tmar Deutsche Verfasungsgeschichte, 5. Auflage, München<br />
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Windscheid, Bernhard Lehrbuch <strong>des</strong> Pandektenrechts, Band 2, 8. Auflage,<br />
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652-704, 13. Auflage, Berlin 1995 (zit.: <strong>St</strong>audinger-<br />
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Wolffers, Felix Der Rechtsanwalt in der Schweiz: Seine Funktion und<br />
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Wyler, Remy Droit du travail, Berne 2002<br />
Zachariä von Lingenthal Handbuch <strong>des</strong> Französischen Civilrechts, Zweiter Band, 4.<br />
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Zäch, Roger Berner Kommentar, Das Obligationenrecht, Band VI, 1.<br />
Abteilung: Allgemeine Bestimmungen, 2. Teilband:<br />
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Zürcher, Emil Schweizerisches Anwaltsrecht, Zürich 1920
1 Einführung<br />
- 1 -<br />
1.1 Ziel der vorliegenden Arbeit<br />
Fragestellungen um Informationen spielen in allen Bereichen <strong>des</strong> Rechts eine<br />
bedeutende Rolle. Dabei ist die Auseinandersetzung mit dem Informationsrecht gerade<br />
in jüngerer Vergangenheit beachtlich, was gerade auch für den Auftragsvertrag<br />
zutrifft. Da sich die zivilrechtliche Lehre (und die Judikatur) schwergewichtig und<br />
bisweilen ausschliesslich mit „modern(er)en“ Informationsrechten wie den<br />
Aufklärungspflichten auseinandersetzt, findet eine Diskussion über die traditionellen<br />
Rechtstitel im Informationsrecht vergleichsweise kaum oder nur am Rande statt. Es hat<br />
sich über diese tradierten Rechtstitel vielmehr so etwas wie ein gemeinsames<br />
Verständnis entwickelt. <strong>Die</strong>s trifft im Speziellen auch etwa auf die an zahlreichen<br />
<strong>St</strong>ellen im Schuldrecht normierten <strong>Rechenschaftspflicht</strong>en zu.<br />
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Erarbeitung <strong>des</strong> Bestan<strong>des</strong> und <strong>des</strong> Inhalts der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> im schweizerischen Auftragsrecht gemäss Art. 400 Abs. 1 OR.<br />
<strong>Die</strong> vorliegende Arbeit soll die Charakteristika der Informationspflicht „Rechenschaft“<br />
herausarbeiten und die Frage nach der Funktion der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im<br />
Auftragsvertrag klären. Damit soll ein Beitrag zum allgemeinen Informationsrecht im<br />
Auftragsvertrag geleistet werden und das Bewusstsein für ein klar definiertes<br />
Informationsrecht „Rechenschaft“ geschärft werden.<br />
1.2 Aufbau der Arbeit<br />
Der Grundaufbau der vorliegenden Arbeit folgt einem groben Raster, weshalb sich die<br />
Arbeit in drei Grundkapitel gliedert: Kapitel 1 stellt eine Einführung dar und bereitet<br />
durch die Vermittlung gewisser Grundlagen die spätere Untersuchung der<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ vor. Kapitel 2 untersucht die Informationspflicht<br />
„Rechenschaft“ in ihren rechtshistorischen Zusammenhängen, wogegen sich Kapitel 3<br />
mit der rechtssystematischen Darstellung der Informationspflicht „Rechenschaft“<br />
beschäftigt. In einem Kapitel 4 werden die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit<br />
gesamthaft zusammengefasst und festgehalten.<br />
Im Sinne einer etwas detaillierteren Übersicht können zu den einzelnen Kapiteln<br />
folgende inhaltliche Hinweise gegeben werden:
- 2 -<br />
In Kapitel 1 wird eine Einführung in die Thematik und in die Grundlagen der<br />
Informationsrechte <strong>des</strong> Auftraggebers vermittelt. Ziel dieses Kapitels ist, eine erste<br />
Einordnung der Informationspflicht „Rechenschaft“ in die Informationsordnung <strong>des</strong><br />
Auftragsvertrags zu ermöglichen. Vervollständigt und abgeschlossen wird diese<br />
Einführung durch einen Überblick über die verwendeten Begriffe, obgleich bereits an<br />
dieser <strong>St</strong>elle darauf hingewiesen werden muss, dass die definitiven Begriffe im<br />
Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelt werden müssen.<br />
In Kapitel 2 wird das Institut „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ im Auftragsrecht in den<br />
rechtshistorischen Zusammenhängen dargestellt, soweit eine gemeinsame Tradition<br />
bezüglich <strong>des</strong> schweizerischen Rechts festgestellt werden kann. <strong>Die</strong>ser erste<br />
Schwerpunkt der Arbeit rechtfertigt sich <strong>des</strong>halb, weil es sich bei der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> um ein tradiertes Rechtsinstitut handelt. Es ist dabei beabsichtigt,<br />
hierbei eine umfassende Darstellung zu vermitteln, welche bereits bestehende<br />
historische Forschungsarbeiten über andere Fragen <strong>des</strong> Auftragsrechts ergänzen soll.<br />
Aufgrund dieser Vorgaben wird die Rechtsentwicklung in den folgenden Bereichen<br />
dargestellt: Römisches Recht, Deutsche Einzelstaaten (Hessen, Bayern, Sachsen),<br />
bedeutende Projekte der Rechtsvereinheitlichung (ALR, Dresdener Entwurf, BGB),<br />
Zürcherisches PBG, Österreichisches ABGB, französischer Code Civil, aOR und OR.<br />
Mangels Sachzusammenhang fehlen etwa Hinweise auf Rechtsordnungen <strong>des</strong><br />
angelsächsischen Rechtskreises, da diese auf die hier interessierende Frage ohne<br />
Einfluss waren.<br />
In Kapitel 3 werden in einer rechtssystematischen Art und Weise verschiedene<br />
rechtliche Fragestellungen im Mandatsrecht daraufhin untersucht, welche Erkenntnisse<br />
sich daraus für die Bestimmung der Informationspflicht „Rechenschaft“ ergeben<br />
können. In diesem Zusammenhang beginnt die Untersuchung – nach einer<br />
entsprechenden Einführung – mit der mandatsrechtlichen Dokumentationspflicht <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong>, weil diese die Grundlage für diverse anschliessende Fragestellungen ist<br />
(Kapitel 3.2). Nachfolgend wird die Ablieferungsobligation detailliert dargestellt, da<br />
ihr eine entscheidende Rolle im Zusammenhang mit der Informationspflicht nach Art.<br />
400 OR zukommt (Kapitel 3.3). Schwerpunkte bilden dabei die „Herausgabepflicht<br />
<strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Geschaffenen“ und die ausführliche<br />
Auseinandersetzung mit einer mandatsrechtlich begründeten Vorlegungspflicht. <strong>Die</strong><br />
Auseinandersetzung mit den datenschutzrechtlichen Fragestellungen (Kapitel 3.4) im<br />
Zusammenhang mit der mandatsrechtlichen Beziehung ist von grundsätzlicher<br />
Bedeutung, da verschiedene Ergebnisse aus der schuldrechtlichen Analyse bestätigt
- 3 -<br />
werden können und eine einheitliche Informationsordnung begründet werden kann,<br />
welche zahlreiche Wechselbeziehungen zwischen Datenschutz- und Schuldrecht<br />
aufdeckt. In der Folge werden eine Analyse <strong>des</strong> Weisungsrechts im Auftragsvertrag<br />
vorgenommen (Kapitel 3.5) und die entsprechenden informationsrechtlichen<br />
Schlussfolgerungen für eine Informationspflicht „Rechenschaft“ und für die<br />
Ausgestaltung einer eigentlichen mandatsrechtlichen Informationsordnung gezogen. In<br />
einem weiteren Kapitel wird ausgeführt, welche Konsequenzen in<br />
informationsrechtlicher Hinsicht aus dem Umstand abgeleitet werden können, dass der<br />
Auftragsvertrag auf einer Vertrauenssituation basiert (Kapitel 3.6). Es folgt die<br />
Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang zwischen der Interessensituation und<br />
dem Informationsrecht, welches sich auf Art. 400 OR abstützt, wobei sowohl eine<br />
generelle Darstellung der Wirkungsweise <strong>des</strong> Interessenwahrungsgrundsatzes als auch<br />
ein Vergleich zur Informationsordnung im Personengesellschaftsrecht vorgenommen<br />
wird. Abschliessend werden detaillierte Ausführungen zur spezifischen<br />
„Abrechnungspflicht“ im Auftragsrecht und damit zur Pflicht zur Rechnungslegung<br />
und Pflicht zur Rechnungsstellung vorgenommen (Kapitel 3.7).<br />
<strong>Die</strong> gesamte rechtssystematische Untersuchung hat zum Ziel, die mandatsrechtliche<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ inhaltlich umschreiben zu können, wie sie sich auf<br />
der Grundlage von Art. 400 Abs. 1 OR ergibt.<br />
In Kapitel 4 werden die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit gesamthaft<br />
zusammengefasst. Es erfolgt eine abschliessende Definition der Informationspflicht<br />
„Rechenschaft“ gemäss Art. 400 Abs. 1 OR sowie eine abschliessende Würdigung der<br />
Ergebnisse.<br />
1.3 Grundlagen<br />
1.3.1 Wesen und Typenmerkmale <strong>des</strong> Auftragvertrages<br />
Gemäss der Legaldefinition <strong>des</strong> Auftragsvertrages verpflichtet sich der Beauftragte<br />
durch die Annahme eines Auftrages, die ihm übertragenen Geschäfte oder <strong>Die</strong>nste<br />
vertragsgemäss zu besorgen (Art. 394 Abs. 1 OR). Es wird der Auftragsvertrag als ein<br />
Vertrag auf eine Arbeitsleistung 1 für einen anderen umschrieben. 2 Damit zeichnet<br />
sich der Auftragsvertrag stets als ein Vertrag auf eine Arbeitsleistung aus und fordert<br />
1<br />
BK-Gautschi, Art. 394 N 3: „Der Auftrag <strong>des</strong> schweizerischen Rechts ist ein<br />
Arbeitsvertrag.“<br />
2<br />
Hofstetter, 2000, 1 (mit zahlreichen Hinweisen); BasK-Weber, Vorbem. zu Art. 394-406<br />
N 2.
- 4 -<br />
in der Hauptpflicht eine Aktivität <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>. 3 „Hauptgegenstand <strong>des</strong> Auftrages<br />
ist regelmässig ein positiver Leistungsinhalt.“ 4 In tatsächlicher Hinsicht kommt der<br />
Auftrag in vielen Bereichen 5 vor und umfasst eigentliche <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
(Tathandlungen) 6 und umfangreiche Rechtshandlungen 7 , weshalb eine Abgrenzung<br />
von anderen Vertragsarten notwendig ist. 8<br />
<strong>Die</strong> Abgrenzung <strong>des</strong> Auftragvertrages von anderen Vertragsarten (insbesondere dem<br />
Arbeitsvertrag und dem Gesellschaftsvertrag) bereitet in Lehre und Praxis Mühe, wie<br />
die umfangreiche Literatur und Rechtsprechung belegt. 9 Bei der Frage der<br />
Abgrenzung ist anzuerkennen, „dass Art. 394 Abs. 1 OR über die begriffsnotwendigen<br />
Elemente <strong>des</strong> einfachen Auftrages nichts oder jedenfalls nicht viel aussagt.“ 10 Aus<br />
diesem Zusammenhang wird in der Lehre postuliert, dass der Auftragsvertrag nur<br />
typologisch als ein Vertrag beschrieben werden kann, welcher sich gerade durch<br />
gewisse Typenmerkmale auszeichnet: (1) Zielgerichteter Arbeitsleistungsvertrag, (2)<br />
Organisatorische Selbstständigkeit, (3) Interessenwahrung eines Dritten, (4) Handeln<br />
für fremde Rechnung, (5) Handeln auf fremde Gefahr, (6) Sorgfalts- und nicht<br />
Erfolgshaftung und (7) Vertrauensverhältnis. 11 <strong>Die</strong>se typologische Betrachtung bringt<br />
es mit sich, dass jeder Einzelfall daraufhin zu untersuchen ist, „ob die gesetzliche<br />
Ergänzungsordnung auch für den hier und jetzt zu ergänzenden Vertrag passt.“ 12<br />
3<br />
BK-Gautschi, Art. 394 N 3: „(...) sein [der Auftrag] Gegenstand ist eine obligatio<br />
faciendi.“; BK-Fellmann, Art. 394 N 25 (mit zahlreichen Hinweisen).<br />
4<br />
BasK-Weber, Art. 394 N 6. Leuenberger, 13:“Als <strong>Die</strong>nstleistung ist die körperliche oder<br />
geistige Arbeit zum Vorteil eines anderen zu verstehen.“<br />
5<br />
Siehe dazu die Aufzählung bei BK-Fellmann, Art. 394 N 28.<br />
6<br />
Dazu ausführlich BK-Fellmann, Art. 394 N 79ff.<br />
7<br />
Dazu ausführlich Derendinger, N 24ff. und BK-Fellmann, Art. 394 N 32ff.<br />
8<br />
Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.5 und 3.7.2.<br />
9<br />
An <strong>St</strong>elle vieler: BK-Fellmann, Art. 394 N 85ff.; Hofstetter, 2000, 12ff.; BK-Rehbinder,<br />
Art. 319 N 42ff.; ZK-Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 319 N 21ff. Es sei diesbezüglich auch<br />
auf die ausführliche Untersuchung und die generelle Kritik von Rommé, passim, zu den in<br />
Lehre und Rechtsprechung herangezogenen Abgrenzungskriterien hingewiesen<br />
10<br />
(zahlreiche Hinweise auf Lehre und Rechtsprechung).<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 86.<br />
11<br />
Von einer ausführlichen Darstellung wird an dieser <strong>St</strong>elle abgesehen, da diese<br />
Typenmerkmale ausführlich dargestellt sind bei Derendinger, N 23ff und BK Fellmann,<br />
Art. 394 N 91ff. (<strong>Die</strong> Sorgfalts- und nicht Erfolgshaftung und das Vertrauensverhältnis<br />
nennt nur BK-Bellmann, Art. 394 N 97ff. und N 124ff.). Demgegenüber hat die<br />
Darstellung bei Hofstetter, 2000, 35 eine etwas andere Gewichtung, da folgende<br />
Typenmerkmale genannt werden: (1) Treueverpflichtung, (2) Besonderes<br />
12<br />
Vertrauensverhältnis, (3) Inhaltliche Unbestimmtheit, (4) Selbstständige <strong>St</strong>ellung, (5)<br />
Haftung für sorgfältige Ausführung und (6) Entgeltliche und unentgeltliche Aufträge.<br />
Einzelne dieser Typenmerkmale werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit an späterer<br />
<strong>St</strong>elle erörtert.<br />
Schluep, 793.
- 5 -<br />
In Anlehnung an die fundamentale Kritik von Rommé 13 an den Abgrenzungskriterien<br />
für den Arbeits- und <strong>des</strong> Gesellschaftsvertrag kann auch hier angemerkt werden, dass<br />
die vorgenannten Typenmerkmale bei jedem Vertrag auf Arbeitsleistung in einer mehr<br />
oder weniger ausgeprägten Intensität vorhanden sind. <strong>Die</strong> Ausprägung der<br />
Typenmerkmale können sich grundsätzlich in jedem Fall anders darstellen, weil vieles<br />
durch eine konkrete Abrede zwischen den Parteien, gestützt auf die Privatautonomie,<br />
vereinbart werden kann. Es ist gerade ein Ziel der vorliegenden Arbeit, die erwähnten<br />
Typenmerkmale kritisch zu hinterfragen, soweit es für die hier zu untersuchende<br />
Fragestellung der Informationspflicht „Rechenschaft“ nach Art. 400 Abs. 1 OR<br />
notwendig und sachdienlich ist.<br />
1.3.2 Vertragseinteilung und Einfluss der Entgeltlichkeitsfrage im<br />
Auftragsrecht<br />
1.3.2.1 Vertragseinteilung<br />
Der Auftragsvertrag ist ein Schuldvertrag. 14 Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das<br />
schweizerische Recht sowohl das entgeltliche als auch das unentgeltliche Mandat<br />
zulässt, mit anderen Worten: <strong>Die</strong> Entgeltlichkeit ist somit nicht begriffswesentlich für<br />
die Vertragsqualifikation. 15 <strong>Die</strong> Entgeltlichkeit <strong>des</strong> Mandates beeinflusst aber die<br />
systematische Einteilung im schweizerischen Vertragsrecht 16 und damit allenfalls die<br />
Pflichtenlage im Auftragsvertrag. <strong>Die</strong> zuletzt gestellte Frage ist jedoch gesondert zu<br />
behandeln. 17<br />
Beim unentgeltlichen Auftrag stehen die erbrachten Leistungen nicht in einem<br />
Austauschverhältnis (unvollkommen zweiseitiger Vertrag). Eine Partei hat „eine<br />
(unentgeltliche) Hauptleistung zu erbringen, die andere eine davon abhängige Leistung<br />
(z. B. Rückleistung beim unentgeltlichen Darlehen) oder eine Nebenleistung (z. B.<br />
Auslagenersatz beim unentgeltlichen Auftrag, Art. 402 OR).“ 18 Es ist im Bereich der<br />
unentgeltlichen Aufträge klarzustellen, dass der Anspruch <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> auf<br />
Auslagen- und Verwendungsersatz (samt Zinsen) von der Frage der Entgeltlichkeit<br />
13<br />
Rommé, passim.<br />
14<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 190.<br />
15<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 367 und 384 (je mit weiteren Hinweisen).<br />
16<br />
Dabei ist aber zu beachten, dass der Mandatsvertrag stets ein zweiseitiger Vertrag ist, da<br />
er zwei Rechtsgeschäfte zum Gegenstand hat.<br />
17<br />
Siehe dazu Kapitel 1.3.2.2.<br />
18<br />
Gauch/Schluep/Schmid, Nr. 258 (mit Hinweis auf BGE 122 IV 322ff.). Im gleichen Sinn:<br />
Koller, Nr. 232 (welcher BGE 94 II 263ff., E. 3 kritisiert, weil ein unentgeltlicher Auftrag<br />
als ein vollkommen zweiseitiger Vertrag qualifiziert wurde).
- 6 -<br />
nicht beeinflusst wird. 19 Es zeichnet den unentgeltlichen Auftrag gerade aus, dass hier<br />
der Beauftragte nur Anspruch auf Auslagen- und Verwendungsersatz, beim<br />
entgeltlichen Auftrag daneben aber zusätzlich einen grundsätzlichen Anspruch auf<br />
Vergütung hat.<br />
Ist eine Vergütung verabredet oder üblich (Art. 394 Abs. 3), so liegt ein entgeltlicher<br />
Auftrag und damit ein vollkommen zweiseitiger (synallagmatischer) Vertrag vor. 20<br />
Beim entgeltlichen Auftrag stehen (min<strong>des</strong>tens) zwei Leistungen in einem<br />
(wertmässigen) Austauschverhältnis, was im Auftragsrecht durch die neuere<br />
Rechtsprechung im Bereich <strong>des</strong> Vergütungsanspruches ausdrücklich anerkannt wird. 21<br />
Es handelt sich um einen vollkommen zweiseitigen Vertrag, was seine Bedeutung v.a.<br />
auch in der Anwendung von weiteren Rechtsnormen hat. 22<br />
Fällt die Rechtsgrundlage für einen Auftragsvertrag im Nachhinein dahin, 23 so richtet<br />
sich die Frage <strong>des</strong> Bestan<strong>des</strong> und <strong>des</strong> Inhaltes einer entsprechenden<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ nach den diesfalls zur Anwendung gelangenden<br />
Rechtsnormen. Im Regelfall werden die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne<br />
Auftrag (Art. 419 – 424 OR) anwendbar sein, weshalb der Verweis auf das<br />
Auftragsrecht in Art. 424 OR zu beachten ist. Nach hL und Praxis kommt diesfalls<br />
eine <strong>Rechenschaftspflicht</strong> zur Anwendung, welche analog zur Pflicht in Art. 400 Abs.<br />
1 OR ist. 24<br />
1.3.2.2 Einfluss der Frage der Entgeltlichkeit<br />
In der Lehre wird der zweiseitige Schuldvertrag in seiner allgemeinen<br />
Charakterisierung in der Weise dargestellt, dass ihm – im Gegensatz etwa zum<br />
Gesellschaftsvertrag – ein Interessengegensatz zugrunde liegt. 25Im Zusammenhang<br />
mit dem Auftragsvertrag ist diesbezüglich das Folgende anzuführen: „[Der<br />
19<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 387.<br />
20<br />
Derendinger, N 9; BK-Fellmann, Art. 394 N 194.<br />
21<br />
BGE 124 III 423ff., E. 3b. In diesem Entscheid betreffend die Rechtsfrage der Vergütung<br />
bei Schlechterfüllung <strong>des</strong> Auftrages kommt in besonderer Weise der Grundgedanke der<br />
Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung zum Ausdruck. Besonders deutlich in der<br />
Argumentation auch PKG 1995 Nr. 10 E. 2 (KGer GR) und in SJ 1998 621ff., E. 3c (Cour<br />
de Justice GE).<br />
22<br />
Grundsätzliche Anwendbarkeit z.B. von: Art. 82f. OR, Art. 107 und 109 OR, Art. 119<br />
OR.<br />
23<br />
Sei es aufgrund von Art. 19 und 20 OR, sei es aufgrund von Art. 21 OR resp. Art. 23 - 31<br />
OR.<br />
24<br />
BGE 112 II 450ff., E. 5 (in Bestätigung von BGE 34 II 694ff., E. 4); Schmid, N 451 (mit<br />
zahlreichen Hinweisen auf die Lehre).<br />
25 An <strong>St</strong>elle vieler: Gauch/Schluep/Schmid, Nr. 256.
- 7 -<br />
Vergütungsanspruch] verstärkt die Gegenseitigkeit <strong>des</strong> Mandates derart, dass der<br />
entgeltliche Auftrag zum wesentlich zweiseitigen Vertag wird“, 26 weshalb es sich um<br />
einen Vertrag mit den deutlichen Charakteristika eines Austauschverhältnisses<br />
handelt. 27 Im Falle <strong>des</strong> Auftragsrechts ist allerdings dem Umstand Rechnung zu<br />
tragen, dass dieser Vertrag von der Idee geprägt ist, dass sich jemand einer anderen<br />
Person bedient, welche im Sinne seiner Interessen handeln soll. Deshalb wird die<br />
Grundordnung <strong>des</strong> Interessengegensatzes insoweit modifiziert, als es der Aspekt der<br />
Interessenwahrung erfordert.<br />
<strong>Die</strong> Frage ist, wie diese Tatsachen die einzelnen Verpflichtungen im Auftragsvertrag<br />
beeinflussen: In der Lehre wird diesbezüglich aber auch die Ansicht vertreten, dass die<br />
Frage der Entgeltlichkeit auf den Interessenwahrnehmungsgrundsatz im Auftragsrecht<br />
ohne Bedeutung ist. 28 Grundsätzlich finden <strong>des</strong>halb die Vorschriften von Art. 394 –<br />
405 OR sowohl bei entgeltlichen als auch bei unentgeltlichen Aufträgen<br />
gleichermassen Anwendung: So sind auftragsrechtlich etwa die Haftung nach Art. 398<br />
OR, 29 der Auslagen- und Verwendungsersatz nach Art. 402 Abs. 2 OR 30 und die<br />
Beendigungsmöglichkeit nach Art. 404 OR 31 einheitlich geregelt.<br />
<strong>Die</strong> Frage <strong>des</strong> Einflusses der Entgeltlichkeit ist allerdings für jede einzelne Pflicht<br />
separat zu beantworten. Von besonderem Interesse ist die Frage <strong>des</strong> Einflusses auf die<br />
Abrechnungspflicht. 32<br />
1.3.3 Hauptpflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
<strong>Die</strong> Hauptpflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> ist die vertragsgemässe Besorgung <strong>des</strong><br />
übertragenen Geschäfts oder der aufgetragenen <strong>Die</strong>nstleistung. 33 Damit ist die<br />
Ausführungsobligation (Art. 394 Abs. 1 OR) typischerweise die eigentliche<br />
Hauptpflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>. „Vertragsgemäss“ bedeutet in diesem Zusammenhang,<br />
dass die Leistung „im Interesse und nach dem Willen <strong>des</strong> Auftraggebers“ 34 zu<br />
26<br />
BK-Gautschi, Art. 402 N 1a.<br />
27<br />
Siehe dazu ausführlich Kapitel 3.7.1.<br />
28<br />
So etwa BK-Fellmann, Art. 394 N 385.<br />
29<br />
Aber Korrektur möglich über Art. 99 Abs. 2 OR: So z. B. ZR 83 Nr. 59 E. IV. 6<br />
(Vorentscheid zu BGE 110 II 181ff.).<br />
30<br />
Dazu ausführlich BGE 48 II 487ff., E. 3.<br />
31<br />
In BGE 115 II 464ff., E. 2 a) aa) und bb) wird der Einfluss <strong>des</strong> Entgeltes verneint<br />
(bestätigt im unpublizierten BGE 4C.443/1996 vom 26.3.1997).<br />
32<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.<br />
33 BK-Fellmann, Art. 394 N 234 (mit zahlreichen Hinweisen).<br />
34 BGE 44 II 262ff., E. 2 [S. 264].
- 8 -<br />
erbringen ist, wodurch der Beauftragte die „Verwirklichung und Sicherung der durch<br />
die Analyse <strong>des</strong> Auftrages ergründeten Auftraggeberinteressen“ 35 sicherzustellen hat.<br />
Es ist der Auftraggeber, welcher der Herr <strong>des</strong> Geschäfts ist und die Interessenwahrung<br />
in der Auftragsausführung ist oberste Pflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>. 36 Der Beauftragte ist<br />
aber in diesem Sinne auch verpflichtet, „die vereinbarte Leistung in der<br />
abgesprochenen Art und Weise zu erbringen.“ 37 Damit ist nicht nur ein blosses<br />
Tätigsein im Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers geschuldet, sondern die Aktivitäten müssen<br />
auf einen Leistungserfolg ausgerichtet sein. Deshalb trifft den <strong>Beauftragten</strong> die Pflicht<br />
zu einem sorgfältigen (Art. 398 Abs. 2 OR) Tätigwerden bezüglich der ihm<br />
übertragenen <strong>Die</strong>nste oder Geschäfte. <strong>Die</strong> Hauptpflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> ist<br />
demzufolge die nach den Anforderungen der Sorgfaltspflicht wahrgenommene<br />
Ausführungsobligation. 38 Vom <strong>Beauftragten</strong> wird gefordert, „alles zu tun, um die<br />
Hauptleistung und die Verwirklichung <strong>des</strong> Leistungserfolges zu sichern und dabei das<br />
Integritätsinteresse <strong>des</strong> Klienten zu beachten.“ 39 Im Zusammenhang mit der<br />
Auftragsausführung ist darauf hinzuweisen, dass die Sorgfaltspflicht die<br />
Konkretisierung der allgemeineren Treuepflicht ist 40 , weshalb sie hier keine<br />
eigenständige Bedeutung erlangt. 41<br />
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass im Bereich der Ausführungsobligation die<br />
umfassende Interessenwahrnehmung anzuerkennen ist: Es gibt nur einen Massstab für<br />
das Handeln und dies ist das Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers. Es sei aber bereits an dieser<br />
<strong>St</strong>elle darauf hingewiesen, dass diese Eindeutigkeit der Interessenprävalenz bei<br />
anderen Pflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, insbesondere bei den Nebenleistungspflichten und<br />
Nebenpflichten, nicht besteht. 42<br />
35 Derendinger, N 89 (mit weiteren Hinweisen).<br />
36 Siehe dazu BGE 108 II 197ff., E. 2a und die Ausführungen in Kapitel 3.7.1.<br />
37 Derendinger, N 86.<br />
38 Dazu auch ausführlich: BK-Fellmann, Art. 394 N 234ff.<br />
39 BK-Fellmann, Art. 398 N 21. Dabei findet ein abstrakter Sorgfaltsmassstab Anwendung:<br />
BK-Fellmann, Art. 398 N 355ff.<br />
40 So auch im Ergebnis wohl Derendinger, N 87ff. und explizit Testa, 22.<br />
41 Demgegenüber behandelt BK-Fellmann, Art. 394 N 247ff. und N 254ff., die Treue- und<br />
die Sorgfaltspflicht nebeneinander.<br />
42 Siehe dazu insbesondere Kapitel 3.3.3.4.4, 3.5.4, 3.7.1 und 3.7.3.
- 9 -<br />
1.3.4 Nebenleistungs- und Nebenpflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
In der schweizerischen Lehre wird zwischen Nebenleistungs- und Nebenpflichten<br />
unterschieden. 43<br />
<strong>Die</strong> Unterscheidung zwischen der Haupt- und der Nebenleistungspflicht wird danach<br />
getroffen, „ob sich die Verbindlichkeit auf die vertragstypischen, also den Vertragstyp<br />
charakterisierenden, auf die ‚essentiellen’ Leistungspflichten <strong>des</strong> Schuldners bezieht,<br />
oder eben nur auf ‚akzidentielle’ nicht vertragstypusbestimmende Leistungspflichten.“<br />
44 Grundsätzlich ist bei jedem Auftragsverhältnis aufgrund der vertraglichen Abreden<br />
und den jeweiligen Interessenlagen zu bestimmen, was die Haupt- und was die<br />
Nebenleistungspflicht ist. 45 Für die vorliegende Arbeit von Interesse ist in diesem<br />
Zusammenhang, dass die einzelnen Pflichten, welche aus Art. 400 OR abgeleitet<br />
werden, typischerweise in den hier untersuchten Konstellationen als<br />
Nebenleistungspflichten in Erscheinung treten: Es handelt sich dabei um die Pflicht<br />
zur Rechenschaftsablegung, die Ablieferungsobligation und die Verzinsungspflicht<br />
etc.<br />
<strong>Die</strong> Unterscheidung zwischen Nebenleistungs- und Nebenpflichten wird weiter<br />
dadurch charakterisiert, dass Nebenpflichten nicht selbstständig einklagbar sind. 46 Es<br />
handelt sich hierbei insbesondere um jene Pflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, welche aus der<br />
allgemeinen Treuepflicht abgeleitet werden: Diskretions- und<br />
Geheimhaltungspflichten, Aufklärungs- und Benachrichtigungspflichten, Verbot der<br />
Mandatsannahme bei Interessenkollision, Pflicht zur persönlichen Mandatsausführung<br />
und Schutzpflichten. 47<br />
1.3.5 Übersicht über die Nebenleistungs- und Nebenpflichten <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong><br />
1.3.5.1 Vorbemerkungen<br />
In der vorliegenden Arbeit werden einige der in den vorgenannten Abschnitten<br />
erwähnten Nebenleistungs- und Nebenpflichten sehr ausführlich behandelt<br />
43 An <strong>St</strong>elle vieler: BK-Fellmann, Art. 394 N 259ff.<br />
44 BK-Kramer/Schmidlin, Allgemeine Einleitung, N 93.<br />
45 Derendinger, N 83; BK-Fellmann, Art. 394 N 260 (je mit weiteren Hinweisen).<br />
46<br />
Derendinger, N 82 (mit weiteren Hinweisen).<br />
47<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 269. Soweit eine selbstständige Klagbarkeit jedoch gegeben ist,<br />
handelt es sich um Nebenleistungspflichten: BK-Fellmann, Art. 394 N 276 i.V.m. N 272f.
- 10 -<br />
(beispielsweise die Ablieferungsobligation und die Belegungspflicht), 48 weshalb an<br />
dieser <strong>St</strong>elle keine entsprechende Darstellung erfolgt. Andere Nebenleistungs- und<br />
Nebenpflichten sind für die vorliegende Arbeit von untergeordneter Bedeutung, da sie<br />
von anderen Konzepten überlagert werden (trifft zu auf die Diskretions- und<br />
Geheimhaltungsinteressen) oder nicht im Fokus der Untersuchung stehen (Pflicht zur<br />
Vermeidung von Interessenkollisionen, Pflicht zur grundsätzlich persönlichen<br />
Mandatsausführung). <strong>Die</strong>se Nebenleistungs- und Nebenpflichten werden nicht<br />
gesondert dargestellt. 49<br />
Nachfolgend soll anhand der Ausführungen und den Bezeichnungen (Terminologie) in<br />
der Lehre 50 ein kurzer Überblick über jene Nebenleistungs- und Nebenpflichten <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> folgen, welche im Zusammenhang mit der hier untersuchten<br />
Informationsordnung im Auftragsrecht von Bedeutung sind:<br />
1.3.5.2 Rechenschaftsablegung<br />
Der Randtitel von Art. 400 OR verwendet den Begriff „Rechenschaftsablegung“. 51<br />
Der Gesetzeswortlaut in Art. 400 Abs. 1 OR spricht von der Pflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>,<br />
„Rechenschaft abzulegen.“<br />
Der Begriff „Rechenschaftsablegung“ wird in der Lehre insbesondere als Oberbegriff<br />
verwendet, welcher die einzelnen Informationspflichten in Art. 400 Abs. 1 OR<br />
zusammenfasst. 52<br />
Daneben wird in der Lehre der Begriff „Rechenschaftsablegung“ aber auch als<br />
rechtliches Instrument beschrieben, welches den Auftraggeber über alles informiert<br />
und ihm die Kontrolle im Auftragsvertrag ermöglichen soll. 53 In inhaltlicher Hinsicht<br />
ist nach dieser Art der Rechenschaftsablegung „die Aufklärung über alle vom<br />
<strong>Beauftragten</strong> oder seinen Hilfspersonen und Substituten vorgenommenen Massnahmen<br />
zu verstehen.“ 54 Es soll sich dabei um einen „einlässlichen Bericht über alle<br />
48<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3 und 3.5.<br />
49<br />
Es kann diesbezüglich auf die Ausführungen in der Lehre verwiesen werden. Anstelle<br />
vieler: BK-Fellmann, Art. 394 N 220ff. (mit weiteren Hinweisen).<br />
50<br />
<strong>Die</strong> nachfolgende Übersicht stützt sich auf diejenigen Kommentare und Monografien,<br />
welche auch in der Spezialliteratur zitiert werden. Es wird auf eine ausführliche<br />
Wiedergabe aller Quellen verzichtet, da sich dadurch auch keine zusätzliche Erkenntnis<br />
ergibt.<br />
51 Siehe dazu die Ausführungen zur rechtshistorischen Entwicklung in Kapitel 2.8.2.<br />
52 Besonders deutlich: BK-Fellmann, Art. 400 N 19 und Hofstetter, 2000, 115.<br />
53 BK-Fellmann, Art. 400 N 19 und 14 (je mit umfangreichen Hinweisen).<br />
54 ZK-Fick/Morlot, Art. 400 N 4.
- 11 -<br />
wesentlichen Vorgänge <strong>des</strong> konkreten Auftrages und die Erläuterung ihrer Bedeutung“<br />
55 handeln.<br />
Da der Begriff „Rechenschaftsablegung“ als Oberbegriff verwendet wird, kann eine<br />
Einteilung in aktive oder reaktive Informationspflicht nicht erfolgen. Es sei<br />
diesbezüglich auf die nachfolgenden Begriffe verwiesen.<br />
1.3.5.3 <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
In der Lehre wird der Begriff der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nicht vollständig von der<br />
Pflicht zur Rechenschaftsablegung unterschieden, weshalb die beiden Begriffe auch in<br />
inhaltlicher Hinsicht als Synonyme verwendet werden. 56 In einem Grossteil der Lehre<br />
wird der Begriff „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ vermieden und es wird stets von der Pflicht<br />
zur Rechenschaftsablage gesprochen. 57<br />
1.3.5.4 Auskunftspflicht<br />
<strong>Die</strong> Lehre anerkennt eine Auskunftspflicht in Art. 400 Abs. 1 OR. 58 <strong>Die</strong><br />
Auskunftspflicht wird in einem bedeutenden Teil der Lehre in inhaltlicher Hinsicht als<br />
„das Gegenstück“ zur Benachrichtigungspflicht betrachtet, weshalb sich diese Pflicht<br />
v.a. dadurch charakterisiert, dass sie einzelne Informationen zum Gegenstand hat,<br />
welche der Auftraggeber abfragen kann. 59<br />
Ein anderer Teil der Lehre umschreibt mit dem Begriff „Auskunftspflicht“<br />
demgegenüber eine Informationspflicht, welche inhaltlich der Pflicht zur<br />
Rechenschaftsablage entspricht. 60<br />
Aus zentralen Ausführungen in der Lehre wird deutlich, dass die Auskunftspflicht<br />
nicht deutlich von der Aufklärungspflicht unterschieden wird. 61 Dadurch werden<br />
Informationspflichten vermengt, welche (1) auf verschiedenen Rechtsgrundlagen<br />
55<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 27 (unter Hinweis auf die Lehre in Deutschland). Einzige<br />
abweichende Meinung: Werro, N 512ff. und Werro, Commentaire, Art. 400 N 5.<br />
56<br />
Beispielsweise: BK-Fellmann, Art. 400 N 14 und N 27ff.<br />
57<br />
Hofstetter, 2000, 115ff.; Derendinger, N 127ff. (je mit umfangreichen Hinweisen).<br />
58<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 23ff.; Hofstetter, 2000, 115.<br />
59<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 23; Hofstetter, 2000, 115.<br />
60<br />
Derendinger, N 127: <strong>Die</strong>ser Autor benutzt den Begriff „Auskunftspflicht“ nur in der<br />
Titelsetzung.<br />
61<br />
Deutlich BK-Fellmann, Art. 400 N 23 und seine Hinweise auf Derendinger, N 131<br />
[Aufklärungs- und Benachrichtigungspflicht].
- 12 -<br />
basieren und (2) ganz andere Charakteristika 62 aufweisen. Entsprechend werden auch<br />
die Inhalte der entsprechenden Informationspflichten nicht deutlich genug voneinander<br />
unterschieden.<br />
Es handelt sich um eine reaktive Pflicht. 63<br />
1.3.5.5 Pflicht zur Rechnungslegung<br />
<strong>Die</strong> Pflicht zur Rechnungslegung wird allgemein als eine Ausprägung der Pflicht zur<br />
Rechenschaftsablage verstanden. 64 Falls mit der Auftragsausführung Einnahmen und<br />
Ausgaben von Geld verbunden sind, wird in der Lehre, gestützt auf Art. 400 Abs. 1<br />
OR, eine Pflicht zur Rechnungslegung anerkannt. 65 In diesem Zusammenhang wird<br />
gefordert, dass die Rechnungslegung vollständig, wahr, rechtzeitig und mit Belegen<br />
versehen erfolgt. 66<br />
<strong>Die</strong> Pflicht zur Rechnungslegung ist – gemäss dem systematischen Aufbau <strong>des</strong><br />
Mandatsrechts – auf die Ablieferungsobligation bezogen, da sie diese zentrale Pflicht<br />
<strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> entweder vorbereitet oder ersetzt (indem etwa die Verwendung resp.<br />
der Konsum von anvertrauten Geldern belegt werden müssen). 67 Damit erscheint die<br />
Pflicht zur Rechnungslegung als der Teil der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>,<br />
welcher die Ein- und Ausgabeposten dokumentiert, die mit der Auftragsausführung<br />
verbunden sind. Es ist jedoch präzisierend anzumerken, dass der Auslagen- und<br />
Verwendungsersatzanspruch <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> nach Art. 402 OR nicht von der<br />
Rechnungslegung erfasst ist, da hier Leistungen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> in Rede stehen, die<br />
er aus seinen eigenen Mitteln erbracht hat. In diesem Sinne ist die Pflicht zur<br />
Rechnungslegung im Mandatsrecht in der Weise zu definieren, dass sie die<br />
Zusammenstellung der Ein- und Ausgabeposten sowie die Saldoziehung zum<br />
Gegenstand hat. 68<br />
62 Der Inhalt einer Aufklärungspflicht nach Art. 398 OR ist immer individuell zu<br />
bestimmen: Abegglen, 141ff.; Müller, 161ff.; Payllier, 129ff.<br />
63 BK-Fellmann, Art. 400 N 23; Hofstetter, 2000, 115.<br />
64 Hofstetter, 2000, 115 und 118; BK-Fellmann, Art. 400 N 35; Derendinger, N 127.<br />
65 BK-Fellmann, Art. 400 N 35 (mit zahlreichen Hinweisen).<br />
66 Hofstetter, 2000, 118.<br />
67<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.2. und 3.3.3.<br />
68<br />
BK-Becker, Art. 400 N 2; ZK-Fick/Morlot, Art. 400 N 8; ZK-Oser/Schönenberger, Art.<br />
400 N 3; BK-Fellmann, Art. 400 N 48.
- 13 -<br />
<strong>Die</strong> Begriffe „Abrechnung“ und „Pflicht zur Rechnungslegung“ werden bisweilen als<br />
Synonyme verwendet. 69<br />
Es handelt sich grundsätzlich sowohl um eine aktive wie eine reaktive Pflicht. 70<br />
1.3.5.6 Pflicht zur Rechnungsstellung / Rechnung<br />
<strong>Die</strong> Pflicht zur Rechnungsstellung ist ein weiterer Bestandteil der <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>: Im Falle <strong>des</strong> entgeltlichen Mandatsvertrages erfüllt der Beauftragte<br />
seine <strong>Rechenschaftspflicht</strong>, wenn er die Anforderungen aus dieser Pflicht erfüllt.<br />
In gegenständlicher Hinsicht ist die Pflicht zur Rechnungsstellung (Rechnung) „die<br />
Aufstellung über die erbrachten <strong>Die</strong>nstleistungen mit der Angabe <strong>des</strong> Preises, der<br />
dafür zu zahlen ist.“ 71<br />
<strong>Die</strong> Anforderungen und damit der Inhalt der Rechnung orientieren sich am Zweck der<br />
Rechnung: Es soll sich um eine prüfbare Rechnung handeln. 72 Damit gelangt bei der<br />
Pflicht zur Rechnungsstellung ein objektiver, von einer konkreten Person als<br />
Auftraggeber unabhängiger Massstab zur Anwendung. <strong>Die</strong> entsprechende Pflicht wird<br />
als eine schematische Pflicht dargestellt, da der Zweck der Rechnungsstellung<br />
(Rechnung) nach einem bestimmten Inhalt verlangt.<br />
Wie bereits angesprochen, ist der Auslagen- und Verwendungsanspruch nicht von der<br />
Pflicht zur Rechnungslegung abgedeckt, weil die Auslagen und Verwendungen das<br />
Vermögen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> vermindern. 73 Aus diesem Grund folgt, dass der<br />
Beauftragte dem Auftraggeber diese Positionen neben dem Vergütungsanspruch in<br />
Rechnung stellen kann.<br />
<strong>Die</strong> Begriffe „Rechnungsstellung“ und „Rechnung“ werden als Synonyme<br />
verwendet. 74<br />
<strong>Die</strong> Pflichten „Rechnungslegung“ und „Rechnungsstellung“ unterscheiden sich<br />
bezüglich ihres Zwecks und Inhalts deutlich. Offensichtlich aufgrund der Tatsachen,<br />
69<br />
Deutlich: BK-Fellmann, Art. 400 N 35 und 36. In der vorliegenden Arbeit wird der<br />
Begriff „Abrechnung“ jedoch anders besetzt: Siehe dazu Kapitel 1.3.5.6 und 3.7.3.<br />
70<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.2.<br />
71<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 48. Für die Anforderungen an die Abrechnungspflicht kann auf<br />
die Ausführungen in Kapitel 3.7.3. verwiesen werden.<br />
72<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 50f. Siehe dazu auch Kapitel 3.7.3.4.<br />
73<br />
BK-Fellmann, Art. 402 N 21.<br />
74<br />
Deutlich: BK-Fellmann, Art. 400 N 48f.
- 14 -<br />
dass zahlreiche Aufträge denkbar sind, in denen der Beauftragte beide Aspekte der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> nach Art. 400 OR zu erfüllen hat und dass beide Pflichten ihre<br />
Rechtsgrundlage in Art. 400 OR haben, wird jedoch oft nicht klar zwischen der Pflicht<br />
zur Rechnungslegung und der Pflicht zur Rechnungsstellung unterschieden. So<br />
verwendet das Zürcher Obergericht bspw. in ZR 79 Nr. 62 die Begriffe<br />
„Rechnungsstellung“ und „Rechnungslegung“ als Synonyme.<br />
Es handelt sich grundsätzlich um eine reaktive Pflicht.<br />
1.3.5.7 Aufklärungspflicht<br />
Nach hL wird die Meinung vertreten, dass die Aufklärungspflicht im Auftragsrecht<br />
ihre Rechtsgrundlage in Art. 398 OR hat. 75 Demgegenüber wird in der<br />
mandatsrechtlichen Literatur aber auch die Ansicht vertreten, die Aufklärungspflicht<br />
sei Ausfluss der Pflicht zur Rechenschaftsablage. 76 Dabei wird offensichtlich keine<br />
klare Unterscheidung zwischen einer Aufklärungspflicht und einer<br />
Benachrichtigungspflicht resp. einer „aktiven“ Auskunftspflicht getroffen. 77<br />
Unter dem Begriff der Aufklärungspflicht wird in inhaltlicher Hinsicht die Pflicht<br />
verstanden, „den anderen Teil unaufgefordert über entscheidungserhebliche Umstände<br />
zu informieren.“ 78 „Das Mass der geforderten Aufklärung bestimmt sich allein nach<br />
den Umständen, insbesondere nach der Natur <strong>des</strong> Vertrages.“ 79 Der Inhalt einer<br />
Aufklärungspflicht nach Art. 398 OR ist immer individuell zu bestimmen. 80<br />
Es wird in der Lehre allgemein festgestellt, dass die Benachrichtigungspflicht nicht<br />
streng von der Aufklärungspflicht getrennt werden kann. 81<br />
Es handelt sich um eine spontane Informationspflicht.<br />
75 BK-Fellmann, Art. 400 N 53; Derendinger, N 131ff. Allgemein: Abegglen, 141ff.<br />
76 Hofstetter, 2000, 117; BasK-Weber, 400 N 5.<br />
77 Hofstetter, 2000, 115 und 117; BasK-Weber, 400 N 2 und 5.<br />
78 Abegglen, 3 [und dort zitierte Lehre]. Der Autor weist insbesondere darauf hin, dass in<br />
diesem Bereich eine Unzahl von Begriffen geschaffen worden ist, welche mehr verwirrt<br />
als klärt.<br />
79 BK-Fellmann, Art. 398 N 145.<br />
80<br />
Dazu die Ausführungen bei: Abegglen, 141ff.; Müller, 161ff.; Payllier, 129ff.<br />
81<br />
BK-Fellmann, Art. 398 N 176 (wobei der Autor auch die Auskunftspflicht und die<br />
Aufklärungspflicht vermengt).
- 15 -<br />
1.3.5.8 Benachrichtigungspflicht<br />
Nach hL wird die Meinung vertreten, dass die Benachrichtigungspflicht ihre<br />
Rechtsgrundlage in Art. 398 OR hat. 82 Demgegenüber wird auch die Ansicht<br />
vertreten, die Benachrichtigungspflicht sei Ausfluss der Pflicht zur<br />
Rechenschaftsablage. 83<br />
In inhaltlicher Hinsicht wird die Benachrichtigungspflicht dadurch charakterisiert, dass<br />
sie einzelne Informationen zum Gegenstand hat, welche der Auftragnehmer spontan<br />
dem Auftraggeber mitzuteilen hat. 84 Es wird jedoch in der Lehre festgestellt, dass die<br />
Benachrichtigungspflicht nicht streng von der Aufklärungspflicht getrennt werden<br />
kann. 85<br />
Es handelt sich um eine spontane Informationspflicht.<br />
1.3.6 Fazit: Eigene Terminologie<br />
Wie sich aus den Ausführungen ergeben hat, sind die Begriffsbestimmungen<br />
uneinheitlich und bisweilen verwirrend. 86 Es kann insbesondere im Zusammenhang<br />
mit einer Informationsordnung im Rahmen von Art. 400 OR festgestellt werden, dass<br />
kein einheitliches System der Informationsrechte und damit kein klares Konzept<br />
vorliegt. Entsprechend diffus zeigt sich auch die Rechtslage in diesem Bereich, wenn<br />
etwa von einen „allgemeinen Informationsrecht“ etc. gesprochen wird.<br />
Aus diesem Grunde und aufgrund der Tatsache, dass verschiedene der getroffenen<br />
Unterscheidungen im Rahmen dieser Arbeit nicht von Bedeutung sind, wird<br />
nachfolgend eine eigene Begriffsordnung festgelegt, welche in dieser Arbeit verwendet<br />
wird. Dadurch sollen der Einstieg in die hier vorgelegte Materie und die Orientierung<br />
in der in dieser Arbeit präsentierten Informationsordnung erleichtert werden. Es sei<br />
allerdings bereits an dieser <strong>St</strong>elle auf die beiden folgenden Umstände hingewiesen: (1)<br />
In der rechtshistorischen Untersuchung 87 sollen gerade auch jene Begrifflichkeiten<br />
82<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 53; Derendinger, N 131ff.<br />
83<br />
Hofstetter, 2000, 115; BasK-Weber, 400 N 2. <strong>Die</strong>se Auffassung ist offensichtlich darin<br />
begründet, dass das Informationsprogramm von § 666 BGB auch im Rahmen von Art.<br />
400 OR anerkannt wird (deutlich der Hinweis bei Hofstetter, 2000, 115). Siehe dazu<br />
insbesondere Kapitel 2.8.<br />
84<br />
BK-Fellmann, Art. 398 N 172.<br />
85<br />
BK-Fellmann, Art. 398 N 176.<br />
86<br />
Siehe dazu etwa auch die Bemerkung von BK-Fellmann, Art. 400 N 47: „In der Doktrin<br />
werden Rechenschaftsablegung, Rechnungslegung und Rechnungsstellung vielfach<br />
miteinander vermengt.“<br />
87 Siehe dazu Kapitel 2.
- 16 -<br />
genannt werden, welche in der entsprechenden Lehre und Rechtsprechung<br />
Verwendung gefunden haben. Es wird in diesem Kapitel also auch gerade bewusst die<br />
entsprechende „historische“ Terminologie verwendet. Aus diesem Grunde ist in<br />
diesem Teil der vorliegenden Arbeit ein Kompromiss zwischen der eigenen<br />
Begriffsordnung und der historischen Begriffsordnung zu akzeptieren. (2) Weiter ist<br />
auf die Tatsache hinzuweisen, dass es gerade die Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist,<br />
die Informationspflicht in Art. 400 Abs. 1 OR zu definieren, 88 weshalb der<br />
nachfolgenden Begriffsordnung vorerst eine bloss beschreibende Zuordnung<br />
zukommen soll:<br />
Begriff: Umschreibung:<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> Informationspflicht, gestützt auf Art. 400 Abs. 1 OR<br />
(inhaltlich vorerst unbesetzt)<br />
Auskunftspflicht = <strong>Rechenschaftspflicht</strong> (sofern nicht anders erwähnt)<br />
Rechenschaftsablegung = <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
Rechnungslegung Pflicht zur Rechnungslegung, wie in Kapitel 1.3.5.5<br />
umschrieben<br />
Rechnungsstellung Pflicht zur Rechnungsstellung, wie in Kapitel 1.3.5.6<br />
umschrieben<br />
Rechnung = Rechnungsstellung<br />
Abrechnungspflicht = Rechnungslegung und Rechnungsstellung<br />
Abrechnung = Abrechnungspflicht<br />
Belegungs- und<br />
Aufzeichnungspflicht<br />
Dokumentaufbewahrungspflicht und Dokumentproduktionspflicht<br />
im Rahmen der Abrechnungspflicht<br />
Aufklärungspflicht Aufklärungspflicht, wie in Kapitel 1.3.5.7 umschrieben<br />
Benachrichtigungspflicht Benachrichtigungspflicht, wie in Kapitel 1.3.5.8<br />
umschrieben<br />
Beratungspflicht = Aufklärungspflicht<br />
88 Siehe dazu Kapitel 1.1.
- 17 -<br />
In dieser Arbeit werden die Pflicht zur Rechnungslegung, die Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung sowie der Auslagen- und Verwendungsanspruch und die<br />
Belegungs- resp. Aufzeichnungspflicht unter dem Begriff der Abrechnungspflicht<br />
zusammengefasst. Damit regelt die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss Art. 400 OR die<br />
Abrechnungspflicht, welche grundsätzlich in die Rechnungslegung und in die<br />
Rechnungsstellung (inkl. Auslagen- und Verwendungsersatz) unterteilt werden kann.<br />
Komplettiert wird diese Abrechnungspflicht durch eine ergänzende Belegungs- resp.<br />
Aufzeichnungspflicht. 89<br />
89 Siehe dazu ausführlich Kapitel 3.7.3.4.
- 18 -<br />
2 Rechtshistorische Untersuchung der<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ im Auftragsrecht<br />
Bei der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> handelt es sich um ein tradiertes rechtliches Institut. Aus<br />
diesem Grund rechtfertigt sich eine rechtshistorische Untersuchung. <strong>Die</strong><br />
entsprechenden Ergebnisse können zu einem besseren Verständnis der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> beitragen, anerkennt man, dass diese Teilrechtsdisziplin etwas<br />
mit „Identitätsfindung und Selbstvergewisserung“ 90 zu tun hat und „das Seiende aus<br />
dem Werden erklärt“. 91 So wurde für die Rechtsgeschichte formuliert, dass „...das<br />
<strong>St</strong>udium der Materialien einen reichen Gewinn verspricht und das Privatrecht nur aus<br />
den geschichtlichen Zusammenhängen heraus verstanden und fortgebildet werden<br />
kann.“ 92 Deshalb soll im vorliegenden Kapitel die Entwicklung der Pflicht zur<br />
Rechenschaft im Mandatsrecht dargestellt und auf Argumente untersucht werden, die<br />
für die inhaltliche Bestimmung der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> dienlich sein können.<br />
Verschiedene Rechtsinstitute <strong>des</strong> Auftragsrechtes wurden in der Lehre bereits einer<br />
detaillierten rechtshistorischen Untersuchung unterzogen. 93 In dem Sinne soll die<br />
vorliegende Arbeit die bestehenden Beiträge ergänzen. Deshalb wurde bewusst eine<br />
gewisse Vollständigkeit in der Materialsichtung und -verarbeitung angestrebt. So<br />
befasst sich diese Untersuchung nicht bloss mit der Entstehungsgeschichte <strong>des</strong> (a)OR,<br />
sondern auch mit den entsprechenden gesetzgeberischen Vorläufern. 94<br />
90 Willoweit, 10.<br />
91 Buschmann, Rechtsgeschichte, 47.<br />
92 Fasel, VII (unter Hinweis auf Wolfgang Wiegand, Numerus clausus der dinglichen<br />
Rechte, in: Hrsg.: Gerhard Köbler, Festschrift für Karl Kroeschell: Wege europäischer<br />
Rechtsgeschichte, Frankfurt/Bern/New York 1987, 623ff.).<br />
93 In der schweizerischen Lehre ist insbesondere aus rechtshistorischer Sicht die<br />
Dissertation von Erwin Schibli, <strong>Die</strong> Entwicklung <strong>des</strong> Mandats in der Schweiz, Basel<br />
1929, zu erwähnen. Im Zusammenhang mit der Frage der Entgeltlichkeit wurde die<br />
<strong>St</strong>ellung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> in verschiedenen Aspekten (namentlich im Bereich der<br />
Verschuldenshaftung, der Substitutenhaftung und der Beendigungsmöglichkeit nach Art.<br />
404 OR) ausführlich von Thomas Schneeberger (Diss. Bern 1992) untersucht.<br />
Monografisch ist die Vergütung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> von Philipp Gmür (Diss. Fribourg 1994)<br />
allgemein und von Lorenz Höchli (Diss. Zürich 1991) speziell für den Anwalt bearbeitet<br />
worden.<br />
94 Siehe dazu an <strong>St</strong>elle vieler: Merz, SPR VI/1, 16 i.f.; ZK-Schneider/Fick, 11 [3. Auflage].
2.1 Römisches Recht<br />
- 19 -<br />
2.1.1 Digestenstellen<br />
Das römische Recht übte einen allgemeinen und nachhaltigen Einfluss auf die<br />
Ausgestaltung <strong>des</strong> Mandatsrechts aus, was die nachfolgend dargestellte<br />
Rechtsentwicklung in den verschiedenen Gesetzgebungsprojekten belegt. 95 Als<br />
massgebliche Belegstellen wurden jeweils folgende Fundstellen genannt: D. 17.1.56.2,<br />
D. 3.3.46.4 und D. 2.13.9 pr. Nachfolgend werden die genannten Digestenstellen<br />
einzeln dargestellt.<br />
2.1.1.1 D. 17.1.56.2 96<br />
<strong>Die</strong>ser Belegstelle liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Nach fünf Jahren kehrte ein<br />
Auftraggeber aus dem Ausland zurück und erneuerte den Auftrag vor seiner erneuten<br />
Abreise, ohne allerdings vor dieser Erneuerung „sich Rechnung ablegen zu lassen.“<br />
<strong>Die</strong> entsprechende Textstelle fordert für den Auftraggeber die Möglichkeit, dass die<br />
„zu einem jeden Zeitpunkt beobachtete Redlichkeit <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> überprüft werden<br />
kann.“ Deshalb wird vom <strong>Beauftragten</strong> gefordert, das, „was er aus der ersten<br />
Geschäftsführung schuldete [habe er] auf die zweite Rechnung zu übertragen.“<br />
<strong>Die</strong> hier dargelegte Pflicht aktualisiert sich erst am Ende eines Auftrages, bezieht sich<br />
aber auf den gesamten Zeitraum. Gegenstand der Pflicht war die Rechnungslegung,<br />
wobei der Hinweis auf die Übertragung auf eine zweite Rechnung darauf hindeutet,<br />
dass eine entsprechende Geschäftsbesorgung in sich abzuschliessen ist. <strong>Die</strong>s erfolgt<br />
mittels der Saldoziehung, wenn die Pflicht auf die Rechnungslegung beschränkt ist.<br />
Da die Redlichkeit „zu einem jeden Zeitpunkt“ zu belegen ist, darf sich der<br />
Beauftragte aber auch nicht auf die Saldoziehung beschränken, sondern es sind die<br />
Veränderungen zwischen den Saldi durch einzelne Einträge darzulegen. Nur die<br />
Detaillierung verwirklicht den Zweck, wodurch die Überprüfung der Redlichkeit eines<br />
Bevollmächtigten möglich wird. Auf diese Weise kann die einzelne Ausgabe in der<br />
Rechnung und damit der Saldoausweis überprüft werden.<br />
Wie der zweite Teil der wiedergegebenen Belegstelle verdeutlicht, wird die<br />
Redlichkeit <strong>des</strong> Bevollmächtigten in inhaltlicher Hinsicht klar bestimmt, da hier die<br />
95 Siehe dazu die verschiedenen Hinweise zu den einzelnen Kodifikationen in Kapitel 2. So<br />
zeigen etwa die Materialien zur Entstehung <strong>des</strong> deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches<br />
noch den unmittelbaren Einfluss im Bereich <strong>des</strong> Auftragsrechts im Allgemeinen und im<br />
Falle der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Besonderen: Siehe dazu Kapitel 2.6.2.2.<br />
96 Corpus Iuris Civilis (Romani), übersetzt von Treitschke.
- 20 -<br />
Pflicht zur Rechnungslegung angesprochen wird: Zum einen ist von einer<br />
„Geschäftsverwaltung“ (als Begriff handelt es sich hierbei typischerweise um<br />
Vermögens- oder Gutsverwaltung im Sinne der finanziellen Verwaltung), zum anderen<br />
ist von einem Übertrag auf eine Rechnung die Rede („auf eine zweite Rechnung<br />
übertragen“). Der eigentliche Gehalt der dargestellten Pflicht beinhaltet entsprechend<br />
die Pflicht zur lückenlos nachvollziehbaren Rechnungslegung, wobei die Redlichkeit<br />
offensichtlich in der Form einer Rechnung belegt wird. Dadurch ist diese Pflicht<br />
deutlich auf die Ablieferungsobligation ausgerichtet und die durch die Rechnung<br />
sichergestellte Redlichkeit unterstützt die Fremdnützigkeit und entsprechend das<br />
Nichtbereicherungsgebot <strong>des</strong> Mandatsrechts. <strong>Die</strong> hier behandelte Belegstelle D.<br />
17.1.56.2 dient damit als eine gemeinrechtliche Grundlage für eine Pflicht zur<br />
Rechnungslegung.<br />
2.1.1.2 D. 3.3.46.4 97<br />
<strong>Die</strong>se Belegstelle nimmt im Zusammenhang mit den jeweiligen Gesetzesmaterialien<br />
eine zentrale Rolle ein. <strong>Die</strong> Belegstelle führt aus, dass jeder Geschäftsführer 98<br />
„rationem reddere debet“. <strong>Die</strong>se Textstelle wird wie folgt übersetzt: „Der Verwalter<br />
muss Rechenschaft ablegen“, 99 resp. „der Geschäftsbesorger muss Rechnung<br />
ablegen.“ 100 <strong>Die</strong> Pflicht muss dabei „ex bona fide“ erfüllt werden, was eine<br />
Pflichterfüllung „nach gutem Glauben“ bzw. „gemäss Treu und Glauben“ erfordert.<br />
Während die eine Übersetzung unbestimmt von „Rechenschaft“ spricht, nennt die<br />
andere Übersetzung die konkrete Pflicht zur Rechnungslegung. Aus dem Wortlaut <strong>des</strong><br />
lateinischen Textes („rationem reddere debet“) ist der Übersetzung<br />
„Rechnungslegung“ den Vorzug zu geben. <strong>Die</strong> letzte Feststellung wird insbesondere<br />
durch den Umstand gestützt, dass die zitierte Belegstelle in ihrer zentralen Aussage die<br />
eigentliche Ablieferungsobligation behandelt. Nur gerade der erste Satz dieser<br />
Belegstelle handelt nicht von der Ablieferungsobligation als solcher, wogegen der<br />
ganze übrige Teil die eigentliche Ablieferungsobligation in verschiedenen<br />
Sonderfällen darstellt. Daraus folgt, dass die vorausgehende Bemerkung zur<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der<br />
97<br />
Corpus Iuris Civilis (Romani), übersetzt von Sintenis.<br />
98<br />
Gemeinschaftsausgabe: „procurator“ wird mit „Verwalter“ umschrieben. Peter, Texte, 238<br />
FN 362, verwendet demgegenüber den Begriff „Geschäftsführer“ resp. „Rechtsvertreter“<br />
für „procurator“ (bspw. bei der Übersetzung von D. 17.1.8 pr. zu Art. 400 OR).<br />
99 Gemeinsachftsausgabe.<br />
100 Corpus Iuris Civilis (Romani), übersetzt von Sintenis.
- 21 -<br />
Ablieferungsobligation steht, weshalb in der entsprechenden Belegstelle eine Pflicht<br />
zur Rechnungslegung behandelt wird.<br />
Im Textaufbau erfolgt bei beiden Übersetzungen die Verbindung zwischen der<br />
Ablieferungsobligation und der Pflicht „rationem reddere“ durch das Wort „daher ...“.<br />
101 Damit wird folgende Verbindung zwischen den genannten Pflichten zum Ausdruck<br />
gebracht: Der Geschäftsführer bzw. Verwalter bzw. der Rechtsvertreter muss „ex bona<br />
fide“ Rechnung ablegen, weshalb („daher“) er alles 102 herauszugeben hat. <strong>Die</strong>se<br />
Textstruktur legt nahe, dass die hier zu beschreibende Pflicht eine eigentliche<br />
Begründung <strong>des</strong> Umfangs der nachfolgend behandelten Ablieferungsobligation<br />
beinhaltet. Damit will die Pflicht „rationem reddere“ bestimmen, was der<br />
Geschäftsführer herauszugeben hat. Damit erscheint die Pflicht aber auch als<br />
Vorbedingung für die Ablieferungspflicht. Daher kann die Formulierung „rationem<br />
reddere“ auch eine geforderte Eigenschaft <strong>des</strong> Geschäftsbesorgers bzw. <strong>des</strong> Verwalters<br />
bzw. <strong>des</strong> Rechtsvertreters bezeichnen, weshalb diese Personen eben „rechtschaffen zu<br />
sein“ haben. <strong>Die</strong> entsprechende Eigenschaft belegt der Beauftragte dadurch, dass er<br />
gemäss der Pflicht zur Rechnungslegung seine Herausgabepflicht vorbereitet.<br />
Entsprechend reicht eine eigentliche Pflicht zur Rechnungslegung nur so weit, wie<br />
eine Ablieferungsobligation infrage steht. Der Redlichkeit <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> wird nach<br />
dieser Sichtweise v.a. mit der Pflicht zur Ablieferung resp. mit dem Nichtbereicherungsgebot<br />
entsprochen. 103 Damit stellt auch die hier behandelte Belegstelle<br />
eine eigentliche gemeinrechtliche Grundlage für eine Pflicht zur Rechnungslegung und<br />
eine weitere Grundlage der Ablieferungspflicht dar.<br />
2.1.1.3 D. 2.13.9 pr. 104<br />
In dieser Belegstelle war die sachliche Zuständigkeitsfrage im Zusammenhang mit<br />
einem Edikt zu klären: Es ging um die Personen, die Rechnungen aus der Besorgung<br />
einer fremden Angelegenheit vorzeigen 105 müssen, aber dennoch nicht in den<br />
101<br />
<strong>Die</strong>s entspricht der wörtlichen Übersetzung <strong>des</strong> lateinischen Textes („itaque“).<br />
102<br />
In dieser Digestenstelle ist einzig davon die Rede, dass der Geschäftsführer bzw. der<br />
Verwalter bzw. der Rechtsvertreter das herauszugeben hat, was er durch einen Prozess<br />
erlangt hat. Im Zusammenhang mit dem ersten Satz der Belegstelle wird deutlich, dass<br />
dies jedoch für jede Art der Geschäftsführung bzw. Verwaltung Geltung hat (also<br />
allgemein gelten soll). Dazu auch: Paul. D. 17.1.20 pr: Ex mandato apud eum, qui<br />
mandatum suscepit, nihil remanere oportet.<br />
103<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.2.<br />
104<br />
Corpus Iuris Civilis (Romani), übersetzt von Sintenis<br />
105<br />
Gemeinschaftsausgabe: <strong>Die</strong> entsprechende Passage wird mit „Abrechnungen<br />
bekanntgeben“ wiedergegeben. Der lateinische Text an dieser <strong>St</strong>elle heisst: „... rationes ...<br />
reddere ...“.
- 22 -<br />
Anwendungsbereich dieses Ediktes fielen (vom Prätor also nicht kraft dieses Edikts<br />
dazu gezwungen werden konnten). Im Bereiche <strong>des</strong> Auftragsrechts konnte das<br />
Vorzeigen von Rechnungen nämlich auch durch die Auftragsklage 106 erreicht werden.<br />
Der eigentliche engere Regelungsinhalt dieser Belegstelle behandelt eine<br />
zivilprozessuale Fragestellung, wird doch eigentlich nur über die Frage der sachlichen<br />
Zuständigkeit hinsichtlich eines bestimmten Anspruches befunden. In beiden<br />
Übersetzungen kommt zum Ausdruck, dass nur von der „Vollstreckung“ bezüglich<br />
bestimmter Unterlagen die Rede ist. Bei diesen Unterlagen handelt es sich um<br />
Rechnungen bzw. Abrechnungen. Insofern kann diese Belegstelle einzig für das<br />
Vorhandensein einer, bereits in den vorangegangenen Belegstellen ausgemachten<br />
Pflicht zur Rechnungslegung über Ein- und Ausgaben an Dritte herangezogen werden,<br />
weshalb diese Belegstelle eine weitere gemeinrechtliche Grundlage für die Pflicht zur<br />
Rechnungslegung darstellt.<br />
2.1.2 Rechtslehre zum römischen Recht<br />
In der allgemeinen römisch-rechtlichen Literatur wird die Pflicht „Rechenschaft”<br />
entweder einzig summarisch und ohne eigentliche Inhaltsbeschreibung im Rahmen der<br />
actio mandati directa über die Ausführungsobligation und die Ablieferungsobligation<br />
dargestellt oder aber nicht einmal erwähnt. 107<br />
Selbst in der Spezialliteratur zum römischen Auftrags- bzw. Geschäftsführungsrecht<br />
finden sich nur vereinzelt Hinweise zur <strong>Rechenschaftspflicht</strong>: Bei Watson 108 werden<br />
unter dem Titel „ The obligations of the mandatary“ bloss die Ausführungsobligation<br />
und die Ablieferungsobligation erwähnt. Ähnlich ordnet Arangio-Ruiz 109 alle<br />
konkreten Pflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> den zwei fundamentalen Pflichten<br />
„Ausführungsobligation“ und „Ablieferungsobligation“ zu, ohne jedoch konkrete<br />
Aussagen über die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> zu machen. Auch bei Guarino 110 findet sich<br />
keine Darstellung über Bestand und Inhalt einer <strong>Rechenschaftspflicht</strong>. Einzig in der<br />
106<br />
Im Text wie folgt umschrieben: „per actionem mandati.“<br />
107<br />
Jörs, § 125, Ziff. 2.; Jörs/Kunkel/Wenger, § 123 III.1; Kaser, Privatrecht, § 134.4 Ziff. V<br />
(mit Hinweisen auf weitergehende Literatur); Schmidlin/Cannata, 148; Mayer-Maly, 126;<br />
Honsell, 140. Eine Ausnahme bildet hier wohl Coing, Band II, § 97 Ziff. I: „<strong>Die</strong><br />
gegenseitigen Verpflichtungen waren klar entwickelt. Der Beauftragte hat das Geschäft<br />
im Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers und nach <strong>des</strong>sen Weisungen auszuführen, Rechenschaft<br />
abzulegen, eventuell Erlangtes herauszugeben.“<br />
108<br />
Watson, 178ff., insbes. 178.<br />
109 Arangio-Ruiz, 165ff.<br />
110 Guarino, 952ff.
- 23 -<br />
Darstellung bei Morelli finden sich einzelne Hinweise 111 :An entsprechender <strong>St</strong>elle<br />
geht es um die Auseinandersetzung mit der Ansicht von Frese, dass der Prokurator zur<br />
Rechenschaftsablegung verpflichtet sei, der Mandatar aber nicht. Morelli unterscheidet<br />
dabei zwischen einem allgemeinen Rechenschaftsbericht und einer offenbar anderen,<br />
spezielleren Pflicht zur Rechenschaftsablegung, wobei es sich dabei gegenständlich<br />
um die Pflicht zur Rechnungslegung handelt. 112 In seinen Erwägungen gelangt Morelli<br />
zum Schluss, dass die Unterscheidung im konkreten Fall nur die Frage <strong>des</strong><br />
allgemeinen Rechenschaftsberichtes betreffen könne, da sowohl der Prokurator als<br />
auch der Mandatar über die Ausgaben Rechenschaft ablegen müssen (also der Pflicht<br />
zur Rechnungslegung unterliegen). Damit wird die Pflicht zur Rechnungslegung als<br />
die allgemeine Pflicht im Zusammenhang mit der Fremdgeschäftsführung anerkannt,<br />
weil sonst die actio mandati ihren Zweck nicht erfüllen könne. Morelli verweist in<br />
diesem Zusammenhang für den Beweis 113 auf die bereits behandelte Digestenstelle (D.<br />
3.3.46.4). 114<br />
2.1.3 Fazit<br />
<strong>Die</strong> Behandlung der für die Untersuchung zentralen Digestenstellen ergibt, dass in<br />
allen drei Belegstellen einzig die Pflicht zur Rechnungslegung eine Grundlage findet.<br />
Der Gedanke der Rechtfertigung und der Rechtschaffenheit findet Ausdruck in diesen<br />
Belegstellen, wobei die inhaltliche Beschränkung auf die Pflicht zur Rechnungslegung<br />
zu beachten ist. <strong>Die</strong> Pflicht zur Rechenschaft wird in den entsprechenden<br />
Digestenstellen dementsprechend in einen engen Zusammenhang mit der<br />
Ablieferungsobligation gestellt, wodurch ersichtlich wird, dass sich die Überprüfung<br />
der Redlichkeit/Rechtschaffenheit in erster Linie auf die Ablieferungspflicht bezieht.<br />
Damit ist der Inhalt der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> in diesem Kontext zu bestimmen.<br />
111 Morelli, 17f. [Ziff. 7]. gestützt auf Frese, Prokurator und Negotiorum gestio im<br />
Römischen Recht, in: Mélanges de droit romain dédiés à Georges Cornil, Paris 1926,<br />
passim.<br />
112<br />
Gemäss Beschreibung am Ende <strong>des</strong> zweiten Absatzes der hier besprochenen Ziff. 7<br />
(Morelli, 18).<br />
113<br />
So die Wortwahl in Ziff. 7.<br />
114 Siehe dazu Kapitel 2.1.1.2.
- 24 -<br />
2.2 Allgemeines Landrecht für die Preussischen <strong>St</strong>aaten (ALR)<br />
2.2.1 Kodifikation<br />
Eine Einführung zum ALR kann entfallen, da die entsprechende Literatur<br />
vergleichsweise leicht zugänglich ist. 115 In der Quellengeschichte zum ALR wird<br />
allgemein das römische Recht als Orientierungspunkt anerkannt, weshalb das ALR als<br />
die erste kodifikatorische Übersetzung <strong>des</strong> römischen Rechtes angesehen wird. 116 <strong>Die</strong><br />
Behandlung der Rechtslage unter dem ALR rechtfertigt sich insbesondere aus dem<br />
Umstand, dass sie in zahlreichen späteren Kodifikationen Beachtung gefunden hat. 117<br />
ALR 1794: Erster Teil, Dreyzehnter Titel, Erster Abschnitt (ALR I. 13) 118<br />
I. Rechte zwischen dem Machtgeber und Bevollmächtigten (§§<br />
37-84)<br />
(...)<br />
d) Von der Rechenschaft, zu welcher der Bevollmächtigte dem<br />
Machtgeber verpflichtet ist.<br />
§ 61. Nach vollendetem Geschäfte ist er demselben über <strong>des</strong>sen<br />
Ausführung Rechenschaft abzulegen verpflichtet.<br />
§ 62. Alle Vortheile, welche aus dergleichen aufgetragenen<br />
Geschäfte entstehen, kommen, so weit nicht ein Anderes<br />
verabredet worden, dem Machtgeber allein zu statten.<br />
§ 63. Der Bevollmächtigte darf also den erhaltenen Auftrag nicht<br />
dazu gebrauchen, sich ohne Einwilligung <strong>des</strong> Machtgebers eigne<br />
Vortheile dadurch zu verschaffen.<br />
§ 64. Dagegen kann der Bevollmächtigte, bloss bey Gelegenheit <strong>des</strong> Auftrags,<br />
Geschäfte, die mit demselben in keiner Verbindung stehn, zu seinem eignen Vortheile<br />
verhandeln und ausführen. 119<br />
115<br />
Dazu die folgenden Übersichten: Hattenhauer, 28ff.; Dölemeyer, Handbuch, 1501ff.<br />
116<br />
Hattenhauer, 33.<br />
117<br />
Dölemeyer, IUS COMMUNE, 180 und 188f. Vgl. auch die ausführliche<br />
Materialsammlung im Zusammenhang mit den Arbeiten zu einem Teilentwurf<br />
Schuldrecht im Rahmen der Entstehungsgeschichte <strong>des</strong> BGB (Schubert, Vorentwürfe der<br />
Redaktoren, Band 2, 850ff.).<br />
118<br />
Für eine Interpretation <strong>des</strong> ROHG zu § 62 – 64 (betreffend Ablieferungsobligation):<br />
ROHG XIV. Nr. 63 (Sen. III., Urteil vom 21. 9. 1874 i. S. Sauer c. Arnoldt).
- 25 -<br />
2.2.2 Lehrmeinungen zum ALR sowie die Pandektenliteratur<br />
Ein Überblick über eine breite Auswahl der Literatur zum ALR sowie der<br />
Pandektenliteratur ergibt ein in der Tendenz einheitliches Bild: <strong>Die</strong><br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> wird als eine Pflicht zur Rechnungslegung umschrieben, die – in<br />
ihrer weitesten Auslegung – durch eine eigentliche Pflicht zur Belegung ergänzt wird,<br />
jedoch stets auf die Ablieferungsobligation ausgerichtet ist. Aufgrund der Tatsache,<br />
dass verschiedene Werke in der Schweiz nur schwer zugänglich sind, wird<br />
nachfolgend eine entsprechende Kurzübersicht über die Lehrmeinungen vermittelt:<br />
Obgleich der Gesetzestext deutlich von „Rechenschaft ablegen“ spricht, ist in den<br />
Lehrmeinungen von der Rechnungslegung die Rede: „Er [der Mandatar] muss über die<br />
120 Ausführung <strong>des</strong> Geschäfts Rechnung legen.“ In dieser ausführlichen<br />
Kommentierung zeigt sich, dass durch die <strong>St</strong>atuierung dieser Pflicht v.a. die<br />
Sphärenbereinigung im Auftragsverhältnis und das Gebot der Nichtbereicherung <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> konkretisiert werden sollten. 121 <strong>Die</strong> gleiche Konzeption zeigt sich auch in<br />
der folgenden Umschreibung: „... [S]odann hat [der Mandatar] alles dasjenige, was<br />
ihm durch das aufgetragene Geschäft zugekommen ist, worüber er Rechnung zu legen<br />
hat, dem Mandanten zu erstatten ... .“ 122<br />
Weiter wird die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> unter Verweis auf ALR I. 13 § 61 in der Weise<br />
beschrieben, dass „der Mandatar vor allem Rechnung legen muss.“ 123 <strong>Die</strong> Bedeutung<br />
der Formulierung „vor allem“ weist in diesem Zusammenhang vermutlich darauf hin,<br />
dass ergänzend von einer eigentlichen Belegungspflicht der Rechnung auszugehen ist.<br />
Zu beachten ist, dass der Autor – trotz <strong>des</strong> Wortlauts von ALR I. 13 § 61 – 124 nicht von<br />
„Rechenschaft ablegen“, sondern von der (schlichten) Rechnungslegung spricht (unter<br />
Verweis auf die entsprechenden Digestenstellen). Das nämliche Verständnis kommt<br />
119<br />
In den §§ 65-69 folgt die Regelung der Schadloshaltung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>; in den §§ 70-73<br />
eine detaillierte Regelung der Verzinsung.<br />
120<br />
Baron, 510f.<br />
121<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3 und 3.7.3. <strong>Die</strong>se Ansicht wird durch die angeführte Belegstelle<br />
gestützt (D. 3.3.46.4): Siehe dazu Kapitel 2.1.1.2.<br />
122<br />
Arndts, 505. Wächter, § 202, verweist explizit für die Verbindlichkeiten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
auf Arndts. <strong>Die</strong> Lehrmeinung von Sintenis, 576, entspricht ebenfalls der Interpretation<br />
von Arndt.<br />
123<br />
Koch, 388.<br />
124<br />
Koch, 388, FN 8: Hinweis auf ALR I. 13 § 61 als massgebliche Rechtsgrundlage.
- 26 -<br />
auch in der folgenden <strong>St</strong>elle zum Ausdruck: „Endlich ist auch (VI. 125 ) der<br />
Bevollmächtigte verpflichtet, über die Ausführung <strong>des</strong> Auftrags Rechenschaft, und<br />
insonderheit über sämtliche dabey vorgekommenen Einnahmen und Ausgaben<br />
Rechnung abzulegen.“ 126<br />
Interessant ist die Darstellung bei Koch 127 , indem durch die Titelsetzung und den<br />
Aufbau die Ansicht vertreten wird, dass der Begriff „Rechenschaft“ einen Oberbegriff<br />
darstellt, wobei die Rechnungslegung aber die Art der Erfüllung der Pflicht zur<br />
Rechenschaft sei: „[D]ie <strong>Rechenschaftspflicht</strong> (...) es nicht mit sich bringt, dass der<br />
Bevollmächtigte unter allen Umständen eine förmliche, mit bündigen Belägen<br />
versehene, Rechnung zu legen [verpflichtet ist].“ 128 Eine ebenfalls eigenständige<br />
Darstellung findet sich bei Dernburg, der die Informationspflichten in zwei Gruppen<br />
aufteilte: Auf der einen Seite stand die Benachrichtigungspflicht, welche im<br />
Zusammenhang mit der Ausführungsobligation und der Sorgfaltspflicht formuliert<br />
wurde, auf der anderen Seite standen die Rechenschafts- und die Auskunftspflicht,<br />
welche unter dem Titel „Rechenschaftsablegung“ erscheinen. Durch einen Verweis auf<br />
die Rechtsprechung 129 wird deutlich, dass die zuletzt genannte (und hier<br />
interessierende) Pflicht zur Rechenschaftsablegung „sich zur Pflicht der<br />
Rechnungslegung [gestaltet], wenn die Verhältnisse (...) derart sind, dass es dieses<br />
Mittels zur Klarstellung bedarf.“ 130 In Übereinstimmung mit der genannten<br />
Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass der Beauftragte nur in<br />
unübersichtlichen oder umfassenderen Fällen überhaupt eine eigentliche<br />
Rechnungslegungspflicht trifft. Demgegenüber ist im Normalfall aber eine einzelne<br />
125<br />
<strong>Die</strong> übrigen Pflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> sind: I. Grundsätzlicher Vollzug <strong>des</strong> Mandats in<br />
eigener Person; II. Anwendung <strong>des</strong> möglichst höchsten Fleisses; III. Beachtung der<br />
Grenzen <strong>des</strong> Mandats; IV. Unentgeltliche Verrichtung <strong>des</strong> Geschäft; V.<br />
Restituierungspflicht.<br />
126<br />
Glück, 302.<br />
127<br />
Koch, 388.<br />
128<br />
Koch, 36. Als Motivierung zu dieser Aussage werden v.a. prozessrechtliche Argumente<br />
angefügt, wobei die Frage der Beweislast durch ALR I. 13 § 61 und 62 nicht berührt wird.<br />
Förster, Theorie und Praxis <strong>des</strong> Preussischen Privatrechts, Band 2, Berlin 1882 (= 6.<br />
Auflage, Berlin 1892), folgt ohne weitere Bemerkungen dieser Auffassung. Dabei wird<br />
auf eine Rechtsprechung Bezug genommen (<strong>St</strong>riethorst’s Archiv, Band 80 No. 64, S.<br />
273), in welchem die Pflicht zur belegten Rechnungslegung als weitestgehende Form der<br />
Rechenschaft im Sinne von ALR I. 13 § 61 erkannt wird.<br />
129<br />
Siehe dazu Kapitel 2.2.3.1.<br />
130 Dernburg, 510.
- 27 -<br />
Anzeige (resp. Auskunft) ausreichend, „... z.B. weil es sich bloss um die Einkassierung<br />
einer einzelnen Forderung handelt ... .“ 131<br />
2.2.3 Judikatur zum ALR<br />
Zu ALR I. 13 §§ 60f. sind einige Entscheide ergangen, die nachfolgend dargestellt<br />
werden. Da die entsprechenden Publikationen nicht leicht greifbar sind, werden die<br />
entsprechenden Entscheide etwas ausführlicher behandelt.<br />
2.2.3.1 Rechenschaft und Rechnungslegung 132<br />
Der Entscheid ist <strong>des</strong>halb von zentraler Bedeutung, weil er die Begriffe<br />
Rechnungslegung und Rechenschaft festlegt und weil dieser von der Lehre<br />
zustimmend aufgenommen wurde. 133 Der Entscheid setzt sich gründlich mit dem Inhalt<br />
der entsprechenden Pflicht auseinander, indem nach einer sehr allgemeinen<br />
Einführung, welche die Pflichtenlage sehr offen festhält, eine sehr konkrete<br />
Beschreibung derselben folgt. <strong>Die</strong>se konkrete Beschreibung zeigt, dass die<br />
Rechtsprechung die förmliche Rechnungslegung (d.h. eine Rechnungslegung mit<br />
Belegen, welche in der entsprechenden Darstellung zu erfolgen hat und mit einer<br />
Saldoziehung abschliesst) als die weitest gehendste Art der Rechenschaft im Sinne von<br />
§ 61 betrachtete:<br />
„Der § 61 bezeichnet nicht, was zur Rechenschaftsablegung gehört, und lässt die Frage<br />
offen, was der Bevollmächtigte zu leisten hat, um dieselbe zu bewirken. Nach der<br />
Absicht und dem Sinne <strong>des</strong> Gesetzes muss die dem Bevollmächtigten auferlegte<br />
Verpflichtung darauf bezogen werden, dass er dasjenige zu thun hat, was geeignet und<br />
erforderlich ist, dem Machtgeber eine genaue und übersichtliche Kenntnis der<br />
ausgeführten Geschäfte und ihres Resultats zu verschaffen, und nach der<br />
Verschiedenheit der Fälle, je nach dem grösseren oder geringeren Umfange und der<br />
Art der ausgeführten Geschäfte wird die dem Bevollmächtigten in dieser Beziehung<br />
obliegende Leistung eine mehr oder minder bedeutende und eine verschiedenartige<br />
sein.“ 134 „... der Gesetzgeber [sieht] die Rechnungslegung als ein Mittel zur<br />
Rechenschaftsablegung [im Sinne von § 61].“ 135 „Der § 61 schliesst keines der hierzu<br />
131<br />
Dernburg, 510.<br />
132<br />
IV. Senat <strong>des</strong> Ober Tribunals, Urteil vom 26. 1. 1871.<br />
133<br />
Siehe dazu Kapitel 2.2.2. <strong>Die</strong>ser Entscheid wird in der entsprechenden Lehre als<br />
eigentlicher Leitentscheid behandelt.<br />
134<br />
S. 273.<br />
135 S. 274.
- 28 -<br />
dienlichen Mittel aus, und gestattet daher auch, vom Bevollmächtigten eine<br />
Rechnungslegung in den Fällen zu verlangen, wo ein anderes, etwa weniger schwer<br />
wiegen<strong>des</strong> Mittel zur Rechenschaftsablegung für diesen Zweck nicht ausreicht." 136<br />
In diesem Zusammenhang kann auch die Feststellung der Vorinstanz weitere<br />
Erkenntnis bringen, wurde doch das Begehren <strong>des</strong> Klägers abgewiesen, „weil der<br />
Mandant vom Mandatar nur Rechenschaft, nicht aber förmliche Rechnungslegung<br />
fordern könne.“ 137 Es sind diese Hinweise aus der Rechtsprechung, welche die<br />
damalige Rechtsauffassung verdeutlichen.<br />
2.2.3.2 Rechnungslegung und Belegungspflicht<br />
Verschiedene weitere Gerichtsentscheide haben die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> weiter<br />
konkretisiert, was in der nachfolgenden Übersicht dargestellt wird:<br />
In einem wegweisenden Entscheid stand die Frage der Richtigerfüllung eines<br />
Auftrages in Rede, wobei – und dies ist auch insbesondere aus rechtssoziologischer<br />
Sichtweise interessant – sich die zu klärenden Rechtsfragen einzig auf den Bestand<br />
und den Inhalt einer bestehenden <strong>Rechenschaftspflicht</strong> beschränkten. <strong>Die</strong> Frage war<br />
im vorliegenden Fall, welche Informationen der Auftragnehmer als Kläger vom<br />
<strong>Beauftragten</strong> verlangen kann. Ausgangspunkt der Argumentation <strong>des</strong> Gerichts ist der<br />
innere Zusammenhang zwischen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> in § 61 und der<br />
Ablieferungspflicht in § 62 ff.: „Der Mandatar habe nach § 62 die Pflicht, alle<br />
Vortheile aus dem Geschäfte dem Machtgeber auszuantworten, und damit stehe in<br />
wesentlicher Verbindung der § 61, demzufolge nach vollendetem Geschäfte der<br />
Bevollmächtigte verpflichtet sei, über <strong>des</strong>sen Ausführung Rechenschaft abzulegen‘,<br />
worin aber nicht ausgedrückt sei, dass diese Rechenschaft allemal und unter allen<br />
Umständen mit bündigen Belägen belegt sein müsse; (...).“ 138 Das Gericht 139 hatte<br />
damit dem Anspruch <strong>des</strong> Auftraggebers auf eine stets belegte Rechnung eine Absage<br />
erteilt: „Der Grundsatz, dass die Rechnung mit Belägen versehen sein müsse, findet<br />
auf das Mandatsverhältnis nicht statt.“ 140 Auf diese Weise hat das Gericht den<br />
136<br />
S. 274 [Hervorhebungen durch den Verfasser].<br />
137<br />
Wiedergegeben auf S. 272.<br />
138<br />
S. 69 (i.f.).<br />
139<br />
O. T. in: <strong>St</strong>riethorst’s Archiv, Band 23, S. 67ff.; IV. Senat <strong>des</strong> Ober Tribunals, Urteil vom<br />
20. 11. 1856.<br />
140<br />
S. 69. Es wird auf einen Entscheid verwiesen, in welchem bereits früher diese<br />
Rechtsauffassung vertreten wurde: <strong>St</strong>riethorst’s Archiv, Band 3, S. 388f., Urteil vom 4. 2.<br />
1848.
- 29 -<br />
allgemeinen Anwendungsbereich der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> klar umrissen und<br />
eingeschränkt.<br />
Interessant ist, dass nach Auffassung der damaligen Rechtsprechung bei der<br />
eigentlichen Vermögensverwaltung eine mit Belegen versehene Rechnungslegung<br />
stets verlangt werden konnte. 141 Es wurde entschieden, dass „dem Mandatar als<br />
solchem im Gegensatze zum Verwalter fremden Vermögens nicht die Pflicht obliegt,<br />
für jeden Posten Beläge zu haben, bezw. zu beschaffen. Ein Recht zu dem ganz<br />
abstrakten Antrage, Beläge zu erhalten, steht dem Mandanten nicht zu.“ 142 „Das<br />
Gesetz stellt keine allgemeine Regel auf über die Pflicht <strong>des</strong> Rechnungslegers zur<br />
Produktion und Mitaushändigung der Beläge, überlässt vielmehr im einzelnen Falle<br />
dem Rechnungsabnehmer und dem Richter die Bestimmung, was in dieser Beziehung<br />
notwendig und nützlich ist. <strong>Die</strong> Annahme, dass zu einer Rechnung auch die<br />
vorhandenen Beläge gehörten, ist nicht unrichtig, weil ohne dieselben die Rechnung<br />
weder in Einnahme noch in Ausgabe geprüft werden kann.“ 143<br />
2.2.4 Fazit<br />
<strong>Die</strong> Lehrmeinungen zum ALR und zum Pandektenrecht zeigen auf, in welcher Weise<br />
der Begriff der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> verstanden wurde: Es wird deutlich, dass die<br />
Ablieferungsobligation eine zentrale Rolle im Verständnis der <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
spielt. <strong>Die</strong> Rechnungslegung erscheint damit als Inbegriff der <strong>Rechenschaftspflicht</strong>,<br />
was sich auch aus der Orientierung am römischen Recht erklärt. <strong>Die</strong> Gerichtspraxis<br />
belegt dabei die Auffassung, dass die Rechnungslegung als weitestgehende Form der<br />
Pflicht zur Rechenschaft zu betrachten ist. Es werden die im Handelsgeschäft üblichen<br />
Kriterien einer formell und materiell korrekten Rechnungslegung lediglich dort im<br />
allgemeinen Mandatsrecht für anwendbar erklärt, wo es in bestimmten Bereichen<br />
(nämlich bei der eigentlichen Vermögensverwaltung) zweckmässig ist.<br />
141 S. 68.<br />
142<br />
ROHG I. Senat, Erklärung vom 7. 11. 1876, in: Palm’s Rechtsgrundsätze, Band 3, S. 79.<br />
143<br />
V. Zivil Senat <strong>des</strong> Reichsgerichts, Erklärung vom 21. 2. 1880, in: Gruchot’s Beiträge,<br />
Band 24, S. 1004
- 30 -<br />
2.3 Code Napoléon resp. der Code civil (CC)<br />
Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Gesetzgebung in den Kodifikationsbestrebungen<br />
einen wichtigen und oft bestimmenden Einfluss gehabt hat, was in den jeweiligen<br />
Kapiteln zu den einzelnen Kodifikationen dargestellt wird. 144 Dennoch kann auf eine<br />
eigene allgemeine Darstellung der Kodifikationsgeschichte sowie der entsprechenden<br />
Norm über die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> (Art. 1993 CC) verzichtet werden, weil dazu<br />
verschiedene, gut zugängliche Untersuchungen existieren. <strong>Die</strong> entsprechende<br />
Entstehungsgeschichte ist äusserst vollständig dokumentiert, da sich Pétel in einer sehr<br />
ausführlichen Monografie mit den „obligations du mandataire“ und damit auch mit der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> beschäftigte. 145 Im Ergebnis geht aus der entsprechenden<br />
Untersuchung hervor, dass der Gesetzgeber eine blosse Pflicht zur Rechnungslegung<br />
statuierte, die einzig darauf gerichtet war, den Grundsatz der Nichtbereicherung <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> sicherzustellen. 146 <strong>Die</strong>se Forschungsergebnisse und damit diese<br />
Sichtweise sind für das schweizerische OR in der neueren Lehre einzig von Werro 147<br />
zur Kenntnis genommen worden.<br />
<strong>Die</strong> Beschränkung der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> auf eine Pflicht zur Rechnungslegung ist<br />
weiter durch die deutschsprachige Literatur zum französischen Zivilrecht der<br />
entsprechenden Zeit belegt. 148 Zudem wurde diese beschränkte Auffassung einer<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> als der Pflicht zur Rechnungslegung in den Rechtsauffassungen<br />
der deutschen Einzelstaaten übernommen, die den Code civil rezipiert haben. 149<br />
144<br />
Allgemein für die Frage <strong>des</strong> Einflusses <strong>des</strong> Code civil auf andere Kodifikationen:<br />
Dölemeyer, IUS COMMUNE, 180ff. und 189ff.<br />
145<br />
Pétel, Obligations, 235ff.<br />
146<br />
Es muss an dieser <strong>St</strong>elle darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei um die tradierte<br />
Auffassung zu Art. 1993 CC handelt, die durch die Rechtsprechung der französischen<br />
Gerichte aus den 1970er Jahren (!) überholt ist: Dazu ausführlich Pétel, Obligations,<br />
239ff.<br />
147<br />
Dazu Werro, N 512ff., insbes. N 514.<br />
148<br />
Im <strong>St</strong>andardwerk von Zachariä, 505, wurde im Zusammenhang mit Art. 1993 CC nur von<br />
der Pflicht zur Rechnungs(ab)legung gesprochen (ebenso die 7. Auflage, Heidelberg 1886<br />
[bearbeitet von Dreyer]). In der 8. Auflage, Heidelberg 1894 [bearbeitet von Crome] wird<br />
dann aber von „Rechenschaft bezw. Rechnung zu legen“ gesprochen.<br />
149<br />
Deutlich die ausführliche Kommentierung von Kah zu Art. 1993 (= 1993 CC), wo zum<br />
einen auf die Lehre von Zachariä, 505, verwiesen und zum anderen nur Fragestellungen<br />
rund um die Rechnungslegungspflicht im engsten Sinne behandelt werden. In derselben<br />
Art auch Hachenburg, Kommentierung zu Art. 1993.
- 31 -<br />
2.4 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich (ABGB)<br />
Der Einfluss dieser Kodifikation war sehr unterschiedlich, grundsätzlich aber für die<br />
hier untersuchten Zwecke von eher untergeordneter Bedeutung. 150 Immerhin waren in<br />
Bayern die Entwürfe aus den 1830er-Jahren deutlich am ABGB ausgerichtet gewesen<br />
und im Land Sachsen wurden in den 1850er-Jahren Entwürfe geschaffen, die vom<br />
ABGB ausgingen, sich aber schliesslich doch als eigenständige Entwürfe<br />
Anerkennung verschafft haben. 151<br />
Obwohl die Rechtslage <strong>des</strong> ABGB in dieser Arbeit punktuell beachtet wird (bspw. im<br />
Zusammenhang mit § 1173 PGB 152 ), so ist doch festzuhalten, dass diese für die<br />
Zwecke der vorliegenden Arbeit von eher untergeordneter Bedeutung ist, weshalb auf<br />
eine eigene ausführliche Darstellung verzichtet wird. Es reicht an dieser <strong>St</strong>elle der<br />
allgemeine Hinweis, dass im Bereich von § 1012 ABGB eine klar bestimmte Form der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> festgelegt worden ist: Es handelt sich bei dieser Verpflichtung<br />
<strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> um die Pflicht zur Rechnungslegung, also um einen „ziffernmässig<br />
genauen Bericht.“ 153<br />
150<br />
Für den Einfluss <strong>des</strong> ABGB auf andere Kodifikationen: Dölemeyer, IUS COMMUNE,<br />
187f. und 208ff.<br />
151<br />
Siehe dazu Kapitel 2.5.2. und 2.5.3.<br />
152<br />
Siehe dazu Kapitel 2.7.<br />
153<br />
An <strong>St</strong>elle vieler: Swoboda, 242; Ehrenzweig, § 382 III; Schwimann/Apathy, §1012 N 3;<br />
<strong>St</strong>rasser, § 1012 N 12 und 17; <strong>St</strong>anzl, § 1012 Ziff. II N. 4: „Auszugehen [bei der<br />
Inhaltsbestimmung der Rechnungslegungspflicht] ist vom Zweck der Rechnungslegung,<br />
nämlich davon, dass sie dem Auftraggeber ausreichende Grundlagen liefern soll, damit er<br />
seine Herausgabe-, vielleicht auch seine Schadenersatzansprüche gegen den <strong>Beauftragten</strong><br />
aus der Geschäftsbesorgung (...) geltend machen könne.“
- 32 -<br />
2.5 Dresdener Entwurf (DE) und seine Vorläufer<br />
Der Dresdener Entwurf hat sich explizit auf einzelne deutsche Vorläuferkodifikationen<br />
abgestützt, wodurch sich vorab eine Darstellung der Rechtsentwicklungen in den<br />
Ländern Hessen, Bayern und Sachsen rechtfertigt.<br />
2.5.1 Hessische Entwürfe (1842-1853)<br />
2.5.1.1 Rechtsgeschichtliche Entwicklung<br />
In der Landgrafschaft Hessen wurden bereits Ende <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts verschiedene<br />
Anstrengungen unternommen, um ein eigenständiges, bürgerliches Gesetzbuch zu<br />
erlassen. <strong>Die</strong> Kodifikationsgeschichte <strong>des</strong> ersten Teils <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts stand ganz<br />
im Zeichen der Anlehnung an bereits bestehende Rechtssysteme, 154 wobei im Laufe<br />
der Zeit unterschiedliche Vorbilder von Bedeutung waren: In der Rheinbundzeit war<br />
die Einführung <strong>des</strong> Code Napoléon anvisiert worden, wobei „ ... Modifikationen und<br />
Bestimmungen, (...) welche Verfassung oder besondere Verhältnisse erheischen“, 155<br />
berücksichtigt werden sollten. Demgegenüber beabsichtigte Ludwig I. eine<br />
Rechtsvereinheitlichung 156 nach dem Vorbild <strong>des</strong> ABGB, bei der die eingesetzte<br />
Kommission aber nicht bis zur Ausarbeitung eigentlicher Entwürfe vordrang. Nach<br />
zwei weiteren gescheiterten Versuchen in den Jahren 1821 und 1831 wurde erneut<br />
gefordert, eigenständige Gesetzgebungsprojekte aufzugeben und die fünf<br />
französischen Gesetzbücher als Gesetzesvorlage zu wählen. 157<br />
2.5.1.2 Konkrete Entwürfe zu einem Hessischen Gesetzbuch<br />
Erst nach einer grundsätzlichen Einigung zwischen Regierung und <strong>St</strong>änden wurde<br />
1836 das weitere Vorgehen in dem Sinne beschlossen, dass ein eigenständiges<br />
bürgerliches Recht geschaffen werden sollte. 158 Im Jahre 1853 wurde der Entwurf<br />
(nebst Motiven) zum Schuldrecht (4. Abteilung) publiziert, 159 der trotz <strong>des</strong><br />
154<br />
Dölemeyer, Handbuch, 1525.<br />
155<br />
Edict, die Einführung <strong>des</strong> Code Napoléon im Grossherzogtum Hessen vom 1.8.1808:<br />
Grossherzoglich Hessische Verordnungen, I. Heft (1811) 155.<br />
156<br />
Durch Landneuerwerbungen galt zu dieser Zeit im Grossherzogtum Hessen eine Vielzahl<br />
von eigenständigen Rechtsordnungen.<br />
157<br />
Breidenbach, Commentar, 45ff. Zu einer eigentlichen Beratung kam es jedoch nicht, da<br />
die <strong>St</strong>ändeversammlung vorher aufgelöst wurde.<br />
158<br />
Übereinkunft der Regierung mit den <strong>St</strong>änden über die Grundlagen einer neuen<br />
Gesetzgebung: Belegstellen im Einzelnen bei Dölemeyer, Handbuch, 1520f. inkl. FN 18.<br />
159<br />
Obwohl zahlreiche Gutachten eingingen, ist kein solches Gutachten zur 4. Abteilung <strong>des</strong><br />
Entwurfes bekannt. <strong>Die</strong> relevanten Aktenbestände wurden allerdings zu einem<br />
beträchtlichen Teil im Zweiten Weltkrieg vernichtet: Dölemeyer, Handbuch, 1530.
- 33 -<br />
angeblichen eigenständigen Charakters 160 von der Lehre im Wesentlichen als deutliche<br />
Nachbildung <strong>des</strong> Code civil wahrgenommen wurde. 161 Der Wortlaut der hier<br />
interessierenden Bestimmung lautete:<br />
Der Hessische Entwurf, Buch II.:<br />
Art. 281<br />
Der Bevollmächtigte ist verbunden, alles, was ihm, in Gefolge<br />
seines Auftrages, zu dereinstiger Wiedererstattung anvertraut<br />
worden ist, oder was er vermöge seiner Vollmacht für den<br />
Vollmachtgeber angeschafft oder empfangen hat, dem<br />
Letzteren auszuhändigen, und hierüber, sowie über seine ganze<br />
Geschäftsführung, Rechenschaft abzulegen.<br />
2.5.1.3 Fazit<br />
Sowohl die Kodifikationsgeschichte als auch die Materialien 162 ergeben, wie sich der<br />
Entwurf an den Code civil anlehnte. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere auch<br />
Art. 281 die Rechtslage aus dem französischen Recht übernommen hat. 163 Danach<br />
orientiert sich die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> an der Pflicht zur Rechnungsstellung.<br />
2.5.2 Bayerische Entwürfe (1808-1861/64)<br />
2.5.2.1 Rechtsgeschichtliche Entwicklung<br />
<strong>Die</strong> Kodifikationsgeschichte <strong>des</strong> Kurfürstentums und späteren Königreichs Bayern<br />
zeichnet sich v.a. dadurch aus, dass im Laufe der Zeit verschiedene europäische<br />
Kodifikationen zum Vorbild gewählt wurden, was jeweils in den Motiven zu den<br />
Entwürfen ausführlich begründet wurde. Der erste Entwurf für ein Privatrecht aus dem<br />
Jahre 1808/1809 orientierte sich den königlichen Vorgaben gemäss systematisch und<br />
materiell am Code Napoléon. 164 Im Kapitel über den Vollmachtsvertrag (Drittes Buch,<br />
Dreizehnter Titel) wurde demnach in Art. 2115 folgender Gesetzestext unter dem<br />
160 Dazu etwa die Motive zum Entwurf von 1853 der 4. Abteilung, 1. Buch, S. 1, 10 und 27.<br />
161<br />
Mittermaier, 106f. Es ist jedoch anzumerken, dass auch dieser Entwurf nicht Gegenstand<br />
von Beratungen in der <strong>St</strong>ändekammer war.<br />
162<br />
<strong>Die</strong> Motive zum Entwurf zu Art. 281 befinden sich auf S. 112f.<br />
163<br />
Siehe dazu Kapitel 2.3.<br />
164<br />
Grundlegend zur Charakterisierung: Schubert, Bayern, S. VIIIf.
- 34 -<br />
Randtitel „Pflicht zur Rechenschaft“ verfasst, wobei die Orientierung an Art. 1993 CC<br />
deutlich zum Ausdruck kommt: 165<br />
Jeder Bevollmächtigte ist schuldig, von seiner Geschäftsführung<br />
Rechenschaft abzulegen, und dem Gewaltgeber alles zu verrechnen,<br />
was er vermöge seiner Vollmacht empfangen hat, selbst wenn der<br />
Gewaltgeber das Empfangene nicht zu fordern hatte.<br />
Im historisch wichtigen Entwurf von 1811 wird im „Neunten Kapitel: Von dem<br />
Bevollmächtigungsvertrag, § 5 (5)“ von der Verpflichtung ausgegangen, dass der<br />
Bevollmächtigte (neben hier nicht interessierenden anderen Pflichten) „4. Rechnung<br />
abzulegen (...) und 5. Alles, (...) herauszugeben hat.“ 166 Im Entwurf kommt die<br />
Anlehnung an die Rechtslage <strong>des</strong> Code civil zum Ausdruck.<br />
2.5.2.2 Konkrete Entwürfe zu einem Bayerischen Gesetzbuch<br />
<strong>Die</strong> folgenden Teilentwürfe aus den 1850er-Jahren sollten nach der Vorstellung der<br />
damaligen Verfasser auf selbstständigeren Fundamenten ruhen. 167 <strong>Die</strong> hier relevanten<br />
Normen wurden in den Jahren 1861 und 1864 unter dem Titel „Entwurf eines<br />
bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern“ veröffentlicht. 168 <strong>Die</strong><br />
Orientierung erfolgte am gemeinen Recht 169 und am Code Napoléon, wobei ergänzend<br />
die Entwürfe und Arbeiten in Hessen und Sachsen beachtet wurden. 170<br />
In den Motiven wurde im Bereich <strong>des</strong> Art. 692 f. die Ansicht vertreten, dass die<br />
getroffene Regelung keiner besonderen Rechtfertigung bedarf, „da hier nur allseitig<br />
anerkannte Rechtssätze aufgestellt sind.“ 171 <strong>Die</strong>se Erläuterung erklärt sich aus der<br />
165<br />
Siehe dazu Kapitel 2.3.<br />
166<br />
Demel/Schubert, 520f. Es sind diesbezüglich keine eigentlichen Gesetzestexte bekannt.<br />
167<br />
Der Entwurf „... soll auf der Grundlage <strong>des</strong> bestehenden Rechts ein dem Rechtsbedürfnis<br />
der Gegenwart und den sittlichen sowie socialen Anforderungen der Zeit entsprechen<strong>des</strong>,<br />
billiges und zweckmässiges Recht“ entwerfen.<br />
168<br />
Auch dieser pragmatischere Kodifikationsversuch kam nicht über das Entwurfsstadium<br />
hinaus, nachdem die Kommission 1864 aufgelöst und einzelne wichtige<br />
Kommissionsmitglieder verstorben waren. Bis 1900 galt im Königreich Bayern <strong>des</strong>halb<br />
weiterhin das gemeine Recht, das ALR und die Partikularrechte: Dölemeyer, Handbuch,<br />
1478.<br />
169<br />
Wie es die historische Rechtsschule und die Pandektenwissenschaft bis dato aufgearbeitet<br />
hatte: Motive zum Entwurf aus dem Jahre 1861, S. V.<br />
170 Motive zum Entwurf aus dem Jahre 1864, S. 58. <strong>Die</strong> Kodifikationsbemühungen in Bayern<br />
sind zwar nicht über das Entwurfstadium hinausgelangt, doch sind die Arbeiten für die<br />
gesamtdeutsche Rechtsvereinheitlichung von Bedeutung: Sowohl die Materialien zum<br />
Dresdener Entwurf als auch die Materialien zum BGB nehmen Bezug auf die<br />
entsprechenden Entwürfe.<br />
171 Kommentierung von Art. 691 – 697 <strong>des</strong> Entwurfes aus dem Jahre 1864.
- 35 -<br />
grundsätzlichen Orientierung am gemeinen Recht 172 und aus der engen Anlehnung an<br />
den Code civil. 173<br />
Entwurf 1861/64, Fünfzehntes Hauptstück: Auftrags- resp. Vollmachts-Vertrag:<br />
Artikel 692 [Ablieferungsobligation; <strong>Rechenschaftspflicht</strong>]<br />
Der Beauftragte ist verbunden Alles, was ihm Behufs der<br />
Ausrichtung <strong>des</strong> Auftrages vom Auftraggeber zu dereinstiger<br />
Wiedererstattung anvertraut ist, oder was er vermöge seiner<br />
Vollmacht für den Auftraggeber angeschafft oder empfangen<br />
hat, dem letzteren auszuhändigen, und darüber, sowie über<br />
seine ganze Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen.<br />
Artikel 693 [Verzinsung] (...) 174<br />
2.5.2.3 Fazit<br />
Sowohl die Kodifikationsgeschichte als auch die Materialien sind Beleg dafür, dass<br />
sich die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> in diesen Kodifikationen an der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung orientierte.<br />
2.5.3 Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch (1863-1865)<br />
2.5.3.1 Rechtsgeschichtliche Entwicklung zum Gesetzbuch<br />
Nach einigen eigenständigen Versuchen wurde in den späteren Phasen der sächsischen<br />
Kodifikationsbewegung eine stärkere Anlehnung an eine bestehende Kodifikation<br />
angestrebt: 175 Als allgemeiner Ausgangspunkt wurde dabei das ABGB gewählt 176 ,<br />
wobei gerade diese enge Anlehnung wieder als Mangel empfunden worden war. 177<br />
Daraufhin übernahm Siebenhaar die Gesamtleitung und anstelle einer Überarbeitung<br />
<strong>des</strong> bestehenden Entwurfs wurde ein vollständig neuer Entwurf für einen besonderen<br />
Teil <strong>des</strong> Schuldrechts entworfen, welcher grundsätzlich (wieder) auf den Grundlagen<br />
172<br />
Siehe dazu Kapitel 2.1.<br />
173<br />
Siehe dazu Kapitel 2.3.<br />
174<br />
Es folgt die Darstellung der Zinsschuld und ihrer Modalitäten, die hier nicht weiter<br />
interessieren.<br />
175<br />
Zuvor hatte man in zahlreichen Bestrebungen seit 1763 versucht, eine Kodifikation aus<br />
dem tradierten, im Land Sachsen geltenden Recht zu bilden.<br />
176<br />
Handwörterbuch, Band IV., 1243.<br />
177 Handwörterbuch, Band IV., 1244.
- 36 -<br />
<strong>des</strong> eigenen sächsischen Rechts aufbaute. 178 Dabei ist gerade im Bereich <strong>des</strong><br />
Schuldrechts eine deutliche Orientierung an den Prinzipien <strong>des</strong> römischen Rechts<br />
festzustellen. 179<br />
Sächsisches BGB 1863-65:<br />
§ 1310 [Ablieferungsobligation]<br />
Der Beauftragte ist verpflichtet, Alles, was ihm in Folge <strong>des</strong><br />
Auftrages anvertraut worden ist, oder was er vermöge <strong>des</strong><br />
Auftrages für den Auftraggeber angeschafft oder sonst erhalten<br />
hat, dem Auftraggeber herauszugeben und die etwa für<br />
denselben erworbenen Forderungen abzutreten.<br />
§ 1311 [Verzinsung]<br />
Hat der Beauftragte ihm anvertrautes oder für den<br />
Auftraggeber empfangenes Geld in seinen Nutzen verwendet<br />
oder nicht zeitig abgeliefert, so ist er zur Entrichtung von<br />
Zinsen zu fünf vom Hundert auf das Jahr, von Zeit der<br />
Verwendung in seinen Nutzen oder der unterlassenen zeitigen<br />
Ablieferung an, verpflichtet.<br />
§ 1312 [Erforderliche Aufklärung; geeigneten Falls Rechnung<br />
ablegen]<br />
Der Beauftragte ist verpflichtet, über die Führung <strong>des</strong> ihm<br />
aufgetragenen Geschäftes die erforderlichen Aufklärungen zu<br />
geben und geeigneten Falles Rechnung abzulegen.<br />
Der „Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen, nebst<br />
Motiven“ wurde auf den 1.3.1865 als Bürgerliches Gesetzbuch in Kraft gesetzt. Zu<br />
dieser Kodifikation erschien eine eigentliche Kommentar- und Monografieliteratur 180 ,<br />
178<br />
Für genauere Hinweise: Wulfert, Das sächsische bürgerliche Gesetzbuch und die zur<br />
Revision <strong>des</strong> Held’schen Entwurfs eingesetzte Kommission, in: Sächsisches Archiv I<br />
(1891) 42ff., insbes. 53ff.<br />
179<br />
Dölemeyer, Handbuch, 1550. Eine Charakterisierung, die eine Abbildung <strong>des</strong> Römischen<br />
Rechts moniert, findet sich bei: Mittermaier, insbes. 114ff.<br />
180 Für eine Literaturübersicht: Handwörterbuch, Band IV., 1248.
- 37 -<br />
wobei auch im hier interessierenden Bereich die Rechtsprechung zur wichtigen<br />
Rechtsquelle wurde.<br />
2.5.3.2 Rechtsprechung<br />
<strong>Die</strong> Rechtsprechung versuchte, die <strong>St</strong>ruktur und den Inhalt <strong>des</strong> neuen § 1312 Sächs.<br />
BGB mit dem zuvor tradierten Rechtszustand im sächsischen Recht in Einklang zu<br />
bringen, indem das Gericht ausführte: „Es ist keine wesentliche neue Vorschrift, dass<br />
in §. 1312 <strong>des</strong> G.B. das, was man bisher unter den allgemeinen Begriff der<br />
Rechnungsablegung zusammengefasst, in die zwei Theile ‚Aufklärung’<br />
(Rechenschaftslegung) und ‚Rechnungslegung’ im eigentlichen Sinne getrennt hat.<br />
Offenbar aber kann hieraus nicht die Folgerung gezogen werden, dass der Mandatar in<br />
der Regel nur zur “Aufklärung” verbunden ist, es müssen vielmehr alle die Fälle, wo<br />
der Mandatar eine Geschäftsführung besorgt habe, welche ihrer Natur nach mit<br />
Einnahmen und Ausgaben verbunden war, als solche bezeichnet werden, für welche<br />
die eigentliche Rechnungsablegung die Regel bilde.“ 181<br />
Der Entscheid entwickelt auf der Grundlage <strong>des</strong> neuen Wortlautes der Pflicht zur<br />
Rechenschaftsablegung ein eigentliches Begriffssystem, wobei der Begriff<br />
„Rechnungsablegung“ als Oberbegriff mit zwei Unterkategorien erscheint: Aufklärung<br />
und Rechnungsablegung. Hierzu wird im Entscheid klargestellt, dass der Beauftragte<br />
mit der Aufklärung seine Pflicht zur Rechnungsablegung in der Regel noch nicht<br />
erfüllt hat, da die Aufklärung einzig die Erörterung einer einzelnen Tatsache oder<br />
eines einzigen Umstan<strong>des</strong> umfasst. Der Beauftragte ist grundsätzlich der<br />
umfassenderen Pflicht zur Rechnungslegung unterworfen, wobei aus der<br />
Umschreibung deutlich wird, dass es sich hierbei um die tradierte Form der<br />
Rechnungslegung handelt. <strong>Die</strong> Belegstelle macht deutlich, dass in inhaltlicher Hinsicht<br />
der gesamte Pflichtinhalt „Rechnungsablegung“ (= Oberbegriff) durch den Begriff der<br />
Pflicht zur Rechnungslegung abgedeckt wird, da am Ende der oben wiedergegebenen<br />
<strong>St</strong>elle <strong>des</strong> Entschei<strong>des</strong> von der „eigentlichen Rechnungsablegung“ gesprochen und<br />
damit die Rechnungslegung beschrieben wird.<br />
181 Wiedergegeben in den Annalen N.F. Bd. III S. 496) [Zitiert nach Schubert, Vorentwürfe<br />
der Redaktoren, Band 2, 853]. Dabei wird auf die ältere Rechtsprechung verwiesen, wobei<br />
keine eigentlichen Beleg- oder Fundstellen genannt werden.
- 38 -<br />
<strong>Die</strong> dargestellte Sichtweise entspricht im Übrigen auch der wichtigen Kommentierung<br />
von Pöschmann: „Der § [1312] zerlegt zweckmässig das, was man zeither unter dem<br />
allgemeinen Begriffe der Rechnungslegung zusammengefasst hat.“ 182<br />
2.5.3.3 Fazit<br />
<strong>Die</strong> Ausführungen zeigen im hier interessierenden Kontext eine deutliche Orientierung<br />
am römischen Verständnis der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung. Dabei belegen auch Lehre und Rechtsprechung zum Sächsischen<br />
Gesetzbuch, dass in der Pflicht zur Rechenschaft die Pflicht zur Rechnungslegung<br />
gemeint wurde. <strong>Die</strong>s entspricht auch dem tradierten Verständnis der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong>.<br />
2.5.4 Dresdener Entwurf (1866)<br />
2.5.4.1 Personelle und kodifikatorische Einflüsse auf den Dresdener Entwurf<br />
<strong>Die</strong> bislang in Kapitel 2.5 dargestellten Kodifikationsbestrebungen hatten<br />
wesentlichen Einfluss auf die Entstehungsgeschichte <strong>des</strong> Dresdener Entwurfs. <strong>Die</strong>s<br />
belegt auch der Umstand, dass sich die entsprechende Kommission aus den Vertretern<br />
der Länder Bayern (von Metz), Hessen (Müller) und Sachsen (Siebenhaar)<br />
zusammensetzte. 183 Siebenhaar wird weiter als Referent <strong>des</strong> vorbereitenden<br />
Ausschusses ernannt, welchem die bedeutende Aufgabe obliegt, die einzelnen<br />
Gesetzesartikel zu formulieren, welche anschliessend der Kommission zur Debatte<br />
vorgelegt werden. 184 In der 2. Sitzung vom 12.1.1863 wurde u.a. beschlossen, dass<br />
„der Entwurf der hohen Bayerischen Regierung unter steter Mitberücksichtigung <strong>des</strong><br />
Hessen-Darmstädtischen Entwurfs und <strong>des</strong> Sächsischen Gesetzbuchs den weiteren<br />
Berathungen als Leitfaden dienen“ 185 sollten. Damit wurde „[d]as gemeine Recht als<br />
Basis der meisten modernen Obligationenrechtsgesetze (...) somit weitgehend die<br />
mittelbare Quelle der Bestimmungen <strong>des</strong> Entwurfes.“ 186 „Daneben wurden bei der<br />
182 Pöschmann, Kommentierung, zu § 1312. Der Kommentar Grützmann enthält<br />
demgegenüber keine Bemerkungen zu den §§ 1310-1312.<br />
183 Protokoll 3f. <strong>Die</strong> Begründung war, dass diese drei Länder bereits über einschlägige<br />
Erfahrungen verfügten und dass ohnehin die Gesetzgebungsprojekte bzw. die<br />
Gesetzbücher dieser drei Länder als Leitfaden dienen sollten.<br />
184<br />
Dölemeyer, Handbuch, 1563. <strong>Die</strong>s entspricht auch dem Vorgehen, wie es etwa bei der<br />
Entstehung <strong>des</strong> deutschen Handelsgesetzbuches praktiziert worden war.<br />
185<br />
Protokoll 5f.<br />
186<br />
Dölemeyer, Handbuch, 1565 (und auch 1550). Siebenhaar als Referent <strong>des</strong> vorbereitenden<br />
Ausschusses kann allerdings die Absicht nachgewiesen werden, dass er tunlichst „sein“<br />
sächsisches Gesetzbuch einzubringen versucht war: Hedemann, 22ff. Es lässt sich auch<br />
allgemein zeigen, dass viele Grundsätze (resp. Eigenheiten) <strong>des</strong> Sächsischen
- 39 -<br />
Berathung die Grundsätze <strong>des</strong> gemeinen Rechts sowie die Bestimmungen der<br />
grösseren Codificationen <strong>des</strong> Civilrechts: <strong>des</strong> Österreichischen allgemeinen<br />
bürgerlichen Gesetzbuchs, <strong>des</strong> Preussischen Landrechts, <strong>des</strong> Code civil und <strong>des</strong><br />
Zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches in Vergleich gezogen, auch haben die<br />
sonstigen deutschen Particulargesetzgebungen soweit als thunlich und erspriesslich,<br />
Berücksichtigung gefunden.“ 187<br />
2.5.4.2 Rechtsgeschichtliche Entwicklung im Auftragsrecht<br />
2.5.4.2.1 Vorbemerkungen<br />
<strong>Die</strong> Beratungen in der Kommission im Bereich <strong>des</strong> Auftragsrechtes fanden in der<br />
172.-174. Sitzung statt, die vom 24. bis 27. September 1864 dauerte. 188 Im Laufe der<br />
Vorarbeiten wurden keine materiellen Änderungen etc. vorgenommen (einzig eine<br />
Satzumstellung ist festzustellen). Der Text im endgültigen Entwurf in Art. 756 lautet<br />
wie folgt:<br />
„Der Geschäftsführer ist verpflichtet, über die<br />
Geschäftsführung dem Geschäftsherrn Rechnung abzulegen<br />
und demselben Alles auszuantworten, was er in der Folge der<br />
Geschäftsführung für ihn angeschafft oder empfangen hat.“ [ 2.<br />
Teil der Norm behandelt die Zinsproblematik, verweist dazu<br />
aber auf Art. 700].<br />
2.5.4.2.2 Vorbereitender Ausschuss<br />
Der Wortlaut der Vorlage <strong>des</strong> vorbereitenden Ausschusses lautete wie folgt [Art. 742,<br />
Anlage B]:<br />
Der Beauftragte ist verpflichtet, Alles, was ihm Behufs der<br />
Besorgung <strong>des</strong> aufgetragenen Geschäftes von dem<br />
Auftraggeber zur dereinstigen Wiedererstattung anvertraut<br />
Gesetzbuches in den Dresdener Entwurf eingeflossen sind: Buschmann, Vorläufer, 553ff.,<br />
insbes. 558.<br />
187<br />
Vorwort <strong>des</strong> Herausgebers <strong>des</strong> endgültigen Entwurfes (wie er im Buchhandel 1866<br />
[Nachdruck Aalen 1975] ebenfalls erschienen war) von Dr. B. Franke, Redaktionssekretär<br />
der Schlussredaktionskommission (Protokoll 4638ff.). Hedemann, 23, spricht bei dieser<br />
Fülle der verwendeten Materialien von einem „Fluch <strong>des</strong> Übermasses“.<br />
188<br />
Für die ausführliche Diskussion über die Pflicht zur Verzinsung sei verwiesen auf:<br />
Protokoll 2512ff.
- 40 -<br />
worden ist, oder was er in der Folge der Geschäftsbesorgung<br />
für den Auftraggeber angeschafft oder empfangen hat, dem<br />
Letzteren auszuhändigen und darüber, sowie wie über seine<br />
ganze Geschäftsführung nach Vollendung <strong>des</strong> Geschäftes<br />
Rechenschaft abzulegen.<br />
Wie der Wortlaut belegt, wählte der vorbereitende Ausschuss unverkennbar den<br />
Bayerische Entwurf 1861 – 1864 als Ausgangspunkt. 189 Es ist hier darauf hinzuweisen,<br />
dass diesbezüglich keine inhaltlichen Unterschiede zu den entsprechenden Normen <strong>des</strong><br />
Hessischen Entwurfs und <strong>des</strong> Sächsischem BGB bestehen. 190<br />
In der 173. Sitzung vom 26. September 1864 wurden verschiedene Problemkreise<br />
behandelt, die Hinweise auf Inhalt und Modalitäten der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> zulassen.<br />
Bedeutend ist ei Antrag, der auf die <strong>St</strong>reichung der Worte „zur dereinstigen<br />
Wiedererstattung“ abzielte. <strong>Die</strong>ser Antrag wurde abgelehnt, wobei folgen<strong>des</strong> Votum<br />
entscheidend war: „<strong>Die</strong> Bestimmung aber, dass diese [Gegenstände, die noch im<br />
Besitz <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> sind] dann ebenfalls zu restituieren seien, werde durch den<br />
Schluss <strong>des</strong> Artikels gedeckt, insofern nämlich über das, was dem Mandatar zur<br />
Verfügung und Verwendung anvertraut werde, Rechenschaft abzulegen sei und dass<br />
die Restitution sich selbstverständlich nach dem Ergebnis der Rechnungsablegung<br />
bemesse.“ 191 <strong>Die</strong> Diskussion <strong>des</strong> Artikels in den Protokollen, der Antrag sowie die<br />
entsprechenden (ablehnenden) Voten zeigen das Folgende:<br />
Hauptdiskussionsgegenstand war stets die Ablieferungsobligation. <strong>Die</strong><br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> als eigentliche Verpflichtung zur Rechnungslegung wurde dabei<br />
eng und funktionsbezogen mit der Herausgabepflicht verbunden. Deutlich wird in<br />
dieser Diskussion, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nicht über das hinausgehen kann, was<br />
dem Anwendungsbereich der Ablieferungsobligation untersteht. <strong>Die</strong><br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> ergänzt nach dieser Betrachtung die Ablieferungsobligation,<br />
indem der Beauftragte die Pflicht hat, über den Verbleib anvertrauter Sachen<br />
Rechenschaft zu geben, die nicht herausgegeben werden. Nur in diesem Sinne handelt<br />
es sich um eine eigentliche Berichtspflicht. 192 <strong>Die</strong> <strong>Rechenschaftspflicht</strong> erscheint in<br />
189 Siehe dazu Kapitel 2.5.2.<br />
190 Siehe dazu Kapitel 2.5.1. und 2.5.3.<br />
191<br />
Protokoll 2512 [Hervorhebungen durch den Verfasser].<br />
192<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.2. <strong>Die</strong>ser Regelungsgedanke kommt auch etwa im Bereich <strong>des</strong><br />
schweizerischen Heimarbeitnehmervertrages zum Ausdruck. Siehe dazu Kapitel 3.5.3.4.
- 41 -<br />
diesem Sinne als Erfüllungssurrogat für die tatsächliche Ablieferung bzw. die<br />
tatsächliche Erfüllung der Ablieferungsobligation.<br />
2.5.4.2.3 Redaktionsausschuss und Lesungen<br />
Der Wortlaut der Vorlage <strong>des</strong> Redaktionsausschusses [Art. 717, Anlage E] entspricht<br />
exakt dem Wortlaut, den der Gesetzesentwurf auch in der Schlussredaktion beibehielt.<br />
193 Hinzuweisen ist einzig auf eine Änderung, die darauf zurückzuführen ist, dass der<br />
Terminus „anvertraut“ nach dem damaligen Verständnis die Verpflichtung <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> zur späteren Wiedererstattung voraussetzte. <strong>Die</strong> entsprechende<br />
Ergänzung wurde an der 178. Sitzung vom 14.10.1864 übernommen mit dem Hinweis,<br />
dass damit keine materielle Änderung <strong>des</strong> Normtextes beabsichtigt ist. 194<br />
Nach der 1. Lesung stand ein Wortlaut fest, der im Grundsatz bereits in Art. 757<br />
[Anlage F] 195 (beinahe wortgleich) festgelegt worden war. <strong>Die</strong> einzige Differenz zum<br />
definitiven Wortlaut von Art. 699 DE besteht darin, dass in der Anlage F bei Art. 757<br />
noch ausdrücklich erwähnt wurde, dass sich die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> „über seine<br />
ganze Geschäftsführung“ erstreckt, währenddem der Wortlaut von Art. 699 DE<br />
einfach von „über seine Geschäftsführung“ spricht. 196 In den Protokollen finden sich<br />
keine Hinweise, wann und mit welcher Begründung diese Änderung am Gesetzestext<br />
vorgenommen wurde. 197 In der 2. Lesung wurden verschiedene Problemfelder im<br />
Auftragsrecht nochmals behandelt 198 , doch wurden im hier interessierenden Teil <strong>des</strong><br />
Entwurfes keine Anträge gestellt, weshalb diese Fassung derjenigen <strong>des</strong> definitiven<br />
Entwurfes in Art. 699 DE entsprach.<br />
193<br />
Für die ausführliche Diskussion über die Pflicht zur Verzinsung sei verwiesen auf:<br />
Protokoll 2603f.<br />
194<br />
Protokoll 2603.<br />
195<br />
Damit wird der Gesamtentwurf bezeichnet, der zum Abschluss der 1. Lesung nochmals<br />
revidiert wurde.<br />
196<br />
Protokoll 137.<br />
197<br />
Es bleibt <strong>des</strong>halb bei der Vermutung, dass mit dieser Redigierung auch keine<br />
materiellrechtliche Akzentverschiebung bei der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> beabsichtigt worden<br />
ist. <strong>Die</strong> Originalakten sind im Zweiten Weltkrieg in Dresden verbrannt, weshalb die<br />
Notizen zum Entwurf nicht mehr eindeutig zugewiesen werden können: Protokoll XIII.<br />
198<br />
305. Sitzung vom 16. 3. 1866: Frage der Entgeltlichkeit und der Spezialvollmachten; 306.<br />
Sitzung vom 17. 3. 1866: Spezialvollmachten und generelle Umschreibung <strong>des</strong><br />
Auftragsrechts: Protokoll 4442ff.
Dresdener Entwurf 1866: 199<br />
- 42 -<br />
Art. 699 [Ablieferungsobligation; <strong>Rechenschaftspflicht</strong>]<br />
Der Beauftragte ist verpflichtet, Alles, was ihm zum Zwecke der<br />
Geschäftsbesorgung anvertraut worden ist, oder was er in der<br />
Folge derselben für den Auftraggeber angeschafft oder<br />
empfangen hat, dem Letzteren auszuantworten und darüber,<br />
sowie über seine Geschäftsführung nach Erlöschung <strong>des</strong><br />
Auftrages Rechenschaft zu geben.<br />
Art. 700 [Verzinsung]<br />
Hat der Beauftragte Gelder <strong>des</strong> Auftraggebers in seinen Nutzen<br />
verwendet, so ist er von dem Zeitpunkte der Verwendung an zur<br />
Verzinsung verpflichtet. (...) 200<br />
2.5.5 Fazit<br />
<strong>Die</strong> Behandlung der einzelstaatlichen deutschen (Hessen/Bayern/Sachsen)<br />
Kodifikationen hat ergeben, dass eine deutliche und bewusste Orientierung am Code<br />
Civil und am gemeinen Recht festzustellen ist. Es handelt sich hierbei um<br />
Rechtsquellen, die nach der hier dargelegten Auffassung die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als<br />
eine Pflicht zur Rechnungslegung kodifiziert hatten. <strong>Die</strong>se Auffassung setzt sich auch<br />
in der Entstehungsgeschichte <strong>des</strong> Dresdener Entwurfes fort, weshalb im hier<br />
interessierenden Bereich keine Abkehr von der tradierten Rechtsauffassung festgestellt<br />
werden kann: Sowohl die Einflüsse der Rechtsordnungen, die den Dresdener Entwurf<br />
beeinflusst hatten als auch die Protokolle zum Entwurf selbst zeigen eine Orientierung<br />
an einer Pflicht zur Rechnungslegung, wobei der enge Zusammenhang zur<br />
Ablieferungsobligation thematisiert oder unterstellt wird. In diesem Sinne kann –<br />
gerade auch unter Hinweis auf die Lehre Mitte <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts 201 – festgehalten<br />
199<br />
Entwurf eines für die deutschen Bun<strong>des</strong>staaten gemeinsamen Gesetzes über<br />
Schuldverhältnisse (nach der Schlussredaktion in zweiter Lesung): Ausgabe von Dr. B.<br />
Franke, dem ersten Sekretär der Commission, mit der im Auftrage der Kommission<br />
herausgegebenen und im Buchhandel erschienenen Ausgabe von 1866 (Nachdruck Aalen<br />
1966).<br />
200<br />
Es folgten Modalitäten der Zinsschuld, die hier nicht weiter interessieren.<br />
201 Siehe dazu Kapitel 2.2.2.
- 43 -<br />
werden, dass sich ein deutlicher Begriff der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> durchgesetzt hat, der<br />
sich mit die Pflicht zur Rechnungslegung beschreiben lässt.
- 44 -<br />
2.6 Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich (BGB)<br />
2.6.1 Allgemeine Hinweise zur Kodifikationsgeschichte<br />
<strong>Die</strong> Frage nach der Orientierung der Kodifikation wurde im Gutachten der<br />
Vorkommission in dem Sinne beantwortet, als alle in- und ausländischen<br />
„gesetzgeberischen Erfahrungen“ sowie die Theorie <strong>des</strong> gemeinen Rechts<br />
berücksichtigt werden sollten. 202 Zum Redaktor für den Teilentwurf Schuldrecht<br />
wurde von Kübel bestimmt. 203 Durch seinen frühzeitigen Tod blieben beachtliche<br />
Teile <strong>des</strong> Besonderen Teils (zumin<strong>des</strong>t von ihm persönlich 204 ) unbearbeitet, was<br />
insbesondere auch auf das Recht <strong>des</strong> Auftragvertrages zutrifft. 205 <strong>Die</strong> dadurch<br />
bestehenden Lücken wurden durch den Dresdener Entwurf, das gemeine Recht sowie<br />
durch Regelungen aus anderen modernen Kodifikationen ausgefüllt. 206 Durch diesen<br />
Umstand erhalten die zuvor in Kapitel 2 dargestellten Kodifikationen einen<br />
unmittelbaren Einfluss in der Kodifikationsgeschichte <strong>des</strong> BGB. Aus diesem Umstand<br />
erklärt sich auch die Feststellung, dass die überwiegende Anzahl der rechtlichen<br />
Institute, die Systematik sowie die Grundhaltung der Kodifikation als romanistisch<br />
geprägt beurteilt wurden. 207<br />
2.6.2 Besondere Entstehungsgeschichte von § 666 BGB<br />
In der 228. Sitzung der Ersten Kommission vom 2.7.1883 wurde der Entwurfstext der<br />
Vorkommission für eine <strong>Rechenschaftspflicht</strong> und eine Ablieferungspflicht im<br />
Auftragsrecht behandelt. Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt dargelegt worden<br />
ist, wurde aufgrund der konkreten Umstände Art. 699 DE zum eigentlichen<br />
Ausgangspunkt der Beratungen. 208 Bereits zu Beginn der Beratungen wurden von<br />
202 Siehe hierzu das Gutachten in Jakobs/Schubert, Einführung, Biographien, Materialien,<br />
172.<br />
203<br />
Von Kübel war ein anerkannter Vertreter <strong>des</strong> gemeinen Rechts: Dölemeyer, Handbuch,<br />
1581; Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren, Band 1, XVIIff. Weiter war von Kübel von<br />
Ende 1862 bis Juni 1866 auch Mitglied der „Dresdener Kommission zur Ausarbeitung<br />
eines Obligationenrechts“.<br />
204<br />
Zu einzelnen Titeln (vgl. Jakobs/Schubert, Einführung, Biographien, Materialien, 45;<br />
Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren, Band 1, [Einleitung] XIIf.) <strong>des</strong> Besonderen Teils<br />
lagen „lediglich“ Materialsammlungen der sog. Hilfsarbeiter der Kommission bzw. von<br />
Kübels vor. <strong>Die</strong> Autorenschaft für diese Materialsammlung lässt sich dabei gerade auch<br />
etwa für den Titel <strong>des</strong> Auftragsrechts nicht feststellen.<br />
205 Dölemeyer, Handbuch, 1584.<br />
206 Für genauere Details: Jakobs/Schubert, Einführung, Biographien, Materialien, 45f.<br />
207<br />
Für die Quellenforschung ausführlich: Benöhr, 79ff. ; Kaser, Anteil, 337ff.; Krause, 313ff.<br />
(je mit umfangreichen Hinweisen).<br />
208<br />
In der nun folgenden Darstellung werden die einzelnen Protokollstellen nach Möglichkeit<br />
nach dem Werk von Jakobs/Schubert, Beratung I resp. Jakobs/Schubert, Beratung III,<br />
zitiert. Es gelten dabei folgende Abkürzungen:
- 45 -<br />
verschiedenen Mitgliedern der Kommission Vorschläge unterbreitet, die alle davon<br />
ausgingen, dass die Pflichtumschreibung in Art. 699 DE sowohl bezüglich der<br />
209 210<br />
Ablieferungsobligation als auch bezüglich der Rechenschaftsobligation<br />
lückenhaft sei. Im Einzelnen präsentieren sich die Beratungen im hier interessierenden<br />
Bereich wie folgt:<br />
2.6.2.1 Teilentwurf <strong>des</strong> Schuldrechts bzw. die Materialsammlung<br />
In der Materialsammlung finden sich drei Belegstellen, die sich spezifisch mit der<br />
Pflicht zur Rechenschaftsablegung bzw. mit der Pflicht zur Rechnungslegung<br />
befassen: Titel „II. Moderne Gesetzgebungen, 1. ALR“ 211 bzw. „II. Moderne<br />
Gesetzgebungen, 5. Sächs. GB“ 212 und Titel „IV. Doktrin und Praxis, 3.“, welcher<br />
einige grundlegende Hinweise zum Thema „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>/Rechnungslegung“<br />
enthält. 213<br />
Hierbei ist auf die zuletzt erwähnte Zitatstelle hinzuweisen, welche die in dieser Arbeit<br />
behandelten Digestenstellen als eigentliche Hauptquellen der entsprechenden Pflicht<br />
aufführt. 214 In den entsprechenden „Begründungen“ wird unter Verweisung auf einen<br />
Teil der dort angeführten Lehre und Rechtsprechung einzig von der Pflicht <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> zur Auskunftsgebung und zur Rechnungs(ab)legung gesprochen. In<br />
früheren Rechtsordnungen wurde die Auskunftspflicht als die „kleine“ Pflicht zur<br />
Rechnungslegung anerkannt, welche eine einzelne Information zum Gegenstand hatte.<br />
215 Dabei bezog sich diese einzelne Information stets auf ein Detail aus dem Bereich<br />
der Pflicht zur Rechnungslegung. Gestützt auf diese Grundlagen, wird in diesem<br />
Entwurf konsequenterweise nur von der Pflicht zur Rechnungslegung gesprochen, was<br />
durch die abschliessende <strong>St</strong>ellungnahme in der Materialsammlung verdeutlicht wird,<br />
- Prot. I: Protokolle der Ersten Kommission zur Ausarbeitung eines Bürgerlichen<br />
Gesetzbuches (1881 – 1889); zitiert wird dabei nach der metallografierten Abschrift.<br />
- Prot. II: Protokolle der Zweiten Kommission für die zweite Lesung <strong>des</strong> Entwurfs<br />
eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (1890 – 1896); zitiert nach<br />
der amtlichen Ausgabe von 1897 – 1899 und bei Mugdan, Materialien.<br />
209<br />
So der Antrag von Weber (Nr. 437): Jakobs/Schubert, Beratung III, 61 (Prot. I 2425).<br />
210<br />
So insbesondere der Antrag von Planck (Nr. 438, 1): Jakobs/Schubert, Beratung III, 61<br />
(Prot. I 2425f.).<br />
211<br />
Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren, Band 2, 850ff.<br />
212<br />
Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren, Band 2, 852f.<br />
213<br />
Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren, Band 2, 855.<br />
214<br />
Siehe dazu Kapitel 2.1.<br />
215<br />
So etwa die Rechtslage im Sächsischen Gesetzbuch: Siehe dazu Kapitel 2.5.3.
- 46 -<br />
wonach der Begriff „rationes reddere“ 216 in der Literatur „schlechthin mit ‘Rechnung<br />
legen’ identifiziert und nur von letzterem gesprochen [werde].“ 217 Damit steht zu<br />
Beginn dieser Gesetzesarbeiten die Pflicht zur Rechnungslegung als eigentlicher<br />
Gegenstand der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> fest.<br />
2.6.2.2 Erste Kommission<br />
In den Kommissionsberatungen bestanden (wie bei der Ablieferungsobligation) im<br />
Bereich der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> keine Zweifel, dass diese Pflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
einen notwendigen Bestandteil einer Normierung darstellt. 218 Bereits in den<br />
„Begründungen“ <strong>des</strong> Teilentwurfes 219 und dann in den „Motiven“ zum Ersten Entwurf<br />
220 wurde hierzu die Tradition der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> hervorgehoben. Es wurde<br />
angemerkt, dass es sich bei dieser Verpflichtung sowohl um ein gemeinrechtlich 221 als<br />
auch um ein von modernen Gesetzgebungen 222 anerkanntes und explizit erwähntes<br />
Rechtsinstitut handelt. In den folgenden Beratungen wurden verschiedene Anträge<br />
gestellt, die v.a. eine geordnete Rechnungslegung bei der Vermögensverwaltung 223<br />
und die Möglichkeit der ei<strong>des</strong>stattlichen Versicherung 224 zum Gegenstand hatten.<br />
Weiter waren die Frage <strong>des</strong> Zeitraums der Rechnungslegung und die Art der<br />
Rechenschaftsablegung in speziellen Fällen die zentralen Themen der Diskussionen:<br />
(1) Zeitraum der Rechnungslegung: Unter dem Hinweis, dass eine diesbezüglich sich<br />
äussernde generelle Norm der Vielfalt der zu regelnden Lebenssachverhalte nicht<br />
gerecht werden könne, unterliess man ausdrücklich die Regelung einer eigentlichen<br />
festen Berichtsperiode. 225 Gerade die Diskussion um die Frage der Berichtsperioden<br />
verdeutlicht in inhaltlicher Hinsicht die <strong>St</strong>atuierung einer eigentlichen Berichtspflicht.<br />
216<br />
Dabei wird an folgende Digestenstellen gedacht: D. 3.3.46.4; D. 17.1.56.2; D. 2.13.9 pr.<br />
Siehe dazu Kapitel 2.1.<br />
217<br />
Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren, Band 2, 855 (mit zahlreichen Belegstellen).<br />
218<br />
Prot. I 2427.<br />
219<br />
Schubert, Vorentwürfe der Redaktoren, Band 2, 855.<br />
220<br />
Mugdan, Materialien, 300.<br />
221<br />
Es werden wiederum folgende Belegstellen in den Digesten genannt: D. 17.1.56.2; D.<br />
3.3.46.4; D. 2.13.9 pr. Siehe dazu Kapitel 2.1.<br />
222<br />
Es werden alle bekannteren Kodifikationen aufgezählt: ALR; Code civil; ABGB; Zürcher<br />
PGB; Sächsisches BGB; Schweizerisches aOR. Ferner wurden ebenfalls die Entwürfe von<br />
Bayern und Hessen berücksichtigt.<br />
223<br />
So der Antrag von Weber (Nr. 437): Jakobs/Schubert, Beratungen III, 61 (Prot. I 2425).<br />
224<br />
So der Antrag von Weber (Nr. 437) und Planck (Nr. 438): Jakobs/Schubert, Beratungen<br />
III, 61 (Prot. I 2425f.).<br />
225<br />
Vgl. hierzu die geäusserten Bedenken in den Beratungen der Ersten Kommission: Prot. I<br />
2428.
- 47 -<br />
Es sollte also eine Informationspflicht mit klar definiertem Inhalt geschaffen werden,<br />
die aus dem tradierten Recht abzuleiten war.<br />
(2) Art der Rechenschaftsablegung: In den Beratungen wurden Zweifel geäussert, ob<br />
der Gesetzgeber ganz allgemein die Art der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> regeln könne, weil<br />
sich die Rechtswirklichkeit je nach Bereich <strong>des</strong> Auftragsgeschäfts sehr unterschiedlich<br />
präsentiere. Gemäss Antrag von Weber sollte aus diesem Grund die Pflicht im<br />
Rahmen der eigentlichen Vermögensverwaltung als „Sonderfall“ geregelt werden, da<br />
es sich hier um ein mit Aus- und Einnahmen typischerweise verbundenes Geschäft<br />
handelt 226 : In diesem Bereich ist zwingend eine Rechenschaftsablegung mittels Legung<br />
einer vollständigen und detaillierten Rechnung vorzunehmen. Das entsprach auch der<br />
entsprechenden differenzierenden Rechtsprechung, wie sie in der vorliegenden Arbeit<br />
an anderer <strong>St</strong>elle wiedergegeben worden ist. 227 Ausserhalb der eigentlichen<br />
Vermögensverwaltung konnte keine weitere Regelung allgemein formuliert werden<br />
und es wurde explizit auf die Funktion der Gerichte hingewiesen, die in den jeweiligen<br />
228 Fällen zur Lösungsfindung antreten müssten. <strong>Die</strong> zuletzt genannte<br />
Konkretisierungsaufgabe wurde auch explizit für die Frage der sog. belegten<br />
Rechnung formuliert, d.h. hinsichtlich der Frage, welche Belege für eine ordentliche<br />
Rechnungslegung notwendig sind. 229<br />
(3) Unklar und ergebnislos verliefen die weiteren Beratungen bei der Regelung einer<br />
sog. Auskunfts- und Benachrichtigungspflicht. Aus den einzelnen Erwägungen ist<br />
immerhin zu erkennen, dass hier eine Pflicht ausserhalb der eigentlichen<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> beraten wurde, da eine eigentliche Benachrichtigungspflicht<br />
thematisiert war. Allerdings wurde zu diesem Zeitpunkt von einer Regelung<br />
abgesehen, weil diese Verpflichtung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> bereits aus dem „Wesen <strong>des</strong><br />
226<br />
In der Diskussion in der Ersten Kommission verwendete man auch die Formulierung, dass<br />
es in diesen Fällen in der „Natur der Dinge“ liege, der Rechenschaft auf diese Weise zu<br />
entsprechen: Mugdan, Materialien, 300.<br />
227<br />
Siehe Kapitel 2.2.3. In den entsprechenden Beratungen verwies man auch auf die bereits<br />
bestehende Rechtssprechung: ROHG VII. Nr. 24, ROHG XIII. Nr. 11 und ROHG XIV.<br />
Nr. 36. Mit dieser Gesetzgebung wurde für eine besondere Art der Geschäftsbesorgung<br />
(die Vermögensverwaltung) in einem Abs. 2 die Art und Weise der Erfüllung der hier<br />
untersuchten Pflicht spezifisch und zwingend festgelegt.<br />
228<br />
Damit wurde dieser Bereich im Auftragsrecht zum Anwendungsbereich <strong>des</strong><br />
Richterrechtes erklärt, weil erkannt worden ist, dass die Vielfalt der Lebenssachverhalte<br />
mit einer generellen Norm nicht eingefangen werden kann.<br />
229<br />
In der folgenden 229. Sitzung vom 4.7.1883 war im Bereich der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nur<br />
noch die Frage der ei<strong>des</strong>stattlichen Erklärung beraten worden. Es handelt sich dabei um<br />
eine Eigenheit <strong>des</strong> deutschen Rechts und tangiert den Grundsatz der freien<br />
Beweiswürdigung, weshalb dieser Teil der Beratungen nicht dargestellt wird.
- 48 -<br />
Auftragsverhältnisses“ folge. 230 Unklar ist diese Diskussion insbesondere <strong>des</strong>halb, weil<br />
hier der Begriff „Auskunftspflicht“ in einem anderen Kontext und im Zusammenhang<br />
mit einer Benachrichtigungspflicht erscheint. Bis zum Zeitpunkt dieser Voten war es<br />
bislang das allgemeine Verständnis von Lehre und Rechtsprechung gewesen, dass die<br />
Auskunftspflicht ein Bestandteil der Rechnungslegung war und jeweils eine<br />
Information über einen einzelnen Aspekt umfasste.<br />
Im Ergebnis wurde eine Normierung der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> ausgearbeitet, welche<br />
folgende Eckpunkte aufweist: Im Bereich der eigentlichen Vermögensverwaltung wird<br />
zwingend eine Pflicht zur umfassenden Rechnungslegung vorgeschrieben, wogegen in<br />
anderen Bereichen ein auf Einzelinformationen beschränktes Auskunftsrecht<br />
grundsätzlich ausreichend ist. Es obliegt allerdings der kommenden Gerichtspraxis,<br />
diese weiteren Bereiche entsprechend der Vielfalt der Lebenssachverhalte zu regeln.<br />
Regelungsgegenstand der Pflicht ist, dass der Beauftragte soweit Aufschlüsse zu geben<br />
hat, wie eine Ablieferungsobligation in Rede steht. <strong>Die</strong> ganze entsprechende<br />
Gesetzgebung orientiert sich in diesem Sinne an der Sicherstellung der<br />
Ablieferungsobligation als dem zentralen Kern <strong>des</strong> Mandatsrechts, welche die<br />
Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Mandates sicherstellt.<br />
2.6.2.3 Zweite Kommission<br />
Nachdem keine Verhandlungen und Änderungen in der Vorkommission <strong>des</strong><br />
Reichsjustizamtes stattgefunden haben, 231 zeichnen sich die Beratungen in der Zweiten<br />
Kommission im hier untersuchten Bereich v.a. dadurch aus, dass grundsätzliche<br />
Diskussionen über das Informationsrecht im Auftragsrecht aufgenommen wurden.<br />
<strong>Die</strong>s führte zu einer inhaltlichen und formellen Neuüberarbeitung <strong>des</strong> hier infrage<br />
stehenden Gesetzesartikels. Im Ergebnis entstand eine Gesetzesnorm, welche weit über<br />
eine blosse Nachführung oder Verdeutlichung der bis anhin beratenen Rechtslage<br />
hinausreichte. Damit erreichte die Kodifizierung der Pflichten <strong>des</strong> Auftraggebers in<br />
diesem Bereich eine neue Qualität, welche nicht mehr an die tradierten<br />
Rechtsordnungen anknüpfen konnte. Beleg für den Wandel der entsprechenden<br />
Normierung sind die folgenden Anträge aus der Zweiten Kommission:<br />
(1) Antrag <strong>St</strong>ruckmann 232 (Nr. 190, 6): „Der Beauftragte hat dem Auftraggeber auf<br />
<strong>des</strong>sen Verlangen hin jederzeit über seine Geschäftsführung Auskunft zu ertheilen und<br />
230<br />
Prot. I 2428.<br />
231<br />
Jakobs/Schubert, Beratung III, 133.<br />
232<br />
Jakobs/Schubert, Einführung, Biographien, Materialien, 107f.
- 49 -<br />
nach Beendigung <strong>des</strong> Auftrags über <strong>des</strong>sen Ausführung Rechenschaft abzulegen. Im<br />
Falle einer Vermögensverwaltung hat er dem Auftraggeber eine die geordnete<br />
Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthaltende und mit Belegen<br />
versehene Rechnung zu legen.“<br />
(2) Antrag Jacubezky 233 (Nr. 203, 5): „Der Beauftragte ist verpflichtet, dem<br />
Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den <strong>St</strong>and<br />
<strong>des</strong> Geschäfts Auskunft zu ertheilen und nach Beendigung <strong>des</strong> Auftrags über die<br />
Ausführung <strong>des</strong>selben Rechenschaft abzulegen.“<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Voten und Diskussionen belegen, dass der Beauftragte neu in ein<br />
eigentliches Netz von Informationspflichten eingebunden werden soll, denn der<br />
Auftraggeber habe häufig ein grosses Interesse daran, während <strong>des</strong> Schwebens <strong>des</strong><br />
Verhältnisses zu erfahren, was vom <strong>Beauftragten</strong> vorgenommen sei, bereits um<br />
erforderlichenfalls eingreifen und Änderungen treffen zu können. <strong>Die</strong>se faktische Lage<br />
entspricht einem tatsächlichen Bedürfnis, geht aber weit über den Bereich einer<br />
eigentlichen (und tradierten) <strong>Rechenschaftspflicht</strong> hinaus.<br />
Der entsprechende Fokus lag bei dieser Diskussion auf dem Bestand einer allgemeinen<br />
Benachrichtigungspflicht, welche die eigentliche Ausführungsobligation unterstützt. In<br />
diesem Zusammenhang wurde eine Auskunftspflicht angeführt, welche eben auch<br />
durch eine aktive Pflicht zur Benachrichtigung zu ergänzen sei: Lege man aber bereits<br />
mit Rücksicht auf das praktische Bedürfnis dem <strong>Beauftragten</strong> ausdrücklich die<br />
Verpflichtung auf, Auskunft zu erteilen, so sei es auch angezeigt, ihn im Anschluss an<br />
Art. 361 ADHGB zu verpflichten, ohne Anfrage von sich aus die erforderlichen<br />
Nachrichten zu geben. <strong>Die</strong>s sei notwendig, um das Missverständnis auszuschliessen,<br />
dass nach dem Gesetze erst eine Aufforderung zu ergehen habe. <strong>Die</strong>se Umschreibung<br />
macht deutlich, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> von der soeben dargestellten<br />
Benachrichtigungs- und Auskunftspflicht zu unterscheiden ist. So erfolgen denn die<br />
oben dargestellten Ausführungen ausschliesslich im Zusammenhang mit der<br />
Ausführungsobligation <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>. Soweit den Beratungen entnommen werden<br />
kann, dass eine Unbestimmtheit der Informationspflichten gegeben ist, beziehen sich<br />
die Ausführungen in inhaltlicher Hinsicht auf die Benachrichtigungspflicht und die<br />
hier speziell eingeführte „spiegelbildliche“ Auskunftspflicht. <strong>Die</strong>s entspricht auch der<br />
Tatsache, dass die Informationen, welche für die Wahrnehmung <strong>des</strong> Weisungs- resp.<br />
233 Über den Einfluss der süddeutschen Rechtsanschauung: Jakobs/Schubert, Einführung,<br />
Biographien, Materialien, 58f. und 101f.
- 50 -<br />
<strong>des</strong> Widerrufsrechtes notwendig sind, nur aus der konkreten Situation bestimmt<br />
werden können. Nach dieser neu geschaffenen Gesetzeslage ist die Auskunftspflicht<br />
nicht mehr länger die „kleine“ Pflicht zur Rechenschaftsablegung – wie noch in den<br />
234 Beratungen der Ersten Kommission –, sondern die Entsprechung der<br />
Benachrichtigungspflicht. 235<br />
Im Gegensatz zu den Ausführungen im Zusammenhang mit der Benachrichtigungsund<br />
Auskunftspflicht ist die Tatsache festzuhalten, dass sich in den Beratungen zur<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> keine Hinweise für eine inhaltliche Unbestimmtheit <strong>des</strong><br />
Pflichteninhalts der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> finden lassen. Gerade die <strong>St</strong>reichung von<br />
Abs. 2 <strong>des</strong> Entwurfes der Ersten Kommission und die gemeinsame Regelung mit der<br />
Ablieferungsobligation (Verweis auf § 598) sprechen bei der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> für<br />
eine eigentliche Orientierung an der Ablieferungsobligation. 236 Aus den dargestellten<br />
Gründen kann gefolgert werden, dass der Inhalt der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> für bestimmt<br />
resp. als inhaltlich determiniert gehalten worden ist. <strong>Die</strong>s kann jedoch nur dann der<br />
Fall sein, wenn die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> einer gewissen inhaltlichen und formellen<br />
Schematisierung im Sinne der Pflicht zur Rechnungslegung folgt und damit dem<br />
Wesen nach eine eigentliche Berichtspflicht bleibt. Damit darf die<br />
Neukonzeptionierung von verschiedenen Informationspflichten nicht vom Umstand<br />
ablenken, dass im Bereich der eigentlichen <strong>Rechenschaftspflicht</strong> grundsätzlich die<br />
tradierte Rechtsauffassung übernommen wurde.<br />
2.6.2.4 Denkschrift<br />
In der Denkschrift 237 zuhanden <strong>des</strong> Reichstages findet sich ebenfalls deutlich der<br />
Gedanke, dass es sich bei der Pflicht zur Rechnungslegung, der <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
und der Pflicht zur Auskunft um eine grundsätzliche Regelungsidee <strong>des</strong> Gesetzgebers<br />
handelt. 238 Im entsprechenden Kapitel erscheinen im Titel einzig die Begriffe<br />
„Rechnungslegung. Auskunftsertheilung.“, wobei die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> – wie in<br />
234 Siehe dazu Kapitel 2.6.2.2.<br />
235 Siehe dazu die beiden Belegstellen in Mugdan, Materialien, 300 und 946. Damit<br />
entsprechen sich Aktiv- und die Reaktivpflicht hinsichtlich <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong>.<br />
236 <strong>Die</strong> explizite Eliminierung von Abs. 2 <strong>des</strong> Entwurfes der Ersten Kommission ist in der<br />
Weise zu verstehen, dass es eine allgemeine Pflicht zur Rechenschaft gibt, welche aus der<br />
Pflicht zur Rechnungslegung besteht.<br />
237<br />
Denkschrift, 45 [in Mugdan, Materialien, 1235f.].<br />
238<br />
Es wurde dabei explizit ausgeführt, dass dies bei Auftrag, <strong>Die</strong>nst- und Werkvertrag sowie<br />
bei der Geschäftsführung ohne Auftrag der Fall sei: Denkschrift, 45 [in Mugdan,<br />
Materialien, 1235f.].
- 51 -<br />
der traditionellen Rechtsauffassung – unter dem Titel der Pflicht zur Rechnungslegung<br />
abgehandelt wird.<br />
Als einzige Präzisierung wird angeführt, dass sich die Pflicht zur Rechnungslegung<br />
und damit die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> erst nach Ausführung <strong>des</strong> Auftrages aktualisiert,<br />
währenddem die Pflicht zur Auskunftserteilung während <strong>des</strong> ganzen<br />
Vertragsverhältnisses bestehe. In inhaltlicher Sicht werden allerdings keine<br />
Ausführungen gemacht, sodass darauf zu schliessen ist, dass sich die Auskunftspflicht<br />
auf einen Ausschnitt der Pflicht zur Rechnungslegung beschränken kann. Das<br />
entspricht der tradierten Eineilung der Pflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, wie sie vor den<br />
Beratungen der Zweiten Kommission vorgenommen worden ist. 239 <strong>Die</strong>s wird weiter<br />
dadurch unterstützt, dass aus den Erläuterungen deutlich wird, dass der Beschreibung<br />
der Pflicht zur <strong>Rechenschaftspflicht</strong> etwas Schematisches anhaftet, was sie als eine<br />
eigentliche Berichtspflicht erscheinen lässt. Entscheidende Bemerkung in diesem<br />
Zusammenhang ist, dass bei einem mit Ein- und Ausgaben verbunden Geschäft die<br />
Rechnungslegung die geeignete und gebräuchliche Form der Erfüllung der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> ist. Dabei wird in inhaltlicher Hinsicht ausgeführt, dass dem<br />
Berechtigten eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und/oder der<br />
Ausgaben zuzustellen ist und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, solche<br />
vorzulegen sind. 240<br />
2.6.3 Fazit<br />
Aufgrund der dargestellten Entstehungsgeschichte <strong>des</strong> BGB kann festgehalten werden,<br />
dass mehrere Phasen unterschieden werden können. Am Ausgangspunkt der<br />
Gesetzgebung stand ein der Tradition verpflichtetes Konzept, das bis zu den<br />
Beratungen der Ersten Kommission grundsätzlich die Pflicht zur Rechnungslegung als<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> statuierte. <strong>Die</strong> Analyse der Beratungen der Zweiten Kommission<br />
hat allerdings gezeigt, dass gesetzgeberisch nun der Wille zur Legiferierung einer<br />
eigentlichen Kommunikationsordnung im Auftragsrecht bestanden hatte. Dabei ist<br />
zentral, dass sich eine Pflichterweiterung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> gerade im Bereich der<br />
„neueren“ Informationspflichten „Auskunftspflicht“ und „Benachrichtigungspflicht“<br />
abzeichnete. Es sind diese Pflichten, denen im Rahmen der Ausführungsobligation<br />
bestimmte Funktionen zugedacht wurden. Für die hier untersuchte Kodifikation ist<br />
aber festzuhalten, dass die Auskunftspflicht und die Benachrichtigungspflicht jeweils<br />
239<br />
Siehe dazu Kapitel 2.6.2.3.<br />
240<br />
Denkschrift, 45f. [in Mugdan, Materialien, 1235f.].
- 52 -<br />
besonders begründet und gerade bewusst in einem Gegensatz zu einer<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> gesetzt wurden. Aufgrund der dargelegten Ausführungen ist eine<br />
abschliessende <strong>St</strong>ellungnahme zur Frage <strong>des</strong> eigentlichen Inhalts der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> schwierig, weil die Entwicklungen in der Gesetzgebung nicht<br />
kontinuierlich und teilweise widersprüchlich sind.<br />
Zentral ist jedoch die Feststellung, dass die deutsche Rechtsentwicklung sich in eine<br />
Richtung entwickelt hat, die insbesondere für die Schweiz nicht nachvollzogen werden<br />
kann. Aus diesem Grunde kann die nachfolgend dargestellte Entwicklung in der<br />
Schweiz als autonome Entwicklung betrachtet werden, welche die teilweise<br />
widersprüchlichen Entwicklungen <strong>des</strong> deutschen BGB nicht beachtet.
- 53 -<br />
2.6.4 Übersicht über die Entwurfstexte zum BGB<br />
I. <strong>Die</strong> Pflicht zur Rechenschaftsablegung etc.<br />
Entwurf I (§ 591) Entwurf II (§ 597) BGB (§ 666)<br />
Der Beauftragte ist<br />
verpflichtet, dem<br />
Auftraggeber über die<br />
Ausführung <strong>des</strong> Auftrages<br />
Rechenschaft abzugeben.<br />
Bei einer Vermögensverwaltung<br />
hat er dem<br />
Auftraggeber eine die<br />
geordnete Zusammenstellung<br />
der Einnahmen und Ausgaben<br />
enthaltende und mit Belegen<br />
versehene Rechnung zu legen.<br />
Der Beauftragte ist<br />
verpflichtet, dem<br />
Auftraggeber die<br />
erforderlichen Nachrichten zu<br />
geben, auf Verlangen über<br />
den <strong>St</strong>and <strong>des</strong> Geschäftes<br />
Auskunft zu ertheilen und<br />
nach der Ausführung <strong>des</strong><br />
Auftrags Rechenschaft<br />
abzulegen.<br />
[gestrichen und Verweis auf<br />
§ 598]<br />
II. <strong>Die</strong> Ablieferungsobligation:<br />
Entwurf I (§ 592) Entwurf II (§ 598) BGB (§ 667)<br />
Der Beauftragte ist<br />
verpflichtet, dem<br />
Auftraggeber dasjenige, was<br />
er zum Zweck der<br />
Ausführung <strong>des</strong> Auftrages<br />
erhalten, sowie dasjenige, was<br />
er aus der Ausführung<br />
<strong>des</strong>selben erlangt hat, mit<br />
Einschluss der gezogenen<br />
Nutzungen herauszugeben.<br />
Der Beauftragte ist<br />
verpflichtet, dem<br />
Auftraggeber Alles, was er<br />
zur Ausführung <strong>des</strong> Auftrags<br />
erhalten und was er aus der<br />
Geschäftsbesorgung erlangt<br />
hat, mit Einschluss der etwa<br />
gezogenen Früchte<br />
herauszugeben.<br />
Der Beauftragte ist<br />
verpflichtet, dem<br />
Auftraggeber die<br />
erforderlichen Nachrichten zu<br />
geben, auf Verlangen über<br />
den <strong>St</strong>and <strong>des</strong> Geschäftes<br />
Auskunft zu erteilen und nach<br />
Ausführung <strong>des</strong> Auftrags<br />
Rechenschaft abzulegen.<br />
Der Beauftragte ist<br />
verpflichtet, dem<br />
Auftraggeber Alles, was er<br />
zur Ausführung <strong>des</strong> Auftrags<br />
erhält und was er aus der<br />
Geschäftsbesorgung erlangt,<br />
herauszugeben.
- 54 -<br />
2.7 Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich (PGB)<br />
2.7.1 § 1173 PGB und seine systematische <strong>St</strong>ellung<br />
PGB Zürich 1853:<br />
§ 1173 [<strong>Rechenschaftspflicht</strong>; Ablieferungsobligation]<br />
Der Beauftragte ist ferner schuldig, über die Besorgung <strong>des</strong><br />
Auftrags dem Mandanten Rechenschaft zu geben und Rechnung<br />
zu stellen und Alles zu erstatten, was ihm in Folge dieser<br />
Geschäftsbesorgung zugekommen ist.<br />
(§ 1174 [Sorgfaltsmassstab bei der Auftragsausführung])<br />
§ 1175 [Verzinsung]<br />
Hat er Gelder, die er für den Auftraggeber in Empfang<br />
genommen, in seinem Nutzen verwendet oder die Erstattung<br />
oder Ausleihung von Kapitalsummen ungebührlich versäumt,<br />
so muss er dem Auftraggeber die Zinsen der Zwischenzeit<br />
vergüten.<br />
<strong>Die</strong> explizite, grundsätzliche Verehrung von Bluntschli für den Code civil ist bekannt.<br />
241 Dabei ist aber festzustellen, dass sich die Gesetzgebung <strong>des</strong> PGB an verschiedenen<br />
Quellen orientierte. 242 <strong>Die</strong>s trifft auch insbesondere auf § 1173 PGB zu, werden in der<br />
Einführung zum entsprechenden Paragrafen doch mehrere Kodifikationen angeführt:<br />
ALR I. 13 §§ 61 ff., § 1009 ABGB und Art. 1993 CC. 243 Allerdings fehlen im hier<br />
interessierenden Bereich weitere klärende Ausführungen zum Einfluss der einzelnen<br />
Kodifikationen. Aufgrund der genannten Quellen kann jedoch die inhaltliche<br />
Orientierung der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> an der eigentlichen Hauptpflicht der<br />
entsprechenden Norm vermutet werden: die Ablieferungsobligation. 244 <strong>Die</strong>s ergeht<br />
241 Aus dem Aufsatz „Aufgabe der neuen Gesetzbücher“ (S. XXIIIf.), der im Januar 1844 im<br />
„Beobachter aus der östlichen Schweiz“ erschienen war. [Auch als Beilage im Bd. 1, S.<br />
XIff., 3. Auflage (1855) <strong>des</strong> „Privatrechtlichen Gesetzbuches für den Kanton Zürich. Mit<br />
Erläuterungen, herausgegeben von Dr. Bluntschli“]. <strong>Die</strong>se Einflüsse zeigen sich v.a. auch<br />
im Familien- und Kin<strong>des</strong>recht: Guggenbühl, 98.<br />
242 Huber, 194; Mittermaier, 94ff., insbes. 112ff.; Guggenbühl, 94f. So fand etwa in der Frage<br />
der allgemeinen Konzeption <strong>des</strong> Mandatsrechts auch eine Orientierung am ABGB statt:<br />
vgl. BK-Fellmann, Vorbem. zu den Artikeln 394 – 406, N 87.<br />
243<br />
In dieser Reihenfolge: Bluntschli, Einleitung zu § 1173.<br />
244<br />
<strong>Die</strong>s ergibt sich auch gerade daraus, dass in dieser Quellenstelle § 1012 ABGB nicht<br />
erwähnt wird. Bei § 1012 ABGB handelt es sich um die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong>. Siehe dazu Kapitel 2.4.
- 55 -<br />
sowohl aus dem Wortlaut <strong>des</strong> Artikels als auch aus dem Hinweis auf die<br />
entsprechenden Kodifikationen, welche jeweils eine blosse Pflicht zur<br />
Rechnungslegung anerkannten. 245 Es ist jedoch festzuhalten, dass die verfügbaren<br />
Gesetzesmaterialien 246 zum PGB diesbezüglich keine expliziteren Hinweise liefern.<br />
2.7.2 Praxis zum Mandatsrecht (§ 1173 PGB)<br />
Im Bereich von § 1173 PGB hat sich in verschiedenen Teilaspekten eine<br />
Gerichtspraxis entwickelt, die weitere Rückschlüsse auf den Inhalt der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Sinne <strong>des</strong> PGB zulassen.<br />
2.7.2.1 Z. X. 368:Vertrauen und Informationsrecht<br />
Ein erster Entscheid betraf sowohl die Frage der Verantwortlichkeit (resp. der<br />
anzuwendenden Sorgfalt) als auch die Frage <strong>des</strong> Umfanges der <strong>Rechenschaftspflicht</strong>:<br />
„Da, wo der Mandant dem Mandatar offenbar mit vollem Vertrauen überlassen hat,<br />
nach eigner Ansicht und Überzeugung <strong>des</strong> Ersteren Interesse in allen vorkommenden<br />
Fällen zu wahren, wäre es zu weit gegangen, einen solchen Geschäftsbesorger, sofern<br />
derselbe in gutem Glauben handelte, für den Erfolg seiner Schritte verantwortlich zu<br />
machen und zu verlangen, dass er bei jedem einzelnen der von ihm Jahre lang in<br />
grosser Anzahl besorgten Geschäfte sich ausweise, dass dasselbe nothwendig gewesen<br />
sei und welchen Nutzen es dem Auftraggeber gebracht habe.“ 247<br />
<strong>Die</strong>sem Leitentscheid aus der alten Zürcher Praxis können zwei grundlegende<br />
Rechtsideen entnommen werden:<br />
(1) Zum einen kommt in diesem Entscheid der Gedanke (<strong>des</strong> Mandatsrechtes) in<br />
besonders eindrücklicher Weise zum Ausdruck, dass dem tatsächlichen Umstand von<br />
„Vertrauen schenken“ mit einer Einschränkung <strong>des</strong> Informationsrechtes entsprochen<br />
werden muss. Damit hat diese Praxis in grundsätzlicher Weise die Tatsache<br />
anerkannt, dass Vertrauen informationsersetzend wirkt. 248 Zur Rechtsgrundlage <strong>des</strong><br />
245<br />
Siehe dazu Kapitel 2.2 – 2.5.<br />
246<br />
Der Gesetzestext stimmt in diesen hier behandelten Punkten mit den Normtexten der<br />
Entwürfe überein: Dabei entspricht § 1173 dem § 1474, § 1175 dem § 1476 <strong>des</strong> 1.<br />
Entwurfs von Bluntschli [Fundstelle: <strong>St</strong>aatsarchiv Zürich: III C b 8] aus dem Jahre 1852.<br />
<strong>Die</strong> Gesetzesrevisionskommission hatte keine Ausführungen dazu gemacht und<br />
genehmigte den Entwurfstext ohne Änderungen [Belegstelle: <strong>St</strong>aatsarchiv Zürich: PP 14,<br />
S. 133 und PP 14a, S. 154]. Auch die Beratungen im Grossen Rat von 1852-1854 und<br />
1854-1858 brachten keine Änderung [Belegstelle: <strong>St</strong>aatsarchiv Zürich: MM 24.31 und<br />
MM 24.32].<br />
247<br />
Publiziert in Z. X. 368. <strong>Die</strong>ser Entscheid ist auch bei Hirzel unter No. 1334a<br />
wiedergegeben.<br />
248 Luhmann, 34; Druey, Information als Gegenstand, 228. Siehe dazu Kapitel 3.6.3.
- 56 -<br />
entsprechenden Vertrauens wird im Entscheid nichts ausgeführt, weshalb davon<br />
auszugehen ist, dass dieser Grundsatz generelle Bedeutung hat. Der Entscheid stellt<br />
aber auch klar, dass für die Beurteilung einzig ein ursprüngliches Vertrauen (im<br />
Zeitpunkt der Vertragseingehung) von Bedeutung ist. Demgegenüber wird die<br />
Rechtslage (und damit der Bestand eines beschränkten Informationsrechts) nicht<br />
dadurch beeinflusst, dass sich im Laufe der Mandatsausführung Misstrauen und<br />
Spannungen zwischen den Vertragsparteien aufgebaut haben.<br />
(2) Zum anderen ist diesem Entscheid die Regel zu entnehmen, dass die Information<br />
substituierende Wirkung von Vertrauen umso grösser ist, je umfangreicher und/oder<br />
unbestimmter ein Auftrag ist. Entsprechend wird der zugestandenen (und allenfalls<br />
auch notwendigen) Freiheit in der Auftragsausführung nicht mit einem detaillierten<br />
Informationsrecht begegnet. Dem zugestandenen Autonomiebereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
wird mit einer entsprechend beschränkten Informationspflicht entsprochen. <strong>Die</strong>s ist<br />
Ausfluss einer konzeptuellen Auffassung <strong>des</strong> Auftragsrechts, wonach in diesem<br />
Vertragstyp grundsätzlich keine allgemeine Kontrolle eingerichtet ist und<br />
entsprechend auch insbesondere die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> kein entsprechen<strong>des</strong><br />
Kontrollinstrument sein kann. 249<br />
2.7.2.2 Z. V. 230: Pflicht zur belegten Rechnungslegung<br />
Ein weiterer Entscheid konkretisiert den Umfang der Rechnungslegungspflicht: „<strong>Die</strong><br />
Mitglieder der zur Ausführung eines bestimmten Zweckes niedergesetzten<br />
Kommission sind zur Rechnungsablage über die Verwendung der Gelder, die ihnen zu<br />
diesem Zwecke übergeben worden sind und zur Herausgabe <strong>des</strong> nicht verwendeten<br />
Überrestes verpflichtet. (...). Hierbei versteht sich von selbst, dass nach erhobener<br />
Bestreitung der Rechnung der Beweis geleistet werden muss, es seien die behaupteten<br />
und verrechneten Ausgaben auch wirklich gemacht worden und es haben die<br />
Leistungen stattgefunden, wofür die Ausgaben geschehen.“ 250 <strong>Die</strong>se Rechtsprechung<br />
wurde in einem Entscheid bestätigt, da § 1173 PGB erfordert, nicht nur eine Rechnung<br />
zu stellen, „sondern auch dass der Inhalt derselben durch urkundliche Belege oder<br />
andere taugliche Beweismittel als richtig erstellt wird.“ 251<br />
249<br />
Es handelt sich dabei um ein grundlegen<strong>des</strong> Charakteristikum <strong>des</strong> Auftragsrechts,<br />
wodurch sich dieser Vertragstyp gerade von anderen Arbeitsleistungsverträgen<br />
unterscheidet (Arbeitsvertragsrecht; Personengesellschaftsrecht). Siehe dazu Kapitel 3.5.2,<br />
3.5.3 und 3.7.2.<br />
250<br />
Ullmer, Nr. 1848, in: Z. V. 230.<br />
251 Ullmer, Nr. 1846.
- 57 -<br />
<strong>Die</strong> Bedeutung dieses Entschei<strong>des</strong> erklärt sich weiter noch aus dem Umstand, dass die<br />
Autoren Schneider/Fick in der ersten Auflage 252 bei der Kommentierung von Art. 398<br />
aOR einzig diese Rechtsprechung unter dem Titel „Rechenschaft ablegen“ aufführen:<br />
Es handelt sich dabei um einen Entscheid, der klarerweise nur die Pflicht zur belegten<br />
Rechnungslegung statuiert. <strong>Die</strong>s erlaubt auch Rückschlüsse auf die Rechtslage, wie sie<br />
im Rahmen von Art. 398 aOR begriffen worden ist. 253<br />
2.7.2.3 Z. XVI. 359: Aufzeichnungen und Informationsrechte<br />
In diesem Entscheid wurde ausgeführt, dass die Eintragungen im „Tagbuch“, in<br />
welchem der Arzt die Beträge für seine Behandlungen festhielt, die er den Patienten<br />
für die Konsultationen verrechnen wollte, für den Rechnungssteller nicht bindend<br />
seien. So konnte der Arzt auch eine höhere Rechnung gegen den Patienten<br />
durchsetzen. 254<br />
Der Entscheid zeigt, wie Aufzeichnungen in der Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts mit dem<br />
Ziel der Rechnungsstellung vorgenommen worden sind. 255 <strong>Die</strong> eigentliche weitere<br />
Bedeutung dieses Entschei<strong>des</strong> ist jedoch im Umstand zu sehen, dass die (internen)<br />
Aufzeichnungen nicht per se mit einer Aussenwirkung versehen wurden. Es galt<br />
deutlich zwischen einer Aufzeichnungspflicht und einem Informationsrecht <strong>des</strong><br />
Auftraggebers zu unterscheiden. Dahinter ist die Auffassung zu erblicken, dass<br />
Aufzeichnungen grundsätzlich als Interna <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> anzuerkennen sind. Als<br />
Gedankenstützen sind solche Informationen grundsätzlich nicht für den Mandanten<br />
bestimmt, sondern dienen vorab dem Auftraggeber. 256<br />
2.7.3 Fazit<br />
<strong>Die</strong> Auslegung von § 1173 PGB ergibt, dass in dieser Norm vom Gesetzgeber<br />
ursprünglich eine Pflicht zur blossen Rechnungslegung kodifiziert wurde. Aus der<br />
publizierten Rechtssprechung ergibt sich allerdings zudem, dass die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> als die Pflicht zur belegten Rechnungslegung und als die Pflicht<br />
zur Rechnungsstellung aufgefasst wurde, wobei weiter Entscheide angeführt werden<br />
252 ZK-Schneider/Fick, 289 [1. Auflage]<br />
253 Siehe dazu die Kapitel 2.8.<br />
254 Siehe auch bei Ullmer, Nr. 2228.<br />
255<br />
Siehe auch Z. XXII. 177 und die Hinweise bei Ullmer, Supplement, Nr. 3391.<br />
256<br />
Siehe dazu die deutliche Unterscheidung zwischen einer Dokumentationspflicht und<br />
einem Informationszugangsrecht in Kapitel 3.2 und 3.3.4.
- 58 -<br />
können, die eine deutliche Zurückhaltung in informationsrechtlicher Hinsicht erkennen<br />
lassen.
- 59 -<br />
2.8 Schweizerisches Obligationenrecht<br />
Vorbemerkung: Ein Überblick über den Wortlaut der verschiedenen Entwurfs- resp.<br />
der Gesetzestexte findet sich in Kapitel 2.8.3.<br />
2.8.1 Entstehungsgeschichte von Art. 398 aOR<br />
2.8.1.1 Entwurf Munzinger 1871<br />
Der Bun<strong>des</strong>rat beauftragte Prof. Munzinger mit der Ausarbeitung eines Entwurfes für<br />
ein schweizerisches Obligationenrecht. <strong>Die</strong>ser wurde als sog. 1. Entwurf von 1871 257<br />
vorgelegt. Mit dem Auftragsrecht befasste sich dieser Entwurf unter dem 11. Titel<br />
unter der Überschrift „Mandat und Prokura“ in den Art. 469 – 489. Bereits in diesem<br />
Entwurf sind alle Regelungsbereiche <strong>des</strong> heutigen Normtextes vorgezeichnet. 258<br />
Generell ist festzustellen, dass nur wenige Artikel materiell einen anderen Inhalt<br />
aufwiesen als das heute geltende Recht. 259<br />
Obgleich die Klärung der Frage <strong>des</strong> konkreten Einflusses der einzelnen Kodifikation je<br />
Teilbereich heikel ist, so ist doch die allgemeine Feststellung unbestritten, dass der<br />
Dresdener Entwurf, der Code civil und das PGB die Kodifikationen mit dem<br />
wichtigsten Einfluss waren. 260 Dabei scheint im Bereich <strong>des</strong> Mandatsrechts der<br />
Einfluss <strong>des</strong> Dresdener Entwurfes besonders deutlich zu sein. 261 <strong>Die</strong> Meinung von BK-<br />
Fellmann, 262 dass für die konkrete Pflicht zur Rechenschaft § 1173 PGB, für die<br />
Verzinsungspflicht demgegenüber Art. 700 Dresdener Entwurf Vorbild gewesen sein<br />
soll, lässt sich weder belegen noch dementieren, da in den Aktenbeständen <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong>archivs sich diesbezüglich keine Belege finden. 263 Immerhin kann die<br />
257<br />
Sog. Entwurf Munzinger. Über die Zusammensetzung: Eugster, 55f.<br />
258<br />
BK-Fellmann, Vorbem. zu den Art. 394 - 406 OR, N 44.<br />
259<br />
Grundsätzliche Änderungen sind aber im Bereich der Legaldefinition <strong>des</strong> Auftrages und<br />
der Modalitäten <strong>des</strong> Widerrufsrechtes festzustellen.<br />
260<br />
ZK-Schönenberger/Jäggi, Allgemeine Einleitung, N 46; ZK-Schneider/Fick, 11f. [2.<br />
Auflage]; Merz, Quellen, 673 (der im Bereich <strong>des</strong> Schuldrechts eine romanistische<br />
Prägung ausmacht); Dölemeyer, Handbuch, 1965 (mit weiteren Hinweisen). Nach Fasel,<br />
511 FN 28, deutet allgemein vieles darauf hin, dass der Dresdener Entwurf bestimmend<br />
war.<br />
261<br />
So auch ZK-Schneider/Fick, 12 [2. Auflage]; BK-Fellmann, Vorbem. zu den Art. 394 -<br />
406 OR, N 46.<br />
262 BK-Fellmann, Art. 400 N 5.<br />
263<br />
Es muss an dieser <strong>St</strong>elle darauf hingewiesen werden, dass die Bestände <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>archivs<br />
in dieser Hinsicht nicht vollständig sind.<br />
Belegt ist demgegenüber im Bun<strong>des</strong>archiv, dass sich Munzinger für den Allgemeinen Teil<br />
und das Kaufrecht vor allen Dingen auf die Protokolle zum Dresdener Entwurf gestützt<br />
hatte (vgl. die Übersichtsliste im Bun<strong>des</strong>archiv zu den Materialien <strong>des</strong> aOR). Als Material<br />
zu seinem Entwurf benutzte Munzinger die Protokolle der Dresdener Kommission zum
- 60 -<br />
Systematik (im Gegensatz zum Wortlaut) von Art. 477 als Indiz dafür gesehen werden,<br />
dass das PGB tatsächlich unmittelbares Vorbild war: Es ist mitunter die einzige<br />
Kodifikation, die neben dem Art. 1993 Code civil die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> vor der<br />
Ablieferungsobligation regelt. 264<br />
Der Entwurf Munzinger wurde in den Jahren 1871 – 1873 von einer<br />
Expertenkommission bearbeitet. 265<br />
2.8.1.2 Entwurf Fick 1875<br />
Nach dem Tod von Munzinger (1873) wurde Prof. Fick damit beauftragt, den Entwurf<br />
gemäss den Beschlüssen der Kommission umzuarbeiten. Der dadurch entstandene 2.<br />
Entwurf vom Juli 1875 266 betitelte den 10. Titel mit der Überschrift „Mandat,<br />
<strong>St</strong>ellvertretung und Prokura“. <strong>Die</strong> Regelung <strong>des</strong> einfachen Auftrages erfolgte dabei in<br />
den Art. 438 – 457. Inhaltlich brachte diese Neubearbeitung im hier interessierenden<br />
Bereich (Art. 446) 267 keine Neuerungen, 268 wobei aber in verschiedenen Bereichen im<br />
Mandatsrecht Präzisierungen vorgenommen worden sind. Im Ganzen erscheint der<br />
Gesetzestext in dieser Version stilistisch wesentlich schwerfälliger. 269 Der Entwurf<br />
wurde von einer erweiterten Expertenkommission 270 im Mai und im Herbst 1876<br />
durchberaten. 271 Es wurden zu den Beratungen jedoch keine Protokolle verfasst, aus<br />
welchen sich weitere Erkenntnisse ergeben würden. 272<br />
Entwurf <strong>des</strong> deutschen OR, vgl. S. 56 <strong>des</strong> Dossiers E 22/2050 „Entwurf Munzinger <strong>des</strong><br />
allg. Theil und <strong>des</strong> Titels über das Kaufrecht (Lithographiert).“<br />
264<br />
Demgegenüber ist der Einfluss <strong>des</strong> Art. 700 <strong>des</strong> Dresdener Entwurfes bei der Regelung<br />
der Pflicht zur Verzinsung eindeutiger, stimmt doch der Wortlaut bis ins Detail überein.<br />
265 <strong>Die</strong> Protokolle belegen jedoch im hier interessierenden Zusammenhang keine<br />
Änderungen.<br />
266 Sog. Entwurf Fick.<br />
267 Anders etwa in der Frage <strong>des</strong> Widerrufsrechts und der Frage <strong>des</strong> Verhältnisses<br />
Auftragsrecht – <strong>St</strong>ellvertretungsrecht.<br />
268<br />
Fasel, 693: Es entsprach gerade auch der Zielsetzung, dass „möglichst wenig geändert<br />
werden sollte.“<br />
269<br />
BK-Fellmann, Vorbem. zu den Art. 394 - 406 OR, N 48.<br />
270<br />
Zur Zusammensetzung: ZK-Schneider/Fick, 14 [2. Auflage].<br />
271<br />
Für Einzelheiten sei auf die Darstellung bei Fasel, 695f., verwiesen.<br />
272 Fasel, 695.
- 61 -<br />
2.8.1.3 Kommissionsentwurf 1877<br />
Der auf diese Weise entstandene 3. Entwurf von Ende Februar 1877 273 regelte den<br />
einfachen Auftrag im 12. Titel in den Artikeln 438-457b und hatte die gleiche<br />
Überschrift wie der Entwurf von Fick. Der Entwurf wurde in eine Vernehmlassung<br />
gegeben, wobei sich aus keiner der im Bun<strong>des</strong>archiv auffindbaren<br />
Vernehmlassungsantworten Bemerkungen zum Auftragsrecht entnehmen lassen. 274<br />
<strong>Die</strong> Formulierungen <strong>des</strong> Gesetzestextes wurden aus dem Entwurf Fick übernommen.<br />
<strong>Die</strong> französische Fassung lautete: „Le mandataire est tenu de rendre compte de sa<br />
gestion et de restituer tout ce qu‘ il a reçu à cette occasion.“ Der Grund, weshalb im<br />
Gesetzestext in Art. 446 aus „Mandatar“ „Beauftragter“ wurde, ist nicht dokumentiert<br />
und ist wahrscheinlich in einer allgemeinen sprachlichen Anpassung zu suchen.<br />
Insbesondere kann aus diesem Umstand nicht eine Orientierung an einer bestimmten<br />
Kodifikation abgeleitet werden.<br />
2.8.1.4 EJPD-Entwurf 1879<br />
<strong>Die</strong> erwähnten Vernehmlassungsantworten führten zu einer Neuüberarbeitung <strong>des</strong><br />
Entwurfes durch eine erweiterte 275 Expertenkommission. Das Ergebnis war ein<br />
eigentlicher 4. Entwurf, 276 wobei davon gleichzeitig eine französische Fassung erstellt<br />
wurde. Dabei sind beide Redaktionen der Gesetzestexte simultan beraten worden und<br />
beide Versionen sind als Originale zu betrachten. In diesem Entwurf wurden die<br />
Rechtsnormen, die den einfachen Auftrag normieren, unter die Überschrift „Auftrag<br />
im Allgemeinen“ gestellt und der Auftragsvertrag wurde in den Art. 399 – 412<br />
geregelt. Dabei wurden die Artikel teilweise zusammengefasst, teilweise aber auch<br />
inhaltlich neu gegliedert. 277 So wurde etwa im Speziellen die Verzinsungspflicht in<br />
einen zweiten Absatz von Art. 405 verlegt. Nicht geklärt werden kann die Änderung<br />
der Begriffe von „Rechenschaft (...) zu geben“ in „Rechenschaft (...) abzulegen“, da<br />
im entsprechenden Dossier <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>archivs keine Hinweise auf diese<br />
Präzisierungen auffindbar sind. 278 Mögliche Erklärung ist die Anpassung an die<br />
273<br />
Sog. Kommissionsentwurf 1877.<br />
274<br />
<strong>Die</strong> wichtigen Eingaben von Prof. Vogt und von Prof. von Wyss befassen sich bspw.<br />
(beinahe) ausschliesslich mit Problembereichen <strong>des</strong> Allgemeinen Teils <strong>des</strong><br />
275<br />
Obligationenrechts.<br />
<strong>Die</strong>ser Kommission gehörten auch Prof. Bluntschli und Prof. von Wyss an.<br />
276<br />
Sog. EJPD-Entwurf von 1879. <strong>Die</strong>ser Entwurf wurde mit der Botschaft vom 27.11.1879<br />
den Eidg. Räten unterbreitet: BBl 1880 I 149ff.<br />
277<br />
BK-Fellmann, Vorbem. zu den Art. 394 - 406 OR, N 58.<br />
278 Dossier <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>archivs E 22/2071.
- 62 -<br />
französische Fassung, welche im damaligen <strong>St</strong>adium der Gesetzgebungsarbeiten wie<br />
folgt lautete: 279 „Le mandataire est tenu de rendre compte de sa gestion au mandant, et<br />
de lui remettre tout ce qu‘ il a reçu par suite de cette gestion.“ <strong>Die</strong>sfalls ist darauf<br />
hinzuweisen, dass die Rechtsauffassung <strong>des</strong> Code Civil und der französisch<br />
sprechenden Lehre bezüglich <strong>des</strong> Pflichtinhalts einer <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Sinne<br />
einer Pflicht zur Rechnungslegung als gefestigt bezeichnet werden kann. 280<br />
<strong>Die</strong> Behandlung dieses Entwurfes in den Eidgenössischen Räten brachte im Bereich<br />
<strong>des</strong> Auftragrechts keine Änderungen. 281 <strong>Die</strong> Entwürfe gelangten in der Folge in die<br />
sog. Redaktionskommission, 282 wobei in der Folge zwei Redaktionskommissions-<br />
Entwürfe zu unterscheiden sind:<br />
2.8.1.5 Redaktionskommissions-Entwurf I 1881<br />
In der ersten Redaktionskommission (März/April 1881) wurde in Art. 405 der<br />
Normtext <strong>des</strong> EJPD-Entwurfs von 1879 übernommen. Bemerkenswert sind einzig die<br />
Vorgänge in der französischen Redaktion, in welcher der Wortlaut in der mit<br />
„Nouvelle rédaction française“ betitelten Fassung vom Februar 1881 wie folgt lautete:<br />
„Tout mandataire est tenu de rendre compte de sa gestion et de faire raison au mandant<br />
de tout ce qu‘ il a reçu en vertu de sa procuration à quelque titre que ce soit. (...).“<br />
<strong>Die</strong>se Ausdrucksweise erinnert an die Formulierung von Art. 1993 Code civil und<br />
harmoniert in dieser Hinsicht mit den bereits dargestellten sprachlichen<br />
Verschiebungen im deutschen Normtext zu einer <strong>St</strong>atuierung einer eigentlichen Pflicht<br />
zur Rechnungslegung. 283 Damit finden sich nun auch in der französischsprachigen<br />
schweizerischen Gesetzgebungsgeschichte deutliche Hinweise auf ein gewisses<br />
Verständnis der hier in Rede stehenden Pflicht: In Art. 405 stand die Kodifizierung<br />
279 <strong>Die</strong>se Feststellung findet sich in der gedruckten Veröffentlichung der beiden, sich<br />
gegenüberstehenden Redaktionen. Zum grundsätzlichen Einfluss der französischen<br />
Redaktion auf den deutschen Gesetzestext ist die Äusserung von Bluntschli<br />
bemerkenswert: Oft habe der fahrige deutsche Text an die klare und konzise Sprache <strong>des</strong><br />
französischen Textes angepasst werden müssen. (ZK-Schneider/Fick, 15 [2. Auflage).<br />
280 Siehe dazu Kapitel 2.3.<br />
281 BK-Fellmann, Vorbem. zu den Art. 394 - 406 OR, N 62. Der EJPD-Entwurf wurde in den<br />
Räten kaum diskutiert: So war im <strong>St</strong>änderat der Antrag der Kommission, Sonderregeln<br />
für Notare und Anwälte gegen verspätete Reklamation von anvertrauten Dokumenten<br />
einzuführen, gescheitert: Amtl. Bull. <strong>St</strong>R 1880 19. Demgegenüber erwähnt die<br />
nationalrätliche Kommission das Auftragsrecht nicht: Amtl. Bull. NR 1880 1ff.<br />
282<br />
Gemäss Art. 3 <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>beschlusses vom 21. 6. 1877 war es nun nach den Beratungen<br />
die Sache <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rates, „die Gesetzesvorlage oder die einzelnen Abschnitte, bezüglich<br />
welcher Änderungen vorgeschlagen worden waren, im Sinne dieser Beschlüsse<br />
umzuarbeiten.“ (Bericht <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rates in BBl 1880 III 1).<br />
283<br />
Es ist in diesem Zusammenhang erneut darauf hinzuweisen, dass die traditionelle Lehre<br />
und v.a. auch der historische Gesetzgeber in Frankreich unbestreitbar von einer blossen<br />
Pflicht zur Rechnungslegung ausgegangen waren. Siehe dazu Kapitel 2.3.
- 63 -<br />
einer Pflicht zur Rechnungslegung in Rede, welche die Ablieferungsobligation<br />
vorbereiten soll.<br />
2.8.1.6 Redaktionskommissions-Entwurf II 1881<br />
In der zweiten Redaktionskommission von 1881 (ab dem 16. April 1881) wurde die<br />
Norm in ihrem Wortlaut geändert, indem der Zusatz „ ... auf Verlangen jederzeit ...“<br />
eingeführt worden ist. Aus den Akten <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>archivs lassen sich keine<br />
Erkenntnisse darüber gewinnen, ob und welche materiellrechtlichen Änderungen<br />
damit verbunden worden sind. Insbesondere ist von Bedeutung, dass keine der für die<br />
schweizerische Gesetzgebung wichtige Kodifikation diesen Zusatz kannte: 284 Zwar<br />
entspricht der hier angebrachte Zusatz im Wesentlichen der Idee der<br />
„Auskunftspflicht“, wie sie in ALR I. 13 § 60 oder etwa der „Aufklärungspflicht“, wie<br />
die im Sächsischen Gesetzbuch niedergelegt war. Es ist aber nicht ersichtlich, weshalb<br />
in einem so späten Zeitpunkt der Gesetzgebungsgeschichte auf diese Kodifikationen<br />
zurückgegriffen werden sollte. Weder § 699 DE noch § 1173 PGB kennen eine<br />
entsprechende Formulierung. Aus rein chronologischen Gründen kann auch die<br />
Gesetzgebungsgeschichte von § 666 BGB keine Antworten liefern. 285<br />
Eine mögliche Erklärung bietet der Verweis auf die zürcherische Rechtsprechung, wie<br />
sie sich im Bereich von § 1173 BGB entwickelt hat: Im Zusammenhang mit einer<br />
auszuführenden Liquidation hat das Gericht entschieden, dass ein Mandatar auch vor<br />
der Vollendung verpflichtet sein kann, Rechenschaft zu geben und damit eine<br />
Teilrechnung vorzulegen, soweit der Mandant nicht aufgrund einer speziellen<br />
vertraglichen Abrede darauf Verzicht geleistet hat. 286 Einem solchen Begehren <strong>des</strong><br />
Auftraggebers kann sich der Beauftragte nur widersetzen, wenn „die Einwendung, es<br />
sei vorerst die Vollendung der Liquidation abzuwarten (...) als begründet sich<br />
herausstellt.“ Unter diesem Vorbehalt wurde dem Mandanten also ein Recht auf<br />
jederzeitige Rechnungsstellung zugestanden. 287 <strong>Die</strong> <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Sinne von<br />
§ 1173 PGB bezog sich in inhaltlicher Hinsicht auf die Pflicht zur Rechnungslegung.<br />
284 Art. 699 DE, § 1173 PGB und Art. 1993 CC.<br />
285 <strong>Die</strong> Beratungen zum Ersten Entwurf eines deutschen BGB begannen erst im Oktober<br />
1881, wobei der Erste Entwurf erst am 27.12.1887 dem Reichskanzler übergeben wurde.<br />
<strong>Die</strong> Zweite Kommission tagte in der Zeit vom 1.4.1891 bis zum 8.2.1896.<br />
286<br />
Publiziert in Z. IV. 254.<br />
287<br />
In diesem Entscheid wurde auch eine eigentliche Spontanpflicht zur Rechnungslegung<br />
aufgestellt, indem „von Zeit zu Zeit in angemessenen Zeiträumen“ die Rechnung zu legen<br />
sei.
- 64 -<br />
288 Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die Pflicht zur<br />
Rechnungslegung auch vor Abschluss <strong>des</strong> eigentlichen Auftrages im Sinne einer Teiloder<br />
Zwischenabrechnung verlangt werden kann, womit die entsprechende<br />
Rechtsprechung im Rahmen <strong>des</strong> aOR kodifiziert wurde. 289<br />
Weitere Erklärungen können nicht gemacht werden, ist doch in den Unterlagen <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong>archivs in den Beratungsprotokollen zu Art. 405 lediglich eine<br />
Rechtschreibungskorrektur <strong>des</strong> Wortes „Verzinsung“ belegt. 290 Der von der<br />
Redaktionskommission bearbeitete Entwurf 291 wurde in den Räten nicht mehr im<br />
Detail durchberaten, weshalb der entsprechende Entwurfstext dem Gesetzestext<br />
entspricht.<br />
2.8.2 Entstehungsgeschichte von Art. 400 OR<br />
2.8.2.1 Entwurf der Botschaft 1905<br />
Prof. Huber erarbeitete nach den gesetzgeberischen Vorarbeiten zum Zivilgesetzbuch<br />
einen Entwurf zum Obligationenrecht292 , welcher zusammen mit einem Bericht 1904<br />
veröffentlicht wurde. 293 In diesem Entwurf resp. Bericht wurde der hier in Frage<br />
stehende Art. 1413 (398) mit dem Randtitel „3. Rechnungsstellung“ versehen. Im<br />
Übrigen wurde das Mandatsrecht aus dem aOR übernommen. Obwohl sich<br />
Einzelheiten dazu nicht in den Akten belegen lassen, so muss doch davon ausgegangen<br />
werden, dass mit dieser Randtitelsetzung der Regelungsgehalt der entsprechenden<br />
Norm bezeichnet werden wollte (oder zum min<strong>des</strong>ten der Hauptgehalt). 294 Daraus<br />
folgt, dass in der Rechnungsstellung, die im Rahmen <strong>des</strong> entgeltlichen Mandatsrechts<br />
aufs Engste mit der Rechnungslegung im Zusammenhang steht, der eigentliche<br />
288<br />
Siehe dazu Kapitel 2.7.<br />
289<br />
<strong>Die</strong> Zürcher Praxis ist besonders bestimmend, da namentlich auch Frick und Bluntschli<br />
am Entstehungsprozess <strong>des</strong> aOR partizipierten.<br />
290<br />
Es wurde in der 1. Redaktion das Wort „Versinsung“ stehen gelassen. Es handelt sich<br />
dabei um einen eigentlichen Druckfehler.<br />
291<br />
<strong>Die</strong>ser Entwurf wurde am 7. 11. 1879 den Kommissionen Hoffmann und Niggler<br />
übergeben.<br />
292 <strong>Die</strong>ser Entwurf wurde Ende 1903 dem EJPD eingereicht.<br />
293<br />
Huber, „Entwurf zum Obligationenrecht und Bericht über die Anpassung und Revision<br />
<strong>des</strong> Obligationenrechts und über die Einführungsbestimmungen zum schweizerischen<br />
ZGB“, Bern 1904. <strong>Die</strong>ser Entwurf wurde mit Artikeln versehen, die fortlaufend zu<br />
denjenigen der Entwürfe zum ZGB waren.<br />
294<br />
Der generelle „Vorwurf“ von BK-Gautschi, Art. 400 N 1a, dass die „wünschenswerte<br />
Präzision“ bei der Setzung von Randtitel anlässlich der Revision <strong>des</strong> OR 1911 nicht<br />
immer erreicht worden sei, ändert daran nichts. <strong>Die</strong>s im Besonderen <strong>des</strong>halb, weil die<br />
Kritik dieses Autors v.a. dahin geht, dass die Ablieferungsobligation im Randtitel nicht<br />
erwähnt wird.
- 65 -<br />
materielle Kern der Norm von Art. 1454 (398) erkannt wurde. <strong>Die</strong>ser Befund stimmt<br />
auch mit den Ausführungen zur Entstehung <strong>des</strong> aOR überein.<br />
Im Besonderen kann bei Art. 400 OR resp. Art. 398 aOR auch davon ausgegangen<br />
werden, dass die bun<strong>des</strong>gerichtliche Rechtsprechung, wie sie etwa in BGE 19, 815 –<br />
821 publiziert wurde, eigentlicher Orientierungspunkt war: Das Bun<strong>des</strong>gericht hat<br />
dabei aus Art. 398 aOR die eigentliche Pflicht zur Rechnungsstellung formuliert. 295<br />
Dabei ist zu beachten, dass das Thema der Pflicht zur Rechnungslegung stark präsent<br />
war, was ein stellvertretender Hinweis auf die Lehrmeinung Hafners 296 deutlich macht:<br />
In einer Kommentierung aus dem Jahre 1905(!) wird Art. 398 aOR die<br />
Randtitelbezeichnung „c) zur Rechnungslegung u. Herausgabe“ beigeordnet. <strong>Die</strong><br />
aufgeführten Sachverhalte und Feststellungen sind Beleg dafür, dass die Idee der<br />
Rechnungslegung bei der Informationspflicht „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ und damit die<br />
Idee einer programmartigen und schematischen Pflicht präsent war. Der Umstand, dass<br />
im Normtext selbst von „Rechenschaft“ gesprochen wird, schadet dieser Ansicht nicht,<br />
wie insbesondere die rechtshistorische Untersuchung gezeigt hat. 297<br />
Der Entwurf wurde von einer vom EJPD bestellten Expertenkommission 298 1904<br />
durchgearbeitet. <strong>Die</strong>se übernahm die Artikel zum Auftragsrecht vom aOR unverändert<br />
und führte sie als Art. 1408 – 1420 auf. <strong>Die</strong> Expertenkommission nahm in der<br />
entsprechenden Sitzung vom 30. September 1904 keine Änderungen vor. 299 Auf diesen<br />
Beratungen gründete der „Entwurf und die Botschaft <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rates vom 3. März<br />
1905 300 betreffend Ergänzung <strong>des</strong> Entwurfes eines schweizerischen ZGB durch<br />
Anfügung <strong>des</strong> Obligationenrechts und der Einführungsbestimmungen.“ Der einfache<br />
Auftrag wurde in den Artikeln 1448 – 1461 behandelt und deckt sich inhaltlich mit<br />
dem aOR. Der Normtext wurde inklusive Randtitel unverändert in Art. 1454 (398)<br />
übernommen. 301 In der Botschaft findet sich einzig ein genereller Hinweis, dass mit<br />
der Randtitelsetzung die Herstellung der Einigkeit mit der Gesetzgebung im übrigen<br />
295 Siehe dazu auch Kapitel 2.8.4 und 3.7.3.<br />
296 Hafner, 212 (Kommentierung von Art. 398 aOR).<br />
297 Siehe dazu die einzelnen Unterkapitel in Kapitel 2.<br />
298 Sog. Langenthaler Kommission. Ihr gehörten bspw. auch die Professoren Hugo Oser<br />
(Fribourg) und Virgile Rossel (Bern) an.<br />
299<br />
Protokoll der Expertenkommission für die Anpassung und Revision <strong>des</strong><br />
300<br />
Obligationenrechtes vom 19. 9. 1904 bis 7. 10. 1904 (gedruckt).<br />
BBl 1905 II 1ff.<br />
301 BBl 1905 II 195: Der Gesetzestext stimmt mit Art. 398 aOR überein.
- 66 -<br />
Bereich <strong>des</strong> ZGB beabsichtigt sei. 302 Gemäss Ausführungen in der Botschaft sind in<br />
inhaltlicher Hinsicht dadurch keine Änderungen im Vergleich zum früheren Recht<br />
beabsichtigt worden. 303 Entsprechend kodifiziert auch dieser Entwurf eine blosse<br />
Pflicht zur belegten Rechnung.<br />
2.8.2.2 Entwurf der Botschaft 1909<br />
<strong>Die</strong> grosse Expertenkommission für das Obligationenrecht setzte sich materiell mit<br />
dem Entwurf aus dem Jahre 1905 auseinander und tagte in drei Sessionen in den<br />
Jahren 1908 und 1909, worüber ein vervielfältigtes Protokoll Aufschluss gibt. 304 <strong>Die</strong><br />
Beratungen haben dazu Anlass gegeben, dass Prof. Huber den Gesetzesentwurf<br />
305 abermals bearbeitete. <strong>Die</strong>ser wurde anschliessend vom Bun<strong>des</strong>rat den<br />
eidgenössischen Räten mit der Botschaft vom 1. Juni 1909 306 übergeben. Im<br />
entsprechenden Abschnitt waren erneut der Begriff und der Geltungsbereich <strong>des</strong><br />
Auftragsrechts Gegenstände von Erläuterungen. In diesen Fragen sollte eine<br />
Distanzierung vom Code civil, dem BGB und dem gemeinen Recht vollzogen<br />
werden. 307<br />
Am 9. März 1909 behandelte diese Expertenkommission in ihrer 26. Sitzung den<br />
„einfachen Auftrag”. <strong>Die</strong> dort ausgearbeiteten Vorschläge wurden weiter durch die<br />
Redaktionskommission bearbeitet. In diesem Entwurf erscheint in Art. 1454 als der<br />
hier interessierenden Informationspflicht im Randtitel die Bezeichnung „3.<br />
Rechenschaftsablegung“. 308 Wichtig ist der Hinweis in der Nachtragsbotschaft, dass<br />
im Bereich <strong>des</strong> Auftragsrechtes (Ausnahmen: Begriff und der Geltungsbereich <strong>des</strong><br />
Auftragsrechtes) inhaltlich keine Veränderungen vorgenommen worden waren. 309<br />
Deshalb war mit dem Wechsel <strong>des</strong> Randtitelwortlautes keine Erweiterung <strong>des</strong><br />
inhaltlichen Pflichtenprogramms beabsichtigt. <strong>Die</strong>s ergeht auch weiter daraus, dass<br />
noch 1904 310 und 1905 311 von einer Pflicht zur Rechnungsstellung gesprochen wird.<br />
302<br />
BBl 1905 II 11.<br />
303<br />
BBl 1905 II 41f.<br />
304<br />
<strong>Die</strong>se Protokolle wurden aber nie gedruckt.<br />
305<br />
ZK-Schönenberger/Jäggi, Allgemeine Einleitung, N 10.<br />
306 BBl 1909 III 725ff.: Nachtrag zur Botschaft vom 3. 3. 1905.<br />
307 Für die genannten Bereiche: BBl 1909 III 752f. Ebenso war die Frage der Entgeltlichkeit<br />
Gegenstand von Erörterungen.<br />
308 BBl 1909 III 877.<br />
309<br />
BBl 1909 III 753.<br />
310<br />
Huber, „Entwurf zum Obligationenrecht und Bericht über die Anpassung und Revision<br />
<strong>des</strong> Obligationenrechts und über die Einführungsbestimmungen zum schweizerischen<br />
ZGB“, Bern 1904, zu Art. 1413 [S. 125].
- 67 -<br />
Im Weiteren ist aus personellen Gründen zu beachten, dass mit Prof. Huber und Prof.<br />
Rossel zwei Persönlichkeiten massgebend an der Redaktion beteiligt waren, die auch<br />
in ihren Veröffentlichungen die Rechnungsstellung als Kerngedanken der Regelung<br />
von Art. 398 aOR anerkannt hatten. 312<br />
<strong>Die</strong> vorberatenden Kommissionen berieten den Gesetzesentwurf, wobei kein Protokoll<br />
veröffentlicht wurde. <strong>Die</strong> Beratungen in den Räten finden sich in den stenografischen<br />
Bulletins und sind für die hier untersuchte Frage ohne Interesse. 313<br />
2.8.3 Übersicht über die Normtexte zum aOR und OR<br />
[<strong>Die</strong> gesetzgeberischen Veränderungen sind jeweils fett gekennzeichnet.]<br />
Entwurf/Gesetz: Artikel: Randtitel: Normtext:<br />
Entwurf<br />
Munzinger 1871<br />
Entwurf Fick:<br />
1875<br />
Kommissionsent<br />
wurf: 1877<br />
(„Dritter<br />
Entwurf“)<br />
Art. 477 --- Der Mandatar ist schuldig, Rechenschaft<br />
von seiner Geschäftsführung zu geben und<br />
Alles, was ihm in der Folge derselben aus<br />
irgend einem Grunde zugekommen ist, zu<br />
erstatten.<br />
Art. 446 --- Der Mandatar ist schuldig, Rechenschaft<br />
von seiner Geschäftsführung zu geben und<br />
Alles, was ihm in der Folge derselben aus<br />
irgend einem Grunde zugekommen ist, zu<br />
erstatten.<br />
Art. 446 --- Der Beauftragte ist schuldig, Rechenschaft<br />
von seiner Geschäftsführung zu geben und<br />
Alles, was ihm in der Folge derselben aus<br />
irgend einem Grunde zugekommen ist, zu<br />
erstatten.<br />
311<br />
Botschaft 1905: BBl 1905 II 195.<br />
312<br />
Für Prof. Huber: siehe Huber, „Entwurf zum Obligationenrecht und Bericht über die<br />
Anpassung und Revision <strong>des</strong> Obligationenrechts und über die Einführungsbestimmungen<br />
zum schweizerischen ZGB“, Bern 1904 Randtitel zu Art. 1413 (398).<br />
313<br />
BK-Gautschi, vor Art. 394 „Materialien“. Etwa auch BK-Fellmann, Vorbem. zu den Art.<br />
394 - 406 OR, N 76.
EJPD-Entwurf:<br />
1879<br />
(„Vierter<br />
Entwurf“)<br />
Redaktionskommissions-<br />
Entwurf I: 1881<br />
Redaktionskommissions-<br />
Entwurf II: 1881<br />
- 68 -<br />
Art. 405 --- Der Beauftragte ist schuldig, Rechenschaft<br />
von seiner Geschäftsführung abzulegen und<br />
Alles, was ihm in der Folge derselben aus<br />
irgend einem Grunde zugekommen ist, zu<br />
erstatten. (Satz 2: Verzinsung). 314<br />
Art. 405 ---<br />
OR 1881 Art. 398<br />
Entwurf Huber:<br />
1904<br />
Der Beauftragte ist schuldig, Rechenschaft<br />
von seiner Geschäftsführung abzulegen und<br />
Alles, was ihm in der Folge derselben aus<br />
irgend einem Grunde zugekommen ist, zu<br />
erstatten. (Satz 2: Verzinsung).<br />
Art. 398 --- Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen<br />
jederzeit Rechenschaft von seiner<br />
Geschäftsführung abzulegen und Alles, was<br />
ihm in der Folge derselben aus irgend einem<br />
Grunde zugekommen ist, zu erstatten. (Satz<br />
2: Verzinsung).<br />
Art.<br />
1454<br />
---<br />
Rechnungsstellung<br />
Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen<br />
jederzeit über seine Geschäftsführung 315<br />
Rechenschaft abzulegen und Alles, was ihm<br />
in der Folge derselben aus irgend einem<br />
Grunde zugekommen ist, zu erstatten. (Satz<br />
2: Verzinsung).<br />
Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen<br />
jederzeit über seine Geschäftsführung<br />
Rechenschaft abzulegen und Alles, was ihm<br />
in der Folge derselben aus irgend einem<br />
Grunde zugekommen ist, zu erstatten.<br />
(Absatz 2: Verzinsung).<br />
314<br />
<strong>Die</strong> Verzinsungspflicht wurde bisher jeweils im gleich folgenden Artikel geregelt.<br />
315<br />
<strong>Die</strong>s betrifft eine Textumstellung, von der die Absichten nicht bekannt sind, wobei wohl<br />
keine materielle Rechtsänderung intendiert war.
Entwurf 1905 Art.<br />
1454<br />
(398) 316<br />
Entwurf 1909 Art.<br />
1454<br />
Rechnungsstellung <br />
Rechenschaftsablegung<br />
OR 1911 Art. 400 Rechenschaftsablegung<br />
- 69 -<br />
Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen<br />
jederzeit über seine Geschäftsführung<br />
Rechenschaft abzulegen und Alles, was ihm<br />
infolge derselben aus irgend einem Grunde<br />
zugekommen ist, zu erstatten.<br />
(Absatz 2: Verzinsung).<br />
Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen<br />
jederzeit über seine Geschäftsführung<br />
Rechenschaft abzulegen und Alles, was ihm<br />
infolge derselben aus irgend einem Grunde<br />
zugekommen ist, zu erstatten.<br />
(Absatz 2: Verzinsung).<br />
Abs. 1:<br />
Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen<br />
jederzeit über seine Geschäftsführung<br />
Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm<br />
infolge derselben aus irgend einem Grunde<br />
zugekommen ist, zu erstatten.<br />
Abs. 2:[Verzinsung]<br />
316 Entspricht Art. 1413 von Huber, „Entwurf zum Obligationenrecht und Bericht über die<br />
Anpassung und Revision <strong>des</strong> Obligationenrechts und über die Einführungsbestimmungen<br />
zum schweizerischen ZGB“, Bern 1904.
- 70 -<br />
2.8.4 Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichtes zu Art. 398 aOR<br />
Das Bun<strong>des</strong>gericht hatte in seiner Rechtsprechung verschiedentlich die Möglichkeit,<br />
sich zum Thema „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ gemäss Art. 398 aOR zu äussern.<br />
Nachfolgend werden die beiden massgebenden Entscheide analysiert, kommentiert<br />
und in den Zusammenhang der allgemeinen rechtshistorischen Entwicklung gestellt:<br />
2.8.4.1 BGE 19, 815ff.: Urteil vom 27.10.1893<br />
Es handelt sich um den ersten bun<strong>des</strong>gerichtlichen Entscheid, 317 der zur<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss Art. 398 aOR publiziert wurde. Der entsprechende<br />
Entscheid äussert sich dabei sowohl zur Frage <strong>des</strong> Bestan<strong>des</strong> (E. 5 f.) als auch zur<br />
Frage <strong>des</strong> Inhalts (E. 7) der <strong>Rechenschaftspflicht</strong>.<br />
Im Zusammenhang mit dem Bestand der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> führte der<br />
Bun<strong>des</strong>gerichtsentscheid folgende allgemeine Überlegung an: „Grundsätzlich ist die<br />
Pflicht zur Rechnungsstellung gegeben, wo Jemand die Geschäfte eines anderen führt,<br />
bezüglich <strong>des</strong> Mandates wird dieselbe in Art. 398 OR ausdrücklich sanktioniert.“ 318<br />
Das entsprechende Zitat gibt zu folgenden Anmerkungen Anlass: Das Bun<strong>des</strong>gericht<br />
hat in diesem Entscheid in abstrakter Weise beschrieben, welche Grundkonstellation<br />
eine entsprechende Informationspflicht „Rechenschaft“ rechtfertigt: Es ist die Führung<br />
fremder Geschäfte, die den Aufhänger für die Anerkennung einer entsprechenden<br />
Verpflichtung bildet. <strong>Die</strong>se generelle Aussage entspricht einem Ansatz, der allgemein<br />
auch in der deutschen Rechtsentwicklung formuliert wurde, jedoch deutlich auf die<br />
Frage der eigentlichen Pflicht zur Rechnungslegung gemünzt war. 319 In der<br />
schweizerischen Rechtsprechung kommt in diesem Entscheid weiter die<br />
Austauschbarkeit der Begriffe „Rechnungslegung“ und „Rechnungsstellung“ zum<br />
Ausdruck. 320 Dabei gibt der Entscheid in seinen Erwägungen zahlreiche Hinweise,<br />
dass die entsprechende Norm sowohl die Pflicht zur Rechnungslegung als auch die<br />
Pflicht zur Rechnungsstellung statuiert, wobei in diesem Zusammenhang vom<br />
Auftraggeber ausdrücklich als vom „Rechnungsherrn“ gesprochen wird, weil die<br />
Rechnung wohl beide Teile <strong>des</strong> Pflichtprogramms abdeckt. 321<br />
317<br />
Wiedergegeben auch in Revue judiciaire XII. No. 7.<br />
318<br />
BGE 19, 815ff., E. 5 [zu Beginn].<br />
319<br />
Siehe dazu die entsprechenden Unterkapitel zu Kapitel 2.<br />
320<br />
Eine entsprechende Gleichsetzung der Begriffe findet sich auch in der neueren<br />
Rechtsprechung: Siehe dazu die Ausführungen (inkl. FN) in Kapitel 3.7.3.1.2.<br />
321<br />
Ein eigentlicher Oberbegriff „Abrechnung“ wurde allerdings nicht verwendet: Siehe dazu<br />
Kapitel 3.7.3.
- 71 -<br />
In der Lehre wurde der entsprechende Entscheid in der Weise aufgenommen, dass in<br />
Art. 398 aOR die Pflicht zur Rechnungsstellung festgelegt wurde, 322 weshalb der<br />
Beauftragte die entsprechenden Informationen im Rahmen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
vorzulegen hat. <strong>Die</strong>se Sichtweise deckt sich auch insbesondere mit den zeitlich<br />
nachfolgenden Entwicklungen in der schweizerischen Gesetzgebungsgeschichte, wie<br />
sie im Rahmen der Revision <strong>des</strong> aOR zum OR belegt werden können: So lautete im<br />
Zusammenhang mit Art. 398 aOR resp. Art. 400 OR der Randtitel bei Huber 323 und in<br />
der Botschaft von 1905 324 unzweideutig „Rechnungsstellung“. 325 Wie bereits<br />
ausgeführt wurde, ist in der Änderung <strong>des</strong> Randtitels auf „Rechenschaftsablegung“<br />
keine inhaltliche Änderung erfolgt, 326 weshalb in dieser Anpassung allenfalls der<br />
Versuch gesehen werden könnte, die Randtitelsetzung dem Programm der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss der neueren Rechtsprechung anzupassen.<br />
Wie bereits mehrfach in dieser rechtshistorischen Untersuchung dargestellt worden ist,<br />
war die Frage der Belegungspflicht der eigentlich umstrittene Fragenkomplex. 327 Für<br />
das Gericht ist die Frage <strong>des</strong> Inhalts der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> insbesondere auch die<br />
Frage danach, ob und wie die Rechnung mit Belegen zu versehen ist. Es ist dabei zu<br />
beachten, dass es das Gericht einzig in diesem beschränkten Bereich auf das „Interesse<br />
<strong>des</strong> Rechnungsherrn“ ankommen lassen will, was auch von der Lehre übernommen<br />
wurde. 328 Im Ergebnis wird damit durch diesen Entscheid eine allgemeine Belegpflicht<br />
statuiert, weshalb fortan eine Rechnungslegung (resp. Rechnungsstellung) nur dann<br />
den Erfordernissen von Art. 398 aOR entspricht, wenn diese mit genügenden Belegen<br />
versehen ist. Im vorliegenden Fall wurde daraus abgeleitet, dass die allgemeine<br />
Belegspflicht auch die Erstellung eines Verzeichnisses erfordern kann, weshalb der<br />
Beklagte in casu ein Forderungsverzeichnis erstellen musste betreffend „allen<br />
Forderungen, die er vom Kläger (...) zur Einkassierung erhalten hatte.“ Damit wurde<br />
der Beauftragte verpflichtet, im Rahmen der Pflicht zur Rechnungslegung weitere<br />
322 ZK-Schneider/Fick, 584 [2. Auflage]; Hafner, 212.<br />
323<br />
Huber, „Entwurf zum Obligationenrecht und Bericht über die Anpassung und Revision<br />
<strong>des</strong> Obligationenrechts und über die Einführungsbestimmungen zum schweizerischen<br />
ZGB“, Bern 1904, Randtitel zu Art. 1413.<br />
324<br />
Randtitel zu Art. 1454.<br />
325<br />
Siehe dazu Kapitel 2.8.2.<br />
326<br />
Siehe dazu Kapitel 2.8.2.2.<br />
327<br />
Siehe dazu auch Kapitel 3.7.3.4.7.<br />
328 Hafner, 212f.
- 72 -<br />
Dokumente zu erstellen, falls die Klarstellung der Situation dies erfordert. 329 Erst<br />
durch diese vollständige Vorlage der Belege wird jene Kontrolle ermöglicht, die Art.<br />
398 aOR dem Auftraggeber einräumen will. Das Informationsrecht<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ verschafft dem Auftraggeber aber nur insoweit ein<br />
„Kontrollrecht“ (über die Geschäftsführung und den Geschäftsführer), als dieses durch<br />
die Pflicht zur Rechnungslegung resp. -stellung inkl. Belegungspflicht ex post<br />
realisiert werden kann. 330<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass diese bun<strong>des</strong>gerichtliche Rechtsprechung<br />
zu Art. 398 aOR deutlich von einer grundsätzlich schematischen und programmartigen<br />
Pflicht zur Rechenschaft ausging: Der Hauptfokus liegt auf der Pflicht zur belegten<br />
Rechnungslegung und der Rechnungsstellung. Der eigentliche <strong>St</strong>reitpunkt im Rahmen<br />
der Pflicht zur Rechnungslegung liegt bei der Art der Belegung der Rechnung als Teil<br />
der Pflicht zur Rechnungslegung. Aus den entsprechenden Ausführungen ergibt sich<br />
somit, dass die Pflicht zur Rechenschaft sowohl die Pflicht zur (belegten)<br />
Rechnungslegung als auch die Pflicht zur Rechnungsstellung umfasst, was die<br />
<strong>St</strong>ellungnahmen in der Lehre und die Gesetzgebungsgeschichte <strong>des</strong> aOR resp. OR<br />
bestätigen.<br />
2.8.4.2 BGE 23, 1842ff.: Urteil vom 30.12.1897 331<br />
In einem kurz darauf folgenden, weiteren bun<strong>des</strong>gerichtlichen Entscheid war über die<br />
Angemessenheit einer Anwaltshonorarforderung zu befinden, wobei das Honorar in<br />
Ermangelung einer Vertragsabrede und wegen der fehlender Anwendbarkeit eines<br />
Tarifs nach „Billigkeit“ gemäss den Grundsätzen <strong>des</strong> aOR festzusetzen war. <strong>Die</strong><br />
entsprechende Honorarforderung im Umfang von CHF 5’000 wurde vom <strong>Beauftragten</strong><br />
im fraglichen Verfahren einzig wie folgt begründet: „Nombreuses consultations,<br />
conférences, démarches au Comptoir d‘ Escompte, Caisse Hypothécaire, etc.“ 332<br />
In diesem Entscheid stand deutlich die Pflicht zur Rechnungsstellung im Zentrum der<br />
Erwägungen. Aufgrund der Tatsache, dass sich das schweizerische Mandatsrecht<br />
deutlich zum entgeltlichen Mandat bekannte, wurde die Frage der Durchsetzung <strong>des</strong><br />
329<br />
Siehe dazu auch die Ausführungen zur Belegungspflicht im Falle der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung in Kapitel 3.7.3.4.7.2.<br />
330<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.7.<br />
331 Ebenfalls wiedergegeben in HE 17, 115 [insbes. Ziff. 2].<br />
332 BGE 23, 1842ff. [Aus dem Sachverhalt].
- 73 -<br />
Honorars zu einer wesentlichen Frage im Mandatsrecht. 333 Aus den Ausführungen <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong>gerichts geht hervor, dass die Rechtsgrundlage der hier in Rede stehenden<br />
Pflicht zur Rechnungsstellung – wie die Pflicht zur Rechnungslegung – in Art. 398<br />
aOR zu finden ist. <strong>Die</strong>s ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, dass die<br />
entsprechenden Erwägungen ausdrücklich und ausschliesslich auf Art. 398 aOR Bezug<br />
nehmen. Nach dieser Rechtsprechung umfasst die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> demnach<br />
folgende Bereiche: (1) Zum einen ist die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> die (klassische) Pflicht<br />
zur Rechnungslegung, welche in ihrer Funktion und gemäss dem tradierten<br />
Verständnis auf die Ablieferungsobligation <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> ausgerichtet ist. (2) Zum<br />
anderen ist die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> in der Ausprägung der Rechnungsstellungspflicht<br />
aber auch jenes Instrument, durch das der Beauftragte seinen Vergütungsanspruch im<br />
entgeltlichen Mandatsrecht vorzubereiten und durchzusetzen hat. Betreffend die<br />
verwendete Begrifflichkeit kann auf die Ausführungen zum zuvor besprochenen<br />
Bun<strong>des</strong>gerichtsentscheid verwiesen werden. 334<br />
Das Bun<strong>des</strong>gericht hat den Inhalt der hier in Rede stehenden Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung dabei wie folgt umschrieben: „Il incombait à l’intimé [= Anwalt],<br />
afin de démontrer la légitimité de sa prétention, d’établir à quels services<br />
correspondent les honoraires qu’il réclame. Il est vrai que l’usage n’astreint pas partout<br />
et toujours les avocats à remettre <strong>des</strong> notes détaillées à leurs clients; mais il est clair<br />
que cette circonstance ne les <strong>des</strong>pense pas, en cas de contestation, de l’obligation de<br />
fournir la preuve <strong>des</strong> services dont ils demandent la rémunération.“ 335 <strong>Die</strong>se<br />
Belegstelle stellt vorderhand klar, dass ein Beauftragter grundsätzlich mit einer<br />
pauschalen Rechnung die ihn treffende <strong>Rechenschaftspflicht</strong> erfüllen kann, da sich die<br />
weitergehende Pflicht zur spezifizierten Rechnungsstellung nur im Falle der<br />
Bestreitung aktualisiert. Im Bestreitungsfalle macht das Bun<strong>des</strong>gericht deutlich, dass<br />
eine Auflistungspflicht betreffend diejenigen Leistungen besteht, für die eine<br />
Vergütung gefordert wird, ohne dabei allerdings weitere konkrete, inhaltliche<br />
Hinweise zu geben. Gerade in diesem Zusammenhang sind folglich die<br />
Einschränkungen zur <strong>Rechenschaftspflicht</strong> zu beachten: „D’autre part, on ne saurait<br />
exiger <strong>des</strong> avocats qu’ils rendent compte en détail de leurs moindres opérations et, en<br />
particulier, du temps consacré à chacune d‘elles. Il faut et il suffit que les indications<br />
fournies, et au besoin les pièces justificatives, permettent d’apprécier l’importance et<br />
333<br />
Schibli, passim.<br />
334<br />
Siehe dazu Kapitel 2.8.4.1.<br />
335<br />
BGE 23, 1842ff., E. 3.
- 74 -<br />
la nature du travail.“ 336 <strong>Die</strong> Auflistungspflicht und damit die Spezifizierungspflicht in<br />
der Rechnungsstellungspflicht ist damit keine vollständige und erschöpft sich in<br />
inhaltlicher Hinsicht in der Nennung der erbrachten <strong>Die</strong>nstleistungen, für die er eine<br />
Vergütung einfordert. Dabei hat sich der Beauftragte jedoch nicht in der Weise vor<br />
dem Auftraggeber zu rechtfertigen, indem etwa die einzelnen <strong>St</strong>unden pro aufgeführte<br />
<strong>Die</strong>nstleistung offenzulegen wären. Vielmehr genügt nach der Auffassung <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong>gerichts der Beauftragte seiner Rechnungsstellungspflicht, wenn durch seine<br />
Hinweise die „Bedeutung und die Art der Leistung“ offengelegt wird. Es handelt sich<br />
bei der Pflicht zur Rechnungsstellung um eine eigentliche Berichtspflicht, da sowohl<br />
Thema und Inhalt festgelegt sind: Das Thema ist die Spezifizierung <strong>des</strong><br />
Vergütungsanspruchs <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, was durch die Auflistung der erbrachten<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen (Inhalt) geleistet wird.<br />
Bei der Inhaltsbeschreibung der Rechnungsstellungspflicht wird durch das<br />
Bun<strong>des</strong>gericht – vor dem Hintergrund der Prüfung der Angemessenheit eines<br />
Vergütungsanspruchs – der Zweck der Rechnung im Zusammenhang mit der<br />
Rechnungsstellungspflicht hervorgehoben: Es ist sicherzustellen, dass die allgemeine<br />
und grundsätzliche Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Auftragsvertrages verwirklicht wird. <strong>Die</strong>s<br />
geschieht dadurch, dass die Leistungen und die Vergütung in einem vertretbaren<br />
Verhältnis zueinander stehen sollen (Äquivalenzgedanke im Vertragsrecht). Nur so<br />
sind auch die Ausführungen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts zu verstehen, dass „[d]er Advokat in<br />
Ermangelung eines besonderen dahin zielenden Vertrages keinen Anspruch auf einen<br />
Anteil an dem durch seine Mitwirkung erzielten Gewinn [hat], sondern nur auf<br />
337 Vergütung seiner Arbeitsleistung.“ Damit bezweckt die Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung als Berichtspflicht keine eigentliche Kontrolle. Der Auftraggeber<br />
soll lediglich in die Lage versetzt werden, dass er die Art der Arbeit und deren Umfang<br />
vor dem Hintergrund der konkreten Vergütungsforderung im Lichte der<br />
Vertragsgerechtigkeit einschätzen kann.<br />
<strong>Die</strong> Rechtsprechung will damit mittels der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss Art. 398 aOR<br />
die Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Auftragsvertrages sicherstellen. <strong>Die</strong>s erreicht die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> als Pflicht zur (belegten) Rechnungslegung zum einen dadurch,<br />
dass sie die eigentliche Ablieferungsobligation bestimmt und rechtfertigt. Zum<br />
anderen soll aber die Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Auftragsvertrages durch die<br />
336<br />
BGE 23, 1842ff., E. 3.<br />
337<br />
HE 17, 115 [Ziff. 3, 2. Absatz].
- 75 -<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> als (spezifizierte) Rechnungsstellungspflicht gewährleistet<br />
werden, indem für den Auftraggeber die Honorarnote auf ihre Angemessenheit hin<br />
überprüfbar sein soll. 338 <strong>Die</strong>se Überprüfung beschränkt sich aber im Kern auf die<br />
Überprüfung einer gewissen Vertragsgerechtigkeit im Sinne eines Äquivalenzgebotes<br />
von Leistung und Gegenleistung. Damit wird eine beträchtliche Unschärfe in der<br />
Überprüfung bewusst in Kauf genommen, da die entsprechende „Kontrolle“ nicht auf<br />
die einzelne Leistung oder die einzelne Tätigkeit abzielt. Zweck der Rechnung und<br />
damit der Rechnungsstellungspflicht ist eine viel gröbere Optik der Vertragsbeziehung<br />
als solcher. <strong>Die</strong>s sind der Regelungsgehalt und der Zweck der Informationspflicht<br />
„Rechenschaft“, wie sie in Art. 398 aOR kodifiziert und aufgrund der Revision gemäss<br />
Art. 400 OR in das auch heute geltende Recht übernommen worden sind. 339<br />
2.8.5 Fazit<br />
<strong>Die</strong> hier dargestellte Gesetzesentwicklung <strong>des</strong> schweizerischen Mandatsrechts zeigt<br />
das Bild einer kontinuierlichen Entwicklung in dem Sinne, als eine deutliche<br />
Orientierung an der Pflicht zur Rechnungslegung festgestellt werden kann. Zentraler<br />
Gedanke <strong>des</strong> gesamten Regelungsinhalts nach Art. 398 aOr resp. Art. 400 OR ist die<br />
Sicherstellung der Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Auftragsvertrags.<br />
Gestützt auf diesen Grundgedanken, fordert die Informationspflicht „Rechenschaft“<br />
zum einen die Pflicht zur belegten Rechnungslegung. Aufgrund der Tatsache der<br />
grundsätzlichen Entgeltlichkeit <strong>des</strong> Auftrages ist festzustellen, dass sich die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> zudem zu einer eigentlichen Pflicht zur Rechnungsstellung<br />
entwickelt hat. Dabei bestimmt jedoch der Zweck der Rechnung den Inhalt der Pflicht<br />
zur Rechnungsstellung, indem einzig eine Spezifizierung und damit eine inhaltliche<br />
Detaillierung der Information gefordert wird, soweit es der entsprechende Zweck<br />
rechtfertigt: <strong>Die</strong> Überprüfbarkeit der Angemessenheit der Honorarforderung. Im<br />
Ergebnis ist die mandatsrechtliche <strong>Rechenschaftspflicht</strong> die Pflicht zur belegten oder<br />
anderswie justifizierten Rechnungslegung resp. zur spezifizierten Rechnungsstellung.<br />
<strong>Die</strong>se Pflicht weist in inhaltlicher Hinsicht eine beträchtliche Unschärfe hinsichtlich<br />
der eigentlichen Überprüfung auf, da die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> v.a. die<br />
Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Auftrages belegen soll.<br />
338<br />
Zum Zweck der Rechnung: Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.7.3.4.4. Zum<br />
entsprechenden Inhalt einer Abrechnungspflicht: Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel<br />
3.7.3.4.5.<br />
339<br />
Siehe dazu die Ausführungen zur Entwicklung in der Schweiz in Kapitel 2.8 sowie zur<br />
Abrechnungspflicht in Kapitel 3.7.3.
- 76 -<br />
<strong>Die</strong> in der rechtshistorischen Darstellung festgestellte Eigenständigkeit in<br />
Gesetzgebung und Rechtsprechung macht es möglich, den Regelungsgehalt der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> eigenständig und etwa losgelöst von den übrigen<br />
Rechtsentwicklungen festzulegen (vgl. etwa die letzten Entwicklungen in der Zweiten<br />
Kommission zum BGB). 340 Namentlich ist von Bedeutung, dass die deutsche<br />
Rechtsentwicklung hin zu einem weiten Informationsrecht „Rechenschaft“ im BGB<br />
die schweizerische Rechtsprechung nicht beeinflusst hat.<br />
340 Deshalb wird in dieser Untersuchung die deutsche Lehre und Rechtsprechung weit<br />
weniger stark berücksichtigt, als dies in einem Grossteil der schweizerischen Lehre zum<br />
Auftragsrecht der Fall ist (vgl. insbesondere Hofstetter, 2000, oder auch die Kommentare<br />
BK-Fellmann und BasK-Weber).
2.9 Fazit<br />
- 77 -<br />
<strong>Die</strong> Darstellungen der einschlägigen Digestenstellen sowie der entsprechenden<br />
Spezialliteratur haben ergeben, dass die in der Gesetzgebungsgeschichte immer wieder<br />
an zentraler <strong>St</strong>elle genannten Digestenstellen deutlich von einer „Rechenschaft“ im<br />
Sinne einer Pflicht zur Rechnungslegung handeln. <strong>Die</strong> Pflicht zur Rechenschaft<br />
erscheint nach diesen Belegstellen jeweils in engem Zusammenhang mit der<br />
Ablieferungsobligation.<br />
Bei der Behandlung der einzelstaatlichen deutschen Kodifikationen<br />
(Hessen/Bayern/Sachsen) hat sich gezeigt, dass von einer gefestigten Rechtstradition<br />
auszugehen ist, welche die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als eine blosse Pflicht zur<br />
Rechnungslegung verstanden hat. <strong>Die</strong>se Tradition und Fixierung setzt sich auch in der<br />
Kodifikationsgeschichte zum Dresdener Entwurf fort: Sowohl die Materialien als auch<br />
die Verhandlungen zum Dresdener Entwurf zeigen eine starke Orientierung an der<br />
Pflicht zur Rechnungslegung, wobei der funktionale Zusammenhang mit der<br />
Ablieferungsobligation betont wird. <strong>Die</strong> Entwicklungsgeschichte zum BGB zeigt zu<br />
Beginn eine klare Orientierung an den tradierten Konzepten. Erst die späteren<br />
Beratungen lassen erkennen, dass eine grundsätzliche Ausweitung der<br />
Informationspflichten <strong>des</strong> Auftraggebers angestrebt wurde, wobei die<br />
Rechtsentwicklung nicht kontinuierlich und nicht ohne Widersprüche verläuft. Im<br />
Ergebnis führt die deutsche Entwicklung zu einer eigentlichen Informationsnorm in<br />
§666 BGB. <strong>Die</strong> Schaffung einer entsprechenden Informationsnorm findet in der<br />
schweizerischen Gesetzgebungsgeschichte keine Entsprechung. Entsprechende<br />
Schlussfolgerungen, welche aus der deutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung<br />
entlehnt sind, sind <strong>des</strong>halb grundsätzlich mit Vorsicht zu geniessen. In diesem<br />
Zusammenhang ist auch der weitere Hinweis von Bedeutung, dass die entsprechenden<br />
Beratungen zum BGB erst nach Abschluss <strong>des</strong> aOR stattgefunden haben, wodurch<br />
diese Entwicklungen keinen Eingang in die schweizerische Gesetzgebungsgeschichte<br />
gefunden haben.<br />
<strong>Die</strong> Analyse der Rechtslage zum ALR und die Verarbeitung der Pandektenliteratur<br />
haben ergeben, dass die Pflicht zur Rechenschaft als die Pflicht zur Rechnungslegung<br />
dargestellt worden war. In den jeweiligen Belegstellen kam zudem eine klare<br />
Orientierung an der Ablieferungsobligation zum Ausdruck und gerade die<br />
Gerichtspraxis hat die belegte Rechnungslegung als eigentlich äusserste Form der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> dargestellt.
- 78 -<br />
Besonders eindeutig fielen die Ergebnisse im Bereich <strong>des</strong> Code Civil und <strong>des</strong> ABGB<br />
aus: Beide Kodifikationen setzten zur damaligen Zeit die Pflicht zur Rechenschaft der<br />
Pflicht zur Rechnungslegung gleich.<br />
<strong>Die</strong> Analyse der Rechtslage unter dem PGB hat ergeben, dass diese Kodifikation die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> als eine Pflicht zur (belegten) Rechnungsstellung anerkannte.<br />
Von besonderem Interesse ist die Rechtsprechung, die den Zusammenhang aufdeckt,<br />
dass das Vertrauen beim Eingehen einer mandatsrechtlichen Beziehung zur<br />
Relativierung der Informationspflichten führen kann.<br />
<strong>Die</strong> Aufarbeitung der schweizerischen Gesetzgebungsgeschichte hat ergeben, dass Art.<br />
398 aOR resp. Art. 400 Abs. 1 OR unter dem Titel der „Rechenschaft“ die Pflicht zur<br />
Rechnungslegung und die Pflicht zur Rechnungsstellung statuieren. Soweit es die<br />
Rechnungslegung betrifft, umfasst die Pflicht auch die Belegung der einzelnen<br />
Positionen. Im entgeltlichen Mandatsrecht ist der eigentliche Gegenstand der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> die Pflicht zur Rechnungsstellung. Dabei bestimmt der Zweck<br />
der Rechnung den Inhalt der Pflicht zur Rechnungsstellung. Der Zweck ist die<br />
Sicherstellung der Überprüfbarkeit der Angemessenheit der Honorarforderung, wobei<br />
der Fokus auf der Sicherstellung der Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Mandats gelegen hat. <strong>Die</strong><br />
entsprechende Spezifizierungspflicht fordert <strong>des</strong>halb die inhaltliche Detaillierung der<br />
Information, soweit es der entsprechende Zweck rechtfertigt, was inhaltlich eine<br />
beträchtliche, aber bewusst in Kauf genommene Unschärfe der Informationspflicht<br />
„Rechenschaft“ bedeutet. Im Ergebnis ist die mandatsrechtliche <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
die Pflicht zur belegten oder anderswie justifizierten Rechnungslegung resp. zur<br />
spezifizierten Rechnungsstellung. <strong>Die</strong>ser Pflichteninhalt lässt sich aus der<br />
Gesetzgebungsgeschichte und aus der alten Rechtssprechung zum Art. 398 aOR resp.<br />
Art. 400 OR herleiten.
- 79 -<br />
3 Rechtssystematische Untersuchung der<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ im Auftragsrecht<br />
3.1 Vorbemerkungen<br />
In Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit wurde die rechtshistorische Entwicklung der<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ in verschiedenen Kodifikationen dargestellt. In<br />
diesem Kapitel 3 wird nun weiter untersucht, welche Argumente für Bestand, Inhalt<br />
und Umfang der Informationspflicht „Rechenschaft“ aus einer rechtssystematischen<br />
Betrachtungsweise gewonnen werden können. In dieser Betrachtung werden<br />
insbesondere verschiedene Typenmerkmale und Institutionen <strong>des</strong> Auftragvertrages auf<br />
ihren Einfluss auf die entsprechende spezifische Informationspflicht „Rechenschaft“<br />
<strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> untersucht. 341<br />
Ausgangspunkt der rechtssystematischen Darstellung ist die Tatsache einer<br />
Dokumentationspflicht im schweizerischen Auftragsrecht (Kapitel 3.2). Aus diesem<br />
Grund beginnt die Darstellung mit der Erarbeitung der Rechtsgrundlagen und <strong>des</strong><br />
Inhalts der entsprechenden Dokumentationspflicht. Entscheidend wird in diesem<br />
Zusammenhang die Frage sein, welchen Zwecken die entsprechende Dokumentation<br />
dient. <strong>Die</strong> entsprechende Dokumentation <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> steht <strong>des</strong>halb auch im<br />
Fokus von verschiedenen (behaupteten) Anspruchsgrundlagen seitens <strong>des</strong><br />
Auftraggebers: Als Anspruchsgrundlagen auf Erhalt der Dokumentation werden die<br />
Ablieferungsobligation (Kapitel 3.3.1 bis 3.3.3), die Vorlegungspflicht (Kapitel 3.3.4)<br />
und das Datenschutzrecht (Kapitel 3.4) untersucht. In Kapitel 3.3 wird die<br />
Ablieferungsobligation insbesondere hinsichtlich dieser Dokumentation ausführlich<br />
analysiert, wobei die Kriterien erarbeitet werden, welche die entsprechende<br />
Ablieferungsobligation <strong>des</strong> Auftraggebers bestimmen. Das Kapitel 3.4.3 befasst sich<br />
anschliessend im Zusammenhang mit der Bestimmung <strong>des</strong> sachlichen<br />
Anwendungsbereichs <strong>des</strong> Datenschutzrechts eingehend mit der Frage der<br />
Interessenabwägung im Auftragsrecht, soweit es für die Bestimmung einer<br />
Informationsordnung im Auftragsrecht notwendig und sachdienlich ist. In einem<br />
nachfolgenden Kapitel 3.4.4 wird durch eine eingehende Beschäftigung mit dem<br />
datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch im privatrechtlichen Anwendungsbereich<br />
<strong>des</strong> DSG nachgewiesen werden, dass sich eine einheitliche Informationsordnung im<br />
341<br />
Für eine Übersicht über die Typenmerkmale <strong>des</strong> Auftragsvertrags: Siehe dazu Kapitel<br />
1.3.1.
- 80 -<br />
Auftragsrecht ergibt, weil die schuldrechtlichen und datenschutzrechtlichen<br />
Informationsordnungen zusammenspielen und sich ergänzen resp. vervollständigen.<br />
Nachdem in den Kapiteln 3.2 bis 3.4 die Fragen geklärt werden, welche Ansprüche der<br />
Auftraggeber gegenüber dem <strong>Beauftragten</strong> auf die schriftlich fixierte Information hat,<br />
wird in den Kapiteln 3.5 bis 3.7 untersucht, welchen Einfluss weitere Typenmerkmale<br />
resp. Institutionen <strong>des</strong> Auftragsrechts auf eine generelle Informationsordnung, gestützt<br />
auf Art. 400 OR, haben können. Es werden die Einflüsse „Weisungsrecht,<br />
„Widerrufsrecht“, „Vertrauensverhältnis“ und „genereller<br />
Interessenwahrungsgrundsatz“ ausführlich dargestellt. In Kapitel 3.5 werden das<br />
Weisungsrecht im Auftragsvertrag im Vergleich zur Rechtslage im<br />
Einzelarbeitsvertrag analysiert und die entsprechenden Schlussfolgerungen für eine<br />
Informationsordnung im Auftragsrecht im Allgemeinen und für eine<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ im Besonderen abgeleitet. <strong>Die</strong> Behandlung <strong>des</strong><br />
Widerrufsrechts <strong>des</strong> Auftraggebers in Kapitel 3.6 setzt sich weiter mit dem<br />
Auftragsvertrag als Vertrauensbeziehung auseinander und untersucht in diesem<br />
Zusammenhang die Notwendigkeit eines entsprechenden Informationsrechts.<br />
Abschliessend behandelt Kapitel 3.7 ausführlich die Interessensituation im<br />
Auftragsvertrag im Allgemeinen (Kapitel 3.7.1) und durch eine vergleichende<br />
Darstellung mit dem Informationsrecht im Personengesellschaft im Besonderen<br />
(Kapitel 3.7.2). Dabei werden die entsprechenden Schlussfolgerungen für eine<br />
Informationsordnung im Auftragsrecht aus einem systematischen Vergleich mit der<br />
Rechtslage im Personengesellschaftsrecht formuliert. In der Auseinandersetzung mit<br />
der Interessenlage zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wird, gestützt auf die<br />
übrigen Erkenntnisse der systematischen Betrachtungsweise in Kapitel 3, der Inhalt<br />
der Informationspflicht „Rechenschaft“ ausführlich dargestellt, wie er sich aus der<br />
Rechtsgrundlage in Art. 400 Abs. 1 OR (als Abrechnungspflicht [Kapitel 3.7.3])<br />
herleiten lässt.<br />
Im Rahmen einer rechtssystematischen Betrachtungsweise liegt es in der Natur der<br />
Sache, dass die jeweiligen Ergebnisse von der konkret betrachteten Rechtsordnung<br />
bestimmt werden. Deshalb erfolgt anschliessend eine starke Fokussierung auf die<br />
Rechtslage im schweizerischen Recht. <strong>Die</strong> Auseinandersetzung mit dem ausländischen<br />
Recht wird auf ein Minimum beschränkt. 342<br />
342 <strong>Die</strong>s gilt insbesondere auch für die deutsche Rechtslage.
- 81 -<br />
3.2 Dokumentationspflicht als Grundlage im schweizerischen<br />
Auftragsrecht<br />
3.2.1 Vorbemerkungen<br />
In diesem Kapitel wird die Frage untersucht, in welcher Weise das schweizerische<br />
Auftragsrecht eine Dokumentationspflicht kennt. Nach einer einleitenden<br />
Vorbemerkung (Kapitel 3.2.1) werden nachfolgend die Rechtsgrundlagen und der<br />
Inhalt der Dokumentationspflicht erarbeitet (Kapitel 3.2.2 und 3.2.3), soweit sie sich,<br />
gestützt auf schuldrechtliche Grundlagen, ergeben. Nachfolgend wird in der<br />
vorliegenden Arbeit von der Dokumentationspflicht und der Dokumentation als dem<br />
Resultat der Dokumentationspflicht gesprochen. 343<br />
Den <strong>Beauftragten</strong> trifft eine eigentliche Aktenführungspflicht, sobald der Auftrag über<br />
eine einfache Anfrage oder Tathandlung hinausgeht. 344 Damit wird aber vorerst nur<br />
beschrieben, was ein Beauftragter im geschäftlichen Bereich ohnehin<br />
arbeitsorganisatorisch für die Auftragsabwicklung vorsehen muss. In der vorliegenden<br />
Arbeit wird in diesem Zusammenhang auch von den sog. Handakten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
gesprochen. 345 <strong>Die</strong> Handakten betreffen grundsätzlich diverse Dokumente etc., die aus<br />
irgendeinem Grund in den Bereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> gekommen sind. <strong>Die</strong> Handakten<br />
umfassen aber auch die Dokumentation, die der Beauftragte aufgrund der ihm<br />
obliegenden Dokumentationspflicht erstellt. Dabei kommt der entsprechenden<br />
Dokumentation ein besonderer <strong>St</strong>ellenwert zu, da sie sich in verschiedenen Bereichen<br />
von den übrigen Handakten unterscheidet. Zur Illustration der Besonderheit der<br />
Dokumentation und damit der Dokumentationspflicht kann einleitend auf folgende<br />
Bemerkungen über die Dokumentation und die entsprechende Dokumentationspflicht<br />
hingewiesen werden, die in der deutschen Lehre zur Informationsverarbeitung<br />
ausgeführt wurden: „ [Es war und ist] keine Regelung ersichtlich, aus der sich eine<br />
Pflicht <strong>des</strong> Anwalts dahin ergäbe, die ihm bekannt gewordene Informationen oder<br />
gedanklich/gesprächsweise erarbeitete Gesichtspunkte, soweit sie für das jeweilige<br />
Mandat von Bedeutung sein können, vollständig zu speichern.“ 346 „<strong>Die</strong> beste<br />
Aktenführung ist (...) diejenige, welche es auch anderen Personen (...) ermöglicht, aus<br />
343 Als Begriff mit identischem oder sehr ähnlichem Inhalt wird auch die<br />
Aufzeichnungspflicht genannt. Für die grosse Vielfalt der verwendeten Begriffe in einem<br />
zu diesem Thema wichtigen Bereich (Arztvertrag): Hohloch, 2580 FN 37.<br />
344 Hofstetter, 2000, 116 (mit weiteren Hinweisen).<br />
345 Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.<br />
346 Rüpke, Advokatur, 11 (Hervorhebung im Original); Rüpke, Anwaltsrecht, 3098.
- 82 -<br />
den Akten ein klares Bild über den <strong>St</strong>and der Sache zu gewinnen. Eine Pflicht zur<br />
Erreichung dieses Ideals besteht aber nicht. Inwieweit der Anwalt durch Aktennotizen<br />
jeden Vorgang festlegen oder sich auf sein Gedächtnis verlassen will, wieweit er kurze<br />
(...) <strong>St</strong>ichworte einer ausführlichen (...) Sachdarstellung vorzieht usw., ist seine<br />
Sache.“ 347 <strong>Die</strong> Entwicklung der Krankengeschichte wird wie folgt beschrieben: „Seit<br />
langem machen die Ärzte Aufzeichnungen über Anamnese, Diagnose und Verlauf der<br />
Behandlung. War der Zweck dabei zunächst eher der einer persönlichen<br />
Gedächtnisstütze, so wurden nachvollziehbare Aufzeichnungen zu einer<br />
Notwendigkeit, sobald es zur Übernahme der Behandlung durch einen anderen Arzt,<br />
zum Zusammenwirken mehrerer Ärzte und zur Übermittlung von Daten durch dritte<br />
spezialisierte <strong>St</strong>ellen, etwa Laboratorien, kam. Der Sinn der Niederlegung bestand<br />
weiterhin im Festhalten flüchtiger Daten. <strong>Die</strong>ser Niederlegung war von vornherein nur<br />
ein beschränkter Zugang gewidmet, der vor allem für andere behandelnde Ärzte und<br />
das Hilfspersonal bestimmt war. Eine Verbreitung über diesen Kreis hinaus,<br />
insbesondere ein Zugang an den Patienten, hat sich erst im Laufe der Zeit<br />
entwickelt.“ 348<br />
<strong>Die</strong>se Ausführungen setzen sich grundsätzlich mit dem Bestand einer<br />
Dokumentationspflicht im Auftragsrecht auseinander und stellen die Frage nach dem<br />
„Eingriff“ einer entsprechenden Pflicht in die Mandatsbeziehung, ohne gleich den<br />
Zweck der Dokumentation für den Auftraggeber anzuführen. Hinter diesen<br />
<strong>St</strong>ellungnahmen steht die Überzeugung, dass es der Beauftragte sei, der das Ausmass<br />
der Dokumentation bestimmt, da es sich bei der Dokumentation um eine Pflicht<br />
handelt, die zuerst dem Auftraggeber direkt dient: Sie unterstützt den Auftragnehmer<br />
in der Abwicklung <strong>des</strong> Auftrages und fördert damit indirekt die Interessen <strong>des</strong><br />
Auftraggebers durch die Ausführungsobligation oder Ablieferungsobligation. Es ist<br />
die Idee, dass es sich bei Aufzeichnungen grundsätzlich um den (Eigen-) Bereich 349<br />
und um die Sache <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> handelt. Entsprechend stellt die Dokumentation<br />
eine Ansammlung von Informationen dar, die grundsätzlich durch Kriterien bestimmt<br />
wird, welche sich der Beauftragte selbst gibt. Aus diesem Grund wird in dieser Lehre<br />
auch Abstand davon genommen, die Dokumentationspflicht in inhaltlicher Hinsicht<br />
genauer festzulegen. Im Rahmen der Dokumentationspflicht ist aber zu untersuchen,<br />
347<br />
Friedlaender, § 32 N 4 [§ 32 der Rechtsanwaltsordnung ist der Vorläufer von § 50 der<br />
geltenden Bun<strong>des</strong>rechtsanwaltsordnung (Hervorhebungen im Original)].<br />
348<br />
Deutsch/Spickhoff, Rz. 449.<br />
349<br />
Siehe dazu auch die Ausführungen zum Datenschutzrecht in Kapitel 3.4, insbesondere<br />
Kapitel 3.4.3.
- 83 -<br />
wie die angesprochene indirekte Befriedigung von Interessen <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
sichergestellt ist. <strong>Die</strong>s ist die Frage nach dem Zweck der Dokumentationspflicht,<br />
welche die Dokumentation selbst, aber auch die entsprechenden Informationsrechte<br />
auf die Dokumentation beeinflusst. 350 Bereits an dieser <strong>St</strong>elle ist auf die Entwicklung<br />
hinzuweisen, dass insbesondere Haftungsprozesse einen bedeutenden faktischen<br />
Einfluss auf die Dokumentationspflicht haben, da in diesen Situationen dem<br />
<strong>Beauftragten</strong> wegen mangelnder Belegungsmöglichkeit die Nichterfüllung der<br />
Beweis- oder Substanziierungspflicht resp. -last vorgehalten werden kann. 351 Weiter<br />
ist es auch Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen, die rechtliche Grundlage der<br />
Dokumentationspflicht kritisch darzustellen.<br />
Es ist auch gerade die deutsche Lehre, welche v.a. im Bereich <strong>des</strong> Arztrechts im<br />
Zusammenhang mit der Dokumentationspflicht das Unbehagen über eine allgemeine<br />
Entwicklung ausgedrückt: Durch die Dokumentationspflicht erfolgt eine weitere<br />
Verrechtlichung der Beziehungen zwischen Arzt und Patient. Es treten dabei<br />
„Rechtspflichten und Ansprüche der Vertragspartner an die <strong>St</strong>elle <strong>des</strong> rechtsfernen<br />
‚Vertrauensverhältnisses‘, mit <strong>des</strong>sen Betonung insbesondere die ärztliche<br />
<strong>St</strong>an<strong>des</strong>literatur das ‚Eindringen‘ <strong>des</strong> Rechts in die Beziehung Arzt – Patient<br />
abzuwehren pflegt.“ 352 Durch eine entsprechende Dokumentationspflicht wird die<br />
Beziehung gewissermassen „aktenkundig“ gemacht, was die Folgefrage aufwirft,<br />
welche Personen Einsicht in diese Aufzeichnungen erlangen können. 353<br />
3.2.2 Dokumentationspflicht im allgemeinen Auftragsrecht<br />
3.2.2.1 Rechtsgrundlage der Dokumentationspflicht im allgemeinen<br />
Auftragsrecht<br />
<strong>Die</strong> allgemeine Lehre zum Auftragsrecht beschäftigt sich nicht ausführlich und<br />
gesondert mit der Dokumentationspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>. Es kann jedoch generell<br />
festgestellt werden, dass die entsprechende Pflicht im schweizerischen Auftragsrecht<br />
unterschiedlich hergeleitet wird: Einige Lehrmeinungen begründen eine<br />
Dokumentationspflicht mit der jederzeitigen <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>. 354<br />
350<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.3, 3.3.4 und 3.4.<br />
351<br />
<strong>Die</strong>s besonders deutlich auch im Rahmen der Aufklärungspflicht. In diesem<br />
Zusammenhang sei insbesondere auf die Entwicklung in der Schweiz hingewiesen, wie<br />
sie in ZR 44 Nr. 160 (insbesondere E. 4 und 5) in ihren Anfängen dokumentiert ist.<br />
352<br />
Hohloch, 2578, mit zahlreichen Hinweisen auf die Lehre.<br />
353 Siehe dazu Kapitel 3.3.4, 3.4 und 3.7.3.<br />
354 BK-Fellmann, Art. 400 N 44 und N 139; BasK-Weber, Art. 400 N 3.
- 84 -<br />
Andere Lehrmeinungen erwähnen demgegenüber die Sorgfaltspflicht als eigentliche<br />
Grundlage einer Dokumentationspflicht. 355 Das Bun<strong>des</strong>gericht bleibt demgegenüber in<br />
einem Entscheid zum allgemeinen Auftragsrecht eher unbestimmt, indem es ausführt:<br />
„[Zur Erstattung der Abrechnung, Art. 400 OR] bedarf es entgegen der Meinung <strong>des</strong><br />
Beklagten nicht notwendigerweise Quittungen, sondern es genügen jene schriftlichen<br />
Aufzeichnungen, die der Beauftragte nach Vertrag gehalten ist, über seine Tätigkeit zu<br />
verfassen.“ 356 Es ergibt sich aus diesen Ausführungen, die für die schweizerische<br />
Lehre und Rechtsprechung symptomatisch kurz und kursorisch ausfallen, dass<br />
verschiedene Rechtsgrundlagen oder die schlichte Tatsache <strong>des</strong> Bestan<strong>des</strong> eines<br />
Vertrages für eine Dokumentationspflicht genannt werden.<br />
3.2.2.2 Inhalt der Dokumentationspflicht im allgemeinen Auftragsrecht<br />
Grundsätzlich findet sich im allgemeinen Auftragsrecht keine Inhaltsbeschreibung der<br />
Dokumentationspflicht. Vielmehr lässt sich der Inhalt der Dokumentationspflicht in<br />
der schweizerischen Lehre nur mittelbar über die Beschreibung <strong>des</strong> Inhalts von<br />
Informationsrechten <strong>des</strong> Auftraggebers erschliessen. Im Zusammenhang mit einem<br />
Vorlegungsrecht oder einem Recht auf eine Kopie 357 und mit den weiteren<br />
Informationsrechten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> (<strong>Rechenschaftspflicht</strong>, Auskunftspflicht,<br />
Aufklärungspflicht etc.) beschreibt die Lehre in der Tendenz eine umfassende<br />
Dokumentationspflicht, wobei dem Auftraggeber ein dementsprechender Anspruch auf<br />
vollständige, wahrheitsgemässe und rechtzeitige Information zugestanden wird. <strong>Die</strong><br />
allgemeine Mandatslehre zeichnet sich <strong>des</strong>halb im Zusammenhang mit der<br />
Inhaltsbestimmung der Dokumentationspflicht dadurch aus, dass verschiedene<br />
Einflüsse auf die Dokumentationspflicht vermengt werden, weshalb sich die<br />
entsprechende Lehre für eine Erarbeitung <strong>des</strong> Inhalts der Dokumentationspflicht nicht<br />
eignet.<br />
3.2.3 Dokumentationspflicht im Arztvertrag<br />
3.2.3.1 Allgemeines<br />
Nachfolgend werden die Rechtsgrundlagen und der Inhalt der Dokumentationspflicht<br />
im Auftragsvertrag in der Auseinandersetzung mit dem Arztvertrag erarbeitet. Eine<br />
355<br />
Hofstetter, 2000, 116.<br />
356<br />
BGE 110 II 181ff., E. 2. Da sich der Entscheid auf die Lehrmeinung Hofstetter, 1979, 90,<br />
beruft, ist zu vermuten, dass das BGer die Rechtsgrundlage in einer allgemeinen<br />
Sorgfaltspflicht erkennt.<br />
357 Siehe dazu Kapitel 3.3.4.
- 85 -<br />
Beschäftigung mit dem Arztvertragsrecht rechtfertigt sich <strong>des</strong>halb, weil hier Bestand<br />
und Inhalt einer Dokumentationspflicht – auch insbesondere gestützt auf die Lehre und<br />
eine ausführliche Gerichtspraxis – dargestellt werden können. Wie sich aus den<br />
weiteren Ausführungen ergeben wird, kann die entsprechend ausgemachte Rechtslage<br />
verallgemeinert werden, sodass sich die Auseinandersetzung mit dem<br />
Arztvertragsrecht für die Erarbeitung einer generell anzuerkennenden<br />
mandatsrechtlichen Dokumentationspflicht besonders eignet.<br />
Der Arztvertrag unterliegt – soweit die hier vorliegende Arbeit untersucht – dem Recht<br />
<strong>des</strong> einfachen Auftrags gemäss Art. 394ff. OR. 358 Soweit sich die Aussagen und<br />
Ergebnisse zum Arztvertrag auf die schuldrechtlichen Bestimmungen <strong>des</strong> einfachen<br />
Auftragsvertrages nach Art. 394ff. OR abstützen lassen, können die Aussagen und<br />
Ergebnisse allgemeine Geltung im Auftragsrecht beanspruchen. In diesem Sinne<br />
erfolgt die nachgehende Darstellung zum Arztrecht exemplarisch. Dabei werden<br />
nachfolgend die Rechtsgrundlagen und der Inhalt der Dokumentationspflicht anhand<br />
<strong>des</strong> Arztvertragsrechts erarbeitet und die Aussagen und Ergebnisse jeweils auf ihre<br />
Allgemeinverbindlichkeit für das gesamte Auftragsrecht untersucht.<br />
3.2.3.2 Rechtsgrundlage der Dokumentationspflicht im Arztvertrag<br />
Im Bereich <strong>des</strong> Arztrechtes ist zwischen privatrechtlich und öffentlich-rechtlich<br />
geregelten Verträgen zu unterschieden 359 , wobei auch im zweiten Fall unter<br />
Umständen Bun<strong>des</strong>zivilrecht anwendbar ist. 360 Weil in der vorliegenden Arbeit die<br />
Dokumentationspflicht, gestützt auf Bun<strong>des</strong>zivilrecht, interessiert, steht grundsätzlich<br />
das privatrechtlich geregelte Rechtsverhältnis im Vordergrund. Allerdings werden<br />
auch die Entwicklungen im Bereich <strong>des</strong> öffentlich-rechtlich geregelten Arztrechtes<br />
vergleichend berücksichtigt, da in diesem Bereich eine entsprechende Rechtsprechung<br />
vorliegt. Auf das Arzt-Patienten-Verhältnis kommt – wenn die Rechtsbeziehung nicht<br />
im Anwendungsbereich kantonal-öffentlich-rechtlicher Normen liegt – grundsätzlich<br />
Auftragsrecht (Art. 394 ff. OR) zur Anwendung. 361 Wie im allgemeinen Mandatsrecht<br />
358<br />
Siehe dazu auch Kapitel 3.2.3.2.<br />
359<br />
Kuhn, 21ff. und 50ff.; Brühwiler-Frésey, 13ff. und 33ff. Aus der Rechtsprechung: BGE<br />
122 I 139ff., E. 4a (mit weiteren Hinweisen). Kantonale zivilrechtliche Regelungen<br />
können demgegenüber keinen Bestand haben, da solche „nur soweit erlassen [werden<br />
dürfen], als das Bun<strong>des</strong>recht ausdrücklich oder dem Sinn nach die Geltung kantonalen<br />
Rechts vorbehält.“ Im Bereich der Dokumentationspflicht sind entsprechend die<br />
öffentlich-rechtlichen Vorschriften in den Gesundheitsgesetzen zu beachten: Siehe dazu<br />
Roggo, 206f. FN 933.<br />
360<br />
Kuhn, 51 (mit einem Beispiel aus dem Kanton Zürich in FN 112); Jäger, 45ff.<br />
361<br />
Payllier, 23; Eisner, 22f.; Brühwiler-Frésey, 13f.; Jäger, 50; BK-Fellmann, Art. 394 N 185<br />
(je mit weiteren Hinweisen). Analoges gilt auch für den Zahnarzt. Zu beachten sind in
- 86 -<br />
wird auch im Bereich <strong>des</strong> Arztvertragsrechts die Dokumentationspflicht in Lehre und<br />
Rechtsprechung unterschiedlich begründet:<br />
<strong>Die</strong> Dokumentationspflicht wird von einem Teil der Literatur in einem engen<br />
Zusammenhang mit der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gesehen, weshalb die<br />
Dokumentationspflicht direkt aus Art. 400 Abs. 1 OR abgeleitet wird. 362 Danach<br />
schreibt diese Norm die Führung einer Krankengeschichte vor 363 , da jederzeit<br />
sichergestellt sein müsse, dass der Beauftragte Bericht erstatten könne. 364 Nur durch<br />
die Wahrnehmung einer entsprechenden Dokumentationspflicht könne ein Arzt<br />
überhaupt die Qualitätskriterien der Rechenschaftsablegung erfüllen. 365 Es wird auch<br />
die Bedeutung der Dokumentationspflicht im Bereich der Rechnungsstellungspflicht<br />
hervorgehoben, da durch die Dokumentationspflicht die entsprechenden Informationen<br />
bereitgestellt werden müssen. 366<br />
Daneben wird die Ansicht vertreten, dass die Dokumentationspflicht eine eigentliche<br />
Doppelgrundlage aufweise: Der Arzt sei sowohl nach Art. 400 Abs. 1 OR als auch<br />
nach Art. 398 OR verpflichtet, eine Dokumentation anzulegen. 367 Danach basiert die<br />
Dokumentationspflicht sowohl auf der Pflicht zur Rechenschaftsablage als auch auf<br />
der allgemeinen Treue- und Sorgfaltspflicht. 368 Andere Lehrmeinungen stellen die<br />
diesem Zusammenhang aber die heiklen Abgrenzungsfragen im Zusammenhang mit den<br />
allgemeinen Abteilungen in sog. „privaten“ Spitälern hinsichtlich der Frage der<br />
anwendbaren Haftungsbestimmungen: Gessel/Guillod, 420ff.<br />
<strong>Die</strong>sbezüglich kann auf die Bestrebungen in der Revision <strong>des</strong> Haftpflichtrechts<br />
hingewiesen werden, wonach eine Vereinheitlichung der Haftungsregeln für die ganze<br />
spitalärztliche Tätigkeit angestrebt wird. Zum Entwurf über ein einheitliches<br />
Haftpflichtrecht sei auf die umfassenden Berichte für den Schweizerischen Juristenverein<br />
hingewiesen: ZSR 2003 II. Halbband passim.<br />
362<br />
So deutlich Kuhn, 25f., bereits auch im Titel: „b) Rechenschafts- und<br />
Dokumentationspflicht“; Geiser, Aufklärung, 1148; Roggo, 206.<br />
363<br />
Kuhn, 26 (unter Berufung auf Laufs, 1125); Geiser, Aufklärung, 1148. Deutsch/Spickhoff,<br />
Rz. 452: „Nach anfänglichem Zögern ist es mittlerweile allgemeine Meinung, dass die<br />
Niederlegung der Krankendaten Pflicht <strong>des</strong> Arztes ist.“<br />
364<br />
Sowohl auch BK-Fellmann, Art. 400 N 139 i.V.m. N 44.<br />
365<br />
Brühwiler-Frésey, 170 (nach BK-Gautschi, Art. 400 N 23a: Insbesondere vollständige und<br />
rechtzeitige Information).<br />
366<br />
Geiser, Aufklärung, 1148, sieht eine wichtige Funktion der Dokumentationspflicht in der<br />
Grundlage für die Rechnungsstellung. Siehe dazu auch Kapitel 3.7.3.<br />
367<br />
Brühwiler-Frésey, 169f.; BK-Gautschi, Art. 398 N 31n (unter Berufung auf ZR 44 Nr.<br />
160); Wiegand, Aufklärungspflicht, 197 (inkl. FN 374) i.V.m. 126 und 129; Müller, 126.<br />
368<br />
So bereits der Grundsatzentscheid in ZR 44 Nr. 160 E. 4. Obwohl als eigentliche<br />
Grundlage der Dokumentationspflicht ausdrücklich § 6 der Verordnung über die<br />
Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit vom 23.11.1933 bezeichnet worden ist, wurde<br />
bereits in diesem frühen Entscheid ausgeführt, dass „die allgemeine ärztliche<br />
Sorgfaltspflicht <strong>des</strong> Zahnarztes u. U. eine umfangreichere Krankengeschichte verlangt.“
- 87 -<br />
Dokumentationspflicht auf eine andere Doppelgrundlage: „Daraus [es geht dieser<br />
Darstellung eine erste summarische Übersicht über den Inhalt und Umfang dieser<br />
Pflicht voraus] ergibt sich die Pflicht <strong>des</strong> Arztes, eine Dokumentation zu erstellen, die<br />
es ihm ermöglicht, dieser Aufklärungspflicht nachzukommen.“ 369 Dabei hat eine<br />
Krankengeschichte in inhaltlicher Hinsicht die „generellen Anforderungen der<br />
auftragsrechtlichen Dokumentationspflicht“ 370 zu erfüllen. Obwohl der Autor keine<br />
konkrete auftragsrechtliche Grundlage nennt, ist nahe liegend, dass hierbei<br />
insbesondere auf die allgemeinen Anforderungen 371 an die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nach<br />
Art. 400 OR verwiesen wird. 372 Weiter werden auch der Persönlichkeitsschutz gemäss<br />
Art. 27 f. ZGB 373 oder das ärztliche <strong>St</strong>an<strong>des</strong>recht 374 als mögliche Rechtsgrundlagen<br />
genannt. Auch wird von einer bloss faktischen Pflicht zur Führung einer<br />
Krankengeschichte gesprochen, 375 wobei auch das Vademecum eine solche<br />
„übergesetzliche“ Grundlage betont, indem es die Führung einer Krankengeschichte<br />
auch ohne gesetzliche Grundlage für eine Selbstverständlichkeit hält. 376<br />
Neben den bereits dargestellten materiell-rechtlichen Grundlagen für eine<br />
Dokumentationspflicht wird auch der Einfluss <strong>des</strong> Prozessrechts hervorgehoben,<br />
wonach hierdurch eine faktische Grundlage für eine entsprechende<br />
Dokumentationspflicht geschaffen 377 wurde : Da die Beweislast für die<br />
Pflichtwidrigkeit 378 <strong>des</strong> Arztes nach allgemeinem Obligationenrecht gemäss Art. 97<br />
369<br />
Wiegand, Aufklärungspflicht, 198, unter Hinweis auf BGE 113 II 429ff. [Hervorhebungen<br />
im Original]. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die ärztliche Aufklärungspflicht als<br />
Grundlage einer Dokumentationspflicht auch explizit verneint wird: Brühwiler-Frésey,<br />
169.<br />
370<br />
Wiegand, Aufklärungspflicht, 199 (ohne Nennung einer besonderen Grundlage).<br />
371<br />
Grundlegend und <strong>des</strong>halb an <strong>St</strong>elle vieler: BK-Gautschi, Art. 400 N 23.<br />
372<br />
Auch im erstinstanzlichen Urteil zu BGE 113 II 429ff. wurde in diesem Zusammenhang<br />
festgehalten, „dass Krankengeschichten (...) sorgfältig, umfassend und richtig geführt<br />
werden (...) müssen.“ Urteil <strong>des</strong> BezGer Zürich vom 22. 8. 1985, E. IV. 13 [S. 21], nicht<br />
publ.<br />
373<br />
So deutlich etwa auch ein Entscheid <strong>des</strong> Zivilgerichtspräsidenten <strong>des</strong> Kantons BS in BJM<br />
1986 202ff., 202f. Aus der Lehre: Müller, 127.<br />
374<br />
Namentlich Brühwiler-Frésey, 169.<br />
375<br />
Ott, 234.<br />
376<br />
Vademecum, 25.10.<br />
377<br />
BGE 113 II 429ff. verweist in der Frage der Dokumentationspflicht auf ein Urteil <strong>des</strong><br />
OGer ZH vom 5. 12. 1986 (nicht publ.), welches seinerseits in E. II. 2 einzig auf die<br />
Ausführungen in E. IV.5 <strong>des</strong> Urteils der Vorinstanz hinweist. Weder E. IV. 5 noch E. IV.<br />
13 dieses erstinstanzlichen Urteils (BezGer Zürich vom 22. 8. 1985, nicht publ.) nennen<br />
jedoch irgendeine materiellrechtliche Grundlage. Vielmehr wird in E. IV. 5 eine<br />
Dokumentationspflicht einzig auf prozessualen Überlegungen begründet.<br />
378<br />
Ebenso trägt der Patient die Beweislast bezüglich der Kausalität. Allerdings sind auch<br />
hier gewisse Tendenzen feststellbar: So hat das OGer ZH (SJZ 1989 119ff.) in einem Fall<br />
nicht beweisbarer Kausalität die Beweislast auf das Spital überwälzt, weil nicht
- 88 -<br />
OR dem Patienten obliegt und es diesem nur schwer gelingen kann, eine solche<br />
nachzuweisen, „weil er keine genaue Kenntnis davon hat, was der Arzt alles<br />
diagnostiziert, vorgekehrt, getan hat“, ist der Arzt verpflichtet, die entsprechende<br />
Informationen dem Patienten zu Verfügung zu stellen. „Nur dadurch wird der Patient<br />
überhaupt in die Lage versetzt, eine allfällige Schlechterfüllung <strong>des</strong> ärztlichen<br />
Behandlungsauftrages zu erkennen und dem Gericht auch darzutun.“ 379 Immerhin ist<br />
festzuhalten, dass der Auftraggeber die Pflichtwidrigkeit aus den überstellten<br />
Informationen selbst konstruieren muss: „Das heisst aber nicht, dass der Arzt<br />
verpflichtet wäre, nachzuweisen, dass er lege artis gearbeitet hat. Es ist vielmehr Sache<br />
<strong>des</strong> Patienten, aus den Auskünften <strong>des</strong> Arztes seine Schlüsse zu ziehen und<br />
entsprechende Behauptungen aufzustellen und auch zu beweisen.“ 380 In der deutschen<br />
Lehre wurde zu dieser Rechtsentwicklung, d.h. dem Überspringen der Anforderungen<br />
aus vertraglichen Pflichten durch die Anorderungen <strong>des</strong> Prozessrechts, kritisch<br />
ausgeführt, dass sich die „Bedeutung [der Beweislastregelung damit] bereits in das<br />
381 Vorfeld <strong>des</strong> Prozesses erstreckt“. Bei dieser Begründung einer<br />
Dokumentationspflicht ist jedoch anzumerken, dass in einem Prozess stets andere<br />
Interessensituationen zu regeln sind. Es ist die Aufgabe <strong>des</strong> eigentlichen Prozessrechts,<br />
die entsprechenden und dort in Rede stehenden Interessenlagen zum Ausgleich zu<br />
bringen, weshalb nach der hier vertretenen Ansicht eine materiell-rechtlich begründete<br />
Dokumentationspflicht ihre Rechtsgrundlage grundsätzlich nicht in den<br />
Anforderungen <strong>des</strong> Prozessrechts haben kann. Dabei ist bereits an dieser <strong>St</strong>elle darauf<br />
hinzuweisen, dass in der rechtlichen Behandlung zwischen verschiedenen Teilen der<br />
Dokumentationspflicht zu unterscheiden ist: Soweit die Aufklärungspflicht betroffen<br />
ist, kann die prozessrechtlich begründete Basis einer Dokumentationspflicht eine<br />
hinreichende Grundlage für eine Dokumentationspflicht sein, da diese gerade<br />
auszuschliessen war, dass bei rechtzeitiger Bestrahlung kein Befall der Lymphknoten<br />
stattgefunden hätte. Zum Ganzen kann auf die ausführliche und kritische Darstellung von<br />
Gatter, 645ff., verwiesen werden. Weiter kann in diesem Zusammenhang auch auf die<br />
besonders eindrückliche Problemlage im Falle eines Schleudertraumas hingewiesen<br />
werden: Kramer, 153ff. Unbestritten ist aber, dass der Patient den Schaden beweisen muss<br />
(so selbst Payllier, 273).<br />
379<br />
Urteil <strong>des</strong> BezGer Zürich vom 22. 8. 1985, E. IV. 5. Vorinstanz zum Entscheid BGE 113<br />
II 429ff.<br />
380<br />
Urteil <strong>des</strong> BezGer Zürich vom 22. 8. 1985, E. IV. 5.<br />
381<br />
Weyers/Mirtsching, 322: In diesem Zusammenhang wird methodisch eine Verstärkung<br />
der materiellrechtlichen Informationspflichten der schleichenden Ausdehnung von<br />
prozessualen Lasten vorgezogen.
- 89 -<br />
typischerweise in Beziehung zum Patienten als dem Auftraggeber erfolgt und<br />
grundsätzlich nichts über die Auftragsausführung aussagt. 382<br />
Zusammenfassend und in Übereinstimmung zur Darstellung der<br />
Dokumentationspflicht im allgemeinen Mandatsrecht kann festgehalten werden, dass<br />
die Dokumentationspflicht hier wie dort auf verschiedene materiell-rechtliche<br />
Rechtsgrundlagen abgestützt wird. Es ist grundsätzlich nicht möglich, eine einzelne<br />
Rechtsgrundlage als die Grundlage einer entsprechenden Dokumentationspflicht zu<br />
identifizieren.<br />
3.2.3.3 Inhalt der arztvertraglichen Dokumentationspflicht und<br />
Verallgemeinerung<br />
3.2.3.3.1 Drei Bereiche der Dokumentationspflicht / inhaltliche Beschreibung<br />
Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargelegt, dass verschiedene vertragliche<br />
Verpflichtungen <strong>des</strong> Arztes Grundlage der auftragsrechtlichen Dokumentationspflicht<br />
sind. Damit liegt auch auf der Hand, dass eine entsprechende Dokumentation<br />
verschiedenen Zwecken dient und die Dokumentation in ihrer Gesamtheit ein Resultat<br />
ist, welches von verschiedenen Pflichten beeinflusst wird. <strong>Die</strong>se Feststellung ist bei der<br />
nachfolgend vorzunehmenden Inhaltsbeschreibung der Dokumentationspflicht zu<br />
beachten.<br />
Ausgangspunkt <strong>des</strong> Versuchs einer Inhaltsbeschreibung bildet ein<br />
Bun<strong>des</strong>gerichtsentscheid, welcher, gestützt auf das allgemeine Auftragsrecht, festhält,<br />
dass der Arzt eine Krankengeschichte in der Weise „zu führen hat, die sein Vorgehen<br />
und den Krankheitsverlauf wiedergibt.“ 383 Dementsprechend sind die beiden<br />
Themenkreise „Behandlung“ und „Krankheitsverlauf“ zu dokumentieren, wobei sich<br />
aus den bun<strong>des</strong>gerichtlichen Erwägungen deutlich ergibt, dass der Gedanke der<br />
Rekonstruktion stets im Zentrum steht. 384 In einem ersten Schritt ist <strong>des</strong>halb<br />
festzustellen, dass sich der Detaillierungsgrad der Dokumentation „aufgrund der Art<br />
der Erkrankung und dem Zweck der Behandlung [ergibt].“ 385 Das Berner<br />
382 Siehe dazu sogleich den folgenden Abschnitt. Es ist jedoch auch auf das unterschiedliche<br />
Einsichtsrecht hinzuweisen: Siehe dazu Kapitel 3.3.4 und 3.4.4.<br />
383 BGE 113 II 429ff., E. 2. <strong>Die</strong>se Beschreibung der Dokumentationspflicht wurde im<br />
Zusammenhang mit einem Haftpflichtprozess (Schadenersatz und Genugtuung)<br />
formuliert, in welchem die Frage der Sorgfaltspflicht zu klären war.<br />
384 <strong>Die</strong>ser Gedanke der Rekonstruktion ist bereits in einem sehr alten Entscheid zum<br />
Arztrecht verankert: ZR 44 Nr. 160 E. 4 und 5. <strong>Die</strong>s ist auch der Leitgedanke in<br />
Deutschland: Deutsch/Spickhoff, Rz. 452 (mit weiteren Hinweisen).<br />
385 Müller, 128.
- 90 -<br />
Verwaltungsgericht hat in einem grundsätzlichen und ausführlichen Entscheid den<br />
Inhalt der Dokumentationspflicht im Bereich <strong>des</strong> Arztrechts weiter konkretisiert: „Eine<br />
sorgfältige Krankengeschichte enthält in chronologischer Ordnung min<strong>des</strong>tens drei<br />
Elemente: erstens Sachverhaltsfeststellungen der Ärztin oder <strong>des</strong> Arztes über<br />
Krankengeschichte (Anamnese), Krankheitsverlauf, persönliches Umfeld <strong>des</strong> Patienten<br />
bzw. der Patientin sowie differenzierte Diagnose, zweitens die angeordneten<br />
Therapieformen (zeitlich und quantitativ umschriebene Medikationen, Eingriffe mit<br />
Operationsberichten, physikalische oder andere Therapieformen) und drittens Ablauf<br />
und Gegenstand der Aufklärung der Patientin oder <strong>des</strong> Patienten. Zur<br />
Krankengeschichte gehören auch Zusatzdokumente wie Ergebnisse apparativer<br />
Untersuchungen (Röntgenbilder, Laborbefunde, EKG- und EEG-Befunde,<br />
Computertomogramme usw.), Aufzeichnungen über diagnostische, therapeutische und<br />
pflegerische Tests und Massnahmen, spezielle Operationsberichte, Angaben von<br />
Drittpersonen und persönliche Notizen von Ärzteschaft und Pflegepersonal.“ 386<br />
Demgemäss verfügt die Dokumentation über drei Teile: (1) Sachverhalt, (2) Therapie<br />
und (3) Aufklärung. 387 <strong>Die</strong> bun<strong>des</strong>gerichtliche Rechtsprechung unterscheidet sich<br />
grundlegend von derjenigen <strong>des</strong> Berner Verwaltungsgerichts, indem das Berner<br />
Verwaltungsgericht die Dokumentationspflicht um einen dritten Teil „Aufklärung“<br />
ergänzt. Dabei bezog sich das Berner Verwaltungsgericht bei der Inhaltsumschreibung<br />
ausdrücklich auf die Lehrmeinung von Wiegand, welcher die Aufklärungspflicht und<br />
die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als Rechtsgrundlage der Dokumentationspflicht nennt. 388<br />
3.2.3.3.2 Generelle Anforderungen an die drei Bereiche der<br />
Dokumentationspflicht<br />
<strong>Die</strong> im vorangehenden Abschnitt aufgeführten und inhaltlich umrissenen Bereiche der<br />
Dokumentationspflicht können in einer etwas allgemeineren Ausdrucksweise mit den<br />
folgenden Begriffen umschrieben werden: (1) Sachverhalt, (2) Handlungen und (3)<br />
Aufklärung. Nachfolgend sollen diese drei Bereiche der Dokumentationspflicht in<br />
386<br />
BVR 1998 529ff., E. 4a und 5b, gestützt auf Art. 20 <strong>des</strong> Bernischen Gesundheitsgesetzes<br />
vom 2.12.1984 (BGS 811.01.). Das Gericht bezieht sich in diesem Entscheid ausdrücklich<br />
auf Wiegand, Aufklärungspflicht, 196ff. Eine gegen diesen Entscheid erhobene<br />
staatsrechtliche Beschwerde wurde am 15.7.1998 abgewiesen (publiziert in ZBl 1999<br />
312ff.). Müller, 124, spricht in diesem Zusammenhang von der Krankengeschichte als<br />
Koordinations- und Kommunikationsinstrument (mit weiteren Hinweisen).<br />
Aus der deutschen Lehre grundlegend zum notwendigen Inhalt der ärztlichen<br />
Dokumentation: Schmid, 683ff.<br />
387<br />
Für eine detailliertere Gliederung der Bereiche: Siehe dazu die Ausführungen von Roggo,<br />
209f.<br />
388 Wiegand, Aufklärungspflicht, 199. Siehe dazu auch Kapitel 3.2.3.2.
- 91 -<br />
allgemeiner Hinsicht genauer untersucht werden. In diesem Zusammenhang ist auf die<br />
Rechtsprechung hinzuweisen, welche bezüglich der Dokumentationspflicht allgemein<br />
festhält, „dass Krankengeschichten (...) sorgfältig, umfassend und richtig geführt<br />
werden (...) müssen.“ 389 Es lässt sich damit die Verpflichtung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
erkennen, die Krankengeschichte vollständig, wahrheitsgemäss und rechtzeitig zu<br />
führen. Es handelt sich dabei um die Informationsqualitätskriterien, welche im<br />
Zusammenhang mit der allgemeinen <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> genannt<br />
werden. 390 Nachfolgend werden diese Aspekte im Bereich der Dokumentationspflicht<br />
untersucht, wobei zwischen den drei identifizierbaren Bereichen der<br />
Dokumentationspflicht unterschieden wird:<br />
3.2.3.3.3 Spezielle Anforderungen im Rahmen „Sachverhalt“ und<br />
„Handlungen“<br />
Das Gebot der Wahrheit ist erfüllt, wenn das einzelne Datum richtig und die Daten<br />
unter dem Aspekt der Vollständigkeit aufgezeichnet wurden. 391 Werden solche Daten<br />
gelöscht oder erst gar nicht aufgezeichnet, so ist damit gleichzeitig das Gebot der<br />
wahrheitsgemässen und der vollständigen Dokumentation verletzt. Aufgrund dieser<br />
Erwägung kann festgehalten werden, dass dem Wahrheitsgebot im hier untersuchten<br />
Bereich keine wirklich eigenständige Bedeutung zukommt. Dem Kriterium<br />
„Wahrheit“ kann nur hinsichtlich jener Daten eine eigenständige Bedeutung<br />
zugemessen werden, die eigentliche Wertungen darstellen. Es ist auch in neueren<br />
datenschutzrechtlichen Entscheiden anerkannt 392 , dass Wertungen und dgl. Bestandteil<br />
einer Krankengeschichte darstellen können, sich aber dem Beurteilungsmassstab<br />
„Wahrheit” entziehen.<br />
Das Kriterium der Rechtzeitigkeit erlangt im Rahmen dieser Bereiche der<br />
Dokumentationspflicht einmal dort eine Bedeutung, wo aus der nicht fristgerechten<br />
Aufzeichnung der Daten auf qualitative Mängel der Dokumentation an sich<br />
geschlossen wird: So wurde etwa ein sieben Jahre nach der eigentlichen Operation<br />
verfasster Operationsbericht als eine Dokumentation ohne gesteigerten Beweiswert<br />
389<br />
Urteil <strong>des</strong> BezGer Zürich vom 22. 8. 1985, E. IV. 13 [S. 21], nicht publ, erstinstanzliches<br />
Urteil zu BGE 113 II 429ff.<br />
390<br />
Grundlegend und an <strong>St</strong>elle vieler: BK-Gautschi, Art. 400 N 23. Zu den Rechtsgrundlagen<br />
der Dokumentationspflicht: Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
391<br />
Es handelt sich dabei um einen Gedanken, welcher im Bereich der Abrechnungspflicht<br />
nach Art. 400 Abs. 1 OR anerkannt wird. Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.3.<br />
392 So BVR 1998 529ff., E. 5.
- 92 -<br />
beurteilt und als blosses Parteigutachten gewürdigt. 393 <strong>Die</strong> Bedeutung der Anforderung<br />
der Rechtzeitigkeit leitet sich aber auch aus dem allgemeinen<br />
Interessenwahrungsgrundsatz ab, weshalb die Aufzeichnungen aktuell nachgeführt<br />
sein müssen. 394<br />
Aufgrund der bisherigen Ausführungen muss eine Krankengeschichte in erster Linie<br />
395 dem Erfordernis der Vollständigkeit genügen. Es sind jedoch folgende<br />
Bemerkungen anzubringen: Aus den Entscheiden und Lehrmeinungen wird ersichtlich,<br />
dass das Kriterium der Vollständigkeit einzig fordert, dass die entsprechenden Daten<br />
aufgenommen werden. Dabei reicht die chronologische Aufnahme der Daten aus und<br />
die Dokumentationspflicht fordert namentlich nicht eigentliche analytische<br />
Gesamtbetrachtungen oder zusammenfassende Schlussfolgerungen der<br />
aufgenommenen Daten. 396 Durch die Pflicht zur blossen Auflistung von Daten dient<br />
die ärztliche Dokumentation aber auch etwa (wie bei anderen Berufsgruppen auch) als<br />
Grundlage für die Rechnungsstellung: 397 Dabei ist die Dokumentation die Basis, um<br />
sowohl gegenüber den Versicherungseinrichtungen als auch gegenüber dem Patienten<br />
die Forderung begründen zu können. Dabei wird allerdings u.U. die Notwendigkeit<br />
bestehen, gegebenenfalls die einzelnen Therapiepunkte aufgrund der Diagnose zu<br />
begründen, was über eine blosse Auflistung einzelner Positionen hinausgehen kann.<br />
<strong>Die</strong> Diagnose und die dabei verordnete Therapieform wird wichtig sein, um die<br />
Effektivität der angeordneten Massnahme belegen zu können. Dabei hat der<br />
Auftragnehmer sowohl die einzelne Leistung als auch den Zusammenhang resp. die<br />
Notwendigkeit der einzelnen Leistung zu belegen. Hierdurch ergibt sich eine Pflicht<br />
Zusammenhänge darzustellen, soweit sich diese nicht einfach erkennen lassen. In<br />
entsprechendem Umfang fliesst Information im Rahmen der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung an den Auftraggeber resp. an die Versicherungseinrichtung, wobei<br />
sich der Inhalt der entsprechenden „Offenlegung“ aus den Anforderungen an eine<br />
geordnete Rechnungsstellung ergibt. 398 In diesem Zusammenhang ist auf einen<br />
Entscheid <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts hinzuweisen, wonach der Versicherung gegenüber dem<br />
393<br />
BGE 113 II 429ff., E. 2.<br />
394<br />
Damit wird faktisch die Ausübung <strong>des</strong> jederzeitigen Widerrufsrechts unterstützt und<br />
ermöglicht: Siehe dazu Kapitel 3.6.<br />
395<br />
Dazu grundlegend: BK-Gautschi, Art. 400 N 23a.<br />
396 <strong>Die</strong>s fordert die hL jedoch gerade gestützt auf die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nach Art. 400 OR:<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 52 (unter Hinweis auf BK-Gautschi, Art. 400 N 28c).<br />
397 Siehe dazu Kapitel 3.2.2.2.<br />
398 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4
- 93 -<br />
Leistungserbringer, gestützt auf die spezialgesetzliche Grundlage von Art. 42 Abs. 2<br />
und 3 KVG, ein uneingeschränkter Editionsanspruch auf Patientendaten zuzugestehen<br />
ist. 399 <strong>Die</strong>se vollständige Offenlegung basiert allerdings auf einem Spezialgesetz,<br />
weshalb diese Rechtslage nicht verallgemeinert werden kann. Im allgemeinen<br />
Auftragsrecht gilt weiterhin die Grundregel, dass eine chronologische Auflistung den<br />
Anforderungen <strong>des</strong> Kriteriums „Vollständigkeit“ genügt.<br />
<strong>Die</strong> Erwägungen <strong>des</strong> Berner Verwaltungsgerichts lassen die Auffassung erkennen,<br />
dass sowohl eine „breite“ wie auch „tiefe“ und bis ins Detail gehende<br />
Aufzeichnungspflicht besteht. 400 Bei diesem Ansatz ist jedoch die Leitidee der hier<br />
behandelten Dokumentationspflicht nicht aus den Augen zu verlieren: <strong>Die</strong><br />
Dokumentationspflicht will in erster Linie den Gedanken der<br />
Rekonstruktionsmöglichkeit sicherstellen. 401 Nachfolgend werden die Charakteristika<br />
der Dokumentationspflicht in den Bereichen „Sachverhalt“ und „Handlungen“<br />
dargestellt, um in der Folge belegen zu können, dass die Formulierungen in Lehre und<br />
Rechtsprechung den erwähnten Grundgedanken der Dokumentation grundsätzlich<br />
überstrapazieren. Es sind die folgenden Überlegungen, an denen sich die inhaltlichen<br />
Anforderungen an die Dokumentationspflicht orientieren sollten:<br />
(1) Eine erste Feststellung ist die Tatsache, dass die Dokumentationspflicht durch die<br />
Bereiche „Sachverhalt“ und „Handlungen“ thematisch umschrieben ist, was die<br />
Grundvoraussetzung einer Berichtspflicht ist. (2) Hinsichtlich <strong>des</strong> Inhalts der<br />
Berichtspflicht können die folgenden Hinweise dienlich sein: Es ergibt sich aus dem<br />
Wesen der Berichtspflicht im Zusammenhang mit dem Gedanken der<br />
Rekonstruierbarkeit, dass hinsichtlich <strong>des</strong> Erfordernisses der Vollständigkeit der Lehre<br />
zu folgen ist, welche einzig eine Aufzeichnung der wesentlichen Daten vorschreibt. 402<br />
Es handelt sich hierbei um einen Gedanken, der bereits in der alten Zürcher<br />
399 BGE wiedergegeben in Baeriswyl, Entwicklungen 2004, 462 (Vorentscheide<br />
wiedergegeben in digma 2004.3 82ff.). Der Autor kritisiert dieses Urteil entschieden, da<br />
hierdurch der Schutz <strong>des</strong> Patienten durch den Arzt nicht mehr gewährleistet werden kann.<br />
Zur Problematik auch: Müller, 341ff.<br />
400<br />
<strong>Die</strong> allgemeinen Grundsätze der Datenbearbeitung im Sinne von Art. 4 DSG sind zu<br />
beachten. In der Praxis werden sich in der Regel hierbei aber kaum Probleme ergeben. Für<br />
einen massgebenden Entscheid im privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG sei auf<br />
VPB 68 Nr. 153 (Tragweite betreffend Daten, welche bei Interessenten für<br />
Mietwohnungen erhoben werden) verwiesen.<br />
Probleme sind allerdings denkbar, wenn der Einfluss Dritter zu beachten ist. Für den<br />
Bereich <strong>des</strong> Arztrechts: Müller, 134ff.<br />
401<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.3.3.3.<br />
402<br />
So deutlich Geiser, Aufklärung, 1148, wonach „alles in die Krankengeschichte gehört,<br />
was für Diagnose und die Behandlung wesentlich ist.“ Ebenso Müller, 128.
- 94 -<br />
Rechtsprechung über den Begriff <strong>des</strong> „Notwendigen“ Eingang in die damalige<br />
Rechtspraxis fand: Im entscheidrelevanten Gutachten wurde die Meinung vertreten,<br />
dass dem Arzt ein bedeutender Ermessenspielraum bei der Wahrnehmung der<br />
Dokumentationspflicht zu belassen sei, soweit nur der Gedanke der Rekonstruktion<br />
verwirklicht sei. 403 (3) <strong>Die</strong> Aufzeichnungen, gestützt auf die Dokumentationspflicht,<br />
müssen einzig einem abstrakten Massstab genügen, weshalb es einen objektiven und<br />
notwendigen Inhalt der Dokumentationspflicht gibt. Es muss dabei zu jedem Zeitpunkt<br />
gewährleistet sein, dass beispielsweise der behandelnde Arzt oder allenfalls eine dritte<br />
behandelnde Person die Aufzeichnungen aus- und verwerten kann. 404 Vor diesem<br />
Hintergrund ist auch folgerichtig, dass die Art der Ausgestaltung der Dokumentation<br />
in einer Weise abgefasst sein darf, dass sie nur einem Fachmann und nur diesem<br />
zugänglich ist. 405 Der konkrete Inhalt bestimmt sich aus dem jeweiligen Mandat <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong>, wobei die Person <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> ohne Einfluss ist. 406 Damit ist der<br />
grundsätzliche Inhalt der Dokumentationspflicht bezüglich dieser beiden Elemente der<br />
Dokumentation vorgegeben, da er sich abstrakt beschreiben lässt. (4) Es handelt sich<br />
dabei um eine inhaltliche Bestimmung der Dokumentationspflicht, welche nur Sinn<br />
macht, wenn die entsprechende Information einem <strong>Beauftragten</strong> resp. eben seinem<br />
Nachfolger in der Mandatsabwicklung vorbehalten ist. <strong>Die</strong>s wird dadurch<br />
bewerkstelligt, dass die Dokumentation, welche, gestützt auf die entsprechende<br />
Dokumentationspflicht, erstellt wird, adressatenspezifisch nur dem nachfolgenden<br />
<strong>Beauftragten</strong> zu offenbaren ist. 407 Auf diese Weise findet die entsprechende<br />
Informationsordnung ihre Entsprechung in der Inhaltsbestimmung der<br />
Dokumentationspflicht. (5) <strong>Die</strong>se Feststellungen werden weiter dadurch unterstützt,<br />
dass den <strong>Beauftragten</strong> grundsätzlich keine eigentliche Erläuterungspflicht betreffend<br />
die Dokumentation trifft. 408<br />
<strong>Die</strong>se Erwägungen führen zum Schluss, dass es sich bei den zwei zentralen Bereichen<br />
der Dokumentationspflicht „Sachverhalt“ und „Handlungen“ dem Wesen nach um<br />
eine eigentliche Berichtspflicht handelt. <strong>Die</strong>ser Charakteristik der<br />
403<br />
ZR 44 Nr. 160 E. 4.<br />
404<br />
Hohloch, 2581.<br />
405<br />
Brühwiler-Frésey, 180 (gestützt auf Hohloch, 2580); Roggo, 208 (mit weiteren<br />
Hinweisen).<br />
406 Anders im Bereich „Aufklärung“ in der Dokumentation. Dazu sogleich unten.<br />
407<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.4.3.<br />
408<br />
Vgl. das Urteil <strong>des</strong> BezGer Zürich vom 22. 8. 1985, E. IV. 5. Für eine Erläuterungspflicht<br />
<strong>des</strong> Arztes aber Hofstetter, 2000, 120 FN 152, „so lange [...], als der Auftrag weiterläuft.“
- 95 -<br />
Dokumentationspflicht als Berichtspflicht kommt auch in der datenschutzrechtlichen<br />
Untersuchung eine zentrale Bedeutung zu, da sich hieraus in den hier untersuchten<br />
Konstellationen innere Schranken <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs<br />
ergeben. 409<br />
3.2.3.3.4 Spezielle Anforderungen im Rahmen „Aufklärung“<br />
Während die Bereiche „Sachverhalt“ und „Handlungen“ als eigentliche<br />
Berichtspflichten qualifiziert werden können, verhält es sich beim Element der<br />
Aufklärungspflicht als dem dritten Teil einer Dokumentation anders. Hier kommt der<br />
Krankengeschichte im Verhältnis zum Patienten eine zentrale Rolle zu. In diesem<br />
Bereich ist eine eigentliche Aufklärungsleistung 410 zu erbringen, welche jeweils<br />
individuell und nach den Fähigkeiten etc. <strong>des</strong> Patienten vorzunehmen ist. 411 Den<br />
Massstab für eine entsprechende „Min<strong>des</strong>tanforderung“ an die Dokumentationspflicht<br />
in diesem Bereich kann die Rechtsprechung liefern: „In diesem Zusammenhang ist<br />
lediglich festzuhalten, dass es unter dem Gesichtspunkt der Beweistauglichkeit nicht<br />
genügt, in der Krankengeschichte nur ganz allgemein zu vermerken, der Patient sei<br />
über die geplante Operation und ihre möglichen Komplikationen informiert worden,<br />
wie das im vorliegenden Fall geschehen ist.“ 412 <strong>Die</strong> Aufklärung ist „detailliert zu<br />
beschreiben“ und „[d]as Fehlen einer glaubwürdigen Dokumentation über eine<br />
hinreichende Aufklärung <strong>des</strong> Patienten in der Krankengeschichte bedeutet für den Arzt<br />
jedenfalls ein erhebliches Prozessrisiko“. 413 So reicht insbesondere ein einfacher<br />
Beschrieb der eigentlichen Operation gerade nicht aus, da hier jegliche Hinweise auf<br />
die eigentlichen Aufklärungsleistungen fehlen. 414 In der Praxis wird <strong>des</strong>halb der Arzt<br />
in diesem Bereich nicht umhin kommen, eine vergleichsweise ausführliche<br />
Niederschrift (Gesprächsnotizen etc.) der Krankengeschichte beizulegen, will er den<br />
409<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.4.1.2.3: Innere Schranken <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen<br />
Auskunftsanspruchs gemäss Art. 8 DSG.<br />
410<br />
Zum Inhalt der zu dokumentierenden Aufklärungsleistung: Roggo, 211f. (mit zahlreichen<br />
Hinweisen).<br />
411 Für ein abgestuftes Vorgehen bei der Aufklärungspflicht: Conti, 621ff. Grundlegend aus<br />
der Lehre für die Aufklärungspflicht: Abegglen, 141ff. Aus der Rechtsprechung zuletzt<br />
sehr ausführlich: BGer in SJ 2004 117ff., E.5 (mit zahlreichen Hinweisen).<br />
412<br />
BGE 117 Ib 197ff., E. 3c i.f. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einige generelle Vermerke<br />
zur Aufklärung in der Krankengeschichte auch vielleicht <strong>des</strong>halb nicht genügten, weil<br />
diese in einem Direktprozess vor BGer als einzige Beweismittel zu berücksichtigen<br />
waren. Auf die Einvernahme angebotener Zeugen (u.a. operierender Arzt) wurde mangels<br />
Antrag verzichtet.<br />
413<br />
ZR 101 Nr. 7 E. 4c.<br />
414 ZR 101 Nr. 7 E. 4e.
- 96 -<br />
415 im genannten Entscheid aufgestellten Anforderungen nachkommen. <strong>Die</strong><br />
Dokumentation erfolgt dabei – weil es gewissermassen eine Aufklärungsleistung am<br />
Auftraggeber ist –gegenüber der Person, weshalb sich auch die zu dokumentierende<br />
Information an seiner Person orientiert. <strong>Die</strong>se Tatsache schliesst eine eigentliche<br />
Berichtspflicht aus, weil der Inhalt je nach konkreter Person unterschiedlich ist. Es ist<br />
eben gerade soviel an Aufklärung notwendig, bis die entsprechende Person als<br />
aufgeklärt angesehen werden kann, weshalb Objektivierungen unmöglich sind.<br />
Aus Gründen der Vollständigkeits sei bezüglich der Anforderungen an die Wahrheit<br />
der Aufklärung summarisch auf die ausführliche Diskussion im Zusammenhang mit<br />
dem sog. therapeutischen Privileg hingewiesen, da die entsprechenden Erkenntnisse in<br />
der vorliegenden Untersuchung von untergeordneter Bedeutung sind. 416 Hinsichtlich<br />
<strong>des</strong> Qualitätskriteriums „Rechtzeitigkeit“ kann auf die Ausführungen in der Lehre zu<br />
sog. <strong>St</strong>ufenaufklärung verwiesen werden. 417<br />
Aufgrund der Charakteristika der „Aufklärung“ in der Dokumentationspflicht ist diese<br />
von der rechtlichen Behandlung der anderen beiden Teile „Sachverhalt“ und<br />
„Handlungen“ zu unterscheiden. Währenddem der Auftraggeber hinsichtlich <strong>des</strong> Teils<br />
der Dokumentation, welcher sich mit der „Aufklärung“ befasst, uneingeschränkten<br />
und vollen Zugang hat, ist die Situation bezüglich der weiteren Bereiche „Sachverhalt“<br />
und „Handlungen“ weiter zu untersuchen. <strong>Die</strong>s geschieht im Zusammenhang mit der<br />
Behandlung <strong>des</strong> Informationsrechts „Vorlegungspflicht“. 418<br />
3.2.4 Fazit<br />
<strong>Die</strong> Ausführungen über die Dokumentationspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> haben gezeigt,<br />
dass es sich bei der entsprechenden Dokumentation um einen Bestandteil der ihm<br />
obliegenden Aktenführungspflicht handelt, weshalb es sich bei der Dokumentation<br />
auch um ein Element der sog. Handakten handelt. Es zeigt sich dabei, dass die<br />
Anforderungen an die Dokumentation die zunehmende Verrechtlichung der Beziehung<br />
zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer widerspiegelt.<br />
Aus Lehre und Rechtsprechung kann gefolgert werden, dass die<br />
Dokumentationspflicht aus den Normen <strong>des</strong> Schuldvertragsrechts abgeleitet werden<br />
415<br />
Zum Ganzen sehr ausführlich: Müller, 161ff., insbesondere 174ff.<br />
416<br />
Siehe dazu ausführlich: Müller, 183ff. und 196 (mit zahlreichen Hinweisen).<br />
417 Siehe dazu Roggo, 195ff. und Müller, 177. Zum Zeitpunkt der Aufklärung: Roggo, 200ff.<br />
418 Siehe dazu Kapitel 3.3.4.
- 97 -<br />
kann. Damit ist von einer allgemein geltenden Rechtslage im Bereich <strong>des</strong><br />
Auftragsvertrages auszugehen. <strong>Die</strong> Frage der konkreten Rechtsgrundlage der<br />
Dokumentationspflicht wird in Lehre und Rechtsprechung dabei unterschiedlich<br />
beantwortet. <strong>Die</strong> Darstellung einer schuldrechtlich begründeten Dokumentationspflicht<br />
hat ergeben, dass sowohl im allgemeinen Auftragsrecht als auch im spezifisch<br />
untersuchten Fall <strong>des</strong> Arztvertrages die Dokumentationspflicht durch eine Mehrzahl<br />
von Rechtsgrundlagen begründet wird.<br />
Entsprechend der Verschiedenheit der Rechtsgrundlagen erscheint die Dokumentation<br />
in inhaltlicher Hinsicht in ihrer Gesamtheit als ein Resultat, welches von<br />
verschiedenen Pflichten bestimmt ist. Entsprechend der verschiedenen<br />
schuldvertraglichen Rechtsgrundlagen hat die Dokumentationspflicht die<br />
Rekonstruktion <strong>des</strong> Auftrages aus verschiedenen Gesichtspunkten sicherzustellen. <strong>Die</strong><br />
Dokumentation besteht aus drei Bereichen: „Sachverhalt“, „Handlungen“ und<br />
„Aufklärung“. Bei der Formulierung <strong>des</strong> Inhalts der Dokumentationspflicht steht die<br />
Erkenntnis im Mittelpunkt, dass die eigentliche Grundlage und Rechtfertigung einer<br />
Dokumentationspflicht die allgemeine Interessenwahrungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> ist.<br />
Damit zielt die Dokumentationspflicht grundsätzlich nicht auf den Zustand einer<br />
informierten Gegenpartei ab, sondern sie will in erster Linie sicherstellen, dass die<br />
gesamte Auftragsausführung als solche gesichert ist.<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Ausführungen haben ergeben, dass es sich um eine umfangreiche<br />
und detaillierte Dokumentation handeln kann, die etwa auch den im Zusammenhang<br />
mit der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> entwickelten Informationsqualitätskriterien<br />
„Vollständigkeit“, „Wahrheit“ und „Rechtzeitigkeit“ genügen muss. <strong>Die</strong> weitere<br />
Auseinandersetzung mit den entsprechenden Informationsqualitätskriterien ergab<br />
zudem, dass die inhaltlichen Anforderungen an die drei Bereiche unterschiedlich sind.<br />
Im Rahmen der Bereiche „Sachverhalt“ und „Handlungen“ handelt es sich bei den<br />
Dokumentationspflichten um eigentliche Berichtspflichten, da Thema und Inhalt<br />
jeweils vorgegeben sind. Eine andere Qualität weist demgegenüber die<br />
Dokumentationspflicht im Bereich „Aufklärung“ auf, weil dieser Bereich auf den<br />
konkreten Auftraggeber als Person fokussiert ist. <strong>Die</strong>se unterschiedliche Qualität der<br />
verschiedenen Bereiche der Dokumentationspflicht rechtfertigt es, dass auch andere<br />
Rechtsfolgen an die verschiedenen Bestandteile der Dokumentation anschliessen. <strong>Die</strong>s<br />
ist jedoch im Zusammenhang mit der Ablieferungsobligation und der allfälligen<br />
Vorlegungspflicht der Dokumentation zu erörtern (siehe dazu die Ausführungen in<br />
Kapitel 3.3).
- 98 -<br />
3.3 Ablieferungsobligation im schweizerischen Auftragsrecht<br />
3.3.1 Vorbemerkungen<br />
In Kapitel 3.2 wurden die Rechtsgrundlagen, der Zweck sowie der Inhalt der<br />
Dokumentationspflicht und die sich daraus ergebende Dokumentation ausführlich<br />
dargestellt. <strong>Die</strong> nachfolgenden Abschnitte befassen sich eingehend mit dem<br />
Regelungsgedanken (Kapitel 3.3.2) sowie mit dem Gegenstand der<br />
Ablieferungsobligation (Kapitel 3.3.3), wobei der Schwerpunkt in der<br />
Auseinandersetzung bei der Herausgabepflicht <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung<br />
Geschaffenen und dem in diesem Bereich zentralen Begriff der sog. Handakten liegt<br />
(Kapitel 3.3.3.4).<br />
Im Zusammenhang mit der Dokumentation <strong>des</strong> Beauftragen, welche vom<br />
Auftraggeber, gestützt auf die Dokumentationspflicht, hergestellt wurde (Kapitel 3.2),<br />
wird regelmässig ein Recht auf Einsicht oder ein Recht auf Kopie postuliert. Aus<br />
diesem Grund wird – weil sich der Informationsanspruch auf die schriftlich fixierte<br />
Information in der Dokumentation bezieht – in einem letzten Unterkapitel 3.3.4 diese<br />
behauptete Vorlegungsverpflichtung untersucht und mit den weiteren Ergebnissen in<br />
der vorliegenden Arbeit 419 abgestimmt. In diesem Zusammenhang wird das Konzept<br />
<strong>des</strong> adressatenspezifischen Informationsrechts eingeführt, welches die Anforderungen<br />
aus dem Auftragsrecht an den <strong>Beauftragten</strong> und die berechtigten Interessen <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> koordinieren soll (Kapitel 3.3.4.3).<br />
3.3.2 Regelungsgedanke der Ablieferungsobligation<br />
3.3.2.1 Rechtshistorische Betrachtung<br />
Ein wichtiger Teil der römisch-rechtlichen Lehre beschreibt die<br />
Ablieferungsobligation (als Teil der actio mandati directa) in der folgenden Weise:<br />
„Herauszugeben“ ist alles, was der Beauftragte zur Ausführung vom Auftraggeber<br />
empfangen und nicht verbraucht oder von einem Dritten in Ausführung <strong>des</strong> Auftrages<br />
eingenommen oder erworben hat. 420 Ein anderer Teil der Lehre erwähnt<br />
demgegenüber einzig den Bereich der Ablieferungsobligation, in welchem der<br />
Auftragnehmer etwas „in Ausführung“ <strong>des</strong> Mandates empfangen hat. 421 Als<br />
419<br />
Siehe dazu insbesondere Kapitel 3.4, 3.5 und 3.7.<br />
420<br />
Jörs, § 125 2.; Jörs/Kunkel/Wenger, § 139 2a; Kaser, Privatrecht, § 134.4 III.<br />
421<br />
Schmidlin/Cannata, 149; Honsell/Mayer-Maly/Selb, § 123 III. 1; Mayer-Maly, 126;<br />
Honsell, 140.
- 99 -<br />
Belegstelle wird dabei der allgemeine Leitsatz von DIG 17. 1. 20 pr. 422 angeführt: ex<br />
mandato apud eum, qui suscepit, nihil remanere debet. 423 In dieser Belegstelle wird der<br />
Grundsatz der Nichtbereicherung im Mandatsrecht festgeschrieben 424 , wodurch der<br />
eigentliche Charakter der Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Mandatsvertrages in den Vordergrund<br />
gestellt wird. 425<br />
<strong>Die</strong> Vermögensbezogenheit der Ablieferungsobligation wird auch in der<br />
schweizerischen Lehre anerkannt: „<strong>Die</strong> Herausgabepflicht beruht auf der Überlegung<br />
(...), dass ihm [dem Auftraggeber] allein auch die Vermögensvorteile <strong>des</strong> Auftrages zu<br />
426 gute kommen.“ <strong>Die</strong>ser Grundsatz regelt demzufolge eine allgemeine<br />
Vermögenssphärenbereinigung. 427 An dieser Orientierung der Ablieferungsobligation<br />
ändert auch nichts, dass ein Teil der Lehre die Ablieferungsobligation als Ausdruck<br />
der allgemeinen Treuepflicht versteht. 428 Auch die in dieser Arbeit vorgenommene<br />
rechtshistorische Untersuchung bestätigt diese Fokussierung der<br />
Ablieferungsobligation: <strong>Die</strong> Kommentierung <strong>des</strong> Sächs. BGB 429 , die Materialien zu<br />
den Entwürfen <strong>des</strong> Gesetzes in Bayern 430 , die Protokolle zum Dresdener Entwurf 431<br />
und die Gesetzesmaterialien zum deutschen BGB. 432 Insbesondere zeigen alle<br />
gestellten Anträge zur Ablieferungsobligation im Rahmen der Verhandlungen <strong>des</strong><br />
BGB (hier von § 667 BGB), dass die Ablieferungsobligation in grundsätzlicher Art<br />
Geld, Gegenstände und Forderungen umfassen sollte, weshalb aus diesen<br />
Ausführungen ergeht, dass eine Bereinigung der Vermögens- und der Sachsphäre<br />
anvisiert wurde. Damit ist im hier interessierenden Zusammenhang darauf<br />
hinzuweisen, dass sich die Ablieferungsobligation nicht nur auf eigentliche<br />
422<br />
Siehe aber hinsichtlich eines speziellen Falles DIG 17. 1. 8. 10 (erster Satz): „Proinde<br />
sintibi mandavi, ut hominem emeres, tuque emisti, tenebris mihi, ut restituas.“<br />
(Übersetzung nach Peter, Texte, 238: Wenn ich Dich beauftrage, einen Sklaven zu kaufen<br />
und Du ihn kaufst, so bist Du mir <strong>des</strong>halb verpflichtet, ihn herauszugeben).<br />
423<br />
„Aus dem Auftrage darf dem, der denselben übernimmt, kein Gewinn bleiben, so wie er<br />
auch keinen Schaden leiden darf, wenn er ausgeliehenes Geld nicht eintreiben konnte.“,<br />
aus: Corpus Iuris Civilis (Romani), übersetzt von Sintenis.<br />
424 Siehe auch die ausführliche Darstellung bei BK-Gautschi, Art. 400 N 6a.<br />
425 <strong>St</strong>audinger-Wittmann, § 667 Rdnr. 1.<br />
426<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 114 (Hervorhebungen im Original), mit zahlreichen weiteren<br />
Hinweisen.<br />
427<br />
Siehe dazu BK-Gautschi, Art. 400 N 7a, und BK-Fellmann, Art. 400 N 22.<br />
428<br />
BK-Gautschi, Art. 400 N 3b. Deutlich insbesondere bereits im Aufbau: Hofstetter, 1979,<br />
92ff. („VII. Treuepflichten: Ablieferungsobligation“).<br />
429<br />
Pöschmann, Kommentierung zu § 1310.<br />
430 Motive zu § 691 bis 697 <strong>des</strong> Entwurfes <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Bayern 1861/1864.<br />
431<br />
Siehe dazu Kapitel 2.5.4.<br />
432<br />
Siehe dazu Kapitel 2.6.
- 100 -<br />
Vermögenswerte beschränkte, sondern sich auf Gegenstände grundsätzlich jeder Art<br />
bezog. So mussten auch Akten und Dokumente herausgegeben werden, falls diese dem<br />
Auftragnehmer anvertraut oder zugekommen sind. In den nachfolgenden Abschnitten<br />
wird die Frage zu klären sein, in welchen Bereichen der Ablieferungsobligation und in<br />
welcher Weise die dargestellten Grundsätze zum Tragen kommen. 433<br />
Damit wird ersichtlich, dass bei den jeweiligen Formulierungen der<br />
Ablieferungsobligation der Gedanke der Bereinigung der Sach- und<br />
Vermögenssphären verwirklicht werden sollte. 434 Dabei wird deutlich, dass in diesem<br />
Zusammenhang eine ausschliessliche Zuordnungsordnung bezüglich der Objekte<br />
beabsichtigt worden ist, welche von der Ablieferungsobligation betroffen sind. 435 Es<br />
ist beabsichtigt, die entsprechenden Objekte entweder dem Auftragnehmer oder dem<br />
Auftraggeber zuzusprechen. Damit orientierte man sich im Rahmen der<br />
Ablieferungsobligation an eigentlichen „sachenrechtlichen“ Regelungsprinzipien, was<br />
sich insofern anerbot, als die entsprechenden Objekte „sachlicher“ Natur sind.<br />
Angestrebt wurde damit eine eindeutige Zuordnung. Es ist bereits an dieser <strong>St</strong>elle<br />
darauf hinzuweisen, dass Information grundsätzlich einer Sachanalogie nicht<br />
zulänglich ist, 436 was insbesondere in der Auseinandersetzung mit der „Herausgabe<br />
<strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Geschaffenen“ von Interesse sein wird. 437<br />
3.3.2.2 Systematische Betrachtung<br />
Der Zusammenhang von <strong>Rechenschaftspflicht</strong> und Ablieferungsobligation wird bereits<br />
dadurch dokumentiert, dass etwa auch im schweizerischen Recht die entsprechenden<br />
Pflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> im gleichen Artikel und Absatz kodifiziert wurden.<br />
Bezogen auf das schweizerische Recht ist zu fragen, ob mit diesem „Zusammenzug“<br />
der beiden Pflichten – gerade auch im Gegensatz etwa zum deutschen BGB 438 – eine<br />
433<br />
Es sei bereits an dieser <strong>St</strong>elle erwähnt, dass in diesem Zusammenhang v.a. die<br />
Ausführungen in Kapitel 3.3.3.4 von Interesse sind: „Herausgabe <strong>des</strong> bei der<br />
Auftragsausführung Geschaffenen“.<br />
434<br />
<strong>Die</strong> Frage der Vergütung ist nach geltendem Auftragsrecht selbstredend vorbehalten:<br />
Siehe dazu insbesondere Kapitel 1.3.2 und 3.7.1. Weiter ist die Frage <strong>des</strong> Auslagen- und<br />
Verwendungsersatzes vorbehalten.<br />
435<br />
Auf einzelne Abgrenzungsfragen braucht in dieser Darstellung nicht eingegangen zu<br />
werden. Siehe dazu ausführlich BK-Fellmann, Art. 400 N 148ff.<br />
436 Dazu Druey, Information als Gegenstand, 93ff. und 100ff. (je mit weiteren Hinweisen).<br />
437<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.<br />
438<br />
In der deutschen Lehre und Rechtsprechung wird die systematische Verbindung aber<br />
bspw. dadurch untermauert, dass die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung nur<br />
„zusammen mit dem Herausgabeanspruch, <strong>des</strong>sen ziffernmässiger Feststellung sie<br />
dienen,“ übertragen werden können: Soergel-Beuthien, § 666 Rz 3; MünchKomm-Seiler,<br />
§ 666 Rdnr. 3.
- 101 -<br />
bestimmte Intention verknüpft war, weil etwa die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> (etwa in der<br />
Ausprägung der Abrechnungspflicht 439 ) inhaltlich auf die Ablieferungsobligation<br />
ausgerichtet ist. 440<br />
In diesem Sinne kann angeführt werden, dass der Entwurf Munzinger in Art. 477 aus<br />
dem Jahre 1871 eine „Umstellung“ der beiden Pflichten vorgenommen hatte: In<br />
diesem Entwurf wurde die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im gleichen Absatz – und auch etwa<br />
gerade im Gegensatz zum Dresdener Entwurf 441 – der Ablieferungsobligation<br />
vorangestellt. Auch wenn sich aus den Materialien keine expliziten Hinweise ergeben,<br />
so kommt – gerade im Hinblick auf den tradierten Inhalt der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> –<br />
dadurch doch der Gedanke zum Ausdruck, dass die eine Pflicht als Vorbedingung für<br />
die andere Pflicht betrachtet wurde. Dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> eng mit der<br />
Ablieferungsobligation verknüpft ist, belegen auch die Hinweise im Rahmen der<br />
442 rechtshistorischen Untersuchung: Vor diesem Hintergrund kann aus der<br />
systematischen <strong>St</strong>ellung der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gefolgert werden, dass es sich bei<br />
der Informationspflicht nach Art. 400 OR um eine Pflicht handelt, welche thematisch<br />
und inhaltlich durch die Ablieferungsobligation beeinflusst wird. Es ergibt sich der<br />
Hinweis darauf, dass es sich bei dieser Informationspflicht um eine Berichtspflicht<br />
handelt, welche sich grundsätzlich mit der Ablieferungsobligation auseinandersetzt.<br />
Damit deckt diese <strong>Rechenschaftspflicht</strong> thematisch und inhaltlich die Pflicht zur<br />
Rechnungslegung und die Anforderungen aus dem Auslagen- und<br />
Verwendungsersatzrecht ab.<br />
3.3.3 Inhalt der Ablieferungsobligation<br />
3.3.3.1 Vorbemerkungen<br />
In diesem Kapitel wird die Ablieferungsobligation detailliert dargestellt, weil sich die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> als Informationspflicht gemäss Art. 400 Abs. 1 OR auch auf<br />
diese Pflicht bezieht. Eine entsprechende Darstellung der Ablieferungsobligation ist<br />
aber auch insbesondere <strong>des</strong>halb gerechtfertigt, weil ein Teil der Lehre die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> als eine komplementäre Informationspflicht zur<br />
439<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.<br />
440<br />
Vgl. Art. 1993 CC; § 1173 PGB. Siehe in diesem Zusammenhang auch Druey,<br />
Informationspflichten, 32; er spricht davon, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> „nicht von<br />
ungefähr (...) zusammen mit der Ablieferungspflicht geregelt“ worden ist.<br />
441 Damit wird die Ansicht von BK-Fellmann, Art. 400 N 5, weiter durch ein formales<br />
Argument gestärkt, dass bei der Formulierung von Art. 398 aOR die Regelung von § 1173<br />
PGB (und nicht der Dresdener Entwurf) als Vorbild diente.<br />
442 Siehe dazu Kapitel 2.
- 102 -<br />
Ablieferungsobligation auffasst: Danach sollen dem Auftraggeber Informationen auf<br />
der Grundlage der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nach Art. 400 OR verschafft werden müssen,<br />
welche unter dem Titel der Ablieferungsobligation nicht herauszugeben sind. 443 Es ist<br />
aber an dieser <strong>St</strong>elle anzumerken, dass die Ablieferungspflicht und eine<br />
Informationspflicht einen ganz grundlegenden Unterschied aufweisen: <strong>Die</strong><br />
Ablieferungspflicht wird als obligatio dandi charakterisiert, 444 weshalb es „eine<br />
Verpflichtung zu einer Sachleistung gibt, für welche eine ähnliche Erfolgshaftung wie<br />
für die Ablieferung eines Werkes oder Kaufgegenstan<strong>des</strong> besteht.“ 445 Gerade diese<br />
Eigenschaft trifft auf Informationspflichten aber nicht zu, da Informationsrechte einer<br />
Sachanalogie grundsätzlich nicht zugänglich sind. Aus diesem Grunde ist es äusserst<br />
fraglich, ob eine Informationspflicht dort bestehen oder anschliessen kann, wo eine<br />
Herausgabepflicht verweigert werden kann. Nach der hier vertretenen Ansicht sind die<br />
Grenzen der Ablieferungsobligation auch die Grenzen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong>,<br />
soweit nicht eine Informationspflicht aus der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> selbst begründet<br />
werden kann. 446<br />
<strong>Die</strong> Herausgabepflicht wird grundsätzlich durch das Bun<strong>des</strong>zivilrecht geregelt 447 ,<br />
weshalb besondere Normen <strong>des</strong> kantonalen-öffentlichen Rechts diese Pflicht nicht<br />
modifizieren können. So wurde etwa festgestellt, dass „[d]ie gehörige Erfüllung der<br />
auftragsrechtlichen Herausgabepflicht anerkanntermassen auch zu den Berufspflichten<br />
<strong>des</strong> Anwaltes [zählt].“ 448 Aus diesem Grunde wird nachfolgend einzig die Rechtslage<br />
nach Art. 400 OR dargestellt. Entsprechend der Gliederung in der Lehre 449 wird<br />
nachfolgend zwischen drei verschiedenen Bereichen der Ablieferungsobligation<br />
unterschieden 450 :<br />
3.3.3.2 Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Erhaltenen<br />
Was der Beauftragte zur (oder zwecks) Auftragsausführung vom Auftraggeber erhalten<br />
hat, bildet Gegenstand der Ablieferungsobligation. 451 Dabei wird der diesbezügliche<br />
443<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.<br />
444<br />
BK-Gautschi, Art. 400 N 3a; Derendinger, N 140.<br />
445<br />
BK-Gautschi, Art. 400 N 3a.<br />
446<br />
Dazu die Folgerungen, welche aus einer Pflicht zur ordentlichen Rechnungsstellung<br />
resultieren: Siehe dazu Kapitel 3.7.3.<br />
447<br />
Handbuch, 139; Testa, 49f.<br />
448 RBUR 1996 Nr. 52 E. 2a (Hervorhebung nur hier).<br />
449 Vgl. dazu: BK-Fellmann, Art. 400 N 118ff.<br />
450<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.2 – 3.3.3.4.<br />
451<br />
<strong>St</strong>audinger-Wittmann, § 667 Rdnr. 4.
- 103 -<br />
Zusammenhang weit umschrieben: „Ausreichend ist, dass es dem Zweck der<br />
Geschäftsbesorgung dienen kann und dafür gedacht ist.“ 452 Es kann sich dabei um<br />
Gelder (insbesondere auch Vorschüsse), Forderungen 453 oder andere Gegenstände<br />
handeln. <strong>Die</strong> Ablieferungsobligation verpflichtet den <strong>Beauftragten</strong>, die Sachen<br />
rückzuübereignen und etwa die Forderungen rückabzutreten. Nach dieser weiten<br />
Formulierung sind auch grundsätzlich alle Dokumente (Urkunden, Briefe etc.)<br />
Gegenstand dieser Pflicht. 454 Der Herausgabeanspruch der ursprünglichen Akten <strong>des</strong><br />
Auftraggebers wurde auch in der Rechtsprechung seit je anerkannt. 455 Damit bereitet<br />
der sachliche Anwendungsbereich dieser Ablieferungsobligation keine grossen<br />
Schwierigkeiten.<br />
Im Zusammenhang mit der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> kann ausgeführt werden, was folgt:<br />
Im Bereich der zur Ausführung übergebenen Gelder etc. gilt, dass alles zurückzugeben<br />
ist, was der Beauftragte erhalten hat, ausgenommen den Teil, den der<br />
bestimmungsgemässe Verbrauch mit sich brachte. 456 Im Falle der Konsumation wird<br />
der Anspruch auf Ablieferung funktional durch den Anspruch auf<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> ersetzt 457 , indem Bestand und Umfang <strong>des</strong> Verbrauches vom<br />
<strong>Beauftragten</strong> zu spezifizieren sind, was gerade typischerweise den Gegenstand der<br />
Pflicht zur Rechnungslegung bildet. 458 Somit zeigt sich folgender Zusammenhang<br />
zwischen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> und der Ablieferungsobligation: Soweit eine<br />
Ablieferungsobligation tatsächlich gegeben ist, ist diese durch die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> zu spezifizieren. Insoweit eine entsprechende<br />
Ablieferungsobligation nicht mehr besteht, weil ein bestimmungsgemässer Verbrauch<br />
452 MünchKomm-Seiler, § 667 Rdnr. 3.<br />
453 Zur Abgrenzung gegenüber Art. 401 OR: BK-Fellmann, Art. 400 N 121 und 139.<br />
454 Für die Ablieferung einer Vollmachtsurkunde ist Art. 36 Abs. 1 OR zu beachten (siehe<br />
dazu bereits SJZ 1939/1940 240). Anderer Meinung offensichtlich Hofstetter, 2000, 119.<br />
<strong>Die</strong> Vollmachtsurkunde wird gemäss AKE 90168 vom 7.2.1991 aber als Handakte<br />
qualifiziert, die nicht herausgegeben werden muss (gleicher Meinung Testa, 180f.).<br />
455 Anstelle vieler: ZR 28 Nr. 79 [S. 163].<br />
456<br />
ZK-Oser/Schönenberger, Art. 400 N 6. Aus der Rechtsprechung: BGE 51 II 183ff., E. 2<br />
(Rückerstattung der Deckung im Checkrecht); BGE 54 II 283ff., E. 2c (Bejahung der<br />
Rückzahlungspflicht für Geld, welches im Hinblick auf die Eingehung einer Ehe<br />
hingegeben worden war); ZR 22 Nr. 181 E. 2 (Herausgabepflicht im Rahmen eines sog.<br />
Devisenkaufes [In diesem Entscheid wird einzig von der Pflicht zur Rechenschaft<br />
gesprochen!]).<br />
457<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 123. Der Herausgabeanspruch ist in diesem Umfang<br />
„erloschen“: MünchKomm-Seiler, § 667 Rdnr. 5.<br />
458 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.
- 104 -<br />
vorliegt, wird die Ablieferungsobligation durch die eigentliche <strong>Rechenschaftspflicht</strong> in<br />
der Form der Abrechnungspflicht ersetzt. 459<br />
<strong>Die</strong> vorgenannten Grundsätze sind auch in den Fällen anwendbar, in denen der<br />
Beauftragte auf Veranlassung <strong>des</strong> Auftraggebers von Dritten etwas erhält. 460 Dem<br />
kann grundsätzlich zugestimmt werden, soweit es sich um Geld oder Gegenstände<br />
handelt, sofern letztere nicht aus der Dokumentation eines <strong>Beauftragten</strong> stammen.<br />
<strong>Die</strong>sbezüglich ist nämlich die folgende Einschränkung anzubringen: In dieser Arbeit<br />
wird ein sog. adressatenspezifisches Informationsrecht erarbeitet, welches die<br />
Interessen <strong>des</strong> Auftraggebers an einem Auftrag und die Interessen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> an<br />
seinen Arbeitsresultaten, gestützt auf die bestehende Gesetzeslage, in<br />
Übereinstimmung bringen soll. Gemäss dieser Konzeption ist im Anwendungsbereich<br />
<strong>des</strong> Auftragsrechts der Erstbeauftragte bloss verpflichtet, eine erstellte Dokumentation<br />
461 in dem Umfang an seinen Nachfolger (und nicht an seinen Auftraggeber) in der<br />
Auftragsabwicklung herauszugeben, als dies die Erfordernisse der Rekonstruierbarkeit<br />
bzw. die allgemeine Interessenwahrungspflicht gebieten. 462 Aus diesem Grund sind<br />
diese Ergebnisse mit der Ausgestaltung der Herausgabepflicht abzustimmen: Es kann<br />
grundsätzlich nicht angehen, dass der Auftraggeber über den Umweg eines anderen<br />
<strong>Beauftragten</strong> zu Informationen Zugang erhält, die er direkt beim Erstbeauftragten<br />
(dem Dritten) nicht erhalten würde.<br />
3.3.3.3 Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Erlangten<br />
Da auch in diesem Bereich die Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Auftragsrechts der zentrale<br />
Orientierungspunkt ist, finden sinngemäss die nämlichen Kriterien wie im<br />
vorangehenden Abschnitt Anwendung. Es ist dieser Gesichtspunkt, welcher die sich<br />
stellenden Einzelfragen entscheidet. In rechtshistorischer Hinsicht kann angemerkt<br />
werden, dass die Rechtsentwicklung <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts v.a. in diesem Bereich der<br />
Ablieferungsobligation stattfand. 463<br />
In diesem Bereich der Ablieferungsobligation ist von Bedeutung, ob etwas in<br />
Ausübung <strong>des</strong> Mandates erlangt worden ist und damit ein (sog. innerer)<br />
459<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.<br />
460<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 119 (mit zahlreichen Hinweisen auf die schweizerische und<br />
deutsche Lehre).<br />
461<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
462<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.4 und 3.7.1.<br />
463<br />
Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2.
- 105 -<br />
Zusammenhang mit dem Mandat gegeben ist. 464 <strong>Die</strong>ser innere Zusammenhang besteht<br />
grundsätzlich dort, wo der Beauftragte etwas in Erfüllung <strong>des</strong> Auftrages erhalten hat.<br />
465 Es reicht nach der hier vertretenen Ansicht, dass etwas anlässlich und gestützt auf<br />
einen Auftrag erlangt worden ist, weil nur so dem Gedanken der Bereinigung der<br />
Vermögens- und Sachsphären vollständige Geltung zukommt. <strong>Die</strong> Herausgabepflicht<br />
besteht aus diesem Grund nicht nur dort, wo eine Interessenkollision in Rede stehen<br />
könnte. 466 Aus diesem Grund sind auch allfällige Trinkgelder abzuliefern. 467 Aus der<br />
konsequenten Haltung, dass die ganze Sachsphäre bereinigt werden muss, folgt, dass<br />
auch scheinbar wertlose Gegenstände herauszugeben sind, auch solche mit bloss<br />
emotionaler Bedeutung. 468 <strong>Die</strong>s ist beispielsweise auch deutlich der Fall bei solchen<br />
Akten, die der Beauftragte in seiner Eigenschaft als eigentlicher Vertreter <strong>des</strong><br />
Auftraggebers entgegennimmt. 469 So hat etwa ein Anwalt „alle jene Briefe, die er als<br />
Vertreter <strong>des</strong> Auftraggebers empfangen, aber auch alle Kopien jener Briefe, die er als<br />
Vertreter an Dritte geschrieben hat“ 470 , herauszugeben. <strong>Die</strong> Aufsichtskommission der<br />
Zürcher Rechtsanwälte hat festgehalten, dass etwa auch Gerichtsentscheide<br />
herauszugeben sind, da der Anwalt nur in der <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong> <strong>St</strong>ellvertreters in den Besitz<br />
derselben gelangt. 471<br />
In anderen Konstellationen stellt sich die Frage, ob das Mandatsrecht in diesem<br />
Bereich der Ablieferungsobligation den Willen der beteiligten Personen<br />
(Auftragnehmer und Dritter) berücksichtigt oder nicht. 472 In systematischer Sicht ist<br />
für die Schweiz interessant, dass ein gewichtiger Teil der arbeitsrechtlichen Literatur<br />
im Vergleich zur Rechtslage in Art. 321b OR zur Ansicht gelangt, dass die<br />
Ablieferungsobligation gemäss Art. 400 OR im Gegensatz zur arbeitsrechtlichen Norm<br />
einzig von objektiven Kriterien abhängig sei. 473 Nach richtiger Ansicht folgt dies auch<br />
464 <strong>St</strong>att vieler: BK-Fellmann, Art. 400 N 127 (mit weiteren Hinweisen).<br />
465 BK-Fellmann, Art. 400 N 127 (mit Hinweisen auf die deutsche Lehre).<br />
466 So aber BK-Fellmann, Art. 400 N 128.<br />
467 Anderer Ansicht: BK-Fellmann, Art. 400 N 134.<br />
468 BK-Fellmann, Art. 400 N 130 (mit weiteren Hinweisen). Es wird eben nicht bloss eine<br />
Bereinigung der Vermögenssphäre gefordert.<br />
469 Für den Rechtsanwalt: Handbuch, 143.<br />
470 SJZ 1939/1940 240 (Anwaltskommission Kanton AG). Nach allgemeiner Auffassung fällt<br />
diese Korrespondenz auch nicht unter den Begriff der sog. Handakten: So etwa deutlich<br />
Dubach, 81a.<br />
471 ZR 55 Nr. 178 [S. 376].<br />
472 ZK-Oser, Art. 400 N 3b; ZK-Oser/Schönenberger, Art. 400 N 7; BK-Becker, Art. 400 N<br />
6.<br />
473 Vischer, 2005, 161 (mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Gesetzgebungsgeschichte).
- 106 -<br />
bereits aus dem Regelungsgedanken der Fremdnützigkeit und der Treuepflicht <strong>des</strong><br />
Auftrags, weshalb der Zuwenderwille im Mandatsrecht unbeachtlich bleiben muss. 474<br />
Deshalb sind, gestützt auf die allgemeinen Grundsätze <strong>des</strong> Mandatsrechts, neben<br />
Geldern, Sachen etc., die in Ausführung <strong>des</strong> Auftrages erhalten worden sind, auch stets<br />
475 476 „Schmiergelder , Preisnachlässe (Rabatte), Provisionen usw.“ sowie<br />
„Mengenrabatte“ 477 an den Auftraggeber herauszugeben bzw. weiterzugeben. 478<br />
Mengenrabatte für Geschäfte, die der Beauftragte auf Rechnung einer Vielzahl von<br />
Auftraggebern tätigt, sind pro rata an die jeweiligen Auftraggeber weiterzuleiten. 479 Es<br />
handelt sich hierbei auch um eine wichtige Grunderkenntnis, welche rechtshistorisch<br />
im 19. Jahrhundert erkannt wurde: So wurde etwa auch in der Diskussion zur<br />
Entstehung von § 667 BGB bemerkt, „dass der Beauftragte auch Geschenke und<br />
Extraprovisionen, welche er wegen <strong>des</strong> Abschlusses aufgetragener Geschäfte von dem<br />
Dritten erhalten habe, herausgeben müsse.“ 480 Dahinter steht der zentrale Gedanke,<br />
dass der Auftragsvertrag durch die Interessenwahrung und die Fremdnützigkeit<br />
charakterisiert ist, weshalb der Beauftragte nicht bereichert sein darf und folglich<br />
sämtlichen Nutzen herauszugeben resp. abzuliefern hat. 481<br />
Es stellt sich hier die Frage, wie sich die Herausgabepflicht hinsichtlich jener<br />
Dokumente, Unterlagen (und Informationen) gestaltet, die der Beauftragte im Rahmen<br />
seiner Auftragsausführung auf eigene Initiative bei Dritten einholt. 482 Aus der Natur<br />
der Ablieferungsobligation als Sachleistungspflicht folgt, dass unter dem Titel dieser<br />
mandatsrechtlichen Pflicht nur jene Informationen geschuldet sein können, die (a) von<br />
einem Dritten stammen, (b) sich in der Sphäre <strong>des</strong> Dritten bereits materialisiert haben<br />
(in einem Informationsträger, bspw. Dokument) 483 und (c) im Rahmen seiner eigenen<br />
474<br />
Hofstetter, 2000, 121 (mit Hinweis auf die arbeitsrechtliche Literatur [Vischer, 1994, 72]).<br />
Im Grundsatz wohl auch BK-Fellmann, Art. 400 N 127 (e contrario). Aus der<br />
Rechtsprechung nun auch BGE 132 III 460, E. 4.1.<br />
475<br />
Schmiergelder sind stets abzuliefern: ZK-Oser/Schönenberger, Art. 400 N 7. Siehe dazu<br />
auch BGE 99 Ia 417ff., E. 3.<br />
476<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 128 (mit weiteren Hinweisen).<br />
477<br />
Dazu: BK-Fellmann, Art. 400 N 131; BasK-Weber, Art. 400 N 14.<br />
478<br />
Im Bereich „Retrozessionen“ und sog. „Finder’s Fee“ nun auch BGE 132 III 460, E. 4.1.<br />
479 Hofstetter, 2000, 121.<br />
480 Prot. I 2303. Siehe dazu Kapitel 2.6.2.<br />
481 BGE 132 III 460, E. 4.2. Deutlich aber auch schon das OGer BL im Entscheid vom<br />
19.1.2002 in SJZ 2003 591.<br />
482<br />
Gestützt auf Art. 68 OR oder Art. 398 Abs. 3 OR.<br />
483<br />
Ansonsten kann auf die Regelung der Dokumentationspflicht resp. auf die Regelung <strong>des</strong><br />
adressatenspezifischen Informationsrechts verwiesen werden. Siehe dazu die Kapitel 3.2<br />
und 3.3.4.
- 107 -<br />
Auftragsausführung erarbeitet wurden. Von der Herausgabepflicht betroffen ist also<br />
insbesondere nur, was sich bereits in der Sphäre <strong>des</strong> Dritten zu etwas<br />
„Herausgabefähigem“ materialisiert hat. Sind demgegenüber die Bedingungen (b) oder<br />
(c) nicht erfüllt, so sind die entsprechenden Regeln aus dem dritten Bereich der<br />
484 Ablieferungsobligation anzuwenden. Es ist in diesem Zusammenhang<br />
anzuerkennen, dass die hier dargestellte Ablieferungsobligation nicht als Grundlage<br />
für eine Aufzeichnungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> angeführt werden kann. Eine solche<br />
Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflicht ergibt sich aufgrund anderer<br />
Rechtsgrundlagen, welche nichts mit einer Ablieferungsobligation gemein haben. 485<br />
<strong>Die</strong> Frage der „Herausgabepflicht“ von Informationen, welche, gestützt auf die<br />
Dokumentationspflicht, erstellt worden sind, muss dabei gesondert beantwortet<br />
werden. 486<br />
In analoger Behandlung zur Herausgabepflicht von sog. Handakten ist auch hier<br />
anzumerken, dass die Frage der Vergütung der Leistung richtigerweise ohne<br />
Bedeutung in der Frage der Herausgabepflicht ist. Aus diesem Grund kann aus der Art<br />
der Rechnungsstellung (Aufführung im Rahmen <strong>des</strong> Gesamthonorars oder Aufführung<br />
unter dem besonderen Titel <strong>des</strong> Auslagen- und Verwendungsersatzes) nichts für oder<br />
gegen eine entsprechende Herausgabepflicht abgeleitet werden. 487<br />
3.3.3.4 Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Geschaffenen<br />
3.3.3.4.1 Allgemeines<br />
Wie bereits einleitend angemerkt 488 , handelt es sich bei der Auseinandersetzung mit<br />
der „Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Geschaffenen“ um den eigentlichen<br />
Schwerpunkt dieses ersten Teils <strong>des</strong> vorliegenden Kapitels. In diesem Bereich der<br />
Ablieferungsobligation wird der Auftrag danach untersucht, was der Beauftragte zu<br />
leisten sich verpflichtet hat: Der Auftraggeber hat ein Recht zu erhalten, was ihm der<br />
Beauftragte in einem konkreten Auftrag versprochen hat. In diesem Interesse ist der<br />
Auftraggeber zu schützen, da auch bezüglich dieser „Leistung“ die Fremdnützigkeit<br />
<strong>des</strong> Auftrages gegeben ist.<br />
484<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.<br />
485<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
486<br />
Siehe dazu die Ausführungen zu den sog. Handakten (Kapitel 3.3.3.4.4) und zur<br />
Vorlegungspflicht resp. zum adressatenspezifischen Informationsrecht (Kapitel 3.3.4).<br />
487<br />
Selbstredend kann eine differenzierte Abredung in diesem Bereich vereinbart werden.<br />
488 Siehe dazu Kapitel 3.3.1.
- 108 -<br />
Um diese „Leistung“ beschreiben zu können, wird in diesem Zusammenhang in einem<br />
ersten Teil dieser Bereich der Ablieferungsobligation generell dargestellt (Kapitel<br />
3.3.3.4.2). Um diesem Bereich der Ablieferungsobligation mehr Konturen und<br />
Klarheit zu verleihen, wird anschliessend in Kapitel 3.3.3.4.3 die entsprechende<br />
Ablieferungspflicht anhand von verschiedenen spezifischen Auftragstypen erarbeitet.<br />
Untersucht wird die Ablieferungsobligation im Architektenvertrag, im Anwaltsvertrag,<br />
im Arztvertrag und im Softwarevertrag. Ziel dieses Abschnittes ist auch, die weiteren<br />
Einflüsse auf eine Ablieferungsobligation aufzuzeigen, die sich aus weiteren<br />
Umständen tatsächlicher oder rechtlicher Natur ergeben können. In einem letzten Teil<br />
wird vor diesem Hintergrund das Konzept der sog. Handakten vorgestellt, welches als<br />
sachdienliches Instrument für ein grundlegen<strong>des</strong> Zuordnungskonzepts dient (Kapitel<br />
3.3.3.4.4.).<br />
3.3.3.4.2 Grundsätzlicher Inhalt dieser Ablieferungsobligation<br />
Der Gegenstand der Ablieferungsobligation umfasst in seinem dritten Bereich auch die<br />
Übereignung <strong>des</strong> eigentlichen Resultats oder der Resultate der <strong>Die</strong>nstleistung. 489 So<br />
sind „all diejenigen Gegenstände abzuliefern, die zu schaffen der Beauftragte<br />
vertraglich verpflichtet war“ 490 oder „die zu erschaffen oder zu beschaffen<br />
Hauptverpflichtung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> gewesen ist.“ 491 Auch in der Rechtsprechung ist<br />
anerkannt, dass „[c]ette obligation concerne non seulement ce que le mandateire a reçu<br />
du mandant ou de tiers, mais également les objets, notamment les documents, qu’il a<br />
créés lui-même en éxecution du mandat.“ 492 <strong>Die</strong>se Umschreibungen haben diejenigen<br />
Vertragskonstellationen im Fokus, in denen der Ablieferungsobligation der Charakter<br />
einer Hauptleistungspflicht zuzuschreiben ist. 493 Gerade bei über die Zeit andauernden<br />
und/oder umfassenden Aufträgen steht jedoch die eigentliche Ausführungsobligation<br />
489<br />
BK-Gautschi, Art. 400 N 7b; BK-Fellmann, Art. 400 N 135; Derendinger, N 140 und 145;<br />
BasK-Weber, Art. 400 N 12; Hofstetter, 2000, 119.<br />
490<br />
Derendinger, N 145. Aus der Rechtsprechung sehr illustrativ und allgemein: SJ 1958<br />
520ff. [522].<br />
491<br />
Hofstetter, 2000, 119. Mit Derendinger, N 145 FN 179, ist zur Lehrmeinung Hofstetter,<br />
119, anzumerken, dass diese Pflicht zu weit gefasst wird, wenn die Ablieferungspflicht<br />
wie folgt formuliert wird: „Es genügt, dass die Gegenstände in Ausführung <strong>des</strong> Auftrages<br />
erworben oder geschaffen worden sind.“ <strong>Die</strong>se weite Umschreibung wurde aber etwa<br />
auch in ZR 85 Nr. 57 E. 6 verwendet.<br />
492<br />
SJ 1999 14ff., E. 6 (Hervorhebungen nur hier): Es ging um die Erbringung von<br />
Buchhaltungsdienstleistungen für schweizerische Aktiengesellschaften.<br />
493<br />
Dazu die Darstellung bei Derendinger, N 138 und BK-Fellmann, Art. 394 N 263 resp. 400<br />
N 151f. Aber auch die Rechtsprechung in SJ 1999 I 14 E. 6 (im Zusammenhang mit der<br />
Frage eines Zurückbehaltungsrechts).
- 109 -<br />
im Vordergrund, sodass die Ablieferungsobligation regelmässig als blosse<br />
Nebenleistungspflicht erscheint. 494<br />
Es sind gerade die zuletzt genannten Konstellationen, in denen der Pflichtinhalt der<br />
Ablieferungsobligation im Einzelfall zu erarbeiten ist. Nachfolgend wird <strong>des</strong>halb die<br />
Ablieferungspflicht in verschiedenen Mandatsverträgen darstellt. Da hier die Frage<br />
interessiert, wie sich der Inhalt und die Schranken der Herausgabepflicht im<br />
allgemeinen Auftragsrecht definieren, wird den jeweiligen Begründungen bei den<br />
verschiedenen Mandatsverträgen besondere Beachtung geschenkt.<br />
3.3.3.4.3 Ablieferungsobligation in einzelnen, besonderen Auftragsverträgen<br />
3.3.3.4.3.1 Architektenvertrag<br />
<strong>Die</strong> Qualifikationsfrage bei Verträgen mit Architekten ist kontrovers. 495 Hinsichtlich<br />
der anwendbaren Rechtsregeln ist zwischen dem Planungsvertrag, dem<br />
Bauleitungsvertrag und einem Gesamtvertrag zu unterscheiden. In der Folge wird<br />
davon ausgegangen, dass in einem spezifischen Fall überhaupt Mandatsrecht zur<br />
Anwendung gelangt. 496 <strong>Die</strong> allgemeine Lehre zum Architektenrecht beschreibt den<br />
Umfang der Ablieferungsobligation wie folgt: Der Architekt ist vertraglich zur<br />
Erstellung eines Planes verpflichtet, was zugleich den Gegenstand der geschuldeten<br />
Leistungspflicht darstellt. 497 Damit umschreibt diese Lehre eine eher enge Auffassung<br />
der Ablieferungsobligation, wonach herauszugeben ist, was der Architekt zu schaffen<br />
sich vertraglich verpflichtet hat. In der Spezialliteratur zum Architektenvertrag wird<br />
demgegenüber die Ablieferungsobligation weiter umschrieben: „ (...) un <strong>des</strong> devoirs de<br />
l’architecte consiste en la remise au client d’esquisses, <strong>des</strong>sins, plans, comptes,<br />
soumissions, offres, contrats d’adjudication, contrats avec d’autres mandataires,<br />
correspondance (notamment avec les autorités), quittances et autres documents. En<br />
revanche, l’architecte conservera les originaux <strong>des</strong> projets, qui demeurent sa propriété<br />
494<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 152 (mit weiteren Hinweisen). Siehe dazu Kapitel 1.3.4.<br />
495<br />
Gauch, N 47ff., insbesondere N 58ff., für die rechtliche Natur <strong>des</strong> sog. Gesamtvertrages<br />
(mit weiteren Hinweisen).<br />
496<br />
Zur Qualifikationsfrage in der Gerichtspraxis (BGer in 4C.424/2004; BGE 127 III 543 E.<br />
2a [kritisch besprochen von Tercier, Entwicklungen 2002, 307]) und in der neueren Lehre<br />
(Übersicht bei BK-Fellmann, Art. 394 N 182): Der Vertrag wird als einfacher Auftrag<br />
qualifiziert. Demgegenüber noch die „Aufspaltung“ je nach infrage stehender Leistung:<br />
BGE 114 II 53ff., E.2 (in casu aber nur Werkvertragsrecht anwendbar, gestützt auf: BGE<br />
109 II 462ff., E. 3d und BGE 98 II 305ff., E. 3). Siehe für den Fall eines Vertrages über<br />
die Schätzung einer Liegenschaft: BGE 127 III 328ff., E. 2 (kritisch besprochen von<br />
Werro/Haas, 63ff.).<br />
497<br />
Derendinger, N 145; Hofstetter, 2000, 119; BK-Fellmann, Art. 400 N 135; BK-Gautschi,<br />
Art. 400 N 7f. Analoges liesse sich etwa auch z. B. beim Ingenieur formulieren.
- 110 -<br />
et sur lesquels il jouit de son droit d’auteur. C’est en cela encore qu’il se distingue de<br />
l’entrepreneur, qui doit remettre l’ouvrage original au maître.“ 498<br />
Es ist offensichtlich, dass diese Auflistung gegenständlich sehr viel weitergehender ist,<br />
wird doch insbesondere von „ ... und anderen Akten.“ gesprochen. 499 Der Unterschied<br />
zwischen der allgemeinen Lehre und der Spezialliteratur zum Architektenrecht ist<br />
durch die Modifizierung der Pflichtenlage durch die SIA-Ordnungen (namentlich SIA-<br />
500 501 102 ) begründet. <strong>Die</strong> SIA-102 Ordnung verlangt eine eigentliche<br />
Schlussdokumentation, deren Ziel es ist, den Auftraggeber informationell in den <strong>St</strong>and<br />
zu versetzen, welcher für Betrieb und Unterhalt der abgelieferten Sache etc. notwendig<br />
ist. 502 Dabei soll dieses Dossier durch Dokumente ergänzt werden, die der Beauftragte<br />
von anderen Unternehmern und Spezialisten erhalten hat (und diesem erklärten Zweck<br />
dienen können). Nach allgemeiner Lesart umfasst diese Schlussdokumentation<br />
insbesondere auch „Originalpläne, Skizzen, Berechnungen usw.“. 503 Wie aus der<br />
Gegenüberstellung der allgemeinen Mandatslehre und der Spezialliteratur folgt,<br />
handelt es sich bei der weiten Fassung der Ablieferungsobligation also nicht um einen<br />
gesetzlich festgelegten Gegenstandsbereich der Ablieferungspflicht nach Art. 400 Abs.<br />
1 OR. Es handelt sich vielmehr um eine Beschreibung <strong>des</strong>sen, was der Architekt (oder<br />
der Ingenieur) dem Auftraggeber aufgrund vertraglich zusätzlich 504 übernommener<br />
Verpflichtungen, gestützt auf die SIA-Ordnung 102, herauszugeben hat. Demzufolge<br />
kann die eingangs erwähnte Umschreibung der allgemeinen Lehre als Ausdruck dafür<br />
herangezogen werden, was der eigentliche Ablieferungsgegenstand der<br />
498 Abravanel, N 331.<br />
499 <strong>Die</strong>se weite Umschreibung der Pflicht hat eine lange Tradition: Vgl. etwa der Entscheid<br />
<strong>des</strong> AppGer BE vom 22.12.1943 in ZBJV 1943 268ff.<br />
500 In den nachfolgend dargestellten Pflichten unterscheiden sich die SIA-Ordnung 1984 und<br />
die SIA-Orndnung 2001 nicht in materieller Hinsicht. Für eine diesbezügliche Übersicht:<br />
Egli, SIA-Ordnung, 54 und 55.<br />
501 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Normwerke in einem konkreten<br />
Vertragsverhältnis nur dann zur Anwendung gelangen, wenn sie in den Vertrag<br />
übernommen worden sind. Dazu deutlich etwa BGE 126 III 388ff., Sachverhalt und E. 9<br />
und bereits BGE 109 II 462ff., E. 4. Es handelt sich bei den SIA-Ordnungen um<br />
Allgemeine Geschäftsbedingungen, weshalb die entsprechenden Regeln aus Lehre und<br />
Rechtsprechung Anwendung finden: Hess, 48ff.<br />
502 <strong>Die</strong>se Dokumentation soll auf der Grundlage <strong>des</strong> Ausführungsplanes basieren, wobei alle<br />
Änderungen nachgeführt werden sollen, die während der ganzen Auftragsausführung<br />
vorgenommen wurden.<br />
503<br />
So insbesondere die Kommentierung von Hess, 123.<br />
504<br />
<strong>Die</strong> SIA-Ordnungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten nicht, weil ein<br />
Architekt Vertragspartei ist, sondern nur, wenn dieses Regelungswerk vertraglich<br />
übernommen wird: Hess, 48f.; Egli, SIA-Ordnung, 47 (mit weiteren Hinweisen).
- 111 -<br />
Ablieferungsobligation im Architektenvertrag wäre, falls der Einfluss der SIA-Normen<br />
nicht berücksichtigt würde.<br />
In systematischer Hinsicht von Interesse ist, wie die Spezialliteratur das Verhältnis<br />
zwischen der Ablieferungsobligation und der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> beschreibt. Nach<br />
dieser Lehrmeinung hat ein Architekt keine <strong>Rechenschaftspflicht</strong> („reddition <strong>des</strong><br />
comptes“) über folgende Gegenstände abzugeben: „En revanche, le mandataire peut<br />
conserver ses calques, ses documents personnels ou préparatoires, ainsi que sa<br />
comptabilité quand bien même il doit la montrer in parte qua.“ 505 In materieller<br />
Hinsicht wird hier im Zusammenhang mit der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> ein Bereich<br />
umschrieben, welcher sich gegenständlich mit dem Begriff der sog. Handakten im<br />
Rahmen der Ablieferungsobligation deckt. 506 Es handelt sich dabei insbesondere um<br />
jene Dokumente und Gegenstände, die den eigentlichen Arbeitsprozess <strong>des</strong><br />
Architekten widerspiegeln und nicht die eigentlich vertraglich versprochene Leistung<br />
betreffen. Damit kommt die Ansicht zum Ausdruck, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
nicht eine Informationspflicht ist, welche dem Auftraggeber Anrechte auf<br />
Informationen gibt, welche er, gestützt auf die Ablieferungsobligation, nicht erhalten<br />
kann. Damit wird zum einen der Natur der Ablieferungsobligation als einer<br />
Nebenleistungspflicht 507 und zum anderen den weiteren Ergebnissen aus der<br />
datenschutzrechtlichen Untersuchung entsprochen. 508 Darin widerspiegelt sich auch<br />
eine konsequente Inhaltsbeschreibung der verschiedenen Pflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>,<br />
wie sie auch im Zusammenhang mit der Darstellung einer Vorlegungspflicht vertreten<br />
wird. 509<br />
Im Ergebnis ergibt sich, dass der Architekt, gestützt auf die entsprechenden<br />
gesetzlichen und (insbesondere) vertraglichen Grundlagen, eine Anzahl von klar<br />
umschriebenen Gegenständen und Dokumenten herausgeben muss. Seine eigentlichen<br />
Vorarbeiten und damit der Arbeitsprozess muss er jedoch dem Auftraggeber nicht<br />
offenbaren, weder gestützt auf eine Ablieferungsobligation noch gestützt auf eine<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong>. Besonders deutlich wird dabei auch, dass die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> nicht weiter geht als die Ablieferungsobligation.<br />
505<br />
Abravanel, N 325 i.f.<br />
506<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4. Egli, SIA-Ordnung, 70, weist darauf hin, dass die<br />
Neufassung von Art. 1.3.6 der SIA-Ordnung 102 inhaltlich keine Änderung brachte.<br />
507 Siehe dazu Kapitel 1.3.4.<br />
508 Siehe dazu Kapitel 3.4.<br />
509 Siehe dazu Kapitel 3.3.4.
- 112 -<br />
3.3.3.4.3.2 Anwaltsvertrag<br />
Der Anwaltsvertrag unterliegt dem Recht <strong>des</strong> einfachen Auftrages gemäss Art. 394ff.<br />
OR. 510 Im Zusammenhang mit dem Anwaltsvertrag wurde ausgeführt, dass die<br />
Herausgabepflicht grundsätzlich durch das Bun<strong>des</strong>zivilrecht geregelt wird und weitere<br />
Normen <strong>des</strong> kantonalen-öffentlichen Rechts diese Pflicht nicht modifizieren können. 511<br />
Danach sind unter dem Titel der Ablieferungsobligation Rechtsschriften oder Verträge<br />
etc. herauszugeben, die im Rahmen eines Auftrages redigiert worden sind. 512 Damit ist<br />
gerade das herauszugeben, was sich der Anwalt zu schaffen sich verpflichtet hat.<br />
Der Anwaltsvertrag erlangt aber v.a. <strong>des</strong>halb im Zusammenhang mit der<br />
Ablieferungsobligation Bedeutung, weil im Bereich <strong>des</strong> Anwaltsvertragsrechts der<br />
Begriff der sog. Handakten geprägt wurde. 513 Es handelt sich bei den sog. Handakten<br />
um Gegenstände und Informationen etc., welche nicht von der Ablieferungsobligation<br />
erfasst sind. In der deutschen Lehre wird in diesem Zusammenhang von sog.<br />
Arbeitsmitteln gesprochen: „Danach lässt sich sagen, dass der Beauftragte solche<br />
Unterlagen nicht herauszugeben hat, die ihn nur in die Lage versetzen sollen, die<br />
Geschäftsbesorgung durchzuführen und die nicht eigentlich Gegenstand der ihm<br />
aufgetragenen Tätigkeit sind.“ 514 Hierbei kommt der Tatsache Wirkung zu, dass in<br />
diesen Verträgen die Ablieferungspflicht regelmässig nur eine Nebenleistungspflicht<br />
ist. Demzufolge wird jener Bereich gegenständlich aus dem Anwendungsbereich der<br />
Ablieferungsobligation ausgegrenzt, welcher nicht eigentlich als geschuldet angesehen<br />
werden kann. Wird in einem Auftragsvertrag die Ablieferungsobligation als<br />
Nebenleistungspflicht qualifiziert, so hat dies zur Folge, dass der<br />
Ablieferungsgegenstand im Einzelfall zu ermitteln ist. <strong>Die</strong>se Methode führt<br />
zwangsläufig zu einer eher engen Auffassung der Ablieferungspflicht.<br />
Es ist auch die Regelungsidee und damit das Konzept der sog. Handakten, dass<br />
Informationen, Gegenstände oder Dokumente ausschliesslich dem Auftragnehmer<br />
zugeordnet werden. 515 Es handelt sich dabei aber um ein Konzept, welches im Bereich<br />
510<br />
Zuletzt: BGE 127 III 357ff., E. 1a.<br />
511<br />
Handbuch, 139. Testa, 49f. Aus der Rechtsprechung: RBUR 1996 Nr. 52 E. 2a (mit<br />
weiteren Hinweisen).<br />
512<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 135; BK-Gautschi, Art. 400 N 7f; Derendinger, N 145; Testa,<br />
38.<br />
513<br />
Möth, 59ff.; Dubach, 81a; Handbuch, 142.<br />
514<br />
Deutlich etwa MünchKomm-Seiler, § 667 Rdnr. 15f. (Hervorhebungen nur hier).<br />
515<br />
Es handelt sich dabei um eine Rechtsidee, welche in grundsätzlicher Weise auch im<br />
schweizerischen Datenschutzrecht durch den Begriff der „Arbeitshilfe“ im Rahmen von<br />
Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG niedergelegt ist. Dazu ausführlich Kapitel 3.4.3.
- 113 -<br />
<strong>des</strong> Auftragsrechts allgemeine Anwendung finden soll. 516 Aus diesem Grund wird<br />
dieses Konzept in einem späteren Abschnitt im Detail dargestellt. 517<br />
Bereits an dieser <strong>St</strong>elle sei jedoch auf einen alten Entscheid der Luzerner<br />
Anwaltskammer vom 18. 11. 1932 hingewiesen, in welchem auch die Herausgabe von<br />
Handakten als gerechtfertigt erachtet wurde, weil ein anderer Anwalt das Mandat<br />
weiterführte. 518 Hier wurde im Zusammenhang mit dem Begriff der sog. Handakten<br />
entschieden, dass je nach Empfänger es gerechtfertigt erscheinen kann, ein Mehr an<br />
Informationsfluss zuzulassen resp. zu verfügen. 519<br />
3.3.3.4.3.3 Arztvertrag<br />
Im Arztvertragsrecht handelt es sich bei der Ablieferungsobligation um eine deutliche<br />
Nebenleistungspflicht, welche allgemein als von eher untergeordneter Bedeutung ist.<br />
Entsprechend dieser Charakterisierung wird die Ablieferungsobligation im Arztvertrag<br />
eng umschrieben, was besonders deutlich bei der Behandlung der Herausgabepflicht<br />
der Krankengeschichte wird. <strong>Die</strong> entsprechende Herausgabepflicht der<br />
Krankengeschichte wird von der Lehre allgemein verneint. 520 Wie an anderer <strong>St</strong>elle<br />
ausführlich dargelegt wird, handelt es sich bei der Krankengeschichte um den Inbegriff<br />
<strong>des</strong>sen, was ein Beauftragter im Rahmen seiner auftragsrechtlichen<br />
Dokumentationspflicht zu erfüllen hat. 521 <strong>Die</strong> entsprechende Dokumentation<br />
(Krankengeschichte) dient dabei der Ausführungsobligation <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> und<br />
stellt in einem grösseren Zusammenhang die Interessenwahrungspflicht <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> sicher. Es handelt sich aber bei dieser Dokumentation im Wesen um die<br />
Aufzeichnungen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, die seinen Interessen dienen, indem diese<br />
Dokumentation seine Pflichterfüllung sichert. Der Arzt hat dem Patienten die<br />
Heilbehandlung zugesichert, nicht jedoch die Anfertigung einer Krankengeschichte.<br />
Aus diesem Grunde ist der hL beizupflichten, dass ein Herausgabeanspruch, bezogen<br />
auf die Krankengeschichte, verneint wird.<br />
<strong>Die</strong>sbezüglich ist aber darauf hinzuweisen, dass nach hL und Rechtsprechung in der<br />
Schweiz dem Patienten ein Recht auf Einsicht oder Kopie der Krankengeschichte<br />
516<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 136 (mit weiteren Hinweisen).<br />
517<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.<br />
518<br />
Dubach, 81a, der diesem Entscheid offensichtlich zustimmt.<br />
519<br />
Siehe dazu die Ausführungen zu einem adressatenspezifischen Informationsrecht in<br />
Kapitel 3.3.4.<br />
520<br />
Hofstetter, 2000, 120; BK-Fellmann, Art. 400 N 140 (je mit zahlreichen Hinweisen).<br />
521 Siehe dazu Kapitel 3.2.3.3.
- 114 -<br />
zugestanden wird. 522 Damit werden das Konzept und der Regelungsgedanke der sog.<br />
Handakten aber unterlaufen, da durch die Gewährung dieser weiteren<br />
Informationsrechte der rechtlichen Natur der Krankengeschichte nicht entsprochen<br />
wird. Es ist wohl dieser Umstand, welcher in Deutschland zur Diskussion von sog.<br />
Alternativaufzeichnungen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> geführt hat. 523 Es wird an anderer <strong>St</strong>elle<br />
dargelegt, dass im Mandatsrecht keine eigentliche Vorlegungspflicht anerkannt<br />
werden kann, weshalb in dieser Hinsicht die hL abzulehnen ist. 524<br />
Im Gegensatz dazu wird in der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung die<br />
Ansicht vertreten, dass Röntgenbilder der Herausgabepflicht unterliegen. 525 Umstritten<br />
ist demgegenüber die Rechtslage in Deutschland: Einige Autoren wollen einen<br />
differenzierten Ansatz anwenden, weshalb grundsätzlich eine Herausgabe verneint<br />
wird, weil „die Röntgenbilder dazu [dienen], die Diagnose zu ermöglichen, sie<br />
lediglich ein Arbeitsmittel <strong>des</strong> Arztes sind, das nicht herausgegeben werden muss. Ist<br />
die Anfertigung von Röntgenbilder dagegen alleiniger Gegenstand <strong>des</strong> Vertrages (so<br />
bei einem speziellen Röntgenarzt)“ 526 , so wird eine Herausgabepflicht angenommen,<br />
aber aus anderem Rechtsgrund. 527 Andere Autoren nehmen nach Beendigung der<br />
Behandlung konsequent – jedenfalls vorübergehend – eine entsprechende<br />
Herausgabepflicht an. 528 Grundsätzlich ist der differenzierende Ansatz in der<br />
deutschen Lehre zu begrüssen, da dieser auch den Grundsatz in der schweizerischen<br />
Lehre beachtet, dass nur das eigentliche Arbeitsresultat abzuliefern ist. Abzuliefern<br />
sind nämlich einzig jene Sachen, die zu schaffen der Arzt sich vertraglich verpflichtet<br />
hat, wogegen für „Unterlagen, die den <strong>Beauftragten</strong> nur in die Lage versetzen sollen,<br />
die Geschäftsbesorgung durchzuführen und die nicht eigentlich Gegenstand der ihm<br />
aufgetragenen Tätigkeit sind, keine Herausgabepflicht [besteht].“ 529 Es ist nicht<br />
ersichtlich, weshalb in der Schweiz dieser Grundsatz im Bereich der Röntgenbilder<br />
522<br />
Derendinger, N 146; BK-Fellmann, Art. 400 N 139f.; Hofstetter, 2000, 120 (je mit<br />
zahlreichen Hinweisen). Für Deutschland: Deutsch/Spickhoff, Rz. 466 (mit weiteren<br />
Hinweisen).<br />
523<br />
Deutsch/Spickhoff, Rz. 454 (mit weiteren Hinweisen).<br />
524<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.4.<br />
525<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 137. In der Rechtsprechung wurde der Anspruch auf<br />
Ablieferung der Röntgenbilder bejaht: OGer ZH in ZR 85 Nr. 57 E. 7.<br />
526<br />
MünchKomm-Seiler, § 667 Rdnr. 16 i.f. (mit umfangreicher Rechtsprechungsübersicht).<br />
527<br />
Aus Werkvertrag: § 631ff. BGB.<br />
528<br />
Deutsch/Spickhoff, Rz. 469 (mit zahlreichen Hinweisen). <strong>Die</strong> Herausgabepflicht erfolgt<br />
gestützt auf die allgemeine Treuepflicht.<br />
529<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 136 (unter Hinweis auf die deutsche Lehre). Deutlich auch<br />
(hinsichtlich der Ablieferungsobligation): Derendinger, N 145; Hofstetter, 2000, 120.
- 115 -<br />
durchbrochen wird. 530 In der schweizerischen Lehre wird die deutsche Auffassung<br />
insbesondere <strong>des</strong>halb abgelehnt, weil der Patient die Röntgenaufnahmen bezahlt. 531<br />
Wie sich in einem späteren Kapitel zeigen wird, ist die Frage der Kostentragung 532<br />
kein hinreichen<strong>des</strong> Argument, die Herausgabe zu begründen. 533 Als weiterer Grund<br />
wird für die Herausgabe angeführt, dass es sich bei den Röntgenbildern um einen<br />
Bestandteil der Dokumentation handelt, welche anzulegen der Beauftragte verpflichtet<br />
ist. 534 Obgleich diese Feststellung richtig ist, so ist doch zu beachten, dass die<br />
Dokumentationspflicht von einer Herausgabepflicht deutlich zu unterscheiden ist: <strong>Die</strong><br />
Dokumentationspflicht steht im Zusammenhang mit der allgemeinen<br />
Interessenwahrungspflicht, 535 weshalb eine Dokumentation grundsätzlich nicht<br />
bedeutet, dass diese oder Bestandteile davon herauszugeben sind. <strong>Die</strong><br />
Dokumentationspflicht wird nämlich in erster Linie im Zusammenhang mit der<br />
Ausführungsobligation bestimmt und ist damit von ihrem Zweck determiniert. 536<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Ablieferungsobligation im<br />
Arztvertragsrecht eng zu umschreiben ist, wonach nach der hier vertretenen Ansicht<br />
die Krankengeschichte nie und die Röntgenbilder grundsätzlich nicht gestützt auf Art.<br />
400 OR herzugeben sind.<br />
3.3.3.4.3.4 Softwarevertrag<br />
<strong>Die</strong> Bestimmung der Rechtsnatur von Softwareverträgen ist komplex, was etwa<br />
beispielshaft eine Untersuchung zum sog. Softwarepflegevertrag zeigt. 537 <strong>Die</strong>s liegt in<br />
der Regel im Umstand begründet, dass in den entsprechenden Verträgen zahlreiche,<br />
530 Es ist allerdings einzuräumen, dass diese Ansicht der hL und der einschlägigen<br />
Gerichtspraxis in der Schweiz widerspricht: Derendinger, N 146; BK-Fellmann, Art. 400<br />
N 138; BK-Gautschi, Art. 400 N 7b; BasK-Weber, Art. 400 N 13. Ausführlich auch:<br />
Honsell, 200ff., Brühwiler-Frésey, 169ff. und Schröder, 39ff.<br />
531 BK-Fellmann, Art. 400 N 136 (mit zahlreichen weiteren Hinweisen).<br />
532 Sei es im Rahmen <strong>des</strong> Gesamthonorars oder im Rahmen eines spezifischen<br />
Aufwendungsersatzes.<br />
533<br />
Anders aber im Sinne eines starken Indizes für eine Herausgabepflicht (bei<br />
Röntgenbildern): ZR 85 Nr. 57 E. 7.<br />
534<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 137.<br />
535<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.2 und 3.2.3. AGVE 1987 40ff., E. 3a: „Zur Ausführung <strong>des</strong><br />
Behandlungsauftrags <strong>des</strong> Zahnarztes gehören Untersuchungen und Diagnosen zur<br />
richtigen Behandlung der Zähne (vgl. BGE 110 II 375ff.), wofür Röntgenbilder<br />
erforderlich sind, wie der Beklagte selber einräumt.“<br />
536<br />
Vgl. dazu die Ausführungen zu einem adressatenspezifischen Informationsrecht in Kapitel<br />
3.2.3.3. Insoweit ist den Einwänden von BK-Fellmann, Art. 400 N 138, Rechnung<br />
getragen.<br />
537<br />
Widmer, 29ff. <strong>Die</strong> Untersuchung kommt zum Schluss, dass der Softwarepflegevertrag als<br />
Innominatkontrakt zu qualifizieren ist. Ein weiteres Beispiel für die schwierige<br />
Rechtsfindung: <strong>St</strong>raub, 524ff.
- 116 -<br />
umfangreiche und verschiedenartige Leistungen erbracht werden. <strong>Die</strong> Rechtsprechung<br />
hatte unlängst die Gelegenheit, über die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen im<br />
Zusammenhang mit einem EDV-Vertrag zu befinden: Das Bun<strong>des</strong>gericht betonte zum<br />
einen die Wichtigkeit, dass jeder EDV-Vertrag nach den Umständen <strong>des</strong> Einzelfalles<br />
zu qualifizieren ist und wies zum anderen darauf hin, dass die in der Lehre bestehende<br />
„Prädominanz <strong>des</strong> Werkvertragsrechts (...) nicht unbesehen angenommen werden<br />
darf.“ 538<br />
Im vorliegenden Fall hielt das Bun<strong>des</strong>gericht die Anwendung der Regelungen zum<br />
Kaufvertragsrecht für sachgerecht, da die entsprechenden Elemente überwogen und<br />
kein eigentlicher Softwareherstellungsvertrag 539 in Rede stand. 540 In casu wurde<br />
jedoch das Kaufvertragsrecht für anwendbar erklärt, da sich das Rechtsgeschäft als<br />
541 eine Kombination von Kaufverträgen darstellte. In der Literatur zum<br />
Softwarevertrag wird die Ablieferungsobligation sowie die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im<br />
Softwarevertrag dargestellt, 542 wobei nachfolgend der Umfang und v.a. die<br />
entsprechende Begründung für diese Pflichten untersucht werden sollen:<br />
Aus der Spezialliteratur zum Softwareherstellungsvertrag umschreibt einzig Gurovits<br />
die Ablieferungsobligation unter einem eigenen Titel gesondert. Danach sind<br />
herauszugeben: „... Unterlagen wie Tätigkeitslisten, Netzpläne, Termin- und<br />
Arbeitseinsatzpläne, Projektorganisationspläne oder Projektdokumentationen.“ 543 <strong>Die</strong><br />
Umschreibung macht deutlich, dass die Ablieferungsobligation weit gefasst wird. Aus<br />
der Systematik bei Gurovits ergibt sich, dass der Umfang der Ablieferungsobligation<br />
sowohl bei der Anwendung werkvertraglicher als auch bei mandatsrechtlicher<br />
Normen identisch ausfällt. 544 <strong>Die</strong> weit gefasste Ablieferungsobligation resultiert v.a.<br />
dadurch, dass diese Benutzerdokumentation 545 in vielen Fällen überhaupt erst die<br />
538 BGE 124 III 456ff., E. 4b/bb.<br />
539 Für die Anwendung der werkvertraglichen Regelungen: Gauch, N 334ff.<br />
540 Werkvertrag soll grundsätzlich dort anwendbar sein, wo der Erfolg objektiv messbar<br />
garantiert werden könne: Siehe dazu auch BGE 130 III 458ff., E. 4 (sowie BGE 127 III<br />
328ff., E. 2: Vertrag über die Schätzung einer Liegenschaft).<br />
541 Für eine Kommentierung <strong>des</strong> Entschei<strong>des</strong>: Roberto, 343 (mit weiteren Hinweisen).<br />
542 Zu den einzelnen Belegstellen sogleich weiter unten.<br />
543<br />
Gurovits, 87f. i. V. m. 182: <strong>Die</strong> Ablieferungsobligation als eine allgemeine Pflicht eines<br />
EDV-Beraters.<br />
544<br />
Siehe diesbezüglich die Systematik in der Arbeit von Gurovits, passim.<br />
545<br />
Siehe hierzu etwa Gurovits, 11 i.V.m. 25, bezüglich herzustellender Unterlagen im<br />
Rahmen eines typischen sog. Projektmanagementvertrages.
- 117 -<br />
Nutzung der vertraglichen Hauptleistung ermöglicht. 546 Demnach ist eine eigentliche<br />
Benutzerdokumentation als stillschweigend vertraglich versprochen zu betrachten. 547<br />
Daraus ergibt sich, dass die Ablieferungsobligation in diesem Bereich klar definiert<br />
ist. 548<br />
Nach der hier vertretenen Ansicht gründet sich dieser weit gefasste<br />
Herausgabeanspruch auf der folgenden Tatsache beim Softwarevertrag: <strong>Die</strong> Art der<br />
Vertragsabwicklung zeichnet sich im Softwarebereich in aller Regel durch eine<br />
intensive Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien aus. <strong>Die</strong> Praxiserfahrung<br />
zeigt, dass diese enge Zusammenarbeit zwischen den Parteien eine tatsächliche<br />
Voraussetzung für eine gute Realisierungsmöglichkeit der geschuldeten<br />
Vertragsleistungen ist. Obgleich es sich bei diesen Verträgen systematisch um<br />
zweiseitige, synallagmatische Vertragsverhältnisse handelt, ist, gestützt auf diese<br />
faktische Tatsache, festzustellen, dass dieser „Charakter der Vertragsbeziehungen<br />
zwischen dem eines Gesellschafts- und dem eines synallagmatischen Vertrages<br />
anzusiedeln [ist]“. 549 In der schweizerischen Lehre wurde denn auch bereits früh der<br />
Einfluss gesellschaftsrechtlicher Normen zur Lösung der sich stellenden Problemlagen<br />
vorgeschlagen. 550 Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, dass die entsprechenden<br />
vertraglichen Verpflichtungen (Ablieferungs- und <strong>Rechenschaftspflicht</strong>) diesen<br />
wertungsmässigen Einflüssen Rechnung tragen. Dabei wird in diesen<br />
Vertragskonstellationen der Interessengegensätzlichkeitscharakter zu Gunsten<br />
gewisser Tendenzen eines Interessenvergemeinschaftungsvertrages<br />
(Gesellschaftsvertrag) abgeschwächt. 551 Es ist gerade ein Charakteristikum der<br />
Personengesellschaftsverträge, dass eine allgemeine Vergemeinschaftung der<br />
Interessen verwirklicht ist. <strong>Die</strong>s gilt insbesondere auch für die Vergemeinschaftung<br />
einer Informationsordnung. 552<br />
546 So auch Gauch, N 336f.<br />
547<br />
Gurovits, 89f. Gemäss diesem Autor ist diese Pflicht einzig durch Art. 398 Abs. 2 OR<br />
gefordert.<br />
548<br />
<strong>Die</strong> Situation entspricht derjenigen im Architektenvertrag. Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.3.1.<br />
549<br />
Slongo, 163 (nach eingehender Analyse der Qualifikationsfrage; [Hervorhebungen nur<br />
hier]).<br />
550<br />
Forstmoser, Vertragsprobleme, VIff.<br />
551<br />
Siehe dazu grundsätzlich Kapitel 1.3.1 und die Ausführungen zu einer<br />
gesellschaftsrechtlich beeinflussten Informationsordnung in Kapitel 3.7.2. In diesem Sinn<br />
ist auch die Lehrmeinung von Gurovits, 89f., zu verstehen, der die entsprechende<br />
Grundlage der umfangreichen Pflicht in Art. 398 OR erblickt.<br />
552 Siehe dazu ausführlich Kapitel 3.7.2.
- 118 -<br />
Daraus ist zu folgern, dass die weit umschriebene Ablieferungsobligation im<br />
Softwarevertrag durch rechtliche Konzepte überlagert wird, welche dem typischen<br />
Auftragsvertrag fremd sind. Von Interesse ist aber die Feststellung, dass die<br />
entsprechende Herausgabepflicht umfangmässig grösser ist, falls ein Vertrag Züge der<br />
Interessenvergemeinschaftung trägt. 553<br />
3.3.3.4.4 Allgemeine Grenze der Ablieferungsobligation: sog. Handakten<br />
3.3.3.4.4.1 Vorbemerkungen<br />
In den vorangehenden Abschnitten wurden die verschiedenen Bereiche der<br />
Ablieferungsobligation und die Ablieferungsobligation im dritten Bereich (Herausgabe<br />
<strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Geschaffenen) in einigen ausgewählten<br />
Auftragsverträgen dargestellt. Dabei wurde gerade in der zuletzt erwähnten<br />
Untersuchung die Ablieferungspflicht aufgrund der Eigenheiten von einigen speziellen<br />
Mandatsverträgen untersucht. Ein anderer Ansatz zur Beantwortung <strong>des</strong> Inhalts der<br />
Ablieferungsobligation ist die Beschäftigung mit dem Begriff der sog. Handakten.<br />
<strong>Die</strong> Auseinandersetzung mit dem Datenschutzrecht wird zeigen, dass die<br />
Rechtsordnung einen „Eigenbereich“ <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> anerkennt. 554 Es geht dabei<br />
gegenständlich um den Bereich der internen Akten, Notizen, Arbeitshilfen und<br />
Gedächtnisstützen. In der Logik <strong>des</strong> Datenschutzrechts handelt es sich dabei um einen<br />
Bereich, welcher einzig dem Auftragnehmer zusteht und welcher frei von<br />
Informationszugangsrechten ist. Nachfolgend soll untersucht werden, ob auch das<br />
Auftragsrecht im Rahmen <strong>des</strong> Rechtsinstituts „Ablieferungsobligation“ einen<br />
entsprechenden „Eigenbereich“ <strong>des</strong> Auftragnehmers anerkennt. 555 Im Gegensatz zur<br />
Methodik im Datenschutzrecht (Interessenabwägung) soll hier im Auftragsrecht ein<br />
entsprechender, schuldrechtlich begründeter Eigenbereich anhand von konkreten<br />
Objekten beschrieben werden. Ziel dieser Untersuchung ist, ob sich die<br />
Dokumentation, welche sich aufgrund der Dokumentationspflicht ergibt, materiell<br />
unter diesen Bereich der sog. Handakten subsumieren lässt. Damit wären die<br />
entsprechenden Informationen aus der Dokumentation aus dem Bereich der<br />
553<br />
Für eine grundlegende Charakterisierung <strong>des</strong> Auftragvertrags kann auf die Ausführungen<br />
in Kapitel 1.3 verwiesen werden.<br />
554<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.3. Einen analogen Ansatz im Schuldrecht findet sich auch deutlich<br />
in ZR 93 Nr. 7 E. VIII.3 [S. 28, linke Spalte].<br />
555<br />
<strong>Die</strong> Argumente <strong>des</strong> Prozessrechtes bleiben vorbehalten, da ein Beweiszweck andere<br />
Wertungen mit sich bringt. <strong>Die</strong>ser generelle Vorbehalt für die Prozesssituation ist auch im<br />
Datenschutzgesetz verankert: Art. 2 Abs. 2 lit. c DSG: Siehe dazu Kapitel 3.4.3.4.
- 119 -<br />
Ablieferungsobligation ausgeschlossen. <strong>Die</strong> entsprechende Untersuchung soll anhand<br />
<strong>des</strong> Begriffs und der Funktion der sog. Handakten erfolgen.<br />
3.3.3.4.4.2 Begriff und Funktion der sog. Handakten<br />
Durch die Definition von sog. Handakten 556 nimmt die Lehre gewisse Gegenstände<br />
generell von der grundsätzlich bestehenden Ablieferungsobligation aus. 557 Ein kleiner<br />
Teil der Lehre 558 unterscheidet weiter noch sog. Nebenakten, wobei aus den<br />
entsprechenden Aufzählungen hervorgeht, dass hierbei eine Unterscheidung<br />
unterbleiben kann. Durch die Anerkennung von sog. Handakten wird schuldrechtlich<br />
559 eine Akten- resp. Informationsaussonderungsmöglichkeit grundsätzlich anerkannt.<br />
In der deutschen Lehre zum Recht der sog. Handakten ist eine deutliche Fokussierung<br />
auf die Bereiche von Unterlagen, Dokumente etc. erkennbar, welche der Auftraggeber<br />
560 „erhalten“ oder „empfangen“ hat. Neben diesen Bereichen der<br />
Ablieferungsobligation soll nachfolgend aber v.a. der dritte Bereich der<br />
Ablieferungsobligation untersucht werden, da dieser in der vorliegenden Arbeit von<br />
besonderer Bedeutung ist.<br />
3.3.3.4.4.3 Generelle Inhaltsbeschreibung<br />
Bei der generellen Umschreibung der sog. Handakten ist der Begriff der<br />
Ablieferungsobligation selbst von Bedeutung, weil der Beauftragte grundsätzlich nur<br />
abzuliefern hat, „was zu schaffen er sich vertraglich verpflichtet hat.“ 561 Wie die<br />
Ausführungen zu den einzelnen spezifischen Mandatsverträgen im Mandatsrecht<br />
gezeigt haben, muss damit der konkrete Auftragsvertrag daraufhin analysiert werden,<br />
556<br />
Der Begriff stammt wohl aus der deutschen Anwaltsrechtsliteratur (vgl. Körner, <strong>Die</strong><br />
Handakten <strong>des</strong> Rechtsanwaltes, Diss. Leipzig 1927; Friedländer, Kommentar zur<br />
Rechtsanwaltsordnung vom 1. 7. 1878, 3. Auflage, München 1930) und wurde für die<br />
Schweiz namentlich von Möth, Das Honorar <strong>des</strong> Anwalts, seine Handakten und das Recht<br />
ihrer Zurückbehaltung, Zürich 1937, übernommen. Zum heutigen Begriff der Handakten<br />
im deutschen Recht: Siehe etwa Feuerich/Braun, § 50 Rdnr. 6ff.<br />
557<br />
Derendinger, N 145; Hofstetter, 2000, 119f.; BK-Fellmann, Art. 400 N 116 und N 136;<br />
BasK-Weber, Art. 400 N 12; Werro, Commentaire, Art. 400 N 14; Handbuch, 142;<br />
Dubach, 81a. Aus der Rechtsprechung ZR 63 Nr. 106 E. 3 [Antwort auf eine sog.<br />
Einfrage]: „Man wird als solche [Handakten] alle diejenigen Akten aufzufassen haben,<br />
deren primärer Eigentümer der Anwalt ist oder die ihm zu freier Verfügung überlassen<br />
worden sind.“<br />
558<br />
Etwa Testa, 174.<br />
559<br />
ZR 63 Nr. 106 E. 3: <strong>Die</strong>ser Entscheid hält fest, dass bspw. das AnwG ZH diesen Begriff<br />
nicht weiter umschreibt.<br />
560<br />
Ausführlich: Feuerich/Braun, § 50 Rdnr. 6; Henssler/Prütting, § 50 Rdn. 8f. Siehe dazu<br />
Kapitel 3.3.3.2 und 3.3.3.3.<br />
561 Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.2.
- 120 -<br />
welche Arbeitsresultate als geschuldet gelten. 562 Bei den hier interessierenden<br />
Dokumenten handelt es sich um Unterlagen, die den <strong>Beauftragten</strong> regelmässig „nur in<br />
die Lage versetzen sollen, die Geschäftsbesorgung durchzuführen“ und es sind<br />
Unterlagen, „die nicht eigentlich Gegenstand der ihm aufgetragenen Tätigkeit sind.“ 563<br />
Es handelt sich dabei insbesondere um eigentliche Arbeitshilfen, welche die (optimale)<br />
Ausführung der eigentlichen Ausführungsobligation und damit die Erstellung <strong>des</strong><br />
eigentlichen Arbeitsresultats unterstützen. „In erster Linie dient sie [die Handakte]<br />
dem Rechtsanwalt selbst. Sie erleichtert ihm die Arbeit.“ 564 Es sind dem Wesen nach<br />
regelmässig gerade jene Aufzeichnungen, die auch von der Dokumentationspflicht<br />
erfasst und damit vom Auftragsrecht gefordert werden. 565 Es ist jedoch klarzustellen,<br />
dass den Handakten damit eine Dokumentationsfunktion zukommt, das Rechtsinstitut<br />
„Handakte“ jedoch nicht die Grundlage einer entsprechenden Dokumentationspflicht<br />
ist. 566<br />
Für die Verdeutlichung dieser Zuordnung zu den sog. Handakten kann auf ein Urteil<br />
<strong>des</strong> Züricher Obergerichts hingewiesen werden, welches im Falle eines<br />
Factoringvertrages eine grosszügige Umschreibung der von der<br />
Ablieferungsobligation ausgenommenen Unterlagen festgehalten hat: „<strong>Die</strong> Beklagte<br />
wurde durch die Vorinstanz verpflichtet, alle ihr im Rahmen <strong>des</strong> ‚Auftrages‘ vom 29.<br />
November 1982 übergebenen Akten bzw. Geschäftsunterlagen unverzüglich dem<br />
Kläger auszuhändigen. <strong>Die</strong>se Herausgabepflicht erstreckt sich sowohl dem Inhalt der<br />
vorinstanzlichen Verfügung wie dem Sinn nach nur auf jene Unterlagen, die der<br />
Beklagten vom Kläger übergeben wurden, nicht aber auf die von der Beklagten in der<br />
Folge gestützt darauf erstellten eigenen Unterlagen; diese bilden weder Gegenstand<br />
<strong>des</strong> vorliegenden Verfahrens noch könnte der Kläger auf diese direkt einen Anspruch<br />
geltend machen.“ 567 <strong>Die</strong>se Umschreibung ist v.a. auch <strong>des</strong>halb von Interesse, weil der<br />
Entscheid verdeutlicht, dass selbst Unterlagen, die der Beauftragte aus der<br />
562 So deutlich auch BK-Gautschi, Art. 400 N 7f, mit Hinweis auf BGE 78 II 376ff., E. 2<br />
(Auftrag über die Führung einer Buchhaltung: In casu mussten sowohl die zur<br />
Auftragsausführung übergebenen Bücher und Belege als auch die erstellte Buchhaltung<br />
herausgegeben werden).<br />
563 MünchKomm-Seiler, § 667 Rdnr. 15 i.f.<br />
564 Feuerich/Braun, § 50 Rdnr. 2.<br />
565 Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
566<br />
Henssler/Prütting, § 50 Rdnr. 5.<br />
567<br />
ZR 85 Nr. 15 E. 5 (Der Begriff „Handakten“ wird nicht explizit erwähnt). Der<br />
entsprechende Ansatz bezüglich sog. Handakten findet sich auch bereits in ZR 80 Nr. 24<br />
E. 6.
- 121 -<br />
auftragsrechtlichen Pflichtenlage herzustellen verpflichtet ist 568 und die offenkundig<br />
sowohl im Interesse <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> als auch <strong>des</strong> Auftraggebers liegen 569 , nicht der<br />
Herausgabepflicht unterstehen, weil diese eben als interne Akten qualifiziert werden.<br />
Mit diesem Entscheid wird der Bereich der Handakten also nicht etwa einschränkend<br />
ausgelegt, sondern im Gegenteil – gemäss den allgemeinen Grundsätzen zur<br />
Bestimmung der Ablieferungsobligation in diesem dritten Bereich – eher weit gefasst.<br />
<strong>Die</strong>s deckt sich auch mit weiteren Entscheiden, in denen im Rahmen der Aufzählung<br />
von konkreten Objekten der Bereich der sog. Handakten grosszügig und nicht<br />
abschliessend mit „ ... und dgl.“ umschrieben wurde. 570<br />
Demgegenüber sind für die Inhaltsbestimmung der sog. Handakten folgende Aspekte<br />
nicht von Bedeutung: <strong>Die</strong> Frage der eigentumsrechtlichen <strong>St</strong>ellung an den<br />
Aktenbestandteilen 571 sowie die Frage, ob und auf welche Weise 572 bestimmte<br />
Arbeitsschritte oder Vorarbeiten dem Auftraggeber in Rechnung gestellt (verrechnet)<br />
werden. 573<br />
3.3.3.4.4.4 Einzelne Objekte der sog. Handakten<br />
In der Folge werden bezüglich konkreter Objekte der Bestand und der Umfang der sog.<br />
Handakten und damit zugleich die Grenzen der Herausgabepflicht dargestellt. Dazu<br />
kann einleitend festgehalten werden, dass die Aufzählungen in der Lehre oft einen<br />
beispielhaften Charakter aufweisen 574 , wobei sich diese Offenheit auch in der<br />
Rechtsprechung wiederfindet. 575<br />
568<br />
So gehört die Buchführungspflicht <strong>des</strong> Factors zu den obligatorischen (Erni, 13 und 38)<br />
resp. zwingenden (ZR 85 Nr. 15 E. 4a) Bestandteilen eines Factoringvertrages.<br />
569<br />
Erni, 38.<br />
570<br />
BGE vom 17. 6. 1980, in: ZR 80 Nr. 24 E. 3a. In einem Urteil vom 30.4.1993<br />
(staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid ZR 93 Nr. 7 E. VIII.3 und XII) wurde<br />
diese Rechtsprechung bestätigt.<br />
571 Siehe dazu die Darstellungen bei BK-Fellmann, Art. 400 N 136 und Derendinger, N 145.<br />
Anders demgegenüber Möth, 68. Aus der älteren Rechtsprechung: Entscheid KGer SG in<br />
SJZ 1923/1924 235 (betreffend Korrespondenz und Belege).<br />
572 D.h. im Rahmen <strong>des</strong> Gesamthonorars oder spezifisch als Aufwendungsersatz.<br />
573 Anders aber im Sinne eines starken Indizes für eine Herausgabepflicht (bei<br />
Röntgenbildern): ZR 85 Nr. 57 E. 7.<br />
574<br />
Deutlich etwa BK-Fellmann, Art. 400 N 136, und BasK-Weber, Art. 400 N 12f.<br />
575<br />
ZR 80 Nr. 24 E. 3a (BGE vom 17. 6. 1980). In einem Urteil vom 30.4.1993<br />
(staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid ZR 93 Nr. 7 E. VIII.3 und XII) wurde<br />
diese Rechtsprechung bestätigt.
- 122 -<br />
In allgemeiner Weise werden bei der Beschreibung <strong>des</strong> Begriffinhalts der sog.<br />
Handakten Notizen 576 und Entwürfe (auch Skizzen) 577 von der Ablieferungsobligation<br />
ausgenommen. 578 So sind „Vorarbeiten und Arbeitsunterlagen“ und anderseits<br />
„Schriftstücke, die der Beauftragte herstellt, um später der Auskunftspflicht zu<br />
genügen (Protokolle, Journale) [...] und auch Dokumente, die über die<br />
Arbeitsorganisation Auskunft geben (z.B. Anweisungen an die Gehilfen,<br />
Arbeitsrapporte)“ 579 als Gegenstände zu qualifizieren, welche zu den Handakten<br />
zählen und folglich nicht herauszugeben sind. Rechtsvergleichend kann auf die<br />
deutsche Lehre hingewiesen werden, welche etwa jene Bereiche der Arbeitstätigkeit<br />
<strong>des</strong> Rechtsanwaltes gänzlich von der Herausgabepflicht ausnimmt, „die er [Anwalt]<br />
zur eigenen Information angefertigt hat.“ 580<br />
Im Weiteren sind eigentliche Materialsammlungen 581 von der Ablieferungsobligation<br />
auszunehmen 582 , vorausgesetzt, es handelt sich dabei nicht gerade um die vertraglich<br />
versprochene Leistung. 583 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei der<br />
rechtlichen Qualifikation einer Materialsammlung der Unterschied zu den erwähnten<br />
Notizen oft nur gradueller Natur ist oder sich durch die technischen Möglichkeiten<br />
erklärt. In funktionaler Hinsicht kommt Notizen oder Materialsammlungen dieselbe<br />
Bedeutung zu. <strong>Die</strong>se Sicht über Materialsammlungen entspricht auch der Rechtslage<br />
im deutschen Recht: „Darüber hinaus wird dem Anwalt bei der Ausführung <strong>des</strong><br />
Mandates ein gewisser Freiraum zuzuerkennen sein, vertrauliche<br />
„Hintergrundinformationen“ zu sammeln, die er auch und gerade im wohl<br />
576<br />
Kellerhals, 137, nimmt Notizen generell von der Ablieferungsobligation aus, „welche der<br />
Anwalt anlässlich der Besprechungen mit dem Klienten aufgenommen hatte, (...).“ In<br />
BGE vom 17. 6. 1980, in: ZR 80 Nr. 24 E. 3a, wurden allgemein Gesprächs- und<br />
Aktennotizen ausgenommen.<br />
577<br />
BGE vom 17. 6. 1980, in: ZR 80 Nr. 24 E. 3a.<br />
578<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 136; Derendinger, N 145; BasK-Weber, Art. 400 N 12; Dubach,<br />
81a; Hofstetter, 2000, 119; Kellerhals, 137; Testa, 181. Auch Möth, 65 (oben) i.V.m. 63,<br />
scheint Entwürfe (von Briefen) von der Herausgabepflicht auszunehmen, da diese nicht<br />
ins Eigentum <strong>des</strong> Auftraggebers fallen.<br />
579<br />
Hofstetter, 2000, 119f.<br />
580<br />
MünchKomm-Seiler, § 667 Rdnr. 16 resp. 15 (Arbeitsmittel im Zusammenhang mit § 667<br />
BGB i.V.m. § 50 BRAO).<br />
581<br />
Zu denken wäre etwa an Datenzusammenstellungen aus juristischen Datenbanken im<br />
Falle eines Anwalts oder aber auch an verschiedene Laborergebnisse und Analysen, die<br />
ein Arzt in der eigenen Praxis durchführt (inkl. Röntgenbilder).<br />
582<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 136; BasK-Weber, Art. 400 N 12; Hofstetter, 1979, 93<br />
(Hofstetter, 2000, 119, spricht im diesem Zusammenhang von einer „Dokumentation“).<br />
583 Also insbesondere im Falle eines eigentlichen Informationsverschaffungsauftrages.
- 123 -<br />
verstandenen Interesse seines Mandanten sowie im Interesse der Rechtspflege diesem<br />
gegenüber verschweigen darf.“ 584<br />
Auf die gleiche Art ist auch die wissenschaftliche Auswertung zu behandeln, die der<br />
Beauftragte selbst ausführt. 585 Auch werden eigentlich vorbereitende <strong>St</strong>udien vom<br />
Herausgabeanspruch ausgenommen. 586 Damit unterstehen eigene, wenn auch<br />
umfangreiche Nachforschungen, die nicht aufgrund einer Vertragsauslegung in Form<br />
eines Gutachtens selbst als eigentliches Arbeitsresultat darzustellen und abzuliefern<br />
sind, nicht dem Herausgabeanspruch <strong>des</strong> Auftraggebers. <strong>Die</strong>se Arbeiten sind<br />
Vorstudien, die als interne Akten zu qualifizieren sind.<br />
Aus der Darstellung der einzelnen Gegenständen, welche als sog. Handakten bestimmt<br />
werden können, wird ersichtlich, dass es sich hierbei um Informationen, Dokumente<br />
und Unterlagen handelt, die der Beauftragte regelmässig nur in die Lage versetzen<br />
sollen, die Geschäftsbesorgung durchzuführen und die nicht eigentlich Gegenstand der<br />
ihm aufgetragenen Tätigkeit sind. Es handelt sich dabei insbesondere um eigentliche<br />
Arbeitshilfen, welche die (optimale) Ausführung der eigentlichen<br />
Ausführungsobligation und damit die Erstellung <strong>des</strong> eigentlichen Arbeitsresultats<br />
unterstützen. Es sind Informationen, Dokumente und Unterlagen, die im Rahmen der<br />
Dokumentationspflicht durch den Auftragnehmer zu erfassen und zusammenzustellen<br />
sind. 587<br />
Als eine weitere Art der internen Akten wird die Buchhaltung von der<br />
Herausgabepflicht ausgenommen. 588 Davon zu unterscheiden ist die Rechtslage, wenn<br />
eine Person als Organ die Geschäfte einer Gesellschaft führt: <strong>Die</strong><br />
Ablieferungsobligation <strong>des</strong> Organs umfasst diesfalls bspw. auch die<br />
Geschäftskorrespondenz, die Bücher und Belege betreffend der Geschäfte dieser<br />
Gesellschaft. 589 Nach zutreffender Ansicht stellen jedoch Belege keine internen Akten<br />
584<br />
Ausführlich dazu: Feuerich/Braun, § 44 Rdnr. 24 i.V.m. § 667 BGB [„Aufzeichnungen<br />
über derartige Vorgänge unterliegen gleichfalls nicht der Herausgabepflicht] resp. § 50<br />
BRAO [Unterliegen als Handakten auch nicht der Einsichtspflicht; Siehe dazu für die<br />
Schweiz: Kapitel 3.3.2.] <strong>Die</strong>ser Freibereich wird auch unter Hinweis auf den<br />
Leitentscheid in BGHZ 109, 260ff. festgehalten.<br />
585<br />
Hofstetter, 1979, 93.<br />
586<br />
BasK-Weber, Art. 400 N 12.<br />
587<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.<br />
588<br />
Hofstetter, 1979, 93 (gestützt auf BK-Gautschi, Art. 400 N 7e): <strong>Die</strong> Buchhaltung ist<br />
weder vorzulegen noch abzuliefern; BasK-Weber, Art. 400 N 12. So auch die Entscheide<br />
SJ 1958 520ff. [S. 522] und ZR 80 Nr. 24 E. 3a.<br />
589<br />
SJZ 1955 189ff., E. 2: Gestützt auf Art. 400 OR und Art. 962 OR. Dazu auch: BK-<br />
Gautschi, Art. 400 N 7e.
- 124 -<br />
dar, weshalb diese von der Herausgabepflicht erfasst werden. <strong>Die</strong>s deckt sich mit den<br />
Erkenntnissen aus dem Bereich der <strong>Rechenschaftspflicht</strong>, welche sich insbesondere<br />
auch durch die rechtshistorische Untersuchung haben gewinnen lassen. 590 Es handelt<br />
sich hier gewissermassen um eine Herausgabepflicht von Gegenständen, mit welcher<br />
die Abrechnungspflicht (und damit die Pflicht zur Rechenschaft) im Bereich der<br />
Pflicht zur Rechnungslegung und der Pflicht zur Rechnungsstellung (in der Form <strong>des</strong><br />
Auslagenersatzrechts) spezifiziert belegt wird. 591<br />
Abschliessend ist eine Herausgabepflicht auch bezüglich der Korrespondenz<br />
anzuerkennen. 592 Es handelt sich hierbei zum einen um Aktenbestandteile, die gerade<br />
in der Vertretung für den Auftraggeber erschaffen worden sind, zum anderen um<br />
Aktenbestandteile, die er durch die Tatsache <strong>des</strong> Bestan<strong>des</strong> eines Auftrages erhalten<br />
(resp. erlangt) hat. Es ist jedoch ergänzend darauf hinzuweisen, dass aus dieser<br />
Korrespondenz jene Bestandteile aussonderbar sind, die an den <strong>Beauftragten</strong> gerichtet<br />
sind (weil es sich diesbezüglich um interne Akten handelt). 593<br />
3.3.4 Vorlegungspflicht und weitere Einsichtsrechte in die Dokumentation<br />
3.3.4.1 Einleitung<br />
In Kapitel 3.2 wurden die Rechtsgrundlagen und der Inhalt der Dokumentationspflicht<br />
im Auftragsrecht dargestellt. Gemäss diesen Anforderungen verfügt der Beauftragte<br />
über eine eigentliche Dokumentation den ausgeführten Auftrag betreffend, welche<br />
einem bestimmten Zweck dient: <strong>Die</strong> entsprechenden Ausführungen haben ergeben,<br />
dass die Dokumentationspflicht die Möglichkeit der Rekonstruktion <strong>des</strong> Auftrages<br />
bezweckt. 594<br />
Nachdem die Dokumentationspflicht im genannten Kapitel abgehandelt worden ist<br />
und nachdem in Kapitel 3.3.3 dargelegt werden konnte, dass die Information in der<br />
entsprechenden Dokumentation, gestützt auf die Ablieferungsobligation, nicht<br />
herauszugeben ist, soll nachfolgend untersucht werden, ob im Auftragsvertrag eine<br />
sog. Vorlegungspflicht betreffend dieser Dokumentation besteht. Durch eine<br />
590<br />
Siehe dazu Kapitel 2. Siehe weiter auch: BGE vom 17. 6. 1980, in: ZR 80 Nr. 24 E. 3a.<br />
591<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.<br />
592<br />
So bereits die alte Rechtsprechungspraxis: SJZ 1923/1924 235 [Kanton SG]; SJZ<br />
1939/1940 240 (indirekt auch ZBJV 1943 268ff., 270) [Kanton LU resp. BE]; aus der<br />
neueren Rechtsprechung: BGE vom 17. 6. 1980, in: ZR 80 Nr. 24 E. 3a. Aus der Lehre:<br />
BasK-Weber, Art. 400 N 12; Dubach, 81a; ZK-Oser/Schönenberger, Art. 400 N 6.<br />
593<br />
So deutlich Fidek, 63 (mit weiteren Hinweisen).<br />
594 Siehe dazu Kapitel 3.2.2 und 3.2.3
- 125 -<br />
Vorlegungspflicht würde der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber Einsicht in<br />
die entsprechende Dokumentation als solche zu gewähren. Das vorliegende Kapitel<br />
untersucht, ob der Auftraggeber die entsprechende Information als solche<br />
herausverlangen kann, weshalb im Sinne einer informationstheoretischen<br />
Fragestellung herausgearbeitet wird, ob die Information zwischen dem Auftraggeber<br />
und dem Auftragnehmer fliessen soll oder nicht. Aus diesem Grund wird nachfolgend<br />
nicht zwischen einer Vorlegungspflicht, einer Verpflichtung zur Kopie oder einem<br />
Einsichtsrecht etc. unterschieden. 595 Nachfolgend werden diese Pflichten<br />
zusammenfassend mit dem Begriff „Vorlegungspflicht“ bezeichnet.<br />
3.3.4.2 Auftragsrechtliche Vorlegungspflicht<br />
3.3.4.2.1 Anspruchsgrundlagen<br />
<strong>Die</strong> hier zu untersuchende Vorlegungspflicht hat ihre Rechtsgrundlage im materiellen<br />
Bun<strong>des</strong>zivilrecht: „Das materielle Recht, nach dem sich die Vorlegungspflicht (...)<br />
bestimmt, kann nicht kantonales, sondern muss eidgenössisches Recht sein.“ 596 Nicht<br />
behandelt wird hier die Frage der Informationsbeschaffung im Rahmen eines<br />
Zivilprozesses, welche, gestützt auf die Möglichkeiten <strong>des</strong> Prozessrechts, erfolgt.<br />
<strong>Die</strong>se Informationsbeschaffung hat einen besonderen Hintergrund und die<br />
entsprechende Informationsordnung richtet sich nach der Interessenabwägung und<br />
nach den Kriterien, welche das Prozessrecht vorsieht. 597 <strong>Die</strong>se Rechtslage ist jedoch<br />
strikt von der Rechtslage, gestützt auf materiellrechtliche Rechtsgrundlagen, zu<br />
unterscheiden, welche das Thema der vorliegenden Arbeit sind und nachfolgend<br />
dargestellt werden.<br />
Es wurde an anderer <strong>St</strong>elle im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Pflicht<br />
<strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> zur „Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Geschaffenen“<br />
erarbeitet, dass die eigentliche Herausgabepflicht der Krankengeschichte und damit<br />
der Dokumentation verneint wird. 598 Ein Teil der Lehre leitet nun aber einen<br />
595<br />
Für eine Übersicht der Bezeichnungen kann auf die in BK-Fellmann, Art. 400 N 136 i.f.<br />
(allgemein) und BK-Fellmann, Art. 400 N 140 (Arztvertragsrecht) aufgeführte Lehre und<br />
Rechtsprechung verwiesen werden.<br />
596<br />
BGE 82 II 555ff., E. 7: Prozessrechtliche Überlegungen bleiben ohne Beachtung. Deutlich<br />
auch in diesem Sinn das BGer in einem Entscheid vom 17. 6. 1980, in: ZR 80 Nr. 24 E.<br />
3a.<br />
597<br />
Es sei in diesem Zusammenhang auf eine neuere ausführliche Darstellung verwiesen,<br />
welche sich mit der prozessrechtlichen Situation beschäftigt: Gessler, 433ff. (mit<br />
zahlreichen Hinweisen). <strong>Die</strong>ser Autor betrachtet Art. 400 OR undifferenziert als<br />
allgemeines Informationsrecht (434), weshalb den entsprechenden Erläuterungen in dieser<br />
Hinsicht nur mit grossen Vorbehalten gefolgt werden kann.<br />
598<br />
Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.3.3.4.
- 126 -<br />
materiellrechtlichen, allgemeinen Vorlegungsanspruch aus einer Auslegung der<br />
Herausgabepflicht gemäss Art. 400 OR ab 599 , obwohl gerade die Herausgabepflicht<br />
durch die Anerkennung der sog. Handakten begrenzt wird. 600 Ein anderer Teil der<br />
Lehre scheint den Vorlegungsanspruch, gestützt auf die Herausgabepflicht, einzig im<br />
Bereich <strong>des</strong> Arztvertragsrechtes anzuerkennen. 601 Wieder ein anderer Teil der Lehre<br />
leitet die Vorlegungspflicht als generellen Grundsatz aus der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> in<br />
Art. 400 OR ab. 602 In dieser Hinsicht hinterlässt die Lehre eine gewisse Unsicherheit<br />
und Unentschlossenheit erkennen. 603 <strong>Die</strong> Lehre ist sich einzig darin einig, dass sich der<br />
entsprechende schuldrechtliche Anspruch der Vorlegungspflicht auf die<br />
Rechtsgrundlage in Art. 400 OR stützt. In der Spezialliteratur zum Arztvertragsrecht<br />
wird überdies angeführt, dass sich ein entsprechen<strong>des</strong> Auskunftsrecht, auch gestützt<br />
auf die datenschutzrechtliche Gesetzgebung, ergibt. 604 Nachfolgend wird <strong>St</strong>ellung zur<br />
schuldrechtlichen Vorlegungspflicht genommen; eine <strong>St</strong>ellungnahme zum<br />
datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch wird gesondert in einem separaten Kapitel<br />
erfolgen. 605<br />
3.3.4.2.2 <strong>St</strong>ellungnahme<br />
Gestützt auf die Lehrmeinungen zum schuldrechtlichen Vorlegungsanspruch ist im<br />
Ergebnis festzuhalten, dass dadurch jene Information, die grundsätzlich unter dem<br />
Rechtstitel der eigentlichen Ablieferungsobligation zurückbehalten werden kann, unter<br />
einem weiteren Rechtstitel dem Auftraggeber zu vermitteln ist. Verdeutlicht werden<br />
kann diese Situation anhand der rechtlichen Behandlung der Krankengeschichte: <strong>Die</strong><br />
Lehre verneint eine Herausgabepflicht der Krankengeschichte, bejaht aber eine<br />
umfassende Vorlegungspflicht der gesamten Dokumentation.<br />
Wie einleitend angemerkt worden ist, kann aber aus der Optik <strong>des</strong> Informationsrechtes<br />
einzig entscheidend sein, ob der Patient an sich ein Recht auf die Information in der<br />
Form der Dokumentation hat oder nicht, weshalb diese Frage unabhängig von einem<br />
599<br />
Hofstetter, 2000, 120.<br />
600<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.<br />
601<br />
BasK-Weber, Art. 400 N 13; Werro, Commentaire, Art. 400 N 15 (i.f.).<br />
602<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 136 i.f. Für den Fall der Einsicht in die Krankengeschichte:<br />
Müller, 148.<br />
603<br />
Allgemeine Vorlegungspflicht: BK-Fellmann, Art. 400 N 136 i.f.; Derendinger, N 146;<br />
Hofstetter, 2000, 120; Testa, 38 (bezogen auf den Anwaltsvertrag). Vorlegungspflicht nur<br />
bezogen auf den Arztvertrag: BK-Gautschi, Art. 400 N 7b und wohl auch BasK-Weber,<br />
Art. 400 N 12 i.f.<br />
604<br />
Müller, 148; Wiegand, Aufklärungspflicht, 200.<br />
605 Siehe dazu Kapitel 3.4.4.
- 127 -<br />
konkreten Rechtstitel zu beantworten ist. Es kann nur darauf ankommen, ob<br />
Information gewährt wird oder nicht. Auf eine Unterscheidung von verschiedenen<br />
materiellen Rechtsansprüchen (Ablieferungsobligation, <strong>Rechenschaftspflicht</strong>,<br />
Vorlegungspflicht) kann es dabei gerade nicht ankommen. <strong>Die</strong>se Konsequenz im<br />
Informationsrecht findet sich etwa in der Lehre zum deutschen Berufsrecht der<br />
Anwälte, wo festgehalten wird, dass die Kriterien, die eine Herausgabepflicht<br />
bezüglich bestimmter Gegenstände (auch materialisierter Information) verbieten, auch<br />
im Rahmen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> zur Geltung gelangen können im Umfang, wie<br />
diese Argumente greifen können. 606 Übertragen auf die sich hier stellende Frage ist<br />
eine Vorlegungspflicht zu verweigern, soweit die Argumentation für die Anerkennung<br />
der sog. Handakten auch weiter Geltung beanspruchen kann. 607 Es ist <strong>des</strong>halb in<br />
materieller Hinsicht nicht überzeugend, dass eine Wertentscheidung (für die<br />
Privatsphäre) im Bereich der Ablieferungsobligation, welche im Rahmen der<br />
Definition der sog. Handakten entwickelt wurde, bei der Betrachtung von weiteren<br />
Pflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> (wie einer Rechenschafts- oder einer Vorlegungspflicht)<br />
nicht konsequent durchgehalten wird. <strong>Die</strong>s ist für das schweizerische Mandatsrecht<br />
<strong>des</strong>halb besonders störend, da als Rechtsgrundlage einer Vorlegungspflicht einzig Art.<br />
400 OR genannt wird und die Systematik der schweizerischen Gesetzgebung einen<br />
inneren Zusammenhang zwischen einer Ablieferungsobligation und einer<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> gerade besonders zum Ausdruck bringt. 608<br />
<strong>Die</strong> Frage, ob der Herausgabeanspruch durch andere (resp. weiter gehende) Pflichten<br />
überlagert werden kann, beantwortet auch ein Entscheid <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts, welcher<br />
sich in genereller Weise mit dem Verhältnis verschiedener Informationsansprüche<br />
befasste: „<strong>Die</strong>s ergibt einen Vorbehalt in dem Sinne, dass interne Dokumente der<br />
Beklagten zum Vornherein von allen andern zu unterscheiden und von der<br />
Vorlegungspflicht auszunehmen sind. (...) Es geht daher nicht an, auch die Edition von<br />
bankinternen Dokumenten wie Gesprächs- und Aktennotizen, interne Entwürfe 609 und<br />
610 dgl. zu fordern.“ In diesem Entscheid verneint das Bun<strong>des</strong>gericht ein<br />
606 Deutlich etwa Feuerich/Braun, § 44 Rdnr. 27 i.f. (unter Hinweis auf Feuerich/Braun, § 44<br />
Rdnr. 24 und 25 sowie auf BGHZ 109, 260ff.).<br />
607 Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.<br />
608 Siehe dazu Kapitel 2.8 und 3.3.2.<br />
609<br />
Das OGer ZH hatte in seinem auf eine bun<strong>des</strong>gerichtliche „Korrektur“ gestützten, neuen<br />
Entscheid auch allgemein interne Vertragsentwürfe zu diesen reinen internen Dokumenten<br />
geschlagen (ZR 80 Nr. 24 E. 6).<br />
610<br />
BGE vom 17. 6. 1980, in: ZR 80 Nr. 24 E. 3a. In einem Urteil (staatsrechtliche<br />
Beschwerde gegen den Entscheid ZR 93 Nr. 7 E. VIII.3 und XII) vom 30.4.1993 wurde<br />
diese Rechtsprechung bestätigt.
- 128 -<br />
Informationszugangsrecht ungeachtet der Tatsache, welches konkrete<br />
Informationsrecht gerade geltend gemacht wird. Das Bun<strong>des</strong>gericht scheidet in seiner<br />
Argumentation sog. Interna aus, welche sich gemeinsam dadurch auszeichnen, dass es<br />
interne Akten sind und damit generell vom Einblick durch den Auftraggeber<br />
ausgenommen sein sollen. Entscheidend ist nach der Grundaussage dieses Urteils, dass<br />
diese Interna für die andere Vertragspartei an sich nicht zugänglich sein sollen,<br />
weshalb in den hier betrachteten Konstellationen die entsprechende Information per se<br />
nicht zum Auftraggeber fliessen soll. Damit wird ein Konzept formuliert, wodurch ein<br />
definierter Bereich an „Information an sich“ vor Informationsrechten geschützt wird.<br />
Es ist damit insbesondere nicht notwendig oder möglich, einen einzelnen<br />
Informationstitel (wie zum Beispiel eine Vorlegungspflicht) dahin auszulegen, ob ein<br />
Informationseinsichtsrecht besteht oder nicht. Es ist diese konzeptionelle Grundlage,<br />
welche mit den weiteren Ergebnissen der vorliegenden Arbeit übereinstimmt: Nur<br />
durch diese Sichtweise wird einer generellen Regelungsidee entsprochen, welche im<br />
Rahmen der Ablieferungsobligation hinter dem Konzept der sog. Handakten erscheint.<br />
611 Weiter deckt sich diese Sichtweise auch mit den Ergebnissen der<br />
datenschutzrechtlichen Untersuchung der Informationsordnung im Mandatsvertrag,<br />
wonach auf der Grundlage einer Abwägung der Persönlichkeitssphären der beiden<br />
Vertragsparteien (Interessenabwägung) ein Eigenbereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
anzuerkennen ist, welcher sich gerade durch das Freisein von Informationsrechten<br />
auszeichnet. Auch auf diese Querverbindungen gestützt, ist <strong>des</strong>halb anzuerkennen,<br />
dass einzig die Negierung einer weitergehenden Vorlegungspflicht mit den weiteren<br />
Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit übereinstimmt und im Übrigen die<br />
Interessenabwägung respektiert wird, welche insbesondere das Datenschutzrecht<br />
vorgibt. 612<br />
Nach der hier vertretenen Auffassung endet, gestützt auf die vorangehenden<br />
Überlegungen, die Vorlegungspflicht gegenüber dem Auftraggeber dort, wo<br />
insbesondere auch die Herausgabepflicht verneint wird. Deshalb kann, gestützt auf<br />
eine <strong>Rechenschaftspflicht</strong>, ebenfalls keine Vorlegungspflicht begründet werden. <strong>Die</strong>se<br />
Ausführungen führen damit zum Ergebnis, dass nach der hier vertretenen Auffassung<br />
grundsätzlich keine eigentliche Vorlegungspflicht betreffend die bestehende<br />
Dokumentation anerkannt werden kann.<br />
611<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.<br />
612<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.3.
- 129 -<br />
Nachdem in diesem Kapitel dargestellt worden ist, dass die entsprechenden<br />
Informationen grundsätzlich keiner Vorlegungspflicht unterliegen, sind nachfolgend<br />
folgende weitere Präzisierungen vorzunehmen:<br />
(1) Es wurde im Zusammenhang mit der Darstellung der Dokumentationspflicht<br />
herausgearbeitet, dass verschiedene Bereiche zu dokumentieren sind. Nach der hier<br />
vertretenen Auffassung besteht keine Vorlegungspflicht bezüglich jener Elemente der<br />
Dokumentationspflicht, welche die Bereiche „Sachverhalt“ 613 und „Handlungen“<br />
beschreiben. 614 Demgegenüber ist eine entsprechende Vorlegungspflicht bezüglich <strong>des</strong><br />
Bereiches der Dokumentationspflicht zu bejahen, welcher sich mit der Aufklärung <strong>des</strong><br />
Auftraggebers befasst: <strong>Die</strong>ser Teil der Dokumentationspflicht ist individuell auf die<br />
Person <strong>des</strong> Auftraggebers bezogen, und es handelt sich insbesondere <strong>des</strong>wegen in<br />
diesem Bereich auch nicht um eine eigentliche Berichtspflicht, welche die<br />
Interessenwahrung an der Auftragsabwicklung betrifft. 615<br />
(2) Obwohl nach der hier vertretenen Meinung keine Vorlegungspflicht (und damit<br />
auch keine <strong>Rechenschaftspflicht</strong>) bezüglich jener Elemente der Dokumentationspflicht<br />
besteht, welche sich mit den Bereichen „Sachverhalt“ und „Handlungen“ befassen,<br />
bedeutet dies selbstredend nicht, dass der Auftraggeber auf diese Informationen keinen<br />
Anspruch hat. Der entsprechende Anspruch auf dieses interne Dokument<br />
„Krankengeschichte“ wird jedoch nicht durch eine Ablieferungsobligation, eine<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> oder eine Vorlegungspflicht gesichert, weshalb auf das<br />
Dokument an sich kein Anspruch besteht. Der entsprechende Anspruch auf einzelne<br />
Informationen ergibt sich allerdings aus dem Bestand und dem Umfang einer<br />
entsprechenden Aufklärungspflicht. 616 Damit ist dieser Anspruch auf Information<br />
jeweils abhängig vom konkreten Mandanten und von der konkreten Situation und es<br />
ist an der Person <strong>des</strong> Auftragnehmers zu entscheiden, über welche Umstände etc. er<br />
aufklären und beraten will. Damit bestimmt sich der Inhalt der Pflicht in einem<br />
konkreten Fall, weshalb keine allgemeinen Aussagen gemacht werden können. 617 Auf<br />
diese Weise wird der Tatsache entsprochen, dass es sich bei der Dokumentation um<br />
613<br />
Werro, Commentaire, Art. 400 N 15, will die Eintragungen in der Krankengeschichte,<br />
welche im Zusammenhang mit der Anamnese stehen, von der Ablieferungsobligation<br />
ausnehmen.<br />
614<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.3.3.3.<br />
615<br />
Dazu spezifisch: Kapitel 3.2.3.3.<br />
616<br />
In diesem Sinne auch Werro, Commentaire, Art. 400 N 14 i.V.m. Art. 398 N 17.<br />
617<br />
Es kann an dieser <strong>St</strong>elle auf die umfangreiche Literatur zur Aufklärungspflicht verwiesen<br />
werden.
- 130 -<br />
ein internes Dokument handelt, welches als Bestandteil der sog. Handakten auch nicht<br />
der Herausgabeobligation unterliegt. 618 Aufgrund dieses Ansatzes kann der<br />
Anwendungsbereich der Informationspflichten „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ und<br />
„Aufklärungspflicht“ deutlich unterschieden werden. 619<br />
(3) Es ist bereits an dieser <strong>St</strong>elle darauf hinzuweisen, dass sich eine mittelbare resp.<br />
indirekte Vorlegungspflicht auch bezüglich der Bereiche der Dokumentationspflicht<br />
ergeben kann, welche die Elemente „Sachverhalt“ und „Handlungen“ abdecken. Eine<br />
gewisse Offenlegung der entsprechenden Informationen (nicht der Dokumentation!)<br />
ergibt sich allerdings aus den Anforderungen aus der Pflicht zur Rechnungsstellung,<br />
welche an anderer <strong>St</strong>elle ausführlich dargestellt wird. 620 Selbstredend erfolgt die<br />
Offenlegung (Vorlegung) jedoch nur in dem Ausmass, wie es die Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung erfordert. In dieser Hinsicht ist auf folgende Besonderheit<br />
hinzuweisen: Im Zusammenhang mit der Rechnungsstellung gegenüber den<br />
Krankenversicherungseinrichtungen (und damit auch gegenüber dem Patienten) kann<br />
u.U. die Notwendigkeit bestehen, gegebenenfalls die einzelnen Therapiepunkte<br />
aufgrund der Diagnose zu begründen. 621 <strong>Die</strong> Diagnose und die dabei verordnete<br />
Therapieform wird wichtig sein, um die Effektivität der angeordneten Massnahme<br />
belegen zu können. In diesem Zusammenhang hat der Leistungserbringer sowohl die<br />
einzelne Leistung als auch den Zusammenhang resp. die Notwendigkeit der einzelnen<br />
Leistung zu belegen, will er die Forderung durchsetzen können. In entsprechendem<br />
Umfang fliessen die Informationen aus der Dokumentation im Rahmen der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung an den Auftraggeber. Aufgrund solcher spezifischen Regelungen –<br />
wie hier aus dem KVG – besteht die Möglichkeit, dass im Rahmen der<br />
Rechnungsstellung zahlreiche Informationen aus der Krankengeschichte (oder<br />
allgemeiner aus der Dokumentation über den Auftrag) offengelegt werden müssen, da<br />
hierdurch die allgemeine auftragsrechtliche Grundregelung durch eine spezifische<br />
Verpflichtung überlagert wird. Zentral ist jedoch der Hinweis, dass diese Rechtslage,<br />
welche sich aufgrund von Normen aus Spezialgesetzen ergibt, nicht verallgemeinert<br />
werden kann.<br />
618 Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.<br />
619 So auch die Forderung von Werro, Commentaire, Art. 398 N 17 i.f.<br />
620 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.<br />
621 Siehe dazu Kapitel 3.2.3.3.3.
- 131 -<br />
3.3.4.3 Adressatenspezifische Vorlegungspflicht<br />
In den vorangegangenen Abschnitten wurden der Bestand, der Gegenstand und die<br />
grundsätzlichen Schranken einer Dokumentationspflicht sowie das Verhältnis zu einer<br />
auftragsrechtlichen Vorlegungspflicht dargestellt. 622 Grundlegende Erkenntnis war,<br />
dass sich eine Dokumentationspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> und ein Informationsrecht<br />
(insbesondere Vorlegungspflicht) <strong>des</strong> Auftraggebers hinsichtlich wesentlicher Teile<br />
der Dokumentation nicht entsprechen. 623 <strong>Die</strong> Pflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> und das Recht<br />
<strong>des</strong> Auftraggebers bestimmen sich grundsätzlich je unabhängig voneinander. Wie wird<br />
nun aber in dieser Rechtslage dem Interessenwahrungsgrundsatz im Auftragsrecht<br />
entsprochen?<br />
Bei der Beantwortung dieser Frage ist ein Entscheid der Aufsichtskommission der<br />
Zürcher Rechtsanwälte von besonderer Bedeutung, welcher festgehalten hatte, dass<br />
Notizen und Materialsammlungen von der allgemeinen Herausgabepflicht nach Art.<br />
400 OR ausgenommen sind, jedoch im konkreten Fall nach einem Anwaltswechsel der<br />
nachfolgenden Anwältin Einsicht in die Notizen und die Materialsammlung <strong>des</strong> ersten<br />
624 Anwaltes zu gewähren ist. Auch wenn dieser Entscheid gewisse<br />
datenschutzrechtliche Fragen nach dem Eigenbereich <strong>des</strong> ersten Anwalts aufwirft 625 ,<br />
ist dem Urteil und damit der darin vertretenen Grundkonzeption zuzustimmen: <strong>Die</strong> im<br />
vorangehenden Abschnitt dargestellte Rechtslage der Informationsverweigerung<br />
gegenüber dem Auftraggeber wird im Gegensatz dazu gegenüber einem<br />
nachfolgenden <strong>Beauftragten</strong> nicht anerkannt. Rechtsvergleichend kann auch auf die<br />
(allerdings überholte) deutsche Rechtsprechung im Arztrecht hingewiesen werden:<br />
„Zunächst war dem Patienten das Recht zugestanden worden, die Herausgabe der<br />
Krankenunterlagen an den nachbehandelnden Arzt zu verlangen.“ 626<br />
Aus den folgenden Überlegungen ist dieser Ansatz jedoch sachlich richtig und<br />
rechtlich möglich: Bei richtiger Betrachtung will der Interessenwahrungsgrundsatz als<br />
grundlegen<strong>des</strong> Wesensmerkmal <strong>des</strong> Auftragsrechts die Ausführungsobligation als<br />
622<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2 und 3.3.4.<br />
623<br />
Anspruch auf die Informationen in der Dokumentation bestehen nur im Bereich<br />
„Aufklärung“: Siehe dazu Kapitel 3.2.3.3.4 und 3.3.4.3.<br />
624<br />
AKE 980667 vom 3.12.1998.<br />
625<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.4.2.3.<br />
626<br />
Deutsch/Spickhoff, Rz. 466 (mit Hinweisen auf die frühere Lehre und Rechtsprechung).<br />
Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Praxis aufgegeben wurde, weil nach heute<br />
geltendem Recht im Praxisübernahmevertrag nicht einfach die Übergabe der<br />
Behandlungsunterlagen vereinbart werden kann.
- 132 -<br />
solche sicherstellen. Damit orientiert sich dieser Grundsatz nicht an der Person <strong>des</strong><br />
Auftraggebers, sondern „am Auftrag“ als solchem. 627 Vor diesem Hintergrund<br />
entspricht es gerade der Wirkungsweise <strong>des</strong> Interessenwahrungsgrundsatzes, wenn<br />
eine Informationsordnung sicherstellen will, dass zwischen dem ersten und dem<br />
nachfolgenden <strong>Beauftragten</strong> ein Informationsfluss besteht. Damit ist einer Konzeption<br />
zuzustimmen, die aufgrund einer adressatenspezifischen Informationszuteilung gerade<br />
diesen Informationskanal fokussiert. Richtig ist <strong>des</strong>halb nach der hier vertretenen<br />
Auffassung, dass das „Einblicksrecht“ <strong>des</strong> nachfolgenden Berufskollegen weiter als<br />
dasjenige <strong>des</strong> Mandanten reicht. 628 Es ist gerade diese Regelung, durch welche die<br />
Dokumentationspflicht ihren eigentlichen Zweck vollständig verwirklichen kann: Im<br />
Zentrum der Dokumentationspflicht steht der Gedanke der Rekonstruierbarkeit der<br />
bisherigen Tätigkeit. 629 Aufgrund <strong>des</strong> hier dargestellten adressatenspezifischen<br />
Informationszugangsrechts steht diese Information gerade derjenigen Person zu,<br />
welche als neuer Beauftragter mit der allgemeinen Interessenwahrung erneut und<br />
630 unmittelbar betraut ist. <strong>Die</strong> so verstandene Dokumentationspflicht resp.<br />
Vorlegungspflicht soll damit sicherstellen, dass ein Auftrag in andere Hände<br />
übertragen werden kann, ohne dass der Auftraggeber Nachteile zu erleiden hat. Bei der<br />
Auftragsausführung sollen damit etwa Zeitverzögerung, Doppelspurigkeiten und<br />
dadurch allenfalls realisierte (finanzielle) Schäden etc. vermieden werden. Damit<br />
realisiert diese Vorlegungspflicht die Interessenwahrungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
konsequent und effektiv, da nach diesem Konzept der Zweck der<br />
Dokumentationspflicht bezüglich jener Person 631 verwirklicht wird, welcher die neue<br />
Interessenwahrungspflicht obliegt. Nach dieser Konzeption gelangt die Information<br />
ohne Qualitätsverlust zum nachfolgend <strong>Beauftragten</strong>, weil eine Vorlegungspflicht<br />
eines Fachmanns gegenüber einem anderen Fachmann besteht. Es entspricht dabei<br />
gerade auch einer Erfahrung in der Praxis, dass mit dieser Art <strong>des</strong><br />
Informationskurzschlusses die Interessenwahrung auf hohem Niveau sichergestellt<br />
werden kann. 632 Es ist damit auch gerade eine Konzeption, welche einen Auftraggeber<br />
627<br />
Siehe dazu Kapitel 1.3.1 und 3.7.1.<br />
628<br />
<strong>Die</strong> Verteilungskriterien bei Informationen können nach Empfänger variieren: Druey,<br />
Information als Gegenstand, 162 und 295ff.<br />
629<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.2 und 3.2.3.<br />
630<br />
Siehe dazu ZR 44 Nr. 160, E. 4: Als eigentliche Grundlage der Dokumentationspflicht<br />
wurde ausdrücklich § 6 der Verordnung über die Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit<br />
vom 23.11.1933 bezeichnet, wobei festgehalten worden ist, dass „die allgemeine ärztliche<br />
Sorgfaltspflicht <strong>des</strong> Zahnarztes u. U. eine umfangreichere Krankengeschichte verlangt.“<br />
631 Des neuen <strong>Beauftragten</strong>.<br />
632 Zum Interessenschutz <strong>des</strong> ersten <strong>Beauftragten</strong>: Siehe dazu Kapitel 3.7.1 und 3.4.4.2.3.
- 133 -<br />
in der tatsächlichen Möglichkeit der Wahrnehmung seines Kündigungsrechts gemäss<br />
Art. 404 OR unterstützt, da eine entsprechende Informationsordnung die Abhängigkeit<br />
vom ersten <strong>Beauftragten</strong> verringert.<br />
<strong>Die</strong> dargelegte Informationsordnung entspricht einem Regelungsgedanken, welcher<br />
bereits in einem alten Gerichtsentscheid wiedergegeben ist: „[Für den unerlässlichen<br />
Inhalt der Krankengeschichte] muss gelten, dass in diesem Dokument alles<br />
niedergelegt ist, was in späterer Zeit dem behandelnden Arzt resp. Zahnarzt oder<br />
einem anderen Fachmann die verstan<strong>des</strong>mässige Rekonstruktion <strong>des</strong> Krankheitsfalles<br />
633 einwandfrei wieder möglich macht.“ Entscheidend ist, dass hierbei die<br />
Vorlegungspflicht einer entsprechenden Dokumentation dem nachbehandelnden<br />
Berufskollegen oder einem weiteren Spezialisten zugesprochen wurde, wogegen der<br />
Patient als Vertragspartei <strong>des</strong> Arztes nicht einmal Erwähnung fand. 634 Demgegenüber<br />
ist in der Lehre und Rechtsprechung die deutliche Tendenz feststellbar, dass dem<br />
Patienten ein umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht zugestanden wird. Dabei wird jeweils<br />
keine Unterscheidung zwischen einer Dokumentationspflicht und einer<br />
Vorlegungspflicht getroffen: „Soweit der Arzt zur Führung von Krankenunterlagen<br />
auftragsrechtlich verpflichtet ist, hat der Patient (...) ein Recht darauf, sie zu kennen.“<br />
635 <strong>Die</strong> Rechtsprechung hat es im Zusammenhang mit einem Fall über Röntgenbilder<br />
abgelehnt, die Frage der Interessenwahrung überhaupt zu untersuchen, obwohl der<br />
beklagte Zahnarzt geltend machte, dass er all seine Pflichten mit der Weitergabe der<br />
Bilder an seinen Berufskollegen erfüllt habe. 636<br />
<strong>Die</strong>se Gleichschaltung von Dokumentationspflicht und Vorlegungspflicht ist auch im<br />
Bereich <strong>des</strong> öffentlich-rechtlichen Arztrechts deutlich zu erkennen, wobei hier<br />
entsprechende gesetzliche Regelungen auch keine anderen Auslegungsmöglichkeiten<br />
633<br />
ZR 44 Nr. 160 E. 4 und 5 kann als Grundsatzentscheid für die Dokumentationspflicht <strong>des</strong><br />
Arztes bezeichnet werden.<br />
634<br />
<strong>Die</strong> dargestellte Informationsordnung findet ihre Entsprechung in der Inhaltsbestimmung<br />
der Dokumentationspflicht: <strong>Die</strong> Aufzeichnungen, gestützt auf die Dokumentationspflicht,<br />
müssen einzig einem abstrakten Massstab genügen, weshalb es einen objektiven und<br />
notwendigen Inhalt der Dokumentationspflicht gibt. Es handelt sich um eine eigentliche<br />
Berichtspflicht, welche dem Gedanken der Rekonstruierbarkeit und dem<br />
Interessenwahrungsgrundsatz genügen muss: Siehe dazu Kapitel 3.2.3.3. Allerdings ist<br />
darauf hinzuweisen, dass der Teil „Aufklärung“ der Krankengeschichte nicht diesem<br />
Massstab folgt, da hier eine eigentliche Aufklärungsleistung zu erbringen ist, welche<br />
jeweils individuell und nach den Fähigkeiten etc. <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> vorzunehmen ist.<br />
635<br />
So besonders deutlich: BJM 1986 202ff., 203 (wonach das Einsichtsrecht einzig durch das<br />
Interesse <strong>des</strong> Patienten selbst eingeschränkt wird).<br />
636 ZR 85 Nr. 57 E. 7a.
- 134 -<br />
zulassen. 637 Es kann dabei jeweils festgestellt werden, dass sowohl die Beschreibung<br />
der Dokumentationspflicht als auch die Beschreibung <strong>des</strong> Vorlegungs- resp.<br />
Einsichtsrechts umfassend sind. Da im Gegensatz zur Situation in den öffentlichrechtlichen<br />
Spezialgesetzgebungen im Bereich <strong>des</strong> Auftragsrechts eine<br />
Auslegungsmöglichkeit besteht, kann der Ansicht nicht gefolgt werden, dass die<br />
Normen <strong>des</strong> öffentlichen Rechts blosse Abbildungen der schuldrechtlichen<br />
638 639 Pflichtenlage sind. Darüber darf auch die entsprechende Lehre und<br />
640 Rechtsprechung nicht hinwegtäuschen. Aufgrund der jeweils klar zu<br />
unterscheidenden Rechtsgrundlagen kann auch aus dem allgemeinen<br />
Gleichheitsgrundsatz nichts abgeleitet werden, weshalb die Rechtslage im privaten und<br />
öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis in ihrer Unterschiedlichkeit anzuerkennen ist.<br />
Aus diesem Grund ist eine Vorlegungspflicht im Auftragsvertrag nur auf den<br />
Grundlagen <strong>des</strong> allgemeinen Schuldrechts zu bestimmen, was die Anerkennung <strong>des</strong><br />
Konzepts der adressatenspezifischen Informationszuteilung ermöglicht. In diesem<br />
Sinne zeigt sich eine Übereinstimmung mit den Erkenntnissen, wie sie im<br />
Zusammenhang mit der Behandlung der Ablieferungsobligation (sog. Handakten) 641 ,<br />
642 <strong>des</strong> Datenschutzrechts (sog. Arbeitshilfen) und <strong>des</strong> allgemeinen<br />
Interessenwahrungsgrundsatzes 643 erarbeitet worden sind.<br />
637<br />
Vgl. etwa § 14 der Patientenrechtverordnung <strong>des</strong> Kantons Zürich (Zürcherische<br />
Verordnung über die Rechte und Pflichten <strong>des</strong> Patienten in staatlichen und vom <strong>St</strong>aat<br />
unterstützten Krankenhäusern) vom 28. 8. 1991, ZGS 813.13:„Der Patient kann Einsicht<br />
in die zur Krankengeschichte gehörenden Unterlagen oder Kopien davon verlangen wie<br />
(a) Ergebnisse apparativer Untersuchungen wie Röntgenbilder, Laborbefunde, EKG- und<br />
EEG-Befunde; (b) Aufzeichnungen über diagnostische, therapeutische und pflegerische<br />
Massnahmen; (c) klinischer <strong>St</strong>atus; (d) eigene anamnestische Angaben; (e) Ergebnisse<br />
von Testen; (f) Operationsberichte.“<br />
638<br />
So aber ausdrücklich: Wiegand, Aufklärungspflicht, 198f.<br />
639 An <strong>St</strong>elle vieler: BK-Fellmann, Art. 400 139f. (mit weiteren Hinweisen).<br />
640 Siehe insbesondere die vorgenannten Entscheide.<br />
641<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.<br />
642<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.3.<br />
643<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.1.
- 135 -<br />
3.3.5 Fazit<br />
Aus der rechtshistorischen Untersuchung wird deutlich, dass es im Bereich der<br />
Ablieferungsobligation um die Realisierung und Konkretisierung <strong>des</strong> Konzepts der<br />
Nichtbereicherung im Mandatsrecht geht. Entsprechend zielt die<br />
Ablieferungsobligation auf eine Bereinigung der Vermögens- und Sachsphäre<br />
zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer ab. Aus dieser Beschränkung auf<br />
den sachlichen resp. vermögensrechtlichen Aspekt ergeben sich auch Rückschlüsse auf<br />
den Inhalt der Informationspflicht „Rechenschaft“ als Rechnungslegungspflicht<br />
gemäss Art. 400 Abs. 1 OR.<br />
Aufgrund der Behandlung von Ablieferungspflicht und <strong>Rechenschaftspflicht</strong> in der<br />
Lehre (<strong>Rechenschaftspflicht</strong> als komplementäres Informationsrecht) ist eine<br />
ausführliche Behandlung der Ablieferungsobligation erforderlich. Im Aufbau wurde<br />
dabei entsprechend der vorherrschenden Darstellung zwischen den drei klassischen<br />
Bereichen der Ablieferungsobligation unterschieden: In den beiden ersten Bereichen<br />
der Ablieferungsobligation (Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Erhaltenen<br />
und Erlangten) ergibt sich eine grundsätzlich umfassende Pflicht zur Ablieferung, da<br />
das entsprechende Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers an der Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Auftrages<br />
und an der Bereinigung der Sphären vollumfassend greifen kann. Entsprechende<br />
Ausnahmen ergeben sich nur in engen Bereichen, in denen der Beauftragte etwas auf<br />
Veranlassung <strong>des</strong> Auftraggebers von Dritten erhält oder auf eigene Initiative bei<br />
Dritten einholt, sofern gewisse Bedingungen gegeben sind. Zweck der entsprechenden<br />
Einschränkungen der Ablieferungsobligation in diesen Bereichen ist die Anerkennung<br />
<strong>des</strong> Eigenbereichs <strong>des</strong> Auftragnehmers in der Auftragsausführung, wie er sich aus der<br />
übrigen Rechtsordnung ergibt.<br />
Bei der Klärung <strong>des</strong> Verhältnisses von Ablieferungsobligation und Informationspflicht<br />
„Rechenschaft“ ist der dritte Bereich der Ablieferungsobligation (Herausgabe <strong>des</strong> bei<br />
der Auftragsausführung Geschaffenen) von besonderem Interesse. Ausgangspunkt der<br />
entsprechenden Untersuchung ist die konkrete Auseinandersetzung mit der Frage nach<br />
der Hauptpflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> und ihrem Verhältnis zur Ablieferungspflicht.<br />
Obwohl in der Praxis Aufträge vorkommen können, bei denen die Ablieferungspflicht<br />
die Hauptpflicht ist, gilt für alle Aufträge, dass eine entsprechende<br />
Dokumentationspflicht grundsätzlich nicht Hauptpflicht sein kann. Entsprechend der<br />
Natur der Ablieferungspflicht als Nebenleistungspflicht ist der entsprechende Inhalt der<br />
Pflicht zu bestimmen. Zum einen wurde versucht, eine entsprechende Umschreibung<br />
der Ablieferungspflicht anhand der Darstellung von spezifischen Auftragsverträgen
- 136 -<br />
vorzunehmen. <strong>Die</strong> Ausführungen zur Ablieferungsobligation in den verschiedenen<br />
Vertragstypen (Anwaltsvertrag, Architektenvertrag, Arztvertrag und<br />
Softwareherstellungsvertrag) haben ergeben, dass im eigentlichen<br />
Auftragsvertragsrecht eine enge Fokussierung auf die zu liefernde<br />
Hauptleistungspflicht besteht. Besonders deutlich wird dies im Bereich <strong>des</strong><br />
Anwaltsvertrags und <strong>des</strong> Arztvertrages. Eine weitergehende Informationspflicht stützt<br />
sich demgegenüber entweder auf eine entsprechende vertragliche Abrede<br />
(Architektenvertrag) oder auf die allgemeine Sorgfalts- und Treuepflicht <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> gemäss Art. 398 Abs. 2 OR (Softwarevertrag), wobei gerade im letzten<br />
Fall die sog. Vergemeinschaftungstendenz eines Vertragsverhältnisses<br />
mitberücksichtigt werden muss.<br />
<strong>Die</strong> entsprechende Darstellung hat ergeben, dass die Erfassung der<br />
Ablieferungsobligation im Bereich <strong>des</strong> „Geschaffenen“ (Dritter Bereich der<br />
Ablieferungsobligation) im Grundsatz schwierig ist. Es ist <strong>des</strong>halb als ein weiterer<br />
Ansatz zur Bestimmung der Ablieferungsobligation ein Konzept gesucht worden,<br />
welches den weiteren Erkenntnissen aus der vorliegenden Arbeit (insbesondere aus<br />
den Bereichen <strong>des</strong> Datenschutzrechts und <strong>des</strong> Weisungsrechts) entgegenkommt. In<br />
diesem Dritten Bereich der Ablieferungsobligation wurde <strong>des</strong>halb das Konzept der<br />
sog. Handakten eingeführt, welches sowohl konzeptionell als auch gegenständlich<br />
einen Bereich definiert, welcher von der Ablieferungsobligation ausgenommen wird.<br />
Sowohl durch die entsprechende generelle als auch spezifisch inhaltliche<br />
Umschreibung der sog. Handakten konnte ein klarer Bereich der Akten <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> definiert werden, welcher nicht der Herausgabepflicht untersteht. Dabei<br />
sind gerade die Aufzeichnungen, welche der Beauftragte, gestützt auf die ihm<br />
obliegende Dokumentationspflicht, vorzunehmen hat, zu den sog. Handakten zu<br />
zählen. Entsprechend sind solche Dokumentationen und die entsprechenden<br />
Informationen in diesen Dokumentationen nicht Gegenstand der Herausgabepflicht.<br />
Gerade in dieser Hinsicht ist bedeutend, dass zwischen der Herausgabepflicht und den<br />
weiteren Verpflichtungen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> (namentlich zur Dokumentationspflicht<br />
und entsprechender Vorlegungspflichten) zu unterscheiden ist, da die Pflichten jeweils<br />
andere resp. eigene Zwecksetzungen verfolgen. Eine Informationspflicht, gestützt auf<br />
Art. 400 OR, ergibt sich entsprechend nur und insoweit, als eine konkrete<br />
Zuständigkeit (siehe dazu insbesondere die Ausführungen zum Weisungsrecht in<br />
Kapitel 3.5 und zum Widerrufsrecht in Kapitel 3.6) oder eine Interessenlage (siehe<br />
dazu die Ausführungen zur Abrechnungspflicht in Kapitel 3.7.3) ausgeführt werden<br />
kann.
- 137 -<br />
<strong>Die</strong> nachfolgenden Ausführungen zur <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Sinne einer an die<br />
Herausgabepflicht anschliessenden, aber weit gehenden Vorlegungspflicht ergaben,<br />
dass ein entsprechender Eigenbereich auch von den weiteren schuldrechtlichen<br />
Informationspflichten (Vorlegungspflicht, Recht auf Kopie etc.) zu beachten ist, da<br />
insbesondere nur bei dieser Betrachtung von einer eigentlichen Informationsordnung<br />
gesprochen werden kann. Im Ergebnis entspricht dies auch den Wertungen <strong>des</strong><br />
Datenschutzrechts (siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.4). Deshalb kann von<br />
einem Bereich im Auftragsrecht gesprochen werden, welcher von materiell-rechtlichen<br />
Informationszugangsrechten <strong>des</strong> Auftraggebers frei ist. Durch die Anerkennung eines<br />
adressatenspezifischen Informationsrechts, nach welchem der nachfolgende<br />
Beauftragte entsprechende Informationen <strong>des</strong> vorangehenden <strong>Beauftragten</strong> einfordern<br />
kann, ist das schützenswerte Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers an der Ausführung <strong>des</strong><br />
Auftrages hinreichend gesichert. Durch dieses Konzept kann dem allgemeinen<br />
Interessenwahrungsgrundsatz im Auftragsrecht entsprochen werden, ohne dass die<br />
Interessen <strong>des</strong> Auftraggebers übergangen werden.<br />
Nach der hier vertretenen Auffassung kann der Auftraggeber nur soweit<br />
Informationen, gestützt auf eine Informationspflicht „Rechenschaft“, fordern, als diese<br />
aus dem Bereich „Aufklärung“ der Dokumentation stammen oder aufgrund der<br />
Abrechnungspflicht geltend gemacht werden können (siehe dazu die Ausführungen in<br />
Kapitel 3.7.3).
- 138 -<br />
3.4 Datenschutzrechtliche Fragestellungen im schweizerischen<br />
Auftragsrecht<br />
3.4.1 Vorbemerkungen<br />
In Kapitel 3.2 wurden die Rechtsgrundlagen, der Zweck sowie der Inhalt der<br />
Dokumentationspflicht und der sich daraus ergebenden Dokumentation ausführlich<br />
dargestellt. Im Anschluss an die ausführliche Darstellung <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> der<br />
Ablieferungsobligation (Kapitel 3.3.3) und der Vorlegungspflicht (Kapitel 3.3.4)<br />
werden nachfolgend verschiedene Fragestellungen im Bereich <strong>des</strong> Datenschutzrechts<br />
untersucht, die in der hier interessierenden Frage der Informationsordnung im<br />
Auftragsrecht von Interesse sein können. <strong>Die</strong> bisherige Untersuchung hat ergeben,<br />
dass der Auftraggeber keinen Anspruch auf die Dokumentation anmelden kann,<br />
welche aufgrund der Dokumentationspflicht erstellt werden muss (Kapitel 3.2). <strong>Die</strong><br />
bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass der Beauftragte die Dokumentation gegen die<br />
vorgenannten schuldrechtlichen Ansprüche schützen kann.<br />
Auf das Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer findet das<br />
Datenschutzgesetz grundsätzlich Anwendung (Art. 1 DSG und Art. 2 Abs. 1 DSG).<br />
Bei den hier interessierenden Fragestellungen handelt es sich vor allem um die Fragen<br />
<strong>des</strong> Anwendungsbereichs <strong>des</strong> Datenschutzrechtes (Kapitel 3.4.3) und der<br />
datenschutzrechtlichen Informationsordnung im Zusammenhang mit dem<br />
Auskunftsanspruch <strong>des</strong> Datenschutzrechts (Kapitel 3.4.4). Da die Rechtsprechung<br />
massgebend im öffentlich-rechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> Datenschutzrechts<br />
entwickelt wurde, wird diese auf ihre Übertragbarkeit auf die Situationen im<br />
Privatrecht untersucht, soweit es für die hier vorliegende Fragestellung von Bedeutung<br />
ist. 644<br />
Beabsichtigt ist, durch die Auseinandersetzung mit dem Anwendungsbereich und dem<br />
Institut <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs Erkenntnisse zu erlangen,<br />
welche die bisherigen Ergebnisse der Arbeit aus der Darstellung der<br />
Dokumentationspflicht (Kapitel 3.2) und der Ablieferungspflicht (Kapitel 3.3) stützen<br />
können. Ferner soll dargelegt werden, dass sich die schuldrechtliche und die<br />
datenschutzrechtliche Rechtslage entsprechen, weil die jeweiligen Überlegungen und<br />
Ergebnisse ineinanderspielen und eine einheitliche Informationsordnung ergeben.<br />
644 <strong>Die</strong>s ist möglich aufgrund der anerkannten Eigenart <strong>des</strong> Datenschutzrechts als<br />
„Querschnittsmaterie“ (zuletzt BGE 122 I 153ff., E. 2e, i.f.).
- 139 -<br />
3.4.2 Begriffe aus dem Datenschutzrecht<br />
Einleitend sollen einige zentrale Begriffe <strong>des</strong> Datenschutzrechts dargestellt werden,<br />
die im hier untersuchten Zusammenhang von Interesse sind.<br />
3.4.2.1 Datenschutzrechtlich relevante Daten<br />
Der Auftraggeber produziert gemäss seiner mandatsrechtlichen Dokumentationspflicht<br />
eine eigentliche Dokumentation. 645 <strong>Die</strong> datenschutzrechtlichen Bestimmungen<br />
beschränken ihn in dieser Pflicht nur dadurch, dass er die datenschutzrechtlichen<br />
Bearbeitungsgrundsätze gemäss Art. 4 DSG zu beachten hat. 646<br />
Das bun<strong>des</strong>rechtliche DSG verwendet dabei in der überwiegenden Zahl der Fälle den<br />
Begriff „Daten“ und vermeidet den Begriff „Information“. 647 <strong>Die</strong> weite Bedeutung<br />
dieses Begriffes wird durch folgende Umschreibung in der Lehre deutlich: „Obwohl<br />
Sachdaten (also unpersönliche Daten) nicht unter das DSG fallen, werden sie dann zu<br />
Personendaten, wenn sie mit einer Person verknüpft werden“ 648 „bzw. verknüpfbar<br />
sind.“ 649 Eine entsprechend weit gefasste Umschreibung findet sich auch in der<br />
Rechtsprechung: „Als Personendaten (...) gelten Angaben, die sich auf eine bestimmte<br />
oder bestimmbare Person beziehen. Unter Angaben ist jede Art von Information zu<br />
verstehen, die auf die Vermittlung oder die Aufbewahrung von Kenntnissen<br />
ausgerichtet ist, ungeachtet, ob es sich dabei um eine Tatsachenfeststellung oder um<br />
ein Werturteil handelt. (...) Entscheidend für die Qualifikation als Personendaten ist,<br />
dass sich die Angaben einer oder mehreren Personen zuordnen lassen.“ 650<br />
Aus diesen Umschreibungen in Lehre und Rechtsprechung wird deutlich, dass eine<br />
651 (einmal erstellte ) Dokumentation eines <strong>Beauftragten</strong> grundsätzlich aus<br />
datenschutzrechtlich relevanten Personendaten besteht. <strong>Die</strong>s rechtfertigt eine Analyse<br />
der entsprechenden Dokumentation aus Sicht <strong>des</strong> Datenschutzrechts.<br />
645<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
646<br />
Art. 12 und 13 DSG in Verbindung mit Art. 4 DSG.<br />
647<br />
Dennoch kann zumin<strong>des</strong>t im Bereich <strong>des</strong> Datenschutzes von einer Übereinstimmung der<br />
beiden Begriffe ausgegangen werden (vgl. die Definitionen in Art. 3 DSG). Einzig in Art.<br />
10 Abs. 1 lit. a, Art. 30 und Art. 32 Abs. 4 DSG wird explizit der Begriff „Information“<br />
verwendet.<br />
648<br />
Peter, 85.<br />
649 Pedrazzini, Grundlagen, 20; Weber, Querbezüge, 124f.<br />
650<br />
VPB 62 Nr. 57 E. 4. (Eidg. Datenschutzkommission vom 21. 11. 1997). Dabei sind immer<br />
auch die Möglichkeiten der Technik mitzuberücksichtigen.<br />
651<br />
Das Datenschutzrecht verpflichtet den Auftragnehmer nicht zur Erstellung einer<br />
Dokumentation: Siehe dazu Kapitel 3.4.4.1.3.1.
- 140 -<br />
3.4.2.2 Begriff „Dokument“ im Datenschutzrecht<br />
Der Begriff „Dokument“ ist in den datenschutzrechtlichen Entscheiden von zentraler<br />
Bedeutung, wobei sich Burkert in einer Besprechung von BGE 125 II 225 ff. 652 mit der<br />
Relevanz dieses Begriffes einlässlich auseinander gesetzt hat. Nachfolgend soll die<br />
zentrale Aussage seiner Analyse wörtlich wiedergegeben werden: „Das Gericht hat<br />
eine Überprüfung für je<strong>des</strong> der im <strong>St</strong>reit stehenden Dokumente vorgenommen. Es hat<br />
sich aber geweigert, im jeweiligen Dokument abschichtbare Informationseinheiten<br />
aufzusuchen und einer weiteren Beurteilung zu unterziehen. Das überrascht: In seiner<br />
Entscheidung BGE 119 Ia 71 (79) hatte es noch ein solches Verfahren der<br />
Informationstrennung angeregt, es allerdings dem ‚gewissen Spielraum‘ (hier <strong>des</strong><br />
Ermessens) zugewiesen. Bedenklich aber ist die Verweigerung <strong>des</strong> Gerichts im Blick<br />
auf zukünftige Entscheide zu Informationsbegehren, eine Zukunft, die bereits zum Teil<br />
Gegenwart ist, denn der Begriff <strong>des</strong> ‚Dokuments‘ verliert im Zeitalter elektronischer<br />
oder zumin<strong>des</strong>t informationstechnisch gestützter Verwaltung seine Trennschärfe. (...)<br />
und es liegt dann in den Händen derer, die über diese Datenbanken verfügen, aus<br />
diesen Informationspartikeln für den jeweiligen Zweck ‚Dokumente‘ herzustellen.(...)<br />
Bei der Überprüfung der jeweiligen Ausnahmen ist dann eben doch jene Überprüfung<br />
nach abschichtbaren Informationseinheiten vorzunehmen. (...) <strong>Die</strong>se Pflicht der<br />
Bewertung nach Informationselementen und nicht die pauschale Bewertung von eher<br />
zufälligen Informationsgesamtheiten trifft bereits die erstentscheidende Verwaltung,<br />
die ihre Beurteilungen an abschichtbare Informationseinheiten zu orientieren hat.“<br />
Entscheidend für die Zwecke der vorliegenden Arbeit ist, dass die Idee der<br />
„abschichtbaren Information“ und damit der gezielten Dokumentproduktion gerade im<br />
eigentlichen Informationsrecht „Datenschutzrecht“ als sachlich richtig und möglich<br />
beurteilt wird. 653 Hierdurch wird im Datenschutzrecht die Idee gestützt, dass aus der<br />
Information immer auch eine Informationsselektion möglich ist. 654 Daraus ist zu<br />
folgern, dass niemand auf den Informationsbestand <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> an sich einen<br />
Anspruch erheben kann. Daher ist auch aus datenschutzrechtlicher Optik zwischen<br />
652 Burkert, 1161f. (Hervorhebungen nur hier).<br />
653 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang aber auf BGE 129 I 249ff., in welchem das<br />
BGer einen Auskunftsanspruch grundsätzlich ablehnte, weil die fragliche Dokumentation<br />
nicht nach Personen erschlossen war. Aufgrund der Besonderheiten <strong>des</strong> Falles ist dieser<br />
Entscheid m.E. nicht verallgemeinerungsfähig. Für eine ausführliche Besprechung <strong>des</strong><br />
Entschei<strong>des</strong>: Sutter, 34.<br />
654 <strong>Die</strong>s wird auch durch die Auslegung von Art. 2, Art. 8 und Art. 9 DSG deutlich.
- 141 -<br />
einer Dokumentationspflicht (resp. der entsprechenden Dokumentation) und einem<br />
Informationszugangsrecht zu unterscheiden. 655<br />
3.4.3 Anwendungsbereich <strong>des</strong> Datenschutzrechtes<br />
3.4.3.1 Prozessuale Vorbemerkungen<br />
In zwei neueren Entscheiden kommt zum Ausdruck, dass die Bestimmungen über den<br />
Anwendungsbereich <strong>des</strong> Datenschutzgesetzes (Art. 2 DSG) in der Rechtsprechung aus<br />
prozessualen Gründen nur eine untergeordnete Rolle spielen: So hat eine betroffene<br />
Bun<strong>des</strong>stelle Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG offenbar eine geringe Bedeutung zugemessen,<br />
obwohl zumin<strong>des</strong>t einige der herausverlangten Dokumente, gestützt auf diese<br />
Bestimmung, hätten zurückbehalten werden können. 656 Wie die bun<strong>des</strong>gerichtliche<br />
Formulierung 657 im Entscheid zeigt, hätte es im konkreten Fall durchaus Raum für<br />
eine Diskussion um die Bestimmungen über den Anwendungsbereich gegeben. Das<br />
Bun<strong>des</strong>gericht ist jedoch wegen mangelnder Substanziierung auf die entsprechenden<br />
Einwendungen seitens der Bun<strong>des</strong>stellen nicht eingegangen. Eine vergleichbare<br />
Situation zeigt sich in einem Entscheid der Eidgenössischen Datenschutzkommission<br />
vom 21.11.1997 658 , in welchem die Anwendung der Ausnahmeregelung in Art. 2 Abs.<br />
2 lit. c DSG <strong>des</strong>halb versagt wurde, weil deren Anwendbarkeit bloss behauptet, aber<br />
nicht genügend einlässlich geltend gemacht worden ist.<br />
Gestützt auf diese Entscheide, ist eine eigentliche Diskussion um die Bestimmungen<br />
über den Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG noch offen, weshalb nachfolgend die<br />
entsprechenden Überlegungen für den privatrechtlichen Bereich <strong>des</strong><br />
Datenschutzgesetzes aufgezeigt werden sollen, soweit es für die Zwecke der<br />
vorliegenden Arbeit von Bedeutung ist. 659<br />
655<br />
<strong>Die</strong>s zeigt sich auch aus dem Regelungsgedanken, welcher in Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG<br />
verwirklicht wird: Siehe dazu Kapitel 3.4.4.2.2.<br />
656<br />
BGE 125 II 225ff., E. 2.<br />
657<br />
„Der Beschwerdeführer [EDA] macht nicht geltend, bei den strittigen Akten handle es<br />
sich um interne Notizen zum persönlichen Gebrauch, auf die das Datenschutzgesetz nicht<br />
anwendbar ist (...).“ (BGE 125 II 225ff., E. 2).<br />
658<br />
VPB 62 Nr. 57 E. 5.<br />
659<br />
<strong>Die</strong> Einschränkungen gemäss Art. 8 – 10 DSG sind nach hL im Bereich <strong>des</strong> Privatrechts<br />
nur bedingt wirksam (unter Hinweis auf Art. 8 Abs. 2 lit. a DSG), da „alles“ an<br />
Information herauszugeben ist. Dazu aber insbesondere die Ausführungen in Kapitel<br />
3.4.4.
- 142 -<br />
3.4.3.2 Begriff „interne Akten“ und neueres Datenschutzrecht<br />
Im allgemeinen Verwaltungsrecht 660 hat sich in der Zeit vor dem Datenschutzgesetz<br />
im Bereich <strong>des</strong> Akteneinsichtsrechts der Begriff „interne Akten“ herausgebildet: Es<br />
handelt sich dabei um die Bezeichnung jener Aktenbestände, die grundsätzlich von<br />
einem Einsichtsrecht ausgenommen sind. In der Rechtsprechung 661 wird dieser Begriff<br />
in inhaltlicher Hinsicht wie folgt umschrieben: Unter den „internen Akten“ sind<br />
„Entwürfe, Anträge, Handakten, Notizen, Mitberichte, Hilfsbelege usw.“ 662 zu<br />
verstehen. Im Vergleich zum Privatrecht zeigt sich, dass sowohl die gedanklichen<br />
Grundlagen 663 (Meinungsbildung als interner Vorgang, welcher frei von Einsicht und<br />
Zugriffen sein soll) als auch die einzelnen Gegenstände mit dem Konzept der sog.<br />
Handakten im Bereich der Ablieferungsobligation übereinstimmen. 664<br />
Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte hat in einer ausführlichen <strong>St</strong>ellungnahme<br />
665 die Gelegenheit wahrgenommen, sich zum Verhältnis zwischen dem tradierten,<br />
allgemeinen Akteneinsichtsrecht und dem neuen datenschutzrechtlichen<br />
Akteneinsichtsrecht zu äussern. Dabei wurde das allgemeine Akteneinsichtsrecht und<br />
das Konzept der „internen Akten“ stark kritisiert, 666 wobei die bisherige Praxis sogar<br />
als möglicherweise verfassungswidrig bezeichnet wurde. 667 Begründet wurde diese<br />
Haltung damit, dass Abgrenzungsfragen in der Praxis grosse Mühe bereiten, was im<br />
Resultat zu einem eingeschränkten Akteneinsichtsrecht führe, da viele Akten als intern<br />
bezeichnet würden. 668 Im Ergebnis wird das Konzept der „internen Akten“ durch das<br />
660 Art. 4 aBV, Art. 8 BV und allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze.<br />
661 BGE 125 II 473ff., E. 4a (gestützt auf BGE 122 I 153ff., E. 6a i.f.; BGE 117 Ia 90ff., E.<br />
5b; BGE 115 V 297ff., E. 2g/aa; BGE 113 Ia 286ff., E. 2d); VPB 64 Nr. 105 E. 2a (Rat<br />
der Eidgenössischen Technischen Hochschule betreffend einer Kündigung); ZBl 1998<br />
527ff. E. 1a (VwGer AG betreffend Submissionsrecht – Keine Einsicht in<br />
Konkurrenzofferten).<br />
662 BGE 125 II 473ff., E. 4a.<br />
663 Siehe dazu BGE 122 I 153ff., E. 6a: „Mit der Einschränkung <strong>des</strong> Akteneinsichtsrechts soll<br />
verhindert werden, dass die ganze Meinungsbildung (...) ausgebreitet wird.“<br />
664 Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.<br />
665 VPB 62 Nr. 59: Es handelte sich um eine <strong>St</strong>ellungnahme im Rahmen einer<br />
Aufsichtsbeschwerde beim Bun<strong>des</strong>amt für Sozialversicherungen gegen die<br />
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA).<br />
666<br />
Im erwähnten Entscheid vergleicht der Eidg. Datenschutzbeauftragte diese „internen<br />
Akten“ mit den Problemstellungen, welche bei sog. „Memofeldern“, „Bemerkungen“ oder<br />
„Freitexten“ auftreten können. <strong>Die</strong> entsprechende Kritik wurde auch vom BGer<br />
übernommen: BGE 125 II 473ff., E. 4c) dd).<br />
667<br />
VPB 62 Nr. 59 E. 2.3. und 4.1. [Fazit].<br />
668 VPB 62 Nr. 59 E. 2.2. und 3.4.
- 143 -<br />
Datenschutzrecht infrage gestellt 669 , da im Anwendungsbereich <strong>des</strong> neuen<br />
Datenschutzrechts die Unterscheidung „interne/externe Akten“ als unzulässig<br />
betrachtet wird: „Eine generelle Verweigerung der Einsicht in interne Akten ist mit<br />
dem Grundrecht der persönlichen Freiheit nicht vereinbar. Sie verletzt das im DSG<br />
statuierte Auskunftsrecht.“ 670 In gewisser Hinsicht wird diese Ansicht jedoch durch<br />
einen Entscheid der Datenschutzkommission relativiert, in welchem die<br />
Unterscheidung zwischen internen und externen Akten akzeptiert und ein<br />
Einsichtsrecht in die internen Akten mit folgender Überlegung verneint wurde: „Eine<br />
Bekanntgabe solcher Akten während einem hängigen Verfahren würde die<br />
unabhängige Meinungsbildung der Verwaltung in empfindlicher Weise stören.“ 671<br />
In diesen <strong>St</strong>ellungnahmen wird ersichtlich, dass das Konzept der „internen Akten“ im<br />
öffentlich-rechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> neuen Datenschutzgesetzes kritisiert<br />
oder gar negiert wird. Zu beachten ist dabei, dass jeweils die Frage der<br />
Entscheiderheblichkeit von Akteninformationen für Verfügungen von Hoheitsträgern<br />
zu beantworten war. 672 Hierbei ist deutlich eine Tendenz festzustellen, im<br />
Unterordnungsverhältnis <strong>St</strong>aat – Individuum das Einsichtsrecht <strong>des</strong> Individuums vor<br />
dem Hintergrund <strong>des</strong> Datenschutzgesetzes als Konkretisierung <strong>des</strong><br />
Persönlichkeitsschutzes grosszügiger auszugestalten. Zudem ist bezüglich der<br />
aufgeführten Entscheide der Hintergrund zu beachten, dass die jeweiligen<br />
Verfügungsakte (grundsätzlich) rechtlich anfechtbar sind, weshalb eine möglichst<br />
vollständige Öffnung der Entscheidungsgrundlagen angestrebt werden soll. Damit<br />
wirken sich hier das Rechtsschutzinteresse und die Begründungspflicht<br />
verwaltungsrechtlicher Akte zu Gunsten eines Informationsrechts <strong>des</strong> Individuums<br />
aus. Es ist jedoch für den privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong><br />
Datenschutzrechtes (resp. <strong>des</strong> DSG) und für die Sachverhalte, die in dieser Arbeit zu<br />
669<br />
VPB 62 Nr. 59 E. 3.1: „Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich vorliegend um<br />
interne Akten handeln würde, müsste untersucht werden, ob nicht dennoch das<br />
Auskunftsrecht nach den Bestimmungen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzes vom 19. 6.1992 über den<br />
Datenschutz geltend gemacht werden könnte.“<br />
670<br />
VPB 62 Nr. 59 E. 4.2: Grund dafür ist, dass das Einsichtsrecht auch im<br />
Persönlichkeitsrecht begründet ist: E. 1.3. In der <strong>St</strong>ellungnahme wird das Ergebnis<br />
alternativ weiter damit begründet, dass im Auskunftsrecht nach Art. 8 DSG das<br />
„bedeutendste Institut <strong>des</strong> Datenschutzgesetzes“ und das „Herzstück der ganzen Vorlage“<br />
zu sehen ist (VPB 62 Nr. 59 E. 3.2.), was Einschränkungen offenbar nicht zulasse (unter<br />
dem Hinweis auf den Wortlaut „alles“ in Art. 8 Abs. 2 lit. a DSG).<br />
671<br />
Der Entscheid ist wiedergegeben und kommentiert bei Uttinger, 539.<br />
672<br />
BGE 125 II 473ff., E. 4c) cc) :Verfügung der SUVA; BGE 121 I 225 E. 2a: Akteneinsicht<br />
betr. einer Anwaltsprüfung; VPB 64 Nr. 105 E.2a: Beurteilung einer Kündigung. BGE<br />
127 V 219ff., E. 2: Auskunftsrecht beinhaltet auch das Recht auf eine Kopie <strong>des</strong><br />
medizinischen Gutachtens, welches die IV erstellen liess.
- 144 -<br />
untersuchen sind, zu beachten, dass keines der angeführten Sachelemente auf die<br />
privatrechtliche Rechtsbeziehung Auftragnehmer – Auftraggeber zutrifft: So handelt<br />
es sich beim Auftragsverhältnis gerade typischerweise nicht um ein<br />
Unterordnungsverhältnis der beteiligten Personen, sondern es stehen sich<br />
gleichgestellte Vertragsparteien gegenüber. Das Kriterium der Entscheiderheblichkeit<br />
von Information ist damit ein Argument, welches in der privatrechtlichen Beziehung<br />
so keine Entsprechung findet, da die Meinungsbildung unter Privaten grundsätzlich<br />
Privat- und damit Geheimsache ist. 673 Auch die Frage <strong>des</strong> nachgeschalteten<br />
Rechtsschutzes ist im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ohne<br />
Bedeutung. Daraus folgt, dass die Argumente, die im öffentlich-rechtlichen<br />
Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG für eine Erweiterung der informationsrechtlichen<br />
Pflichtenlage angeführt werden, im hier relevanten privatrechtlichen<br />
Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG ins Leere stossen. Damit ist im privatrechtlichen<br />
Anwendungsbereich nach der hier vertretenen Auffassung die<br />
Informationsrechtsordnung autonom durch Auslegung der jeweiligen Bestimmungen<br />
<strong>des</strong> DSG zu bestimmen, was nachfolgend vorgenommen werden soll.<br />
3.4.3.3 Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG: „Notizen“, „Arbeitshilfen“ und<br />
„Gedächtnisstützen“<br />
3.4.3.3.1 Regelungsgedanke<br />
Im privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> Datenschutzgesetzes ist folgende<br />
Aussage in der Botschaft als Ausgangspunkt zu nehmen: „Auch Notizen, die jemand<br />
zwar in Ausübung seines Berufes, aber nur als Arbeitshilfe zum persönlichen<br />
Gebrauch macht, etwa zur Gedächtnisstütze, fallen nicht unter das Gesetz." 674 Der<br />
Regelungsgedanke hinter dieser Ausnahmebestimmung ist der Schutz <strong>des</strong> „engsten<br />
Persönlichkeitsbereiches der Daten bearbeitenden Person selbst.“ 675 In diesem Sinne<br />
ist es unerheblich, ob Daten aufgrund von Gegebenheiten aus dem Privatleben oder<br />
aber im Zusammenhang mit dem Berufsleben angefallen sind 676 : Es wird allgemein<br />
673<br />
<strong>Die</strong>s wird bereits dadurch belegt, dass nach schweizerischer Rechtsauffassung bei<br />
Kündigungen und bei Widerruf im Auftragsvertrag grundsätzlich keine<br />
Begründungspflicht besteht. <strong>Die</strong> Verweigerung von Begründungen kann allenfalls zu<br />
finanziellen Folgen führen (bspw. Art. 337 OR: ausserordentliche Kündigung; bspw. Art.<br />
404 OR: Beendigung <strong>des</strong> Auftrages), was aber nichts an der Tatsache ändert, dass die<br />
Information verweigert werden kann.<br />
674<br />
BBl 1988 II 441. <strong>Die</strong> Botschaft stützt sich stark auf den Bericht zum EDSG-83 [S. 82ff.],<br />
was auch im Bereich von Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG der Fall ist. Art. 2 Abs. 2 lit. a EDSG<br />
<strong>des</strong> Entwurfes in der Botschaft deckt sich inhaltlich mit Art. 2 Abs. 2 lit. a EDSG-83.<br />
675 BBl 1988 II 441.<br />
676 So im Ergebnis auch die Botschaft in BBl 1988 II 441.
- 145 -<br />
ein Bereich von Informationen beschrieben, welchem eine spezielle Behandlung<br />
zugestanden wird, gerade weil diese Informationen einen engen (resp. engeren) Bezug<br />
zu der Daten bearbeitenden Person aufweisen. Der hier niedergelegte<br />
Regelungsgedanke führt dazu, dass ein Informationsanspruch der Vertragspartei<br />
datenschutzrechtlich dort keine Beachtung findet, wo dieser „Kern- oder<br />
Eigenbereich“ <strong>des</strong> Auftragnehmers betroffen ist. Damit endet das Informationsrecht<br />
<strong>des</strong> Auftraggebers dort, wo das Persönlichkeitsrecht (und damit das Datenschutzrecht)<br />
<strong>des</strong> Auftragnehmers seinen Eigenbereich statuiert. „Solche Datenbearbeitungen liegen<br />
gleichsam jenseits <strong>des</strong> Rechts. Hier kann von einer Daten bearbeitenden Person keine<br />
rechtliche Verantwortung verlangt werden.“ 677<br />
Gemäss Wortlaut in Art. 2 Abs. 1 lit. a DSG ist das Gesetz gemäss einer ersten<br />
Voraussetzung nicht anwendbar auf Personendaten, welche zum persönlichen<br />
Gebrauch bearbeitet werden. Vor dem oben dargestellten Hintergrund ist danach zu<br />
entscheiden, durch welche Eigenschaft sich dieser „persönliche Gebrauch“<br />
auszeichnet. Nicht gefolgt werden kann nach der hier vertretenen Meinung der<br />
Ansicht, dass die Ausnahmebestimmung nur jenen engen Bereich der sozialen<br />
Wirklichkeit beschreiben will, in dem eine sog. symmetrische Informationsverteilung<br />
herrscht. 678 Es würde sich dabei v.a. um soziale Beziehungen wie Freundschaften etc.<br />
handeln, in denen das Wissen typischerweise auf Gegenseitigkeit beruht. 679 Einer<br />
anderen Sichtweise muss bereits entgegengehalten werden, dass im Recht ein<br />
Ausgleich eines Informationsgefälles nur punktuell und grundsätzlich nicht gestützt<br />
allein auf eben diese Tatsache erfolgt. 680 Auch die Entstehungsgeschichte von Art. 2<br />
Abs. 2 lit. a DSG gibt keine Hinweise auf eine entsprechend enge Sichtweise, welche<br />
einer eigentlichen Marginalisierung der Ausnahmebestimmung gleichkommen würde.<br />
Mit einer entsprechenden Marginalisierung würde sich geradezu jene Befürchtung im<br />
Datenschutzrecht verwirklichen, wonach gerade dieser „Freibereich“ dem latenten<br />
Risiko seiner Negierung ausgesetzt ist. 681<br />
677 Schweizer, 62f.<br />
678<br />
<strong>Die</strong>se einschränkende Sichtweise wird von Peter, 114, vertreten, wobei sich der Autor<br />
dabei am deutschen DSG orientiert.<br />
679<br />
So im Ergebnis auch die Botschaft in BBl 1988 II 441.<br />
680<br />
Dazu grundsätzlich Druey, Information als Gegenstand, 200f. (und speziell für die<br />
Aufklärungspflicht: Druey., Information als Gegenstand, 232 inkl. FN 32) sowie Druey,<br />
Informationspflichten, 39 (mit zahlreichen Hinweisen in FN 53).<br />
681<br />
Kleiner, 403: Der Bereich von Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG wurde von Kleiner als<br />
„Freibereich“ bezeichnet.
- 146 -<br />
Aufgrund <strong>des</strong> Normtextes ergibt sich, dass es sich zum anderen beim Kriterium der<br />
Nichtbekanntgabe an aussen stehende Personen um die zweite Voraussetzung für die<br />
Nichtanwendung <strong>des</strong> Datenschutzgesetzes (und damit der Bestimmung über den<br />
Anwendungsbereich gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG) handelt. Es handelt sich beim<br />
Erfordernis der Nichtbekanntgabe an aussen stehende Personen um eine Anforderung,<br />
welche in den Materialien erst in den parlamentarischen Beratungen <strong>des</strong> <strong>St</strong>änderates<br />
belegt ist. 682 Dabei zeigt sich aus den Materialien, dass hier ein Privatbereich als<br />
Gegensatz zur Veröffentlichung bezeichnet und umrissen werden sollte. 683 <strong>Die</strong><br />
entsprechenden Ausführungen im Nationalrat legen eine Unterscheidung zwischen<br />
einer aussen stehenden Person (= einer nicht nahe stehenden Person) und einem<br />
Dritten nahe. 684 Danach ist – vereinfachend ausgedrückt – nicht jeder Dritte eine<br />
aussen stehende Person.<br />
Vor diesem Hintergrund hebelt erst die Bekanntgabe im Sinne einer Veröffentlichung<br />
die Ausnahmebestimmung aus, weshalb nur schwer nachvollziehbar wäre, dass die<br />
Bekanntgabe innerhalb eines Unternehmens resp. einer Verwaltungsstelle ein den<br />
Ausnahmebereich sprengender Vorgang darstellen soll. 685 Insbesondere auch im<br />
privatrechtlichen Bereich <strong>des</strong> Datenschutzrechts muss dem Umstand Rechnung<br />
getragen werden, dass auch zwischen einem Dritten und einem „Nahestehenden“<br />
unterschieden wird. Im Auftragsrecht besteht die grundsätzliche Pflicht zur<br />
persönlichen Ausführung <strong>des</strong> Auftragsvertrages, was als Ausfluss eines zwischen den<br />
Vertragsparteien bestehenden Vertrauensverhältnisses zu begreifen ist. 686 Nur wer in<br />
der mandatsrechtlichen Beziehung als „aussen stehende Person“ betrachtet werden<br />
kann, sprengt den Rahmen der Nichtbekanntgabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. a<br />
DSG. <strong>Die</strong>s muss dazu führen, dass etwa eine Person, welche im Sinne von Art. 68 OR<br />
oder Art. 398 Abs. 3 OR vom <strong>Beauftragten</strong> zur Auftragsausführung beigezogen wird,<br />
als „zulässiger“ Dritter betrachtet wird. 687 Da hier einzig ein informationsrechtlicher<br />
Sachverhalt zu beurteilen ist, ist nicht zwischen einer eigentlichen Substitution und<br />
anderen Erfüllungsgehilfen zu unterscheiden. Dementsprechend ist auch nicht danach<br />
682<br />
Amtl. Bull. <strong>St</strong>R 1990 137 (Antrag der vorberatenden Kommission).<br />
683<br />
Amtl. Bull. <strong>St</strong>R 1990 137 (rechte Spalte).<br />
684<br />
So auch DSG-Buntschu, Art. 2 N 34. Zur Terminologie im DSG: Peter, 99 (insbes. FN<br />
488).<br />
685<br />
DSG-Buntschu, Art. 2 N 34 i.f.; Peter, 115. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die<br />
Lehrmeinungen in diesem Bereich pauschal ausgefallen sind.<br />
686<br />
An <strong>St</strong>elle vieler: BK-Fellmann, Art. 398 N 527 und BK-Weber, Art. 68 N 27f. (je mit<br />
weiteren Hinweisen).<br />
687 Hierzu ausführlich: BK-Fellmann, Art. 398 N 524ff.; BasK-Weber, Art. 398 N 3.
- 147 -<br />
zu unterscheiden, ob der beigezogene Dritte derselben oder einer anderen rechtlichen<br />
Organisation angehört. Damit wird dem auftragrechtlichen Grundsatz entsprochen,<br />
wonach der Auftragnehmer für die Arbeitsorganisation zuständig ist 688 und es auch im<br />
Auftragsvertrag grundsätzlich keinen Schutz gibt, dass der Beauftragte die ganze<br />
Auftragserledigung persönlich 689 erfüllt. <strong>Die</strong> hier diskutierte datenschutzrechtliche<br />
Bestimmung von Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG akzeptiert demnach im Bereich <strong>des</strong><br />
privatrechtlichen Anwendungsbereichs die vom Auftragnehmer für die<br />
Auftragsabwicklung gewählte Organisation. 690<br />
3.4.3.3.2 Inhaltliche Bestimmung eines sog. Eigenbereichs <strong>des</strong> Auftragnehmers<br />
3.4.3.3.2.1 Keine Dokumentationspflicht<br />
Aufgrund datenschutzrechtlicher Normen ist es einer Person freigestellt, eine<br />
Datensammlung im datenschutzrechtlichen Sinne tatsächlich zu erstellen oder nicht. In<br />
einem Entscheid der Eidg. Datenschutzkommission wurde ein Protokoll über die<br />
Entlassung eines Mitarbeiters als zu <strong>des</strong>sen Personalakte gehörig beurteilt, weswegen<br />
er diesbezüglich einen Auskunftsanspruch im Sinne von Art. 8 DSG geltend machen<br />
konnte. Es wurde dabei festgehalten, dass ein solches Protokoll wohl typischerweise<br />
nur resp. v.a. dort besteht, wo es sich – wie hier im Falle <strong>des</strong> Eidg.<br />
Versicherungsgerichts – um ein Kollegium handelt. Sei aber ein entsprechen<strong>des</strong><br />
Dokument vorhanden, so werde dieses vom Datenschutzgesetz auch grundsätzlich<br />
erfasst. Eine entsprechende Aufzeichnungspflicht ergibt sich aber einzig aus der<br />
691 (öffentlich oder privatrechtlich begründeten) Dokumentationspflicht. <strong>Die</strong>se<br />
Dokumentationspflicht wurde an anderer <strong>St</strong>elle im hier interessierenden<br />
Zusammenhang als eine schuldrechtliche Pflicht zur Dokumentation dargestellt,<br />
welche sich auf verschiedene Rechtsgrundlagen abstützt. 692 Demzufolge kann für die<br />
Inhaltsbestimmung grundsätzlich nicht auf die datenschutzrechtlichen Normen<br />
zurückgegriffen werden. 693<br />
688 BK-Fellmann, Art. 398 N 527.<br />
689 BasK-Weber, Art. 398 N 3.<br />
690 In diesem Sinne wird also die Organisation als Informationsbewirtschaftung (Druey,<br />
Information als Gegenstand, 295ff.) datenschutzrechtlich anerkannt.<br />
691 So besonders deutlich VPB 62 Nr. 38 E. 3b.<br />
692<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
693<br />
Einzig die datenschutzrechtlichen Bearbeitungsgrundsätze gemäss Art. 4 DSG sind zu<br />
beachten, wobei die Auswirkungen im untersuchten Bereich von geringer Bedeutung sind.<br />
Art. 12 und 13 DSG in Verbindung mit Art. 4 DSG.
- 148 -<br />
3.4.3.3.2.2 Inhalt <strong>des</strong> sog. Eigenbereichs<br />
Nachdem in den vorangehenden Abschnitten die Grundlagen erarbeitet wurden, soll in<br />
diesem Abschnitt der Eigenbereich <strong>des</strong> Auftraggebers in inhaltlicher Hinsicht<br />
umschrieben werden. <strong>Die</strong>se inhaltliche Beschreibung <strong>des</strong> Eigenbereichs ist nicht von<br />
vornherein klar. So bekennt etwa Ammann mit entwaffnender Offenheit, dass „[e]s<br />
Schwierigkeiten bereitet, für diese Ausnahme ein klares Abgrenzungskriterium zu<br />
finden.“ 694 Auch Pedrazzini spricht davon, dass es sich bei der Beschreibung <strong>des</strong><br />
sachlichen Anwendungsbereiches <strong>des</strong> Datenschutzgesetzes um eine der „schwierigsten<br />
Fragen“ 695 im Bereich <strong>des</strong> Datenschutzrechtes handelt, wobei sich ein Freibereich<br />
sachlich aufdrängt, „ohne dass eine befriedigende Zäsur gefunden werden konnte.“ 696<br />
Zur Inhaltsbestimmung liefert aber der historische Gesetzgeber selbst einen zentralen<br />
Orientierungspunkt, da in den Materialien festgehalten ist, dass es sich hier um<br />
Notizen, Arbeitspapiere und Gedächtnisstützen handelt. 697 Gemeinsamer Nenner<br />
dieser beispielhaften Aufzählung ist, dass es sich um eigentliche Arbeitshilfen handelt,<br />
die den <strong>Beauftragten</strong> bei der Erledigung seines Auftrages unterstützen. Wie ein<br />
Vergleich zur Aufzählung im Konzept der „internen Akten“ zeigt, ist materiell kein<br />
Unterschied zur hier dargestellten datenschutzrechtlichen Umschreibung ersichtlich. 698<br />
<strong>Die</strong> jeweiligen „Frei- oder Eigenbereiche“ decken sich und sind von einem<br />
Akteneinsichtsrecht (im Konzept der „internen Akten“) resp. vom<br />
datenschutzrechtlichen Anwendungsbereich ausgenommen. Eine Gegenüberstellung<br />
zu den Ausführungen im Bereich der sog. Handakten im Rahmen der<br />
Ablieferungsobligation zeigt ebenfalls, dass gerade diese eigentlichen Arbeitshilfen<br />
von der schuldrechtlichen Herausgabepflicht nicht erfasst werden. 699 <strong>Die</strong> beiden<br />
„Freibereiche“ werden jedoch durch eine unterschiedliche Vorgehensweise bestimmt:<br />
Im Bereich der Ablieferungsobligation kann der Freibereich aufgrund einer<br />
eigentlichen Kasuistik anhand der einzelnen Gegenstände etc. bestimmt werden.<br />
Demgegenüber wird im Rahmen von Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG der entsprechende<br />
694<br />
Ammann, Datenschutz, 249.<br />
695<br />
Pedrazzini, Ausbau, 318.<br />
696<br />
Pedrazzini, Ausbau, 319. <strong>Die</strong>ser Autor legte seine ganze Hoffnung in die klärende Kraft<br />
von Präjudizien, die „mit einer guten Dosis bon sens (...) Korn vom Unkraut zu scheiden<br />
wissen (...).“<br />
697<br />
BBl 1988 II 441. <strong>Die</strong> Botschaft stützt sich stark auf den Bericht zum EDSG-83 [S. 82ff.],<br />
was auch im Bereich von Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG der Fall ist. Art. 2 Abs. 2 lit. a EDSG<br />
<strong>des</strong> Entwurfes in der Botschaft deckt sich inhaltlich mit Art. 2 Abs. 2 lit. a EDSG-83.<br />
698 Siehe dazu Kapitel 3.4.<br />
699 Art. 400 Abs. 1 OR (siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4).
- 149 -<br />
„Freibereich“ als das Resultat dargestellt, das sich aus der Abwägung zwischen den<br />
Interessen der verschiedenen Parteien an ihrer jeweiligen Privatsphäre ergibt.<br />
Demnach ergibt sich bei der Bestimmung <strong>des</strong> „Freibereichs“, welche aufgrund von<br />
datenschutzrechtlichen Grundlagen erfolgt, eine inhaltliche Übereinstimmung mit den<br />
Ergebnissen, die sich aus der Behandlung der Ablieferungsobligation resp. der<br />
Vorlegungspflicht ergeben haben. 700<br />
3.4.3.3.3 Einfluss <strong>des</strong> Interessenwahrungsgrundsatzes auf einen Eigenbereich<br />
Im Rahmen der Behandlung der Vorlegungspflicht wurde das Konzept der<br />
adressatenspezifischen Informationsweitergabe dargestellt. 701 Danach wird eine<br />
eigentliche Informationsweitergabepflicht gegenüber dem nachfolgenden<br />
<strong>Beauftragten</strong>, gestützt auf den Grundsatz der Interessenwahrung, festgeschrieben.<br />
Nach der hier vertretenen Auffassung behält dieses Konzept auch im Rahmen der<br />
datenschutzrechtlichen Bestimmungen Geltung, weshalb der<br />
Interessenwahrungsgrundsatz als zentrale Maxime <strong>des</strong> Mandatsrechts erfordert, dass<br />
der Eigenbereich gegenüber einem nachfolgenden Auftragnehmer reduziert ist. Da die<br />
entsprechenden Freibereiche jeweils durch eine Interessenabwägung definiert werden,<br />
zeigt sich das datenschutzrechtliche Regelwerk in dieser Hinsicht nämlich flexibel und<br />
trägt diese „Interessensituation“ vollständig mit. Eine Interessenabwägung zwischen<br />
dem „alten“ Auftragnehmer resp. seinem Eigenbereich und dem „neuen“<br />
Auftragnehmer resp. seiner Pflicht zur Interessenwahrung führt dazu, eine<br />
entsprechende Informationspflicht zu bejahen. Damit kann eine Dokumentation<br />
gegenüber dem Mandanten verweigert werden, wogegen dem nachfolgenden<br />
<strong>Beauftragten</strong> ein weiteres Informationsrecht zuzugestehen ist.<br />
Im privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> Datenschutzrechts geht es aber auch um<br />
die Grundfrage der Abgrenzung von Privatsphären, weshalb sich in inhaltlicher<br />
Hinsicht die Frage stellt, welche Informationen der (erste) Beauftragte auch dem<br />
nachfolgenden <strong>Beauftragten</strong> vorenthalten kann. In diesem Zusammenhang ist auf ein<br />
Entscheid der Aufsichtskommission der Zürcher Rechtsanwälte hinzuweisen, in<br />
welchem der nachfolgenden Anwältin nach einem Anwaltswechsel die vollständige<br />
Einsicht in die Notizen und die Materialsammlung <strong>des</strong> ersten Anwaltes zugestanden<br />
702 wurde. Es ist fraglich, ob der Entscheid – der im Übrigen keine<br />
700<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4. und 3.3.4.<br />
701<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.4.3.<br />
702<br />
AKE 980667 vom 3.12.1998.
- 150 -<br />
datenschutzrechtlichen Überlegungen enthält – im Ergebnis richtig ist oder ob er in<br />
seiner Absolutheit doch nicht zu weit geht. Bei der Formulierung einer entsprechenden<br />
Informationspflicht ist eine klare Grundlage zu nennen, welche die Informationspflicht<br />
rechtfertigt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass aufgrund der bisherigen<br />
Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit die entsprechende Grundlage und Rechtfertigung<br />
im Schuldrecht und nicht im Datenschutzrecht zu finden ist: Im vorliegenden<br />
Zusammenhang geht es zum einen um die Dokumentationspflicht (und damit um den<br />
Gedanken der Rekonstruktion) und zum anderen um den mit dieser<br />
Dokumentationspflicht verknüpften Interessenwahrungsgrundsatz. 703 Damit bestimmt<br />
sich der konkrete Umfang <strong>des</strong> entsprechenden Informationsrechts nach dem<br />
Interessenwahrungsgrundsatz. <strong>Die</strong> Analyse der schuldrechtlichen Informationslage in<br />
der vorliegenden Arbeit hat dabei allerdings ergeben, dass der neue Beauftragte über<br />
alle Information verfügen muss, damit er seinen Auftrag erfüllen und die Interessen<br />
<strong>des</strong> Auftraggebers wahrnehmen kann. Es kann in dieser Hinsicht auf die<br />
entsprechenden Ausführungen zur adressatenspezifischen Vorlegungspflicht<br />
verwiesen werden, wobei aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten zudem auf die<br />
Ausführungen im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 3 DSG hinzuweisen ist. 704<br />
3.4.3.4 Art. 2 Abs. 2 lit. c DSG: Vorbehalt der Verfahrensrechte<br />
Bei Art. 2 Abs. 2 lit. c DSG handelt es sich um eine weitere Ausnahmebestimmung<br />
von der Anwendbarkeit <strong>des</strong> Datenschutzrechtes. Sie wird damit begründet, dass in<br />
hängigen Rechtsverfahren besondere Normwerke zur Anwendung gelangen, welche<br />
für die in diesen Situationen relevanten Interessenlagen eine zweckgerechtere<br />
Informationsordnung bereitstellen. Es muss jeweils durch Auslegung ermittelt werden,<br />
ob ein entsprechen<strong>des</strong> Verfahren überhaupt vorliegt. 705 <strong>Die</strong> Interessenabwägung soll<br />
daher in diesen Fällen nach den Kriterien der entsprechenden spezielleren Normwerke<br />
vorgenommen werden. 706 Dabei sind zwingende Prozessrechtsvorschriften (z.B.<br />
geheime Urteilsberatung) auch nach Abschluss <strong>des</strong> Verfahrens zu beachten und gehen<br />
dem Datenschutzrecht vor. 707<br />
703 Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
704 Siehe dazu Kapitel 3.3.4.3 und 3.4.4.2.3.<br />
705<br />
VPB 62 Nr. 40 E. 3c/ee: Innerstaatliches Rechtshilfeverfahren; VPB 62 Nr. 9 E. 2:<br />
Verwaltungsverfahren im Asylbereich.<br />
706<br />
BBl 1988 II 442f. Siehe dazu die ausführliche Kommentierung der verschiedenen<br />
Verfahren durch DSG-Buntschu, Art. 2 N 39ff.<br />
707 VPB 64 Nr. 69.
- 151 -<br />
<strong>Die</strong> Begründung und die spezifische Regelung in Art. 2 Abs. 2 lit. c DSG belegen die<br />
Notwendigkeit, in Informationsrechtssachverhalten zwischen einem<br />
materiellrechtlichen und einem prozessualen Bereich zu unterscheiden. <strong>Die</strong> jeweils<br />
anwendbaren Normwerke sorgen für eine optimale und sachdienliche Lösung der sich<br />
jeweils im Einzelfall stellenden Interessenlagen.<br />
<strong>Die</strong> Bedeutung dieser Ausnahmebestimmung ist je nach Auslegung unterschiedlich.<br />
Nach richtiger Lesart gibt diese Norm die Optik der Justizorgane wieder, weshalb sie<br />
auf eigentliche Prozessverhandlungen beschränkt ist. Demgegenüber lässt Art. 2 Abs.<br />
2 lit. c DSG aber das gesamte Prozessumfeld unberührt. 708 Aus diesem Grunde ist<br />
diese Norm für die in dieser Arbeit untersuchte Fragestellung von untergeordneter<br />
Bedeutung.<br />
3.4.4 Auskunftsrecht im Datenschutzrecht<br />
Nachfolgend wird die Informationsanspruchsordnung im privatrechtlichen<br />
Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG dargestellt und daraufhin untersucht, ob sich auch aus<br />
diesem Teil <strong>des</strong> Datenschutzrechts weitere Erkenntnisse für die Informationsordnung<br />
im Auftragsrecht ergeben.<br />
3.4.4.1 Art. 8 DSG: Grundsätzliches Auskunftsrecht<br />
3.4.4.1.1 Rechtsgrundlage<br />
Art. 8 DSG enthält ein grundsätzliches Auskunftsrecht bezüglich der Fragen, ob (Abs.<br />
1) und welche (Abs. 2) Daten über eine Person vorhanden sind. Fraglich ist, ob sich<br />
ein Recht auf Auskunft neben Art. 8 DSG auch auf den allgemeinen Rechtsbehelf von<br />
Art. 28 ZGB stützen kann. 709 Bedeutung hat diese Frage insbesondere dann, wenn in<br />
einem konkreten Fall das DSG nicht anwendbar ist. 710 In dieser Frage ist der Lehre zu<br />
folgen, die Art. 28 ZGB nicht als „ ‚allgemeines Ersatzrecht‘ bzw. als ‚allgemeines<br />
Auffangrecht‘ “ betrachtet. 711 <strong>Die</strong>s insbesondere mit der Begründung, dass das<br />
Datenschutzrecht das Recht <strong>des</strong> Persönlichkeitsschutzes konkretisiert hat, weshalb<br />
grundsätzlich die gleichen Überlegungen zur Anwendung gelangen müssten. 712<br />
708 So deutlich Schweizer, 63.<br />
709 Ausführlich mit weiteren Nachweisen: Peter, 211f.; Riemer, 104f.<br />
710 DSG-Buntschu, Art. 2 N 35 (mit weiteren Hinweisen).<br />
711 Etwa Riemer, 104. Pedrazzini, Ausbau, 319 (lässt die Frage offen).<br />
712 Vgl. Art. 1 DSG.
3.4.4.1.2 Auskunftsrecht<br />
- 152 -<br />
3.4.4.1.2.1 Allgemeines<br />
Der Gesetzeswortlaut in Art. 8 Abs. 1 DSG bringt zum Ausdruck, dass „jede Person“<br />
Auskunft verlangen kann, wenn über sie Daten vorhanden sind. <strong>Die</strong> entsprechende<br />
Person muss dabei kein spezifisches Interesse nachweisen 713 und der Inhaber der<br />
Daten darf die Geltendmachung <strong>des</strong> Auskunftsrechtes nicht von irgendwelchen<br />
Bedingungen 714 (wie die Bezahlung <strong>des</strong> Honorars etc.) abhängig machen, da eine<br />
Interessenabwägung erst bei den Einschränkungen <strong>des</strong> Auskunftsanspruches<br />
vorzunehmen ist (Art. 9 f. DSG). 715 Das Auskunftsrecht wird als „der Schlüssel zum<br />
Datenschutz“ 716 bezeichnet, weshalb dem Institut eine wichtige rechtliche und<br />
gesellschaftliche Bedeutung zugemessen wird: „Unabhängig von den Bestimmungen,<br />
die das Akteneinsichtsrecht regeln, verleiht das Verfassungsrecht also jeder<br />
betroffenen Person ein Recht auf Auskunftserteilung, und zwar einerseits über Daten,<br />
die von einer öff. Behörde zu seiner Person aufbewahrt werden, und anderseits über<br />
die gemachte Verwendung dieser Daten. <strong>Die</strong>ses Recht auf Auskunftserteilung ist<br />
übrigens in seinem Grundsatz durch die meisten Gesetzgebungen der westlichen<br />
Länder anerkannt. (...). Es ist dazu bestimmt, eine immer wichtigere Rolle beim Schutz<br />
<strong>des</strong> Individuums zu spielen, denn die elektronische Datenverarbeitung erlaubt die<br />
sofortige Verbreitung und Verarbeitung von Daten ... .“ 717<br />
Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht beschränkt sich dabei auf die mit der<br />
anfragenden Person verbundenen Daten: „Eine Person kann nur über ihre eigenen<br />
Daten Auskunft verlangen; (...).“ 718 Gestützt auf datenschutzrechtliche Ansprüche,<br />
kann eine Person insbesondere nicht über Angehörige oder Erben etc. Auskünfte<br />
verlangen. <strong>Die</strong>s folgt aus dem Umstand, dass hier der personenrechtliche Einschlag<br />
719 <strong>des</strong> Anspruches zu beachten ist. Der Aussage, dass gemäss den<br />
713<br />
Pedrazzini, options, 34; Dubach, 215f. Dazu auch BGE 122 I 153ff., E. 6a und VPB 62<br />
Nr. 9 E. 2c (Asylrekurskommission). Demgegenüber spricht ein Urteil der Eidg.<br />
Datenschutzkommission vom 26.5.1995 (VPB 62 Nr. 38 E. 3a) etwas verwirrend davon,<br />
dass „in bezug auf die Auskunft über eigene Daten normalerweise kein besonderer<br />
Interessennachweis nötig [sei].“<br />
714<br />
Page, 123.<br />
715<br />
BGE 122 I 153ff., E. 6d. Es ist an dieser <strong>St</strong>elle jedoch bereits auszumachen, dass auch die<br />
inneren Schranken <strong>des</strong> Auskunftsanspruchs gemäss Art. 8 DSG zu beachten sind: Siehe<br />
dazu Kapitel 3.4.4.1.2.3.<br />
716 Belser, Auskunft, 55.<br />
717 Pra 77 Nr. 7 E. 4d = BGE 113 Ia 257ff., E. 4d (Hervorhebungen nur hier).<br />
718 BBl 1988 II 453.<br />
719 Page, 121.
- 153 -<br />
datenschutzrechtlichen Grundsätzen, gestützt auf Art. 8 DSG, kein Rechtsanspruch<br />
besteht, Auskunft über sämtliche technisch möglichen Datenabfragen zu erhalten,<br />
kommt im hier untersuchten privatrechtlichen Anwendungsbereich aber kaum<br />
Bedeutung zu. 720 Hier werden Unterschiede zwischen datenschutzrechtlichen und<br />
auftragsrechtlichen Informationsansprüchen deutlich, indem letztere auch<br />
grundsätzlich Informationen umfassen können, die Daten bezüglich Dritter darstellen.<br />
721 Hinsichtlich der Form von Auskünften wurde festgestellt, dass die Auskünfte<br />
grundsätzlich schriftlich zu erteilen sind, weshalb ein blosses Einsichtsrecht nicht<br />
ausreichend ist. 722 Hierbei ist die Möglichkeit der „abschichtbaren Information“ von<br />
723 besonderer Bedeutung , muss doch allenfalls die Dokumentation<br />
datenschutzrechtlich aufbereitet werden, bevor Auskunft erteilt werden kann.<br />
Adressat <strong>des</strong> Auskunftsanspruchs ist der Inhaber einer Datensammlung gemäss Art. 3<br />
lit. i DSG. 724 <strong>Die</strong> Bestimmung <strong>des</strong> Adressaten schafft in den hier behandelten<br />
Konstellationen <strong>des</strong> Auftragvertrages in der Regel keine Probleme, selbst wenn die<br />
Daten nicht unmittelbar im direkten Einflussbereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> abgelegt sind. 725<br />
Für die Bestimmung <strong>des</strong> Adressatenkreises ist einzig entscheidend, wer in dem Sinne<br />
die Entscheidungsgewalt über die infrage stehende Datensammlung hat, dass er über<br />
Zweck und Inhalt der Datensammlung bestimmt. Jede dieser Personen ist Adressat und<br />
kann einzeln vom Ansprecher in die Pflicht genommen werden. 726 <strong>Die</strong> Eidg.<br />
Datenschutzkommission hat auch festgehalten, dass eine dezentrale oder gar eine<br />
unübersichtliche Datenverwaltung selbstverständlich keinen Einfluss auf den Bestand<br />
und den Umfang <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruches hat. 727<br />
720<br />
VPB 67 Nr. 70 E. 2.<br />
721<br />
Schweizer, 71.<br />
722<br />
BGE 123 II 534 E. 3 und BGE 125 II 321ff., E. 3. Für weitere Einzelheiten kann auf<br />
DSG-Dubach, Art. 8 N 25ff. verwiesen werden.<br />
723<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.2.2.<br />
724<br />
Siehe diesbezüglich die Besonderheiten in Art. 8 Abs. 4 DSG.<br />
725<br />
Zu denken ist etwa an Bürogemeinschaften mit dezentralem Sekretariats- und<br />
Archivsystem. In diesen Fällen kommt den Anforderungen von Art. 7 DSG und den<br />
Ausführungsvorschriften in der Verordnung zum DSG erhöhte Bedeutung zu.<br />
726<br />
Page, 126. <strong>Die</strong>s gilt sowohl für Art. 7 DSG als auch für Art. 8 – 10 DSG.<br />
727<br />
VPB 62 Nr. 55 E. 2. Gibt es mehrere Inhaber im besagten Sinne, so ist Art. 1 Abs. 5 der<br />
Verordnung zum DSG einschlägig. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang aber auf<br />
BGE 129 I 249ff., in welchem das BGer einen Auskunftsanspruch grundsätzlich ablehnte,<br />
weil die fragliche Dokumentation nicht nach Personen erschlossen war. Aufgrund der<br />
Besonderheiten <strong>des</strong> Falles ist dieser Entscheid m.E. nicht verallgemeinerungsfähig. Eine<br />
ausführliche Besprechung <strong>des</strong> Entschei<strong>des</strong> ist erfolgt in: Sutter, 34.
- 154 -<br />
3.4.4.1.2.2 Datensammlung als Objekt: Erste Einschränkungen <strong>des</strong><br />
Auskunftsrechts<br />
„Objekte <strong>des</strong> Auskunftsrechts sind alle Angaben, die (...) in einer Datensammlung<br />
gespeichert sind.“ 728 Da der Begriff der Datensammlung nach Art. 3 lit. g DSG weit<br />
gefasst ist, 729 ergeben sich aus dem Begriff der Datensammlung grundsätzlich keine<br />
Einschränkungen für den <strong>Beauftragten</strong> bzw. den Adressaten der Auskunftspflicht. 730<br />
So kann der Begriff der Datensammlung nicht dadurch unterlaufen werden, dass der<br />
731<br />
Inhaber derselben eine ungeordnete oder verstreute Ablage unterhält.<br />
Einschränkungen <strong>des</strong> Begriffs der Datensammlung lassen sich auch nur bedingt aus<br />
der Praxis herleiten, da die entsprechende Rechtsprechung kein einheitliches Bild<br />
hinterlässt: So hat die Eidgenössische Datenschutzkommission mit Entscheid vom<br />
21.11.1997 den Begriff „Datensammlung“ im Sinne von Art. 3 lit. g DSG in der Weise<br />
konkretisiert, dass selbst Objekte wie „Korrespondenzen und weitere (...) registrierte<br />
Kontakte“ vom Begriff der Datensammlung erfasst sind. 732 Demgegenüber hat die<br />
Eidgenössische Datenschutzkommission in einem Entscheid vom 26.5.1995 noch<br />
wesentlich zurückhaltender festgehalten, welche Objekte zu einer Personalakte<br />
gehören. So wurden Zirkularblätter <strong>des</strong> Eidgenössischen Versicherungsgerichtes aus<br />
dem Anwendungsbereich von Art. 8 DSG ausgenommen, obwohl „es denkbar [wäre],<br />
daraus gewisse Schlussfolgerungen zur beruflichen Qualifikation <strong>des</strong><br />
Beschwerdeführers“ zu ziehen. <strong>Die</strong>se Einschränkung erfolgte mit der Begründung,<br />
„weil sonst der Begriff der Personalakte jede Kontur verlieren könnte.“ 733 Es ist darauf<br />
hinzuweisen, dass die Tendenz <strong>des</strong> zuletzt erwähnten Entschei<strong>des</strong> aufgrund der<br />
bisherigen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit vorzuziehen ist, da sich die<br />
Erwägungen <strong>des</strong> Entschei<strong>des</strong> aus systematischer Sicht in die Feststellungen zum<br />
Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG (Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG) einreihen lassen. 734 Danach<br />
sind gewisse Dokumente, weil sie blosse Gedächtnisstützen der Arbeitspapiere sind,<br />
von vornherein vom Datenschutzrecht nicht erfasst.<br />
728 DSG-Dubach, Art. 8 N 11.<br />
729 DSG-Belser, Art. 3 N 28 DSG.<br />
730 Vorbehalten ist selbstredend die Möglichkeit der „abschichtbaren Information“, welche<br />
bereits dargestellt worden ist. Siehe dazu Kapitel 3.4.2.2.<br />
731 VPB 62 Nr. 57.<br />
732 VPB 62 Nr. 57 E. 5.<br />
733 VPB 62 Nr. 38 E. 3b.<br />
734 Siehe dazu Kapitel 3.4.3.
- 155 -<br />
<strong>Die</strong> Datensammlung als Objekt <strong>des</strong> Auskunftsanspruchs bedeutet weiter auch, dass die<br />
Daten, über die allenfalls Auskunft zu geben ist, zusammengestellt und aufbereitet sein<br />
735 müssen. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch bezieht sich aber<br />
grundsätzlich nur auf Daten, die in der entsprechenden Datensammlung (bereits)<br />
vorhanden sind. 736 Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch erfordert lediglich,<br />
dass über die Daten in einer Datensammlung Auskunft gegeben wird, die zum<br />
Zeitpunkt <strong>des</strong> Auskunftsbegehrens in der Datensammlung vorhanden sind. Damit<br />
bildet auch der spezifische Auskunftsanspruch <strong>des</strong> DSG keine hinreichende<br />
Rechtsgrundlage für eine Dokumentationspflicht. 737 Es ist einmal Auskunft über alle<br />
Daten zu geben, „zumin<strong>des</strong>t solange sie nicht im System gelöscht werden.“ 738 In<br />
zeitlicher Hinsicht wurde zum Verhältnis einer gesetzlichen Aufbewahrungsdauer (in<br />
casu Patientenrechtsverordnung <strong>des</strong> Kantons Zürich, § 13: 10 Jahre) und dem<br />
datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch präzisierend ausgeführt: „Werden<br />
Krankengeschichten über diese Zeit hinaus tatsächlich aufbewahrt, erfordern Art. 4<br />
BV und die Grundsätze <strong>des</strong> Datenschutzes, dass vom Einsichtsrecht effektiv immer<br />
noch Gebrauch gemacht werden kann.“ 739 Der Auskunftsanspruch ist wegen dem<br />
personenrechtlichen Einschlag <strong>des</strong> Anspruchs unverzichtbar 740 und unverjährbar 741 .<br />
3.4.4.1.2.3 Umfang <strong>des</strong> Auskunftsrechts: Inhärente Grenzen<br />
Der Gesetzeswortlaut in Art. 8 Abs. 2 lit. a DSG statuiert eine Pflicht zur Auskunft<br />
über „alle (...) Daten“. Grundsätzlich (d.h. unter dem Vorbehalt der folgenden<br />
Ausführungen und Art. 9 f. DSG) ist damit die auskunftsersuchende Person über alle<br />
sie betreffenden Daten zu informieren. <strong>Die</strong>sbezüglich wurde in einem Entscheid zum<br />
öffentlich-rechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG festgehalten, dass etwa ein<br />
Beratungsprotokoll einer Kollegialbehörde zur Personalakte <strong>des</strong> betroffenen<br />
Mitarbeiters gehört (soweit es seine Entlassung betrifft), weshalb es vom<br />
datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch erfasst ist. 742<br />
735<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.4.1.2.<br />
736<br />
Deutlich zuletzt BGE 125 II 473 E. 4c) bb).<br />
737<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.3.3.2.1.<br />
738<br />
VPB 62 Nr. 57 E. 5.<br />
739<br />
BGE 122 I 153ff., E. 5c. Allgemein zur elektronischen Aufbewahrung und Archivierung:<br />
Weber, Aufbewahrung, 67ff.<br />
740 Art. 8 Abs. 6 DSG.<br />
741<br />
VPB 62 Nr. 38 E. 2a.<br />
742<br />
So besonders deutlich VPB 62 Nr. 38 E. 3b. Siehe aber bezüglich der „Produktion“ eines<br />
solchen Protokolls die Ausführungen in Kapitel 3.4.3.3.2.1.
- 156 -<br />
In der Botschaft zum DSG wird dabei die Vollständigkeit und Richtigkeit der<br />
Informationsleistung gefordert: 743 Aus dem ersten Erfordernis wird von einem Teil der<br />
Lehre abgeleitet, dass etwa Teilauskünfte nur dann gegeben werden dürfen, wenn<br />
solche ausdrücklich verlangt wurden. 744 <strong>Die</strong> Richtigkeit von Informationen wird vom<br />
DSG vorausgesetzt und der Dateninhaber ist im <strong>St</strong>reitfall dafür beweispflichtig. 745<br />
Bei der Bestimmung <strong>des</strong> Auskunftsanspruchs ist auf die eigentlichen Grundlagen <strong>des</strong><br />
datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs einzugehen. Wie die bun<strong>des</strong>gerichtliche<br />
Rechtsprechung zeigt, handelt es sich dabei um das informationelle<br />
Selbstbestimmungsrecht im Allgemeinen und um das Recht auf „richtige“ Daten im<br />
Besonderen. 746 <strong>Die</strong> Fragestellung lautet hier, ob der Auskunftsanspruch gemäss Art. 8<br />
DSG nicht auch inhärente Grenzen kennt, die gerade in seiner eigenen Begründung<br />
liegen und die im privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG zum Tragen<br />
kommen können. Ein Auskunftsrecht soll dabei nur bestehen, soweit die genannten<br />
Grundlagen überhaupt eine Wirkung entfalten können. <strong>Die</strong>ser Frage soll in den<br />
nachfolgenden Erwägungen nachgegangen werden:<br />
Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht wird zum einen damit begründet, dass die<br />
betroffene Person die Risiken der Bearbeitung „ihrer“ Daten abschätzen und<br />
kontrollieren können soll. 747 In den hier untersuchten vertraglichen Beziehungen wird<br />
eine entsprechende Risikolage in der Regel aber gar nicht bestehen, da der<br />
Auftragnehmer insbesondere durch die Normen der Geheimhaltungspflicht (Art. 398<br />
OR) geschützt wird. Es scheint <strong>des</strong>halb schwer verständlich, vor diesem Hintergrund<br />
ein weit reichen<strong>des</strong> Auskunftsrecht, gestützt auf eine nicht existierende Risikolage,<br />
rechtfertigen zu wollen. Es ist im privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG zu<br />
beachten, dass selbst durch ein ausgedehntes Auskunftsrecht eine entsprechende<br />
„Risikolage“ in den hier untersuchten Rechtsverhältnissen durch den Auftraggeber<br />
nicht beeinflusst wird. Damit fällt die Rechtfertigung eines weiten Informationsrechts,<br />
gestützt auf diese Grundlage, dahin.<br />
743<br />
BBl 1988 II 453.<br />
744<br />
DSG-Dubach, Art. 8 N 33. Zurückhaltender Peter, 220, der ein abgestuftes<br />
Informationsverhalten zulassen will.<br />
745<br />
VPB 67 Nr. 70 E. 4a.<br />
746<br />
BGE 122 I 153ff., E. 6b/aa. In diesem Entscheid musste ein Auskunftsrecht (in<br />
Ermangelung eines anwendbaren Datenschutzgesetzes) mittels allgemeinen<br />
datenschutzrechtlichen Überlegungen begründet werden. Aus der Lehre: DSG-Dubach,<br />
Art. 8 N 1f. (mit weiteren Hinweisen).<br />
747 So deutlich Page, 116.
- 157 -<br />
Bezüglich der Grundlage <strong>des</strong> Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist in den<br />
vorliegend zu untersuchenden Konstellationen auf die Ausführungen im<br />
Zusammenhang mit der Dokumentationspflicht hinzuweisen: 748 Es wurde bereits<br />
ausgeführt, dass das Datenschutzrecht keine Dokumentationspflicht begründet,<br />
sondern im Begriff der Datensammlung an eine bereits bestehende Dokumentation<br />
anknüpft. Aus dieser Ordnung folgt, dass das Datenschutzrecht die entsprechenden<br />
Charakteristika einer bestehenden Dokumentationspflicht anerkennt. Aus den<br />
entsprechenden Erwägungen zur Dokumentationspflicht haben sich folgende<br />
Erkenntnisse ergeben, welche hier von Bedeutung sind: <strong>Die</strong> Dokumentationspflicht ist,<br />
soweit sie im hier interessierenden Zusammenhang steht, als eine eigentliche<br />
Berichtspflicht ausgestaltet, da sowohl die Thematik als auch der eigentliche Inhalt<br />
vorgegeben sind. 749 Damit zeichnet sich die Dokumentationspflicht aber auch durch<br />
einen objektivierten Inhalt aus, der insbesondere von der Person <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
losgelöst ist. Weiter zeichnet sich die Dokumentationspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> dadurch<br />
aus, dass innerhalb der Thematik eine beachtliche Autonomie <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
besteht, solange nur der Zweck der Rekonstruierbarkeit erfüllt ist. Es ist der<br />
Beauftragte, welcher sowohl die Sachurteile als auch die Werturteile im<br />
pflichtgemässen Ermessen aufzeichnet. Es ist der Beauftragte, welcher grundsätzlich<br />
autonom bestimmt, welche Daten im Detail aufgezeichnet werden, da es eine<br />
Dokumentation ist, die zuerst einmal seinen Zwecken dient. Es sind dies die<br />
Charakteristiken der Dokumentationspflicht, wie sie – was hier relevant ist – durch das<br />
Schuldrecht vorgegeben sind. Wie sich bereits ergeben hat, ist das Datenschutzrecht in<br />
dieser Hinsicht nachgelagert, weshalb die schuldrechtlichen Einflüsse voll<br />
durchschlagen können. Aufgrund der entsprechenden Erwägungen ist nicht ersichtlich,<br />
wo und in welcher Weise dem Auftraggeber ein Interesse an der Selbstbestimmung<br />
zugebilligt werden sollte. Vielmehr ergibt sich, dass für die informationelle<br />
Selbstbestimmung im hier untersuchten privaten Anwendungsbereich <strong>des</strong><br />
Datenschutzrechts kein Raum bleibt. Damit kann auch diese Grundlage <strong>des</strong><br />
Auskunftsanspruchs nicht ein weites Auskunftsrecht rechtfertigen, da die<br />
Selbstbestimmung im hier untersuchten Bereich grundsätzlich keine Bedeutung<br />
erlangt.<br />
<strong>Die</strong> vorangehenden Ausführungen zeigen, dass im hier untersuchten privatrechtlichen<br />
Kontext (privatrechtliches Mandatsverhältnis) die Grundlagen für ein weites<br />
748<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
749<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.3.3.2 und 3.2.3.3.3.
- 158 -<br />
Auskunftsrecht im Datenschutzrecht nur sehr beschränkt Wirkung erlangen können. Es<br />
ist <strong>des</strong>halb festzustellen, dass sich bereits aus diesen inhärenten Schranken wesentliche<br />
Argumente gegen ein umfassen<strong>des</strong> Auskunftsrecht anführen lassen. Es ist aus diesem<br />
Grund nicht einzusehen, weshalb im privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong><br />
Mandatsrechts ein Auskunftsrecht bestehen soll, wonach alle Informationen<br />
herauszugeben sind. Es kann also festgehalten werden, dass sowohl eine systematische<br />
(insbesondere im Zusammenhang mit der Dokumentationspflicht) als auch eine<br />
zweckorientierte Auslegung ein grundsätzlich beschränktes oder gar fehlen<strong>des</strong><br />
Auskunftsrecht ergeben. Aufgrund der Tatsache, dass der klare Wortlaut mit dieser<br />
Auslegung nur schwer vereinbar ist, werden nachfolgend die weiteren expliziten<br />
Einschränkungen <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts dargestellt, die auch im<br />
privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG relevant sind.<br />
3.4.4.2 Art. 9 DSG: Ausdrückliche Einschränkungen <strong>des</strong> Auskunftsrechts<br />
3.4.4.2.1 Vorbemerkungen<br />
Liegen Daten im Anwendungsbereich <strong>des</strong> Datenschutzgesetzes und muss ein<br />
grundsätzlicher Anspruch auf Information nach Art. 8 DSG bejaht werden, so stellt<br />
sich die Frage nach den ausdrücklichen Einschränkungen <strong>des</strong> Informationsanspruches<br />
gemäss Art. 9 f. DSG. 750 <strong>Die</strong> Regelungsidee von Art. 9 f. DSG ist eine<br />
Interessenabwägung, damit berechtigte und schützenswerte Geheimhaltungsinteressen<br />
751 752 auch im Bereich <strong>des</strong> Datenschutzrechtes Anerkennung finden. <strong>Die</strong><br />
Einschränkungsgründe werden abschliessend 753 in Art. 9 f. DSG festgehalten. Daraus<br />
kann aber nicht geschlossen werden, dass die entsprechenden Einschränkungsgründe<br />
in Art. 9 f. DSG allesamt und grundsätzlich restriktiv auszulegen sind. 754 Zuzustimmen<br />
ist der Rechtsprechung aber insoweit, als eine generelle Verweigerung der Einsicht in<br />
interne Akten unzulässig ist. 755 <strong>Die</strong>s ergibt sich aber aus dem Umstand, dass das<br />
750<br />
Pedrazzini, options, 34f., sieht in den Einschränkungen zuerst einmal die Funktion, dass<br />
kein Anspruch absolut sein kann, was auch für das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht<br />
Geltung habe.<br />
751<br />
Burkert, 1160 (Bemerkung 2).<br />
752<br />
Aus der Rechtsprechung: BGE 122 I 153ff., E. 5d. Aus der Lehre: DSG-Dubach, Art. 9 N<br />
1f. DSG.<br />
753<br />
Zuletzt BGE 125 II 473ff., E. 4a = VPB 62 Nr. 59 E. 3.3. Aus der Lehre: DSG-Dubach,<br />
Art. 8 N 5.<br />
754<br />
In der Botschaft (BBl 1988 II 455) wurde bereits festgehalten, dass die entsprechenden<br />
Einschränkungen restriktiv zu handhaben sind. <strong>Die</strong>se Aussage wurde in der<br />
Rechtsprechung (VPB 62 Nr. 59 E. 3.3) dahin gehend verschärft, als von einer „sehr<br />
restriktiven Anwendung“ gesprochen wird.<br />
755<br />
VPB 62 Nr. 59 E. 3.3.
- 159 -<br />
Datenschutzrecht nun in Art. 8 – 10 DSG eine eigentliche, fein abgestimmte Regelung<br />
vorgibt, der zu entsprechen ist. Der Auskunftsanspruch und die Einschränkungsgründe<br />
sind nach der hier vertretenen Auffassung durch eine Auslegung zu bestimmen,<br />
welche nicht von vornherein eine restriktive sein darf, denn „[e]s ist kein Zufall, dass<br />
beim Auskunftsrecht die Ausnahmen von der Regel mehr Platz einnehmen als die<br />
Regel selbst.“ 756<br />
Eine gewisse restriktive Anwendung der Ausnahmebestimmungen ergibt sich aber<br />
zum einen daraus, dass in Art. 9 Abs. 1 – 3 DSG jeweils überwiegende Interessen<br />
gefordert werden. Zum anderen kann die Pflicht zur Angabe eines Grun<strong>des</strong>, weshalb<br />
der Inhaber der Datensammlung die Auskunft verweigert, einschränkt oder aufschiebt,<br />
zu einer gewissen Zurückhaltung führen. <strong>Die</strong>s, weil der Inhaber der Datensammlung<br />
nicht nur den Grund angeben muss, sondern auch für den Verweigerungsgrund<br />
beweispflichtig ist (Art. 9 Abs. 4 DSG). 757<br />
Weiter wird in der Lehre zwischen den Einschränkungsgründen in Art. 9 Abs. 1 und<br />
Abs. 3 DSG unterschieden: Der Ingress zu Art. 9 Abs. 1 DSG sollte danach<br />
richtigerweise von „müssen“ anstatt von „können“ sprechen. Sind die<br />
Voraussetzungen von Abs. 1 lit. a und/oder lit. b gegeben, so muss die Auskunft<br />
verweigert etc. werden. 758 In den vorliegend untersuchten Beziehungen <strong>des</strong><br />
Auftragsrechts wird es jedoch in der Regel eine Kann-Vorschrift sein, da der<br />
Beauftragte vor dem Hintergrund <strong>des</strong> Datenschutzrechts diese Daten zurückbehalten<br />
darf. Im Bereich von Abs. 3 steht es der Daten bearbeitenden Person und damit dem<br />
Inhaber der Datensammlung stets frei, sich so oder anders zu entscheiden. 759<br />
3.4.4.2.2 Allgemeine Einschränkungen nach Art. 9 Abs. 1 DSG<br />
3.4.4.2.2.1 Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG: Vorbehalt <strong>des</strong> „formellen Gesetzes“<br />
Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG sieht vor, dass der Inhaber der Datensammlung die Auskunft<br />
verweigern, einschränken oder aufschieben kann, soweit ein formelles Gesetz dies<br />
756<br />
Belser, Auskunft, 61.<br />
757<br />
In diesem Sinne obliegt die Beweislast betreffend der Interessensituation im Bereich von<br />
Art. 9f. DSG dem Inhaber der Datensammlung: VPB 62 Nr. 55 E. 4b betreffend Art. 9<br />
Abs. 2 lit. b DSG. „An die Begründung können in<strong>des</strong>sen nicht so hohe Anforderungen<br />
gestellt werden, dass in ihr das mitgeteilt werden müsste, was wegen überwiegenden<br />
Geheimhaltungsgründen gerade nicht preisgegeben werden darf.“: DSG-Dubach, Art. 9 N<br />
6 (mit weiteren Hinweisen); Peter, 223f.<br />
758<br />
Auch der Grad der Einschränkung ergibt sich aus den gleichen Erwägungen. Besonders<br />
deutlich im Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG.<br />
759 Zum Ganzen: DSG-Dubach, Art. 9 N 3.
- 160 -<br />
vorsieht. Bis heute ist keine Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG ergangen,<br />
weshalb nachfolgend der mögliche Anwendungsbereich dieser Norm im<br />
privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG dargestellt werden soll:<br />
<strong>Die</strong> Ausführungen in der Botschaft und in der Lehre lassen darauf schliessen, dass<br />
dieser Norm im Bereiche <strong>des</strong> Privatrechts bloss ein geringer oder kaum möglicher<br />
Anwendungsbereich zugedacht wurde. 760 <strong>Die</strong> (öffentlich-rechtlich dominierte) Lehre<br />
scheint implizit davon auszugehen, dass der Vorbehalt <strong>des</strong> formellen Gesetzes ein<br />
expliziter Vorbehalt zu sein braucht. <strong>Die</strong> Lehre verweist im Zusammenhang mit Art. 9<br />
Abs. 1 lit. a DSG auf explizite Ausnahmen zum Auskunftsanspruch: „Art. 13 VwOG:<br />
Ausschluss der Öffentlichkeit. <strong>Die</strong> Verhandlungen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>rates sind nicht<br />
öffentlich.“ [entspricht Art. 21 RVOG] oder Art. 14 <strong>des</strong> BG über kriminalpolizeiliche<br />
Zentralstellen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> vom 7. 10. 1994 und Art. 18 <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gesetzes über<br />
Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) vom 21. 3. 1997 (in Kraft<br />
seit 1.7.1998). 761 Demgegenüber werden keine Beispiele genannt, in welchen eine<br />
Auslegung einer Norm eines formellen Erlasses (im Sinne von Art. 3 lit. k Ziff. 1<br />
DSG) zum gleichen Verweigerungsrecht führt. In der Rechtsprechung finden sich<br />
diesbezüglich keine klärenden Urteile: So musste die Eidgenössische<br />
Datenschutzkommission in einem Entscheid vom 21.11.1997 zu Art. 19 Abs. 1 lit. a<br />
DSG die entsprechende Frage, ob eine Auslegung von Art. 328 ZGB eine hinreichende<br />
Grundlage bildet, nicht entscheiden, da die Einwilligung bereits im Sinne von Art. 19<br />
Abs. 1 lit. b DSG bejaht werden konnte. 762<br />
Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb eine solchermassen formelle Argumentation<br />
bezüglich <strong>des</strong> gesetzlichen Vorbehaltes anwendbar sein soll: Hinsichtlich der<br />
Entstehungsgeschichte <strong>des</strong> DSG ist gerade in diesem Punkt darauf hinzuweisen, dass<br />
in Art. 34 EDSG-83 noch eine ausdrückliche Ermächtigung auf Gesetzesstufe verlangt<br />
worden ist. Sowohl Art. 6 EDSG in der Botschaftsvorlage als auch Art. 9 DSG <strong>des</strong><br />
geltenden Rechts verwenden jedoch lediglich eine Formulierung, wonach ein<br />
formelles Gesetz eine solche Verweigerung vorsehen müsse. Damit wurde<br />
760<br />
BBl 1988 II 455; Peter, 222; Pedrazzini, options, 35; DSG-Dubach, Art. 9 N 11f. Noch<br />
restriktiver spricht Belser, Auskunft, 61f., davon, dass Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG im<br />
Privatrecht nicht von Bedeutung sei.<br />
761<br />
Baeriswyl, Entwicklungen 1997, 395.<br />
762<br />
VPB 62 Nr. 58, Sachverhaltsdarstellung C. und E. 3a): In casu ging es um eine Mutter, die<br />
gestützt auf das DSG Informationen aus den Nachforschungsakten <strong>des</strong> BAP bezüglich <strong>des</strong><br />
Verschwindens ihres Sohnes forderte. Demgegenüber ist die Rechtslage, welche in BGE<br />
128 I 63ff., E. 4.4 (Anspruch auf Kenntnis der Abstammung) zu beurteilen war, heute<br />
aufgrund <strong>des</strong> Wortlautes in Art. 268c ZGB klar, weshalb sich eine Auslegung erübrigt.
- 161 -<br />
insbesondere das Kriterium der „Ausdrücklichkeit“ im Rahmen <strong>des</strong><br />
Gesetzgebungsprozesses fallen gelassen, weshalb sich eine entsprechend enge<br />
Auslegung umso weniger rechtfertigt oder gar aufdrängt.<br />
<strong>Die</strong> Lehre scheint einer solchen „Verwässerung <strong>des</strong> Vorbehaltes“ im Zusammenhang<br />
mit Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG reserviert gegenüberzustehen. <strong>Die</strong> Zurückhaltung ist im<br />
öffentlich-rechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG auch berechtigt, da dort der<br />
allgemein gültige verwaltungsrechtliche Grundsatz der Gesetzmässigkeit zu beachten<br />
ist. Es handelt sich dabei jedoch um eine Einschränkung, welche nur im Bereich <strong>des</strong><br />
öffentlichen Rechts Geltung beansprucht, im Privatrecht aber keine Entsprechung<br />
findet. 763 <strong>Die</strong>ser Zusammenhang kommt auch in einer <strong>St</strong>ellungnahme <strong>des</strong><br />
Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten vom 21.11.1997 zum Ausdruck:<br />
„Insbesondere ist weder im UVG noch in einem anderen formellen Gesetz eine Norm<br />
enthalten, die das Auskunftsrecht nach DSG einschränkt (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a<br />
DSG). Würde man eine das Auskunftsrecht beschränkende gesetzliche Grundlage<br />
schaffen, müsste sie zudem für den jeweiligen Zweck tatsächlich geeignet und<br />
notwendig sein (Grundsatz der Verhältnismässigkeit).“ 764 Auch diese weiteren<br />
Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage sind Beleg dafür, dass die Diskussion<br />
um den Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG von der öffentlichrechtlichen<br />
Sichtweise geprägt ist, denn auch diese Anforderungen finden im<br />
Privatrecht so keine direkte Entsprechung.<br />
<strong>Die</strong> Ausführungen zeigen, dass sich eine allgemeine Einschränkung im Sinne eines<br />
expliziten Vorbehalts im privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG weder mit<br />
dem Wortlaut noch mit der Entstehungsgeschichte der Norm begründen lässt. Es ist<br />
nicht nachvollziehbar, weshalb im privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG, in<br />
welchem sich die Interessenabwägung als die Methode der Problemlösung präsentiert,<br />
eine enge Auslegung von Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG erfolgen soll. Entsprechend ist die<br />
Norm in der Weise zu lesen, dass im hier interessierenden Bereich auch die Auslegung<br />
einer privatrechtlichen Norm (wie bspw. Art. 400 Abs. 1 OR) zu beachten ist. <strong>Die</strong>s<br />
führt zum Resultat, dass die Auslegung schuldrechtlicher Pflichten<br />
(<strong>Rechenschaftspflicht</strong>, Ablieferungspflicht, Vorlegungspflicht, Dokumentationspflicht<br />
etc.) bei der Anwendung <strong>des</strong> Vorbehalts im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG zum<br />
allgemeinen Auskunftsanspruch gemäss Art. 8 DSG zu beachten sind: <strong>Die</strong><br />
763 Das vergleichbare Instrument im Privatrecht ist die Interessenabwägung: Peter, 132 und<br />
134.<br />
764 VPB 62 Nr. 59 E. 3.3.
- 162 -<br />
„Informationsordnungen“, welche die Auslegung der <strong>Rechenschaftspflicht</strong>, 765 der<br />
Ablieferungspflicht 766 , der Vorlegungspflicht 767 , der Dokumentationspflicht 768 etc.<br />
ergeben haben, behalten ihre Gültigkeit auch im Rahmen <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen<br />
Auskunftsrechts. Damit wird die Informationsordnung, wie sie im Rahmen <strong>des</strong><br />
Schuldrechts erarbeitet wurde, im Datenschutzrecht übernommen. Demgegenüber ist<br />
unbestritten, dass Berufsgeheimnisse als solche nicht gegenüber dem Mandanten<br />
angeführt werden können (bezüglich der sie betreffenden Informationen), weshalb<br />
diese datenschutzrechtlich keinen Vorbehalt im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG<br />
sind. 769<br />
Damit wird in Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG eine Regelungskonzeption aufgenommen, die<br />
bereits in Art. 2 Abs. 2 lit. c DSG dargestellt werden konnte: 770 So wie das<br />
Datenschutzrecht den spezifischeren Informationsordnungen <strong>des</strong> Prozessrechtes den<br />
Vorrang lässt, so soll auch der allgemeine datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch<br />
den spezifischeren Regelungen der Informationsordnungen <strong>des</strong> materiellen Rechts den<br />
Vorrang lassen und die entsprechenden Vorentscheide übernehmen können.<br />
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im Umfang, wie schuldrechtliche Normen<br />
eine spezifische Informationsordnung festlegen, ein entsprechender gesetzlicher<br />
Vorbehalt im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG anzuerkennen ist. Damit kann ein<br />
Beauftragter auch im datenschutzrechtlichen Auskunftsverfahren jene Information<br />
verweigern, die er auch nach einer Auslegung der schuldrechtlichen Pflichten<br />
zurückhalten kann.<br />
3.4.4.2.2.2 Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG: Überwiegen<strong>des</strong> Drittinteresse<br />
Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG sieht vor, dass der Inhaber der Datensammlung die Auskunft<br />
verweigern, einschränken oder aufschieben kann, soweit es wegen überwiegender<br />
Interessen eines Dritten erforderlich ist. Für diesen Fall ist der Lehre zuzustimmen, die<br />
den Ingress nicht als eine Kann-Vorschrift versteht: Wenn diese Interessen<br />
überwiegen, so hat der Inhaber der Datensammlung seine Auskunftsantwort<br />
765 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.<br />
766 Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.<br />
767 Siehe dazu Kapitel 3.3.4.<br />
768 Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
769 Belser, Auskunft, 61f. Für das Beispiel <strong>des</strong> Bankgeheimnisses: BGE 93 III 4ff., E. 2c.<br />
770 Siehe dazu Kapitel 3.4.3.4.
- 163 -<br />
entsprechend anzupassen. 771 Allerdings wird gefordert, dass es sich nicht um<br />
irgendein, sondern um ein überwiegen<strong>des</strong> Interesse <strong>des</strong> Dritten handelt, welches<br />
gerade im Zeitpunkt <strong>des</strong> Auskunftsgesuches konkret überwiegen muss. 772<br />
In einem Entscheid der Eidgenössischen Datenschutzkommission vom 28.2.1997 773<br />
wird zur Frage <strong>St</strong>ellung genommen, wie das Einsichtsrecht zu gewähren ist, wenn eine<br />
Datensammlung Informationen verschiedener Personen enthält: „<strong>Die</strong>ser Umstand<br />
bildet in<strong>des</strong>sen für sich allein keinen genügenden Grund, um den Beschwerdeführern<br />
das ihnen grundsätzlich zustehende Auskunftsrecht generell zu verweigern; wäre dem<br />
so, würde es genügen, dass ein Aktendossier (Datenträger) Daten verschiedener<br />
Personen enthält, um all diesen Personen den vom Gesetzgeber mit der Schaffung <strong>des</strong><br />
Auskunftsrechtes gewollten Rechtsschutz zu versagen. In solchen Fällen ist es<br />
vielmehr Sache <strong>des</strong> Inhabers der Datensammlung, die Datenträger in geeigneter Weise<br />
so zu bearbeiten, dass Daten bezüglich Dritter, die einer Auskunft verlangenden Partei<br />
nicht bekannt gegeben werden dürfen, verdeckt bleiben. (...) Jedenfalls aber vermag<br />
dieser Umstand allein, wie dargelegt, nicht zu einem Ausschluss <strong>des</strong> Auskunftsrechtes,<br />
gestützt auf Art. 9 Abs. 1 lit. b oder Art. 9 Abs. 2 lit. b DSG, zu führen. Vielmehr muss<br />
diesfalls eben dafür gesorgt werden, dass diejenigen Daten, die der Einsicht entzogen<br />
bleiben müssen, bei der Auskunftserteilung in geeigneter Weise abgedeckt werden.“<br />
Es kann diesbezüglich auch auf die Ausführungen im Zusammenhang mit dem<br />
Dokumentenbegriff resp. dem Konzept der abschichtbaren Information verwiesen<br />
werden. 774<br />
Ein gutes Beispiel, wie ein Datenschutzgesetz (resp. in diesem Fall die allgemeinen<br />
datenschutzrechtlichen Grundsätze) die Rechtslage beeinflussen kann, findet sich im<br />
Bereich <strong>des</strong> öffentlichen Rechtes: „<strong>Die</strong> Vorschrift [§ 14 Abs. 2 lit. a<br />
Patientenrechtverordnung <strong>des</strong> Kantons Zürich] schliesst die Einsicht in Angaben von<br />
nicht zum Krankenhaus gehörenden Personen ohne Vorbehalt und – anders als die<br />
771<br />
In der Lehre wird in diesem Zusammenhang v.a. die Frage der Bekanntgabe von<br />
Informanten diskutiert: vgl. DSG-Dubach, Art. 9 N 15ff. (mit Hinweis auf den<br />
grundlegenden Entscheid <strong>des</strong> BGer [publiziert in ZBl 1992 362ff.] für die Bekanntgabe<br />
der Namen von Informanten.<br />
772<br />
Zu den Einzelheiten: Page, 133f. Für jeden einzelnen Datenträger ist zu prüfen, welches<br />
Interesse überwiegt: VPB 62 Nr. 55 E. 4b.<br />
773<br />
VPB 62 Nr. 55 E. 2 (zu Art. 9 Abs. 1 lit. b und 9 Abs. 2 lit. b DSG).<br />
774<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.2.2. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang aber auf BGE 129<br />
I 249ff., in welchem das BGer einen Auskunftsanspruch grundsätzlich ablehnte, weil die<br />
fragliche Dokumentation nicht nach Personen erschlossen war. Aufgrund der<br />
Besonderheiten <strong>des</strong> Falles ist dieser Entscheid m.E. nicht verallgemeinerungsfähig. Eine<br />
ausführliche Besprechung <strong>des</strong> Entschei<strong>des</strong> ist erfolgt in: Sutter, 34.
- 164 -<br />
Rechtsprechung zu Art. 4 BV und Art. 9 DSG – ohne Interessenabwägung im<br />
Einzelfall aus.“ 775 <strong>Die</strong> verlangte Einsicht (betreffend Informationen von Informanten)<br />
konnte so von vornherein, gestützt auf diese Bestimmung, ausgeschlossen werden, was<br />
vom Bun<strong>des</strong>gericht geschützt wurde. <strong>Die</strong> Einschränkungsmöglichkeiten <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong>, je nachdem, ob er mit datenschutzrechtlichen oder mandatsrechtlichen<br />
Informationsansprüchen konfrontiert wird, sind verschieden: „<strong>Die</strong><br />
datenschutzrechtliche Auskunftspflicht kann gegenüber der Klientin oder dem<br />
Klienten gestützt auf entgegenstehende überwiegende Interessen von Dritten (z. B.<br />
eines Informanten) eingeschränkt oder verweigert werden (...), nicht aber wenn die<br />
Anwältin oder der Anwalt eine Beschränkung im Interesse der Klientschaft als<br />
geboten ansieht, wie dies bei der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> der Fall sein kann.“ 776 Im<br />
Rahmen von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG sind eben einzig die Interessen <strong>des</strong> Dritten<br />
geschützt.<br />
3.4.4.2.3 Art. 9 Abs. 3 DSG: Vorbehalt <strong>des</strong> überwiegenden eigenen Interesses<br />
Private als Inhaber einer Datensammlung können zudem die Auskunft verweigern,<br />
einschränken oder aufschieben, soweit eigene überwiegende Interessen es erfordern<br />
und sie die Personendaten nicht an Dritte bekannt geben (Art. 9 Abs. 3 DSG). Wie der<br />
Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 DSG zeigt („zudem“), handelt es sich bei diesem<br />
Einschränkungsgrund um eine zusätzliche Möglichkeit der Informationsverweigerung.<br />
Mit dem Erfordernis der Nichtweitergabe ist eine Auskunftsverweigerung nur unter<br />
der Voraussetzung möglich, „dass die Daten zum ausschliesslichen Eigengebrauch<br />
bestimmt sind.“ 777 In der Lehre wird der Inhaber der Datensammlung funktional<br />
umschrieben, was zu einer grosszügigen Interpretation führt: 778 So wird etwa<br />
ausgeführt, dass die Bekanntgabe im Konzern noch nicht als Weitergabe qualifiziert.<br />
779 Als Begründung für diese weite Auslegung wird einzig angeführt, dass eine<br />
Einschränkung <strong>des</strong> Auskunftsrechts erst möglich sei, wenn auch überwiegende<br />
Geheimhaltungsinteressen <strong>des</strong> Inhabers der Datensammlung bestehen. 780 Aus der<br />
775<br />
BGE 122 I 153ff., E. 5d. Im Entscheid wurde ebenfalls, gestützt auf datenschutzrechtliche<br />
Grundüberlegungen, eine eigentliche Prozedur der Interessenabwägung begründet, die<br />
vergleichbar der Rechtslage in Art. 9 DSG ist.<br />
776<br />
Schweizer, 71. Zu denken wäre etwa an das sog. therapeutische Privileg.<br />
777 Belser, Auskunft, 62.<br />
778 Peter, 223; DSG-Dubach, Art. 9 N 31.<br />
779 DSG-Dubach, Art. 9 N 31. Dabei werden alle Gesellschaften zu einem Konzern gezählt,<br />
welche unter der gleichen Oberleitung stehen.<br />
780 DSG-Dubach, Art. 9 N 31.
- 165 -<br />
Lehre geht jedoch hervor, dass dieses überwiegende Interesse <strong>des</strong> Dateninhabers 781<br />
grundsätzlich angerufen werden kann, obgleich ein solches überwiegen<strong>des</strong> Interesse<br />
782 nicht vorschnell angenommen werden soll. <strong>Die</strong> Frage ist, ob die<br />
Informationsweitergabe, gestützt auf das schuldrechtlich abgestützte Konzept der<br />
adressatenspezifischen Informationszuteilung, die Grenzen dieser<br />
Ausnahmebestimmung sprengt.<br />
Es ist darauf hinzuweisen, dass gegenüber dem Auftraggeber überwiegende Interessen<br />
auf Geheimhaltung angeführt werden können. <strong>Die</strong>s ergibt sich insbesondere daraus,<br />
dass die Ergebnisse aus der Auslegung von Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG und Art. 9 Abs. 1<br />
lit. a DSG systematisch auch hier zu berücksichtigen sind. 783 Von entscheidendem<br />
Einfluss ist aber die Tatsache, dass die Weitergabe von Informationen, gestützt auf das<br />
Konzept der adressatenspezifischen Informationspflicht, nicht durch den freien Willen<br />
<strong>des</strong> Dateninhabers (= Auftragnehmers) vorgenommen wird. Es ist die mit der<br />
Auftragsannahme und Auftragsausführung vom <strong>Beauftragten</strong> übernommene Pflicht,<br />
das abstrakte Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers und damit die Interessenwahrungspflicht zu<br />
erfüllen. Es ist die Interessenwahrungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, welche der<br />
Informationsverweigerung Grenzen setzt. 784 Deshalb verletzt nach der hier vertretenen<br />
Auffassung die Weitergabe der notwendigen Informationen an den nachfolgenden<br />
<strong>Beauftragten</strong> das Erfordernis der Nichtweitergabe nicht. Folglich ist auch Art. 9 Abs. 3<br />
DSG als eine Grundlage für die Einschränkung resp. den Ausschluss <strong>des</strong><br />
Informationsanspruchs nach Art. 8 DSG zu betrachten.<br />
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, gestützt auf die datenschutzrechtlichen<br />
Bestimmungen, dem <strong>Beauftragten</strong> das Recht zusteht, seine Geschäftsgeheimnisse<br />
zurückzubehalten. Damit besteht die latente Gefahr der Unterminierung <strong>des</strong><br />
entsprechenden Auskunftsrechts. 785 Vorliegend ist jedoch in diesem Zusammenhang<br />
781<br />
<strong>Die</strong> Botschaft und Lehre nennen hier v.a. die Problematik um befürchtete<br />
Wirtschaftsspionage (BBl 1988 II 456; DSG-Dubach, Art. 9 N 33) oder Fälle aus dem<br />
Bereich <strong>des</strong> Rechtsmissbrauches (Page, 136: Bei wiederholten oder schikanösen<br />
Gesuchen). Gerade die letzten Fälle sind aber zu eng umrissen, kann doch ein<br />
überwiegen<strong>des</strong> Interesse eines privaten Inhabers einer Datensammlung nicht erst dort<br />
beginnen, wo er bereits den Schutz vor Rechtsmissbrauch nach Art. 2 ZGB geltend<br />
machen könnte. Damit hätte diese spezielle datenschutzrechtliche Normierung keinen<br />
(eigenen) Anwendungsbereich.<br />
782<br />
DSG-Dubach, Art. 9 N 34.<br />
783<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.3 und 3.4.4.2.2.1.<br />
784<br />
Dazu ausführlich Kapitel 3.3.4.<br />
785<br />
In diesem Sinne ist wohl auch die Kritik zu verstehen, die in dieser Norm eine echte<br />
Abschwächung <strong>des</strong> Auskunftsrechtes sieht. Pedrazzini, options, 35, spricht in diesem<br />
Zusammenhang von einem „solide verrou, capable d’empêcher l’accès dans bien les cas.“
- 166 -<br />
darauf hinzuweisen, dass der Informationsfluss zwischen dem vormaligen und dem<br />
heutigen Auftragnehmer durch den Grundsatz der Interessenwahrung bestimmt wird.<br />
Gerade diesbezüglich hat die Rechtsprechung festgehalten, dass ein weit gehen<strong>des</strong><br />
Informationsrecht besteht, das auch insbesondere Informationen aus dem Bereich der<br />
sog. Handakten erfasst. <strong>Die</strong>se Rechtslage wird durch datenschutzrechtliche<br />
Bestimmungen nicht beeinflusst, weshalb die „volle Informationspflicht“ besteht,<br />
allerdings nur soweit, als es der Interessenwahrungsgrundsatz erfordert, was nur im<br />
Einzelfall bestimmt werden kann.<br />
3.4.5 Fazit<br />
<strong>Die</strong> Erläuterungen im Zusammenhang mit den datenschutzrechtlichen Grundlagen<br />
haben gezeigt, dass das Datenschutzrecht eine wichtige Orientierungshilfe bei der<br />
Bestimmung der Informationsrechtsordnung im Auftragsrecht ist. <strong>Die</strong><br />
Orientierungsfunktion ergibt sich auch insbesondere dadurch, dass im<br />
Datenschutzrecht eine grundsätzliche Interessenabwägung zwischen den Parteien<br />
vorgenommen wird. <strong>Die</strong> entsprechende Informationsordnung basiert entsprechend auf<br />
einer ganz grundlegenden Auseinandersetzung der sich gegenüberstehenden<br />
Interessenlagen, die in einem Auftragsvertrag bestehen. In dieser grundlegenden<br />
Auseinandersetzung macht das Datenschutzrecht auch deutlich, dass jeweils zwischen<br />
einer materiellrechtlichen und einer prozessualen Situation zu unterscheiden ist.<br />
Weiter macht die Auseinandersetzung mit der datenschutzrechtlichen Rechtslage<br />
deutlich, dass grundlegende Unterschiede zwischen dem öffentlichrechtlichen und dem<br />
privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG bestehen, die zu beachten und von<br />
entscheidender Bedeutung sind.<br />
Betreffend die in der vorliegenden Arbeit interessierenden materiellrechtlichen<br />
Informationsansprüche <strong>des</strong> Auftraggebers können aus datenschutzrechtlicher Sicht die<br />
nachfolgenden Schlussfolgerungen festgehalten werden:<br />
In einem ersten Schwerpunkt der Untersuchung wurde der Begriff der internen Akten<br />
auf ihre Bedeutung im privatrechtlichen Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG ausführlich<br />
untersucht. Es konnte dabei herausgearbeitet werden, dass im privatrechtlichen<br />
Anwendungsbereich aus den datenschutzrechtlichen Grundlagen keine<br />
Page, 135, verweist an dieser <strong>St</strong>elle auf die Bedeutung der richterlichen Entscheidung, da<br />
hier nur im Einzelfall eine Lösung formuliert werden kann.
- 167 -<br />
Dokumentationspflicht hergeleitet werden kann, weshalb diesbezüglich auf die<br />
schuldrechtliche Dokumentationspflicht (siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.2)<br />
verwiesen werden muss. Damit beginnen die Einwirkungen <strong>des</strong> Datenschutzrechts erst<br />
dort, wo Informationen vorhanden sind, die aufgrund der Dokumentationspflicht<br />
aufgezeichnet wurden (siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.2).<br />
Der eigentlich zentrale Begriff im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich <strong>des</strong><br />
DSG ist derjenige der Arbeitshilfe oder Gedankenstütze. <strong>Die</strong> Auslegung dieser<br />
Begriffe entscheidet über die Anwendbarkeit <strong>des</strong> DSG. Alles was gegenständlich<br />
darunter subsummiert werden kann, wird dem Anwendungsbereich <strong>des</strong><br />
Datenschutzrechtes gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. a DSG entzogen und ist damit weiter für<br />
das Auskunftsrecht nach Art. 8 – 10 DSG irrelevant. Als Ergebnis der Analyse konnte<br />
festgehalten werden, dass die Dokumentation (welche, auf die Dokumentationspflicht<br />
gestützt, erstellt worden ist) als die zentrale Aufzeichnungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
nicht vom Datenschutzrecht erfasst ist, weil sie zu diesem Eigenbereich <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> zu zählen ist. Damit konnte eine inhaltliche Übereinstimmung zwischen<br />
dem Konzept der sog. Handakten im Bereich der Ablieferungsobligation, dem<br />
Konzept der adressatenspezifischen Informationszuteilung im Bereich der<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ und dem Frei- oder Eigenbereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
im Anwendungsbereich <strong>des</strong> Datenschutzrechtes festgestellt werden.<br />
Eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen<br />
Auskunftsanspruches hat aufgezeigt, dass der allgemeine und grundsätzlich weit<br />
formulierte datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch (nach Art. 8 DSG) im<br />
privatrechtlichen Anwendungsbereich eigentliche inhärente Grenzen kennt, die in<br />
seiner eigenen Begründung liegen. Im Bereich <strong>des</strong> privatrechtlichen<br />
Anwendungsbereichs und besonders im hier untersuchten Bereich <strong>des</strong> Auftragsrechtes<br />
steht der Auskunftsanspruch auf unsicheren Grundlagen, da sowohl das Recht auf<br />
informationelle Selbstbestimmung als auch das Recht auf „richtige Daten“ in den hier<br />
untersuchten Konstellationen in aller Regel nicht eine echte Risikolage darstellen.<br />
Entsprechend lässt sich, gestützt auf diese Argumente, auch kein umfassen<strong>des</strong><br />
Informationsrecht begründen.<br />
Nach der hier vertretenen Ansicht sind auch die ausdrücklichen Einschränkungen <strong>des</strong><br />
Auskunftsanspruches im Datenschutzrecht (Art. 9 f. DSG) auch im privatrechtlichen<br />
Anwendungsbereich von grundsätzlicher Bedeutung: <strong>Die</strong> entsprechende<br />
Auseinandersetzung hat ergeben, dass gerade der Einschränkungsgrund von Art. 9<br />
Abs. 1 lit. a DSG eine eigentliche Koordinationsfunktion zwischen verschiedenen
- 168 -<br />
Rechtsgebieten übernimmt (hier also zwischen Schuldrecht und Datenschutzrecht).<br />
Aufgrund der vorgenommenen Auslegung der entsprechenden Bestimmung ist der<br />
Entscheid über die Informationszuordnung bereits abschliessend und im Voraus im<br />
Auftragsrecht vorgenommen worden. Aus diesem Grund gewährt das<br />
Datenschutzrecht dem Dateninhaber die nämlichen Verweigerungsrechte, die das<br />
materielle Schuldrecht dem Auftraggeber gewährt. Es kann entsprechend auf die<br />
Rechtslage hingewiesen werden, wie sie in den Kapiteln 3.3, 3.5, 3.6 und 3.7 erarbeitet<br />
wurde. Im Ergebnis gewährt das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht <strong>des</strong>halb dem<br />
Auftraggeber keine weitere Information.<br />
Demgegenüber ermöglichen die weiteren ausdrücklichen Gründe für eine<br />
Informationsverweigerung gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG und Art. 9 Abs. 3 DSG<br />
dem Dateninhaber resp. dem <strong>Beauftragten</strong> nur bedingt weitere<br />
Zurückbehaltungsrechte: Im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG ist darauf<br />
hinzuweisen, dass der Beauftragte grundsätzlich rechtlich verpflichtet ist, seine<br />
Dokumentation so zu führen resp. so zu präsentieren, dass den gerechtfertigten<br />
Bedenken von überwiegenden Interessen eines Dritten entsprochen wird. <strong>Die</strong><br />
diesbezügliche rechtliche Verpflichtung ergibt sich aus den Anforderungen <strong>des</strong><br />
Datenschutzrechts, ein entsprechen<strong>des</strong> Dokument zu produzieren und weiter aus den<br />
allgemeinen Anforderungen der Geheimhaltungspflichten, die er, gestützt auf<br />
privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Normen, zu beachten hat. Dem<br />
Verweigerungsrecht gemäss Art. 9 Abs. 3 DSG kommt demgegenüber im Bereich der<br />
adressatenspezifischen Informationsweitergabe Bedeutung zu, wobei aufgrund der zu<br />
erfüllenden Interessenwahrungspflicht grundsätzlich Zurückhaltung bei der Anrufung<br />
<strong>des</strong> entsprechenden Rechts geübt werden sollte, da die Informationsordnung vom<br />
Schuldrecht vorgegeben ist (siehe dazu insbesondere die Ausführungen in Kapitel<br />
3.3.4).<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Ausführungen zum Datenschutzrecht legen eine vielfältige<br />
Verflechtung zwischen den Anforderungen aus dem Schuldrecht und dem<br />
Datenschutzrecht offen. Dabei werden zentrale Aussagen aus der Analyse von<br />
schuldrechtlichen Rechtsinstituten durch die Ausführungen und die Rechtslage im<br />
Datenschutzrecht bestätigt. Entscheidend ist, dass gewisse Einzelfragen vorab durch<br />
das Schuldrecht abschliessend entschieden sind, die in der Informationsordnung <strong>des</strong><br />
DSG zu beachten sind.
- 169 -<br />
3.5 Weisungsrecht und Informationsrecht gemäss<br />
Art. 400 OR<br />
3.5.1 Vorbemerkungen<br />
<strong>Die</strong> rechtshistorische Darstellung in Kapitel 2 belegt, dass das mandatsrechtliche<br />
Weisungsrecht grundsätzlich nicht mit einer Informationspflicht „Rechenschaft“ in<br />
Verbindung gebracht worden ist. <strong>Die</strong>s gilt auch für die schweizerische<br />
Gesetzgebungsgeschichte, wie sie im Rahmen dieser Arbeit dargestellt worden ist. 786<br />
Historisch wurden gerade andere Informationspflichten im Zusammenhang mit dem<br />
Weisungsrecht genannt, welche begrifflich als „Auskunftspflicht“ oder<br />
„Benachrichtigungspflicht“ bezeichnet wurden. 787 Für die schweizerische Lehre gilt,<br />
dass der deutliche Zusammenhang zwischen einer <strong>Rechenschaftspflicht</strong> und einem<br />
Weisungsrecht erst seit den 1930er-Jahren festgestellt werden kann. 788<br />
Nachdem in den Kapiteln 3.2 bis 3.4 die Informationsrechtslage insbesondere<br />
bezüglich der schriftlich fixierten Information (Dokumentation) dargestellt worden ist,<br />
sollen in den nachfolgenden Kapiteln (so auch in Kapitel 3.5) die weiteren Argumente<br />
für eine Informationspflicht „Rechenschaft“ untersucht werden. Obwohl in der Lehre<br />
gemeinhin der Zusammenhang mit der Dokumentationspflicht resp. die Notwendigkeit<br />
der Dokumentation betont werden (siehe dazu Kapitel 3.2.), handelt es sich nach der<br />
Argumentation in der Lehre bei diesen behaupteten Anspruchsgrundlagen<br />
offensichtlich um einen Anspruch auf Information als solchen, ungeachtet, in welcher<br />
Form diese beim Auftragnehmer vorhanden ist. <strong>Die</strong>se Auffassung in der Lehre wird<br />
insbesondere in der Auseinandersetzung mit der sog. Vorlegungspflicht deutlich<br />
(Kapitel 3.3.4).<br />
786<br />
Siehe dazu Kapitel 2.8.<br />
787<br />
Deutlich bspw. die Debatten der Zweiten Kommission zum deutschen BGB: Siehe dazu<br />
Kapitel 2.6.2.3.<br />
788<br />
<strong>Die</strong> besagte Verbindung wird erstmals von BK-Becker, Art. 400 N 1 hervorgehoben. Ein<br />
Vergleich zwischen den Kommentaren ZK-Oser/Schönenberger (1936) und der<br />
Vorauflage ZK-Oser (ZK-Oser/Schönenberger, Art. 400 N 2; ZK-Oser, Art. 400 N 2)<br />
zeigt, dass der Zusammenhang zwischen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> und dem<br />
Weisungsrecht eine Erscheinung der Lehre der 1930er-Jahre ist. Während in der<br />
Monografie von Gautschi, Geschäftsführung und Auftrag, 193 aus dem Jahre 1953 noch<br />
eine gewisse Zurückhaltung zu erkennen ist, so wird in seinem Kommentar zum<br />
Auftragsrecht aus dem Jahre 1967 der Zusammenhang zwischen einem Informationsrecht<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ und dem Weisungsrecht nun deutlich und prominent<br />
hervorgehoben: BK-Gautschi, Art. 400 N 23c und Art. 397 N 19. In der neueren Lehre<br />
wird die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als eigentliches Informationsbeschaffungsvehikel<br />
dargestellt, welches jene Informationen liefert, die für die Ausübung <strong>des</strong> Weisungsrechts<br />
notwendig sind: So BK-Fellmann, Art. 400 N 14. Andere Lehrmeinungen stellen den<br />
Zusammenhang in der Weise dar, dass mit der Informationspflicht „Rechenschaft“ die<br />
Überprüfung der Befolgungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> ermöglicht werden soll (Kontrolle<br />
der Auftragsausführung): Derendinger, N 127; BasK-Weber, Art. 400 N 3.
- 170 -<br />
<strong>Die</strong>ser Anspruch auf Information, gestützt auf Art. 400 OR, wird insbesondere im<br />
Zusammenhang mit dem Weisungsrecht formuliert. In diesem Kapitel 3.5 werden die<br />
Grundlagen <strong>des</strong> Weisungsrechts im Auftrags- und im Einzelarbeitsvertrag erarbeitet<br />
(Kapitel 3.5.2) und die spezifische Informationsrechtslage im Einzelarbeitsvertrag<br />
dargestellt, soweit dies für die vorliegende Untersuchung von Relevanz ist (Kapitel<br />
3.5.3). Aus diesen Ergebnissen wird die unterschiedliche Qualität in der<br />
Auftragsvertragsbeziehung einerseits und der Einzelarbeitsvertragsbeziehung<br />
anderseits abgeleitet (Kapitel 3.5.4) und die entsprechenden Konsequenzen für eine<br />
Informationsordnung im Auftragsrecht aufgezeigt (Kapitel 3.5.5). Abschliessend wird<br />
in diesem Zusammenhang zum einen der Auftragsvertrag als Organisation mit den<br />
entsprechenden Schlussfolgerungen für eine Informationsordnung untersucht (Kapitel<br />
3.5.5.2) und zum anderen die im Zusammenhang mit einem Weisungsrecht <strong>des</strong><br />
Auftraggebers notwendige Kommunikationsordnung dargestellt (Kapitel 3.5.5.3).<br />
3.5.2 Grundlagen und Ausgestaltung der Weisungsrechte<br />
3.5.2.1 Gesetzliche Grundlagen<br />
Im geltenden Recht ist das Weisungsrecht sowohl im Arbeitsvertragsrecht als auch im<br />
Auftragsvertrag kodifiziert: Art. 321d OR und Art. 397 OR. Während im<br />
Auftragsrecht in Art. 397 OR die einzige Grundlage für ein Weisungsrecht gesehen<br />
wird, 789 werden in der arbeitsrechtlichen Literatur eine Vielzahl von möglichen<br />
Rechtsgrundlagen aufgezählt 790 : Art. 319 OR (im Sinne <strong>des</strong> Begriffs „Arbeitsvertrag“)<br />
Art. 321d OR 791 , Art. 321a OR 792 , Art. 324 OR 793 , Art. 328 OR, Art. 641 ZGB 794 und<br />
das Gewohnheitsrecht. Ungeachtet der Tatsache, dass diverse Rechtsgrundlagen<br />
angeführt werden und dass insbesondere in der Kommentarliteratur die Ausführungen<br />
zum Weisungsrecht bei Art. 321d OR erfolgen, wird die Rechtfertigung <strong>des</strong><br />
Weisungsrechts allgemein in der persönlichen, betrieblichen und wirtschaftlichen<br />
Abhängigkeit und Unterordnung <strong>des</strong> Arbeitnehmers erblickt. 795 Es ist „in erster Linie<br />
eine persönliche Abhängigkeit und Unterordnung <strong>des</strong> Arbeitnehmers“, welche ihn<br />
789 Siehe dazu etwa die Übersicht bei BasK-Weber, Art. 397 N 4ff. (mit weiteren Hinweisen).<br />
790 Für eine entsprechende Übersicht und Nachweise: <strong>St</strong>amm, 12ff.<br />
791 Hüber, 100 (mit weiteren Hinweisen).<br />
792 Allgemeine Sorgfalts- und Treuepflicht <strong>des</strong> Arbeitnehmers.<br />
793<br />
Namentlich gestützt auf den Gedanken der Betriebsrisikotragung. So wohl auch Vischer,<br />
2005, 140 (bezüglich sog. Zielanweisungen).<br />
794<br />
<strong>St</strong>amm (9 inkl. FN 48) räumt ein, dass die Eigentümerstellung bloss eine faktische<br />
Grundlage für das Weisungsrecht sein kann, die aber rechtlich anzuerkennen ist.<br />
795 ZK-Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 319 N 27.
- 171 -<br />
„den Anordnungen, Weisungen und der der Aufsicht <strong>des</strong> Arbeitgebers unterstellt und<br />
ihn damit rechtlich unterordnet.“ 796 <strong>Die</strong>se Unterordnung als entscheiden<strong>des</strong> Merkmal<br />
<strong>des</strong> Arbeitsvertrages entsteht mit dem <strong>St</strong>ellenantritts, „d.h. durch Eingliederung <strong>des</strong><br />
Arbeitnehmers in eine ihm fremde Arbeitsorganisation.“ 797 Damit wird das<br />
Weisungsrecht als in der <strong>St</strong>ruktur <strong>des</strong> Arbeitsvertrages, und damit losgelöst von einer<br />
einzelnen gesetzlichen Grundlage begründet gesehen. 798<br />
3.5.2.2 Erscheinungsformen der Weisungsrechte im Arbeits- und<br />
Auftragsvertrag<br />
Im Folgenden wird das Weisungsrecht 799 in seinen einzelnen Erscheinungsformen<br />
dargestellt: Verhaltensanweisungen, Zielanweisungen und Fachanweisungen. Dabei<br />
wird der Rechtsstellung <strong>des</strong> sog. fachlich freien Arbeitnehmers besondere Beachtung<br />
geschenkt, da seine faktische Position innerhalb <strong>des</strong> Arbeitsrechts Gemeinsamkeiten<br />
mit der <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> aufweist.<br />
3.5.2.2.1 Verhaltensanweisungen<br />
Im Arbeitsvertragsrecht wird generell das Bestehen eines<br />
Verhaltensanweisungsrechtes bejaht. 800 Solche Weisungen regeln „allgemein das<br />
Verhalten während seiner Arbeitstätigkeit.“ 801 Das entsprechende Weisungsrecht wird<br />
weit ausgelegt und ist rechtlich bindend, solange die Regelungen die allgemeinen<br />
Rechtsgrundsätze (Verhältnismässigkeit, Gleichbehandlung etc.) respektieren. 802 <strong>Die</strong><br />
eigentliche Grundlage dieses Weisungsrechtes wird in der organisatorischen<br />
Eingliederung <strong>des</strong> Arbeitnehmers in einen Betrieb gesehen. 803 Deshalb gelten diese<br />
Weisungen für alle Arbeitnehmer, insbesondere ungeachtet <strong>des</strong> Umstan<strong>des</strong>, ob es sich<br />
um qualifizierte Arbeitnehmer handelt oder nicht (also auch für die sog. fachlich<br />
796<br />
ZK- Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 319 N 28.<br />
797<br />
BK-Rehbinder, Art. 319 N 6.<br />
798<br />
Siehe dazu die nachfolgenden Unterkapitel zu den verschiedenen Aspekten <strong>des</strong><br />
Weisungsrechts.<br />
799<br />
Zum Verhältnis Weisungsrecht – Vertrag: Bereiche, die vertraglich bestimmt werden oder<br />
(nach einer Vertragsabrede) vertraglich zu bestimmen sind (bspw. Arbeitsbeginn an den<br />
Arbeitstagen), sind weisungsfreie Bereiche. <strong>Die</strong>s gilt sowohl für Einzelheiten der<br />
Arbeitsleistungen als auch für das Verhalten <strong>des</strong> Arbeitnehmers: Gewerbe<br />
Schiedsgerichtes BS in JAR 1990 131f. So ist auch insbesondere der Arbeitsort<br />
grundsätzlich nicht durch das Weisungsrecht zu bestimmen, wobei die Treuepflicht <strong>des</strong><br />
Arbeitnehmers bei Dringlichkeit und Zumutbarkeit gewisse Zugeständnisse fordert: ZR<br />
100 Nr. 87 [S. 246].<br />
800 BK-Rehbinder, Art. 321d N 20; ZK- Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321d N 10f.<br />
801 ZK- Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321d N 10.<br />
802 AppGer TI in JAR 2004 551ff.<br />
803 Deutlich Vischer, 2005, 141.
- 172 -<br />
weisungsfreien Arbeitnehmer). 804 Ohne eine entsprechende Eingliederung in einen<br />
Betrieb besteht aber auch im Arbeitsvertrag kein Verhaltensanweisungsrecht, soweit<br />
der Arbeitgeber kein Interesse an einer konkreten Anweisung geltend machen kann.<br />
<strong>Die</strong>ser Umstand kommt etwa beim Heimarbeitnehmervertrag zum Ausdruck. 805<br />
Demgegenüber vertragen sich Verhaltensanweisungen i.d.R. nicht mit der <strong>St</strong>ruktur <strong>des</strong><br />
typischen Mandatsverhältnisses. 806 <strong>Die</strong>ser Bereich ist <strong>des</strong>halb grundsätzlich als ein<br />
weisungsfreier Bereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> zu bezeichnen. 807 Findet aber die<br />
Arbeitsleistung dauernd oder vorübergehend in den Räumlichkeiten etc. <strong>des</strong><br />
Auftraggebers statt, so sind die entsprechenden Verhaltensanweisungsvorschriften<br />
ebenfalls auf den <strong>Beauftragten</strong> anwendbar. Nach der hier vertretenen Auffassung ist<br />
die Grundlage der Verhaltensanweisung die Tatsache, dass eine entsprechende<br />
Einordnung in eine effektive und bestehende Organisation erfolgt und nicht etwa der<br />
Umstand, dass ein Subordinationsverhältnis besteht. 808 Punktuell, d.h. soweit eine<br />
entsprechende Einordnung faktisch erfolgt, sind somit Verhaltensanweisungen auch<br />
im Auftragsrecht anwendbar. <strong>Die</strong> Aussage, dass Verhaltensanweisungen im<br />
Auftragsrecht ausgeschlossen sind, geht <strong>des</strong>halb zu weit. 809<br />
Aus den entsprechenden Ausführungen wird deutlich, dass Verhaltensanweisungen in<br />
beiden Vertragsverhältnissen möglich sind, soweit eine Einordnung in eine effektive<br />
Organisation erfolgt. Dadurch wird sichergestellt, dass die Arbeitsorganisation<br />
überhaupt organisiert ist, was eine Grundbedingung für eine gemeinschaftliche<br />
Leistungserstellung ist. In der Praxis sind eigentlich keine Fälle denkbar, in denen eine<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Zusammenhang mit dem Verhaltensanweisungsrecht von<br />
Bedeutung sein könnte, weshalb dieser Bereich hinsichtlich der hier untersuchten<br />
Fragestellung von untergeordneter Bedeutung ist.<br />
804 BK-Rehbinder, Art. 321d N 27; Hüber, 21f.<br />
805 Siehe dazu Kapitel 3.5.3.4.<br />
806<br />
So auch die grundsätzliche Verneinung dieses Weisungsrechts bei BK-Fellmann, Art. 397<br />
N 60.<br />
807<br />
BK-Fellmann, Art. 397 N 96. Ein Teil der Lehre anerkennt im Auftragsrecht keine<br />
weisungsfreien Bereiche (Hofstetter, 2000, 104; Derendinger, N 115), was aber damit zu<br />
tun hat, dass Verhaltensanweisungen nicht als möglicher Gegenstand <strong>des</strong> Weisungsrechts<br />
im Auftragsvertrag anerkannt werden.<br />
808<br />
So aber BK-Fellmann, Art. 397 N 60.<br />
809 So aber BK-Fellmann, Art. 397 N 60.
- 173 -<br />
3.5.2.2.2 Zielanweisungen<br />
<strong>Die</strong> Frage nach der rechtlichen Grundlage <strong>des</strong> Zielanweisungsrechts 810 wird in der<br />
arbeitsrechtlichen Literatur nicht einheitlich beantwortet: 811 Nach einem Teil der Lehre<br />
ergibt sich dieses Recht <strong>des</strong> Arbeitgebers aus dem Umstand, dass er auch<br />
grundsätzlich das Betriebsrisiko 812 zu tragen hat. 813 Demgegenüber ist ein anderer Teil<br />
der Lehre der Ansicht, dass das Zielanweisungsrecht ausschliesslich durch das<br />
rechtliche Subordinationsverhältnis im Arbeitsvertragsrecht begründet ist. 814 Einigkeit<br />
besteht hingegen in der arbeitsrechtlichen Literatur, dass auch der sog. fachlich<br />
weisungsfreie Arbeitnehmer dem Zielanweisungsrecht <strong>des</strong> Arbeitgebers unterliegt. 815<br />
Im Auftragsrecht wird demgegenüber das Weisungsrecht wie folgt begründet: „[<strong>Die</strong><br />
Zielanweisung] konkretisiert den Leistungsgegenstand <strong>des</strong> Auftragvertrages und<br />
bestimmt damit die Zielsetzung der Geschäftsführung oder der <strong>Die</strong>nstleistung <strong>des</strong><br />
816 <strong>Beauftragten</strong>.“ Es handelt sich dabei um die Konkretisierung <strong>des</strong><br />
Vertragsgegenstan<strong>des</strong>, weshalb der vertraglich vereinbarte Gegenstand <strong>des</strong> Auftrages<br />
als solcher nicht betroffen ist. 817 Dabei betrachtet die Lehre zum Auftragsrecht das<br />
Bestehen <strong>des</strong> Weisungsrechtes als in der Sache selbst begründet: Durch die<br />
Auftragsausführung soll sich das Interesse einer Person (Auftraggeber) unter Mithilfe<br />
einer anderen Person (Auftragnehmer) rechtlich und/oder tatsächlich verwirklichen. 818<br />
„Man kann [das Weisungsrecht] als im Begriff der <strong>Die</strong>nstleistung enthalten betrachten,<br />
aus der einfachen Überlegung heraus, der dominus negotii wisse selbst am besten, was<br />
ihm dient und wie ihm gedient werden soll.“ 819 In dieser Hinsicht ist der Auftraggeber<br />
Herr seines Geschäfts, 820 weshalb seine Interessen zu verwirklichen sind, soweit es der<br />
810<br />
In der arbeitsrechtlichen Literatur auch als Leistungs(an)weisungsrecht bezeichnet: z. B.<br />
Hüber, 20f.<br />
811<br />
Nachweise bei <strong>St</strong>amm, 33f., und bei Hüber, 21.<br />
812<br />
Vgl. Art. 324 OR.<br />
813<br />
Vischer, 2005, 140.<br />
814<br />
BK-Rehbinder, Art. 321d N 18.<br />
815<br />
Hüber, 21; <strong>St</strong>amm, 34; BK-Rehbinder, Art. 321d N 18 und 25; Vischer, 2005, 141.<br />
816<br />
BK-Fellmann, Art. 397 N 61 (unter Hinweis auf Soergel-Beuthien, § 665 Rz 1f., mit<br />
weiteren Hinweisen).<br />
817<br />
So grundsätzlich BK-Becker, Art. 397 N 1; BK-Gautschi, Art. 397 N 11a.<br />
818<br />
BasK-Weber, Art. 397 N 4; Werro, N 540.<br />
819<br />
BK-Gautschi, Art. 397 N 1c. <strong>Die</strong>s kann eine Anpassung <strong>des</strong> Ziels erforderlich machen,<br />
was durch das Weisungsrecht <strong>des</strong> Auftraggebers realisiert wird. Ist damit allerdings eine<br />
Überschreitung der fines mandati verbunden, so liegt eine Offerte zu einem<br />
Ergänzungsvertrag vor, wobei diesfalls die Regelung von Art. 395 OR zu beachten ist:<br />
BK-Gautschi, Art. 397 N 3a.<br />
820 Derendinger, N 118 i.f.
- 174 -<br />
Interessenwahrungsgrundsatz fordert. 821 Damit ist der Interessenwahrungsgrundsatz<br />
die Grundlage und die Rechtfertigung für das Zielanweisungsrecht im Auftragsvertrag.<br />
Es wurde bereits an anderer <strong>St</strong>elle herausgearbeitet, dass der<br />
Interessenwahrungsgrundsatz im Auftragsvertrag im Bereich der<br />
Ausführungsobligation vollständig zum Durchbruch gelangt, wogegen er im<br />
entgeltlichen Mandatsrecht in anderen Bereichen von seiner Eindeutigkeit eingebüsst<br />
hat. 822 Im Rahmen <strong>des</strong> Zielanweisungsrechts entspricht es bei einer Vielzahl der Fälle<br />
der Erfahrung, dass der Auftraggeber entweder eine mehr oder minder genaue<br />
Vorstellung über das Ziel einer Auftragsausführung hat oder aber das Ziel<br />
offensichtlich ist. In diesen Situationen kann sich der Auftraggeber also selbstständig<br />
mitteilen oder das Ziel <strong>des</strong> Auftrages liegt auf der Hand. Dabei ist nur ein minimaler<br />
Informationsaustausch für die Zielfestlegung notwendig, wobei offensichtlich ist, dass<br />
eine <strong>Rechenschaftspflicht</strong> hier keine Bedeutung hat. Es ist jedoch eine Vielzahl von<br />
Konstellationen denkbar, in denen das Zielanweisungsrecht nur nach sorgfältiger<br />
Abwägung zahlreicher Argumente möglich ist. Es sind in der Praxis wohl gerade jene<br />
Konstellationen, in denen nach einer erfolgten Auftragserteilung und entsprechender<br />
Arbeitsleistungen erneut Situationen entstehen, in denen Entscheidungen <strong>des</strong><br />
Auftraggebers für das weitere Vorgehen notwendig werden. 823 In diesen Fällen sind<br />
eine eigentliche Aufklärung der Situation und eine Beratung hinsichtlich der sich<br />
stellenden Möglichkeiten notwendig, was ein Min<strong>des</strong>tmass an Kommunikation<br />
voraussetzt. <strong>Die</strong>se Kommunikation zwischen dem Auftraggeber und dem<br />
Auftragnehmer läuft aber jenseits einer <strong>Rechenschaftspflicht</strong> ab, 824 welche als eine<br />
eigentliche Berichtspflicht die in diesen Situationen notwendige Kommunikation nicht<br />
sicherstellt. Es geht allerdings auch nicht an, diese Unmöglichkeit als einen Makel der<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ anzusehen und die Informationspflicht<br />
entsprechend anzupassen. Es ist in dieser Hinsicht hinzunehmen, dass eine<br />
Berichtspflicht nicht auf Kommunikation ausgerichtet ist.<br />
Für die Interessenwahrung im Auftragsrecht ist eine eigentliche Kommunikation<br />
notwendig, falls sich das Ziel der Arbeitsleistung nicht von selbst ergibt. Soll die<br />
Interessenwahrung im Auftragsvertrag wirklich wahrgenommen werden, so ist eine<br />
821<br />
Siehe dazu Kapitel 1.3.1 und 3.7.1.<br />
822<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.4, 3.4.3 und 3.7.1.<br />
823<br />
Zu denken ist etwa an eine Heilbehandlung, bei welcher nun über den weiteren Fortgang<br />
der Therapie zu entscheiden ist, wobei sich verschiedene Alternativen anbieten.<br />
824 Siehe dazu Kapitel 3.5.5.
- 175 -<br />
eigentliche Kommunikation gefordert, welche die Möglichkeiten einer<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> übertreffen. Dementsprechend sind die Konsequenzen für eine<br />
Informationsordnung im Auftragsrecht zu ziehen. 825<br />
3.5.2.2.3 Fachanweisungen<br />
<strong>Die</strong> Fachanweisungen „betreffen die Methode oder Technik der Arbeitsausführung<br />
und die Handhabung der Arbeitsmittel“. 826 Damit decken die Fachanweisungen jenen<br />
Bereich <strong>des</strong> Weisungsrechts ab, welcher sich mit der Art und Weise der<br />
Arbeitsleistung und Zielerreichung beschäftigt. 827 <strong>Die</strong>ser Teil <strong>des</strong> Weisungsrechts wird<br />
in der allgemeinen arbeitsrechtlichen Lehre mit dem Hinweis auf das<br />
Subordinationsverhältnis <strong>des</strong> gewöhnlichen Arbeitnehmers begründet. 828<br />
Eine besondere <strong>St</strong>ellung nimmt demgegenüber der sog. fachlich weisungsfreie<br />
Arbeitnehmer ein: In der arbeitsrechtlichen Lehre wird hierzu die Ansicht vertreten,<br />
dass der Umstand der tatsächlichen und damit auch rechtlich anerkannten<br />
Selbstständigkeit eines Arbeitnehmers zur fachlichen Weisungsfreiheit führen müsse.<br />
829 Dabei wird klargestellt, dass das Fachwissen die eigentliche Ursache für die<br />
Selbstständigkeit <strong>des</strong> fachlich weisungsfreien Arbeitnehmers darstellt. 830 Es ist das<br />
Fachwissen (als Mehrwissen) und damit ein tatsächliches Wissensgefälle zwischen<br />
den Parteien, welches die geforderte Selbstständigkeit verleiht. 831 Hinsichtlich der<br />
Grenzen <strong>des</strong> Weisungsrechts „kann vom Grundsatz ausgegangen werden, dass ein<br />
fachunkundiger Arbeitgeber nicht befugt ist, einem fachlich qualifizierten<br />
Arbeitnehmer Fachanweisungen zu erteilen.“ 832 <strong>Die</strong>s entspricht wohl auch der<br />
täglichen Erfahrung im Berufsleben, weshalb sich beispielsweise bei <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
der sog. freien Berufe, die im Rahmen von Arbeitsverhältnissen erbracht werden, die<br />
Weisungsfreiheit von selbst ergibt. 833 Allerdings ist gerade im Arbeitsvertragsrecht<br />
eine Unterscheidung zwischen Zielanweisungsrecht und Fachanweisungsrecht nicht<br />
immer einfach zu erkennen, was insbesondere bei sog. fachlich weisungsfreien<br />
825<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.5 und 3.7.2.<br />
826<br />
ZK- Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321d N 9.<br />
827<br />
BK-Rehbinder, Art. 321d N 19.<br />
828<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.2.2.<br />
829<br />
Siehe hierzu besonders deutlich BK-Rehbinder, Art. 321d N 30.<br />
830<br />
So auch der Titel bei Hüber in Kapitel 1.8 (S. 42ff.).<br />
831<br />
Hüber, 43f.<br />
832<br />
BK-Rehbinder, Art. 321d N 30.<br />
833 Hüber, 28.
- 176 -<br />
Mitarbeitern zu Problemen führen kann: Aus der Rechtsprechung wird ersichtlich,<br />
dass das Weisungsrecht <strong>des</strong> Arbeitgebers nur in der Hinsicht beschränkt ist, als dass in<br />
diesen Konstellationen kein Weisungsrecht bezüglich <strong>des</strong> eigentlichen Inhalts der<br />
Arbeiten besteht. Demgegenüber darf der Arbeitgeber aber etwa bestimmen, mithilfe<br />
welcher Mittel ein bestimmtes Ziel zu erreichen ist 834 : Der Heimleiter durfte einem<br />
Heilpädagogen genau vorschreiben, mithilfe welcher Mittel (Gutachten,<br />
Leistungsberichte) das Ziel (in casu einen Bericht zuhanden der IV-<strong>St</strong>elle) zu<br />
erreichen ist. Das Weisungsrecht <strong>des</strong> Arbeitgebers wird nur dort verneint, wo es um<br />
die inhaltliche Aussage der Gutachten oder Leistungsberichte gehen würde. Damit<br />
geht das Fachanweisungsrecht in der Tendenz doch weiter als im Auftragsvertrag, da<br />
hier das Vorgehen oder die Methode vom Arbeitgeber festgelegt werden kann.<br />
Im Vergleich dazu präsentiert sich die Rechtslage <strong>des</strong> Fachanweisungsrechts im<br />
Auftragsvertrag wie folgt: Es ist grundsätzlich anerkannt, dass ein Auftraggeber „die<br />
Ausführung in allen Einzelheiten vorschreiben darf.“ 835 Aus diesem Grund wird<br />
ausgeführt, dass das Auftragsrecht grundsätzlich keine weisungsfreien Bereiche kennt.<br />
836 <strong>Die</strong>sen theoretischen Grundlagen ist jedoch die Erfahrung in der typischen Situation<br />
im Auftragsvertrag gegenüberzustellen: <strong>Die</strong> typische Situation zeichnet sich durch<br />
eine Konstellation <strong>des</strong> Wissensgefälles aus, was gerade auch die Erbringung von<br />
Arbeitsleistungen aus dem Bereich der sog. freien Berufe charakterisiert. 837 Für den<br />
sog. fachlich weisungsfreien Arbeitnehmer wurde in dieser Hinsicht das Folgende<br />
formuliert: „Je spezialisierter und anspruchsvoller eine Tätigkeit ist, <strong>des</strong>to mehr<br />
gewinnen Fachkenntnisse an Bedeutung und drängen die Weisungsfreiheit <strong>des</strong><br />
Arbeitgebers in den Hintergrund.“ 838 <strong>Die</strong>ses Konzept wird ausdrücklich auch für das<br />
839 Auftragsrecht übernommen. <strong>Die</strong> Tatsache, dass im Arbeitsrecht gewisse<br />
Lehrmeinungen der damit einhergehenden Risikoerhöhung für den fachlich<br />
weisungsfreien Arbeitnehmer mit Bedenken gegenüber treten, 840 ist für den Bereich<br />
<strong>des</strong> Mandatsrechts ohne Bedeutung (vgl. Art. 398 OR).<br />
834<br />
ZR 100 Nr. 70.<br />
835<br />
BK-Fellmann, Art. 397 N 64.<br />
836<br />
BK-Fellmann, Art. 397 N 64 (mit zahlreichen Hinweisen).<br />
837<br />
Auffallend und bezeichnend in diesem Sinne ist, dass die rechtliche Situation<br />
gleichqualifizierter Vertragsparteien nur im Bereich <strong>des</strong> Arbeitsrechts überhaupt diskutiert<br />
wird. Dazu: Hüber, 43.<br />
838<br />
BK-Rehbinder, Art. 321d N 26 (Hervorhebungen im Original). Vischer, 2005, 141,<br />
spricht in diesem Fall dem Arbeitnehmer das Recht zu, sich Weisungen zu widersetzen.<br />
839 BK-Fellmann, Art. 397 N 94.<br />
840 Deutlich z.B. Brühwiler, Art. 321d N 3b.
- 177 -<br />
Das Fachwissen eines <strong>Beauftragten</strong> führt zu einer Selbstständigkeit und<br />
Unabhängigkeit, deren Ausfluss unter anderem ein Bereich an fachlicher<br />
Weisungsfreiheit ist, welcher ein eigentlicher Autonomiebereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
festlegt. 841 In diesem Bereich also, in dem sich „die Frage stellt, wie diese Interessen<br />
[= Zielanweisungen] zu verwirklichen sind, ist der beauftragte Fachmann weitgehend<br />
frei.“ 842 In den nachfolgenden Abschnitten ist darzulegen, welche Konsequenzen aus<br />
dem zugestandenen Autonomiebereich beim Weisungsrecht bei den hier zu<br />
behandelnden Informationspflichten zu ziehen sind. Es ist jedoch auch zu begründen,<br />
weshalb trotz vergleichbarer Situation zwischen einem Auftragnehmer und einem<br />
Arbeitnehmer die Informationsordnung in Arbeitsvertrag und Auftragsvertrag<br />
grundsätzlich verschieden ist. 843<br />
3.5.3 Informationsrechte im schweizerischen Einzelarbeitsvertragsrecht<br />
3.5.3.1 Allgemeines<br />
Wie einleitend in Kapitel 3.5.1 erwähnt, wird nachfolgend das Informationsrecht <strong>des</strong><br />
Einzelarbeitsvertrages aufgearbeitet, soweit es für die vorliegende Untersuchung von<br />
Bedeutung ist. <strong>Die</strong> Ergebnisse der nachfolgenden Untersuchung dienen als Grundlage<br />
für die weitere Bearbeitung <strong>des</strong> Zusammenhangs zwischen Informationsrecht<br />
(insbesondere der Informationspflicht „Rechenschaft“) und Weisungsrecht im<br />
Auftragsrecht.<br />
Das Informationsrecht im schweizerischen Einzelarbeitsvertragsrecht, wie es<br />
nachfolgend dargestellt wird, untersucht die Rechtslage im gewöhnlichen<br />
Arbeitsvertrag (Art. 321b OR), im Handelsreisendenvertrag (Art. 348 Abs. 3 OR) und<br />
im Heimarbeitnehmervertrag (Art. 352a OR). 844<br />
841<br />
Nach Fehlmann, 47, können die freien Berufe auch nur frei (d.h. ungestört von<br />
Einmischungen) oder sonst überhaupt nicht in einer zweckmässigen Art ausgeübt werden.<br />
842<br />
BK-Fehlmann, Art. 397 N 94.<br />
843<br />
Dazu sogleich Kapitel 3.5.3.<br />
844<br />
Nachfolgend wird davon ausgegangen, dass nur ein Arbeitsverhältnis zu beurteilen ist.<br />
Hierzu BGE 128 III 129ff., E. 1, wonach etwa bei einer Organstellung eines<br />
Arbeitnehmers verschiedene Regelungen zu beachten sind.
- 178 -<br />
3.5.3.2 Rechenschafts- und Herausgabepflicht <strong>des</strong> Arbeitnehmers nach Art.<br />
321b OR<br />
3.5.3.2.1 Rechtsgrundlage der Rechenschafts- und Herausgabepflicht<br />
Art. 321b OR regelt die Rechenschafts- und Herausgabepflicht <strong>des</strong> Arbeitnehmers,<br />
wobei der Gesetzesaufbau im Arbeitsvertragsrecht mit demjenigen <strong>des</strong> Auftragsrechts<br />
vergleichbar ist. Es ist demzufolge nicht erstaunlich, dass sowohl im<br />
Einzelarbeitsvertragsrecht als auch im Auftragsrecht Unsicherheiten bezüglich der<br />
Frage bestehen, welche Pflichten ihren Bestand in der allgemeinen Treuepflicht nach<br />
Art. 321a OR (bzw. Art. 398 OR) oder in der spezifischen Norm von Art. 321b OR<br />
(bzw. Art. 400 OR) haben. 845 So wird in der Lehre zum Arbeitsvertragsrecht die<br />
Meinung vertreten, dass sich die Rechenschafts- und Herausgabepflicht bereits aus<br />
Art. 321a OR ergebe. 846 In Zusammenhang mit der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Rahmen<br />
von Art. 321b OR wird angemerkt, dass es sich dabei um nachgiebiges Recht handle,<br />
weshalb diese Pflicht eingeschränkt werden könne. 847 Nach richtiger Ansicht ist<br />
jedoch eine Wegbedingung nur der Ablieferungsobligation, jedoch nicht der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> zulässig. 848<br />
Der Arbeitnehmer soll die erhaltenen Sachen grundsätzlich sofort 849 herausgeben,<br />
weshalb als flankierende Massnahme eine aktive Informationspflicht gefordert wird. 850<br />
In erster Linie hat der Arbeitnehmer diese Pflichten <strong>des</strong>halb als Spontanpflichten<br />
wahrzunehmen. 851 Aus den Darstellungen ergibt sich, dass in demselben Umfang auch<br />
eine passive Pflicht zur Information <strong>des</strong> Arbeitnehmers besteht, weshalb die<br />
entsprechenden Pflichten auch auf Verlangen zu erfüllen sind. 852<br />
845<br />
Vgl. etwa die Unsicherheit betreffend die Begründung einer schuldrechtlichen<br />
Dokumentationspflicht: Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
846<br />
BK-Rehbinder, Art. 321b N 1, spricht dabei von der Konkretisierung der allgemeinen<br />
Treuepflicht (gemäss Art. 321a OR). <strong>Die</strong>se Sichtweise kann sich namentlich auch auf den<br />
Wortlaut der Botschaft stützen: BBl 1967 II 303 (wobei an entsprechender <strong>St</strong>elle auf die<br />
Situation im Auftragsrecht hingewiesen wird). Demgegenüber sprechen ZK-<br />
Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321a N 7 i.V.m. 321b N 4, und Geiser, Treuepflicht, 189,<br />
etwa davon, dass sich die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nur aus Art. 321b OR ergebe. Für das<br />
Auftragsrecht kann auf die Übersicht in BK-Fellmann, Art. 400 N 53, verwiesen werden.<br />
847<br />
BBl 1967 II 304. Schweingruber, Art. 321b N 1; ZK-Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321b<br />
N 8.<br />
848<br />
Brunner/Bühler/Waeber, Art. 321b N 5.<br />
849<br />
BBl 1967 II 404. <strong>Die</strong> Vereinbarung von Terminen für die Abrechnung und Auszahlung ist<br />
allerdings möglich: Schweingruber, Art. 321b N 2.<br />
850<br />
BK-Rehbinder, Art. 321b N 1, spricht in diesem Zusammenhang von einer Meldepflicht.<br />
851<br />
ZK-Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321b N 4. Vgl. auch BBl 1967 II 303.<br />
852<br />
BK-Rehbinder, Art. 321b N 1; ZK-Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321b N 4.
- 179 -<br />
3.5.3.2.2 Inhalt der Herausgabe- und <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
853 <strong>Die</strong> Materialien verdeutlichen, dass der Anwendungsbereich der<br />
Ablieferungsobligation im Gegensatz zum Vorentwurf erweitert wurde: Nunmehr<br />
erstreckt sich die Herausgabepflicht auf alles, was der Arbeitnehmer in Ausübung<br />
seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit hervorbringt, wodurch dem Arbeitgeber das Recht<br />
am Arbeitsergebnis oder Arbeitserzeugnis zusteht. 854 In Zusammenhang mit der<br />
Umschreibung <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> der Ablieferungsobligation zeigen sowohl die<br />
gesetzgeberischen Materialien als auch die Lehre eine deutliche Orientierung „an den<br />
Gegenständen“: Waren, Werkzeuge, Geräte, Urkunden, Geldbeträge. 855 Im Vergleich<br />
zur mandatsrechtlichen Umschreibung der Ablieferungspflicht fällt die entsprechende<br />
Umschreibung im Arbeitsvertragsrecht umfassender aus: Nach der in der Botschaft<br />
vertretenen Meinung unterliegen auch Berechnungen, Skizzen, Zeichnungen und<br />
dergleichen der Ablieferungspflicht. 856 Es handelt sich dabei um Gegenstände, die im<br />
Bereich <strong>des</strong> Mandatsrechts dem Bereich der sog. Handakten zugeteilt werden. Damit<br />
werden diese Gegenstände dort dem Eigenbereich <strong>des</strong> Auftragnehmers zugerechnet<br />
und in der Folge von der Ablieferungsobligation ausgenommen. 857<br />
Aus den einzelnen Lehrmeinungen folgt, dass die Informationspflicht<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ im Bereich <strong>des</strong> Einzelarbeitsvertrages eigentlich zwei Aspekte<br />
abdeckt: (1) Zum einen sieht die Lehre einen engen Zusammenhang zwischen der<br />
Informationspflicht (<strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss Art. 321b OR) und der eben<br />
beschriebenen Herausgabepflicht. <strong>Die</strong>s wird bereits durch den Umstand verdeutlicht,<br />
dass in einzelnen Abhandlungen die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nicht deutlich von der<br />
Herausgabepflicht unterschieden wird. 858 <strong>Die</strong> entsprechenden Anforderungen an die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong>, wonach die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> wahrheitsgemäss, vollständig<br />
und rechtzeitig erfolgen soll, werden dabei auf die umfassende Herausgabepflicht<br />
bezogen. 859 (2) Zum anderen ist aber in der Lehre festzustellen, dass die<br />
853<br />
BBl 1967 II 303f.<br />
854<br />
Vgl. Art. 321b OR.<br />
855<br />
ZK-Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321b N 4 i.V.m. N 2; BK-Rehbinder, Art. 321b N 1;<br />
Brühwiler, Art. 321b N 1; Brunner/Bühler/Waeber, Art. 321b N 1. <strong>Die</strong> Aufzählungen<br />
dieser Autoren gehen auf eine entsprechende Formulierung in der Botschaft zurück: BBl<br />
1967 II 303.<br />
856<br />
BBl 1967 II 304.<br />
857<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.<br />
858<br />
Bspw. ZK-Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321b N 2, und Vischer, 2005, 161f.<br />
859<br />
ZK-Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321b N 4; BK-Rehbinder, Art. 321b N 1 (mit Hinweis<br />
auf BBl 1967 II 303).
- 180 -<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> auch als eine umfassendere, von der Ablieferungsobligation<br />
losgelöste Informationspflicht beschrieben wird: „Soweit das zur Kontrolle durch den<br />
Arbeitgeber erforderlich ist, sind Abrechnungsunterlagen 860 wie Aufstellungen über<br />
die für den Arbeitgeber getätigten Geschäfte oder Listen und Belege über<br />
entgegengenommene Gegenstände zu erstellen.“ 861 In diesem Zusammenhang wird in<br />
der Lehre auch festgehalten, dass der Arbeitnehmer einen „rapport complet“ 862 resp.<br />
„tout information sur son activité“ 863 im Rahmen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> liefern<br />
müsse.<br />
In diesen Formulierungen wird das entscheidende Argument im<br />
Einzelarbeitsvertragsrecht angeführt: <strong>Die</strong> <strong>Rechenschaftspflicht</strong> hat im<br />
Einzelarbeitsvertragsrecht die Kontrolle sicherzustellen, welche diesen Vertragstypus<br />
aufgrund der Subordination <strong>des</strong> Arbeitnehmers auszeichnet. 864 <strong>Die</strong> Kontrolle im<br />
Arbeitsvertragsrecht wird dabei nicht durch die spezifische <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong><br />
Arbeitnehmers eingerichtet, sondern die Kontrolle ergibt sich bereits aus den<br />
865 strukturellen Grundlagen <strong>des</strong> Arbeitsvertragsverhältnisses. <strong>Die</strong><br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> erscheint dabei als blosses Vehikel, welches diese nachgelagerte<br />
Kontrolle sicherstellen will. 866 Aus diesem Umstand ergibt sich auch, weshalb auf die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Einzelarbeitsvertrag nicht verzichtet werden kann: Gerade<br />
durch die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> wird die Kontrollmöglichkeit verwirklicht, durch<br />
welche sich dieser Vertragstyp auszeichnet und vom Auftragsvertrag unterscheidet.<br />
<strong>Die</strong>se Art „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“, welche ein eigentliches Kontrollrecht verwirklicht,<br />
kann jedoch nicht mit einer <strong>Rechenschaftspflicht</strong> aus dem Auftragsrecht verglichen<br />
860<br />
Der Aspekt der Abrechnungspflicht wird insbesondere von Brunner/Bühler/Waeber, Art.<br />
321b N 4, hervorgehoben, da diese Autoren einzig die Pflicht zur „Décompte“ nennen.<br />
Eine solche Fixierung auf eine Ablieferungsobligation ergibt sich auch aus den<br />
Ausführungen bei Wyler, 81f.<br />
861<br />
BK-Rehbinder, Art. 321b N 1; Brühwiler, Art. 321b N 2.<br />
862<br />
Duc/Sabilia, Art. 321b N 2.<br />
863<br />
Tercier, N 3060.<br />
864<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.3 und 3.5.4.<br />
865<br />
Interessanterweise wird im Bereich <strong>des</strong> Arbeitsvertragsrechts auch keine Wechselwirkung<br />
zwischen einer umfassenden <strong>Rechenschaftspflicht</strong> und einem arbeitsvertraglichen<br />
Weisungsrecht konstruiert, wie es im Bereich <strong>des</strong> Mandatsrechtes postuliert wird. <strong>Die</strong>s,<br />
obwohl das Weisungsrecht im Arbeitsvertragsrecht in einer viel umfassenderen Weise als<br />
im Auftragsrecht anzuerkennen ist.<br />
866<br />
Das entsprechende Kontrollrecht <strong>des</strong> Arbeitgebers gilt gemäss der Rechtsprechung (BGer<br />
in 4C.95/2004, E. 3.1.1) auch nach einer Freistellung oder Kündigung (in der<br />
Kündigungszeit). So konnte der Arbeitgeber, gestützt auf die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong><br />
Arbeitnehmers in Art. 321b OR, einen freigestellten Abreitnehmer anweisen, einen<br />
Bericht über alle Kontakte mit aussen stehenden Personen anzufertigen, mit denen er<br />
beruflich Kontakt hatte.
- 181 -<br />
werden, da dort keine Kontrolle, sondern grundsätzlich Autonomie <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
besteht. Damit hat die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Einzelarbeitsvertrag und im<br />
Auftragsrecht eine ganz unterschiedliche Funktion und ist demzufolge inhaltlich<br />
anders besetzt. Eine <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Auftragsrecht bringt keine Kontrolle,<br />
weil damit die Charakteristik <strong>des</strong> Auftragsvertrages nicht anerkannt würde. 867 <strong>Die</strong><br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Mandatsrecht ist keine Kontrollpflicht, sondern eine sog.<br />
Berichtspflicht, weshalb durch sie die Information nur über ein entsprechend<br />
definiertes Thema in einer vorgegebenen Form geschuldet ist. 868<br />
Aus diesen Überlegungen folgt, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Bereich <strong>des</strong><br />
Arbeitsvertragsrechts eine eigentliche allgemeine Kontrollfunktion verwirklicht. Das<br />
allgemeine Kontrollrecht wird dabei noch durch eine konkrete Berichtspflicht ergänzt,<br />
weshalb in diesem Zusammenhang davon gesprochen werden kann, dass „[D]ie<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> aus der Meldepflicht und der Abrechnungspflicht [besteht].“ 869<br />
3.5.3.3 Berichterstattungspflicht <strong>des</strong> Handelsreisenden nach Art. 348 Abs. 3<br />
OR<br />
3.5.3.3.1 Anwendbare Rechtsnormen<br />
<strong>Die</strong> Untersuchung <strong>des</strong> Rechts <strong>des</strong> Handelsreisenden 870 in Bezug auf die dort geltende<br />
Informationsordnung ist <strong>des</strong>halb von besonderem Interesse, weil es sich um ein<br />
Vertragsverhältnis handelt, welches typischerweise der Tatsache Rechnung tragen<br />
muss, dass eine unmittelbare Kontrolle nur bedingt möglich ist. Der Randtitel zu Art.<br />
348a OR spricht von „II. (...) 1. Besondere Pflichten“, was die Frage zum Verhältnis<br />
zum allgemeinen Arbeitsvertragsrecht aufwirft: Nach Art. 355 OR finden die<br />
Vorschriften <strong>des</strong> Einzelarbeitsvertrages jedoch ergänzend auf den<br />
Handelsreisendenvertrag Anwendung. 871 Damit gelten für den Handelsreisenden<br />
867<br />
Siehe zum Ganzen Kapitel 3.5.5 und 3.7.2.<br />
868<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.<br />
869<br />
BK-Rehbinder, Art. 321b N 1.<br />
870<br />
<strong>Die</strong> rechtliche Abgrenzung zwischen einem Handelsreisenden und einem Agent kann nur<br />
aufgrund einer Analyse sämtlicher Sachverhaltselemente vorgenommen werden. So hat<br />
das BGer in BGE 129 III 664ff., E. 3, in einem spezifischen Fall einen Arbeitsvertrag<br />
angenommen, da sowohl die bestehende hierarchische <strong>St</strong>ruktur als auch insbesondere das<br />
umfangreiche Pflichtenheft Tatsachen waren, welche für einen Agenturvertrag untypisch<br />
sind.<br />
Weiter kann nicht stillschweigend aufgrund der sich ändernden Umstände angenommen<br />
werden, dass ein Handelsreisendenvertrag in einen einfachen Einzelarbeitsvertrag<br />
umzuqualifizieren ist: KGer SG in JAR 2004 530f.<br />
871<br />
BK-Rehbinder, Art. 348a N 1, spricht in diesem Zusammenhang von einem Verhältnis der<br />
Konkretisierung.
- 182 -<br />
grundsätzlich auch die Ausführungen, welche im vorangehenden Abschnitt dargestellt<br />
wurden. 872<br />
3.5.3.3.2 Zusätzliche Melde- und Berichtspflicht <strong>des</strong> Handelsreisenden<br />
Im Recht <strong>des</strong> Handelsreisenden sieht Art. 348 Abs. 3 OR zwei weitere besondere<br />
Informationspflichten vor: Zum einen ist es die Pflicht, über die Reisetätigkeit Bericht<br />
zu erstatten und zum anderen die Pflicht, den Arbeitgeber über Tatsachen im<br />
Zusammenhang mit dem Kundenkreis zu unterrichten. Wie der Gesetzeswortlaut<br />
ergibt, handelt es sich hierbei jeweils um sog. Spontanpflichten, da der<br />
Handelsreisende die entsprechenden Informationspflichten von sich aus erfüllen muss.<br />
Es handelt sich um eigentliche Meldepflichten.<br />
<strong>Die</strong> Lehre zum Handelsreisendenrecht charakterisiert die entsprechenden<br />
Meldepflichten als eigentliche Berichtspflichten, wobei diese „typische Pflicht zur<br />
regelmässigen Berichterstattung (Rapportpflicht) Ausfluss seiner Treuepflicht ist.“ 873<br />
Ein Bericht ist dabei ungeachtet der gesetzlichen Grundlage dadurch gekennzeichnet,<br />
dass die zu liefernden Informationen vom Gesetz in gegenständlicher Hinsicht<br />
vorgegeben sind 874 und in der vorgeschriebenen Form dem Informationsadressaten<br />
übermittelt werden müssen. 875 Entsprechend dieser Charakterisierung wird die<br />
entsprechende Meldepflicht umschrieben: „<strong>Die</strong> Berichterstattung bezieht sich auf alle<br />
erheblichen Tatsachen, die für den Arbeitgeber von Interesse sind, 876 wie z. B.<br />
Kundenbesuche, Warennachfragen und -beurteilungen durch die Kundschaft, Grund<br />
für entgangene Bestellungen, Zahlungsmoral der Kunden, Verhalten der Konkurrenz.“<br />
877 <strong>Die</strong> entsprechende Berichtspflicht zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass nur<br />
solche Informationen von der entsprechenden Berichtspflicht erfasst sind, die einen<br />
Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg haben können. 878 <strong>Die</strong> weitere Berichtspflicht<br />
<strong>des</strong> Handelsreisenden ist demgegenüber thematisch dadurch beschränkt, dass die<br />
872<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.3.2.<br />
873<br />
Schweingruber, Art. 348 N 2; ZK-Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321a N 12.<br />
874<br />
Nach Druey, Informationspflichten, 29, ist ein Bericht dadurch gekennzeichnet, „dass das<br />
Thema vorgegeben und als Ganzes abzudecken ist.“<br />
875 Deutlich etwa beim Jahresbericht im Bereich <strong>des</strong> Aktienrechtes: Art. 662 Abs. 1 OR und<br />
Art. 663d Abs. 1 OR. Dazu ausführlich: Gautschi, Grundsätzliches, 118 und 124f. Aus der<br />
neueren Literatur: Boemle, 19ff.<br />
876<br />
Unter Hinweis auf: BK-Rehbinder, Art. 348 N 8f.; <strong>St</strong>reiff/von Kaenel, Art. 348 N 5;<br />
Meyer, 37f.; Kornmeier, 92.<br />
877<br />
Siehe die Darstellung bei Schweingruber, Art. 348 N 2.<br />
878 BK-Rehbinder, Art. 348 N 9.
- 183 -<br />
Berichterstattungspflicht „nur bezüglich Tatsachen besteht, die den Kundenkreis<br />
betreffen.“ 879<br />
Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Berichtspflicht deutlich vom allgemeinen<br />
Kontrollrecht <strong>des</strong> Arbeitgebers zu unterscheiden ist, da sich das allgemeine<br />
Kontrollrecht bereits aus den strukturellen Grundlagen <strong>des</strong> Arbeitsvertragsrechtes<br />
ergibt. 880 Im Rahmen der Berichtspflichten verlieren <strong>des</strong>halb auch die allgemeinen<br />
Informationsqualitätskriterien (Wahrheit, Rechtzeitigkeit und Vollständigkeit)<br />
grundsätzlich an Bedeutung, da durch die Beschreibung der Modalitäten (Thema,<br />
Inhalt, Form etc.) der Berichtspflicht die entsprechenden Fragen vorgegeben sind.<br />
<strong>Die</strong>se Kriterien werden im Zusammenhang mit Art. 348 Abs. 3 OR in den<br />
Kommentierungen richtigerweise auch nicht aufgeführt.<br />
Abschliessend kann ausgeführt werden, dass zusätzlich zur Pflichtenlage nach Art.<br />
321b OR ein rechtlich abgesicherter, aber beschränkter Informationsfluss anvisiert<br />
wird, der die Leistungserbringung unterstützen soll, gerade weil eine arbeitsteilige<br />
Organisation in „Produzent“ und „Absatzmittler“ gewählt worden ist. <strong>Die</strong>se gesetzlich<br />
normierte Berichtspflicht will gerade durch die geschuldeten Informationen ein<br />
spezifisches Informationsbedürfnis decken, welches durch die dezentrale<br />
Arbeitsorganisation geschaffen wird.<br />
3.5.3.4 <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong> Heimarbeitnehmers nach Art. 352a Abs. 1<br />
OR<br />
3.5.3.4.1 Anwendbare Rechtsnormen<br />
Der Randtitel zu Art. 352ff. OR spricht von „II. Besondere Pflichten“, was die Frage<br />
zum Verhältnis zum allgemeinen Arbeitsvertragsrecht aufwirft: Nach Art. 355 OR<br />
finden die Vorschriften <strong>des</strong> Einzelarbeitsvertrages, ergänzend auf den<br />
Heimarbeitnehmervertrag, Anwendung. Damit gelten für den Heimarbeitnehmer<br />
grundsätzlich auch die Ausführungen, welche zur <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss Art.<br />
321b OR dargestellt wurden. 881 Demgegenüber ist die Risikolage <strong>des</strong> Arbeitgebers<br />
879 Schweingruber, Art. 348 N 2.<br />
880<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.2.<br />
881<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.3.2. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass ein<br />
Verhaltensanweisungsrecht bei einer dezentralen Arbeitsorganisation nur soweit reichen<br />
kann, als es die Interessen <strong>des</strong> Arbeitgebers erfordern. <strong>Die</strong>s folgt allgemein aus dem<br />
Bestand und den Schranken <strong>des</strong> Weisungsrechts <strong>des</strong> Arbeitgebers: ZK-<br />
Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 321d N 11 und 14ff.
- 184 -<br />
nicht mit derjenigen beim Handelsreisenden zu vergleichen, weshalb die<br />
Ausführungen zum Recht <strong>des</strong> Handelsreisenden hier keine Geltung haben. 882<br />
3.5.3.4.2 Spezifische <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
Das Recht, welches auf den Heimarbeitnehmer anwendbar ist, kennt eine spezifische<br />
Informationspflicht, welche sich gegenständlich auf die besondere Risikolage dieses<br />
Vertragsmodells beschränkt: Wird das entsprechende Risiko im Bereich <strong>des</strong><br />
Handelsreisenden durch einen entsprechenden Bericht über die Reisetätigkeit und über<br />
den zu bearbeitenden Kundenkreis abgefangen, so steht beim Heimarbeitnehmer die<br />
Überwachung der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Materialien und<br />
Gerätschaften im Zentrum <strong>des</strong> Interesses. 883<br />
In der Lehre wird der Inhalt der Informationspflicht gemäss Art. 352a OR wie folgt<br />
eingegrenzt: „[D]er Heimarbeiter [ist] verpflichtet, über die Verwendung <strong>des</strong> Materials<br />
und der Arbeitsgeräte, die ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden,<br />
Rechenschaft abzulegen.“ 884 Und weiter: „<strong>Die</strong>se <strong>Rechenschaftspflicht</strong> besteht wie im<br />
Werkvertragsrecht (Art. 365 Abs. 2 OR) 885 und im Auftragsrecht (Art. 400 OR) in der<br />
886 Meldepflicht und in der Abrechnungspflicht.“ <strong>Die</strong>se Umschreibung der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Recht <strong>des</strong> Heimarbeitnehmers entspricht auch der Auffassung<br />
<strong>des</strong> historischen Gesetzgebers. 887 Es handelt sich hierbei um eine deutliche<br />
Berichtspflicht, die ebenfalls keine allgemeine Kontrolle verschafft, sondern einzig in<br />
einem definierten Bereich vorbestimmte Informationen liefert. Vor diesem<br />
Hintergrund kommt den entsprechenden Lehrmeinungen, 888 die zu Beginn der<br />
Darstellung von Art. 352a OR jeweils in genereller Weise feststellen, dass das<br />
Informationsrecht aus Art. 352a OR weiter und umfassender sei als jenes in Art. 321b<br />
OR, kaum eigenständige Bedeutung zu.<br />
882 Siehe Kapitel 3.5.3.3.<br />
883 Waldner, 163 i.V.m. 124, sieht den eigentlichen Grund dieser Regelung in den besonderen<br />
sachenrechtlichen Verhältnissen, die bei dieser Arbeitsorganisation vorliegen können.<br />
884 ZK-<strong>St</strong>aehelin, Art. 352a N 3.<br />
885<br />
Bezüglich <strong>des</strong> anwendbaren Sorgfaltsmasstabes wird die Anwendung der entsprechenden<br />
werkvertraglichen Regelung gefordert: ZK-<strong>St</strong>aehelin, Art. 352a N 2.<br />
886<br />
ZK-<strong>St</strong>aehelin, Art. 352a N 3.<br />
887<br />
BBl 1967 II 415.<br />
888<br />
BK-Rehbinder, Art. 352a N 1; ZK-<strong>St</strong>aehelin, Art. 352a N 1; Waldner, 163.
- 185 -<br />
3.5.3.5 Zwischenfazit<br />
<strong>Die</strong> Beschäftigung mit Art. 321b OR hat ergeben, dass eine Informationspflicht<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ im allgemeinen Einzelarbeitsvertragsrecht postuliert wird,<br />
welche auf die Herausgabepflicht in derselben Norm fokussiert ist, jedoch als<br />
allgemeines Instrument <strong>des</strong> Kontrollrechts im Einzelarbeitsvertrag eingerichtet ist.<br />
Dabei zeigt sich, dass die eigentliche Begründung <strong>des</strong> Kontrollrechts in der Eigenart<br />
<strong>des</strong> Einzelarbeitsvertrages liegt. Entsprechend realisiert die genannte<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> einzig die strukturell vorgegebene Möglichkeit eines<br />
Kontrollrechts, weshalb das Kontrollrecht „Rechenschaft“ nicht Ursache, sondern nur<br />
Mittel zum Zweck ist.<br />
<strong>Die</strong> Darstellung der Rechtslage <strong>des</strong> Handelsreisenden hat ergeben, dass es sich bei Art.<br />
348 Abs. 3 OR um eine zusätzliche Informationspflicht handelt, die neben der<br />
allgemeinen Pflicht zur Rechenschaft von Art. 321b OR tritt und als Kontrollpflicht<br />
ausgestattet ist. Art. 348 Abs. 3 OR regelt als weitere Informationspflicht eine<br />
eigentliche Berichtspflicht, da das Thema der Informationspflicht spezifisch<br />
vorgegeben ist. Es handelt sich dabei um eine spezielle Pflicht <strong>des</strong> Handelsreisenden,<br />
welche besonders auf die Form der dezentralen Arbeitsteilung zugeschnitten ist und<br />
einen klar definierten Informationsbedarf bedient. Es handelt sich bei Art. 352a OR<br />
um eine zusätzliche Pflicht, welche neben die allgemeine Pflicht zur Rechenschaft von<br />
Art. 321b OR tritt, die als eigentliche Kontrollpflicht im Zusammenhang mit der<br />
Herausgabepflicht zu begreifen ist. <strong>Die</strong> Ausführungen haben ergeben, dass im<br />
Heimarbeitnehmerrecht die Informationspflicht „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ als eine<br />
deutliche Berichtspflicht ausgestaltet ist, da das Thema und der Inhalt dieser<br />
spezifischen Informationspflicht vorgegeben sind.<br />
3.5.4 Unterschiedliche Qualität der Unterordnung und das Kontrollrecht<br />
3.5.4.1 Allgemeines<br />
In Kapitel 3.5.2 wurde das Weisungsrecht im Auftrags- und im Einzelarbeitsvertrag<br />
vergleichend dargestellt. Es hat sich dabei gezeigt, dass die Weisungsrechte bei den<br />
einzelnen Vertragsverhältnissen jeweils in ein bestimmtes Vertragsmodell<br />
eingebunden sind. 889 <strong>Die</strong>se Tatsache führt dazu, dass das Weisungsrecht je nach<br />
Vertragstypus inhaltlich anders definiert ist. 890 Das Weisungsrecht kann jedoch auch<br />
889 Grundlegend für das Vertragstypenrecht in allgemeiner Hinsicht: Dasser,<br />
Vertragstypenrecht im Wandel, Zürich 2000, passim.<br />
890 So deutlich der Ansatz bei Werro, N 536f.
- 186 -<br />
innerhalb eines Vertragstypus unterschiedlich sein. <strong>Die</strong>s führt etwa im Bereich <strong>des</strong><br />
Vertragstypus „Einzelarbeitsvertrag“ zur Unterscheidung zwischen dem gewöhnlichen<br />
und dem sog. fachlich weisungsfreien Arbeitnehmer. 891 Solche Unterscheidungen sind<br />
jedoch innerhalb <strong>des</strong> schweizerischen Mandatsrechtes (Art. 394 ff. OR) nicht möglich,<br />
da sowohl die gesetzliche Ordnung 892 als auch die bun<strong>des</strong>gerichtliche Rechtsprechung<br />
893 davon ausgehen, dass das schweizerische Mandatsrecht einheitlich auf alle Verträge<br />
anzuwenden ist, welche als Aufträge zu qualifizieren sind.<br />
3.5.4.2 Subordination als Abgrenzungskriterium<br />
<strong>Die</strong> auftragsrechtliche Lehre hat sich ausführlich 894 mit der Abgrenzung <strong>des</strong><br />
Auftragvertrages vom Arbeitsvertrag befasst, was Beleg dafür ist, dass zwischen<br />
diesen beiden Verträgen auf Arbeitsleistung zahlreiche Berührungspunkte bestehen.<br />
Wurde in der älteren Lehre die Abgrenzung v.a. im Kriterium der Zeitdauer einer<br />
Arbeitsleistung gesucht, 895 so wird in der neueren mandatsrechtlichen Lehre 896 die<br />
Unterscheidung zwischen diesen Vertragstypen nach dem Kriterium der Abhängigkeit<br />
897 (als rechtliche Subordination) vorgenommen. Grundsätzlich wird in der<br />
mandatsrechtlichen Lehre jedoch festgehalten, dass der Mandatsvertrag letztlich nur<br />
typologisch zu bestimmen ist. 898 <strong>Die</strong> nämliche <strong>St</strong>ellungnahmen findet man in der<br />
Rechtsprechung: Auch die Rechtsprechung anerkennt die Qualität der Unterordnung<br />
als grundsätzlich entscheiden<strong>des</strong> Abgrenzungskriterium zwischen den beiden<br />
891<br />
Dazu grundlegend die Dissertation von Hüber aus dem Jahre 1975; auch BK-Rehbinder,<br />
Art. 321d N 24ff. In diesem Zusammenhang ist der Ansicht <strong>des</strong> BGer in BGE 130 III<br />
213ff., E. 2.1, zu widersprechen: „Das schweizerische Arbeitsrecht unterscheidet nicht<br />
nach verschiedenen Arbeitnehmerkategorien.“<br />
892<br />
Das OR kennt nur ein Auftragsrecht.<br />
893<br />
In diesem Zusammenhang kann insbesondere auf BGE 110 II 181ff. hingewiesen werden,<br />
wo bspw. eine Unterscheidung in ein „Berufsmandatsrecht“ und in ein gewöhnliches<br />
Mandatsrecht kategorisch abgelehnt wird. Einen ähnlichen Sachverhalt lag auch dem<br />
folgenden Entscheid zugrunde: BGer in 4C.165/2000, E. 3 und 5.<br />
894<br />
Eine äusserst umfangreiche Übersicht zur Qualifikationsfrage findet sich bei<br />
Schneeberger, 128ff. Siehe dazu auch Dasser, N 101 (mit zahlreichen Hinweisen). Für<br />
eine allgemeine Übersicht kann auf die ausführliche Darstellung von Lehre und<br />
Rechtsprechung bei Rommé, 21ff., verwiesen werden.<br />
895<br />
BK-Becker, Art. 394 N 12; ZK-Oser/Schönenberger, Art. 394 N 21. Besonders auch für<br />
die Abgrenzung Auftrag – Agenturvertrag – Arbeitsvertrag: Kornmeier, 34.<br />
896<br />
Nachweise bei BK-Fellmann, Art. 394 N 308. Grundlegend für die Schweiz: Gautschi,<br />
Auftrag und Geschäftsführung, 72, und BK-Gautschi, Art. 394 N 62b.<br />
897 Siehe hierzu aber die Fundamentalkritik von Rommé, 73ff, welcher das Kriterium (in<br />
rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht) für „untauglich“ hält (82), ohne aber eigentliche<br />
Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.<br />
898 Ausführlich: Derendinger, N 23ff.; BK-Fellmann, Art. 394 N 91ff. resp. N 310ff.
- 187 -<br />
Vertragstypen. 899 In der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung wird allerdings ebenfalls<br />
betont, dass über das „Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses eine Würdigung <strong>des</strong><br />
Gesamtbil<strong>des</strong> nach dem Massstab der Verkehrsanschauung entscheidet.“ 900 Es ist<br />
gerade wieder in den neueren Entscheiden ersichtlich, dass die wirtschaftliche<br />
Subordination im Sinne einer wirtschaftlichen Abhängigkeit 901 als ein zentrales<br />
Kriterium herangezogen wird, falls die rechtliche Subordination zu keinem<br />
902 eindeutigen Ergebnis führt. In diesem Zusammenhang ist abschliessend<br />
festzuhalten, dass „es sich beim Arbeitnehmerbegriff um einen offenen Begriff<br />
handelt“, welcher ebenfalls „nur typologisch erfasst werden kann.“ 903<br />
3.5.4.3 Unterschiedliche Unterordnungsqualität und seine Auswirkungen<br />
Im vorliegenden Zusammenhang interessiert besonders das Weisungsrecht in der<br />
Erscheinungsform <strong>des</strong> Fachanweisungsrechts. Im Einzelarbeitsvertragsrecht wird das<br />
Fachanweisungsrecht (oft auch Direktionsrecht oder Leitungsmacht genannt),<br />
losgelöst von einer einzelnen gesetzlichen Rechtsgrundlage 904 , strukturell damit<br />
begründet, dass zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Subordinationsverhältnis<br />
besteht. 905 <strong>Die</strong>ses Kriterium ist von der oft, aber nicht notwendigerweise damit<br />
899<br />
Grundlegend BGE 95 I 21ff., E. 5b. Ähnlich auch der Entscheid <strong>des</strong> BGer vom 4.2.2000<br />
(4C.346/1999), wonach die rechtliche Subordination entscheidend sei, welche nur<br />
aufgrund aller Umstände <strong>des</strong> Einzelfalls beurteilt werden könne.<br />
900<br />
BGer in JAR 1998 104: Dabei spielt die Eingliederung, die Weisungsgebundenheit und<br />
die Kontrollbefugnis eine entscheidende Rolle. Weitere aktuelle Entscheide: LGVE 2002<br />
I Nr. 25 (Platzwart); KGer BL in JAR 2003 145ff. (Fitnessinstruktorin).<br />
901<br />
<strong>Die</strong>se wirtschaftliche Abhängigkeit ist nicht zu verwechseln mit dem<br />
Abgrenzungskriterium „Unternehmerrisiko“. Siehe dazu ausführlich Rommé, 50ff.,<br />
welcher dieses Kriterium gerade für nicht erheblich einstuft, da diesem Kriterium eine zu<br />
geringe Kennzeichnungskraft zukommt (Rommé, 72).<br />
902<br />
BGer in JAR 2001 135ff.: Der Umstand, dass ein <strong>Die</strong>nstleistender über eine längere Zeit<br />
zu mehr als 75 % ausgelastet wurde, sprach für den Umstand eines Arbeitsverhältnisses.<br />
Demgegenüber hat das OGer LU ein Arbeitsverhältnis gerade <strong>des</strong>halb verneint, weil eine<br />
geringe Auslastung vorlag und ein jährliches Kündigungsrecht bestand (LGVE 2002 I Nr.<br />
25: Platzwart).<br />
„Wer als Arzt, Anwalt oder Architekt ausschliesslich in den <strong>Die</strong>nsten einer Unternehmung<br />
steht, dort in den Betrieb integriert ist und laufend Arbeiten zugeteilt erhält, seht in einem<br />
Arbeitsverhältnis.“: OGer LU in JAR 2001 138ff.<br />
903<br />
OGer BL vom 21.5.1996 in JAR 1998 108 und 114. <strong>Die</strong>se Ansicht führte im erwähnten<br />
Entscheid dazu, dass nach Berücksichtigung aller Vertragsklauseln ein Arbeitsvertrag<br />
verneint worden ist, obwohl „es nicht abzustreiten ist, dass eine gewisse Unterordnung<br />
besteht.“ Entscheidend ist die konkrete <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong> Arbeitsleistenden, wobei Kriterien<br />
wie der Gegenstand der zu verrichtenden Arbeit (...), die <strong>St</strong>renge der in Rede stehenden<br />
Haftung [Gautschi, Auftrag und Geschäftsführung, 71, mit der Begründung, dass beide<br />
Arbeitsleistungen nicht den Erfolg garantieren, sondern nur ein bestimmtes Mass an<br />
Sorgfalt festlegten] und die Art [so BK-Gautschi, Art. 394 N 62b] oder Höhe der<br />
Entlöhnung [so auch BGer vom 24.2.1997, in: JAR 1998 104f.] zu beachten sind.<br />
904<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.2.2.<br />
905<br />
Vischer, 2005, 138; BK-Rehbinder, Art. 321d N 17; ZK-Oser/Schönenberger, Art. 319 N<br />
14; <strong>St</strong>amm, 1f.; Hüber, 54; Werro, N 536.
- 188 -<br />
verbundenen Frage der Eingliederung in die betriebliche Organisation <strong>des</strong><br />
Arbeitgebers zu unterscheiden, da dieses Kriterium weiter die Grundlage für das<br />
Verhaltensanweisungsrecht ist. 906 Eine Unterordnung erscheint allerdings als<br />
Wesensmerkmal einer jeden arbeitsteiligen Organisation. Jede arbeitsteilige<br />
Organisation hat eine tatsächliche und damit auch rechtliche Unterordnung zur Folge,<br />
wodurch sich die Vertragstypen „Auftragsvertrag“ und „Arbeitsvertrag“ von den<br />
blossen Verträgen mit Austauschcharakter unterscheiden. Sowohl der Arbeitsvertrag<br />
als auch der Auftragsvertrag machen eine organisatorische Einordnung in ein<br />
arbeitsteiliges Modell notwendig. <strong>Die</strong> Tatsache der Arbeitsteilung wird im Bereich <strong>des</strong><br />
Auftragrechtes jedoch in der Weise verwirklicht, dass der Beauftragte seine<br />
Arbeitsleistung unter Wahrung einer gewissen Autonomie für einen anderen erbringen<br />
soll. <strong>Die</strong> Erbringung dieser Leistung erfolgt dabei ohne Frage im eigentlichen Interesse<br />
<strong>des</strong> Auftraggebers, doch ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es die Person <strong>des</strong><br />
Auftragnehmers ist, welche die Leistungserstellung in eigener Organisation 907 und in<br />
eigener Verantwortlichkeit 908 erbringt. <strong>Die</strong>se Umstände können nicht ohne Folgen für<br />
die Bestimmung der Inhalte der mandatsrechtlichen Pflichten (Weisungsrecht,<br />
Befolgungspflicht, Informationspflicht etc.) sein. <strong>Die</strong> Darstellung <strong>des</strong><br />
Informationsrechts im Einzelarbeitsvertragsrecht hat gezeigt, dass eine eigentliche<br />
Kontrolle eingerichtet wird, was dem Wesen <strong>des</strong> Arbeitsvertrages entspricht. 909<br />
Demgegenüber wird dem <strong>Beauftragten</strong> im Auftragsrecht ein eigentlicher<br />
Autonomiebereich zugestanden, weshalb gerade kein generelles Kontrollrecht <strong>des</strong><br />
Auftraggebers nachgeschaltet wird. <strong>Die</strong> Autonomie wird gerade im Unterschied zum<br />
Arbeitsrecht aufrechterhalten.<br />
Daraus folgt, dass auch im Vertragstyp „Auftrag“ eine gewisse Unterordnung gegeben<br />
ist. Entscheidend in Bezug auf die ableitbaren Rechtsfolgen ist jedoch, dass die<br />
jeweiligen Unterordnungen im Auftragsrecht und im Arbeitsvertragsrecht<br />
unterschiedliche Qualitäten aufweisen. <strong>Die</strong>ser Umstand führt dazu, dass an die<br />
jeweilige Art der Unterordnung auch unterschiedliche Inhalte von Rechten und<br />
Pflichten geknüpft werden. Um die unterschiedlichen Qualitäten der beiden hier<br />
gegenübergestellten Vertragstypen zu verdeutlichen, lässt sich feststellen, dass „[d]ie<br />
906 So deutlich <strong>St</strong>amm, 6; Hüber, 55 und 59.; Vischer, 2005, 138f. <strong>Die</strong>se Unterscheidung<br />
wird von BK-Rehbinder, Art. 321d N 17, nicht gemacht.<br />
907<br />
Derendinger, N 33: „[D]er Beauftragte organisiert seine Arbeit in zeitlicher, räumlicher<br />
und materieller Hinsicht selbstständig.“<br />
908<br />
Art. 399 OR.<br />
909 Siehe dazu ausführlich Kapitel 3.5.3.
- 189 -<br />
Weisungsgebundenheit <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> nach Art. 397 OR und seine Pflicht zur<br />
Rechenschaftsablegung nach Art. 400 OR ihn ebenso wenig zum Arbeitnehmer im<br />
Sinne <strong>des</strong> Arbeitsvertragsrechtes machen wie die fachliche Weisungsfreiheit<br />
festangestellter Mitglieder bestimmter Berufsgruppen (z. B. Ärzte, Architekten,<br />
Juristen, Künstler usw.) diese zu <strong>Beauftragten</strong> im Sinne <strong>des</strong> Auftragrechtes [machen].“<br />
910 Der bereits angesprochene Unterschied in der rechtlich relevanten Unterordnung <strong>des</strong><br />
Arbeitnehmers liegt darin, dass „Weisungen und Instruktionen den Gang und die<br />
Gestaltung der Arbeit durch den Verpflichteten unmittelbar beeinflussen und dem<br />
Berechtigten eine Kontrollbefugnis zusteht.“ 911 Es ist das eigentliche Kontrollrecht im<br />
Arbeitsvertragsrecht, welches den Unterschied in der rechtlich relevanten<br />
Unterordnung verdeutlicht und ausmacht. 912 <strong>Die</strong>ser Unterordnung <strong>des</strong> Arbeitnehmers<br />
entspricht informationsseitig die Anerkennung eines Kontrollrechts <strong>des</strong> Arbeitgebers.<br />
<strong>Die</strong>ses Kontrollrecht ist in den strukturellen Grundlagen <strong>des</strong> Arbeitsvertragsrechts<br />
begründet und findet <strong>des</strong>halb im gesamten Einzelarbeitsvertragsrecht Anwendung,<br />
also insbesondere auch im Falle <strong>des</strong> sog. fachlich weisungsfreien Arbeitnehmers. 913<br />
<strong>Die</strong> Situation im Auftragsrecht präsentiert sich anders: „<strong>Die</strong> Weisung [im<br />
Auftragsrecht] bestimmt den Umfang und die Ausführung <strong>des</strong> Auftrages näher, belässt<br />
aber dem <strong>Beauftragten</strong> stets eine gewisse Freiheit in der Ausführung <strong>des</strong> Auftrages<br />
und kann nicht in eine Kontrolle durch den Auftraggeber ausmünden. Insbesondere<br />
fehlt beim Auftrag eine Eingliederung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> in den Betrieb <strong>des</strong><br />
Auftraggebers. Ebenso kann die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> gemäss Art.<br />
400 Abs. 1 nicht zu einer eingehenden Überwachung <strong>des</strong> Auftragnehmers führen.“ 914<br />
Dementsprechend zeichnet sich der Auftragsvertrag dadurch aus, dass gerade kein<br />
Kontrollrecht <strong>des</strong> Auftraggebers anzuerkennen ist, da die strukturellen Grundlagen <strong>des</strong><br />
Auftragsrechts eine Autonomie <strong>des</strong> Auftragnehmers bewirken.<br />
Dem zugestandenen Autonomiebereich <strong>des</strong> Auftragnehmers ist ein<br />
Ausgleichsmechanismus entgegenzustellen, wodurch wieder eine ausgeglichene<br />
Rechts- und Pflichtenlage im Auftragsverhältnis geschaffen wird: Dabei erscheint die<br />
910<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 309 (unter Bezugnahme auf BK-Rehbinder, Art. 319 N 52).<br />
911<br />
Vischer, 2005, 24 (mit Hinweisen auf die Rechtsprechung <strong>des</strong> BGer). Ohne weitere<br />
Begründung jedoch anders: OGer ZH in ZR 101 Nr. 26 E. III/3.1<br />
912<br />
Es ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass den Arbeitgeber im<br />
Verhältnis zu Drittpersonen auch eine eigentliche Pflicht zur Überwachung und Kontrolle<br />
trifft, will er Schadenersatzansprüche Dritter vermeiden oder reduzieren: Koller, 504f.<br />
913 Siehe dazu Kapitel 3.5.2.<br />
914 ZK- Schönenberger/<strong>St</strong>aehelin, Art. 319 N 38 (Hervorhebungen hur hier).
- 190 -<br />
strengere Verantwortlichkeit <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> als die Kompensation für den<br />
zugestandenen Autonomiebereich. <strong>Die</strong>s hat auch die Lehre zum Mandatsrecht<br />
anerkannt, wird doch die Verweisung von Art. 398 Abs. 1 OR auf Art. 321a bzw. 321e<br />
915 OR unter dem Gesichtspunkt der Unterschiedlichkeit der Vertragstypen als „wenig<br />
glücklich“ 916 , „wenig nützlich“ 917 oder schlicht als „gesetzgeberische Fehlleistung“ 918<br />
beurteilt. 919 <strong>Die</strong> angemessene Antwort auf den Autonomiebereich liegt demnach in<br />
einer durch das gesteigerte Vertrauen verschärften Haftung bzw. in einem höher<br />
anzusetzenden Sorgfaltsmassstab. 920 Damit hat die dem Auftragnehmer zugestandene<br />
Autonomie ihren Ausgleichsmechanismus in einer verschärften Verantwortlichkeit<br />
und nicht in einem umfassenden Kontrollrecht gefunden. Der rechtlich anerkannte<br />
Autonomiebereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> wirkt sich in einem reduzierten Weisungsrecht 921<br />
und damit in einem beschränkten Informationsrecht aus. <strong>Die</strong>ser Zusammenhang wird<br />
im schweizerischen Recht auch an anderer <strong>St</strong>elle in Betracht gezogen: In der Lehre<br />
wird ausgeführt, dass sich im Bereich <strong>des</strong> AFG die Geschäftsführung durch dieselben<br />
strukturellen Merkmale wie im Recht <strong>des</strong> Auftrages auszeichnet, weshalb unter<br />
anderem „[D]ie Anleger bei der Aufgabenerfüllung keinerlei Weisungsrecht haben.“ 922<br />
Dadurch wird eine weitgehende Autonomie der Fondsleitung anerkannt, was jedoch<br />
informationsseitig Folgen hat: „Nach geltendem Recht ist jedoch, wenn auch nur<br />
subsidiär, Auftragsrecht anwendbar (...). Im Hinblick darauf, (...) dass dem einzelnen<br />
Anleger gegenüber der Fondsleitung als Beauftragter kein Weisungsrecht zusteht, hat<br />
der Gesetzgeber das individuelle Auskunftsrecht eingeschränkt.“ 923<br />
915 In diesem Zusammenhang kann auf BGE 127 III 357ff., E. 1c, hingewiesen werden,<br />
wonach „diese Verweisung dahingehend zu verstehen ist, dass der Beauftragte zwar nicht<br />
für die gleiche – weniger strikte – Sorgfalt wie der Arbeitnehmer, jedoch nach der<br />
gleichen Regel haftet.“ Dazu auch ausführlich: Roberto, Gedanken, 34ff.<br />
916 BK-Gautschi, Art. 398 N 24c.<br />
917 Hofstetter, 2000, 126 (mit zahlreichen weiteren Hinweisen).<br />
918 Derendinger, N 262; BK-Fellmann, Art. 398 N 480.<br />
919 Eine Übersicht der Lehrmeinungen zu dieser Frage findet sich bei Schneeberger, 159.<br />
920 Dazu Derendinger, N 262 und FN 212.<br />
921 Siehe dazu insbesondere Kapitel 3.5.2.2.3.<br />
922<br />
Küng/Büchi, 148.<br />
923<br />
AppGer BE in BJM 1998 137 E. 3a. Dabei ist zu beachten, dass die weiteren spezifischen<br />
Argumente <strong>des</strong> Anlagefondsrechtes, die in der Folge zur Begründung eines eigentlichen<br />
Kontrollrechtes führten, im allgemeinen Schuldrecht keine Bedeutung erlangen können:<br />
„Dem Gesetzgeber war allerdings bereits bei Erlass <strong>des</strong> geltenden Anlagefondsgesetzes<br />
bewusst, dass die gesetzlichen Publizitätsvorschriften und die eingebauten<br />
Kontrollmechanismen nicht genügen würden, den vom Gesetz angestrebten Schutz <strong>des</strong><br />
Anlegers in jedem Fall zu gewährleisten. <strong>Die</strong> öffentliche Empfehlung zur Annahme und<br />
Verwaltung von Publikumsgeldern kann einen erhöhten Schutz der Anleger erforderlich<br />
machen. Und ein wirksamer Schutz der Anlegerrechte ohne umfassende Auskunfts- und<br />
Kontrollrechte ist kaum denkbar.“
- 191 -<br />
Im Sinne einer Zusammenfassung kann festgestellt werden, dass im Auftragsrecht<br />
gerade der Umstand <strong>des</strong> fehlenden Weisungsrechtes resp. der festgeschriebenen<br />
Autonomie <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> als Begründung und sachliche Rechtfertigung für ein<br />
inhaltlich beschränktes individuelles Informationsrecht angeführt werden kann,<br />
welches nicht die Qualitäten eines Kontrollrechts aufweisen darf. 924<br />
3.5.5 Konsequenzen für eine Informationsrechtsordnung im Auftragsrecht<br />
3.5.5.1 Allgemeines<br />
Im vorangehenden Abschnitt wurden die Grundlagen <strong>des</strong> Arbeitsverhältnisses<br />
dargestellt, wonach v.a. der Grad der rechtlichen Subordination als entscheiden<strong>des</strong><br />
Kriterium für die Charakterisierung eines Arbeitsleistungsvertrages identifiziert wurde.<br />
Wie weiter ausgeführt worden ist, verlangt auch das Auftragsverhältnis nach einer<br />
gewissen Unterordnung, wobei die entsprechende Unterordnung eine andere Qualität<br />
als im Einzelarbeitsvertrag aufweist, weshalb sich der Auftragsvertrag durch eine<br />
fehlende Kontrolle vom Arbeitsvertrag abhebt. In diesem Abschnitt wird das<br />
Auftragsvertragsrecht von einem organisatorischen <strong>St</strong>andpunkt dargestellt, was die<br />
bisherigen Erkenntnisse insbesondere hinsichtlich der auftragsrechtlichen<br />
Informationsordnung (d.h. kein Kontrollrecht) bestätigen soll.<br />
3.5.5.2 Auftragvertrag als Organisation<br />
Auch das Auftragsrecht zeichnet sich durch eine gewisse Unterordnung aus, wie die<br />
Ausführungen zum Weisungsrecht ergeben haben. 925 Beim Auftragsvertrag handelt es<br />
sich dem Wesen nach um einen sog. Interessenwahrungsvertrag, weshalb sich dieses<br />
Vertragsverhältnis durch gewisse kooperative Qualitäten auszeichnet. Es ist allerdings<br />
auf den deutlichen Unterschied zu den Interessenvergemeinschaftungsverträgen<br />
hinzuweisen, bei welchen die notwendige Kooperation durch die Methode der<br />
Entscheidfindung durch Beschluss begründet wird. 926 Demgegenüber ist die<br />
Beschlussfassung dem Auftragsrecht fremd, 927 weshalb beim Auftrag als einem<br />
Interessenwahrnehmungsvertrag die „<strong>St</strong>euerung“ durch das Mittel <strong>des</strong><br />
928 Weisungsrechtes erfolgt. <strong>Die</strong>s zeigt, dass die beteiligten Personen im<br />
Auftragsvertrag einander nicht als gleich gestellte Parteien gegenüber treten, sondern<br />
924<br />
Für die Konsequenzen: Siehe sogleich Kapitel 3.5.5.<br />
925<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.4.<br />
926<br />
BasK-Weber, Art. 394 N 34.<br />
927<br />
BasK-Weber, Art. 394 N 34.<br />
928<br />
Siehe dazu Kapitel 1.3.1 und 3.7.1.
- 192 -<br />
dass sich die Organisation „Auftragsverhältnis“ durch eine gewisse Unterordnung <strong>des</strong><br />
Auftragnehmers auszeichnet, ohne dass damit etwas über die Pflichtenlage ausgesagt<br />
würde.<br />
Es ist die Funktion einer Organisation, dass in ihr verschiedene Prozesse einer festen<br />
Regelung zugeführt werden müssen, damit sie überhaupt bestehen kann. Dabei ist bei<br />
der Beantwortung der verschiedenen Prozesse die Tatsache zu beachten, dass gerade<br />
eine Organisation vorliegt und es darf diese Tatsache nicht übergangen werden. Bei<br />
der Regelung von Prozessen in Organisationen ist im Sinne <strong>des</strong><br />
Gleichbehandlungsgebots zu beachten, dass die entsprechenden Lösungen in<br />
unterschiedlichen Vertragsbeziehungen auch unterschiedlich ausfallen sollen. Es ist im<br />
hier interessierenden Zusammenhang also insbesondere auch zu beachten, dass es sich<br />
beim Auftragsvertrag um einen Interessenwahrnehmungsvertrag und nicht um einen<br />
Interessenvergemeinschaftungsvertrag handelt. Im Gegensatz zum<br />
Personengesellschaftsvertrag (als Modell eines<br />
Interessenvergemeinschaftungsvertrags) sind die Vertragsparteien im Auftragsvertrag<br />
einander nicht gleich geordnet, sondern stehen auch in einer gewissen Unterordnung.<br />
Informationsseitig wird diesem Umstand damit am besten entsprochen, dass auch<br />
keine Vergemeinschaftung von Information zugelassen wird. 929<br />
Jede Organisation bedeutet Aufgabenteilung, 930 was aufgrund der angesprochenen<br />
Unterordnung im Auftragsvertrag eine klare arbeitsteilige Leistungserstellung<br />
bedeutet. Aus diesem Grund zeichnet sich der Auftragsvertrag durch eine<br />
entsprechend charakteristische, organisatorische Komponente aus. Vor diesem<br />
Hintergrund ist im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frage die Feststellung<br />
zentral, dass jede Organisation entsprechend der Aufgabenteilung eine<br />
Informationsbewirtschaftung 931 und eine Informationsverteilung 932 mit sich bringt.<br />
Damit wird ausgesagt, dass, auf diese Grundsätze gestützt, nicht alle Teile einer<br />
Organisation an der Verarbeitung von Informationen teilnehmen (müssen). 933 Mit<br />
anderen Worten: <strong>Die</strong> Aufgabenverteilung in einer Organisation bringt es mit sich, dass<br />
eine Informationszuteilung im Sinne einer Zuteilung von Exklusivbereichen<br />
929 Siehe dazu für den Bereich <strong>des</strong> Personengesellschaftsrechts: Kapitel 3.7.2.<br />
930<br />
Organisation hat ihren Sinn gerade in der Aufgabenteilung: Druey, Information als<br />
Gegenstand, 281.<br />
931<br />
Siehe dazu Druey, Information als Gegenstand, 297ff.<br />
932 Siehe dazu Druey, Information als Gegenstand, 281f.<br />
933 Druey, Information als Gegenstand, 147.
- 193 -<br />
zugestanden werden kann. So wie der Auftragsvertrag in grundsätzlicher Hinsicht kein<br />
Interessenvergemeinschaftungsvertrag ist, so findet auch in informationeller Hinsicht<br />
im Auftragsvertrag keine Vergemeinschaftung von Information statt. <strong>Die</strong>se<br />
Feststellung ist grundsätzlich bei jeder Informationspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> zu<br />
beachten, da andernfalls die Tatsache negiert wird, dass mit dem Auftragsvertrag eine<br />
Organisation vorliegt, die „bloss“ der Interessenwahrung dient.<br />
<strong>Die</strong> genannten allgemeinen Organisationsprinzipien sind insbesondere in allen<br />
Austauschbeziehungen zu beachten 934 , also auch insbesondere im Auftragsvertrag 935<br />
und es sind just jene Grundsätze, welche Informationsflüsse lenken. 936 Zentral ist die<br />
Beachtung der weiteren Konsequenz, dass einer entsprechenden Aufgabenteilung und<br />
der damit verbundenen Tatsache solcher Exklusivbereiche in rechtlicher Hinsicht<br />
durch die <strong>St</strong>atuierung von Zuständigkeiten entsprochen wird. 937 Nach dieser<br />
Konzeption muss sich ein Informationsfluss also auf der Basis einer konkret zu<br />
938 benennenden Zuständigkeit einer Vertragspartei rechtfertigen. Im hier<br />
interessierenden Zusammenhang führt die Benennung einer konkreten Zuständigkeit<br />
<strong>des</strong> Auftraggebers im Zusammenhang mit dem Weisungsrecht im Auftragsvertrag<br />
dazu, dass im typischen Mandatsvertrag das Weisungsrecht auf das sog.<br />
Zielanweisungsrecht beschränkt ist, 939 da einzig in diesem Bereich <strong>des</strong> Weisungsrechts<br />
dem Auftraggeber als „dem eigentlichen Geschäftsherrn“ eine Zuständigkeit<br />
zuzuerkennen ist. Demgegenüber ist im Bereich <strong>des</strong> Auftragsrechts eine grundsätzliche<br />
Freiheit von Fach- und Verhaltensweisungen anerkannt, weshalb es in diesen<br />
Bereichen <strong>des</strong> Weisungsrechts keine entsprechende Zuständigkeit <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
geben kann. 940 Damit ist bezüglich der zuletzt genannten Bereiche <strong>des</strong> Weisungsrechts<br />
dem Auftraggeber auch kein Informationsrecht gegeben, weshalb den <strong>Beauftragten</strong><br />
insbesondere über das „wie“ der Auftragsausübung keine Informationspflicht trifft.<br />
934<br />
Druey, Information als Gegenstand, 284.<br />
935<br />
Siehe dazu Kapitel 1.3.1 und 1.3.3, aber auch 3.7.1.<br />
936<br />
Druey, Information als Gegenstand, 143.<br />
937<br />
Druey, Information als Gegenstand, 143: „Organisation schafft Zuständigkeiten, also<br />
normative Grössen im Sinne eben dieser Rollenaufteilung.“<br />
938<br />
So hat bspw. der Verwaltungsrat gerade eine umfassende Zuständigkeit, wenn er von der<br />
Möglichkeit in Art. 716 Abs. 2 OR nicht Gebrauch gemacht hat: Dazu Druey, Information<br />
als Gegenstand, 144.<br />
939<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.2.2.2.<br />
940<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.2.2.1 und 3.5.2.2.3. Gestützt auf diese Grundlagen, gelangt Druey,<br />
Information als Gegenstand, 228, mittels eines Konzeptes der sog. Restzuständigkeiten zu<br />
einem vergleichsweise engen Informationsrecht „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ gemäss Art. 400<br />
Abs. 1 OR.
- 194 -<br />
Gemäss diesen Ausführungen aus dem Auftragsrecht ist <strong>des</strong>halb zu folgern, dass die<br />
informationsrechtlichen Institute <strong>des</strong> Mandatsrechts dem Auftraggeber jene<br />
Informationen liefern können müssen, welche für die Wahrnehmung <strong>des</strong> sog.<br />
Zielanweisungsrechts durch den Auftraggeber notwendig sind. 941 Dabei ist an dieser<br />
<strong>St</strong>elle bereits festzuhalten, dass damit noch nichts über den dafür geeigneten<br />
Informationsrechtstitel ausgesagt ist. <strong>Die</strong>s ist Gegenstand <strong>des</strong> folgenden Abschnitts.<br />
3.5.5.3 Auftragsrechtliches Weisungsrecht und notwendige<br />
Kommunikationsordnung<br />
Wie die Ausführungen zu den organisationsrechtlichen Aspekten <strong>des</strong> Auftragsrechts<br />
ergeben haben, ist der Auftraggeber in die Lage zu versetzen, dass er sein<br />
Zielanweisungsrecht wahrnehmen kann. 942 Es wurde bereits an anderer <strong>St</strong>elle<br />
ausgeführt, dass in der Praxis in dieser Hinsicht entweder klare Verhältnisse vorliegen<br />
oder aber eine grosse Offenheit anzutreffen ist. 943 Das Auftragsrecht zeichnet sich<br />
gerade im zuletzt genannten Fall durch seine Unbestimmtheit aus 944 , da typischerweise<br />
keine standardisierbaren Leistungen in Rede stehen. Anderseits zeichnen sich aber<br />
auch gerade laufende Aufträge dadurch aus, dass immer wieder neue Entscheidungen<br />
über die Richtung einer Mandatsausführung getroffen werden müssen.<br />
Es ist vielleicht gerade eine Besonderheit von Interessenwahrungsverträgen, dass es<br />
für die Wahrnehmung <strong>des</strong> hier in Rede stehenden Zielanweisungsrechts eines<br />
eigentlichen informationellen Austausches bedarf. Dabei zeigt bereits die allgemeine<br />
Erfahrung, dass für die Ausübung <strong>des</strong> entsprechenden Zielanweisungsrechtes eben<br />
nicht blosse Information, sondern eigentliche Kommunikation notwendig ist. Der<br />
notwendige Kommunikationscharakter der geforderten Informationsbeziehung ergibt<br />
sich dadurch, dass die „Erstellung“ einer grundsätzlich nicht standardisierten Leistung<br />
„Zielanweisungsrecht“ in Rede steht, weshalb in diesem Zusammenhang zutreffend<br />
von der Notwendigkeit <strong>des</strong> Dialogs gesprochen wird. 945 <strong>Die</strong>ser Aspekt einer<br />
mandatsrechtlichen Beziehung wird aber durch jene Informationspflichten abgedeckt,<br />
welche gewisse Qualitäten aufweisen: „ [D]er Gedanke von Treu und Glauben [gibt]<br />
genau das wieder, was diese Kommunikationsnormen ausmacht.“ 946 <strong>Die</strong> erwähnte<br />
941<br />
Druey, Information als Gegenstand, 142 und 338ff.<br />
942<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.5.3.<br />
943<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.2.2.<br />
944<br />
BasK-Weber, Art. 394 N 3.<br />
945<br />
Druey, Information als Gegenstand, 339.<br />
946<br />
Druey, Information als Gegenstand, 155 (Hervorhebungen im Original).
- 195 -<br />
Offenheit <strong>des</strong> Auftrages und die Zuständigkeit <strong>des</strong> Auftraggebers, die Zielanweisung<br />
zu geben oder anzupassen, erfordert Aufklärung und Beratung durch Kommunikation.<br />
Es ist dies gerade jener Bereich der Informationspflichten, in welchem ein<br />
ausgewiesener oder vermuteter Informationsbedarf hinreichende Grundlage für eine<br />
entsprechende Informationspflicht ist. 947 Es ist jener Bereich, in welchem „das<br />
allgemeine Gebot von Treu und Glauben als Hort <strong>des</strong> vertraglichen<br />
Informationsrechts“ 948 gänzlich zur Geltung kommen kann. <strong>Die</strong>s hat auch die<br />
Rechtsprechung anerkannt, indem sie feststellt: „Ausfluss der Treuepflicht ist<br />
insbesondere, dass der Beauftragte den Auftraggeber beraten und informieren muss.<br />
Mit regelmässiger Beratung hat er dem Auftraggeber bei der Wahl der geeigneten<br />
Massnahmen behilflich zu sein. (...). Gegenstand der Informationspflicht bildet alles,<br />
was für den Auftraggeber von Bedeutung ist. Der Beauftragte hat als Fachmann dem<br />
Auftraggeber auch unaufgefordert über die Zweckmässigkeit <strong>des</strong> Auftrages und der<br />
Weisungen, die Kosten und Gefahren sowie die Erfolgschancen Auskunft zu geben.“<br />
949 Gerade in diesem Bereich und bei diesen Pflichten kann der<br />
Interessenwahrungsgrundsatz <strong>des</strong> Auftragvertrages zur Geltung kommen, weshalb „in<br />
diesem Bereich der Vertrag seinen Austauschcharakter zugunsten der<br />
Vergemeinschaftung einbüsst (...).“ 950 Hier hat der Beauftragte alle Information zu<br />
geben, die aufgrund der konkreten Situation erforderlich sind, damit der Auftrag erfüllt<br />
und insbesondere das Zielanweisungsrecht wahrgenommen werden kann.<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse in dieser Arbeit haben gezeigt, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als<br />
Informationsrechtstitel gemäss Art. 400 OR nicht Grundlage einer eigentlichen<br />
Kommunikation zwischen Auftraggeber und <strong>Beauftragten</strong> sein kann: <strong>Die</strong><br />
verschiedenen Ansätze in der vorliegenden Arbeit belegen, dass, gestützt auf Art. 400<br />
OR, nur standardisierte Informationen geschuldet sind, da es sich um eine eigentliche<br />
Berichtspflicht handelt. An dieser <strong>St</strong>elle ist auch weiter auf die Tatsache hinzuweisen,<br />
dass die blosse Tatsache eines Informationsgefälles – und dies etwa im Gegensatz zu<br />
anderen Informationsrechten wie der Aufklärungspflicht – für die Begründung einer<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ nicht ausreichend ist. 951 Zudem sind die<br />
entsprechenden Informationen in jedem Fall vergangenheitsbezogen und können damit<br />
947<br />
Dazu Druey, Information als Gegenstand, 284.<br />
948<br />
Dazu Druey, Information als Gegenstand, 340.<br />
949<br />
BGE 115 II 62ff., E. 3.<br />
950<br />
Druey, Information als Gegenstand, 340 (Hervorhebung im Original).<br />
951<br />
Druey, Information als Gegenstand, 323 und 341.
- 196 -<br />
wesensgemäss und grundsätzlich nicht oder doch nur sehr bedingt für die<br />
Wahrnehmung <strong>des</strong> sog. Zielanweisungsrechts <strong>des</strong> Auftraggebers dienen. 952 Es bleibt<br />
die abschliessende Feststellung, dass eine <strong>Rechenschaftspflicht</strong> i.S.v. Art. 400 Abs. 1<br />
OR die notwendige Kommunikation für das entsprechende Weisungsrecht nicht<br />
sicherstellen kann. Das Informationsbedürfnis und der Gedanke <strong>des</strong> privatrechtlichen<br />
Schutzes der strukturell schwächeren Vertragspartei ist demgegenüber gerade die<br />
Begründung und Rechtfertigung anderer Informationspflichten wie der<br />
Aufklärungspflicht oder Beratungspflicht, die aber nach eigenen Regelungsgedanken<br />
zu definieren und von einer Informationspflicht „Rechenschaft“ deutlich zu<br />
unterscheiden sind. 953 Es ist jener Bereich der Aufklärungs- und Beratungspflichten, in<br />
welchem umfassende Interessenwahrungspflichten postuliert werden 954 und es sind<br />
jene Pflichten, welche als eigentlicher Motor in der auftragsrechtlichen Beziehung<br />
erscheinen, soweit die Kommunikation zwischen den Vertragsparteien auf die<br />
Gestaltung der Zukunft der Vertragsbeziehung (und damit auf das<br />
Zielanweisungsrecht) gerichtet ist.<br />
3.5.6 Fazit<br />
In diesem Kapitel wurden die Grundlagen von Arbeitsvertrag und Mandatsvertrag<br />
untersucht, soweit sie im hier interessierenden Zusammenhang <strong>des</strong> Informationsrechts<br />
relevant sind. Es hat sich bei dieser Untersuchung ergeben, dass informationsrechtlich<br />
der entscheidende Unterschied zwischen diesen beiden Arbeitsleistungsverträgen im<br />
Bestehen oder Nichtbestehen eines Kontrollrechtes liegt. Dabei stellt das Kontrollrecht<br />
im Bereich <strong>des</strong> Arbeitsvertrages die Entsprechung zum rechtlich relevanten<br />
Subordinationsverhältnis dar. Aus Sicht <strong>des</strong> Auftragvertrages und aus Sicht <strong>des</strong><br />
Informationsrechts sind damit die Kontrolle resp. ein Kontrollrecht gerade<br />
begriffswesentlicher Bestandteil und Abgrenzungskriterium zu einem anderen<br />
<strong>Die</strong>nstleistungsvertrag: dem Arbeitsvertrag. Mit dem Vertragstyp „Auftragsvertrag“ ist<br />
ein Kontrollrecht (<strong>des</strong> Auftragsgebers) demzufolge als grundsätzlich unvereinbar<br />
anzusehen, weshalb es als Wesensmerkmal <strong>des</strong> Auftragsvertrags anzusehen ist, dass<br />
die Leistungserbringung ohne eigentliche Kontrolle <strong>des</strong> Auftraggebers erfolgt.<br />
952<br />
Siehe dazu etwa die Ausführungen zur Ablieferungsobligation in Kapitel 3.3 resp. zur<br />
Dokumentationspflicht in Kapitel 3.2. Weiter hat die Untersuchung ebenfalls ergeben,<br />
dass die Kommunikation adressatenspezifisch erfolgen kann: Siehe dazu Kapitel 3.3.4.<br />
953<br />
Siehe dazu für die Schweiz grundlegend Abegglen, passim (mit zahlreichen Hinweisen).<br />
954<br />
Ist der Gegenstand <strong>des</strong> übertragenen Mandatsvertrages aber eingeschränkt, so reduziert<br />
sich auch die Pflicht zur generellen Interessenwahrung: BGE 119 II 333ff. E. 5a (in casu<br />
nicht Vermögensverwaltungsauftrag, sondern blosse Ausführung von einzelnen<br />
Börsentransaktionen).
- 197 -<br />
Es wurde das Weisungsrecht in seinen Teilaspekten Verhaltensanweisungsrecht,<br />
Fachanweisungsrecht und Zielanweisungsrecht dargestellt und auf die Besonderheiten<br />
und Gemeinsamkeiten im Arbeitsvertrags- und Auftragsrecht untersucht. Aus den<br />
entsprechenden Ausführungen ergab sich, dass es im Auftragvertrag – im Unterschied<br />
zum Arbeitsvertrag – nur eine bestimmte Informationsordnung gibt, welche generell in<br />
allen Fällen zur Anwendung kommt. Insbesondere die Auseinandersetzung mit dem<br />
Fachanweisungsrecht führte zur Erkenntnis, dass sich nur ein eingeschränktes<br />
Einwirkungsrecht <strong>des</strong> Auftraggebers mit dem Konzept der begriffsnotwendigen<br />
Autonomie <strong>des</strong> Auftragvertrages verträgt. Dabei entspricht dieses eingeschränkte<br />
Einwirkungsrecht der beschränkten Zuständigkeit <strong>des</strong> Auftraggebers im Bereich <strong>des</strong><br />
Fachanweisungsrechts. Dem eingeschränkten Weisungsrecht entspricht<br />
informationsseitig ein eingeschränktes Informationsrecht, wodurch sich diese eine<br />
Informationsordnung im Auftragsrecht charakterisiert. Aufgrund dieser Überlegungen<br />
stellt das Weisungsrecht in der Ausprägung <strong>des</strong> Fachanweisungsrechts keine<br />
Grundlage für ein umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht „Rechenschaft“ dar. <strong>Die</strong><br />
Ausführungen ergeben vielmehr, dass sich diese Situation im Bereich <strong>des</strong><br />
Informationsrechts gemäss Art. 400 OR generell so auswirkt, dass gewisse<br />
Informationsdefizite in Kauf genommen werden. 955 <strong>Die</strong> Darstellung zeigt in diesem<br />
Zusammenhang, dass der Gesetzgeber in einem Grundsatzentscheid die <strong>St</strong>atuierung<br />
einer verschärften Haftung als Ausgleichsmechanismus für den zugestandenen<br />
Autonomiebereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> der Einrichtung eines umfangreichen<br />
Kontrollrechts vorgezogen hat. Damit unterscheidet sich die Informationsordnung<br />
auch etwa von der Rechtslage im Personengesellschaftsrecht: Jedem einzelnen<br />
Personengesellschafter wird aufgrund der Eigenart seiner Gesellschaftersituation<br />
entsprechend der allgemeinen Vergemeinschaftungstendenz ein Kontrollrecht<br />
zugestanden (siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.7.2). Auch in diesem Sinne<br />
entspricht das eingeschränkte Informationsrecht „Rechenschaft“ einem generellen<br />
Einordnungsprinzip (nach Intensität einer vertraglichen Beziehung), da es sich beim<br />
Auftragsvertrag lediglich um einen Interessenwahrungsvertrag handelt.<br />
Vor diesem Hintergrund wurde der Auftragvertrag als Organisation dargestellt und<br />
dahingehend untersucht, was sich aus einer entsprechenden Betrachtungsweise zum<br />
Verhältnis zwischen Weisungsrecht und Informationsrecht aussagen lässt. <strong>Die</strong><br />
955 Vgl. in diesem Zusammenhang jedoch die zahlreichen Informationspflichten <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong>, welche sich auf die Vertrauensgrundlage oder die allgemeine Sorgfalts- und<br />
Treuepflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> stützen, die aber nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit<br />
sind.
- 198 -<br />
entsprechenden Ausführungen führen zu einer Informationsordnung, welche auf die<br />
konkreten Zuständigkeiten <strong>des</strong> Auftraggebers Bezug nimmt. <strong>Die</strong>se Zuständigkeit<br />
ergibt sich aufgrund <strong>des</strong> Zielanweisungsrechts <strong>des</strong> Auftraggebers. Dabei hat sich<br />
allerdings gezeigt, dass dieses zugestandene Weisungsrecht, welches sich auf die<br />
Zukunft der Ausführungsobligation auswirken soll, einzig aufgrund eines eigentlichen<br />
Kommunikationsrechts im Auftragsvertragsrecht wahrnehmen lässt. <strong>Die</strong> einzelnen<br />
Erörterungen der verschiedenen Informationsrechte und ihrer Grundlagen haben<br />
ergeben, dass sich insbesondere die Aufklärungs- und Benachrichtigungspflichten als<br />
Grundlage für eine entsprechend erforderliche Kommunikationsordnung anerbieten.<br />
Damit sind es diese weiteren Informationsrechte <strong>des</strong> Auftraggebers, welche der<br />
Zuständigkeit <strong>des</strong> Auftraggebers aufgrund seines Zielanweisungsrechts entsprechen.<br />
Demgegenüber zeigen die in dieser Arbeit vorgenommenen Überlegungen zur<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“, wie sie in Art. 400 OR niedergelegt ist, dass die<br />
entsprechende Informationspflicht „Rechenschaft“ die geforderte Kommunikation<br />
nicht gewährleisten kann. Damit entfällt aber auch aber auch die Rechtfertigung für<br />
ein „umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht Rechenschaft“. Im Zusammenhang mit der im<br />
Auftragsvertrag anerkannten Autonomie <strong>des</strong> Auftragnehmers ergibt sich abschliessend<br />
die Feststellung, dass die Informationsordnung im Auftragsrecht im hier<br />
interessierenden Kontext auf das Zielanweisungsrecht ausgerichtet ist, welches sich<br />
direkt aus dem Interessenwahrungsgrundsatz ableiten lässt. Eine Informationspflicht<br />
„Rechenschaft“, welche sich auf Art. 400 Abs. 1 OR stützt, ist aber nicht das<br />
korrespondierende Informationsrecht, weshalb sich aus dem Weisungsrecht nichts für<br />
die Informationspflicht „Rechenschaft“ ableiten lässt.<br />
Abschliessend ist festzuhalten, dass das Verhaltensanweisungsrecht im<br />
Auftragsvertrag ohne jeden Einfluss auf die Informationsordnung in Art. 400 OR ist.
- 199 -<br />
3.6 Vertrauenssituation und Informationsrecht gemäss Art. 400<br />
OR<br />
3.6.1 Vorbemerkungen<br />
Dem Vertrauenselement wird im Auftragsvertrag eine grundlegende Bedeutung<br />
zugemessen, weshalb der Einfluss von Vertrauen auf das Informationsrecht gemäss<br />
Art. 400 OR untersucht werden soll, soweit es für die hier vorliegende Arbeit von<br />
Bedeutung ist. In Lehre und Rechtsprechung wird dabei das Informationsrecht,<br />
gestützt auf Art. 400 OR, im Zusammenhang mit dem Widerrufsrecht genannt, 956<br />
wobei als eine mögliche Zwecksetzung der Informationspflicht „Rechenschaft“ die<br />
(gezielte) Ausübung <strong>des</strong> Widerrufsrechts 957 gemäss Art. 404 OR in den Vordergrund<br />
gerückt wird. <strong>Die</strong> Ausübung <strong>des</strong> Widerrufsrechts beendigt dabei nicht das<br />
Auftragsverhältnis, sondern bewirkt nur die Beendigung der Ausführungsobligation. 958<br />
Besonders deutlich zeigt sich dies etwa im Bereich der Informationspflichten (speziell<br />
auch Art. 400 OR) und weiteren Nebenpflichten, gestützt auf Art. 398 OR (wie etwa<br />
der Geheimnisschutzrechte etc.).<br />
Obwohl das Widerrufsrecht als die „letzte Weisung“ 959 im Auftragsvertrag vor dem<br />
Übergang in ein Liquidationsverhältnis betrachtet werden kann, rechtfertigt es sich,<br />
das Widerrufsrecht vor einem informationsrechtlichen Hintergrund gesondert zu<br />
behandeln. Es ist in der Folge zu untersuchen, ob und in welcher Weise das<br />
Widerrufsrecht in Art. 404 OR inhaltsbestimmend für eine Informationspflicht im<br />
Bereich gemäss Art. 400 OR sein kann. Bei der entsprechenden Analyse wird vom<br />
Tatsache „Vertrauen“ als Vertragsgrundlage <strong>des</strong> Auftragsrechts ausgegangen (Kapitel<br />
3.6.2). Anschliessend an die Darstellungen von „Vertrauen“ als Wesensmerkmal <strong>des</strong><br />
Auftragsvertrags (Kapitel 3.6.3) und von „Vertrauen“ als Regelungsgedanken <strong>des</strong><br />
Widerrufsrechts (Kapitel 3.6.4), werden die entsprechenden Schlussfolgerungen für<br />
ein entsprechen<strong>des</strong> Informationsrecht „Rechenschaft“ gezogen, soweit sich diese<br />
Pflicht auf Art. 400 OR abstützen kann und im Zusammenhang mit einem<br />
Widerrufsrecht steht (Kapitel 3.6.5).<br />
956 BGE 110 II 181ff., E. 2. Derendinger, N 127f.; Hofstetter, 2000, 115; BK-Gautschi, Art.<br />
400 N 23a; BK-Fellmann, Art. 400 N 14.<br />
957 Nach schweizerischer Terminologie wird mit dem Widerrufsrecht das Loslösungsrecht<br />
<strong>des</strong> Auftraggebers bezeichnet: Übersicht bei BK-Fellmann, Art. 404 N 16.<br />
958 Siehe dazu BK-Gautschi, Art. 400 N 2a.<br />
959 Zur Rechtsnatur: BK-Fellmann, Art. 404 N 20f.
- 200 -<br />
3.6.2 Vertrauen als Vertragsgrundlage <strong>des</strong> Auftragsvertrags<br />
In diesem Unterkapitel sollen das Vertrauen als Vertragsgrundlage und die rechtlich<br />
relevante Funktion von Vertrauen dargestellt werden.<br />
<strong>Die</strong> Vertrauensbeziehung war die eigentliche Grundlage <strong>des</strong> Mandatsrechts im<br />
römischen Recht: „Der Mandatsdienst war altruistisch und setzte Freundschaft<br />
zwischen Auftraggeber und Beauftragtem und das daraus resultierende gegenseitige<br />
960 Vertrauen voraus.“ Durch diese Umschreibung wird deutlich, dass die<br />
Mandatsbeziehung ausdrücklich an den vorrechtlichen Umstand „Vertrauen“<br />
anknüpft. Das Vertrauen und damit das Mandat hat seine Grundlage in einem sozialen<br />
Modell „Freundschaft“. Das rechtlich relevante Vertrauen (resp. die Freundschaft)<br />
erscheint dabei als ein Zustand einer zwischenmenschlichen Beziehung, welcher<br />
besteht oder eben nicht besteht. Entscheidende Funktion von Vertrauen im<br />
Zusammenhang mit Freundschaft ist, dass Vertrauen etwas ersetzen kann (z.B. gerade<br />
Information), wobei das Vertrauen aber selbst gerade nicht durch etwas anderes ersetzt<br />
werden kann. Somit kann der gewünschte Zustand „Vertrauen“ durch blosse rechtliche<br />
Informationsmittel (oder überhaupt durch Information) gerade nicht erreicht werden.<br />
<strong>Die</strong>se Tatsache ist zu beachten, soll auch rechtlich anerkannt sein, dass „Vertrauen“<br />
Informationssurrogat ist. <strong>Die</strong>se informationsersetzende Funktion von Vertrauen<br />
rechtlich zu negieren bedeutet, dass das Vertrauen gerade in seinem Wesen und in<br />
seinen Wirkungen verkannt würde. 961<br />
3.6.3 Vertrauen als Wesensmerkmal <strong>des</strong> Auftragsvertrags<br />
In der Abgrenzung <strong>des</strong> Auftragvertrages zu anderen Verträgen auf Arbeitsleistung<br />
kommt dem Argument „Vertrauen“ kennzeichnende Funktion zu: „De même que<br />
l’élément déterminant du contrat de travail est le rapport de subordination, celui du<br />
962 contrat de mandat est le rapport de confiance.“ <strong>Die</strong> vorbestehende<br />
Vertrauensbeziehung ist demnach ein kennzeichnen<strong>des</strong> Wesensmerkmal <strong>des</strong><br />
960 So besonders deutlich BK-Gautschi, Art. 394 N 70a.<br />
961 Luhmann, 43; Druey, Information als Gegenstand, 227f. Herbert Burkert, Votum in der<br />
Schlussdiskussion <strong>des</strong> Schweizerischen Juristentages 1999 in Porrentruy: „Es hat sich im<br />
Verlaufe der Diskussion gezeigt, dass der Fundamentalwiderspruch der<br />
Informationsgesellschaft der ist, dass - weil uns Informationstechnologie und<br />
Kommunikationstechnik die Mittel an die Hand geben - wir Vertrauen durch Information<br />
zu ersetzen versuchen. Vertrauen bedeutet letztlich immer einen Rest an bewusst in Kauf<br />
genommenes Nicht-Wissen oder einen Informationsmangel, den man durch den Akt <strong>des</strong><br />
Vertrauens bewusst überspringt.“<br />
962 So etwa besonders deutlich Abravanel, N 305.
- 201 -<br />
Auftragvertrages, wodurch es sich von den anderen Verträgen auf Arbeitsleistung<br />
unterscheidet.<br />
An anderer <strong>St</strong>elle in dieser Arbeit wird dargelegt, dass die Tatsache eines rechtlich<br />
relevanten Subordinationsverhältnisses im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und<br />
Arbeitgeber die Basis für ein Kontrollrecht <strong>des</strong> Arbeitgebers darstellt. Demgegenüber<br />
weist die ebenfalls notwendige „Unterordnung“ <strong>des</strong> Auftragnehmers eine andere<br />
Qualität auf, da sie stets einen eigentlichen Autonomiebereich <strong>des</strong> Auftragnehmers<br />
achtet. Daraus folgt im hier untersuchten Zusammenhang, dass ein Informationsrecht<br />
im Mandatsrecht konkret aus einer Norm und nicht aus der <strong>St</strong>ruktur <strong>des</strong> Auftragsrechts<br />
zu begründen ist (Zuständigkeit). Es zeichnet den Mandatsvertrag gerade aus, dass<br />
dem Auftragnehmer eine gewisse Autonomie zugestanden wird, welche sich<br />
informationsseitig auch insbesondere dadurch äussert, dass dem Auftraggeber kein<br />
Kontrollrecht zugestanden wird. 963<br />
Für die untersuchte <strong>Rechenschaftspflicht</strong> bedeutet dies, dass nur die konkrete<br />
Auslegung einer Gesetzesnorm und die damit verbundene Anerkennung einer<br />
Zuständigkeit zu einem Informationsrecht führen kann: Nur eine spezifische<br />
Zuständigkeit begründet einen entsprechende Informationsfluss. 964 Für den hier<br />
untersuchten Bereich folgt daraus, dass aus dem allgemeinen Vertrauensgedanke im<br />
Mandatsrecht weder Bestand noch Inhalt der entsprechenden Informationspflicht<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ abgeleitet werden kann. 965 Dass das „Vertrauen“ ein<br />
allgemeines Wesensmerkmal <strong>des</strong> Auftragsvertrages ist, reicht für die Begründung<br />
einer Informationspflicht „Rechenschaft“ nicht aus.<br />
3.6.4 Vertrauen als Regelungsgedanke <strong>des</strong> Widerrufrechts im<br />
Auftragsvertrag<br />
Konkret wird im Auftragsvertrag das Vertrauen als Grundlage <strong>des</strong> Vertrages sowie bei<br />
der Begründung einer jederzeitigen Beendigungsmöglichkeit <strong>des</strong> Mandatsvertrages<br />
angeführt. 966 Damit steht sowohl bei der Begründung als auch bei der Beendigung <strong>des</strong><br />
Auftragvertrages das Vertrauen in der konkreten zwischenmenschlichen Beziehung im<br />
963<br />
Zum Ganzen: Siehe die entsprechenden Ausführungen in den Kapiteln 3.5 und 3.7.2.<br />
964<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.2 und 3.5.5.<br />
965<br />
Es wird hiermit nicht in Abrede gestellt, dass der Umstand <strong>des</strong> „Vertrauens“ Grundlage<br />
für andere Informationspflichten sein kann. Siehe dazu nachfolgend Kapitel 3.6.5.<br />
966<br />
Im deutschen Arztrecht wird die Rechtsfolge der Tatsache „Vertrauen“ gerade in der<br />
freien Kündbarkeit <strong>des</strong> Behandlungsvertrages gesehen: Hohloch, 2579 (mit weiteren<br />
Hinweisen).
- 202 -<br />
Vordergrund. 967 Gestützt auf die Ausführungen im vorangehenden Abschnitt, wird<br />
demgegenüber in der Phase der Vertragsabwicklung das Vertrauen bei zweiseitigen,<br />
synallagmatischen Verträgen wie dem Auftragsvertrag durch konkrete vertragliche<br />
Rechte und Pflichten überlagert. 968<br />
Der Bestand <strong>des</strong> jederzeitigen Loslösungsrechtes ist gemäss Rechtsprechung gerade<br />
mit dem Verlust von Vertrauen zu rechtfertigen. Es handelt sich beim<br />
Vertrauensverlust wertungsmässig um einen wichtigen Grund, welcher die Auflösung<br />
969 <strong>des</strong> Rechtsverhältnisses rechtfertigt. Entsprechend wird der Bestand <strong>des</strong><br />
Widerufsrechts begründet. Ohne notwendiges Vertrauen ist eine Auftragsbeziehung<br />
nicht gegen den Willen <strong>des</strong> Aufraggebers fortzuführen. Entsprechend hat die<br />
Rechtsprechung wiederholt festgehalten, dass dieses Widerrufsrecht zwingender Natur<br />
ist. 970 Demgegenüber hat die Rechtsprechung explizit festgehalten, dass die blosse<br />
Tatsache, dass ein Dauerschuldverhältnis vorliegt, nicht für die Begründung eines<br />
entsprechenden Widerrufrechts hinreichend ist. 971<br />
3.6.5 Widerrufsrecht im Auftragsvertrag und Informationsrecht<br />
Nachdem der Bestand <strong>des</strong> Widerrufsrechts begründet worden ist, stellt sich<br />
nachfolgend zum einen die Frage, ob eine allgemeine Informationspflicht zur<br />
Begründung resp. Aufrechterhaltung <strong>des</strong> Vertrauens anzuerkennen ist und zum<br />
anderen, ob eine entsprechende Informationspflicht ihre Rechtsgrundlage in Art. 400<br />
OR haben könnte.<br />
Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Fragen ist die Feststellung, dass sich ein<br />
geschäftsnotwendiges Vertrauen nur subjektiv aus der Sicht <strong>des</strong> jeweiligen<br />
967<br />
So deutlich etwa BGE 110 II 375ff., E. 1b (Zahnarztvertrag): „Le contrat est conclu<br />
intuitu personae, en vertu <strong>des</strong> qualités réelles ou supposées du praticien, et il est dominé<br />
par un rapport de confiance, dont la rupture permet la révocation unilatérale <strong>des</strong> relations<br />
contractuelles.“<br />
968<br />
Anders demgegenüber im Bereich <strong>des</strong> Personengesellschaftsrechts gestützt auf die<br />
Tatsache, dass in diesen Rechtsverhältnissen ein „gegenseitiges Vertrauensverhältnis“<br />
besteht. Siehe dazu Kapitel 3.7.2.5.3.<br />
969<br />
Siehe dazu die ausführliche Rechtsprechung zur Kündigungsmöglichkeit bei<br />
Architektenverträgen: BGE 115 II 464ff., E. 2a (resp. BGE 104 II 108ff., E. 4). Eine<br />
kritische Übersicht mit zahlreichen Hinweisen zum Auflösungsrecht <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
findet sich bei Weber, Probleme, 186ff.<br />
970<br />
Das BGer hat die zwingende Natur <strong>des</strong> Widerrufrechts erneut bestätigt: BGE vom<br />
26.3.1997 (4C.443/1996), wiedergegeben in Münch, 333. Zur Anwendung von Art. 404<br />
OR auf den umfassenden Ingenieurvertrag: BGer in SJ 2000 485ff. Aus der publizierten<br />
Rechtsprechung: BGE 109 II 462ff., E. 4; BGE 98 II 305ff., E. 2 (mit weiteren<br />
Hinweisen). Zu den unterschiedlichen Meinungen in der Lehre: BK-Fellmann, Art. 404 N<br />
107ff.<br />
971<br />
ZR 103 Nr. 59 E. 3.4 (unter Hinweis auf BasK-Schluep/Amstutz, Einleitung von 184ff. N<br />
170).
- 203 -<br />
Auftraggebers und der jeweiligen Situation (Konstellation) ergeben und bestimmen<br />
lässt. Es ist damit eine sehr persönliche Angelegenheit <strong>des</strong> Auftraggebers, weshalb<br />
Vertrauen auch als eine Grundlage in der zwischenmenschlichen Beziehung in<br />
Erscheinung tritt. Entsprechend ist aus informationstheoretischer Sicht festzustellen,<br />
dass eine undefinierbare Menge an Information notwendig wäre, um ein in einem<br />
individuellen Fall infrage stehen<strong>des</strong> Vertrauen durch Informationen zu begründen oder<br />
(wieder) bestärken zu können. Es lässt sich hierbei grundsätzlich keine Grenze der<br />
Relevanz definieren, weshalb ein entsprechen<strong>des</strong> Informationsrecht per definitionem<br />
grenzenlos wäre. Ebenfalls in informationsrechtlicher Hinsicht kann aber auch<br />
argumentiert werden, dass es Vertrauen (allein), gestützt auf Informationen, nicht gibt,<br />
weil Vertrauen gerade dort seine eigentliche Funktion entfaltet, wo Information<br />
ausgespart ist: Vertrauen fordert nicht Information, sondern ist rechtlich<br />
anzuerkennen<strong>des</strong> Informationssurrogat. 972 Vertrauen gründet aber gerade und vor<br />
allem auf anderen Grundlagen als Information, nämlich auf Erwartungen über<br />
bestimmte Verhaltensweisen, Reputation etc., also auf Umständen, die gerade<br />
informationsersetzend wirken.<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse in dieser Arbeit zeigen, dass die Informationspflicht<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ eine eigentliche Berichtspflicht ist. 973 Im Zusammenhang mit<br />
der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> ist anerkannt, dass der Auftraggeber die Informationspflicht<br />
gemäss Art. 400 OR auch während der Auftragsausführung durch blosses Verlangen<br />
auslösen kann. 974 Damit stehen dem Auftraggeber, gestützt auf Art. 400 OR, die<br />
entsprechenden, allerdings standardisierten Informationen für den allfälligen<br />
Entscheid über die „letzte Weisung“ zur Verfügung. Gerade der beschränkte Inhalt <strong>des</strong><br />
Informationsprogramms nach Art. 400 OR kann für den Entscheid, ob das notwendige<br />
Vertrauen noch vorhanden ist, besonders geeignet sein, da der Auftraggeber auf das<br />
Vertrauen (als dem Zustand der Nicht-Information) bauen muss. Damit dient die in<br />
dieser Arbeit untersuchte <strong>Rechenschaftspflicht</strong> einzig dazu, ein gewissermassen<br />
standardisiertes Vertrauen zu alimentieren, weil auch der Informationsinhalt<br />
standardisiert ist. <strong>Die</strong> <strong>Rechenschaftspflicht</strong> ist als eigentliche Berichtspflicht dabei eine<br />
Informationspflicht mit einem hohen Grad an Schematisierung und Objektivierung,<br />
welche von der Person <strong>des</strong> Auftraggebers abstrahiert. Entsprechend wird die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> durch den konkreten Auftrag als solchen und nicht durch ein<br />
972<br />
Siehe dazu Kapitel 3.6.2.<br />
973<br />
Siehe dazu die Kapitel 3.2 und 3.7.<br />
974<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.2.3.
- 204 -<br />
individuelles Vertrauen begründet. Damit kann der Inhalt der <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
nicht vor dem Hintergrund <strong>des</strong> allgemeinen Vertrauensgedanken gewonnen werden,<br />
wie dies bei anderen Informationspflichten der Fall ist.<br />
In der Lehre wird aber auch etwa allgemein ausgeführt, dass „Vertrauen verpflichtet.“<br />
975 Soweit diese Feststellung auch für sämtliche Informationspflichten Geltung<br />
beanspruchen will, führt dies zu Informationspflichten ohne eigentliche Begrenzungen.<br />
Mit diesem Ansatz liesse sich grundsätzlich jede Pflicht in beliebigem Umfang<br />
begründen, wobei gerade im Falle einer inhaltlich offen formulierten<br />
Informationspflicht (wie der <strong>Rechenschaftspflicht</strong>) dieser Ansatz grundsätzlich keine<br />
Erkenntnisse bringt. Es ist anzuerkennen, dass diese Forderung bei der Beschreibung<br />
von bestimmten Rechten und Pflichten Geltung beanspruchen kann. <strong>Die</strong>s trifft etwa<br />
dort zu, wo das Element „Vertrauen“ als die eigentliche Grundlage für eine Institution<br />
<strong>des</strong> Auftragsrechts anerkannt wird: <strong>Die</strong>s trifft klassischerweise etwa auf das<br />
jederzeitige Widerrufsrecht gemäss Art. 404 OR oder auf die Diskretions- und<br />
Geheimhaltungspflicht gemäss Art. 398 OR 976 zu. Für beide Institutionen ist jedoch<br />
bezeichnend, dass sie nicht durch entsprechende Informationsrechte unterstützt<br />
werden: So ist das abhanden gekommene Vertrauen im Bereich der<br />
Auftragsbeendigung nach Art. 404 OR unbestrittenen die eigentliche ungeschriebene<br />
Grundlage <strong>des</strong> entsprechenden Widerspruchrechts. Es ist aber nicht Sinn und Zweck<br />
der entsprechenden Bestimmung, dass der Beauftragte zu einem Tun oder einer<br />
Aktivität gezwungen werden könnte. Deshalb wird dem <strong>Beauftragten</strong> auch nicht die<br />
Pflicht auferlegt, Informationen zu liefern, welche das Vertrauen unterstützen oder<br />
aufbauen könnten. Entsprechen<strong>des</strong> gilt etwa auch für die Diskretions- und<br />
Geheimhaltungspflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>: Es ist nicht Sinn und Zweck der<br />
Diskretions- und Geheimhaltungspflicht, dass der Beauftragte zu einem Tun oder einer<br />
Aktivität gezwungen wird. Gefordert ist vielmehr etwa eine blosse Unterlassung,<br />
anderen Personen Informationen weiterzugeben etc. Entsprechend ist weder für die<br />
eine noch die andere Pflicht eine Informations- oder gar Kommunikationsordnung<br />
notwendig und eingerichtet, welche die entsprechend genannten Pflichten begleiten.<br />
Im Falle <strong>des</strong> Widerrufrechts bestimmt allein der Auftraggeber, ob das entsprechende<br />
Vertrauen vorhanden ist. Den <strong>Beauftragten</strong> trifft weder eine entsprechende<br />
„Informationsschuld“ noch kann sich der Beauftragte entsprechend durch Lieferung<br />
975<br />
Büren, OR BT, 128.<br />
976<br />
Deutlich etwa BasK-Weber, Art. 394 N 11.
- 205 -<br />
von Information etc. zur Wehr setzen. Es ist in diesem Zusammenhang offensichtlich<br />
anerkannt, dass Information keine geeignete Lösung dieser „Vertrauensfrage“ ist.<br />
<strong>Die</strong> zuvor zitierte Lehre, wonach Vertrauen verpflichtet, gelangt demgegenüber in<br />
einem anderen Bereich zur Geltung: So ist die Aufklärungs- und<br />
Benachrichtigungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> im allgemeinen Vertrauensverhältnis<br />
zwischen den Vertragsparteien begründet. Im Unterschied zu den zuvor beschriebenen<br />
Pflichten ist es hier gerade die Informationspflicht selbst, die auf dem<br />
Vertrauensgedanken begründet wird. 977 Es sind gerade diese Informationspflichten,<br />
welche die eigentliche Kommunikationsordnung zwischen den Vertragsparteien<br />
sicherstellen. 978 <strong>Die</strong>se Kommunikation findet aus rechtlicher Sicht in jenem Bereich<br />
statt, wo sie aufgrund einer Vertrauensgrundlage vom Auftraggeber erwartet werden<br />
darf. 979 Wesensgemäss ist diese Informationspflicht als eine Kommunikationspflicht<br />
sehr unspezifisch und im Einzelfall zu bestimmen, da der Auftraggeber wesentlicher<br />
Bezugpunkt ist und der Informationsbedarf nach seinen individuellen Massstäben<br />
bestimmt wird. <strong>Die</strong> <strong>Rechenschaftspflicht</strong> ist demgegenüber nicht das Vehikel einer so<br />
verstandenen Kommunikationsordnung und unterliegt als eigentliche Berichtspflicht<br />
einer Schematisierung und Objektivierung, welche vom Auftraggeber abstrahiert und<br />
nach generellen Kriterien bestimmt wird. <strong>Die</strong>s führt zur Aussage, dass die inhaltliche<br />
Beschreibung der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nicht aufgrund <strong>des</strong> Vertrauensgedankens<br />
gewonnen werden kann.<br />
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass den Auftragnehmer nur die Pflicht trifft, ein<br />
standardisiertes Vertrauen zu alimentieren, soweit es Art. 400 OR mit sich bringt.<br />
Reichen die entsprechenden Informationen, gestützt auf Art. 400 OR, nicht aus, so ist<br />
die gesetzlich vorgesehene Sanktion nicht ein umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht, sondern<br />
die Möglichkeit <strong>des</strong> Widerrufs <strong>des</strong> Auftragsverhältnisses.<br />
Es bleibt aus Sicht eines spezifischen Informationsrechts im Zusammenhang mit dem<br />
Widerrufsrecht abschliessend festzustellen, dass für eine eigentliche Wahrnehmung<br />
<strong>des</strong> Widerrufsrechts nur sehr wenig Information notwendig ist: Es bedarf eigentlich<br />
einzig der Information über die blosse Zustellmöglichkeit der Widerrufserklärung. Das<br />
977<br />
Abegglen, 141ff., sieht in seiner Monografie zur Aufklärungspflicht denn auch die<br />
Vertrauenshaftung als dogmatische Grundlage dieser spezifischen Informationspflichten.<br />
Für die Bestimmung der Aufklärungspflichten: vgl. das Bewegliche System von<br />
Abegglen, 171ff.<br />
978<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.5.<br />
979 Druey, Information als Gegenstand, 156.
- 206 -<br />
ausgeübte Widerrufsrecht leitet die Liquidation <strong>des</strong> Vertragsverhältnisses ein 980 ,<br />
welches auf der Grundlage <strong>des</strong> mangelnden Vertrauens keine tragfähige Basis mehr<br />
hat. Mit dem Widerruf wird bspw. die Ablieferungsobligation aktualisiert, die im<br />
Zusammenhang mit der sich aktualisierenden Pflicht zur Rechnungslegung resp.<br />
Pflicht zur Rechnungsstellung steht. 981 Aufgrund dieser Ausführungen kann<br />
festgehalten werden, dass zwischen dem Widerrufsrecht und den genannten<br />
Informationspflichten gemäss Art. 400 OR kein besonderer Zusammenhang besteht.<br />
3.6.6 Fazit<br />
Das Vertrauen ist die eigentliche Basis <strong>des</strong> Auftragvertrages, wobei im vorliegenden<br />
Zusammenhang mit der Informationspflicht „Rechenschaft“ die Erkenntnis zentral ist,<br />
dass das Vertrauen grundsätzlich Informationssurrogat ist. Das richtige Verständnis<br />
der Funktion von Vertrauen führt dazu, dass, gestützt auf den blossen Hinweis, auf ein<br />
Vertrauensverhältnis im hier untersuchten Bereich der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nach Art.<br />
400 OR keine Informationspflicht begründet werden kann. Eine entsprechende<br />
Informationspflicht kann sich nur, gestützt auf eine spezifische Zuständigkeit (siehe<br />
dazu Kapitel 3.5) oder gestützt auf ein besonders geschütztes Interesse, ergeben (siehe<br />
dazu Kapitel 3.7.3). Daran ändert auch die Feststellung nichts, dass das Vertrauen als<br />
Wesensmerkmal <strong>des</strong> Auftrages charakterisiert wird.<br />
Es wurde dargestellt, dass dem Vertrauen im Bereich <strong>des</strong> Widerrufsrechtes eine<br />
zentrale Rolle zukommt, da es die rechtliche Basis für das Widerrufsrecht ist.<br />
Vertrauen ist dabei immer eine individuelle Angelegenheit. In informationsseitiger<br />
Hinsicht bedeutet dies, dass eine undefinierbare Menge an Information erforderlich<br />
wäre, damit Vertrauen aufrechterhalten werden könnte oder damit die Ausübung <strong>des</strong><br />
Widerrufsrechts bewusst im Sinne einer Notbremse eingesetzt werden könnte. Im<br />
Ergebnis lässt sich die Relevanz an Information nicht bestimmen, wenn damit<br />
Vertrauen geschaffen werden soll. <strong>Die</strong>s widerspricht der Natur der Informationspflicht<br />
„Rechenschaft“ als Berichtspflicht, welche auch während der Auftragsausführung<br />
einzig standardisierte Informationen bereitstellt. Daraus ergibt sich, dass durch eine<br />
Informationspflicht gemäss Art. 400 OR einzig gewisse vordefinierte Informationen<br />
geschuldet sind, die nur ein „standardisiertes Vertrauen“ alimentieren können (siehe<br />
dazu die Ausführungen zur Abrechnungspflicht in Kapitel 3.7.3).<br />
980 So wurde in BGE 78 II 123ff., E. 1a ausgeführt, dass „die Honorierung <strong>des</strong><br />
Willensvollstreckers nicht mehr zur Willensvollstreckung gehört, sondern zur Liquidation<br />
<strong>des</strong> Mandatsverhältnisses (...).“<br />
981 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.
- 207 -<br />
Im Bereich <strong>des</strong> Auftragsrechts wird der Tatsache der unbestimmten Relevanz von<br />
Informationen in der Weise entsprochen, dass die Rechtsfolge von verlorenem<br />
Vertrauen nicht etwa ein umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht ist, sondern die Möglichkeit<br />
der Wahrnehmung <strong>des</strong> jederzeitigen Widerrufsrechts. Es ist in diesem Zusammenhang<br />
anzuerkennen, dass es nicht der Zweck von Art. 404 OR ist, den Auftragnehmer zu<br />
einer Informationsleistung zu bringen. Mit anderen Worten: Weder die Tatsache, dass<br />
der Auftrag ein Vertrauensverhältnis ist noch die Tatsache, dass Art. 404 OR ein<br />
jederzeitiges Widerrufsrecht statuiert, verpflichtet den <strong>Beauftragten</strong> zu einer Handlung<br />
oder zu einer Informationsleistung.<br />
Aus dem Umstand, dass das Widerrufsrecht die Liquidation <strong>des</strong> Vertragsverhältnisses<br />
einleitet und damit weitere Pflichten im Rahmen von Art. 400 OR besondere<br />
Bedeutung erlangen, kann nichts zu Gunsten eines Informationsrechtes<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“, gestützt auf den Umstand „Vertrauen“, hergeleitet werden.<br />
Aus diesen Überlegungen folgt, dass die Informationsordnung gemäss Art. 400 OR<br />
unabhängig von der „Vertrauensfrage“ und dem bestehenden Widerrufsrecht <strong>des</strong><br />
Auftraggebers bestimmt werden kann.
- 208 -<br />
3.7 Interessensituation und Informationsrecht gemäss Art. 400<br />
OR<br />
3.7.1 Vorbemerkungen<br />
3.7.1.1 Grundsatz der Interessenwahrung im Auftragsvertrag<br />
3.7.1.1.1 Verwendete Begrifflichkeit<br />
Da sich der Beauftragte durch die Verpflichtung zur vertragsgemässen Erfüllung der<br />
ihm übertragenen <strong>Die</strong>nste zur Interessenwahrung verpflichtet (Art. 394 OR), wird nach<br />
Ansicht der hL das gesamte Vertragsverhältnis 982 durch den entsprechenden Grundsatz<br />
beeinflusst. Da auf der Basis <strong>des</strong> Interessenwahrungsgrundsatzes auch die Treuepflicht<br />
<strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> begründet wird 983 , wird nachfolgend vereinfachend einzig von der<br />
Pflicht zur Interessenwahrnehmung die Rede sein.<br />
3.7.1.1.2 Typenmerkmal und Unterscheidungskriterium<br />
Es wurde in der vorliegenden Arbeit dargestellt, dass sich der Auftragsvertrag nur<br />
typologisch von den weiteren Verträgen auf Arbeitsleistung unterscheiden lässt. <strong>Die</strong><br />
Wahrung von fremden Interessen ist dabei eines jener Typenmerkmale, das in der hL<br />
als Abgrenzungskriterium in den Vordergrund gerückt wird. 984 Der Grundsatz der<br />
Interessenwahrung wird in diesem Zusammenhang auch gerade als zentrales<br />
Unterscheidungsmerkmal zur Interessenvergemeinschaftung erkannt, wodurch die<br />
Abgrenzung zum Gesellschaftsvertrag erfolgt. 985<br />
3.7.1.2 Frage nach dem „Anwendungsbereich“ <strong>des</strong> Interessenwahrungsgrundsatzes<br />
3.7.1.2.1 Übergesetzliche Grundlage der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss hL<br />
In der hL wird die Informationspflicht, welche in Art. 400 OR ihre Grundlage hat, „als<br />
Konsequenz der Wahrung fremder Interessen“ 986 beurteilt, weil „[d]ie Pflicht zur<br />
Rechenschaftsablegung aus der Tatsache [folgt], dass der Beauftragte bei der<br />
982 Hofstetter, 2000, 44 (mit weiteren Hinweisen); BasK-Weber, Art. 400 N 2.<br />
983 BK-Fellmann, Art. 394 N 110 (mit zahlreichen weiteren Hinweisen); BasK-Weber, Art.<br />
398 N 8 (mit weiteren Hinweisen). BK-Gautschi, Art. 400 N 22b: „Fasst man die<br />
Treuepflicht als allgemeine Interessenwahrungspflicht auf (...).“<br />
984<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 105 (mit zahlreichen weiteren Hinweisen). Siehe auch die<br />
Ausführungen in Kapitel 1.3.1 und 3.5.<br />
985<br />
Siehe dazu ausführlich Kapitel 3.7.2.<br />
986<br />
BasK-Weber, Art. 400 N 2. Von dieser „Konsequenz“ spricht auch Hofstetter, 2000, 115.
- 209 -<br />
Ausführung <strong>des</strong> Auftrages fremde Interessen wahrnimmt.“ 987 Auf dieser Basis wird in<br />
der hL in inhaltlicher Hinsicht eine „allgemeine Informationspflicht“ 988 postuliert,<br />
wobei nicht zu verkennen ist, dass jeweils eine deutliche Orientierung am deutschen<br />
BGB erfolgt. <strong>Die</strong>se allgemeine Informationspflicht umfasst nach einem beachtlichen<br />
Teil der Lehre entsprechend eine Benachrichtigungs-, Auskunfts- und eine<br />
Abrechnungspflicht. 989 Im Ergebnis wird jeweils eine eigentlich umfassende<br />
Informationsordnung dargestellt, welche sich gleichermassen auf Art. 400 OR und Art.<br />
398 OR abstützt. 990<br />
3.7.1.2.2 Eigener <strong>St</strong>andpunkt in der vorliegenden Arbeit<br />
Nachfolgend wird ein eigener <strong>St</strong>andpunkt zur Frage der Wirkung <strong>des</strong><br />
Interessenwahrungsgrundsatzes im Zusammenhang mit der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> formuliert. Grundlage für den eigenen <strong>St</strong>andpunkt bilden die<br />
Ausführungen in den vorangehenden Kapiteln der vorliegenden Arbeit, in welchen die<br />
zahlreichen Verpflichtungen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> hinsichtlich ihres Zusammenhangs mit<br />
der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> dargestellt worden sind:<br />
Ausgangspunkt der aufgeworfenen Fragestellung nach der „Wirkungsweise“ <strong>des</strong><br />
Interessenwahrungsgrundsatzes ist die in dieser Arbeit vertretene Ansicht, dass der<br />
Auftragsvertrag grundsätzlich den Interessengegensatzverträgen zuzuordnen ist. 991<br />
<strong>Die</strong> Tatsache, dass der Auftragsvertrag als ein Interessenwahrungsvertrag zu<br />
charakterisieren ist, kann aber nicht von der Tatsache ablenken, dass bei jeder<br />
mandatsrechtlichen Verpflichtung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> spezifisch zu untersuchen ist, ob<br />
und in welchem Umfang der grundsätzliche Interessengegensatzcharakter <strong>des</strong><br />
Mandatsvertrages durch den Umstand der Interessenwahrung überlagert wird. Es darf<br />
dabei aber der allgemeine Interessenwahrungsgrundsatz nicht vorschnell als Grundlage<br />
für eine spezifische Pflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> herangezogen werden, weil damit der<br />
Grundcharakter der vertraglichen Beziehung (eine Austausch- und<br />
Interessengegensatzbeziehung) übergangen und damit missachtet wird. Weiter ist zu<br />
beachten, dass jeweils strikte zwischen einer allfälligen Verpflichtung <strong>des</strong><br />
987<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 13.<br />
988<br />
BK-Gautschi, Titel „V. <strong>Die</strong> <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als allgemeine Informationspflicht“ zu<br />
Art. 400 N 22ff.; BasK-Weber, N 2; Hofstetter, 2000, 115.<br />
989<br />
BasK-Weber, N 2; Hofstetter, 2000, 115; BK-Gautschi, Art. 400 N 22 und 23 (etwas<br />
andere Begriffseinteilung).<br />
990<br />
BasK-Weber, N 2; Hofstetter, 2000, 115 (insbesondere FN 126); BK-Gautschi, Art. 400 N<br />
22 und 23. In dieser Hinsicht differenzierter: BK-Fellmann, Art. 400 N 23ff.<br />
991 Siehe dazu Kapitel 3.5 und 3.7.2.
- 210 -<br />
<strong>Beauftragten</strong> aus dem Auftragsvertrag und einem Informationsrecht <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
zu unterscheiden ist. 992<br />
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen zum möglichen Einfluss <strong>des</strong><br />
Interessenwahrungsgrundsatzes auf die Pflichtenlage <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> werden<br />
nachfolgend die bisherigen Teilergebnisse der vorliegenden Arbeit gewürdigt. Dabei<br />
soll jeweils besonders herausgearbeitet werden, in welchen der untersuchten Bereichen<br />
überhaupt Raum für den Einfluss eines allgemeinen Interessenwahrungsgrundsatzes<br />
besteht:<br />
(1) <strong>Die</strong> Beschäftigung mit der Dokumentationspflicht in Kapitel 3.2 hat ergeben, dass<br />
diese Pflicht in der Interessenwahrungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> begründet ist und im<br />
Zusammenhang mit der Ausführungsobligation steht. Im Rahmen der<br />
Ausführungsobligation ist grundsätzlich anzuerkennen, dass der allgemeine<br />
Interessenwahrungsgrundsatz zur Geltung kommt. <strong>Die</strong> vertragsgemässe Ausführung<br />
<strong>des</strong> Auftrages fordert dabei vom <strong>Beauftragten</strong> die Erstellung einer entsprechenden<br />
Dokumentation. Es wurde aber in diesem Zusammenhang bereits an der<br />
entsprechenden <strong>St</strong>elle dargestellt, dass die allgemeine Interessenwahrung aber gerade<br />
nicht fordert, dass der Auftraggeber ein Anspruch auf die entsprechende<br />
Dokumentation geltend machen kann, soweit die beiden zentralen Bereiche<br />
„Sachverhalt“ und „Handlungen“ betroffen sind. <strong>Die</strong> Untersuchung hat vielmehr<br />
ergeben, dass die Auftragsausführung „an sich“ Schutzobjekt <strong>des</strong> allgemeinen<br />
Interessenwahrungsgrundsatzes ist, weil einzig sichergestellt werden soll, dass die<br />
Information in der gesamten Auftragsabwicklung zur Verfügung steht. <strong>Die</strong>s wird<br />
durch eine adressatenspezifische Vorlegungspflicht erreicht. 993 Damit führt die<br />
allgemeine Interessenwahrung aber insbesondere nicht dazu, dass das<br />
Informationsinteresse <strong>des</strong> Auftraggebers bedient würde. Das entsprechende<br />
Informationsbedürfnis wird nur bezüglich jenes Bereiches der Dokumentation bedient,<br />
welches den Bereich „Aufklärung“ abdeckt. <strong>Die</strong> Interessenwahrungspflicht führt<br />
demnach auch vor dem Hintergrund der Ausführungsobligation nicht zum<br />
Informationsrecht <strong>des</strong> Auftraggebers.<br />
(2) <strong>Die</strong> rechtshistorische Untersuchung in Kapitel 2 sowie die ausführliche<br />
Behandlung der Ablieferungspflicht in Kapitel 3.3 haben ergeben, dass die<br />
992 Siehe hierzu insbesondere die Ausführungen zur Dokumentationspflicht in Kapitel 3.2<br />
resp. zur Ablieferungsobligation in Kapitel 3.3.<br />
993 Siehe dazu Kapitel 3.3.4.
- 211 -<br />
Interessenwahrung im Rahmen der Ablieferungsobligation vollständig verwirklicht<br />
wird, soweit es um die „Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Erhaltenen und<br />
Erlangten“ 994 geht. In diesen Bereichen der Ablieferungsobligation gilt eine absolute<br />
Unterordnung der Interessen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> und ihn trifft eine Pflicht zur<br />
Bereinigung der Vermögens- und Sachsphäre. <strong>Die</strong> Interessen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> treten<br />
dabei gänzlich in den Hintergrund, da hier der zentrale Gedanke der Fremdnützigkeit<br />
995 <strong>des</strong> Mandatsrechts seine volle Wirkung entfaltet. Informationsmässig kann<br />
bezüglich dieser Bereiche festgehalten werden, dass die Informationspflicht<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ in der Ausgestaltung der Pflicht zur Rechnungslegung ein<br />
eigentliches Kontrollrecht 996 <strong>des</strong> Auftraggebers einrichtet, soweit der Zweck der<br />
Rechnungslegung dies erfordert. 997 Gestützt auf diese Ausführungen, ist in diesen<br />
Bereichen der Ablieferungsobligation davon auszugehen, dass der Einfluss <strong>des</strong><br />
allgemeinen Interessenwahrungsgrundsatzes zur Geltung gelangt.<br />
Im Gegensatz dazu konnte aufgezeigt werden, dass im Bereich der „Herausgabe <strong>des</strong><br />
bei der Auftragsausführung Geschaffenen“ die Situation differenzierter ausfällt, da<br />
hier die Interessensituation <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> zu beachten ist. 998 In diesem Bereich der<br />
Ablieferungsobligation wird die Interessensituation <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> durch das<br />
Konzept der sog. Handakten verwirklicht, wobei das rechtlich geschützte Interesse <strong>des</strong><br />
Auftraggebers auf das eigentliche Arbeitsresultat beschränkt wird. 999 <strong>Die</strong>ses<br />
Informationskonzept, das die Interessen der beteiligten Parteien im Rahmen der<br />
Ablieferungsobligation ausgleicht, schliesst den Einfluss eines allgemeinen<br />
Interessenwahrungsgrundsatzes aus. Wie die detaillierte Zuordnung einzelner<br />
Gegenstände und Informationen im Rahmen <strong>des</strong> Konzepts der sog. Handakten zeigt,<br />
besteht hierbei für eine allgemeine Beeinflussung durch den<br />
Interessenwahrungsgrundsatz kein Raum. Von besonderem Interesse ist dabei, dass<br />
insbesondere die eigentliche Dokumentation <strong>des</strong> Auftrages, welche, gestützt auf die<br />
Dokumentationspflicht, erstellt wird, nach der hier vertretenen Ansicht vom<br />
Anwendungsbereich der sog. Handakten erfasst wird. 1000 Damit vermag der allgemeine<br />
994 Kapitel 3.3.3.2 und 3.3.3.3.<br />
995<br />
Siehe dazu auch Hofstetter, 2000, 115 (soweit dieser Autor sich auf die<br />
Ablieferungsobligation bezieht).<br />
996<br />
BasK-Weber, Art. 400 N 8, spricht von einer „sachgerechten Kontrolle“.<br />
997<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.<br />
998<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.<br />
999<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.2 und 3.3.3.4.3.<br />
1000 Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4.
- 212 -<br />
Interessenwahrungsgrundsatz in diesem Bereich keine Wirkung zu entfalten, da bereits<br />
eine konkrete abschliessende Ordnung geschaffen wurde.<br />
(3) <strong>Die</strong> Ausführungen in Kapitel 3.4 zum Einfluss <strong>des</strong> Datenschutzrechts auf die<br />
vorliegende Informationsordnung im Auftragsrecht haben gezeigt, dass die Klärung<br />
der Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich <strong>des</strong> DSG zum<br />
einen und <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs zum anderen zugleich die<br />
Interessensfrage zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer entscheidet. <strong>Die</strong>se<br />
Auseinandersetzung der Interessen erfolgt im Rahmen der Erörterung von zahlreichen<br />
Grundsätzen und Einzelfragen <strong>des</strong> Datenschutzrechts (Abwägung zwischen Eigenund<br />
Fremdbereich, informationelles Selbstbestimmungsrecht, Recht auf richtige Daten<br />
etc.), weshalb der allgemeine Grundsatz der Interessenwahrung ohne eigentliche<br />
Kennzeichnungskraft erscheint. In den Teilergebnissen der datenschutzrechtlichen<br />
Diskussion ist der Interessenausgleich bereits erfolgt, weshalb ein allgemeiner Einfluss<br />
eines Interessenwahrungsgrundsatzes unberücksichtigt bleibt. Vor diesem Hintergrund<br />
ergibt sich für den allgemeinen Interessenwahrungsgrundsatz im Datenschutzrecht<br />
kein weiterer Anwendungsbereich. Damit vermag der allgemeine<br />
Interessenwahrungsgrundsatz in diesem Bereich keine Wirkung zu entfalten, da das<br />
Recht bereits eine konkrete abschliessende Ordnung geschaffen hat.<br />
(4) <strong>Die</strong> Auseinandersetzung in Kapitel 3.5 mit dem Weisungsrecht im Recht der<br />
Arbeitsleistung hat durch einen Vergleich zwischen Auftrags- und Arbeitsrecht<br />
ergeben, das sich der Auftragsvertrag in der Informationsordnung gerade durch das<br />
Fehlen eines generellen Kontrollrechts auszeichnet. Eine Gegenüberstellung <strong>des</strong><br />
Auftragsvertrages und <strong>des</strong> Personengesellschaftsvertrages bestätigen diese<br />
Charakteristik <strong>des</strong> Auftragsvertrages. 1001 Dementsprechend ist ein Kontrollrecht <strong>des</strong><br />
Auftraggebers auf bestimmte, vordefinierte Bereiche beschränkt (siehe etwa dazu die<br />
obigen Ausführungen zur Pflicht zur Rechnungslegung bezogen auf die<br />
Ablieferungsobligation). <strong>Die</strong> detaillierte Analyse <strong>des</strong> Weisungsrechts<br />
(Zielanweisungsrecht, Fachanweisungsrecht, Verhaltensanweisungsrecht) führte zum<br />
Ergebnis, dass sich, gestützt auf ein Weisungsrecht im Auftragsvertrag, einzig ein<br />
beschränktes Informationsrecht begründen lässt, welches sich auf Art. 400 OR<br />
abstützt. Das aus Sicht von Art. 400 OR beschränkte Informationsrecht erklärt sich aus<br />
den beschränkten Zuständigkeiten <strong>des</strong> Auftraggebers. Entscheidend ist aus Sicht eines<br />
Informationsrechtes, welches auf Art. 400 OR abgestützt werden soll, dass das<br />
1001 Siehe dazu Kapitel 3.7.2.
- 213 -<br />
Weisungsrecht durch andere auftragsrechtliche Informationsrechte unterstützt wird:<br />
Benachrichtigungs- und Aufklärungspflicht. Es handelt sich diesbezüglich um<br />
Informationsrechte, welche sich einzig auf Art. 398 OR abstützen können und daher<br />
grundsätzlich ausserhalb <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> der vorliegenden Arbeit liegen.<br />
Entsprechend führt der allgemeine Grundsatz der Interessenwahrung nicht zu einem<br />
Informationsrecht, welches seine Rechtsgrundlagen in Art. 400 OR hat, da dieses<br />
Informationsrecht die notwendige Kommunikation nicht bereitstellen kann.<br />
(5) <strong>Die</strong> Darstellung der Rechtslage im Zusammenhang mit dem jederzeitigen<br />
Widerrufsrecht in Kapitel 3.6 hat ergeben, dass der allgemeine<br />
Interessenwahrungsgrundsatz nicht zu einem umfassenden Informationsrecht führen<br />
kann. <strong>Die</strong> Ausführungen zum Wesensmerkmal und zum Regelungsgedanken von<br />
„Vertrauen“ im Auftragsrecht haben zum Ergebnis geführt, dass Vertrauen keine<br />
Grundlage für eine Informationspflicht ist, welche die Rechtsgrundlage in Art. 400 OR<br />
hat. Auch das Institut <strong>des</strong> jederzeitigen Widerrufsrechts kann keine Grundlage für ein<br />
hier untersuchtes Informationsrecht sein, da die entsprechende Sanktion für verlorenes<br />
Vertrauen die Möglichkeit der Wahrnehmung <strong>des</strong> jederzeitigen Kündigungsrechts ist.<br />
Damit vermag der allgemeine Interessenwahrungsgrundsatz in diesem Bereich keine<br />
Wirkung zu entfalten.<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei richtiger Einordnung der<br />
Einfluss <strong>des</strong> allgemeinen Interessenwahrungsgrundsatzes stark eingeschränkt resp.<br />
bereits bei den Ausführungen in den einzelnen Kapiteln 3.2 bis 3.6 berücksichtigt ist.<br />
Dabei zeigt sich, dass es im Auftragsvertrag klar definierte Bereiche gibt, in denen der<br />
allgemeine Interessenwahrungsgrundsatz zu berücksichtigen ist und die Rechts- resp.<br />
Pflichtenlage <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> dadurch beeinflusst werden (Ausführungsobligation,<br />
Ablieferungsobligation). In den hier untersuchten informationsrelevanten Beziehungen<br />
im Rahmen von Art. 400 OR muss demgegenüber festgestellt werden, dass der<br />
allgemeine Interessenwahrungsgrundsatz grundsätzlich keine besondere oder<br />
weitergehende Wirkung entfaltet. <strong>Die</strong>ses Ergebnis entspricht aber auch der Tatsache,<br />
dass der Auftragsvertrag zuerst und dem Wesen nach ein Interessengegensatzvertrag<br />
ist.<br />
3.7.1.3 Weitere Untersuchung aufgrund der bisherigen Ergebnisse<br />
In den nachfolgenden Abschnitten soll, gestützt auf die bisherigen Ergebnisse, das<br />
Informationsrecht vor dem Hintergrund der Interessensfrage weiter dargestellt werden,<br />
soweit es für die vorliegende Untersuchung sachdienlich ist. In einem ersten Teil<br />
sollen entsprechende Erkenntnisse in dieser Hinsicht durch eine Untersuchung der
- 214 -<br />
Informationsordnung im Personengesellschaftsrecht gewonnen werden (Kapitel 3.7.2).<br />
Nachfolgend soll das Interesse an der Rechnungsstellung (Abrechnung) untersucht<br />
werden, da es sich hierbei um ein konkretes Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers handelt,<br />
welches in der rechtshistorischen Untersuchung gerade auch für die Schweiz belegt<br />
werden kann. 1002 <strong>Die</strong> Klärung der entsprechenden Interessenlage soll weiter dazu<br />
dienen, den Inhalt der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> zu definieren, wie sie in Art. 400 OR<br />
festgelegt ist (Kapitel 3.7.3).<br />
3.7.2 Informationsordnung im Personengesellschaftsrecht<br />
3.7.2.1 Vorbemerkungen<br />
<strong>Die</strong> Unterscheidung zwischen Auftragsvertrag und Personengesellschaftsvertrag<br />
erfolgt grundsätzlich nach dem Kriterium der Interessenlagen. 1003 Nachfolgend werden<br />
<strong>des</strong>halb in den Kapiteln 3.7.2.2 bis 3.7.2.4 die Informationsordnung im<br />
Personengesellschaftsrecht dargestellt und in Kapitel 3.7.2.5 die Grundlagen und damit<br />
die Rechtfertigung für ein entsprechen<strong>des</strong> Kontrollrecht erarbeitet. Zentral wird dabei<br />
die Beschäftigung mit den Interessenlagen in Auftrags- und Gesellschaftsvertrag und<br />
die entsprechenden Schlussfolgerungen für eine unterschiedliche Informationsordnung<br />
sein. Es soll dargelegt werden, dass die allgemeine Vergemeinschaftung im<br />
Personengesellschaftsrecht das Kontrollrecht begründet, wobei sich die<br />
Vergemeinschaftung der Interessen deutlich von der blossen Interessenwahrung<br />
unterscheidet. <strong>Die</strong> entsprechenden Ergebnisse sollen anhand der speziellen Situation<br />
<strong>des</strong> Kommanditärs in Kapitel 3.7.2.6 weiter überprüft werden.<br />
3.7.2.2 Anwendbare Rechtsnormen für die Bestimmung <strong>des</strong><br />
Informationsrechts<br />
Verschiedentlich werden in Lehre und Rechtsprechung einzelne Aspekte <strong>des</strong> Rechts<br />
der einfachen Gesellschaft bei der Behandlung von auftragsrechtlichen<br />
Problemstellungen vergleichend erörtert. Bei der Untersuchung der<br />
informationsrechtlichen Sachverhalte stehen dabei Art. 540 und Art. 541 OR im<br />
Vordergrund. Von Interesse ist dabei jene Ausgestaltung der Geschäftsführung im<br />
Personengesellschaftsrecht, in der nur einzelne Gesellschafter die Geschäfte führen.<br />
Nach Art. 540 Abs. 1 OR wird dabei das Verhältnis zwischen den geschäftsführenden<br />
und den übrigen Gesellschaftern – unter Vorbehalt anderer Bestimmungen im Recht<br />
1002<br />
Siehe dazu allgemein Kapitel 2 und für die Schweiz im Besonderen Kapitel 2.8.<br />
1003<br />
An <strong>St</strong>elle vieler: BK-Fellmann, Art. 394 N 345f. (mit zahlreichen weiteren Hinweisen).<br />
Siehe dazu auch Kapitel 1.3.1 und 3.7.2.5.
- 215 -<br />
der einfachen Gesellschaft (Art. 530 – 551 OR) – durch das Auftragsrecht (Art. 394 ff.<br />
OR) bestimmt. Von besonderem Interesse ist also die Gegenüberstellung von Art.<br />
540f. OR und Art. 400 OR.<br />
In der Lehre zum Personengesellschaftsrecht wird die Frage, welche Normen in<br />
welcher Konstellation anwendbar sind, unterschiedlich beantwortet: Zum einen wird<br />
die Ansicht vertreten, dass Art. 400 OR einzig unter den geschäftsführenden<br />
Gesellschaftern, zwischen geschäftsführenden und den übrigen Gesellschaftern aber<br />
ausschliesslich Art. 541 OR zur Anwendung gelange. 1004 Zum anderen wird von einem<br />
überwiegenden Teil der Lehre jedoch die Meinung verfochten, dass das<br />
Informationsrecht gemäss Art. 541 OR jedem Gesellschafter – ungeachtet einer<br />
bestimmten Funktion – zusteht. 1005 Für die zweite Lesart kann insbesondere angeführt<br />
werden, dass sie sich auf den französischen Wortlaut abstützen kann 1006 und dass eine<br />
ausführliche ältere rechtsvergleichende Untersuchung 1007 zum Schluss gekommen ist,<br />
dass es sich bei dieser einheitlichen Rechtsanwendung gerade auch um eine<br />
wesentliche Rechtsentwicklung im deutschen Rechtskreis aus der Zeit der<br />
Gesetzesentstehung handelt. Wie auch die vorliegende Arbeit zeigen wird, ist dieser<br />
zweiten Lesart der Vorzug zu geben, da sie sich auch besser mit den<br />
informationsrechtlichen Charakteristika <strong>des</strong> Gesellschaftsvertrages verträgt. 1008 Damit<br />
findet die Regelungsidee von Art. 541 OR im Personengesellschaftsrecht stets<br />
Anwendung.<br />
<strong>Die</strong>se Ansicht gilt aufgrund <strong>des</strong> Verweises von Art. 557 Abs. 2 OR auf Art. 541 OR<br />
gemäss Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich auch im Anwendungsbereich <strong>des</strong><br />
Kollektivgesellschaftsrechtes. 1009<strong>Die</strong>selbe Rechtslage besteht grundsätzlich auch für<br />
1004 BasK-Handschin, Art. 540 N 4. <strong>Die</strong>se Auslegung kann sich insbesondere auf den<br />
deutschen Gesetzeswortlaut abstützen.<br />
1005 ZK-Siegwart, Art. 541 N 3; Lasserre, 53 und 61; Patry, Précis, 229 und 291; BK-<br />
Fellmann/Müller, Art. 541 N 17. So auch deutlich der Cour de justice civile in SJ 1988 30<br />
E. 4. Für die Rechtslage gemäss Art. 540f. unter dem aOR: Hafner, Art. 398 N 3.<br />
1006 Lasserre, 61 FN 1, betont in seiner Untersuchung, dass bei dieser Frage der deutsche<br />
Gesetzeswortlaut nicht massgebend sein könne.<br />
1007 Vogelsang, 117.<br />
1008<br />
Siehe dazu die nachfolgenden Abschnitte.<br />
1009<br />
So der Cour de justice civile in SJ 1988 30 E. 3. Ferner: Lasserre, 53 i.V.m. 63 (<strong>Die</strong>ser<br />
Autor gelangt zur Auffassung, dass das Kontrollrecht im Recht der Kollektivgesellschaft<br />
eher noch umfassender sei, da hier eine eigentliche Buchführungspflicht bestehe, was<br />
Auswirkungen auf die Situation <strong>des</strong> nicht geschäftsführenden Kollektivgesellschafters<br />
habe.); Job, 27; Patry, Précis, 291; ZK-Siegwart, Art. 557 N 2; BK-Hartmann, Art. 557 N<br />
16; <strong>St</strong>eiger, 614.
- 216 -<br />
den gesetzlichen Vertreter oder gar für einen beauftragten Dritten <strong>des</strong><br />
Gesellschafters. 1010<br />
3.7.2.3 Zweck der Informationspflicht: Verschaffung der Kontrollmöglichkeit<br />
In der Lehre wird einhellig die Auffassung vertreten, dass sich der Gegenstand dieser<br />
Informationspflicht gemäss Art. 541 OR aus dem Zweck der Norm ergeben müsse.<br />
Ungeachtet gewisser (grammatikalischer) Differenzen in der Lehre, 1011 hat sich im<br />
Bereich von Art. 541 OR einheitlich die Bezeichnung „Kontrollrecht“ durchgesetzt, 1012<br />
obwohl dies etwa durch den Wortlaut 1013 der Norm nicht nahegelegt wird. Der Zweck<br />
<strong>des</strong> Informationsrechtes von Art. 541 OR ist also die Kontrollmöglichkeit bezüglich<br />
<strong>des</strong>sen, was ein anderer, grundsätzlich mit gleichen Rechten und Pflichten<br />
ausgestatteter Vertragspartner, in der Rolle <strong>des</strong> Geschäftsführers geleistet hat. 1014 Wie<br />
im Einzelarbeitsvertragsrecht, wo die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> das Kontrollrecht<br />
1015 verwirklicht, kann auch im Personengesellschaftsrecht das entsprechende<br />
Kontrollrecht weder beschränkt noch wegbedungen werden 1016 , da dieses Recht eine<br />
Grundlage <strong>des</strong> entsprechenden Vertragstypus darstellt.<br />
In Abweichung zur mandatsrechtlichen Lehre wird teilweise gefordert, dass die<br />
Informationspflicht nicht jederzeit ausgelöst werden könne, da der Tatsache Rechnung<br />
zu tragen sei, dass ein Geschäftsbetrieb mit fester Geschäftsperiode vorliege. 1017<br />
Richtigerweise ist jedoch festzuhalten, dass die Einrichtung einer Kontrolle ein<br />
Informationsrecht fordert, welches „en tout temps“ abgerufen werden kann. 1018<br />
1010<br />
Ausführlich Patry, Précis, 230 (wobei v.a. die Rechtslage in Art. 600 Abs. 3 OR im Sinne<br />
eines in maiore minus angeführt wird). Lasserre, 61, vertritt gestützt auf ZR 4 Nr. 192, die<br />
Ansicht, dass auch „der Beizug von Sachverständigen (...) eine persönliche Einsichtnahme<br />
ist.“ Einschränkender: BasK-Handschin, Art. 541 N 7.<br />
1011<br />
BasK-Handschin, Art. 541 N 3, will alles zulassen, „was zur Erreichung <strong>des</strong> Zwecks nötig<br />
ist.“ Demgegenüber anerkennt ZK-Siegwart, Art. 541 N 2, ein Informationsrecht nur<br />
soweit, als ein solches „unbedingt zu seiner [Ziel-] Erreichung erforderlich ist.“<br />
1012<br />
BasK-Handschin, Art. 541 N1; ZK-Siegwart, Art. 541 N 1; Patry, Précis, 291f.; BK-<br />
Fellmann/Müller, Art. 541 N 50.<br />
1013<br />
dt.: „ ... Einsicht ... sich unterrichten lassen ... Übersicht anfertigen ...“; fr.: „ ... se<br />
renseigner ... de consulter ... dresser un état sommaire ...“; it.: „ ... diritto d‘ informarsi ...<br />
ispezionare ... estrarne un prospetto.“<br />
1014<br />
<strong>St</strong>eiger, 405 (der in diesem Zusammenhang auf das eingeschränktere Kontrollrecht <strong>des</strong><br />
Kommanditärs hinweist). Siehe dazu Kapitel 3.7.2.6.<br />
1015<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.3.<br />
1016<br />
Art. 541 Abs. 2 OR. Aus der Rechtsprechung: Cour de justice civile in SJ 1988 30 E. 4.<br />
1017<br />
ZK-Siegwart, Art. 540 N 3; BK-Becker, Art. 540 N 3.<br />
1018<br />
Deutlich: Patry, Précis, 229 resp. 291; <strong>St</strong>eiger, 404; BK-Fellmann/Müller, Art. 541 N 77.<br />
Demgegenüber ist ein Teil <strong>des</strong> Informationsrechts <strong>des</strong> Kommanditärs zeitlich<br />
eingeschränkt.
- 217 -<br />
Mangels einer spezifischen gesetzlichen Regelung handelt es sich hierbei um eine<br />
Kontrollpflicht, welche als eine reaktive Pflicht angelegt ist. 1019<br />
3.7.2.4 Gegenstand <strong>des</strong> Kontrollrechts<br />
Gemäss der Zweckumschreibung soll das entsprechende Informationsrecht die<br />
Kontrollmöglichkeit verschaffen. 1020 Dabei kann etwa der nicht geschäftsführende<br />
Personengesellschafter einer einfachen Gesellschaft die entsprechende Kontrolle und<br />
damit die Kommunikation zwischen den Gesellschaftern erzwingen. 1021<br />
Entsprechend der Eigenschaft eines Kontrollrechts hat die Rechtsprechung dieses<br />
Informationsrecht als ein „droit étendu“ 1022 anerkannt. <strong>Die</strong>ser breiten Umschreibung<br />
folgt auch die Lehre, wenn von einem „droit de contrôle très étendu, aussi efficace que<br />
possible“ 1023 oder davon gesprochen wird, dass dieses Informationsrecht „doit être<br />
comprise largement.“ 1024 In diesem Zusammenhang wird in der Lehre ausgeführt, dass<br />
das Informationsrecht so weit reiche, wie es für die Zweckerreichung – ein effektives<br />
Kontrollrecht – eben notwendig sei. 1025<br />
Aus diesen Umschreibungen in Lehre und Rechtsprechung wird deutlich, dass die<br />
Kontrolle und damit das Informationsrecht grundsätzlich grenzenlos sind. 1026 Dabei<br />
bezieht sich das Kontrollrecht zum einen auf die Überprüfung <strong>des</strong>sen, was als Gewinnund<br />
Verlustbeteiligung ausgewiesen worden ist. 1027 Zum anderen umfasst die<br />
Kontrolle gemäss Art. 541 OR aber auch alle Informationen, mithilfe derer untersucht<br />
werden soll, „ob die Tätigkeit <strong>des</strong> Geschäftsführers eine pflichtgemässe war.“ 1028<br />
Entsprechend diesem umfassenden Anspruch, der dem Zweck von Art. 541 OR<br />
1019<br />
<strong>St</strong>eiger, 404, vertritt wohl ebenfalls diese Ansicht, da der „Geschäftsführer zur Auskunft<br />
verpflichtet“ sei.<br />
1020<br />
ZK-Siegwart, Art. 541 N 2; BasK-Handschin, Art. 541 N 3 und 5.<br />
1021<br />
SJ 1977 E. 2b (Aus der Regeste: „Un associé non gérant d’une société simple à qui<br />
l’associé gérant refuse la communication pour contrôle <strong>des</strong> bilans, comptes d’exploitation,<br />
comptes de profits et pertes de la société a droit d’en requérir communication par voie de<br />
mesures provisionnelles.”<br />
1022<br />
SJ 1988 20 E. 4.<br />
1023<br />
Patry, Précis, 229.<br />
1024<br />
Tercier, N 5662 (aus der 2. Auflage).<br />
1025<br />
BasK-Handschin, Art. 541 N 3 und 5. Es sollen „umfassende Kenntnisse verschafft<br />
[werden]“: BK-Fellmann/Müller, Art. 541 N 57.<br />
1026<br />
Patry, SPR VIII/1, 202: „ ... praktisch unbegrenzt ... .“; <strong>St</strong>eiger, 404: „In sachlicher<br />
Hinsicht ... grundsätzlich unbeschränkt.“; Lasserre, 62: „(...) le droit de regard de l‘associé<br />
est illimité.“; Meier-Hayoz/Peter Forstmoser, § 12 N 58: „... umfassend ... .“<br />
1027<br />
ZK-Siegwart, Art. 541 N 1; BasK-Handschin, Art. 541 N 2.<br />
1028<br />
ZK-Siegwart, Art. 541 N 1 (mit Hinweisen auf die Rechtsprechung in HE 10, 291f. und<br />
HE 13, 185ff.).
- 218 -<br />
entspricht, werden in der Lehre kaum Einschränkungen genannt, was konkret vom<br />
Kontrollrecht ausgenommen ist. 1029 So sind namentlich auch alle Entwürfe, Notizen<br />
und Protokolle 1030 sowie Bücher, Belege, Einsicht in die Depots und Warenlager und<br />
die Besichtigung von Grundstücken 1031 von diesem Kontrollrecht erfasst. 1032 Begrenzt<br />
wird dieses Informationsrecht nach allgemeiner Vorstellung offenbar einzig durch das<br />
1033 Rechtsmissbrauchsverbot. Allerdings ist der Anwendungsbereich <strong>des</strong><br />
Rechtsmissbrauchsverbots unklar, will doch das entsprechende gesellschaftsrechtliche<br />
Informationsrecht gerade die Kontrolle vermitteln. Aus diesem Grund ist es schwierig<br />
sich vorzustellen, in welchen Situationen die Ausübung dieses Anspruchs auf<br />
Kontrolle etwa zweckwidrig oder ohne ein schützenswertes Interesse erfolgt sein soll.<br />
1034 Im Ergebnis entspricht das dargestellte Kontrollrecht „nichts anderem als dem<br />
umfassenden Gesellschafterrecht abzüglich der Geschäftsführungsbefugnis.“ 1035<br />
3.7.2.5 Grundlagen für ein umfassen<strong>des</strong> Kontrollrecht<br />
<strong>Die</strong> Situation zwischen geschäftsführenden und übrigen Gesellschaftern einerseits und<br />
Beauftragtem und Auftraggeber anderseits weisen Gemeinsamkeiten auf, weshalb<br />
auch bereits das Gesetz in Art. 540 Abs. 1 OR einen generellen Verweis auf das Recht<br />
<strong>des</strong> einfachen Auftrages enthält. <strong>Die</strong> vorgehenden Abschnitte in diesem Kapitel haben<br />
gezeigt, dass im Gesellschaftsrecht ein umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht statuiert wird,<br />
welches als eigentliches Kontrollrecht ausgestaltet ist. 1036 Demgegenüber haben die<br />
bisherigen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit ergeben, dass die Informationspflicht<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ im Auftragsrecht eine beschränkte Informationspflicht ist,<br />
welche als eigentliche Berichtspflicht zu charakterisieren ist. Nachfolgend soll den<br />
1029<br />
In diesem Zusammenhang ist auch auffällig, dass keine einschränkenden Anführungen<br />
dazu gemacht werden, was sich „vom Gang der Gesellschaftsangelegenheiten<br />
unterrichten“ bedeutet: Vgl. ZK-Siegwart, Art. 541 N 5 und BasK-Handschin, Art. 541 N<br />
4.<br />
1030<br />
BasK-Handschin, Art. 541 N 5.<br />
1031<br />
Christ, 46.<br />
1032<br />
Eine ausführliche Aufzählung findet sich bei BK-Fellmann/Müller, Art. 541 N 58.<br />
1033<br />
SJ 1988 20 E. 4 i.f.; ZK-Siegwart, Art. 541 N 9; BasK-Handschin, Art. 541 N 9 (mit<br />
weiteren Hinweisen). Meier-Hayoz/Peter Forstmoser, § 12 N 58.<br />
1034<br />
Anwendungsfälle <strong>des</strong> Rechtsmissbrauchsgebots sind aber etwa: Unangemessen häufig<br />
gestellte Auskunftsbegehren; Auskunftsbegehren über Sachverhalte, die sich der Anfrager<br />
gestützt auf seine Unterlagen auch selbst beantworten könnte; unangemessen langes<br />
Zuwarten mit dem Auskunftsbegehren.<br />
1035<br />
Christ, 46.<br />
1036<br />
Der Umstand, dass das Kriterium „Kontrolle“ alleine nicht das Abgrenzungskriterium für<br />
das Gesellschaftsrecht sein kann, ist an dieser <strong>St</strong>elle nicht von entscheidender Bedeutung:<br />
Siehe dazu die Ausführungen von Rommé, 360f. Aus diesem Grund wird nachfolgend<br />
nicht auf die Kritik zur Vertragsqualifikation von Rommé, 348ff., eingegangen.
- 219 -<br />
Gründen nachgegangen werden, welche eine solch unterschiedliche<br />
Informationsordnung zwischen Auftragsvertrag und Personengesellschaftsvertrag 1037<br />
rechtfertigen können. 1038<br />
3.7.2.5.1 Besondere Risikolage <strong>des</strong> Personengesellschafters<br />
Im Bereich der einfachen Gesellschaft haftet jeder Gesellschafter primär und<br />
ausschliesslich, unbeschränkt und solidarisch. 1039 Demgegenüber haftet jeder<br />
Personengesellschafter bei einer Kollektivgesellschaft nur subsidiär, aber ebenfalls<br />
unbeschränkt. 1040 Damit bekleidet jeder Personengesellschafter, unabhängig von seiner<br />
konkreten Rolle innerhalb der Gesellschaft, eine rechtliche <strong>St</strong>ellung, die mit<br />
erheblichen Risiken verbunden ist. 1041 Gemäss der gesetzlichen Ordnung kann sich der<br />
Gesellschafter diesem hohen potenziellen Risiko, das in seiner <strong>St</strong>ellung als<br />
Gesellschafter begründet ist, grundsätzlich nicht entziehen. <strong>Die</strong> Rechtssprechung 1042<br />
hat in diesem Zusammenhang in neuerer Zeit gerade wieder entschieden, dass die<br />
Haftung grundsätzlich immer gegeben ist, soweit die entsprechenden Handlungen der<br />
Mitgesellschafter nicht offensichtlich jenseits <strong>des</strong> Gesellschaftszwecks anzusiedeln<br />
sind. <strong>Die</strong>s stellt ein beträchtliches Risiko <strong>des</strong> Mitgesellschafters dar, entspricht aber<br />
dem Bedürfnis der Geschäftswelt. 1043 <strong>Die</strong> Risikoposition wird dabei durch die<br />
Tragweite einer gesetzlichen Vermutung der Vertretungsmacht eines<br />
1044 Personengesellschafters unterstrichen. Schliesslich akzentuiert sich die<br />
Risikoposition <strong>des</strong> nicht geschäftsführenden Personengesellschafters noch dadurch,<br />
1037<br />
<strong>Die</strong> nachfolgend aufgeführten Argumente für ein umfassen<strong>des</strong> Kontrollrecht <strong>des</strong><br />
Personengesellschafters sind nach der hier vertretenen Auffassung die entscheidenden<br />
Merkmale, welche informationsrechtlich das Kontrollrecht rechtfertigen. <strong>Die</strong> Argumente<br />
ergeben sich aus dem „Wesen“ der gesellschaftlichen Vereinigung und können nicht als<br />
blosse „Mystifizierungen“ abgetan werden: Siehe hierzu die Aussagen von Rommé, 334.<br />
1038<br />
Damit wird hier insbesondere demjenigen Teil der Lehre nicht gefolgt, welcher die<br />
Auffassung vertritt, dass etwa „[i]m Unterschied zum Auftragsrecht das Recht der<br />
einfachen Gesellschaft keine umfassende Rechenschaftsablegung begründet“: BK-<br />
Fellmann/Müller, Art. 540 N 66.<br />
1039<br />
Art. 544 Abs. 3 OR.<br />
1040<br />
Ausführlich: Plattner, 9, 28ff. und 87ff. <strong>Die</strong> besondere <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong> Kommanditärs wird<br />
demgegenüber nachfolgend in Kapitel 3.7.2.6. gesondert dargestellt.<br />
1041<br />
Patry, Précis, 292; <strong>St</strong>eiger, 404. Besonders deutlich: Lasserre, 61, und BasK-Handschin,<br />
Art. 541 N 1.<br />
1042<br />
ZR 103 Nr. 20 [S. 67]. Zustimmend Forstmoser/Peyer, Entwicklungen 2004, 519.<br />
1043<br />
<strong>Die</strong> Einschränkungen der Risikoposition, welche sich aus BGE 124 III 363ff., E. 2d<br />
ergeben, finden wohl nur sehr beschränkt auf die Bereiche der freien Berufe Anwendung,<br />
weshalb die allgemeine Tragweite der Risikoexposition im Personengesellschaftsrecht in<br />
der Regel bestehen bleibt.<br />
1044<br />
BGE 123 III 355ff., E. 4a. Im Aussenverhältnis ergibt sich „[g]estützt auf die<br />
bun<strong>des</strong>gerichtliche Rechtsprechung geradezu eine ‚Anscheinskaskade’“, welche die<br />
Risikoposition <strong>des</strong> Personengesellschafters unterstreichen: Ausführlich dazu Guhl/Druey,<br />
§ 62 N 40ff. und die kritische Besprechung von Fellmann/Müller, 637ff.
- 220 -<br />
dass diesem „kein Recht zur Anordnung von positiven Massregeln“ 1045 zusteht: 1046<br />
<strong>Die</strong>ser Gesellschafter kann demnach nicht – wie es beispielsweise im Arbeitsvertrag<br />
oder Auftragsvertrag vorgesehen und eingerichtet ist – konkrete Anweisungen an seine<br />
Mitgesellschafter erteilen.<br />
Aufgrund dieser Tatsachen ist der nicht geschäftsführende Personengesellschafter<br />
einem Risiko ausgesetzt, welches mit der Position <strong>des</strong> Auftraggebers nicht verglichen<br />
werden kann. Das Personengesellschaftsrecht hat den Gesellschaftern entsprechend ein<br />
Informationsrecht zugestanden, welches als präventives Kontrollrecht den<br />
Gesellschafter darin unterstützt, das entsprechende Risiko zu bewirtschaften. <strong>Die</strong><br />
Rechtsprechung sieht die Entsprechung für das strenge Haftungsregime in der<br />
Möglichkeit eines Kontrollrechts, welches der Personengesellschafter auch<br />
wahrnehmen müsse. So wurde einem Personengesellschafter gerade vorgeworfen, dass<br />
er „die interne Kontrolle der Gesellschaft vollständig vernachlässigt“ habe, „[d]enn die<br />
Kontrolle der handelnden Organe liegt im Machtbereich der Mitgesellschafter“. 1047<br />
Damit bestimmt die besondere Risikostellung <strong>des</strong> Personengesellschafters das<br />
entsprechende Kontrollrecht: Seine umfassende Risikosituation wird mit einem<br />
umfassenden Kontrollrecht ausgeglichen. <strong>Die</strong>ser Regelungsgedanke bringt es mit sich,<br />
dass jeder einzelne Gesellschafter grundsätzlich eine nicht bestimmbare Menge von<br />
Information einfordern kann, da die Relevanz (und damit die Menge) der Information<br />
nur individuell je nach bestehender Risikoneigung etc. bestimmt werden kann. Auch<br />
aus der Tatsache, dass ein individueller Ansatz zu beachten ist, folgt, dass jedem<br />
Gesellschafter grundsätzlich ein umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht zusteht. Aus der<br />
Risikosituation <strong>des</strong> Personengesellschafters ergibt sich also, dass es sich im Falle <strong>des</strong><br />
Informationsrechts gemäss Art. 541 OR um ein umfassen<strong>des</strong> und nur individuell<br />
bestimmbares Recht auf Information handelt. Mit dem umfassenden<br />
personengesellschaftlichen Kontrollrecht wird dem nicht geschäftsführenden<br />
Gesellschafter auch die Möglichkeit verschafft, durch seine ihm verbliebenen<br />
(indirekten) Mitwirkungsrechte das entsprechende Risiko weiter zu minimieren:<br />
Mitwirkung bei wichtigen Beschlüssen (Art. 535 Abs. 3 OR), Entzug der<br />
Geschäftsführungsbefugnis aus wichtigem Grund (Art. 539 Abs. 2 OR) und Klage auf<br />
1045 ZK-Siegwart, Art. 541 N 2.<br />
1046 Vorbehalten ist der Umstand, dass Gefahr im Verzug ist: ZK-Siegwart, Art. 535 N 12.<br />
1047 ZR 103 Nr. 20 [S. 68].
- 221 -<br />
Auflösung der Gesellschaft (Art. 545 OR). 1048 Damit gründet das Informationsrecht<br />
auch auf einer Zuständigkeitsordnung, wie sie auch im Bereich <strong>des</strong> Auftragsrechts<br />
gefordert ist. 1049 Im Gegensatz zur Situation im Mandatsrecht wird hier jedoch diese<br />
Situation durch die Einflüsse der übrigen Argumente überlagert, welche im<br />
Personengesellschaftsrecht und damit in der Situation <strong>des</strong> Gesellschafters begründet<br />
sind. Aus diesen Gründen ist im allgemeinen Personengesellschaftsrecht das<br />
Informationsrecht nicht auf die Zuordnung entsprechender Zuständigkeiten limitiert,<br />
weshalb dem Personengesellschafter ein Kontrollrecht zusteht. Es sind diese anderen<br />
Umstände, welche die Kontrolle <strong>des</strong> Personengesellschafters gewissermassen losgelöst<br />
von konkreten Zuständigkeiten <strong>des</strong> Personengesellschafters rechtfertigen.<br />
In diesem Zusammenhang ist auf die Risikoposition <strong>des</strong> Auftraggebers hinzuweisen:<br />
<strong>Die</strong> jüngere Rechtsprechung hat 1050 erneut betont, dass der Auftragnehmer „nicht für<br />
den Erfolg seiner Tätigkeit Gewähr zu leisten hat, sondern nur für das kunstgerechte<br />
Tätigwerden“ und dass „[n]ach wie vor die Parteien das Prozessrisiko zu tragen<br />
[haben], das sie nicht über die Verantwortlichkeit <strong>des</strong> Anwalts verlagern können“. Das<br />
Bun<strong>des</strong>gericht sieht die Entsprechung für diese Risikoposition <strong>des</strong> Auftraggebers in<br />
einer umfassenden Aufklärungspflicht, weil der Auftraggeber nur auf diese Weise<br />
seine Risiken bewirtschaften kann: „Als Ausfluss der Treuepflicht obliegt es dem<br />
Anwalt insbesondere, seinen Mandaten über die Schwierigkeit und die Risiken der<br />
Geschäftsbesorgung umfassend aufzuklären, damit dieser sich über das von ihm zu<br />
tragende Risiko bewusst werde.“ 1051 Entscheidend ist für die hier vorliegende Arbeit,<br />
dass die Aufklärungspflicht als die entsprechende Informationspflicht identifiziert<br />
wird, welche den Auftraggeber in seiner Situation unterstützen soll. 1052 Demgegenüber<br />
wird in diesem Zusammenhang die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nach der hier vertretenen<br />
Meinung richtigerweise nicht als die Informationspflicht dargestellt, welche zur<br />
Ausgleichung der Risikolagen dienlich sein soll.<br />
Damit sind die bestehende Risikolage und die gewährten (beschränkten)<br />
Mitwirkungsrechte (als eine konkrete Zuständigkeitsordnung) eine Grundlage für ein<br />
1048 Meier-Hayoz/Forstmoser, § 12 N 57 (gilt sowohl für die einfache Gesellschaft als auch für<br />
die Kollektivgesellschaft).<br />
1049 Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.5.2 und 3.5.5.<br />
1050 BGE 127 III 357ff., E. 1b.<br />
1051<br />
BGE 127 III 357ff., E. 1d ([Hervorhebungen nur hier] unter Hinweis auf BK-Fellmann,<br />
Art. 398 N 412).<br />
1052<br />
Siehe dazu auch die Kommentierung von Fellmann, Urteilsbesprechung, 194: Der Autor<br />
findet diese Feststellung <strong>des</strong> BGer von besonderem Interesse, gerade weil für das BGer<br />
dieser Sachzusammenhang so klar zu sein scheint.
- 222 -<br />
umfassen<strong>des</strong> Kontrollrecht (insbesondere auch) <strong>des</strong> nicht geschäftsführenden<br />
Personengesellschafters. Dabei zeigt die spätere Auseinandersetzung mit der<br />
Rechtsstellung <strong>des</strong> Kommanditärs, dass es sich hierbei um eine wesentliche Grundlage<br />
<strong>des</strong> umfassenden Kontrollrechts handelt. 1053 Weiter zeigt die Rechtsprechung, dass die<br />
Aufklärungspflicht als die Pflicht im Auftragsrecht anerkannt wird, welche die<br />
entsprechende Risikosituation <strong>des</strong> Auftraggebers klären soll.<br />
3.7.2.5.2 Gesellschaftsvertrag als Vergemeinschaftungsvertrag<br />
Gemäss Art. 530 OR ist eine Gesellschaft die vertragsmässige Verbindung von zwei<br />
oder mehreren Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes mit<br />
gemeinsamen Kräften oder Mitteln. Entscheiden<strong>des</strong> Element ist die „affectio<br />
societatis“, wodurch die Tatsache beschrieben wird, dass jeder Gesellschafter „den<br />
Willen zum partnerschaftlichen Zusammenwirken auf ein gemeinsames Ziel hat. (...)<br />
Demgemäss muss dieser Zweck dem Willen aller Gesellschafter entsprechen und zum<br />
eigentlichen Kern <strong>des</strong> Vertrages erhoben werden.“ 1054 <strong>Die</strong> Gesellschaft zeichnet sich<br />
demnach durch die Förderung eines gemeinsamen Zwecks und einer<br />
Vergemeinschaftung aus, weshalb das Fehlen eines gemeinsamen Zwecks gerade das<br />
Abgrenzungskriterium zwischen der einfachen Gesellschaft und dem Auftragsvertrag<br />
bildet. 1055 Eine ausführliche Untersuchung deckt die verschiedenen Facetten von<br />
„Einheit“ im Innenverhältnis einer Kollektivgesellschaft auf, wodurch die<br />
Verbundenheit zwischen den Gesellschaftern zum Ausdruck gelangt. 1056 Aufgrund<br />
dieser Ausführungen ist folgerichtig auch anzuerkennen, dass die<br />
Informationsordnung im Bereich <strong>des</strong> Personengesellschaftsrechts der<br />
Vergemeinschaftung Rechnung tragen soll. <strong>Die</strong>s wird durch die Tatsache verwirklicht,<br />
dass eine informationelle Gleichordnung aller Gesellschafter vorgesehen ist, indem<br />
Wissensdefizite ausgeglichen werden sollen. 1057<br />
Besonders deutlich unterscheidet sich die Gemeinschaftlichkeit <strong>des</strong> zu<br />
erwirtschaftenden Ergebnisses bei der einfachen Gesellschaft von der Rechtslage im<br />
1053<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.2.6.<br />
1054<br />
Meier-Hayoz/Forstmoser, § 1 Rz. 50. BGer in SJ 2002 620ff., E. 3b: „“L’animus<br />
societatis, qui caractérise la société simple, doit résulter de la volonté <strong>des</strong> parties (art. 18<br />
CO).”<br />
1055<br />
BGer in SJ 2002 620ff., E. 3a. Aus der Lehre an <strong>St</strong>elle vieler: BK-Fellmann, Art. 394 N<br />
347 (mit weiteren Hinweisen).<br />
1056<br />
Es kann dazu auf die Ausführungen bei Vonzun, N 405ff., insbesondere N 406f. und N<br />
409ff. verwiesen werden.<br />
1057 BK-Fellmann/Müller, Art. 541 N 10.
- 223 -<br />
Auftragsrecht, weshalb diese Tatsache ebenfalls als Abgrenzungskriterium anerkannt<br />
wird. 1058 In der Lehre wird die Art der Eigentumsverhältnisse als weitere Ausprägung<br />
<strong>des</strong> Vergemeinschaftungsgedankens ebenfalls im Sinne eines Hilfskriteriums als<br />
Unterscheidung zwischen Gesellschafts- und Auftragsvertrag anerkannt. 1059 Obwohl in<br />
der neueren informationsrechtlichen Literatur allgemein darauf hingewiesen wird, dass<br />
zwischen sachenrechtlicher und informationsrechtlicher Zuordnung unterschieden<br />
werden muss, 1060 ist doch anzuerkennen, dass gerade der Zusammenhang zwischen<br />
Eigentum und Information immer wieder stark hervorgehoben wird: So hat etwa die<br />
Darstellung <strong>des</strong> Arbeitsvertragsrechts gezeigt, dass die Eigentumsfrage im<br />
Zusammenhang mit Informationspflichten resp. Kontrollrechten Bedeutung erlangt. 1061<br />
Bezüglich <strong>des</strong> Personengesellschaftsrechts ist hierzu anzumerken, dass auch<br />
ausgeführt wird, dass das Gesamthandverhältnis als Grundordnung <strong>des</strong> Rechtes der<br />
einfachen Gesellschaft dazu führt, dass „das Kollektivistische der<br />
Mitgliedergesamtheit [betont wird].“ 1062 <strong>Die</strong>ser „kollektivistischen Tendenz“ wird im<br />
Rahmen <strong>des</strong> Personengesellschaftsrechts auf der Informationsebene am ehesten<br />
dadurch entsprochen, dass der „Vergemeinschaftung“ der vorhandenen Informationen<br />
durch die Einrichtung eines weitgehenden Informationsrechtes entsprochen wird. In<br />
rechtshistorischer Hinsicht kann dieser Zusammenhang bei der Entstehung <strong>des</strong> aAFG<br />
aus dem Jahre 1966 erkannt werden, als überwiegend das Konzept der sog.<br />
„Miteigentumslösung“ <strong>des</strong> Anlagefonds vertreten wurde 1063 : Das entsprechende<br />
Informationsrecht <strong>des</strong> Anlegers wurde <strong>des</strong>halb weit ausgestaltet, weil fingiert wurde,<br />
der Anleger sei der eigentliche Eigentümer der Werte <strong>des</strong> Anlagefonds. Der Anleger<br />
wurde in der Tendenz so dargestellt, als wäre er weiter Eigentümer und müsse sich<br />
auch (gestützt auf die dazu notwendige Information) so verhalten (können). <strong>Die</strong><br />
konzeptionelle Grundlage war dabei, „dass der Anlagefonds nach herrschender<br />
1058<br />
BGer in SJ 2002 620ff., E. 3c/dd (mit zahlreichen Hinweisen). Rommé, 356, hält dieses<br />
Kriterium für nicht entscheidend.<br />
1059<br />
So etwa bei BasK-Weber, Art. 394 N 34.<br />
1060<br />
Druey, Information als Gegenstand, 93 (Kapitel 4. III), und 227 (speziell für die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong>).<br />
1061<br />
Etwa (indirekt) im Bereich <strong>des</strong> Weisungsrechtes (Kapitel 3.5.2) und besonders deutlich<br />
bei der Informationspflicht nach Art. 352a OR im Recht <strong>des</strong> Heimarbeitnehmervertrages<br />
(Kapitel 3.5.3.4.2).<br />
1062<br />
Fellmann, Grundfragen, 289 (mit weiteren Hinweisen).<br />
1063<br />
Für Einzelheiten: KF-Forstmoser, Art. 6 N 1 (mit dem Hinweis, dass diese Konstruktion<br />
im aAFG später bewusst abgelehnt worden sei). Amonn, 281: „Weil man bei diesem<br />
Vorbild [i.e. dem ‚Investment-Trust‘ in der Gestalt <strong>des</strong> angelsächsischen ‚common law<br />
trust‘] das Schwergewicht in der eigentümerähnlichen Rechtsstellung der Anleger<br />
erblickte, entschied man sich dabei für die sog. Miteigentumslösung.“
- 224 -<br />
Auffassung eine einfache Gesellschaft darstellt.“ 1064 Das weitgehende Informationsresp.<br />
Kontrollrecht wurde demnach auf die sachenrechtliche Ordnung im Bereich <strong>des</strong><br />
Personengesellschaftsrechts abgestützt.<br />
Ein weiterer zentraler Unterschied zwischen Auftragsvertrag und Gesellschaftsvertrag<br />
ergibt sich aus der Ausgestaltung der Interessenlagen. Der Auftrag hat das<br />
(tatsächliche und/oder rechtliche) Handeln für eine andere Person zum Gegenstand.<br />
Obgleich dieser spezifische Vertrag typischerweise durch das Prinzip der<br />
Interessenwahrung charakterisiert wird (die Interessenwahrungspflicht ist zu den<br />
Typenmerkmalen <strong>des</strong> Auftragsrechts zu zählen 1065 ), lässt sich die Intensität dieser<br />
Pflicht nur aus den konkreten Umständen ableiten. 1066<br />
Grundsätzlich ist im Auftragsrecht von der Prävalenz 1067 der Auftraggeberinteressen<br />
die Rede. Der Auftragsvertrag als ein besonderer Geschäftsbesorgungsvertrag<br />
zeichnet sich aber dadurch aus, dass es „... um die gemeinsame Verfolgung eines<br />
durch den einen Vertragpartner bestimmten Zwecks und damit für den<br />
Geschäftsbesorger um die Wahrung fremder Interessen [geht].“ 1068 Allerdings sind<br />
aus rechtssystematischen Gesichtspunkten folgende Präzisierungen anzubringen: „<strong>Die</strong><br />
synallagmatischen oder zweiseitigen Verträge, zu denen auch die Auftragsverhältnisse<br />
gehören, sind (...) durch den Interessengegensatz zwischen den Vertragsparteien sowie<br />
durch die Bestimmtheit ihres Gegenstan<strong>des</strong> charakterisiert; durch den Austausch von<br />
Gütern oder <strong>Die</strong>nstleistungen werden entgegengesetzte Interessen befriedigt.“ 1069 So<br />
hat das Bun<strong>des</strong>gericht einen Private-Equity-Vertrag als einen Vertrag mit<br />
ausgeprägten synallagmatischen Charakteristiken erkannt, weshalb die<br />
gegensätzlichen Interessen die Unterstellung einer einfachen Gesellschaft nicht<br />
1064 BJM 1967 37ff. (unter Berufung auf ein Urteil <strong>des</strong> AppGer BS vom 29.1.1965 in BJM<br />
1965 94ff.).<br />
1065<br />
So BK-Fellmann, Art. 394 N 105ff. Das BGer spricht diesbezüglich etwa von der<br />
„obersten Pflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>“: BGE 108 II 197 ff., E. 2a.<br />
1066<br />
Dasser, N 601, mit weiteren Hinweisen und der Schlussfolgerung, „dass es Aufträge mit<br />
sehr geringer Interessenwahrungspflicht gibt, aber umgekehrt auch Kaufverträge und<br />
andere mit einer solchen Pflicht.“<br />
1067<br />
Der Ausdruck stammt von BK-Gautschi, Art. 404 N 3c und 3d. Ihm folgend:<br />
Derendinger, N 36 FN 96.<br />
1068<br />
Furrer, 143 (Hervorhebungen nur hier). Dazu auch Derendinger, N 35ff. BGE 108 II<br />
197ff., E. 2a: Es ist die oberste Pflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>.<br />
1069<br />
BGE 104 II 108 E. 2. ZR 88 Nr. 104 E. III/1 unterscheidet ein Hauptinteresse und ein<br />
abgeleitetes Interesse, das aber für die Qualifikation <strong>des</strong> Vertragsverhältnisses<br />
[Realisierung eines Filmes] <strong>des</strong>halb nicht von Bedeutung sein könne, weil es jeder<br />
Vereinbarung über Arbeitsleistung eigen sei. Ausführlich hierzu: Furrer, 142ff.
- 225 -<br />
zuliessen. 1070 Es darf nicht verkannt werden, dass insbesondere die Frage der<br />
Entgeltlichkeit <strong>des</strong> Mandats die <strong>St</strong>ruktur und die Interessenlagen im ganzen Mandat<br />
nachhaltig beeinflusst hat. Durch die Frage der Entgeltlichkeit werden der Charakter<br />
der Interessengegensätzlichkeit <strong>des</strong> Auftrages und damit der Austauschcharakter <strong>des</strong><br />
Mandatsvertrages stärker betont. Gerade die Lehre, welche sich mit dem Mandatsrecht<br />
in einem systematischen Zusammenhang beschäftigt 1071 , betont diesen Aspekt der<br />
Schwerpunktverschiebung. Bezogen auf den entgeltlichen Auftrag ist <strong>des</strong>halb<br />
anzumerken: „Beim entgeltlichen Auftrag hat der Beauftragte ein Interesse am Entgelt,<br />
die Interessen <strong>des</strong> Auftraggebers sind andere; von Gemeinschaftlichkeit der Interessen<br />
kann keine Rede sein.“ 1072 Und: „[I]m Rahmen <strong>des</strong> entgeltlichen Auftrages wird also<br />
nicht ein gemeinsamer Zweck verfolgt, sondern jede Partei verfolgt ihre eigenen<br />
Ziele.“ 1073<br />
Zusammenfassend und klarstellend ist festzuhalten, dass der unbedingte Vorrang der<br />
Interessen <strong>des</strong> Auftraggebers grundsätzlich nur bezüglich der Ausführungsobligation<br />
formuliert ist 1074 und damit die tatsächliche Abwicklung <strong>des</strong> Auftrages beschlägt. In<br />
diesem spezifischen Pflichtenbereich erscheint der Auftragsvertrag als ein zweiseitiges<br />
Rechtsgeschäft, in welchem die Gegensätzlichkeit der Interessen durch eine<br />
Interessenwahrungspflicht überlagert wird: Der Beauftragte verpflichtet sich in einem<br />
Auftragsvertrag im Rahmen der Ausführungsobligation zur Wahrung der fremden<br />
1075 Interessen. Damit ist die Ausführungsobligation der eigentliche<br />
Anwendungsbereich dieses Prinzips, in welchem das Typenmerkmal<br />
„Interessenwahrung“ vollständig zum Tragen kommt. 1076<br />
1070 BGE 4C.214/2003 in Pra 93 Nr. 162 E. 3. <strong>Die</strong>ser Entscheid wird in der Lehre allerdings<br />
kritisiert: Forstmoser/Peyer, Entwicklungen 2004, 519.<br />
1071<br />
So BK-Gautschi, Art. 394 N 73b und besonders deutlich Furrer, 145f. (je mit weiteren<br />
Hinweisen). <strong>Die</strong>se Akzentverschiebung der Interessenlage wird demgegenüber in der<br />
Kommentarliteratur nicht deutlich hervorgehoben: BK-Fellmann, Art 394 N 105ff.; BasK-<br />
Weber, Art. 394 N 8.<br />
1072<br />
Hofstetter, 2000, 25 (unter Hinweis auf BGE 104 II 108ff.). Auch Rommé, 350,<br />
unterscheidet nur „zwischen einer gesellschaftsvertraglichen und einer<br />
austauschvertraglichen Bindung. <strong>Die</strong>s jedenfalls solange, als nicht nachgewiesen ist, dass<br />
die Interessenwahrungs- und partiarischen Verträge keine Austauschverträge darstellen.“<br />
1073<br />
Furrer, 143.<br />
1074<br />
Deutlich: BK-Gautschi, Art. 394 N 44a, Art. 396 N 49a und Art. 404 N 3c resp. 3d.<br />
1075<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 105 und 107 (je mit weiteren Hinweisen). Grundsätzlich zum<br />
Auftragsvertrag als Interessenwahrungsvertrag: Siehe Kapitel 1.3.1, 3.7.1 und 3.7.2.<br />
1076<br />
Siehe aber immerhin die nun gefestigte Rechtsprechung zum Problem <strong>des</strong><br />
Selbstkontrahierens bzw. der Doppelvertretung, wonach solche Geschäfte zulässig sind,<br />
wenn die Interessen <strong>des</strong> Auftraggebers und <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> gleichlaufen: Übersicht bei<br />
BK-Zäch, Art. 33 N 78ff.
- 226 -<br />
Im Prinzip kann nicht in Abrede gestellt werden, dass sich der<br />
Interessenwahrungsgrundsatz <strong>des</strong> Mandatsrechts auch auf andere Verpflichtungen <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> auswirken könnte. Dabei ist aber darauf zu achten, dass der Einfluss <strong>des</strong><br />
Interessenwahrungsgrundsatzes nur konkret zu bestimmen ist aufgrund der gerade<br />
betrachteten Pflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>. Es ist hierbei grundsätzlich zu akzeptieren, dass<br />
die besagte Gegensätzlichkeit der Interessen auch Konsequenzen im Bereich der<br />
einzelnen Verpflichtungen <strong>des</strong> Auftragnehmers hat.<br />
Betreffend die Ablieferungsobligation galt bereits im klassisch-römischen Recht der<br />
allgemeine Grundsatz, dass der Beauftragte keinen Vermögensvorteil aus seinen<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen ziehen dürfe. 1077 <strong>Die</strong>sbezüglich galt ein absoluter Massstab der<br />
Unterordnung der Interessen, der sich namentlich auch aus dem sozialen Grundmodell<br />
<strong>des</strong> mandatum erklärte. 1078 <strong>Die</strong>ser Massstab gilt grundsätzlich auch im modernen<br />
Schuldrecht bei der Bestimmung der mandatsrechtlichen Ablieferungsobligation nach<br />
Art. 400 Abs. 1 OR, wonach sich die Ablieferungspflicht auf „alles“ erstreckt, was<br />
dem Geschäftsführer infolge seiner Geschäftsführung etc. „aus irgend einem Grunde<br />
zugekommen ist.“ 1079<br />
Der Grundsatz, welcher die Vermögensbereinigung regelt, findet im entgeltlichen<br />
Mandatsrecht informationsseitig seine Entsprechung in der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung 1080 : Soweit der Grundsatz der Vermögensbereinigung durch die<br />
Ablieferungsobligation sichergestellt wird, ist die totale Interessenwahrung durch den<br />
<strong>Beauftragten</strong> gegeben. <strong>Die</strong> Pflicht zur Rechnungslegung über den Verbleib von<br />
anvertrauten Sachen/Geldern ist umfassend zu erfüllen. In diesem Bereich gibt es<br />
keinen Spielraum und die entsprechende Informationspflicht muss vollständig und<br />
detailliert erfolgen. Demgegenüber ist die Interessenfrage im Bereich <strong>des</strong><br />
Vergütungsanspruchs und im Zusammenhang mit der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als Pflicht<br />
zur Rechnungsstellung differenzierter zu beantworten. Hier wirkt sich der anerkannte<br />
Interessengegensatz in der Weise aus, dass Information nicht vorbehaltlos, vollständig<br />
und ohne Ausnahme herauszugeben ist. Es ist zu beachten, dass die Grundlage der<br />
Rechnungsstellungspflicht in der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nach Art. 400 OR geregelt ist,<br />
1077<br />
DIG. 17.1.36.1.<br />
1078<br />
Siehe dazu Kapitel 2.1 (Freundschaft als Grundlage <strong>des</strong> Mandatsvertrages).<br />
1079<br />
Grundlegend: BK-Gautschi, Art. 400 N 6: „Das klassische Axiom der Nichtbereicherung<br />
<strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> und seine Einschränkung im modernen Auftragsrecht“ (Titel von N 6).<br />
Siehe auch BK-Gautschi, Art. 394 N 24a und N 70b.<br />
1080 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.
- 227 -<br />
weshalb es sich um eine definierte Berichtspflicht handelt. Aus diesem Grunde wird<br />
alle Information ausgeklammert, die etwa besonders auf den Auftraggeber<br />
zugeschnitten wäre. Das primäre Interesse bei der Rechnungsstellungspflicht liegt<br />
nämlich beim Auftragnehmer, welcher die Pflicht als Vorbedingung für die<br />
Durchsetzung seines Honoraranspruchs erfüllen will. Dass der Auftraggeber hierdurch<br />
einen gewissen Einblick in die Geschäftsabwicklung erhält, ist zwar zutreffend, aber<br />
nicht entscheidend. Der Auftraggeber erhält hierdurch nämlich nicht die Kontrolle<br />
über die Auftragsausführung, sondern nur eine beschränkte Kontrolle darüber, ob der<br />
Honoraranspruch gerechtfertigt ist. Abschliessend kann gesagt werden, dass die<br />
Informationspflichten, welche ihre Rechtsgrundlage in Art. 400 OR haben, durch den<br />
allgemeinen Interessenwahrungsgrundsatz gedeckt sind, soweit es der Zweck dieser<br />
Pflichten vorsieht. Ein allgemeines Informationsrecht (insbesondere im Sinne eines<br />
Kontrollrechts) kann sich jedoch grundsätzlich nicht allein auf den<br />
Interessenwahrungsgrundsatz abstützen, da die entsprechende Interessensituation zu<br />
konfus und unbestimmt ist. Ein entsprechen<strong>des</strong> Informationsrecht wäre konturlos resp.<br />
auf den Einzelfall bezogen, da eine Lösung nur im Rahmen einer eigentlichen<br />
Interessenabwägung gefunden werden könnte. <strong>Die</strong>se inhaltliche Bestimmung der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> widerspricht aber gerade dem Wesen dieser Pflicht. 1081<br />
Im Zusammenhang mit den Informationsrechten ist auf einen Entscheid <strong>des</strong> Zürcher<br />
1082 Obergerichtes hinzuweisen, welches sich im Zusammenhang mit dem<br />
Einsichtsrecht (als Informationsrecht) im Rahmen eines atypischen Kaufvertrages mit<br />
Überlegungen der Informationssituation bei Interessenvergemeinschaftungs-,<br />
Interessenwahrungs- und Interessengegensatzverträgen auseinander gesetzt hatte.<br />
Gerade aufgrund dieses systematischen Ansatzes und durch den Vergleich der je<br />
verschiedenen Interessenlagen in diesen Vertragstypen (Kaufvertrag, Mandatsvertrag,<br />
einfache Gesellschaft) ist das Gericht zur Auffassung gelangt, dass im Bereich von<br />
Interessenwahrungsverträgen bloss eingeschränkte Informationsrechte anzuerkennen<br />
seien. 1083 <strong>Die</strong> oben wiedergegebenen Belegstellen belegen denn auch, dass der<br />
entgeltliche Auftragsvertrag in seinen Charakteristika deutlich den Austauschverträgen<br />
und nicht dem Gesellschaftsvertrag zuzuordnen ist. 1084 In der Tendenz steht demnach<br />
1081 Bezüglich einer Interessenabwägung kann auch auf die Ausführungen zum<br />
Datenschutzrecht hingewiesen werden: Siehe dazu Kapitel 3.4.<br />
1082 ZR 75 Nr. 77 E. V. 7.<br />
1083 Eine Abstufung zwischen den genannten Vertragskategorien ist auch im Bereich der<br />
Aufklärungspflichten in BGE 124 III 155ff., E. 2 zu erkennen.<br />
1084 Rommé, 350.
- 228 -<br />
der entsprechende Interessengegensätzlichkeitscharakter von Austauschverträgen im<br />
Vordergrund und verdrängt die Einflüsse der Interessenvergemeinschaftung. Ist jedoch<br />
in einer systematischen Einordnung anzuerkennen, dass sich der Auftrag als<br />
Interessenwahrungsvertrag qualitativ von den Verträgen auf<br />
Interessenvergemeinschaftung deutlich unterscheidet, so ist diese Unterscheidung<br />
auch im Bereich der Informationsrechte vorzunehmen. Es ist anzuerkennen, dass die<br />
Interessen <strong>des</strong> Auftraggebers nur indirekt die Interessen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> sind,<br />
weshalb die Informationen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> „nur indirekt“ die Informationen <strong>des</strong><br />
Auftraggebers sein können. 1085 Daran ändert auch nichts, dass der Beauftragte sein<br />
primär eigenes Interesse (in casu das Honorarinteresse) grundsätzlich nur unter der<br />
Bedingung maximieren kann, 1086 dass er bei der Auftragsausführung alle objektiv<br />
notwendige Sorgfalt walten lässt. 1087 Soll der unterschiedlichen Interessenlage<br />
informationsrechtlich entsprochen werden, so findet eben im Auftragsvertrag gerade<br />
keine Vergemeinschaftung von Information wie im Personengesellschaftsrecht statt.<br />
Währenddem im Personengesellschaftsrecht die allgemeine Vergemeinschaftung der<br />
Interessen das breite Kontrollrecht rechtfertigt, ist bezüglich <strong>des</strong> Informationsrechts im<br />
Auftragsrecht festzuhalten, dass die entsprechenden Informationsrechte jeweils<br />
spezifisch begründet werden und im Zusammenhang mit konkreten Zuständigkeiten<br />
1088 <strong>des</strong> Auftraggebers gerechtfertigt sein müssen. Unterstützt werden diese<br />
Feststellungen durch einen Entscheid 1089 , wonach eine Interessenabwägung, ob und in<br />
welchem Umfang nach Treu und Glauben ein Informationsrecht zu gewähren sei, nur<br />
im Rahmen der reinen Interessengegensatzverträge stattfinden kann. 1090 <strong>Die</strong> Methode<br />
der Interessenabwägung für die <strong>St</strong>atuierung von Informationspflichten findet demnach<br />
im Bereich der Interessenwahrungsverträge und der<br />
Interessenvergemeinschaftungsverträge keine Anwendung. Damit ist insbesondere<br />
1085<br />
<strong>Die</strong>ser „indirekte Informationszugang“ wird in rechtlicher Hinsicht in der Weise<br />
verwirklicht, als nur jene Information zum Auftraggeber gelangt, welche etwa durch<br />
spezifische Informationsrechte (wie die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als Pflicht zur<br />
Rechnungslegung resp. Rechnungsstellung) vorgesehen ist. Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.<br />
1086<br />
Für Einzelheiten sei auf die Darstellung bei Furrer, 145f., verwiesen.<br />
1087<br />
<strong>Die</strong>s etwa im Gegensatz zur Regelung in Art. 538 OR. Ausführlich zum entsprechenden<br />
Regelungsgedanken: Fellmann, Grundfragen, 312ff.<br />
1088<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.5.<br />
1089<br />
ZR 75 Nr. 77. In diesem Urteil wurde die Rechtsprechung von BGE 82 II 555ff.<br />
übernommen und eine eigene ältere Praxis (ZR 55 Nr. 12) aufgegeben. In casu war in ZR<br />
75 Nr. 77 ein (atypischer) Kaufvertrag zu beurteilen. Im Ergebnis kamen Art. 541 OR und<br />
Art. 400 OR allerdings nicht zur Anwendung, da die ersuchende Partei die entsprechenden<br />
Rechtsverhältnisse nicht darlegen konnte (einfache Gesellschaft) bzw. nicht behauptete<br />
(Auftrag).<br />
1090 ZR 75 Nr. 77 E. V. 7. i.f.
- 229 -<br />
auch gesagt, dass im Bereich der hier interessierenden Informationspflicht eine<br />
historische und systematische Auslegung von Art. 400 OR und damit eine inhaltliche<br />
Bestimmung der „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ unter Auslassung einer Interessenabwägung<br />
vorzunehmen ist. 1091 Abschliessend sei auf eine Feststellung im bereits erwähnten<br />
Entscheid hingewiesen, in welcher das Verhältnis der Informationsrechte<br />
untereinander so festgehalten wurde, dass in Art. 541 OR ein „weitgehen<strong>des</strong>“, in Art.<br />
400 OR demgegenüber ein „relativ umfassen<strong>des</strong>“ Informationsrecht niedergelegt sei.<br />
1092 Da sich diese Feststellung in einer Art Einleitung zum eigentlichen Urteilstext<br />
befindet, muss diese vor dem Hintergrund der nachfolgenden konkreten Erwägungen<br />
gelesen werden: Entscheidend ist, dass sich das Obergericht in diesem Zusammenhang<br />
bezüglich der Bestimmung <strong>des</strong> Umfangs eines Einsichtsrechtes nach Art. 400 OR auf<br />
eine Lehrmeinung abstützt, welche ausdrücklich festhält, dass das Informationsrecht<br />
zwar relativ weit, aber immerhin auf die für die Abrechnung massgebenden<br />
Bucheinträge und Belege beschränkt sei. 1093<br />
Aus diesen Erwägungen ergeht, dass sich das Informationsrecht im<br />
Gesellschaftsvertrag durch die Tatsache charakterisiert, dass die entsprechende<br />
Informationsordnung auf der Grundlage der Vergemeinschaftung beruht. <strong>Die</strong><br />
Vergemeinschaftung hat dabei verschiedene Ebenen: die Gesamthandschaft <strong>des</strong><br />
Eigentums, die Interessenvergemeinschaftung und die<br />
Informationsvergemeinschaftung. <strong>Die</strong> Vergemeinschaftung ist die Grundlage, welche<br />
ein eigentliches Kontrollrecht im Personengesellschaftsrecht rechtfertigt, welches<br />
jedem Gesellschafter zusteht. Demgegenüber ist das Informationsrecht in reinen<br />
Interessengegensatzverträgen durch eine Interessenabwägung zwischen den beiden<br />
Parteien zu bestimmen. Bei Interessenwahrungsverträgen ist das Informationsrecht<br />
hingegen durch eine Auslegung von Art. 400 OR und der Festlegung von<br />
Zuständigkeiten <strong>des</strong> Auftraggebers zu definieren, was zu einzelnen<br />
Informationsrechten, jedoch zu keinem Kontrollrecht führen kann.<br />
3.7.2.5.3 Gegenseitiges Vertrauensverhältnis und Einfluss der Treuepflicht<br />
Es ist das Verdienst der Untersuchung von Lasserre, dass im<br />
Personengesellschaftsrecht dem Kriterium <strong>des</strong> Vertrauenstatbestan<strong>des</strong> die richtige<br />
1091 ZR 75 Nr. 77 E. VI. 4. bzw. 6 (unter Hinweis auf Ammann, Edition von Urkunden, 22f.).<br />
1092<br />
ZR 75 Nr. 77 E. V. 7.<br />
1093<br />
Guldener, 73 (in ZR 75 Nr. 77 E. V. 7. ausführlich zitiert). Es zeigt sich hier eine<br />
Übereinstimmung mit den Ergebnissen, die an anderer <strong>St</strong>elle in dieser Arbeit erarbeitet<br />
wurden.
- 230 -<br />
Bedeutung zugeordnet wird: „En effet, tous les membres sont <strong>des</strong> cocontractants,<br />
ayant éventuellement donné mandat à l‘un d‘entre eux de gérer leurs apports. Mais ils<br />
n‘ont constitué aucune véritable entité économique, aucune personne autonome dont<br />
l‘intérêt puisse être opposé au leur propre. Le rapport de confiance réciproque qui<br />
rendit possible un tel contrat suffit à justifier les révélations les plus étendues.“ 1094 Es<br />
ist dem Umstand der im Recht der Personengesellschaft typischen gegenseitigen<br />
Vertrauensbeziehung zuzuschreiben, dass die rechtliche Beziehung zwischen den<br />
Gesellschaftern sehr intensiv ist und sie zu gleichgestellten Personen macht. Es<br />
handelt sich hierbei gerade um einen grundlegenden Unterschied zum zweiseitigen<br />
Vertragsmodell, auch wenn dieses – wie der Auftragsvertrag – als ein<br />
Interessenwahrungsvertrag ausgestaltet ist. 1095<br />
<strong>Die</strong>se unterschiedliche Situation zwischen einem gesellschaftsrechtlichen und einem<br />
zweiseitigen-obligatorischen Rechtsverhältnis hat ihren Einfluss auch auf die<br />
informationsrechtliche Pflichtenlage, weshalb es sich aus dem Recht der<br />
Personengesellschaft ergibt, dass hier die „Treuepflicht (...) eine umfassende<br />
Aufklärungs- und Auskunftspflicht erheischt. (...) Wohl ist eine Anlehnung an die<br />
Auftragsbestimmung nahe liegend, doch steht das persönliche, gegenseitige Vertrauen<br />
im Vordergrund. Gerade das unterscheidet ja die Personengesellschaften von anderen<br />
obligatorischen Rechtsverhältnissen.“ 1096 Es ist dieses gegenseitige Vertrauen, welches<br />
ein breites Informationsrecht im Sinne eines Kontrollrechtes rechtfertigt. Es wird u.a.<br />
dem Umstand <strong>des</strong> gegenseitigen Vertrauens zugeschrieben, dass in dieser<br />
Rechtsgemeinschaft der Gedanke der Informationsgemeinschaft verwirklicht werden<br />
soll.<br />
Aus dieser Überlegung wird etwa auch in der Rechtsprechung 1097 festgehalten, dass<br />
dem Gesellschafter bereits aufgrund seiner Eigenschaft als Gesellschafter ein breites<br />
Informationsrecht zukomme. 1098 Es soll „in Gesellschaftsangelegenheiten keine<br />
Geheimnisse geben. Sie sind ja alle Herren der Gesellschaftsgeschäfte.“ 1099 In dieser<br />
allgemeinen Gleichstellung der Personengesellschafter ist die entsprechende<br />
1094<br />
Lasserre, 62 (Hervorhebungen nur hier). Meier-Hayoz/Forstmoser, § 12 N 59 i.f.<br />
1095<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 124ff., insbesondere N 128; BasK-Weber, Art. 394 N 3.<br />
1096<br />
Job, 27 inkl. FN 148 (Hervorhebungen nur hier). Meier-Hayoz/Forstmoser, § 12 N 59 i.f.<br />
1097<br />
In SJ 1988 30ff. E. 4, hat der Cour de justice civile offensichtlich aufgrund dieser<br />
Überlegungen entschieden.<br />
1098<br />
Aus der Lehre: Tercier, N 6715 i.f., welcher in diesem Zusammenhang von den „droits<br />
sociaux“ spricht.<br />
1099 BK-Becker, Art. 540 N 4.
- 231 -<br />
informationsrechtliche Gleichbehandlung der Gesellschafter eingeschlossen, weshalb<br />
im Ergebnis alle Gesellschafter über den gleichen Informationsstand verfügen sollen,<br />
sofern ihre Situation vergleichbar ist. Letzteres trifft auf den Kommanditär gerade<br />
nicht zu. 1100 Im Vergleich zur Rechtslage im Mandatsrecht wird in diesem<br />
Zusammenhang gerade der Umstand betont, dass es im Recht der einfachen<br />
Gesellschaft eben gerade an jeder Unterordnung mangelt, weshalb hier anders als im<br />
Mandatsrecht zu entscheiden sei. 1101<br />
3.7.2.6 Exkurs: Informationsrechtliche <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong> Kommanditärs<br />
3.7.2.6.1 Rechtsgrundlagen der Informationsordnung <strong>des</strong> Kommanditärs<br />
Da der Kommanditär nach Art. 600 Abs. 1 OR zur Geschäftsführung weder berechtigt<br />
noch verpflichtet ist 1102 und damit die Situation ebenfalls mit der Situation im<br />
Auftragsrecht vergleichbar ist, soll nachfolgend die informationsrechtliche <strong>St</strong>ellung<br />
<strong>des</strong> Kommanditärs dargestellt werden. Hier wie dort wird die „Geschäftsführung“<br />
grundsätzlich – gesetzlich vorgesehen – von der einen für die andere Person<br />
wahrgenommen. Das aOR enthielt bezüglich der Informationsrechte <strong>des</strong><br />
Kommanditärs keine spezielle Regelung, wobei die Praxis das Informationsrecht in<br />
Bestand und Umfang gemäss Art. 541 OR (i.V.m. Art. 557 Abs. 2 OR resp. Art. 598<br />
Abs. 2 OR) analog anwandte. 1103 Der heute geltende Art. 600 Abs. 3 OR 1104 ist im<br />
1105 Vergleich zur älteren Praxis restriktiver ausgefallen. Dabei sei dieses<br />
eingeschränkte Informationsrecht ein Minimum <strong>des</strong>sen, „auf das der Kommanditär<br />
ohne weiteren Nachweis unbedingt Anspruch hat.“ 1106 Nach der Lehre sind neben der<br />
informationsrechtlichen Norm von Art. 600 Abs. 3 OR verschiedene weitere<br />
1100<br />
Siehe dazu sogleich die nachfolgenden Ausführungen in Kapitel 3.7.2.6.<br />
1101<br />
BK-Becker, Art. 540 N 3 i.f., welcher im Zusammenhang mit der Behandlung von Art.<br />
541 OR die Informationspflicht gemäss Art. 400 OR als eine blosse Pflicht zur<br />
Rechnungslegung bezeichnet (BK-Becker, Art. 540 N 2).<br />
1102<br />
Zur Erklärung dieser Norm: <strong>St</strong>eiger, 613 (v.a. weil die Vertretung einzig den<br />
Komplementären vorbehalten ist).<br />
1103<br />
Deutlich ZR 4 Nr. 192 [S. 314]. Dem Kommanditär wurde (zur Geschichte BK-Hartmann,<br />
Art. 600 N 1) in der Praxis das gleiche Kontrollrecht wie den von der Geschäftsführung<br />
ausgeschlossenen Gesellschaftern eingeräumt. Ebenfalls kann dieses Ergebnis aus BGE<br />
30 II 453 E. 8 [und ZR 3 Nr. 218: Vorentscheid] herausgelesen werden.<br />
1104<br />
Nach Christ, 40, soll es sich dabei um eine Rezeption von § 166 HGB handeln. Wichtig<br />
ist jedoch der ergänzende Hinweis, dass das schweizerische Recht den Abs. 2 von § 166<br />
HGB gerade nicht übernommen hat, wonach im deutschen Personengesellschaftsrecht<br />
dem Kommanditär die weiteren Rechte eines von der Geschäftsführung ausgeschlossenen<br />
Gesellschafters nicht zustehen: BK-Hartmann, Art. 600 N 7.<br />
1105 So auch <strong>St</strong>eiger, 405 inkl. FN 147 und 614; BK-Hartmann, Art. 600 N 7; (kritisch<br />
namentlich) ZK-Siegwart, Art. 541 N 2, und Art. 599/600 N 11; Handschin, Art. 600 N 5.<br />
1106 ZK-Siegwart, Art. 599/600 N 14.
- 232 -<br />
Informationsrechte zu beachten, welche der Kommanditär geltend machen kann: „<strong>Die</strong><br />
weiteren aus den Art. 535, 538, 540 f. OR sich ergebenden Kontrollrechte, namentlich<br />
diejenigen, welche Art. 600 OR nicht durch etwas Analoges ersetzt hat (persönliche<br />
Beobachtung <strong>des</strong> Ganges und Aufklärung über den <strong>St</strong>and der<br />
Geschäftsangelegenheiten [...]), stehen damit dem Kommanditär ebenfalls zu, soweit<br />
ihre Ausübung mit dem Wohl der Gesellschaft und zur Wahrung seiner Interessen<br />
absolut unentbehrlich ist (...).“ 1107 Entscheidend ist bei dieser Ansicht, dass der<br />
Kommanditär jeweils ein Interesse geltend machen können muss, weil nur insoweit ein<br />
Informationsrecht zu gewähren ist. Demnach ist der Lehre nicht beizupflichten, soweit<br />
sie schlussfolgert, dass Art. 600 Abs. 3 OR lediglich eine andere Formulierung („ ... ne<br />
contient qu‘ une seule redite ...“) der Rechtslage von Art. 541 OR sei. 1108<br />
3.7.2.6.2 Gegenstand der Informations- und Kontrollrechte <strong>des</strong> Kommanditärs<br />
Im vorangehenden Abschnitt konnte dargelegt werden, dass dem Komplementär ein<br />
breites Informationszugangsrecht zugestanden wird, welches sich auf verschiedene<br />
Rechtstatsachen abstützen kann. Nachfolgend interessiert v.a. das spezifische<br />
Informationsrecht gemäss Art. 600 Abs. 3 OR und das Verhältnis zu den weiteren<br />
Informationsrechten <strong>des</strong> Kommanditärs. <strong>Die</strong> Informationsordnung <strong>des</strong> Kommanditärs<br />
setzt sich (1) zum einen aus einer eigentlichen Berichtspflicht betreffend die Bilanz<br />
und Erfolgsrechnung (Art. 600 Abs. 3 OR) und (2) zum anderen aus einem<br />
Informationsrecht nach Art. 541 OR zusammen, soweit letzteres nicht durch die<br />
spezifische Norm von Art. 600 Abs. 3 OR ersetzt wird. Nachfolgend sollen der<br />
jeweilige Gegenstand und die Rechtsnatur der Informationspflichten genauer bestimmt<br />
werden:<br />
Der Bestand und der Umfang der spezifischen Berichtspflicht im Bereich von Art. 600<br />
Abs. 3 OR sind durch den entsprechenden Prüfungszweck zu bestimmen. 1109 Nach<br />
diesem Recht kann der Kommanditär in sachlicher Hinsicht jene Informationen unter<br />
Einsichtnahme der Bücher und Papiere der Gesellschaft fordern, welche für die<br />
Überprüfung der Richtigkeit der Bilanz und der Erfolgsrechnung notwendig oder<br />
sachdienlich sind. Entsprechend sind denn auch bereits aufgrund <strong>des</strong> sachlichen<br />
Anwendungsbereichs <strong>des</strong> Informationsrechts blosse Ermessens- oder<br />
1107 ZK-Siegwart, Art. 599/600 N 14 (Hervorhebungen nur hier).<br />
1108 Lasserre, 65.<br />
1109 BasK-Handschin, Art. 600 N 5.
- 233 -<br />
Zweckmässigkeitsfragen ausgeschlossen. 1110 Das Informationsrecht bezweckt, dass der<br />
Kommanditär die Übersicht über die finanziellen Grundlagen der Unternehmung<br />
erhält (Erfolgsrechnung, Bilanz und entsprechende Unterlagen). 1111 Aus dieser engen<br />
Zwecksetzung ergibt sich aber zugleich die Beschränkung <strong>des</strong> entsprechenden<br />
Informationsrechts: Es handelt sich beim Informationsrecht nach Art. 600 Abs. 3 OR<br />
um ein eigentliches Bücherkontrollrecht <strong>des</strong> Kommanditärs. Weiter sind im<br />
Zusammenhang mit dem Bücherkontrollrecht auch die entsprechenden zeitlichen<br />
Einschränkungen zu beachten: Der Kommanditär kann die Unterlagen nur zum<br />
1112<br />
„jeweiligen Rechnungsabschluss zum Anlass seiner Kontrolle nehmen.“<br />
Demgegenüber ist das entsprechende Informationsrecht der Komplementäre oder der<br />
einfachen Gesellschafter in sachlicher und zeitlicher Hinsicht grundsätzlich<br />
umfassend. 1113<br />
Wie einleitend bereits ausgeführt worden ist, sind die übrigen Informationsrechte <strong>des</strong><br />
Kommanditärs insoweit unberührt, als diese durch die Rechtslage in Art. 600 nicht<br />
berührt werden. 1114 Es wurde bei der Darstellung der Informationsordnung beim<br />
einfachen Gesellschafter resp. beim Komplementär ausgeführt, dass sich der Bestand<br />
der übrigen Informationsrechte (vorliegend also insbesondere jene Informationsrechte,<br />
welche sich auf Art. 541 OR stützen) insbesondere auch nach der<br />
Zuständigkeitsordnung richtet. <strong>Die</strong> Tatsache, dass das Kriterium der<br />
Zuständigkeitsordnung beim einfachen Gesellschafter resp. beim Komplementär durch<br />
weitere Umstände überlagert und damit „ausgehebelt“ wird, trifft im Falle <strong>des</strong><br />
Kommanditärs nicht zu, wie seine <strong>St</strong>ellung im Personengesellschaftsrecht zeigt. 1115<br />
Damit richtet sich das weitere allgemeine Informationsrecht <strong>des</strong> Kommanditärs nach<br />
dem Grad der ihm zugestandenen Mitwirkungsrechte. Damit steht dem Kommanditär<br />
aber nur dort ein Informationsrecht zu, wo Geschäftsführungsangelegenheiten infrage<br />
stehen, die über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehen. 1116 <strong>Die</strong>s aufgrund der<br />
Tatsache, dass der Kommanditär weder das Recht noch die Pflicht hat, sich an der sog.<br />
1110<br />
BK-Hartmann, Art. 600 N 9 i.f.<br />
1111<br />
ZK-Siegwart, Art. 599/600 N 12.<br />
1112<br />
BK-Hartmann, Art. 600 N 9.<br />
1113<br />
ZK-Siegwart, Art. 541 N 6, und Art. 599/600 N 13. Siehe dazu Kapitel 3.7.2.4.<br />
1114<br />
BK-Hartmann, Art. 600 N 7 i.f. Bei Art. 600 Abs. 3 OR handelt es sich also nur in diesem<br />
beschränkten Bereich <strong>des</strong> Bücherkontrollrechts um eine lex specialis zu Art. 541 OR<br />
i.V.m. Art. 557 OR resp. Art. 598 Abs. 2 OR.<br />
1115<br />
Siehe dazu sogleich in Kapitel 3.7.2.6.3.<br />
1116 Art. 600 Abs. 2 OR.
- 234 -<br />
gewöhnlichen Geschäftsführung zu beteiligen oder entsprechenden Widerspruch<br />
einzulegen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Grenze zwischen der<br />
gewöhnlichen und der aussergewöhnlichen Geschäftsführung schwierig zu ziehen ist,<br />
weshalb diese Grenzziehung „bei der Kommanditgesellschaft eher zum Nachteil <strong>des</strong><br />
Kommanditärs erfolgt“ 1117 , da es [das Widerspruchsrecht] die Ausnahme bilden soll.“<br />
1118 In der Literatur und der Rechtsprechung finden sich entsprechende Auflistungen<br />
betreffend die sog. aussergewöhnlichen Angelegenheiten. Deutlich wird dabei, dass es<br />
allesamt Fälle sind, in denen eigentliche faktische Vertragsveränderungen infrage<br />
stehen: Gesellschafterwechsel, 1119 Veränderungen der Beiträge, 1120 Anordnungen,<br />
welche die Existenz und das Ziel der Gesellschaft infrage stellen, der Verkauf <strong>des</strong><br />
Geschäftes 1121 oder <strong>des</strong>sen Auflösung. 1122 Entsprechend dieser Zuständigkeitsordnung<br />
folgt, dass diese Eingriffsmöglichkeiten und damit die Mitwirkungsrechte <strong>des</strong><br />
Kommanditärs nur sehr eingeschränkt sind. 1123 Daraus ergibt sich, dass diese weiteren<br />
oder übrigen Kontrollrechte nicht „[v]on grosser praktischer Bedeutung sind,<br />
wenigstens dann nicht, wenn ihnen keine aus der Geschäftsführung ableitbaren<br />
Mitspracherechte zur Seite stehen.“ 1124<br />
Aus den entsprechenden Ausführungen folgt, dass sich das Informationsrecht <strong>des</strong><br />
Kommanditärs aus einem konkreten Bücherkontrollrecht und einem sehr<br />
eingeschränkten allgemeinen Informationsrecht (gestützt auf sein beschränktes<br />
Mitwirkungsrecht) zusammensetzt. Damit unterscheidet sich seine<br />
informationsrechtliche Situation deutlich von derjenigen eines einfachen<br />
Gesellschafters oder eines Komplementärs.<br />
1117 ZK-Siegwart, Art. 599/600 N 6.<br />
1118 BK-Hartmann, Art. 600 N 4.<br />
1119 ZBJV 1908 441.<br />
1120 So wurde in RVJ 1991 391 E. 9c i.f. ausgeführt, dass die Feststellung <strong>des</strong> Betrages der<br />
Kommanditsumme eine Angelegenheit <strong>des</strong> Gesellschaftsvertrages sei.<br />
1121 SJ 1928 245f.<br />
1122<br />
Übersichten finden sich bei: BK-Hartmann, Art. 600 N 2 und ZK-Siegwart, Art. 599/600<br />
N 6.<br />
1123<br />
ZK-Siegwart, Art. 599/600 N 6. Zur historischen Auslegung dieser Norm: BK-Hartmann,<br />
Art. 600 N 1 und 3.<br />
1124<br />
BK-Hartmann, Art. 600 N 10 i.f. Es ist grundsätzlich möglich, die Rechte <strong>des</strong><br />
Kommanditärs aufgrund <strong>des</strong> Gesellschaftsvertrages auszubauen: BK-Hartmann, Art. 600<br />
N 12. Anderer Meinung: Senn, Kommentierung von Art. 600 Abs. 3 OR.
- 235 -<br />
3.7.2.6.3 Rechtfertigung für ein beschränktes Kontrollrecht <strong>des</strong> Kommanditärs<br />
<strong>Die</strong> Situationen bei einem Kommanditär und den übrigen Gesellschaftern einerseits<br />
und einem Beauftragtem und dem Auftraggeber anderseits weisen gewisse<br />
Gemeinsamkeiten auf, da weder der Auftraggeber noch der Kommanditär die<br />
Geschäfte führen. <strong>Die</strong> vorgehenden Abschnitte haben offengelegt, dass das<br />
Informationsrecht <strong>des</strong> Kommanditärs aus einem beschränkten allgemeinen<br />
Informationsrecht und einem auf das Bücherkontrollrecht beschränkten Kontrollrecht<br />
besteht. Nachfolgend wird die Frage untersucht, in welchen Umständen die<br />
Rechtfertigung für ein entsprechend beschränktes Informationsrecht <strong>des</strong><br />
Kommanditärs liegt und welche Gemeinsamkeit mit der Situation im Auftragsrecht<br />
besteht:<br />
Im Bereich <strong>des</strong> einfachen Gesellschafters und <strong>des</strong> Komplementärs wurde dargelegt,<br />
dass die typische Risikosituation der Gesellschafter eine massgebende Begründung für<br />
ein umfassen<strong>des</strong> Kontrollrecht ist. 1125 Im Falle eines Kommanditärs ist aber zu<br />
beachten, dass seine Haftung beschränkt ist. <strong>Die</strong>sem Umstand wird auch<br />
informationsrechtlich Bedeutung zugemessen: „Da die Haftung beschränkt ist, kann<br />
auch das Kontrollrecht beschränkt sein; es braucht nicht weiter zu gehen, als sein<br />
Zweck es erheischt.“ 1126 Damit besteht zwischen dem Kommanditär und den übrigen<br />
Personengesellschaftern keine Schicksalsgemeinschaft, weshalb es auch gerechtfertigt<br />
erscheint, die Informationsgemeinschaft zu beschränken. 1127 Für den Fall, dass die<br />
Kommanditsumme und die Vermögenseinlage nicht übereinstimmen, kann sich der<br />
Kommanditär über das entsprechende eigentliche Bücherkontrollrecht informieren,<br />
wodurch er die Informationen erhält, die seiner eigenen Risikoposition entsprechen.<br />
Es wurde bereits ausgeführt, dass im Falle <strong>des</strong> einfachen Gesellschafters und <strong>des</strong><br />
Komplementärs die besondere Gesellschafterstellung eine weitere Begründung für ein<br />
umfassen<strong>des</strong> Kontrollrecht darstellt. Gerade dieser Gedanke wurde in der alten<br />
Rechtsprechung zur Rechtsstellung <strong>des</strong> Kommanditärs hervorgehoben: Danach<br />
„erschöpft sich die Rechtsbeziehung <strong>des</strong> Kommanditärs nicht in einer ökonomischen<br />
Beziehung, vielmehr ist die persönliche Beziehung zu den übrigen Gesellschaftern von<br />
1125 Siehe dazu Kapitel 3.7.2.5.1.<br />
1126<br />
Christ, 44.<br />
1127<br />
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es sich dabei um ein zentrales Element handelt:<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.2.5.
- 236 -<br />
wesentlicher Bedeutung, wobei dem persönlichen Moment <strong>des</strong> Vertrauens, das dem<br />
Gesellschaftsvertrag immanent ist“, besondere Bedeutung zukommt. 1128<br />
Grundsätzlich kann gegen diese Feststellungen nichts eingewendet werden. Es ist<br />
jedoch festzuhalten, dass dieser Entscheid in seiner Aussage auch von der Lehre als<br />
überholt angesehen wird. 1129<br />
Obwohl im Grundsatz die Überlegungen, wie sie in den vorangehenden Abschnitten<br />
zur Informationsordnung <strong>des</strong> Komplementärs dargestellt wurden, auch auf die<br />
Rechtsstellung <strong>des</strong> Kommanditärs anwendbar sind, 1130 sind doch die Besonderheiten<br />
der Rechtsstellung <strong>des</strong> Kommanditärs gerade auch hinsichtlich der entsprechenden<br />
Informationsordnung zu beachten: So kann das allgemeine Kontrollrecht, welches<br />
jedem unbeschränkt haftenden Gesellschafter gerade aufgrund dieser Eigenschaft<br />
zusteht, beschränkt werden, soweit sachliche Rechtfertigungsgründe vorliegen. 1131 Der<br />
entsprechende sachliche Rechtfertigungsgrund liegt aber etwa gerade in der<br />
spezifischen Beziehung, welche der Kommanditär zur Personengesellschaft hat. Einzig<br />
im Bereich der zugestandenen Mitwirkungsrechte kann ein Informationsinteresse,<br />
welches über das angesprochene Bücherkontrollrecht hinausgeht, rechtlich<br />
Anerkennung finden. Wie die vorausgehenden Ausführungen allerdings gezeigt haben,<br />
soll das Mitspracherecht dem Kommanditär nur dort zugestanden werden, wo in<br />
materieller Hinsicht eine Veränderung der gesellschaftsvertraglichen Basis in Rede<br />
steht. Nur in diesen Fällen ist auch der Kommanditär zur Geschäftsführung i.w.S.<br />
berechtigt. Nur in diesen eng umschriebenen Bereichen rechtfertigt sich ein<br />
entsprechen<strong>des</strong> Informationsrecht eines Kommanditärs. Es sind diese Bereiche, in<br />
denen der Kommanditär nicht als Kapitalgeber, sondern in seiner <strong>St</strong>ellung als<br />
Gesellschafter betroffen ist.<br />
Es handelt sich bei diesem Informationsrecht jedoch nicht um ein allgemeines<br />
Kontrollrecht, weil dem Kommanditär wie etwa auch dem Auftraggeber gerade keine<br />
Geschäftsführungsfunktion zukommt. So wie im Personengesellschaftsrecht der<br />
Kommanditär den übrigen Gesellschaftern die Geschäftsführung zu überlassen hat, so<br />
hat auch der Auftraggeber im Auftragsvertragsrecht die Geschäfte einem anderen<br />
1128<br />
BGE 30 II 453ff., E. 8.<br />
1129<br />
<strong>Die</strong>s ergab die Analyse von Christ, 44 i.V.m. 39 FN 1 i.f. Immerhin gestand das KGer VS<br />
einem Kommanditär das Kontrollrecht, offenbar einzig gestützt, auf seine<br />
Gesellschafterstellung zu: RVJ 1991 391 E. 9c und d.<br />
1130<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.2.5.<br />
1131 So bereits ZK-Siegwart, Art. 599/600 N 7 (aber ohne Begründung).
- 237 -<br />
übertragen. Es liegt gerade im Wesen <strong>des</strong> Auftragsvertrages, dass der Auftraggeber<br />
zwar Geschäftsherr ist, aber die Ausführung übertragen hat. Hier wie dort wird der<br />
Übertragung der Geschäftsführung mit einer Einschränkung der Informationsrechte<br />
entsprochen. <strong>Die</strong> wichtigste Erkenntnis ist dabei, dass aufgrund der Rollenverteilung<br />
weder dem Kommanditär noch dem Auftraggeber ein Kontrollrecht oder allgemeines<br />
Informationsrecht zukommt. Es ergibt sich aus den bisherigen Erkenntnissen, dass sich<br />
das Informationsrecht <strong>des</strong> Kommanditärs wie das Informationsrecht <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
aus einer rechtlich anerkannten Zuständigkeitsordnung ergeben muss. <strong>Die</strong>se Methode<br />
der Bestimmung von Informationsrechten erscheint als richtiger Ansatz für<br />
Rechtsverhältnisse im Vertragsrecht, in denen die Geschäftsführung durch ein<br />
gesetzlich vorgegebenes Modell durch eine andere Person erfolgt und das<br />
Rechtsverhältnis nicht durch die Idee der allgemeinen Vergemeinschaftung überlagert<br />
wird. Eine solche allgemeine Überlagerung findet im Bereich <strong>des</strong> einfachen<br />
Gesellschafters oder der Komplementäre statt, nicht jedoch im Bereich <strong>des</strong><br />
Kommanditärs. Keine entsprechende Überlagerung findet im Auftragsrecht bezüglich<br />
<strong>des</strong> Verhältnisses zwischen dem Auftragnehmer und Auftraggeber statt. Im<br />
Auftragsverhältnis (wie auch im Rechtsverhältnis zwischen Kommanditär und den<br />
übrigen Gesellschaftern) stehen sich Personen mit unterschiedlichen Positionen<br />
gegenüber, weshalb sich die Situation weniger durch Gemeinsamkeiten, als durch je<br />
eigene Rollen charakterisiert. Zwischen diesen verschiedenen Rollen entscheidet<br />
jedoch eine konkrete Zuständigkeitsordnung über ein spezifisches Informationsrecht.<br />
Einem solchen spezifischen Informationsrecht kann jedoch nicht die Qualität eines<br />
Kontrollrechts zukommen. 1132<br />
Im Ergebnis ist bezüglich der Situation <strong>des</strong> Kommanditärs festzuhalten, dass die<br />
Vergemeinschaftung nicht in derselben Intensität wie unter den übrigen<br />
Gesellschaftern verwirklicht ist. Seine Risiko- und Interessenlage ist besonders<br />
gelagert, weshalb auch seine Gesellschafterstellung an sich eine besondere ist. <strong>Die</strong>s<br />
trifft insbesondere auch auf die Frage zu, ob das gegenseitige Vertrauen eine gleich<br />
zentrale Rolle spielt wie zwischen den anderen Gesellschaftern. Es ist seine besondere<br />
Position als Personengesellschafter hinsichtlich Interessenlage, Vergemeinschaftung<br />
und gegenseitigem Vertrauen, welche eine besondere Informationsordnung für den<br />
Kommanditär rechtfertigt.<br />
1132 Siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 3.5.4 und 3.5.5.
- 238 -<br />
3.7.2.7 Fazit<br />
<strong>Die</strong> Auseinandersetzung mit dem Informationsrecht im Personengesellschaftsrecht hat<br />
ergeben, dass grundsätzlich jedem – die Ausnahme betrifft den Kommanditär –<br />
Personengesellschafter die Kontrollmöglichkeit über die Geschäftsführung verschafft<br />
wird. Das entsprechende Kontrollrecht ist als ein umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht<br />
ausgestaltet, welches sich durch verschiedene Rechtstatsachen rechtfertigen lässt:<br />
durch die besondere Risikolage <strong>des</strong> Personengesellschafters, durch den<br />
Gesellschaftsvertrag als ein Vergemeinschaftungsvertrag, durch das gegenseitige<br />
Vertrauensverhältnis und den bestimmenden Einfluss der Treuepflicht.<br />
Als grundlegender Gedanke ist hinter dieser Ausgestaltung <strong>des</strong> Informationsrechts in<br />
Art. 541 OR zu erkennen, dass die Gesellschafter trotz allfälliger unterschiedlicher<br />
Rollenverteilung innerhalb <strong>des</strong> Bereiches der Geschäftsführung informationsrechtlich<br />
als gleichgewichtige Vertragsparteien zu behandeln sind. Entsprechend handelt es sich<br />
beim relevanten Informationsrecht um ein Kontrollrecht, welches die Gleichordnung<br />
der Vertragsparteien zum erklärten und schützenswerten Ziel hat.<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Ausführungen haben auch ergeben, dass sich das<br />
Informationsrecht <strong>des</strong> Auftraggebers und das Kontrollrecht <strong>des</strong><br />
Personengesellschafters in ein einheitliches System von Interessenlagen einordnen<br />
lassen, welches die unterschiedliche Qualität der beiden Informationsrechte bestätigt.<br />
Eine entsprechende Gegenüberstellung von Verträgen, geordnet nach ihrer jeweiligen<br />
Interessenlage (Interessenvergemeinschaftungsverträge, Interessenwahrungsverträge,<br />
Interessengegensatzverträge), macht deutlich, dass der Auftrag als<br />
Interessenwahrungsvertrag kein umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht kennt. <strong>Die</strong>ser<br />
systematische Ansatz hat gezeigt, dass im Bereich der Interessenwahrungsverträge im<br />
Grundsatz bloss eingeschränkte Informationsrechte anzuerkennen sind, welche jeweils<br />
besonders zu begründen sind.<br />
<strong>Die</strong> Auseinandersetzung mit der mandatsrechtlichen Interessenwahrungspflicht hat<br />
weiter gezeigt, dass der Interessenwahrungsgrundsatz im Rahmen <strong>des</strong> entgeltlichen<br />
Mandatsrechts an Eindeutigkeit verloren hat und dass damit der<br />
Gegensätzlichkeitscharakter <strong>des</strong> heutigen Mandatsrechts zu betonen ist. <strong>Die</strong>ser Befund<br />
wird weiter dadurch untermauert, dass die Analyse der Interessenwahrungspflicht im<br />
Auftragsrecht ergeben hat, dass der Einfluss dieses Grundsatzes grundsätzlich auf die<br />
Ausführungsobligation und die Ablieferungsobligation (siehe dazu Kapitel 3.3 und<br />
3.7.1) beschränkt ist. Entsprechend sind die in dieser Arbeit erarbeiteten Grundsätze<br />
für die Begründung einer Informationspflicht zu beachten, wonach einzig eine
- 239 -<br />
spezifische Zuständigkeit (siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.5) oder eine<br />
besondere Interessenlage (siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.7.3) eine<br />
Informationspflicht, gestützt auf Art. 400 OR, begründen können, ansonsten der<br />
Autonomiebereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> zu beachten ist (siehe dazu die Ausführungen in<br />
Kapitel 3.3.4 und 3.4).<br />
Weiter wurde im Sinne eines Exkurses die informationsrechtliche <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong><br />
Kommanditärs untersucht. Aufgrund der Ausführungen wird deutlich, dass die<br />
gesetzlich nicht vorgesehene und damit fehlende Geschäftsführungsbefugnis <strong>des</strong><br />
Kommanditärs resp. <strong>des</strong> Auftraggebers als der eigentliche gemeinsame Grund für ein<br />
beschränktes Informationsrecht erscheint. <strong>Die</strong>s manifestiert sich dadurch, dass die<br />
Vergemeinschaftung im Falle <strong>des</strong> Kommanditärs viel weniger weit geht als zwischen<br />
den übrigen Personengesellschaftern. Seine Position ist näher bei der Situation der<br />
Interessenwahrung im Auftragsvertrag als bei der Interessenvergemeinschaftung <strong>des</strong><br />
Gesellschaftsvertrages. Damit kann sich sowohl im Falle <strong>des</strong> Kommanditärs als auch<br />
im Falle <strong>des</strong> Auftraggebers ein entsprechen<strong>des</strong> Informationsrecht nur aus einer<br />
spezifischen Zuständigkeit oder einer spezifischen Interessenlage ergeben. Im Falle<br />
<strong>des</strong> Mandatsrechts fällt ein Informationsrecht (gestützt auf Art. 400 OR)<br />
vergleichsweise gering aus, weil der Auftraggeber immer Geschäftsherr bleibt und nie<br />
zum Mitgeschäftsführer wird. <strong>Die</strong>se Rolle ist einzig dem <strong>Beauftragten</strong> zugedacht, wie<br />
sich aus der Organisation <strong>des</strong> Auftragsvertrages ergibt.<br />
3.7.3 Abrechnungspflicht und Informationspflicht in Art. 400 OR<br />
3.7.3.1 Vorbemerkungen<br />
3.7.3.1.1 Ergebnisse und Einordnung<br />
<strong>Die</strong> rechtshistorische Untersuchung in Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit hat ergeben,<br />
dass die Informationspflicht „Rechenschaft“ im engen thematischen Zusammenhang<br />
mit der Pflicht zur Rechnungslegung resp. im Falle <strong>des</strong> entgeltlichen Mandats<br />
zusätzlich in engem Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungsstellung steht.<br />
Soweit die Pflicht zur Rechnungslegung in Rede steht, ist die Erkenntnis aus der<br />
rechtshistorischen und systematischen Untersuchung zentral, dass die<br />
Ablieferungsobligation als die Konkretisierung der Idee der Fremdnützigkeit <strong>des</strong><br />
Mandatsrechts von besonderer Bedeutung ist: Es ist die Ablieferungsobligation,<br />
welche grundsätzlich den Inhalt der entsprechenden Informationspflicht vorgibt. Dabei<br />
wird die Ablieferungsobligation in den Fällen von der <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
substituiert, wo eine entsprechende Verwendung der Mittel <strong>des</strong> Auftraggebers zu
- 240 -<br />
belegen ist. In diesem Bereich handelt es sich bei der entsprechenden<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ um eine thematisch und inhaltlich klar<br />
vorgegebene Informationspflicht, die als eine Berichtspflicht zu charakterisieren ist,<br />
welche durch den Zweck der Ablieferungsobligation vorgegeben ist. In diesem<br />
beschränkten Bereich ist durch die entsprechende Informationspflicht im<br />
Auftragsvertragsrecht eine vollständige Kontrolle <strong>des</strong> Auftraggebers eingerichtet,<br />
weshalb die diesbezügliche Informationspflicht umfassend, wahr und rechtzeitig<br />
erfolgen muss.<br />
In der Lehre wird im Rahmen von Art. 400 OR eine allgemeine Abrechnungspflicht<br />
postuliert, welche neben der Rechnungslegungspflicht auch die<br />
1133 Rechnungsstellungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> umfasst. <strong>Die</strong> rechtshistorische<br />
Untersuchung belegt, dass sich aus dem traditionellen Bereich der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> als der Pflicht zur Rechnungslegung mit der Anerkennung der<br />
Entgeltlichkeit <strong>des</strong> Mandatsrechts die Pflicht zur Rechnungsstellung entwickelt hat.<br />
Auch die Rechnungsstellungspflicht hat einem spezifischen Zweck zu dienen, woraus<br />
sich der vordefinierte Inhalt der Pflicht ergibt. 1134 Daraus ergibt sich, dass die gesamte<br />
Abrechnungspflicht eine Berichtspflicht ist, weil auch die Teilpflicht<br />
„Rechnungsstellungspflicht“ die entsprechenden Qualitäten aufweist: <strong>Die</strong><br />
entsprechende Informationspflicht ist thematisch vorgegeben und inhaltlich fixiert.<br />
Damit handelt es sich bei der Informationspflicht „Rechenschaft“ gemäss Art. 400<br />
Abs. 1 OR sowohl beim entgeltlichen als auch beim unentgeltlichen Auftragsvertrag<br />
inhaltlich um eine Informationspflicht, die einem <strong>St</strong>andardprogramm folgt.<br />
Im Unterschied zur Pflicht zur Rechnungslegung ist jedoch im Rahmen der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung darauf hinzuweisen, dass das entsprechende Informationsrecht<br />
nicht zu einem Kontrollrecht führt. <strong>Die</strong> rechtssystematische Untersuchung<br />
verschiedener Bereiche <strong>des</strong> Mandatsrechts hat ergeben, dass aus den allgemeinen<br />
1135 mandatsrechtlichen Instituten wie der Dokumentationspflicht , der<br />
Ablieferungspflicht 1136 , dem Datenschutzrecht 1137 , dem Weisungsrecht 1138 und dem<br />
1133<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 48ff.; BasK-Weber, Art. 400 N 7; Hofstetter, 2000, 115 und<br />
118f. Zur Terminologie: Siehe Kapitel 1.3.6 und 3.7.3.1.2.<br />
1134<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.1.1.1. Zum Zweck der Rechnung: Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.<br />
1135<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
1136<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.<br />
1137<br />
Siehe dazu Kapitel 3.4.<br />
1138<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5.
- 241 -<br />
Widerrufsrecht 1139 kein umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht abgeleitet werden kann,<br />
welches sich auf die Rechtsgrundlage in Art. 400 OR stützt und welches die<br />
allgemeine Kontrolle über die Auftragsausführung gewährleistet. Aus den<br />
entsprechenden Ergebnissen der vorliegenden Arbeit ergibt sich, dass eben weder das<br />
Auftragsrecht als Organisationsrecht noch die spezifische <strong>Rechenschaftspflicht</strong> ein<br />
Kontrollrecht <strong>des</strong> Auftraggebers implementieren, welches umfassend und vollständig<br />
ist. <strong>Die</strong> bisherigen Darstellungen sowie die nachfolgende Auseinandersetzung mit der<br />
Abrechnungspflicht werden zeigen, dass diese Kontrolle nur in einem engen Sinne und<br />
auf eine definierte Art und Weise gewährt wird: Im Rahmen der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung. Im Bereich der Rechnungsstellungspflicht ist demgegenüber<br />
danach zu fragen, welches besondere Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers zu berücksichtigen<br />
ist, da sich eine Informationspflicht, gestützt auf Art. 400 Abs. 1 OR, nur durch eine<br />
besondere Zuständigkeit rechtfertigen lässt. 1140 In diesem Zusammenhang ergibt sich<br />
die Zuständigkeit <strong>des</strong> Auftraggebers aus der Pflicht <strong>des</strong> Auftraggebers, den<br />
<strong>Beauftragten</strong> für die Arbeitsleistung zu honorieren (Vergütungspflicht) und ihn<br />
schadlos zu halten (Auslagen- und Verwendungspflicht) sowie aus dem Recht auf die<br />
Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Auftrages (Ablieferungsobligation). Soweit dem Auftraggeber in<br />
diesem Zusammenhang Rechte zugestanden werden (Überprüfung der Honorarnote<br />
etc.), ist auch eine Informationspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> gegeben. Es ist<br />
dementsprechend auch für den Bereich der Abrechnungspflicht festzuhalten, dass der<br />
Auftragsvertrag als Interessenwahrungsvertrag entgegen der hL zu keinem „an sich“<br />
weit gefassten allgemeinen Informationsrecht führt. 1141 <strong>Die</strong> Informationspflicht <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong>, welche sich, gestützt auf Art. 400 OR, ergibt ist aus den eigenen<br />
Anforderungen unter Berücksichtigung der Ergebnisse, wie sie sich aus der<br />
historischen und systematischen Untersuchung aufgrund der vorliegenden Arbeit<br />
ergeben, zu erarbeiten. <strong>Die</strong> eigenen Anforderungen ergeben sich dabei für das<br />
allgemeine Mandatsrecht aus dem Zweck der Rechnung, 1142 da auch insoweit die<br />
Interessen <strong>des</strong> Auftraggebers berücksichtigt werden. Das Ergebnis <strong>des</strong> systematischen<br />
Teils dieser Arbeit kann dabei auf diese Weise zusammengefasst werden, dass ein<br />
eigentlicher Eigenbereich <strong>des</strong> Auftragnehmers identifiziert wird, welcher soweit<br />
aufrechterhalten wird, als die hier untersuchten Informationsrechte<br />
1139<br />
Siehe dazu Kapitel 3.6.<br />
1140<br />
Siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 3.5.5.<br />
1141<br />
Aus der Lehre: BK-Fellmann, Art. 400 N 27ff.; Hofstetter, 2000, 116; BasK-Weber, Art.<br />
400 N 4. Siehe in diesem Zusammenhang aber die Ausführungen in Kapitel 3.5 und 3.7.2.<br />
1142<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.
- 242 -<br />
(Abrechnungspflicht), welche sich auf Art. 400 OR stützen, keinen spezifisch<br />
begründeten Anspruch vermitteln.<br />
3.7.3.1.2 Begriffe<br />
Als Ergebnis der rechtshistorischen und der bisherigen systematischen Untersuchung<br />
ergibt sich somit, dass sich die Informationspflicht „Rechenschaft“ <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
im Sinne von Art. 400 OR in der Pflicht zur Rechnungslegung resp. in der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung erschöpft. 1143 Es wurden bereits in der Einleitung zur vorliegenden<br />
Arbeit in Kapitel 1.3.5 und 1.3.6 Aussagen über die in der Lehre und in dieser Arbeit<br />
verwendete Terminologie gemacht. Im Sinne einer Bestätigung und weiteren<br />
Präzisierung werden nachfolgend die entsprechenden zentralen Begriffe dargestellt,<br />
welche für das Informationsrecht in Art. 400 OR von Bedeutung sind:<br />
<strong>Die</strong> Pflicht zur Rechnungslegung ist – gemäss dem systematischen Aufbau <strong>des</strong><br />
Mandatsrechts – auf die Ablieferungsobligation bezogen, da sie diese zentrale Pflicht<br />
<strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> entweder vorbereitet oder ersetzt (indem etwa die Verwendung resp.<br />
der Konsum von anvertrauten Geldern belegt werden muss). 1144 Damit erscheint die<br />
Pflicht zur Rechnungslegung als den Teil der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>,<br />
welcher die Ein- und Ausgabeposten dokumentiert, die mit der Auftragsausführung<br />
verbunden sind und eine entsprechende Saldofeststellung enthält. 1145 <strong>Die</strong> Ein- und<br />
Ausgabeposten umfassen dabei den gesamten Geldverkehr (inkl. Vorschüsse,<br />
Teilzahlungen etc.), welcher im Zusammenhang mit der Auftragsausführung anfällt.<br />
Entsprechend entfaltet die Pflicht zur Rechnungslegung auch eine entsprechende<br />
Aufzeichnungs- und Buchführungspflicht, welche die entsprechenden Informationen<br />
in der geeigneten Weise festhält. Für eine entsprechende Dokumentation trägt der<br />
Beauftragte die Verantwortung. 1146<br />
<strong>Die</strong> Pflicht zur Rechnungsstellung ist ein weiterer Bestandteil der Informationspflicht<br />
„Rechenschaft“ <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>: Aufgrund der bisherigen Ausführungen erfüllt im<br />
Falle <strong>des</strong> entgeltlichen Mandatsvertrages der Beauftragte seine <strong>Rechenschaftspflicht</strong>,<br />
wenn er den Anforderungen aus der entsprechenden Pflicht genügt. Der Auslagen- und<br />
Verwendungsanspruch <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> nach Art. 402 Abs. 1 OR ist nicht von der<br />
1143 <strong>Die</strong>s entspricht auch der Lehrmeinung von Werro, N 512ff., insbes. N 514, und Werro,<br />
Commentaire, Art. 400 N 5.<br />
1144 Siehe dazu Kapitel 3.3.2 und 3.3.3.<br />
1145 BK-Becker, Art. 400 N 2; ZK-Fick/Morlot, Art. 400 N 8; ZK-Oser/Schönenberger, Art.<br />
400 N 3.<br />
1146 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.
- 243 -<br />
Pflicht zur Rechnungslegung abgedeckt, weil die Auslagen und Verwendungen das<br />
Vermögen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> vermindern 1147 und der Anspruch nicht als Gegenleistung<br />
zur Ablieferungsobligation zu qualifizieren ist. 1148 Aus diesem Grund folgt, dass das<br />
Recht auf Auslagen- und Verwendungsersatz <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> ebenfalls neben dem<br />
Vergütungsanspruch Gegenstand der Pflicht zur Rechnungsstellung ist.<br />
Nachfolgend werden in dieser Arbeit diese beiden Pflichten (inklusive <strong>des</strong> Auslagenund<br />
Verwendungsanspruchs und der Belegungs- und Aufzeichnungspflicht)<br />
entsprechend unter dem Begriff der Abrechnungspflicht zusammengefasst. Wie die<br />
nachfolgenden Ausführungen in der vorliegenden Arbeit zeigen, können die<br />
Anforderungen an die Pflichten „Rechnungslegung“ und „Rechnungsstellung“<br />
grundsätzlich einheitlich formuliert werden 1149 , weshalb die beiden Pflichten unter<br />
diesem einheitlichen Oberbegriff zusammengefasst dargestellt werden können. Auf die<br />
jeweiligen Besonderheiten der Einzelpflichten der Abrechnungspflicht wird an den<br />
entsprechenden <strong>St</strong>ellen hingewiesen. Damit regelt die Informationspflicht<br />
„Rechenschaft“ gemäss Art. 400 OR die Abrechnungspflicht, welche grundsätzlich in<br />
die Rechnungslegung und in die Rechnungsstellung (inkl. Auslagen- und<br />
Verwendungsersatz) unterteilt werden kann. Abgeschlossen wird die Darstellung der<br />
Abrechnungspflicht durch eine Auseinandersetzung mit der Belegungs- oder<br />
Aufzeichnungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, welche die Abrechnungspflicht erfordert und<br />
vervollständigt.<br />
3.7.3.1.3 Weiterer Aufbau und allgemeines und besonderes Auftragsrecht<br />
Um die Einzelheiten der Abrechnungspflicht weiter behandeln zu können, müssen<br />
vorab die Grundlagen <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs und <strong>des</strong> Anspruchs auf Auslagen- und<br />
Verwendungsersatz dargestellt werden (Kapitel 3.7.3.2 und 3.7.3.3). Im Anschluss<br />
daran kann die Abrechnungspflicht hinsichtlich ihres Bestan<strong>des</strong>, ihrer Form, ihres<br />
Zweckes und ihres Inhalts im Detail erarbeitet werden (Kapitel 3.7.3.4).<br />
<strong>Die</strong> Rechtsentwicklung im Bereich der Abrechnungspflicht ist massgebend durch die<br />
Lehre und Rechtsprechung zum Anwaltsvertrag geprägt. Dadurch rechtfertigt sich eine<br />
1147<br />
BK-Fellmann, Art. 402 N 13.<br />
1148<br />
BGE 94 II 263ff., E. 3; ZK-Schraner, Art. 82 N 82; BK-Weber, Art. 82 N 23. Davon ist<br />
zu unterscheiden, ob allenfalls ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht<br />
werden kann. Siehe dazu BK-Fellmann, Art. 400 N 186ff. i.V.m. Art. 402 N 54.<br />
1149<br />
So verwendet etwa das OGer ZH bspw. in ZR 79 Nr. 62 die Begriffe „Rechnungsstellung“<br />
und „Rechnungslegung“ als Synonyme. Eine entsprechende Gleichsetzung der Begriffe<br />
lässt sich auch in der rechtshistorischen Untersuchung für die Schweiz belegen: Siehe<br />
hierzu Kapitel 2.8.4.1.
- 244 -<br />
Auseinandersetzung mit diesem speziellen Rechtsgebiet. Dabei ist festzustellen, dass<br />
nicht durchwegs konsequent nach den anwendbaren Rechtsgrundlagen unterschieden<br />
wird. Aus diesem Grund wird in der nachfolgenden Untersuchung jeweils die Frage zu<br />
beantworten sein, ob eine entsprechende spezifische Aussage zum Anwaltsrecht<br />
allgemein auf das Auftragsvertragsrecht anwendbar ist oder ob es sich um eine<br />
Spezialregelung in einem spezifischen Mandatsverhältnis „Anwaltsvertrag“ handelt.<br />
Aus diesem Grund sind die jeweiligen <strong>St</strong>ellungnahmen zur Abrechnungspflicht auf<br />
ihre „Verallgemeinerungsfähigkeit“ zu überprüfen, wodurch der Regelungsinhalt der<br />
allgemeinen Norm von Art. 400 Abs. 1 OR (und damit der Abrechnungspflicht als<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“) zu definieren ist.<br />
3.7.3.2 Vergütungsanspruch <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
3.7.3.2.1 Grundsätzliches zum Vergütungsanspruch<br />
<strong>Die</strong> Fragen im Zusammenhang mit der Entgeltlichkeit <strong>des</strong> Mandatsrechts (und damit<br />
der Vergütungsanspruch <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>) gehören zu den am intensivsten<br />
behandelten Bereichen <strong>des</strong> Auftragsrechtes. So befassen sich verschiedene<br />
Monografien schwerpunktmässig oder gar ausschliesslich mit diesem Aspekt <strong>des</strong><br />
Auftragsrechts. 1150 Nachfolgend wird sich aus diesem Grund die Darstellung <strong>des</strong><br />
Vergütungsanspruchs auf jene Aspekte beschränken, die im vorliegenden<br />
Zusammenhang von Interesse sind.<br />
<strong>Die</strong> überwiegende Mehrzahl der Auftragsverträge ist entgeltlich, da entweder eine<br />
entsprechende Vereinbarung vorliegt oder eine Vergütung üblich ist. 1151 Im Falle einer<br />
entsprechenden Vereinbarung kann auf die Darstellung der entsprechenden<br />
Vergütungsformen verwiesen werden. 1152 Im vorliegenden Zusammenhang ist v.a. die<br />
Bestimmung der Höhe der Vergütung von Interesse, wenn eine solche nicht vereinbart,<br />
sondern bloss üblich ist: Ohne auf die verschiedenen grundsätzlichen Unterschiede in<br />
den einzelnen Lehrmeinungen einzugehen, ist darauf hinzuweisen, dass bei der<br />
1150 In der schweizerischen Literatur ist insbesondere aus rechtshistorischer Sicht die<br />
Dissertation von Schibli, <strong>Die</strong> Entwicklung <strong>des</strong> Mandats in der Schweiz, Basel 1929, zu<br />
erwähnen. Der Einfluss der Entgeltlichkeit <strong>des</strong> Mandatsvertrages wurde in verschiedenen<br />
Aspekten (namentlich im Bereich der Verschuldenshaftung, der Substitutenhaftung und<br />
der Beendigungsmöglichkeit nach Art. 404 OR) intensiv von Schneeberger (Diss. Bern<br />
1992) untersucht. Monografisch wurde die Vergütung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> von Gmür (Diss.<br />
Fribourg 1994) allgemein und von Höchli (Diss. ZH 1991) speziell für den Bereich <strong>des</strong><br />
Anwalts dargestellt.<br />
1151 Zum Ganzen sehr ausführlich und an <strong>St</strong>elle vieler: BK-Fellmann, Art. Art. 394 N 362ff.<br />
<strong>Die</strong> entsprechende Beweislast liegt beim <strong>Beauftragten</strong>: BK-Fellmann, Art. Art. 394 N<br />
382.<br />
1152 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.5.
- 245 -<br />
Bemessung <strong>des</strong> Honorars nach Verkehrsübung (falls keine behördlich festgesetzten<br />
Tarife anwendbar sind) die Angemessenheit das zentrale Beurteilungskriterium ist 1153 :<br />
Es muss „die Vergütung den geleisteten <strong>Die</strong>nsten entsprechen, ihnen objektiv<br />
angemessen sein.“ 1154 Wie aus der Rechtsprechung und der Lehre ergeht, spielt bei der<br />
entsprechenden Angemessenheitsprüfung insbesondere der entsprechende Zeitaufwand<br />
eine entscheidende Rolle. 1155 Damit ist auch in diesem Bereich <strong>des</strong> entgeltlichen<br />
Auftrags eine Anlehnung an die Überlegungen und die Funktionsweise <strong>des</strong><br />
Zeithonorars gegeben, weshalb auch im Bereich <strong>des</strong> nicht vereinbarten, aber üblichen<br />
Entgelts die nachfolgenden Ausführungen zur Abrechnungspflicht anwendbar sind.<br />
3.7.3.2.2 Entstehung <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs<br />
Wurde eine Vergütung vereinbart oder ist sie üblich (Art. 394 Abs. 3 OR) 1156 , so kann<br />
mit der hL davon ausgegangen werden, dass gemäss der allgemeinen Regel 1157 der<br />
Vergütungsanspruch grundsätzlich mit dem Vertragsabschluss <strong>des</strong> Auftrages entsteht.<br />
1158 Weiter ist die folgende Tatsache zu beachten: „Es besteht zudem (...) kein<br />
Zusammenhang zwischen der Entstehung der Vergütungsforderung und der richtigen<br />
Erfüllung <strong>des</strong> Auftrages.“ 1159 Eine davon grundsätzlich verschiedene Frage ist die<br />
mögliche Reduktion der Vergütung bei Schlechterfüllung <strong>des</strong> Mandatsvertrages. 1160<br />
<strong>Die</strong> Ausnahme dieser allgemeinen Regel betrifft den Fall, in welchem durch besondere<br />
Abrede die Vergütung nur für den Fall der erfolgreichen Auftragsausführung<br />
(Erfolgshonorar) vereinbart wird. 1161 <strong>Die</strong> Verabredung einer erfolgsabhängigen<br />
Vergütung stellt eine Suspensivbedingung nach Art. 151 OR für die Entstehung <strong>des</strong><br />
Vergütungsanspruches dar, 1162 weshalb der Anspruch bis zum Eintritt der vereinbarten<br />
Bedingung (noch) nicht entstanden ist.<br />
1153<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 409ff., und insbesondere N 413.<br />
1154<br />
BGE 117 II 282ff., E. 4.<br />
1155<br />
BGE 117 II 282ff., E. 4; BGE 101 II 109ff., E. 3. BK-Fellmann, Art. 394 N 413f.;<br />
Hofstetter, 2000, 82; BasK-Weber, Art. 394 N 39.<br />
1156<br />
Dazu ausführlich Gmür, N 210ff. (mit weiteren Hinweisen).<br />
1157<br />
Tuhr/Escher, 45.<br />
1158<br />
Gmür, N 251f.; BK-Fellmann, Art. 394 N 467 (je mit weiteren Hinweisen).<br />
1159<br />
Derendinger, N 415.<br />
1160<br />
So nun auch das BGer in BGE 124 III 423ff., indem der Beauftragte auch im Fall<br />
mangelhafter Ausführung <strong>des</strong> Auftrages Anspruch auf ein Honorar für die Tätigkeit hat,<br />
die vertragskonform ausgeführt worden ist.<br />
1161<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.5.4.<br />
1162 Gauch/Schluep/Rey, Nr. 4193f.
- 246 -<br />
3.7.3.2.3 Fälligkeit <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs<br />
Von der Entstehung <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs ist die Fälligkeit <strong>des</strong>selben zu<br />
unterscheiden, namentlich <strong>des</strong>halb, weil der Beauftragte vorleistungspflichtig ist. 1163<br />
<strong>Die</strong> Fälligkeit – d.h. die Forderbarkeit und Einklagbarkeit – der Vergütung muss nach<br />
den allgemeinen Regeln von Art. 75 OR bestimmt werden, wobei die Vergütung nach<br />
allgemeiner Ansicht „mit dem Abschluss der letzten unter einen bestimmten Auftrag<br />
fallenden Leistung fällig“ 1164 sein soll. Es wird also darauf abgestellt, in welchem<br />
Zeitpunkt die eigentliche Hauptarbeitsleistung abgeschlossen ist. 1165 Der Auftraggeber<br />
ist dabei für die Erfüllung seiner Vorleistungspflicht beweispflichtig. 1166 Dabei ist zu<br />
beachten, dass – wie bei der Entstehung <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs – auch die<br />
Fälligkeit unabhängig von der richtigen Erfüllung <strong>des</strong> Vertrages ist. 1167<br />
Da auch die Frage der Fälligkeit der vertraglichen Vereinbarung offensteht, können<br />
Abreden (auch als AGB-Recht) über Kostenvorschüsse oder Abschlagszahlungen<br />
vereinbart werden. 1168 Für die Fälligkeit reichen dann je nach Abrede die Leistungen<br />
im vereinbarten Teilumfang. <strong>Die</strong> Fälligkeit kann aber auch sofort eintreten, wenn das<br />
Vertragsverhältnis durch Widerruf oder Kündigung (Art. 404 OR) beendet wird. 1169<br />
3.7.3.2.4 Abrechnungspflicht als Vorleistungspflicht zum Vergütungsanspruch<br />
Falls der Vergütungsanspruch entstanden und fällig ist, so ist die Vergütung durch den<br />
Auftraggeber grundsätzlich ohne Weiteres zu leisten. Es kann nämlich festgehalten<br />
werden, dass der Beauftragte keine weitergehenden Bedingungen zu erfüllen hat. 1170<br />
„Beim entgeltlichen Auftrag korrespondieren nämlich die Pflicht zum Tätigwerden<br />
und die Pflicht zur Entschädigung.“ 1171 Von entscheidender Bedeutung ist in diesem<br />
Zusammenhang allerdings, dass die Lehre im Zusammenhang mit der<br />
Vergütungspflicht dem Auftraggeber ein grundsätzliches Leistungsverweigerungsrecht<br />
1163<br />
BK-Weber, Art. 75 N 80.<br />
1164<br />
BK-Weber, Art. 75 N 94; BK-Fellmann, Art. 394 N 469.<br />
1165<br />
Zum Ganzen im Zusammenhang mit einem besonderen Auftragsvertrag: Egli, N 1094ff.,<br />
insbes. 1097.<br />
1166<br />
Derendinger, N 419.<br />
1167<br />
Derendinger, N 419 (mit illustrativen Beispielen).<br />
1168<br />
Gmür, N 259f.; BK-Fellmann, Art. 394 N 475; BK-Weber, Art. 75 N 59ff. <strong>Die</strong>se<br />
Vereinbarung über die Fälligkeit ist von der Vereinbarung einer <strong>St</strong>undung zu<br />
unterscheiden, die nicht die Entstehung der Forderung, sondern die Frage der<br />
Einforderbarkeit betrifft.<br />
1169<br />
Derendinger, N 418.<br />
1170<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 485.<br />
1171<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 178 (mit weiteren Hinweisen); BK-Weber, Art. 75 N 99.
- 247 -<br />
1172 zugesteht (gestützt auf Art. 82 OR oder als eigentliches allgemeines<br />
Zurückbehaltungsrecht 1173 ).<br />
In diesem Zusammenhang erscheinen die Abrechnungspflicht und damit die<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ als Vorleistungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>. <strong>Die</strong><br />
Abrechnungspflicht als Vorleistungspflicht besteht sowohl im Bereich der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung 1174 als auch im Bereich der Pflicht zur Rechnungsstellung (inkl.<br />
Auslagen- und Verwendungsersatzanspruch). 1175 Damit ist zu präzisieren, dass dem<br />
Auftraggeber das Recht zugestanden wird, die Vergütungsleistung solange<br />
zurückzuhalten, wie der Beauftragte der Abrechnungspflicht nicht nachgekommen ist.<br />
Hat der Auftraggeber eine Abrechnung vorgelegt, welche den Anforderungen der<br />
Abrechnungspflicht genügen, so entfällt grundsätzlich das entsprechende<br />
Leistungsverweigerungsrecht. Durch eine entsprechende Abrechnung hat der<br />
Auftraggeber auch sogleich den Nachweis der Erfüllung der vertraglichen<br />
Hauptleistungspflicht erbracht. 1176 Aus Sicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> ist abschliessend<br />
anzumerken, dass kein Austauschverhältnis „zwischen dem geschuldeten Honorar und<br />
der auftragsrechtlichen Herausgabepflicht“ 1177 besteht, da die Herausgabepflicht in<br />
aller Regel eine blosse Nebenleistungspflicht ist.<br />
3.7.3.2.5 Formen <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs<br />
In der Folge werden in einem Überblick die verschiedenen Formen der Vergütung <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> dargestellt, da die Form der Vergütung für die weitere<br />
Auseinandersetzung mit der Pflicht zur Rechnungsstellung von zentraler Bedeutung<br />
ist. 1178<br />
3.7.3.2.5.1 Pauschalvergütung<br />
Bei dieser Vergütungsform wird die Leistung zu einem zum Vornherein fixierten Preis<br />
versprochen, welcher grundsätzlich (einseitig) nachträglich nicht mehr abgeändert<br />
1172 Derendinger, N 418 i.f.<br />
1173 Dazu ausführlich ZK-Schraner, Art. 82 N 179ff., und BK-Weber, Art. 82 N 23ff.<br />
1174 BK-Fellmann, Art. 400 N 50; BasK-Weber, Art. 400 N 10.<br />
1175 BK-Fellmann, Art. 400 N 60.<br />
1176 Siehe dazu oben Kapitel 3.7.3.2.2.<br />
1177<br />
BGE 122 IV 322ff., E. 3b.<br />
1178<br />
Für eine detaillierte Darstellung: Gmür, N 166ff. Für das Anwaltsrecht: Testa, 215ff.<br />
(Vergütungsformen) und 192ff. (Überblick über die verschiedenen anwendbaren<br />
Honorarvorschriften am Beispiel <strong>des</strong> Zürcher Anwaltsrechts).
- 248 -<br />
werden kann. 1179 Das Kostenrisiko wird bei dieser Vergütungsabrede auf beide<br />
Parteien verteilt. 1180<br />
In seiner Wirkungsweise bekommt diese Art der Vergütungsvereinbarung den<br />
Charakter eines Kaufpreises einer Leistung. 1181 In der Literatur wird <strong>des</strong>halb teilweise<br />
betont, dass die Pauschalvergütung ähnliche Risikolagen schaffen kann wie die – etwa<br />
anwaltsrechtlich – verpönten Erfolgshonorare. 1182 <strong>Die</strong> Zulässigkeit ist trotzdem auch<br />
im Bereich <strong>des</strong> Anwaltsvertrages anerkannt 1183 , wobei der Beauftragte den Beweis für<br />
das Vorliegen eines Pauschalhonorars zu erbringen hat. 1184<br />
Es ist bei dieser Vergütungsform zu betonen, dass sich die Pauschalisierung auf die<br />
Abrede der Vergütung beschränkt, die primäre Leistungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> (die<br />
eigentliche Ausführungsobligation) dagegen unberührt lässt 1185 : Der Beauftragte<br />
schuldet ungeachtet einer entsprechenden Abrede die versprochene Leistung in der<br />
geforderten Sorgfalt und hat unter Umständen mehrere Erfüllungsversuche zu<br />
unternehmen, bis die geschuldete Leistung als erfüllt betrachtet werden kann. 1186<br />
Präzisierend ist abschliessend festzuhalten, dass weiter auch die mandatsrechtliche<br />
Ablieferungsobligation nicht von der Abrede betroffen ist, weshalb eine allfällige<br />
Pflicht zur Rechnungslegung unbeeinflusst bleibt.<br />
3.7.3.2.5.2 Prozentvergütung<br />
Bei der Prozentvergütung wird das Entgelt <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> nach Prozenten eines<br />
bestimmten Interessenwertes bestimmt. 1187 Dabei bestimmt sich der Interessenwert<br />
jeweils nach dem in Rede stehenden Vertragsgebiet resp. -gegenstand: Massgebend ist<br />
beim Vermögensverwaltungsvertrag der Depotwert, bei gerichtlichen<br />
1179<br />
Zu den Abänderungsmöglichkeiten: BK-Fellmann, Art. 394 N 445 (der die analoge<br />
Anwendung von Art. 373 Abs. 2 OR fordert); Egli, N 1071 (der die Anwendung der<br />
clausula rebus sic stantibus befürwortet). In diesen Lehrmeinungen kommt die Ansicht<br />
zum Ausdruck, dass in allen Fällen der Äquivalenzgedanke in einer Leistungsbeziehung<br />
nicht (ganz) aus den Augen gelassen werden darf.<br />
1180<br />
Gmür, N 171. Es muss aber angemerkt werden, dass sich das zu tragende Risiko nicht auf<br />
den gleichen Risikobereich bezieht.<br />
1181 BK-Gautschi, Art. 394 N 76b.<br />
1182 Schenker, 150.<br />
1183 So bereits ZR 70 Nr. 107.<br />
1184 AKE 90133, Entscheid vom 6. 9. 1990, der diesbezüglich ZR 70 Nr. 107 bestätigt.<br />
1185 In diesem Sinne auch die Präzisierung von Gmür, N 168.<br />
1186 Dazu ausführlich: Derendinger, N 95ff. Siehe dazu auch Kapitel 3.7.3.2.2.<br />
1187 Lehrmeinungsübersicht bei BK-Fellmann, Art. 394 N 448.
- 249 -<br />
Auseinandersetzungen der <strong>St</strong>reitwert, beim Architektenvertrag der Bauwert resp. die<br />
Bausumme etc. 1188<br />
<strong>Die</strong>ser Vergütungsform wird in der Rechtsprechung mit beachtlicher Zurückhaltung<br />
begegnet, wobei sie als grundsätzlich zulässig erachtet wird. Das Bun<strong>des</strong>gericht hat<br />
die mit dieser Vergütungsform verbundene Problematik in einem Entscheid deutlich<br />
dargestellt: „Eine Berechnung <strong>des</strong> Honorars nach Prozenten <strong>des</strong> Interessen- oder<br />
<strong>St</strong>reitwertes (sog. Prozentvergütung) ist in der Regel keine angemessene, der Billigkeit<br />
entsprechende Vergütung für Arbeit und Verantwortung (...), muss folglich, wenn sie<br />
nicht vereinbart ist, als Ausnahme durch besondere Umstände gerechtfertigt oder vom<br />
Gesetze, wie z.B. Provisionen für Mäkler und Agenten, ausdrücklich zugelassen sein.“<br />
1189 <strong>Die</strong>se Rechtsprechung wird teilweise kritisiert, da sie den Anwendungsbereich<br />
dieser Form der Vergütung über Gebühr einschränke. 1190<br />
3.7.3.2.5.3 Zeitvergütung<br />
Bei dieser Vergütungsform handelt es sich um eine Abrede, bei welcher die Vergütung<br />
nach dem aufgewendeten Zeitaufwand bemessen wird. Es handelt sich demnach in der<br />
<strong>St</strong>ruktur um eine einfach funktionierende Vergütungsform, falls gewisse Bedingungen<br />
erfüllt sind: So muss insbesondere eine Einigkeit über den anwendbaren <strong>St</strong>undensatz<br />
vorliegen, ansonsten eine wesentliche Basis der Berechnung der Vergütung nicht<br />
bestimmt ist. Wie die diesbezüglichen Lösungsvorschläge in der Lehre zeigen, ist eine<br />
entsprechende richterliche Lückenfüllung von verschiedenen Faktoren beeinflusst,<br />
weshalb eine Bestimmung im Nachhinein schwierig ist. 1191<br />
Heikler ist die Frage, ob eine bestimmte, vom <strong>Beauftragten</strong> aufgewendete und geltend<br />
gemachte Zeit für die richtige Erledigung <strong>des</strong> entsprechenden Auftrages angemessen<br />
ist. Obwohl der Grundsatz anerkannt ist, dass kein Vergütungsanspruch für Leistungen<br />
besteht, die bei sorgfältigem Vorgehen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> nicht erforderlich gewesen<br />
1188 Beispiele zusammengestellt bei: Gmür, N 179.<br />
1189 BGE 101 II 109ff., E. 2. Siehe in diesem Zusammenhang auch BGE 93 I 116ff., E. 5:<br />
Anwaltshonorarabrede über CHF 5’000 für das einfache Inkasso einer Forderung von<br />
CHF 50‘000 teilweise für nichtig erklärt. Aus der Lehre: Büren, OR BT, 136f.; BK-<br />
Gautschi, Art. 394 N 76 und 82.<br />
1190<br />
Gmür, N 182 i.f.<br />
1191<br />
So sind zu berücksichtigen: Schwierigkeit der Aufgabe; Dringlichkeit der Ausführung;<br />
Ausbildung und Können <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>; das Mass der übertragenen Verantwortung etc.<br />
(dazu: BK-Fellmann, Art. 394 N 452 und N 460ff.).
- 250 -<br />
wären (sog. Mehraufwand) 1192 , kann dieser Nachweis in der Praxis in aller Regel wohl<br />
nur in einzelnen, offensichtlichen Fällen gelingen.<br />
Auch wenn die Grundstruktur dieser Vergütungsform einfach erscheint 1193 , zeigt<br />
gerade die reichhaltige Praxis im Bereich <strong>des</strong> Anwaltrechts, dass sie zahlreiche Fragen<br />
aufwirft. 1194 Dabei wird im Rahmen der Pflicht zur Rechnungsstellung auf zahlreiche<br />
Einzelheiten einzugehen sein. 1195<br />
3.7.3.2.5.4 Erfolgshonorar<br />
Bei der Abrede über ein Erfolgshonorar können die Parteien vereinbaren, dass die<br />
Vergütung (oder ein Teil der Vergütung) vom Erfolg der Auftragserfüllung abhängig<br />
ist. 1196 Der Anspruch auf Vergütung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> ist diesfalls suspensiv-bedingt.<br />
<strong>Die</strong> Frage der erfolgsorientierten Vergütung muss von der Frage unterschieden<br />
werden, ob die eigentliche primäre Arbeitsleistung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> durch besondere<br />
Abrede mit einer (ausdrücklichen) 1197 Erfolgsgarantieerklärung versehen wurde. 1198<br />
Eine Abrede über eine Erfolgshonorierung kann in Verbindung mit einer<br />
Erfolgsabrede, welche hinsichtlich der eigentlichen Auftragsleistung vereinbart wurde,<br />
dazu führen, dass ein entsprechen<strong>des</strong> Vertragsverhältnis als gesellschaftsrechtliche<br />
Verbindung zu qualifizieren ist. 1199 Es wurde in der systematischen Darstellung dieser<br />
Arbeit herausgearbeitet, dass diesfalls auch informationsrechtlich ein qualitativ<br />
anderer Sachverhalt zur Beurteilung ansteht, weshalb nachfolgend davon ausgegangen<br />
wird, dass keine entsprechende Abrede erfolgte.<br />
Während im allgemeinen Auftragsrecht eine entsprechende Vereinbarung über ein<br />
Erfolgshonorar als zulässig betrachtet wird, bestehen 1200 im Bereich <strong>des</strong> (öffentlich-<br />
1192<br />
Pra 74 Nr. 179 E. 4.<br />
1193<br />
Es soll sich dabei gemäss Gmür, N 175, um die am häufigsten gewählte Vergütungsform<br />
handeln.<br />
1194<br />
Ein besonders deutliches Beispiel ist vielleicht ZR 89 Nr. 85 E. 5 (mit dem Hinweis auf<br />
zahlreiche Einzelfragen).<br />
1195<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.<br />
1196<br />
Ausführlich: Gmür, N 185ff.; Höchli, 81ff.; Schenker, 143ff. Gmür, N 187 und N 189,<br />
unterscheidet dabei zwei Formen <strong>des</strong> Erfolgshonorars: (1) Absolutes Erfolgshonorar: Der<br />
Bestand der Forderung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> hängt einzig davon ab, ob die Arbeitsleistung<br />
zum Erfolg geführt hat oder nicht. (2) Relatives Erfolgshonorar: <strong>Die</strong> Höhe der Forderung<br />
(der Bestand ist gegeben) hängt vom Grad der Erfolgserreichung ab.<br />
1197<br />
Eine solche Erfolgsgarantie setzt eine ausdrückliche Vereinbarung voraus, wodurch die<br />
Rechtslage gemäss Art. 398 OR weitgehend ersetzt wird: Derendinger, N 93.<br />
1198 Siehe dazu den Überblick über den Meinungsstand bei BK-Fellmann, Art. 394 N 104.<br />
1199<br />
BK-Fellmann, Art. 394 N 454.<br />
1200<br />
Auf die Berechtigung dieser Beschränkung der Privatautonomie soll nicht näher<br />
eingegangen werden: Siehe dazu die Übersicht bei Schenker, a.a.O., und Höchli, a.a.O.
- 251 -<br />
rechtlichen) 1201 Anwaltsrechtes Bedenken gegenüber dieser Form der Entschädigung.<br />
1202 Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass das Bun<strong>des</strong>gericht<br />
bereits vor geraumer Zeit in Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde im Bereich<br />
<strong>des</strong> Anwaltsrechtes entschieden hat, dass ein Erfolgshonorar als Vergütungsbestandteil<br />
nicht zu beanstanden ist. 1203 Aus anwaltsrechtlicher Sicht ist weiter auch der Entscheid<br />
der Zürcher Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte vom 7. 10. 1999 zu<br />
beachten 1204 : Darin wurde verdeutlicht, dass das Verbot <strong>des</strong> Erfolgshonorars 1205 auf<br />
den Bereich juristischer Tätigkeit eingeschränkt ist, „der durch eigentliche<br />
Anwaltstätigkeit in einem rechtlich geordneten Verfahren vor einer Behörde erzielt<br />
wird (Zivil- und <strong>St</strong>rafgericht, <strong>St</strong>rafuntersuchungs-, Vollstreckungs – oder<br />
1206 Verwaltungsbehörde).“ <strong>Die</strong>se Rechtsprechung hat auch unter dem<br />
Berufsregelregime von Art 12 lit. e BGFA Bestand. 1207<br />
3.7.3.3 Anspruch auf Auslagen- und Verwendungsersatz und Befreiung<br />
In der Folge wird die neben der eigentlichen Vergütungspflicht <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
nach Art. 394 Abs. 3 OR bestehende mandatsrechtliche Pflicht <strong>des</strong> Auftraggebers zum<br />
Auslagen- und Verwendungsersatz sowie zum Befreiungsanspruch gemäss Art. 402<br />
Abs. 1 OR dargestellt. 1208<br />
Für die ältere Literatur sei auf die Übersichten bei Wolffers, 165f. und Handbuch, 154f.,<br />
verwiesen.<br />
1201<br />
In der Literatur werden die Schranken nicht aus dem allgemeinen Mandatsrecht<br />
abgeleitet: Deutlich Wolfers, 166 (mit weiteren Hinweisen).<br />
1202<br />
Demgegenüber bildet die dadurch möglicherweise teilweise Wegbedingung der<br />
Ablieferungsobligation kein Hindernis für eine solche Vereinbarung: Hofstetter, 2000,<br />
119 inkl. FN 148.<br />
1203<br />
BGE 93 I 116ff., E. 5a (Der Prozessausgang darf auch – neben anderen<br />
Bemessungsfaktoren – Grundlage für die Vergütungsbestimmung sein); BGE 92 I 249ff.,<br />
E. 5b (Gebühren der Geschäftsagenten [Gläubigervertreter im Sinne von Art. 27 Abs. 1<br />
Ziff. 3 SchKG]).<br />
1204<br />
ZR 99 Nr. 13 E. III = SJZ 2000 65f.<br />
1205<br />
Und damit der Anwendungsbereich dieser Berufsregel, in casu § 10 AnwG/ZH.<br />
1206<br />
In casu wurde eine Berufsregelverletzung nach § 10 AnwG/ZH erkannt, weil das<br />
Testamentseröffnungsverfahren als ein solches Verfahren vor einer Behörde qualifiziert<br />
worden ist.<br />
1207<br />
Nater, 232 FN 13; Schenker, 144ff.; Valloni/<strong>St</strong>einegger, 47f. Zu den allgemeinen<br />
Schranken <strong>des</strong> Erfolgshonorars gemäss Art. 12 lit. e BGFA: Fellmann, Kommentar, Art.<br />
12 N 122ff. (mit weiteren Hinweisen).<br />
1208<br />
<strong>Die</strong> Schadenersatzpflicht nach Art. 402 Abs. 2 OR wird hier nicht weiter dargestellt. Der<br />
Schadenersatzanspruch folgt den allgemeinen Regeln einer vertraglicher Haftung:<br />
Ausführlich dazu BK-Fellmann, Art. 402 N 143ff.
- 252 -<br />
Hintergrund der Regelung <strong>des</strong> Anspruchs auf Auslagen- und Verwendungsersatz<br />
sowie <strong>des</strong> Anspruchs auf Befreiung ist die Idee, dass – in Entsprechung zur<br />
freundschaftlichen Basis <strong>des</strong> römischen mandatum 1209 – der Beauftragte auch keine<br />
Vermögensbeeinträchtigungen durch die Übernahme und Ausführung eines Mandates<br />
hinzunehmen habe. 1210 Insoweit wird der Charakter <strong>des</strong> Auftragsvertrages als<br />
Interessengegensatzvertrag betont, da zwischen dem Auftraggeber und dem<br />
Auftragnehmer keine Interessenvergemeinschaftung und damit keine<br />
Schicksalsgemeinschaft bestehen. 1211<br />
3.7.3.3.1 Auslagen- und Verwendungsersatzrecht<br />
3.7.3.3.1.1 Begriff<br />
Der Anspruch auf Auslagen- und Verwendungsersatz besteht neben dem eigentlichen<br />
Vergütungsanspruch. 1212 Es handelt sich bei den Auslagen und Verwendungen um<br />
Dispositionen resp. Abflüsse, die freiwillige Vermögensschmälerungen <strong>des</strong><br />
Auftraggebers betreffen. 1213 Es ist dabei begriffswesentlich, dass sich diese Vorgänge<br />
unmittelbar 1214 in der Vermögenssphäre 1215 <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> realisieren, sei es durch<br />
den Abgang von liquiden Mitteln (allgemein Auslagen genannt) oder sei es durch den<br />
Verbrauch resp. die spezifische übermässige Abnutzung von Sachen (allgemein<br />
Verwendungen genannt). Nachfolgend wird auch der Begriff „Aufwendung“ als<br />
Oberbegriff für die Auslage und Verwendung gebraucht. 1216<br />
1209 Siehe dazu Kapitel 2.1 und 3.3.2.<br />
1210<br />
BK-Fellmann, Art. 402 N 10, mit dem Hinweis, dass sich dadurch auch das<br />
schenkungsähnliche Vertragsverhältnis vom unentgeltlichen Auftrag unterscheidet.<br />
Ausführlich zum Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag: Schmid, Nr. 492 i.f.<br />
1211<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.2.<br />
1212<br />
Der Vorausverzicht auf den Aufwendungsanspruch führt dazu, dass schenkungsähnliche<br />
Aspekte in bzw. neben das Mandatsverhältnis treten: Bei einem (ursprünglichen)<br />
unentgeltlichen Auftrag wird das Vertragsverhältnis als ein „schenkungsähnlicher<br />
einseitiger Vertrag“ (Derendinger, N 42) gedeutet werden müssen. Bei einem<br />
entgeltlichen Vertrag wird die Vereinbarung so ausgelegt, dass der Aufwendungsanspruch<br />
im Vergütungsanspruch enthalten sein soll (sog. Totalpauschale): BK-Fellmann, Art. 402<br />
N 64 i.V.m. Art. 394 N 447.<br />
1213 An <strong>St</strong>elle vieler: Gmür, N 113.<br />
1214 Als Ersatzrecht werden unter diesem Titel nur tatsächliche Vermögensverminderungen<br />
ausgeglichen: BK-Gautschi, Art. 402 N 10b.<br />
1215<br />
BK-Fellmann, Art. 402 N 21.<br />
1216<br />
Zur Frage der Terminologie in der Lehre ausführlich: Gmür, N 113 FN 37. Das BGer<br />
verwendet den Terminus „Aufwendung“ bisweilen auch als Oberbegriff: BGE 78 II 51ff.,<br />
E. 4.
- 253 -<br />
Ein besonderes Problem bei der Unterscheidung zwischen Vergütung und<br />
Aufwendung ist die Beurteilung der sog. Generalunkosten. 1217 Es handelt sich dabei<br />
um Kosten, die bereits im Rahmen der Berechnung der Vergütung <strong>des</strong> Auftragnehmers<br />
abgegolten sind. 1218 Es besteht dabei latent eine gewisse „Umgehungsgefahr“, weil<br />
Auslagen oder Verwendungen separat geltend gemacht werden, die eigentlich<br />
Bestandteil <strong>des</strong> Vergütungsanspruches sind. 1219 Es ist aber aus der dispositiven Natur<br />
von Art. 402 Abs. 1 OR zu folgern, dass Generalunkosten vertraglich als Auslagen<br />
bezeichnet und behandelt werden können 1220 , wobei die Beweislast (Behauptungs- und<br />
v.a. die Substanziierungslast) nach allgemeinen Regeln grundsätzlich beim<br />
<strong>Beauftragten</strong> liegt. 1221<br />
3.7.3.3.1.2 Modalitäten<br />
Wie bereits festgehalten wurde, handelt es sich beim Aufwendungsersatz um einen<br />
Bereich, welcher zur Pflicht zur Rechnungsstellung gehört. 1222 Aus diesem Grunde<br />
gelten die entsprechenden Ausführungen zur Entstehung und Fälligkeit <strong>des</strong><br />
Vergütungsanspruchs analog. 1223<br />
Allerdings bestehen auch eine Anzahl Unterschiede zum Vergütungsanspruch, wie die<br />
nachfolgenden Ausführungen zeigen: Im Zusammenhang mit dem<br />
Rückbehaltungsrecht <strong>des</strong> Auftraggebers ist darauf hinzuweisen, dass entsprechende<br />
Austauschbeziehungen in der Regel nicht bestehen. So hat das Bun<strong>des</strong>gericht<br />
festgehalten: „Beim entgeltlichen Auftrag steht der Anspruch <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> auf<br />
Ersatz der Auslagen und Verwendungen und Befreiung von eingegangenen<br />
Verbindlichkeiten nicht ohne weiteres in einem Austauschverhältnis zu den<br />
Gegenständen, die er nach Art. 400 Abs. 1 OR dem Auftraggeber abzuliefern hat.“ 1224<br />
1217<br />
Ausführlich: Gmür, N 115 (allgemein) und 124ff. (betreffend Abfragekosten); BK-<br />
Fellmann, Art. 401 N 26ff.<br />
1218<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.<br />
1219<br />
BK-Fellmann, Art. 402 N 25 und N 28.<br />
1220<br />
BK-Fellmann, Art. 402 N 59 i.f.<br />
1221<br />
Siehe in diesem Zusammenhang z.B. auch Art. 6 Abs. 1 der Honoraransätze der Zürcher<br />
Rechtsanwälte: „[D]ie Kosten mandatsbezogener, nicht administrativer<br />
Computerdienstleistungen, insbesondere der Benutzung juristischer Datenbanken, dürfen<br />
in Rechnung gestellt werden.“ Positiv äussert sich dazu namentlich Höchli, 7.<br />
1222 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.1.2.<br />
1223<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.<br />
1224<br />
BGE 122 IV 322ff., E. 3b [„Gleiches hat zu gelten für das Verhältnis zwischen dem<br />
geschuldeten Honorar und der auftragsrechtlichen Herausgabepflicht, sofern diese nur<br />
eine Nebenleistungspflicht ist.“]. <strong>Die</strong>s in Bestätigung zu BGE 94 II 263ff., E. 3a. Siehe<br />
dazu auch den ausführlichen Aufsatz von Abegg, 862ff. Siehe demgegenüber auch BK-<br />
Fellmann, Art. 402 N 54.
- 254 -<br />
Wie der Vergütungsanspruch entsteht auch der Verwendungsanspruch mit dem<br />
Mandatskonsens und damit mit dem Vertragsschluss. Eine andere Frage ist, ob sich<br />
dieser Anspruch bei Schlechterfüllung etc. reduziert: Es kann notwendig werden, dass<br />
die einzelnen Aufwendungen auf bestimmte Teilbereiche <strong>des</strong> Mandates aufgeteilt<br />
werden müssen, woraus folgt, dass dieser Anspruch in seinem Bestand nicht von der<br />
richtigen Ausführung <strong>des</strong> Auftrages abhängt, wohl aber unter Umständen in seinem<br />
Umfang. 1225 Für den Auslagen- und Verwendungsanspruch ist wie bei der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung der Beauftragte beweispflichtig. Dabei scheint es in der Lehre<br />
keine Einigkeit zu geben, was im Detail unter diesem Titel das Beweisthema sein soll:<br />
Während Gmür 1226 und Gautschi 1227 der Ansicht sind, dass das Beweisthema die<br />
Auslagen und Verwendungen als solche darstellen, so geht Fellmann – obwohl von<br />
Gmür in seinem Sinne zitiert – weiter, indem „er [der Beauftragte] deren Höhe und<br />
1228 Notwendigkeit (...) darzutun und nötigenfalls zu beweisen hat.“ <strong>Die</strong>se<br />
Fragestellungen werden im Rahmen der Bestimmung <strong>des</strong> Inhalts der<br />
Abrechnungspflicht zu beantworten sein. 1229<br />
3.7.3.3.2 Befreiungsanspruch<br />
„Eine Verbindlichkeit im Sinne von Art. 402 Abs. 1 OR liegt vor, wenn der<br />
Beauftragte im Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers, aber in eigenem Namen gegenüber einem<br />
Dritten eine Schuldverpflichtung eingeht.“ 1230<br />
Der Befreiungsanspruch wandelt sich in einen Aufwendungsersatzanspruch, wenn der<br />
1231 Befreiungsanspruch erlischt. Insbesondere aus diesem Grund gelten die<br />
Anmerkungen zum Aufwendungsersatzrecht auch für den Befreiungsanspruch. 1232<br />
Nachfolgend wird aus diesem Grund der spezifische Befreiungsanspruch nicht mehr<br />
gesondert behandelt.<br />
1225 Dazu ausführlich: BK-Fellmann, Art. 402 N 36, 38 und 75ff.<br />
1226 Gmür, N 114.<br />
1227<br />
BK-Gautschi, Art. 402 N 12c. <strong>Die</strong> Belegstelle bei diesem Autor macht besonders deutlich,<br />
dass „nur“ die Aufwendung und die Tatsächlichkeit derselben vom Auftraggeber zu<br />
beweisen ist.<br />
1228<br />
BK-Fellmann, Art. 402 N 50 (Hervorhebung nur hier).<br />
1229<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.6 und 3.7.3.4.7.<br />
1230<br />
An <strong>St</strong>elle vieler: BK-Fellmann, Art. 402 N 88.<br />
1231<br />
Gmür, N 140f.; BK-Fellmann, Art. 402 N 91 und N 112.<br />
1232 Gmür, N 136.
- 255 -<br />
3.7.3.4 Abrechnungspflicht: Pflicht zur Rechnungslegung und zur<br />
Rechnungsstellung<br />
3.7.3.4.1 Vorbemerkungen<br />
Nachdem in den vorangehenden Abschnitten die Grundlagen zum<br />
Vergütungsanspruch und Verwendungsersatzanspruch dargelegt wurden, soll in den<br />
folgenden Abschnitten die Abrechnungspflicht 1233 ausführlich dargestellt werden.<br />
Dabei werden folgende zentrale Aspekte der Abrechnungspflicht untersucht: Bestand<br />
der Abrechnungspflicht, Form der Abrechnung, Zweck der Abrechnungspflicht und<br />
Inhalt der Abrechnungspflicht. In zwei weiteren Abschnitten werden der Inhalt beim<br />
Auslagen- und Verwendungsersatz sowie die spezifische Belegungs- und<br />
Aufzeichnungspflicht<br />
dargestellt.<br />
<strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> im Rahmen der Abrechnungspflicht<br />
3.7.3.4.2 Bestand der Abrechnungspflicht<br />
3.7.3.4.2.1 Genereller Anwendungsbereich<br />
Grundsätzlich ist die Pflicht zur Rechnungslegung in all jenen Situationen<br />
anzuerkennen, in denen der Grundsatz der Fremdnützigkeit als Ausfluss <strong>des</strong><br />
allgemeinen Interessenwahrnehmungsgrundsatzes zur Anwendung kommt. 1234<br />
<strong>Die</strong> eigentliche Pflicht zur Rechnungsstellung besteht demgegenüber in jenen Fällen,<br />
1235 in denen ein entgeltliches Mandat vorliegt und der Beauftragte den<br />
Vergütungsanspruch gegen seinen Auftraggeber durchsetzen will. Bevor der<br />
Beauftragte nicht eine den Anforderungen entsprechende Rechnung gestellt hat, ist die<br />
Durchsetzung <strong>des</strong> Anspruches nicht möglich. 1236 Wo nachfolgend von der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung gesprochen wird, wird dieser Anspruch auf Aufwendungsersatz<br />
mitumfasst, sofern nichts anderes angeführt wird. 1237<br />
1233 Zum Begriff: Siehe dazu Kapitel 3.7.3.1.2.<br />
1234 Siehe dazu insbesondere Kapitel 3.3.<br />
1235 Siehe dazu Kapitel 1.3.2.2.<br />
1236 Siehe dazu die Ausführungen zur Vorleistungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> in Kapitel<br />
3.7.3.2.3.<br />
1237 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.1.2.
- 256 -<br />
3.7.3.4.2.2 Pflicht zur spontanen Endabrechnung<br />
Nach dem Wortlaut von Art. 400 Abs. 1 OR hat der Beauftragte der<br />
Abrechnungspflicht grundsätzlich nur „auf Verlangen“ nachzukommen. 1238 Es ist<br />
jedoch in diesem Zusammenhang einmal zu beachten, dass die entsprechende<br />
Aufforderung auch implizit erfolgen kann: So wurde in der Rechtsprechung<br />
festgehalten, dass in der ersten Aufforderung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, den Fall<br />
abzuschliessen, auch die Aufforderung enthalten ist, der Abrechnungspflicht<br />
nachzukommen. 1239<br />
Im Gegensatz zum klaren Wortlaut ist für den Gegenstand der Rechnungslegung<br />
weiter anerkannt, dass unmittelbar nach Beendigung <strong>des</strong> Mandates eine spontane<br />
Endabrechnungspflicht besteht (d.h. auch ohne Begehren 1240 ). 1241 Für diese<br />
Spontanpflicht können folgende Gründe angeführt werden: „<strong>Die</strong>se Pflicht vom<br />
Begehren <strong>des</strong> Klienten abhängig zu machen, ist im Gesetze nicht begründet und wäre,<br />
angesichts der in der Regel abhängigen <strong>St</strong>ellung <strong>des</strong> Klienten, unangemessen.“ 1242 <strong>Die</strong><br />
spontane Informationspflicht rechtfertigt sich <strong>des</strong>halb, weil Vermögensinteressen <strong>des</strong><br />
Auftraggebers unmittelbar betroffen sind und die Rechtslage klar ist (es handelt sich<br />
um eine klar definierte Berichtspflicht). 1243 <strong>Die</strong> Bereinigung der Vermögenssphäre<br />
beschlägt sowohl den Bereich der Rechnungslegungspflicht als auch den Bereich der<br />
Rechnungsstellungspflicht, weil der Auftraggeber ein Interesse hat, dass eine schnelle<br />
Bereinigung <strong>des</strong> gesamten Verhältnisses erfolgt. 1244 Vor diesem Hintergrund kann<br />
festgehalten werden, dass eine allgemeine spontane Endabrechnungspflicht<br />
anzuerkennen ist. <strong>Die</strong>s rechtfertigt sich dadurch, dass mit der Beendigung <strong>des</strong> Auftrags<br />
das organisatorisch-arbeitsteilige Rechtsverhältnis in ein allgemeines<br />
1238<br />
Auch wenn etwa über den <strong>St</strong>reitwert noch keine Einigung herrscht (AKE 980067 vom<br />
3.12.1998).<br />
1239<br />
ZR 89 Nr. 52 E. a) aa).<br />
1240<br />
ZR 89 Nr. 52 E. a) aa).<br />
1241<br />
Hofstetter, 2000, 118; BK-Fellmann, Art. 400 N 67; BasK-Weber, Art. 400 N 20. Aus der<br />
Rechtsprechung: ZR 83 Nr. 53 E. IV. 5d (Es handelt sich dabei um den vorinstanzlichen<br />
Entscheid zu BGE 110 II 181ff.).<br />
1242<br />
Anwaltsrechtlich wurde die Spontanpflicht vom KGer SG in dieser Weise bereits 1911<br />
begründet: Zürcher, 218.<br />
1243<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 67, nimmt eine Spontanpflicht an, weil „die<br />
Vermögensinteressen <strong>des</strong> Auftraggebers unmittelbar berührt sind.“<br />
1244<br />
So deutlich für das Anwaltsrecht: Höchli, 118: „Weil die Rechnung die Eintreibung der<br />
Honorarforderung bezweckt, soll der Anwalt (...) unaufgefordert (...) Rechnung stellen.“
- 257 -<br />
1245 Liquidationsverhältnis übergeführt wird. Für die Frage <strong>des</strong> Inhalts der<br />
Spontanpflicht kann auf die späteren Ausführungen verwiesen werden. 1246<br />
In zeitlicher Hinsicht kann, die spontane Endabrechnungspflicht betreffend, nur<br />
angeführt werden, dass sie sich grundsätzlich bei Beendigung <strong>des</strong> Auftrages<br />
aktualisiert. Eine genaue Frist lässt sich demgegenüber nicht festmachen, wie auch die<br />
umfangreiche Rechtsprechung zum Anwaltsrecht zeigt. 1247 <strong>Die</strong>se Sichtweise wird<br />
weiter durch die gerichtliche Praxis untermauert, welche zum zeitlichen Aspekt der<br />
Erfüllung der Abrechnungspflicht ausgeführt hat, dass den Anwalt eine<br />
Benachrichtigungspflicht bei Verzögerung der Rechnungsstellung trifft. 1248 Aufgrund<br />
der gemachten Ausführungen kann diese Aussage für das gesamte Auftragsrecht<br />
verallgemeinert werden. Letzten En<strong>des</strong> ist aber in diesem Zusammenhang lediglich auf<br />
die Vorleistungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> 1249 und auf die Klagemöglichkeiten <strong>des</strong><br />
Auftraggebers hinzuweisen, da es sich bei der Informationspflicht „Rechenschaft“ um<br />
eine Nebenleistungspflicht handelt. 1250<br />
3.7.3.4.2.3 Pflicht zur Zwischenabrechnung auf Verlangen<br />
Durch allgemeine Abrede zwischen den Parteien besteht die Möglichkeit zu<br />
vereinbaren, dass in bestimmten Intervallen eine Abrechnung zu erfolgen hat.<br />
Aufgrund <strong>des</strong> klaren Wortlautes von Art. 400 Abs. 1 OR ist aber nicht ohne Weiteres<br />
der Meinung zu folgen, dass auch bereits eine Üblichkeit (Usanz) eine entsprechende<br />
Pflicht begründen kann. 1251<br />
Weiter stellt sich die Frage, ob allgemein eine Pflicht zur Zwischenabrechnung auf<br />
Verlangen anzuerkennen ist und wie eine allfällige Pflicht zur Zwischenabrechnung<br />
ausgestaltet ist. Ausgangspunkt in diesem Zusammenhang bildet ein Entscheid der<br />
1245<br />
Das Rechtsverhältnis ist nach der Beendigung allgemein auf die Sphärenbereinigung<br />
zwischen den Parteien ausgerichtet. Für den Fall <strong>des</strong> Widerrufs: Siehe dazu Kapitel 3.6.<br />
1246<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.<br />
1247<br />
Siehe dazu eine Übersicht bei Testa, 205ff. Zu ergänzen wäre in diesem Zusammenhang,<br />
dass eine anwaltsrechtliche Pflichtwidrigkeit vorliegt, wenn über mehrere Jahre nicht<br />
Rechnung gestellt wird: Entscheid der AK SG vom 26.11.2003 (AW.2003.5-AWK),<br />
wiedergegeben in Fellmann, Kommentar, Art. 12 N 171 FN 605<br />
1248<br />
ZR 89 Nr. 52 E. a/aa (mit Hinweisen auf die frühere Rechtsprechung). Aus der Lehre:<br />
Gmür, N 422. <strong>Die</strong> ältere kantonale Rechtsprechung und Lehre schien bald einmal bereit<br />
gewesen zu sein, eine verzögerte Rechnungsstellung disziplinarrechtlich zu sanktionieren:<br />
Fidek, 65 (mit zahlreichen Hinweisen auf die ältere Praxis).<br />
1249<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.3.<br />
1250<br />
Siehe dazu Kapitel 1.3.4. Zur klageweisen Durchsetzung <strong>des</strong> Anspruchs: BK-Fellmann,<br />
Art. 400 N 88ff.<br />
1251<br />
So aber BK-Fellmann, Art. 400 N 64. Eingeschränkt auf den Bereich <strong>des</strong> Bankverkehrs:<br />
Druey, Informationspflichten, 32.
- 258 -<br />
Zürcher Aufsichtskommission 1252 , in welchem einzig, gestützt auf § 12 AnwG, auch<br />
ohne besondere vertragliche Vereinbarung auf Verlangen <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
ausdrücklich die Pflicht zur Vorlegung einer Zwischenabrechnung während laufendem<br />
Mandat anerkannt wurde. Dabei ist festzuhalten, dass es sich bei einer<br />
Zwischenabrechnung nicht um eine Endabrechnung handelt, weshalb die<br />
Anforderungen an die diesbezügliche Abrechnung grundsätzlich nicht derjenigen einer<br />
Endabrechnung zu entsprechen haben. Allerdings wurde dem Auftraggeber im<br />
entsprechenden Entscheid auf (weiteres) Verlangen sogar der Anspruch auf eine<br />
spezifizierte Zwischenabrechnung zugestanden. 1253 In diesen Fällen ist grundsätzlich<br />
davon auszugehen, dass bei entsprechendem zusätzlichen Begehren die<br />
Anforderungen an die Endabrechnung zu beachten sind. 1254 Immerhin gilt dieser<br />
Massstab für eine Zwischenabrechnung nur bei „doppeltem“ (und ausdrücklichem)<br />
Verlangen, weshalb der gewöhnlichen Zwischenabrechnung eine gewisse Unschärfe<br />
zuzugestehen ist. Der Auftragnehmer kann eine Abrechnung also in dieser Hinsicht<br />
besonders kennzeichnen. Es muss eine gewisse Ungenauigkeit in der Weise akzeptiert<br />
werden, als ein Nachforderungsrecht aufgrund einer Schlussabrechnung nicht<br />
ausgeschlossen ist.<br />
In einem späteren Entscheid <strong>des</strong> Zürcher Obergerichtes 1255 wurde eine entsprechende<br />
Pflicht zur Zwischenabrechnung im Falle eines Willensvollstreckers sowohl aus<br />
Anwaltsrecht 1256 als auch aus allgemeinem Schuldrecht (Art. 400 Abs. 1 OR) 1257<br />
abgeleitet. Dabei hat das Gericht nicht (nur) mit dem Wortlaut der entsprechenden<br />
Normen argumentiert, sondern auch die tatsächliche praktische Situation in den<br />
Vordergrund gerückt, dass „das Mandat weitläufig und (...) lange andauernd sein<br />
dürfte (...) und damit die dereinstige Aufwandkontrolle über die Gebühr erschwert<br />
wäre, wenn eine detaillierte Rechnung erst nach Mandatsabschluss vorgelegt würde.“<br />
1258 In den entsprechenden Erwägungen wird das Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers an der<br />
Aufwandkontrolle als Grundlage der Pflicht zur Zwischenabrechnung erwähnt. <strong>Die</strong>s<br />
kann auch während der Auftragsausführung und grundsätzlich in allen<br />
1252<br />
AKE 91206 vom 7. 11. 1991.<br />
1253<br />
AKE 91206 vom 7. 11. 1991.<br />
1254<br />
Siehe dazu ausführlich Kapitel 3.7.3.4.5.<br />
1255<br />
ZR 94 Nr. 64 E. 3b und 3d.<br />
1256<br />
Der Willensvollstrecker war auch Anwalt: ZR 94 Nr. 64 E. 3b.<br />
1257<br />
Allgemeine Anwendbarkeit <strong>des</strong> Auftragsrechtes und von Art. 400 Abs. 1 OR im<br />
Speziellen auf das Willensvollstreckermandat: ZR 94 Nr. 64 E. 3b.<br />
1258 ZR 94 Nr. 64 E. 3b (letzter Absatz; Hervorhebung nur hier).
- 259 -<br />
Mandatsverträgen – und damit nicht nur im Anwaltsvertrag – vorliegen. Gestützt auf<br />
diese Rechtsprechung, ist <strong>des</strong>halb anzuerkennen, dass das Recht auf (spezifizierte)<br />
Zwischenabrechnung auf Verlangen im Bereich der Abrechnungspflicht bei allen<br />
Mandatsverhältnissen existiert.<br />
Deutlich wird aus den Erwägungen <strong>des</strong> Entschei<strong>des</strong> auch, dass nur ein spezifisches<br />
Kontrollinteresse <strong>des</strong> Auftraggebers bedient wird: Das Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers an<br />
der Aufwandkontrolle. <strong>Die</strong> Abrechnung soll ihm – der teilweisen Auftragsausführung<br />
nachgelagert – das Instrument zu einer beschränkten Kontrolle bieten. Dadurch wird<br />
dem Auftraggeber kein generelles, sondern nur ein beschränktes Kontrollrecht<br />
zugestanden 1259 , soweit ganz spezifische Vermögensinteressen <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
betroffen sind. Damit ist das spezifische Vermögensinteresse, grundsätzlich bloss eine<br />
„angemessene Vergütung zu bezahlen“, im Fokus der entsprechenden<br />
Informationspflicht. Demgegenüber ist das allgemeine Vermögensinteresse <strong>des</strong><br />
Auftraggebers gerade nicht umfasst, weshalb etwa die mögliche Geltendmachung von<br />
allfälligen Schadenersatzansprüchen nicht Zweck der entsprechenden<br />
Informationspflicht ist.<br />
Zu beachten ist, dass das Motiv unbeachtlich ist, aus welchem der Auftraggeber eine<br />
Zwischenabrechnung verlangt. Der Auftraggeber muss also kein spezifisches Interesse<br />
nachweisen. Es obliegt allein im Belieben <strong>des</strong> Mandanten, wann und warum er eine<br />
entsprechende Zwischenabrechnung verlangen will. 1260 Der entsprechende Entscheid<br />
stellt weiter auch klar, dass es im freien Ermessen <strong>des</strong> Auftraggebers ist zu bestimmen,<br />
welche Rechnungsposten allenfalls spezifiziert resp. belegt werden sollen. 1261<br />
3.7.3.4.2.4 Pflicht zur spontanen Zwischenabrechnung<br />
Nachdem in den vorangehenden Abschnitten die Pflicht zur Zwischenabrechnung auf<br />
Verlangen dargestellt worden ist, soll nachfolgend untersucht werden, ob eine<br />
entsprechende Pflicht zur spontanen Zwischenabrechnung anzuerkennen ist. In der<br />
deutschen Rechtsprechung ist diesbezüglich höchstrichterlich anerkannt, dass bei<br />
andauernder Verwaltung unter gewissen Umständen eine periodische (spontane)<br />
1259<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5, insbesondere Kapitel 3.5.3 zum Einzelarbeitsvertrag, wo ein<br />
Kontrollrecht im Auftragsvertrag aus strukturellen Überlegungen verneint wurde.<br />
1260<br />
Gemäss dem Entscheid AKE 90029 ergibt sich dies bereits aus dem Umkehrschluss von<br />
ZR 55 Nr. 174. Selbstredend steht auch dieses Recht unter dem Vorbehalt <strong>des</strong><br />
Rechtsmissbrauchsverbots, wobei aus der Rechtsprechung zu entnehmen ist, dass der<br />
Rechtsmissbrauch nicht leichtfertig anzunehmen ist.<br />
1261 Dazu auch ZR 83 Nr. 59 E. IV. 5d [S. 151, rechte Spalte].
- 260 -<br />
Pflicht zur Rechnungsstellung bestehen kann. 1262 Dabei liegt die eigentliche<br />
Begründung für eine periodische Rechnungsstellungspflicht in der andauernden<br />
vertraglichen Beziehung.<br />
In der Schweiz ist in dieser Hinsicht zwischen der Pflicht zur Rechnungslegung und<br />
der Pflicht zur Rechnungsstellung zu unterscheiden: Im Rahmen der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung ist aus den bereits angeführten Gründen ein enger Zusammenhang<br />
mit der Ablieferungsobligation gegeben. <strong>Die</strong> Verpflichtungen aus der<br />
Ablieferungsobligation sind denn auch von entscheidendem Einfluss auf die<br />
entsprechende Informationspflicht. So bestimmt die Ablieferungsobligation<br />
Folgen<strong>des</strong>: Was der Beauftragte bei der Auftragsausführung erlangt 1263 , ist, „soweit<br />
nichts anderes vorgesehen ist, sofort nach Erwerb herauszugeben.“ 1264 Daraus ergibt<br />
sich grundsätzlich eine Spontanpflicht zur Rechnungslegung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, da auch<br />
die rechtshistorische Untersuchung zeigt, dass sich „die Wendung ‚auf Verlangen’ nur<br />
auf die Pflicht zur Rechenschaftsablegung und nicht auf die Ablieferungspflicht<br />
bezieht.“ 1265 Entsprechend wäre insbesondere bei jeder Einnahme eine entsprechende<br />
Rechnung fällig. In diesem Zusammenhang kann jedoch – wie bei der Pflicht zur<br />
spontanen Endabrechnung 1266 – keine generelle Rechnungslegungsperiode festgestellt<br />
werden, wobei sich hier die Verzinsungspflicht als „Korrekturinstrument“ anbietet.<br />
<strong>Die</strong> Verzinsungspflicht beginnt dabei ohne Mahnung, wobei generell im<br />
Zusammenhang mit der Ablieferungsobligation zu beachten ist, dass immer der<br />
gesamte Vermögensvorteil aus einer Mandatsführung dem Auftraggeber zukommen<br />
soll. 1267 Aus diesem Grund sind die allgemeinen Grundsätze der Verzinsung (Art. 400<br />
Abs. 2 OR i.V.m. Art. 104 OR) als „Min<strong>des</strong>tmassstab“ zu betrachten , 1268 da ohnehin<br />
jeglicher Vorteil herauszugeben ist.<br />
Differenzierter präsentiert sich die Rechtslage in der Schweiz betreffend die Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung: Grundsätzlich wird die Informationspflicht „Rechenschaft“ als<br />
1262<br />
BGH in WM 1984 1164ff. (betreffend einer dauernden Beauftragung eines<br />
Inkassounternehmens).<br />
1263<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.3.3.<br />
1264<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 160 (Hervorhebung nur hier); BK-Weber, Art. 75 N 95.<br />
1265<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 158 i.V.m. N 6 (mit weiteren Hinweisen). Wie die<br />
rechtshistorische Untersuchung gezeigt hat, wurde bereits unter dem PGB eine solche<br />
spontane Pflicht im Rahmen der Rechnungslegung anerkannt: Siehe dazu Kapitel 2.8.1.6<br />
und 2.7.<br />
1266<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.2.2.<br />
1267<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3.2 und 3.3.3.<br />
1268<br />
Siehe dazu BK-Fellmann, Art. 400 N 167.
- 261 -<br />
eine Pflicht auf Verlangen qualifiziert. 1269 In der Rechtsprechung finden sich jedoch<br />
auch Ansätze einer spontanen Pflicht zur Zwischenabrechnung. So wurde etwa in<br />
einem etwas älteren Zürcher Entscheid im Falle eines Erbschaftsverwalters (Art. 554<br />
ZGB) aus Art. 400 OR abgeleitet, dass der „Erbschaftsverwalter (...) während seiner<br />
Verwaltungstätigkeit mit den bereits bekannten Erben Kontakt aufnehmen, sie – nebst<br />
den jährlichen Berichten – auch laufend (...) informieren (...) [solle].“ 1270 In<br />
rechtssystematischer Hinsicht deckt sich die Postulierung einer Spontanpflicht,<br />
gestützt auf Art. 400 OR, auch mit der älteren Lehre zum Recht <strong>des</strong> Handelsreisenden,<br />
soweit diese gewisse Pflichten aus Art. 400 OR abgeleitet hat: <strong>Die</strong>s ergibt sich daraus,<br />
dass eine Informationspflicht „sofort nach Ausführung eines jeden Geschäftes 1271 oder<br />
periodisch je nach den Gepflogenheiten der Firma <strong>des</strong> Geschäftsherrn“ 1272 anerkannt<br />
1273 wurde. Ebenfalls in rechtssystematischer Hinsicht ist hier auf jene<br />
Rechtsverhältnisse hinzuweisen, in denen (allenfalls aufgrund von spezifischeren<br />
Normen) eine eigentliche „Aufklärungspflicht“ bezüglich <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs<br />
und der Vorschusspflicht anerkannt ist (was bspw. auf den Anwaltsvertrag zutrifft) 1274 :<br />
<strong>Die</strong> entsprechende Aufklärungspflicht über die Grundsätze der Rechnungsstellung<br />
umfasst grundsätzlich Informationen über „Vorschüsse, den Zeitpunkt der<br />
Rechnungsstellung, die Art <strong>des</strong> Honorars sowie allfällige Zahlungsfristen.“ 1275 <strong>Die</strong><br />
entsprechende Aufklärungspflicht über die Grundsätze der Rechnungsstellung trifft<br />
den Anwalt selbstredend bereits vor Vertragsabschluss 1276 , wobei, gestützt auf Art. 12<br />
lit. i BGFA und nicht gestützt auf Art. 400 OR 1277 , auch eine spontane 1278 und<br />
periodische Aufklärungspflicht über die Höhe <strong>des</strong> geschuldeten Honorars mitumfasst<br />
1269<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 66 (mit weiteren Hinweisen).<br />
1270<br />
OGer ZH in SJZ 1983 110 E. 2 [S. 112, linke Spalte, oben].<br />
1271<br />
<strong>Die</strong>s entspricht der Pflicht zur sofortigen „Ausführungsanzeige“.<br />
1272<br />
So deutlich Kornmeier, 41.<br />
1273<br />
Für die Schweiz sei im Besonderen darauf hingewiesen, dass das Institut der<br />
Ausführungsanzeige in der Lehre v.a. im Zusammenhang mit dem Bankvertragsrecht<br />
erläutert wird, wobei festgestellt wird, dass diese Pflicht die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nach<br />
Art. 400 OR nicht erfüllen könne, da zusätzlich eine eigentliche Abrechnungspflicht<br />
gefordert wird: Rüegg, 123f.<br />
1274<br />
Für den Anwaltsvertrag Testa, 232ff.<br />
1275<br />
Fellmann, Kommentar, Art. 12 N 157. Valloni/<strong>St</strong>einegger, 48: „Bei einem Honorar nach<br />
<strong>St</strong>undenaufwand dürfte wohl auch die Angabe <strong>des</strong> <strong>St</strong>undenansatzes dazuzuzählen sein.“<br />
1276<br />
Zum genauen Zeitpunkt: Testa, 233.<br />
1277<br />
Valloni/<strong>St</strong>einegger, 49.<br />
1278<br />
Testa, 234 inkl. FN 1424, stellt sich demgegenüber auf den <strong>St</strong>andpunkt, dass die<br />
entsprechende Information nur auf Verlangen geschuldet sei. Betreffend den<br />
Anforderungen aus einer Vorschussleistung: Testa, 237 (unter Hinweis auf das Handbuch,<br />
216).
- 262 -<br />
ist. 1279 Nicht aus dem Wortlaut oder den Materialien zum BGFA ergibt sich jedoch, in<br />
welchen Intervallen eine entsprechende spontane Aufklärungspflicht zu erfüllen ist. In<br />
der Lehre bestehen hierzu unterschiedliche Ansichten, wobei sich das Intervall nur<br />
aufgrund der konkreten Sachverhaltselemente in jedem Einzelfall bestimmen lasse.<br />
<strong>Die</strong> Rede ist etwa von einer vierteljährlichen oder jährlichen spontanen<br />
Abrechnungspflicht. 1280 Zu ergänzen ist in diesem Kontext, dass eine anwaltsrechtliche<br />
Pflichtwidrigkeit vorliegt, wenn über mehrere Jahre keine Rechnung gestellt wird. 1281<br />
Aus den vorangegangenen Erwägungen ergibt sich, dass eine Pflicht zur spontanen<br />
Zwischenabrechnung, nur gestützt auf spezialgesetzliche Rechtsgrundlagen, anerkannt<br />
ist. Demgegenüber kann eine entsprechende Pflicht zur spontanen<br />
Zwischenabrechnung im Sinne der Pflicht zur Rechnungsstellung, also nicht gestützt<br />
auf das allgemeine Auftragsrecht, abgeleitet werden.<br />
3.7.3.4.2.5 Verjährung, Rechtsmissbrauch und Kosten<br />
<strong>Die</strong> Ansprüche aus Art. 400 OR verjähren zehn Jahre nach Beendigung <strong>des</strong><br />
Auftragsvertrages. 1282 Vor diesem Hintergrund ist – die Aufforderung zur<br />
Spezifizierung betreffend – nicht a priori einzusehen, weshalb es bis zu diesem<br />
Zeitpunkt ein Fall von Rechtsmissbrauch sein soll, wenn entweder der Anspruch<br />
jahrelang nicht erhoben wurde oder eine Prüfung der summarischen Erfüllung der<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> erst nach langer Zeit erfolgt. 1283 Aus diesem Grund sollte der<br />
Rechtsmissbrauch nur sehr zurückhaltend angenommen werden. 1284 Allerdings wurde<br />
in der Rechtsprechung etwa ausgeführt, dass ein Begehren auf Spezifizierung der<br />
Rechnung nach drei Jahren gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst. Im<br />
entsprechenden Entscheid dringt aber die Meinung durch, dass anschliessend an diese<br />
1279 <strong>Die</strong>se Pflicht kannten vor in Kraft treten <strong>des</strong> BGFA verschiedene kantonale<br />
Anwaltsgesetze: Vgl. BBl 1999 VI 6058.<br />
1280 Fellmann, Kommentar, Art. 12 N 171 (mit weiteren Hinweisen).<br />
1281 Entscheid der AK SG vom 26.11.2003 (AW.2003.5-AWK), wiedergegeben in Fellmann,<br />
Kommentar, Art. 12 N 171 FN 605.<br />
1282<br />
Art. 127 OR. OGer ZH in ZR 80 Nr. 24 E. 1 und die hL (Nachweise bei BK-Fellmann,<br />
Art. 400 N 99 [mit weiteren Hinweisen]).<br />
1283<br />
Vgl. hierzu das KassGer ZH in SJZ 1955 189f., 190 (rechte Spalte) für Art. 400 OR (in<br />
casu stand die Pflicht eines Verwaltungsrates in Rede, wobei Art. 400 OR als anwendbar<br />
erklärt worden ist).<br />
1284<br />
Siehe dazu auch die Bemerkungen bei BK-Fellmann, Art. 400 N 83 i.f. (mit Hinweisen<br />
auf die deutsche Kommentarliteratur).
- 263 -<br />
selbst gewählte und verschuldete Verspätung die weiteren Rechtsansprüche<br />
(Schadenersatz) wohl am Rechtsmissbrauchsverbot scheitern könnten. 1285<br />
Der Beauftragte hat seine Arbeit zu dokumentieren. 1286 <strong>Die</strong> entsprechende<br />
schuldrechtliche Dokumentationspflicht dient dabei auch als Grundlage für die<br />
Abrechnungspflicht 1287 , weshalb der Beauftragte seine Arbeit auch in dieser Hinsicht<br />
zu organisieren und dokumentieren hat. Der Beauftragte hat eine entsprechende<br />
Buchführung sicher zu stellen. 1288 Gestützt auf diese Grundlagen wird deutlich, dass<br />
die Kosten der Abrechnungspflicht grundsätzlich zulasten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> gehen, was<br />
1289 sowohl für die pauschale Abrechnungspflicht als auch die detaillierte<br />
Abrechnungspflicht 1290 zutrifft. 1291 Nach der Rechtsprechung 1292 ist der Bestand einer<br />
entsprechenden Pflicht auch dann zu bejahen, wenn der Auftraggeber die<br />
Informationen bereits besitzt, weshalb die Pflicht unter Umständen wiederholt zu<br />
erfüllen ist. 1293 In diesem Fall gehen die Kosten jedoch zulasten <strong>des</strong> Auftraggebers.<br />
3.7.3.4.3 Form der Abrechnung<br />
<strong>Die</strong> Abrechnungspflicht hat letzten En<strong>des</strong> die Erstellung einer Urkunde zum Zweck<br />
und hat <strong>des</strong>halb in schriftlicher Form zu erfolgen. 1294 Fraglich ist, inwieweit die<br />
entsprechende Pflicht auch mündlich erfüllt werden kann. In dieser Frage ist zwischen<br />
(1) der Pflicht zur Rechnungslegung und (2) der Pflicht zur Rechnungsstellung zu<br />
unterscheiden:<br />
(1) Aufgrund der Eigenart der Pflicht zur Rechnungslegung hat diese stets in<br />
schriftlicher Form zu erfolgen, da sich die Ergebnisse (insbesondere die Saldoziehung)<br />
1285<br />
RJV 1989 327 E. 3f/cc. Damit findet aber eine Vermischung von verschiedenen<br />
Ansprüchen statt.<br />
1286<br />
Siehe dazu ausführlich Kapitel 3.2.<br />
1287<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.3.<br />
1288<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.7.4.<br />
1289<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.1.<br />
1290<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.<br />
1291<br />
Hofstetter, 2000, 118. Für das Anwaltsrecht besonders deutlich: Testa, 201f. (unter<br />
Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung).<br />
1292<br />
BGer in ZR 80 Nr. 24 E. 1.<br />
1293<br />
BGer in ZR 80 Nr. 24 E. 1. Nach Ansicht <strong>des</strong> BGer rechtfertigt sich diese Rechtslage v.a.<br />
dann, wenn der Auftraggeber dem <strong>Beauftragten</strong> „umfassende und langfristige Befugnisse<br />
einräumt“. (Für den Bankvertrag hatte sich das BGer auf Bodmer/Kleiner/Lutz,<br />
Kommentar zum Bankengesetz, Zürich 1976, Art. 47 N 8, abgestützt). Grundsätzlich<br />
verneinend: BK-Fellmann, Art. 400 N 85 (mit Hinweis auf die deutsche Literatur).<br />
1294<br />
So auch das BGer in BGE 110 II 181ff., E. 2 (gestützt auf Hofstetter, 1979, 92). Ferner<br />
auch: BasK-Weber, Art. 400 N 7.
- 264 -<br />
nur auf diese Weise darstellen lassen. Selbstredend ist dies der Fall, wenn<br />
umfangreichere Transaktionen zu belegen sind.<br />
(2) Demgegenüber ist im Bereich der Pflicht zur Rechnungsstellung zu differenzieren:<br />
Weil der Zweck der Abrechnung die Erstellung einer Urkunde ist, hat auch die erste<br />
Rechnungsstellung schriftlich zu erfolgen. Es bedarf in dieser Hinsicht nicht einer<br />
speziellen Aufforderung oder Anweisung seitens <strong>des</strong> Auftraggebers. Damit erscheint<br />
in diesem Bereich eine mündliche Rechnungsablegung zum Vornherein als rechtlich<br />
ungenügend. 1295 Damit wird der Grundsatz der Schriftlichkeit etwa dann nicht erfüllt,<br />
wenn ein Beauftragter „in seinem Büro anhand der Akten [mündlich] Rechnung<br />
ablegt.“ 1296 Demgegenüber kann eine Spezifizierung der Pflicht zur Rechnungsstellung<br />
auch in mündlicher Form erfolgen, solange der Auftraggeber keine spezielle<br />
Anweisung für eine schriftliche Spezifizierung erteilt. Fordert der Auftraggeber eine<br />
schriftliche Spezifizierung, so muss ein Auftragnehmer die entsprechenden Details in<br />
schriftlicher Form nachreichen, auch wenn diese Informationen teilweise oder<br />
vollständig zuvor dem Auftraggeber mündlich dargelegt wurden. In diesem Sinne<br />
besteht die Abrechnungspflicht solange – und ist erst dann vollständig erfüllt –, bis<br />
eine in schriftlicher Form, den zeitlichen und inhaltlichen Erfordernissen<br />
(Spezifikationspflicht) genügende Abrechnung dem Auftraggeber übergeben 1297<br />
worden ist.<br />
3.7.3.4.4 Zweck der Abrechnungspflicht und speziell der Zweck der Rechnung<br />
3.7.3.4.4.1 Vorbemerkungen<br />
Wie bereits ausgeführt wurde, besteht die Abrechnungspflicht aus der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung und aus der Pflicht zur Rechnungsstellung. 1298<br />
Der Zweck der Pflicht zur Rechnungslegung besteht darin, dass die<br />
Ablieferungsobligation vorbereitet und dokumentiert wird. <strong>Die</strong><br />
Rechnungslegungspflicht gibt demzufolge Auskunft über den Bereich der<br />
Mandatsführung, welcher mit den Ein- und Ausgaben verbunden ist (inkl.<br />
1295 Anderer Meinung Bachtler, 314. <strong>Die</strong> Frage wird offen gelassen von Höchli, 118.<br />
1296 AKE 90218 vom 6.12.1990 und AKE 940209 vom 1.12.1994. So bereits schon LGVE<br />
1963 I Nr. 220 = SJZ 1966 127 (gestützt auf BK-Gautschi, Art. 400 N 27c).<br />
1297 BasK-Weber, Art. 400 N 7: „Zur Erfüllung der Abrechnungspflicht gehört auch die<br />
Übergabe der Honorarrechnung.“ LGVE 1963 I Nr. 220 = SJZ 1966 127 (gestützt auf BK-<br />
Gautschi, Art. 400 N 28).<br />
1298 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.1.2.
- 265 -<br />
Saldoziehung). 1299 Dabei ist diese Pflicht auf die Ablieferungsobligation fixiert und<br />
durch sie bestimmt, weshalb kein weiteres besonderes Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers zu<br />
begründen ist. 1300 Wie bereits ausgeführt wurde, handelt es sich um eine eigentliche<br />
Berichtspflicht mit klarem Inhalt, welche dem Auftraggeber ein beschränktes<br />
Kontrollrecht zugesteht. 1301<br />
Einleitend zur Informationspflicht gemäss Art. 400 Abs. 1 OR wurde ausgeführt, dass<br />
mit der Pflicht zur Rechnungsstellung lediglich ein spezifisches Interesse bedient wird,<br />
welches im Zusammenhang mit einer bestimmten Zuständigkeit <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
steht: 1302 Als Zweck der Rechnung und damit der Rechnungsstellungspflicht soll<br />
gemäss Lehre und Rechtsprechung die Überprüfbarkeit der Angemessenheit der<br />
1303 Honorarforderung ermöglicht werden. Aufgrund dieser Zwecksetzung<br />
(nachfolgende Kapitel 3.7.3.4.4.2 und 3.7.3.4.4.3) sind die inhaltlichen Anforderungen<br />
an die Pflicht zur Rechnungsstellung zu formulieren (Kapitel 3.7.3.4.5), da der<br />
genannte Zweck die eigentliche Grundlage der Pflicht zur Rechnungsstellung ist. 1304<br />
3.7.3.4.4.2 Überprüfbarkeit der Rechnung<br />
Als erste Anforderung an die Abrechnungspflicht wird die Überprüfbarkeit der<br />
Rechnung resp. der Honorarnote genannt. <strong>Die</strong>ser Aspekt hat sowohl bei der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung als auch bei der Pflicht zur Rechnungsstellung eine Bedeutung.<br />
Bei dem Kriterium der Überprüfbarkeit stellt sich vorerst die Frage, auf welche<br />
Tatsachen sich eine „Überprüfung“ überhaupt beziehen soll. <strong>Die</strong> erste Feststellung ist<br />
dabei, dass sich die Überprüfbarkeit nur auf die Angemessenheit bezieht, weshalb von<br />
vornherein eine zentrale Einschränkung hingenommen wird: Es sollen etwa nicht die<br />
Vertragsausführung als solche oder gar einzelne Details der Auftragsausführung<br />
kontrolliert, sondern bloss die Angemessenheit <strong>des</strong> Honorars überprüft werden. Damit<br />
wird bereits in der Anlage eine deutliche Unschärfe (resp. eine Einschränkung in der<br />
Überprüfbarkeit) in Kauf genommen. Überprüft werden sollen offenbar weder<br />
einzelne Leistungen oder gar die Details der Leistungen (z.B. Vorgehensweise etc.)<br />
1299<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.1.2.<br />
1300<br />
Siehe dazu auch Kapitel 3.3.2, 3.3.3 und 3.7.1.<br />
1301<br />
Siehe dazu insbesondere die nachfolgenden Ausführungen zu Kapitel 3.7.3.4.4.2.<br />
1302<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.1.1.<br />
1303<br />
<strong>St</strong>att vieler neuerdings ZR 99 Nr. 50 E. 1. Aus der Lehre an <strong>St</strong>elle vieler: BK-Fellmann,<br />
Art. 400 N 50.<br />
1304 So auch Testa, 201.
- 266 -<br />
noch die Richtigkeit 1305 der einzelnen Leistung, sondern nur die Angemessenheit der<br />
ganzen Leistungserbringung. Entsprechend ist nicht die Leistung als solche im Fokus<br />
dieser Verpflichtung <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>, sondern nur ihr Verhältnis zu einer konkreten<br />
Vergütung. Eine „prüfbare Rechnung“ 1306 untersucht damit nicht die Leistung an sich,<br />
sondern setzt sie lediglich in eine Beziehung zu einer Vergütung. Dabei gibt die<br />
Umschreibung der zugestandenen Überprüfbarkeit durch den Auftraggeber den Ansatz<br />
wieder, dass eine deutliche Fokussierung auf die Gesamtleistung oder auf<br />
Untergruppen von Leistungen erfolgt. 1307<br />
<strong>Die</strong>se Darstellung <strong>des</strong> Kriteriums „Überprüfbarkeit“ stimmt auch mit den Ergebnissen<br />
in der vorliegenden Arbeit überein: <strong>Die</strong> Überprüfbarkeit impliziert einen möglichen<br />
Kontroll- und Überwachungsgedanken, wodurch ein in der Tendenz weites<br />
Informationsrecht gefordert wird. <strong>Die</strong> Ausführungen im systematischen Teil der<br />
vorliegenden Arbeit haben aber ergeben, dass im Gegensatz zum Arbeitsvertragsrecht<br />
und im Gegensatz zum Personengesellschaftsrecht im Mandatsrecht gerade kein<br />
1308 allgemeines Kontrollrecht besteht. <strong>Die</strong> entsprechende Beschränkung der<br />
„Kontrolle“ im Mandatsrecht beansprucht ihre Gültigkeit sowohl im Zusammenhang<br />
mit dem Weisungsrecht <strong>des</strong> Auftraggebers, welches die zukünftige Gestaltung <strong>des</strong><br />
Mandats betrifft, als auch im Zusammenhang mit der Abrechnungspflicht, welche die<br />
vergangene Geschäftsführung thematisiert. Es kann <strong>des</strong>halb bei der inhaltlichen<br />
Definition der Anforderung „Überprüfbarkeit“ im Rahmen einer Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung nicht um die Einrichtung einer eigentlichen nachgeschalteten<br />
Kontrolle gehen, da dies der Eigenart <strong>des</strong> Auftragsrecht widerspricht. Entsprechend<br />
kann eine Überprüfung (da nur die blosse Angemessenheit in Rede steht) nicht so weit<br />
reichen, dass die arbeitsteilige Organisation <strong>des</strong> Auftrages und damit der zugestandene<br />
Autonomiebereich <strong>des</strong> Auftragnehmers in der Phase der Rechnungsstellung wieder<br />
negiert werden. <strong>Die</strong> Anerkennung und Aufrechterhaltung eines Freibereichs <strong>des</strong><br />
Auftragnehmers 1309 ist in systematischer Hinsicht entsprechend auch im Bereich der<br />
Abrechnungspflicht sicherzustellen. Den entsprechenden Überlegungen ist <strong>des</strong>halb bei<br />
der Ausgestaltung der Pflicht zur Rechnungsstellung Beachtung zu schenken. <strong>Die</strong><br />
Überprüfbarkeit wird nur insoweit indirekt zur Grundlage eines Kontrollrechts, als die<br />
1305 Betreffend der Richtigkeit der aufgeführten Tatsachen: Siehe sogleich unten.<br />
1306 So die Formulierung von BK-Fellmann, Art. 400 N 50.<br />
1307 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.<br />
1308 Siehe dazu Kapitel 3.5 und 3.7.2.<br />
1309 Siehe dazu Kapitel 3.2.3, 3.3.3.4.4 und 3.4.3.
- 267 -<br />
Pflicht zur Rechnungsstellung die Darstellung entsprechender Informationen verlangt.<br />
Dabei beantwortet die Frage der Spezifizierungspflicht, wie konkret und detailliert die<br />
Leistung in der Rechnung aufzuschlüsseln ist. 1310 Abschliessend kann auch angeführt<br />
1311 werden, dass die Tatsache <strong>des</strong> Vertrauensverhältnisses zwischen den<br />
Vertragsparteien auch im Rahmen der Abrechnungspflicht seine Wirkung entfalten<br />
soll, zumal einzig die Frage der Angemessenheit <strong>des</strong> Honorars zu überprüfen ist.<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Überprüfbarkeit der Rechnung<br />
keine (nachgelagerte) Kontrolle über die Auftragsausführung bewirkt. <strong>Die</strong>ser<br />
Grundgedanke <strong>des</strong> Zwecks der Rechnung ist zu beachten, wenn die Anforderungen an<br />
die Spezifizierungspflicht formuliert werden. <strong>Die</strong>se Aussagen haben für das gesamte<br />
allgemeine Mandatsrecht Bedeutung.<br />
3.7.3.4.4.3 Angemessenheit der Rechnung (resp. der Honorarforderung)<br />
Als zweite Anforderung an die Abrechnungspflicht wird die Angemessenheit der<br />
Rechnung genannt. Der eigentliche Hauptanwendungsbereich der Überprüfung der<br />
Angemessenheit ist der Vergütungsanspruch im Rahmen der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung (inkl. Verwendungsersatzrecht). Bei der Frage der Angemessenheit<br />
handelt es sich um die letzten En<strong>des</strong> unlösbare Frage der Äquivalenz von sich<br />
gegenüberstehenden Leistungen (Leistung und Gegenleistung), wie sie sich allgemein<br />
im Vertragsrecht stellt: Welcher Preis ist für eine bestimmte Leistung (gerade noch)<br />
gerechtfertigt (iustum pretium)?<br />
Ausgangspunkt der Betrachtung ist, dass die Frage der Vertragsgerechtigkeit nicht<br />
eine Frage aus dem Bereich von Art. 394 – 405 OR ist, sondern dass es sich dabei um<br />
eine Frage <strong>des</strong> Allgemeinen Teils <strong>des</strong> Schuldrechts handelt. Nach dem Konzept der<br />
Vertragsgerechtigkeit ist im Vertragsrecht die Idee eines Ausgleichs von Leistungen<br />
immanent. In der Rechtsprechung zum Auftragsrecht finden sich einige Beispiele, in<br />
denen in dieser Hinsicht der Gedanke der Vertragsgerechtigkeit aufgegriffen und<br />
thematisiert wurde: Im Rahmen eines Auftrages zur Ausarbeitung eines Gutachtens<br />
wurde ausgeführt, dass – wenn die Vergütungshöhe nach allgemeinen Grundsätzen<br />
bestimmt werden muss – „ [immer] dazu gehört, dass die Vergütung den geleisteten<br />
<strong>Die</strong>nsten entsprechen, ihnen objektiv angemessen sein muss.“ 1312 Im Rahmen eines<br />
1310<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.<br />
1311<br />
Zur Einfluss von „Vertrauen“: Siehe dazu Kapitel 3.6.<br />
1312 BGE 101 II 109ff., E. 2. Siehe dazu auch Kapitel 3.7.3.4.4.1.
- 268 -<br />
Entschei<strong>des</strong> zum Arztvertragsrecht hat das Bun<strong>des</strong>gericht 1313 festgestellt, dass „dem<br />
Wesen <strong>des</strong> entgeltlichen Auftrages als einem gegenseitigen Rechtsgeschäft die<br />
annähernde Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung“ entspricht. Eine<br />
besondere Bedeutung erlangen in diesem Bereich auch die Ausführungen <strong>des</strong> Zürcher<br />
Obergerichtes aus dem Bereich <strong>des</strong> Anwaltsrechts: „Es ist ständige, jahrzehntelang<br />
geübte und vom Obergericht und Bun<strong>des</strong>gericht geschützte Praxis der<br />
Gebührenkommission, Willensvollstrecker-Honorare ungeachtet ihrer<br />
Berechnungsgrundlage durch die Anzahl der aufgewendeten (...) <strong>St</strong>unden zu teilen und<br />
den so errechneten <strong>St</strong>undenansatz auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen.“ 1314<br />
Aus diesen Erwägungen ergibt sich zum einen, dass der Gedanke der<br />
Vertragsgerechtigkeit im Auftragsvertrag als einem Interessenwahrungsvertrag in der<br />
gleichen Weise wie bei den (übrigen) Austauschverträgen mit<br />
Interessengegensätzlichkeitscharakter anerkannt und verwirklicht werden soll. Daraus<br />
folgt, dass der Beauftragte, gestützt auf die Tatsache, dass der Auftrag eine<br />
Interessenwahrungspflicht kennt, in dieser Hinsicht keiner stärkeren Verpflichtung<br />
unterworfen ist als eine andere Vertragspartei in einem anderen zweiseitigen<br />
Rechtsverhältnis. Aus dem Interessenwahrungsgrundsatz darf insbesondere keine<br />
höhere Begründungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> im Vergleich zu anderen<br />
Vertragsverhältnissen abgeleitet werden. Zum anderen zeigen die entsprechenden<br />
Erwägungen aus der Rechtsprechung, dass in der Tendenz eine „Globalüberprüfung“<br />
vorgenommen wird: <strong>Die</strong>se Art der Angemessenheitsprüfung will eine Überprüfung auf<br />
eigentliche „Ermessensfehler“ einschränken. Gerade die Rechtsprechung zum<br />
Anwaltsrecht zeigt deutlich, dass der Beauftragte auf eine gewisse<br />
Verhältnismässigkeit verpflichtet werden soll und damit eigentliche „Extremfälle“<br />
gemassregelt werden sollen. 1315 <strong>Die</strong>s zeigt sich grundsätzlich auch bei der Festlegung<br />
der Vergütung aufgrund der Üblichkeit: „Bei der Honorarfestlegung hat der<br />
Beauftragte einen gewissen Ermessensspielraum; ein richterliches Eingreifen ist nur<br />
geboten, wenn ein Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und dem Honorar<br />
besteht.“ 1316 Damit wird das Element <strong>des</strong> Ermessens auch in die Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung hineingetragen, was eine „Unschärfe“ an sich bedeutet. <strong>Die</strong>ses<br />
1313<br />
BGE 82 IV 145ff., E. 2.<br />
1314<br />
ZR 94 Nr. 64 E. 3c.<br />
1315<br />
ZR 94 Nr. 64 E. 3c und 3d: Prozenthonorarabrede bei einem anwaltlichen<br />
Willensvollstreckermandat betreffend eines Nachlasses im Wert von CHF 400 Mio.<br />
1316 BasK-Weber, Art. 394 N 39.
- 269 -<br />
zugestandene Ermessen ergibt sich auch aus den typischerweise angeführten<br />
Kriterienkatalogen zur Bestimmung der Angemessenheit. 1317 <strong>Die</strong> Frage der<br />
Angemessenheit wird auch im Bereich <strong>des</strong> Auslagen- und Verwendungsersatzrechtes<br />
gemäss Art. 402 OR als einem Bereich der Pflicht zur Rechnungsstellung diskutiert,<br />
wobei die Frage der Angemessenheit mit dem Begriff der Notwendigkeit und der<br />
Verhältnismässigkeit beantwortet wird. 1318<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Angemessenheit der Rechnung<br />
keine (nachgelagerte) Kontrolle über die Auftragsausführung einführt. Es handelt sich<br />
dabei um einen Grundsatz, welcher im gesamten Mandatsrecht Anwendung findet.<br />
Dem ist Rechnung zu tragen, wenn die Anforderungen an die Spezifizierungspflicht<br />
formuliert werden.<br />
3.7.3.4.5 Inhalt der Abrechnungspflicht (Gegenstand der Rechnung)<br />
Nachdem im vorangehenden Abschnitt der Zweckgedanke der Abrechnung<br />
(insbesondere im Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungsstellung) dargestellt<br />
worden ist, ist an dieser <strong>St</strong>elle der konkrete Inhalt der Abrechnungspflicht zu<br />
erarbeiten. Dabei sind die Erkenntnisse aus dem Abschnitt über den Zweck der<br />
Rechnung zu berücksichtigen, wie sie als Anforderungen aus dem allgemeinen<br />
1319 Mandatsrecht formuliert wurden. Bei der Inhaltsbestimmung der<br />
Abrechnungspflicht kommt dem Anwaltsrecht eine zentrale Rolle zu, da sich<br />
insbesondere die Rechtsprechung intensiv mit der entsprechenden Rechtslage<br />
1320 auseinander setzte. Nachfolgend ist <strong>des</strong>halb insbesondere auch die<br />
Verallgemeinerungsfähigkeit der entsprechenden Aussagen zu beantworten.<br />
Nachfolgend wird in einem ersten Teil der Inhalt der Abrechnungspflicht im<br />
Zusammenhang mit dem Vergütungsanspruch (Pflicht zur Rechnungsstellung)<br />
dargestellt (Kapitel 3.7.3.4.5), wobei jeweils ergänzende Hinweise auf die Pflicht zur<br />
Rechnungslegung erfolgen. Nachfolgend wird der Inhalt der Abrechnungspflicht im<br />
Zusammenhang mit dem Auslagen- und Verwendungsersatzrecht dargestellt (Kapitel<br />
3.7.3.4.6).<br />
1317<br />
BGE 101 II 109ff., E. 2 (gestützt auf BGE 78 II 123ff., E.2).<br />
1318<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.6.2.<br />
1319<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.<br />
1320<br />
Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen ist zu beachten, dass aus der Aufklärungspflicht in Art.<br />
12 lit. i BGFA keine Pflicht für eine detaillierte Rechnungslegung resp.<br />
Rechnungsstellung abgeleitet werden kann: Fellmann, Kommentar, Art. 12 N 172.
- 270 -<br />
3.7.3.4.5.1 Inhalt der ersten Abrechnung<br />
3.7.3.4.5.1.1 Anwendungsbereich einer ersten (pauschalen) Abrechnung<br />
„<strong>Die</strong> gesetzliche Pflicht, dem Klienten auf erstes Verlangen Rechnung abzulegen,<br />
bedeutet, dass der Anwalt sobald als möglich und zweckmässig abzurechnen hat.“ 1321<br />
In einem Entscheid der Aufsichtskommission 1322 wurde zudem entschieden, dass es für<br />
die Pflichterfüllung unerheblich sei, zu wessen Gunsten der Saldo lautet. 1323 In der<br />
Lehre wird die Meinung vertreten, dass es in der Mehrzahl der Fälle 1324 einer<br />
detaillierten Abrechnung gar nicht erst bedarf, da der Auftraggeber keine solche<br />
verlangt. 1325 <strong>Die</strong> Erwartungshaltung <strong>des</strong> Auftraggebers gehe dahin, dass „(...) in der<br />
Regel der Klient vorerst an einer detaillierten Rechnung gar nicht interessiert [sei].“ 1326<br />
<strong>Die</strong>se tatsächliche Erfahrung 1327 wird in der Praxis in der Weise berücksichtigt, als<br />
zwischen verschiedenen <strong>St</strong>ufen bei der Abrechnungspflicht zu unterscheiden ist. Nach<br />
ständiger Rechtsprechung der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte <strong>des</strong><br />
Kantons Zürich ist es anwaltsrechtlich zulässig und damit unter § 12 Abs. 2 AnwG/ZH<br />
rechtsgenügend, wenn der Rechtsanwalt grundsätzlich zunächst eine nicht spezifizierte<br />
Abrechnung übergibt. 1328 Eine entsprechende Rechtslage ergibt sich auch für das<br />
allgemeine Auftragsrecht, weshalb jeder Beauftragte grundsätzlich vorerst einmal eine<br />
unspezifizierte Abrechnung vorlegen kann, um seiner Pflicht gemäss Art. 400 Abs. 1<br />
OR zu genügen. 1329 Entsprechend dieser Praxis enthält eine solche erste, nicht<br />
spezifizierte Rechnung beim entgeltlichen Mandat in inhaltlicher Hinsicht als<br />
Min<strong>des</strong>tbestandteile typischerweise zwei Positionen: Als Minimalstandard wird zum<br />
einen die Vergütung und zum anderen die Aufwendung gefordert. 1330 Bei<br />
1321<br />
Testa, 204, gestützt auf: ZR 89 Nr. 52, AKE 970536 vom 4.12.1997 und AKE 980659<br />
vom 5.11.1998. Siehe dazu ausführlich Testa, 205ff.<br />
1322<br />
AKE 142/88 vom 2.11.1988 bei Späh, 404.<br />
1323<br />
<strong>Die</strong>s ist insbesondere bei Vorschüssen und Anzahlungen zu beachten: ZR 94 Nr. 64 E. 3b.<br />
1324 Zum Bestand der Abrechnungspflicht: Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.2.<br />
1325 Umbricht, 32, vertritt für den Bereich <strong>des</strong> Anwaltsvertrages die Meinung, dass eine<br />
„Detaillierung einer Honorarnote höchstens in einem Prozent aller Fälle erforderlich ist.“<br />
1326 So deutlich Höchli, 118.<br />
1327<br />
Testa, 200, führt aus seiner Praxiserfahrung an, dass dies v.a. bei Klienten der Fall sei, mit<br />
welchen ein Vertrauensverhältnis aufgrund lange andauernder vertraglicher Beziehung<br />
besteht.<br />
1328<br />
ZR 79 Nr. 62 E. 3 (ausdrücklich bestätigt in ZR 89 Nr. 52 E. a) aa) und ZR 99 Nr. 50 E.<br />
1). Aus der Lehre: Höchli, 118; Umbricht, 33; Fellmann, Kommentar, Art. 12 N 172.<br />
1329<br />
ZR 79 Nr. 62 E. 3 (ausdrücklich bestätigt in ZR 89 Nr. 52 E. a) aa) und ZR 99 Nr. 50 E.<br />
1).<br />
1330<br />
ZR 90 Nr. 50 E. 2 (Mit dem Zusatz, dass die Mehrwertsteuer getrennt auszuweisen ist,<br />
auch in einem Fall, in dem der Leistungsempfänger klarerweise nicht zum Vorsteuerabzug<br />
berechtigt ist: Umbricht, 32).
- 271 -<br />
unentgeltlichen Aufträgen verändert sich der Umfang entsprechend: „<strong>Die</strong> Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung entfällt, wenn der Anwalt gegenüber dem Klienten ausdrücklich<br />
auf jegliches Honorar verzichtet.“ 1331 Nach richtiger Betrachtung sollte dies jedoch nur<br />
für Aufträge gelten, bei denen die Abrede der Unentgeltlichkeit zu Beginn vereinbart<br />
worden ist. 1332 Weiter ist, die Aufwendung betreffend, darauf hinzuweisen, dass hier –<br />
im Gegensatz zur Vergütung – kein Totalbetrag ausgewiesen werden darf. <strong>Die</strong>s folgt<br />
aus dem Zweck der Rechnung im Bereich der Aufwendungen. 1333<br />
Wie aus den Ausführungen deutlich wird, handelt es sich dabei um die Anforderungen<br />
und Möglichkeiten, welche im Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungsstellung<br />
stehen. Im Bereich der Pflicht zur Rechnungslegung besteht eine abweichende<br />
Rechtslage, wie sich bereits aus der bun<strong>des</strong>gerichtlichen Rechtsprechung zum<br />
allgemeinen Mandatsrecht ergibt: Im Zusammenhang mit dem Entscheid der<br />
Vorinstanz wird das Verhältnis der verschiedenen Arten der Abrechnungspflicht<br />
bezüglich der Pflicht zur Rechnungslegung deutlich darstellt: „<strong>Die</strong> Verpflichtung (...)<br />
verlangt vom <strong>Beauftragten</strong> vorerst, eine vollständige und detaillierte schriftliche<br />
Abrechnung zu erstatten.“ 1334 Aus den weiteren Ausführungen <strong>des</strong> Entschei<strong>des</strong> lässt<br />
sich ableiten, dass die oben zitierte Aussage ausdrücken will, dass vorerst auch eine<br />
spezifizierte, aber (noch) unbelegte (d.h. nicht mit Belegen und anderen Dokumenten<br />
versehene) 1335 Rechnungslegung ausreichend ist. Dementsprechend ist also im Falle<br />
der Pflicht zur Rechnungslegung zwischen den beiden folgenden <strong>St</strong>ufen der<br />
Abrechnungsformen zu unterscheiden: Zum einen die spezifizierte Rechnungslegung<br />
und zum anderen die spezifizierte und belegte Rechnungslegung. 1336 Soweit die Pflicht<br />
zur Rechnungsstellung betroffen ist, kann nichts Gegenteiliges zu den Aussagen im<br />
letzten Abschnitt abgeleitet werden: Wie die entsprechende prozessuale Vorgeschichte<br />
1337 zeigt, wurde in casu bereits einer pauschalen Pflicht zur Rechnungsstellung<br />
nachgekommen.<br />
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass grundsätzlich eine allgemeine Möglichkeit<br />
einer ersten pauschalen Abrechnung besteht, soweit damit die Pflicht zur<br />
1331<br />
Testa, 200; Umricht, 32. <strong>Die</strong>s ergibt sich auch aus AKE 980667 vom 1.12.1998.<br />
1332<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.<br />
1333<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.6.3.<br />
1334<br />
BGE 110 II 181ff., E. 2.<br />
1335<br />
Zur Belegspflicht: Siehe Kapitel 3.7.3.4.7.<br />
1336<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.7.2 und 3.7.3.4.7.4.<br />
1337 Publiziert in ZR 83 Nr. 59 E. IV. 5d.
- 272 -<br />
Rechnungsstellung betroffen ist. Es ist jedoch dem Mandanten selbstredend<br />
unbenommen, bereits während <strong>des</strong> Vertrages (Zwischenabrechnung) 1338 oder sogleich<br />
nach Beendigung <strong>des</strong> Vertrages das Begehren nach einer spezifizierten Rechnung zu<br />
stellen. 1339 Der Beauftragte hat der jeweiligen Anweisung Folge zu leisten und<br />
allenfalls sogleich eine spezifizierte Rechnung vorzulegen. Demgegenüber ist im<br />
Bereich der Pflicht zur Rechnungslegung sogleich eine spezifizierte Abrechnung<br />
vorzulegen.<br />
3.7.3.4.5.1.2 Ausnahmefall:Abrechnungspflicht bei „zerstörtem“ Vertrauen<br />
In der Praxis wird die Möglichkeit der pauschalen Abrechnung vor allem unter der<br />
Bedingung zugelassen, dass „ein soli<strong>des</strong> Vertrauensverhältnis besteht.“ 1340 Damit wird<br />
die <strong>St</strong>ufe der Abrechnungspflicht etwa vom konkret vorliegenden Beendigungsgrund<br />
<strong>des</strong> Auftrags beeinflusst: Wurde das Vertragsverhältnis beendet, weil in einem<br />
konkreten Fall die Vertrauensgrundlage einer auftragsrechtlichen Beziehung nicht<br />
mehr gegeben war, so besteht entsprechend den obigen Ausführungen die Möglichkeit<br />
einer (vorerst) pauschalen Rechnungsstellungspflicht nicht. Damit ist gewissermassen<br />
die Ursache für die Abrechnung (einfache Erfüllung oder Beendigung im Sinne von<br />
Art. 404 OR) dafür entscheidend, ob eine pauschale oder spezifizierte Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung vorliegt. <strong>Die</strong> entsprechende Grundlage für eine pauschale<br />
Rechnungsstellung ist etwa auch entzogen, wenn sich bereits aus Umständen während<br />
<strong>des</strong> Bestan<strong>des</strong> <strong>des</strong> Mandatsverhältnisses Zweifel über ein bestehen<strong>des</strong><br />
Vertrauensverhältnis zeigen. 1341 Im Bereich der Pflicht zur Rechnungsstellung wirkt<br />
sich demnach mangeln<strong>des</strong> (oder geschwundenes) Vertrauen in der Weise aus, dass die<br />
„Wohltat“ einer bloss pauschalen Informationspflicht entfällt.<br />
Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch auch die Feststellung, dass die<br />
Unzulässigkeit einer pauschalen Rechnungsstellung und damit das mangelnde<br />
Vertrauen zwischen den Vertragsparteien nicht dazu führen, dass die entsprechende<br />
(spezifizierte) Abrechnungspflicht inhaltlich umfassender definiert wird. 1342 <strong>Die</strong>s<br />
ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass es sich bei dieser Informationspflicht um ein<br />
<strong>St</strong>andardprogramm (eine Berichtspflicht) handelt, welches in ganz grundsätzlicher<br />
1338<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.2.3.<br />
1339<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.<br />
1340<br />
Testa, 200. Zur grundsätzlichen Bedeutung der Vertrauensbeziehung im Mandatsrecht:<br />
Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.6.<br />
1341 Siehe diesbezüglich etwa einen Sachverhalt, wie er in ZR 83 Nr. 59 wiedergegeben ist.<br />
1342 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.
- 273 -<br />
Weise von solchen zwischenparteilichen Umständen abstrahiert und damit davon<br />
unabhängig ist. In welchem Umfang (Inhalt) eine spezifizierte<br />
Rechnungsstellungspflicht im Sinne der Abrechnungspflicht gemäss Art. 400 OR<br />
besteht, wird in den nachfolgenden Abschnitten gesondert dargestellt.<br />
3.7.3.4.5.1.3 Möglichkeit der Begrenzung auf eine pauschale Abrechnung<br />
In der Folge ist die Anschlussfrage zu untersuchen, in welchen Fällen eine<br />
Möglichkeit der Begrenzung auf eine pauschale Abrechnung (Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung) besteht. In diesem Zusammenhang sind die Fragen im<br />
Zusammenhang mit dem vorausgehenden und dem nachträglichen Verzicht zu<br />
beantworten:<br />
Der Vorausverzicht auf die spezifizierte Rechnungsstellung verstösst gegen Art. 400<br />
OR. <strong>Die</strong> Ratio der entsprechenden Norm ist, dass „[E]ine Überprüfung der<br />
Angemessenheit eines vereinbarten Honorars nur möglich ist, wenn der Anwalt die<br />
1343 erforderliche Substantiierung erbringt.“ Ein neuerer Entscheid der<br />
Aufsichtskommission 1344 befasst sich in diesem Zusammenhang mit der Zulässigkeit<br />
der Beschränkung der Spezifizierungspflicht, welche in einem Vollmachtsformular<br />
enthalten war. <strong>Die</strong> Formulierung lautete: „Wenn der Auftraggeber eine Detaillierung<br />
der Honorarrechnung verlangt, so anerkennt der Auftraggeber ausdrücklich, dass sich<br />
der Beauftragte darauf beschränken kann, die gesamthaft aufgewendete Zeit<br />
anzugeben und die Tätigkeit stichwortartig aufzuführen; <strong>Die</strong>s gilt nur, soweit die<br />
Abrechnung nicht aufgrund <strong>des</strong> <strong>St</strong>reitwerts erfolgt.“ Es wurde dabei festgehalten, dass<br />
es sich dabei (je nach anwendbarer Honorarbemessungsmethode) um einen<br />
Vorausverzicht auf die Spezifizierungspflicht handelt, wodurch der Mandant auf einen<br />
wesentlichen Teil der Abrechnungspflicht verzichtet. Der Entscheid stellt in diesem<br />
Zusammenhang klar, dass diese Abrede sowohl gegen Anwaltsrecht (Berufsrecht im<br />
Sinne von § 12 Abs. 2 AnwG/ZH) als auch gegen die schuldrechtliche Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung (im Sinne von Art. 400 OR) verstösst. Der Auftraggeber verzichtet<br />
nämlich dabei auf eine Rechtsposition, bevor er die Folgen dieses Vorausverzichts<br />
abschätzen kann, womit er sich jeder Überprüfungsmöglichkeit berauben würde. 1345<br />
1343 ZR 91 Nr. 72 E. 1.<br />
1344<br />
ZR 97 Nr. 50 E. 2.3. Entscheid am 8. 5. 1998 vom BGer bestätigt. Vgl.: SJZ 1998 300ff.<br />
1345<br />
Testa, 200. In BGE 132 III 460, E. 4.2 und 4.3 wird demgegenüber die Gültigkeit einer<br />
Verzichtsvereinbarung postuliert, wobei die entsprechenden Anforderungen im Einzelfall<br />
schwierig zu ermitteln sind (wie der zu beurteilende Fall gezeigt hat).
- 274 -<br />
<strong>Die</strong> Aufsichtskommission der Zürcher Rechtsanwälte hat in ZR 91 Nr. 72 E. 1<br />
entschieden, dass schuldrechtlich und anwaltsrechtlich ein Verzicht auf Spezifizierung<br />
nur dann Geltung erlangt, wenn der Verzicht nachträglich erfolgt. 1346 Wie sich aus den<br />
Ausführungen zum Vorausverzicht ergibt, bedeutet „nachträglich“ nachfolgend auf die<br />
erste, pauschale Rechnungsstellung. Dabei ist erforderlich, dass der nachträgliche<br />
Verzicht explizit erfolgen muss. Ein Verzicht aus einer umfangreichen Korrespondenz<br />
gilt auch dann nicht als erklärt, wenn bloss einzelne (wenige) Briefe näheren<br />
Aufschluss fordern. 1347 Ein nachträglicher Verzicht kann auch nicht etwa aus dem<br />
Umstand abgeleitet werden, dass sich der Auftraggeber vorerst mit einer ersten<br />
zusammenfassenden Rechnungsstellung begnügt. <strong>Die</strong> Spezifizierungspflicht ist in<br />
solchen Fällen nur aufgeschoben und der Beauftragte ist „von der Detaillierungspflicht<br />
bis zum Eintreffen einer anders lautenden Weisung entbunden.“ 1348 Es ist dem<br />
Auftraggeber unbenommen, weitere Aufschlüsse zu verlangen, sei dies die<br />
Spezifizierung bezüglich einzelner Rechnungsposten oder sei dies die Spezifizierung<br />
bezüglich der ganzen Rechnung. In diesen Fällen liegt es allein im Ermessen <strong>des</strong><br />
Auftraggebers, ob und für welche Positionen Aufschluss verlangt wird, da seine<br />
Motive unbeachtlich sind. 1349 In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass in diesen<br />
Fällen im Anwaltsrecht ein grundsätzlich strenger Massstab angelegt wird, innert<br />
1350 welchem Zeitraum die spezifizierte Rechnung nachzureichen ist. <strong>Die</strong><br />
solchermassen „aufgeschobene“ Spezifizierungspflicht besteht in zeitlicher Hinsicht so<br />
lange, bis die Abrechnungspflicht vollständig erfüllt 1351 wurde oder die Verjährung 1352<br />
eintritt.<br />
3.7.3.4.5.2 Inhalt der Pflicht zur sog. spezifizierten Abrechnung<br />
3.7.3.4.5.2.1 Vorbemerkung<br />
Im Folgenden wird dargestellt, wie die spezifizierte Abrechnung im Einzelnen zu<br />
umschreiben ist. Dabei sind insbesondere die Ausführungen zum Zweck der Rechnung<br />
1346<br />
ZR 101 Nr. 26 E. III/3.1.<br />
1347<br />
ZR 83 Nr. 59 E. IV. 5d.<br />
1348<br />
Hofstetter, 2000, 118: Der Beauftragte ist „nur solange von ihr entbunden, als der<br />
Auftraggeber nicht Rechenschaft im Einzelnen verlangt.“<br />
1349 Besonders deutlich: ZR 83 Nr. 59 E. IV. 5d [S. 151, rechte Spalte].<br />
1350 ZR 79 Nr. 62 E. 3 und ausdrücklich bestätigt in ZR 89 Nr. 52 E. a) aa). Es ist allerdings zu<br />
beachten, dass die zeitlichen Anforderungen an die Vorlegung einer spezifizierten<br />
Rechnung aus dem Bereich <strong>des</strong> Anwaltsrechts nicht verallgemeinerungsfähig sind. Zum<br />
Anwaltsrecht ausführlich: Testa, 205ff.<br />
1351 Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.7.3.4.5.2 und 3.7.3.4.7.<br />
1352 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.2.5.
- 275 -<br />
von Bedeutung, 1353 da das Postulat der Überprüfbarkeit der Angemessenheit der<br />
Rechnung grundsätzlich 1354 in jedem Auftragsvertrag Gültigkeit hat und damit stets zu<br />
beachten ist. Nach der hier vertretenen Ansicht besteht im allgemeinen Auftragsrecht<br />
jedoch eine gewichtige Ausnahme bei der Vereinbarung von sog. pauschalen<br />
Vergütungsformen. 1355<br />
Im Zusammenhang mit der Spezifizierungspflicht ist der deutliche Einfluss <strong>des</strong><br />
Anwaltsrechts zu erkennen, weshalb hier die Frage zu beantworten ist, ob die im<br />
Anwaltsrecht aufgestellten Massstäbe auch im allgemeinen Mandatsrecht Geltung<br />
beanspruchen können (Frage der Verallgemeinerungsfähigkeit 1356 ). Ebenfalls ist die<br />
Frage zu untersuchen, welchen Einfluss die Art der Vergütung (Vergütungsform 1357 )<br />
auf den Inhalt der Spezifizierungspflicht hat. 1358<br />
3.7.3.4.5.2.2 Entwicklungen am Beispiel <strong>des</strong> Anwaltsrechts<br />
<strong>Die</strong> Spezifizierungspflicht bei der Rechnungsstellung ist im Bereich <strong>des</strong><br />
Anwaltsvertragsrechts ein zentrales Thema, weshalb eine entsprechende<br />
Rechtsentwicklung gerade in diesem Bereich besonders deutlich auszumachen ist.<br />
Entsprechend der Häufigkeit der vereinbarten Vergütungsformen wird die<br />
Entwicklung nachfolgend grundsätzlich am Beispiel <strong>des</strong> Zeithonorars dargestellt. 1359<br />
<strong>Die</strong> Darstellung der Spezifizierungspflicht im Rahmen <strong>des</strong> Auslagen- und<br />
Aufwendungsersatzrechts erfolgt in einem separaten Abschnitt. 1360 In der Folge sollen<br />
die wichtigsten Entwicklungsschritte dokumentiert und kommentiert werden, welche<br />
im Zusammenhang mit der Spezifizierungspflicht festzustellen sind:<br />
Als Ausgangspunkt der entsprechenden Entwicklung einer Spezifizierungspflicht kann<br />
etwa ZR 55 Nr. 177 [S. 375] herangezogen werden, welcher sich allerdings noch sehr<br />
unbestimmt zur entsprechenden Thematik äussert: Im genannten Entscheid wurde<br />
noch die Meinung vertreten, dass es auch unter dem Gesichtspunkt der<br />
1353<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.<br />
1354<br />
In AKE 980667 vom 3.12.1998 hat die Aufsichtskommission allerdings entschieden, dass<br />
die Pflicht zur Rechnungsstellung gänzlich entfällt, wenn der Anwalt gegenüber dem<br />
Klienten ausdrücklich auf jegliche Honorierung verzichtet (zitiert nach Testa, 200). Siehe<br />
dazu aber Kapitel 1.3.2 und 3.7.3.2.1.<br />
1355<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.5 und 3.7.3.4.5.2.4.<br />
1356<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.3.<br />
1357<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.4.<br />
1358<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.4.<br />
1359<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.5.3.<br />
1360<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.6.
- 276 -<br />
Spezifizierungspflicht ausreichend sei, wenn im Falle der Führung eines Prozesses das<br />
Honorar als eine Gesamtgebühr in Rechnung gestellt werde. Dabei brauche der so<br />
ermittelte Betrag nicht auf einzelne Bemühungen für diesen Prozess aufgeteilt zu<br />
werden. <strong>Die</strong>s wurde auch insbesondere damit begründet, dass die anwendbare<br />
obergerichtliche Gebührenordnung für Rechtsanwälte in diesem Falle eine<br />
Gesamtgebühr vorsah. <strong>Die</strong> Gebührenordnung wurde dabei als Ausdruck und<br />
Orientierungspunkt <strong>des</strong>sen angesehen, was Art. 400 Abs. 1 OR bezüglich <strong>des</strong> Inhaltes<br />
(Gegenstand und Umfang) der Abrechnung offenlässt. 1361 Noch in LGVE 1971 I Nr.<br />
121 [S. 140] wurde für den Fall, dass mehrere Verfahren innerhalb <strong>des</strong> gleichen<br />
Mandates betreut werden, bloss gefordert, dass für je<strong>des</strong> Verfahren einzeln die<br />
Pauschalgebühr aufzuführen ist.<br />
Es ist dann aber in den Entscheiden der 1960er-Jahre festzustellen, dass eine<br />
allgemeine und weiter gehende Detaillierung bei der Rechnungsstellung gefordert<br />
wird: So wurde in ZR 63 Nr. 107 [S. 252] etwa festgehalten, dass der Beauftragte auch<br />
bei einer Prozessführung immerhin die einzelnen Bemühungen aufzuführen habe.<br />
Weiter wurde nun vermehrt der Zweck der Rechnung 1362 als Kriterium für die<br />
Inhaltsbeschreibung der Rechnungsstellungspflicht herangezogen. Dabei wurde der<br />
entsprechende Überprüfungsgedanke der Rechnung ganz zentral in ZR 66 Nr. 85 E. 2<br />
hervorgehoben, wobei die Schlussfolgerungen für die inhaltliche Bestimmung der<br />
Abrechnungspflicht noch durch eine gewisse Zurückhaltung gekennzeichnet sind: „...<br />
wird es meistens auch unumgänglich sein, auch die für die Bemühungen aufgewendete<br />
Zeit einzeln oder wenigstens gesamthaft anzugeben.“ <strong>Die</strong> Unbestimmtheit der<br />
Formulierung der Abrechnungspflicht lässt eine Orientierungsmöglichkeit am<br />
Einzelfall erkennen, wird doch in den einzelnen Formulierungen von „meistens“ und<br />
„einzeln oder wenigstens gesamthaft“ gesprochen.<br />
Obgleich auch in den späteren Entscheiden mit dem Zweck der Rechnung<br />
argumentiert wurde, zeigt sich in den nachfolgenden Jahren ein deutlicher inhaltlicher<br />
Ausbau der Abrechnungspflicht. So wurde etwa in ZR 78 Nr. 111 E. 2 angemerkt, dass<br />
im Falle einer verlangten detaillierten Abrechnung „[der Anwalt] also seine<br />
Bemühungen und den dazu erforderlichen Zeitaufwand im Einzelnen aufführen muss.“<br />
Im Vergleich zur Rechtssprechung in den 1960er-Jahren fehlen in diesen Erwägungen<br />
jede Einschränkung oder Zurückhaltung bezüglich der inhaltlichen Umschreibung der<br />
1361 Vgl. Art. 394 Abs. 3 OR. Siehe dazu BasK-Weber, Art. 394 N 39 und BK-Fellmann, Art.<br />
394 N 403ff.<br />
1362 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.
- 277 -<br />
Rechnungsstellungspflicht. In ZR 79 Nr. 62 E. 2 kann der eigentliche Höhepunkt der<br />
Entwicklung ausgemacht werden, in welchem eine äusserste Detaillierung im Rahmen<br />
der Pflicht zur Rechnungsstellung gefordert wird: „In der Rechnung sind jene<br />
Angaben zu machen, die nötig sind, damit Klient und allenfalls der Richter die<br />
Angemessenheit der Honorarforderung prüfen können. Neben der Aufzählung der<br />
einzelnen Bemühungen und Angaben über den <strong>St</strong>reitwert und den verwendeten<br />
<strong>St</strong>undenansatz kommt vor allem dem in Rechnung gestellten Zeitaufwand<br />
entscheidende Bedeutung zu. (...). Es sind demnach in erster Linie die einzelnen<br />
Bemühungen und die für jede dieser Bemühungen aufgewendete Zeit zu nennen. (...)<br />
Eine wirkungsvolle Kontrollmöglichkeit besteht nämlich nur dann, wenn der Klient<br />
weiss, wie viel Zeit der Anwalt für jede einzelne Leistung einsetzt. Eine derartige<br />
Rechnungsstellung erscheint im Interesse <strong>des</strong> rechtssuchenden Publikums notwendig<br />
und gerechtfertigt sowie zur Klarstellung erforderlich (...).“ Obwohl die dargestellte<br />
Rechtsprechung grundsätzlich in ZR 86 Nr. 106 bestätigt wurde 1363 , ist die Gelegenheit<br />
benutzt worden, gewisse „Präzisierungen“ zum Detaillierungsgrad der Abrechnung<br />
anzuführen. Nachfolgend werden diese Präzisierungen sowie die weiteren<br />
Anforderungen in Einzelfragen im Zusammenhang mit der Spezifizierungspflicht, wie<br />
sie von der Rechtsprechung vorgenommen worden sind (namentlich von der<br />
Aufsichtskommission), zusammengefasst dargestellt:<br />
(1) Unter dem Vorbehalt, dass die Überprüfbarkeit gewährleistet bleibt, ist es zulässig,<br />
„verschiedene gleichartige Bemühungen von durchschnittlicher Dauer (z. B.<br />
Telephongespräche, schriftliche Mitteilungen) zusammenzufassen.“ 1364 Daraus ergibt<br />
sich der allgemeine Grundsatz, „(...) dass eine zweckmässige, verständliche und<br />
nachvollziehbare Zusammenfassung einzelner Bemühungen in Gruppen durchaus<br />
zulässig ist.“ 1365 Nicht zusammengefasst werden können jedoch dem Wesen nach<br />
unterschiedliche Bemühungen eines Arbeitstages, da hierbei die Überprüfbarkeit<br />
1366 verunmöglicht wird. In casu wurde die Zusammenfassung von<br />
Grundstückbesichtigung, Aktenstudium, Verfassung eines Briefes und dreier<br />
Telefongespräche mit einem Gesamtaufwand von fünf <strong>St</strong>unden beanstandet. Bei<br />
1363 In ZR 86 Nr. 106 E. 1 wird der erwähnte Entscheid ZR 79 Nr. 62 E. 2 beinahe im Volltext<br />
zitiert. <strong>Die</strong> Ausführungen von ZR 86 Nr. 106 wurden in ZR 89 Nr. 52 E. a)bb) und ZR 99<br />
Nr. 50 E. 1 erneut bekräftigt.<br />
1364 Hervorhebung nur hier.<br />
1365 ZR 86 Nr. 106 E. 4 (Entgegnung zum Einwand der beklagten Partei, eine Abrechnung<br />
werde „monströs“).<br />
1366 ZR 86 Nr. 106 E. 3.
- 278 -<br />
solchen Zusammenfassungen könne der Auftraggeber nicht beurteilen, für welche der<br />
Leistungen wie viel Zeit verwendet wurde.<br />
Nicht zulässig in der anwaltlichen Rechnungsstellung ist weiter auch eine<br />
Zusammenfassung von diversen Telefonaten: „Der Anwalt muss min<strong>des</strong>tens die Zahl<br />
der getätigten Telefonate aufführen und den Gesprächspartner nennen. Nur so kann<br />
überprüft werden, ob der geltend gemachte Zeitaufwand angemessen ist.“ 1367<br />
(2) Demgegenüber wurde aber dem <strong>Beauftragten</strong> zugestanden, dass er die Erstellung<br />
einer einheitlichen Leistung zusammengefasst darstellen kann, da dies die<br />
Überprüfbarkeit der Angemessenheit für diese Leistung nicht tangiert. So kann die<br />
Redaktion (bspw. einer Rechtsschrift etc.) „gesamthaft zur Darstellung“ gebracht<br />
werden, obwohl sie in verschiedenen Schritten entstanden ist. <strong>Die</strong>s betrifft v.a. den<br />
Umstand, dass solche Akten in verschiedenen Schritten an unterschiedlichen Daten<br />
etc. angefertigt werden.<br />
(3) Im Praxisalltag zeigt sich, dass die Notierung von „jeder Minute“ schwierig ist,<br />
weshalb eine gewisse Pauschalierung auch im Bereich <strong>des</strong> Anwaltsvertrages möglich<br />
sein soll. Aus dem angesprochenen Entscheid ergeht aber deutlich, dass Auf- und<br />
Abrundungen als heikel beurteilt werden und im einzelnen Fall dokumentierbar sein<br />
müssen. 1368 Dass im vorliegenden Fall die kleinste verrechnete Zeiteinheit 0.5 <strong>St</strong>unden<br />
betraf, wurde nicht ausdrücklich kritisiert. Es ist aber auf die Rechtsprechung in ZR 97<br />
Nr. 50 E. 2.6 hinzuweisen, wonach die Abrede in der Vollmacht, für<br />
Kurzbeanspruchungen min<strong>des</strong>tens eine Viertelstunde zu belasten, als mit dem<br />
Anwaltsrecht für unvereinbar angesehen worden ist. Dabei ist zu beachten, dass die<br />
Detaillierungspflicht und damit die Ausweisung <strong>des</strong> effektiven Zeitaufwan<strong>des</strong> –<br />
gerade beim Zeithonorar – grundsätzlich nicht wegbedungen werden kann. 1369<br />
Hinzuweisen ist, dass die Zusammenfassung von Positionen und deren Auf- oder<br />
Abrundung generell als ein unzulässiges Prozedere beurteilt worden ist. 1370<br />
Zusammenfassend ergibt sich für die Spezifizierungspflicht im Anwaltsrecht, dass die<br />
Leistungen, welche im Rahmen der Auftragsausführung erbracht wurden,<br />
grundsätzlich einzeln aufgeführt werden müssen. In beschränktem Masse ist eine<br />
1367<br />
AKE 950457 vom 2.5.1996.<br />
1368<br />
ZR 86 Nr. 106 E. 3.<br />
1369<br />
Damit dürfte auch nicht möglich sein, dass für Telefonate etc. (d.h.<br />
Kurzbeanspruchungen) generell 15 Minuten in den time-sheets eingesetzt werden.<br />
1370 ZR 86 Nr. 106 E. 3.
- 279 -<br />
Zusammenfassung gleichartiger Leistungen möglich, wobei dies gerade bei<br />
Telefonaten, Besprechungen und Briefen wiederum nicht zugelassen wird. In diesen<br />
Positionen ist eine detaillierte Offenlegung <strong>des</strong> Zwecks und <strong>des</strong> Gesprächspartners<br />
gefordert. Ungleiche Leistungen können demgegenüber nicht zusammengefasst<br />
dargestellt werden. <strong>Die</strong> anwaltsrechtliche Rechnungsstellungspflicht erfordert, dass<br />
der Zeitaufwand zu jeder Leistung einzeln angeführt wird. Der Anspruch aus dem<br />
Verwendungsersatz ist separat und detailliert auszuweisen. 1371 Im Ergebnis fordert die<br />
spezifizierte anwaltsrechtliche Rechnungsstellung eine chronologisch geführte<br />
Auflistung aller einzelnen Leistungen, welche ihrerseits mit einem bestimmten<br />
Zeitaufwand in Verbindung gebracht werden müssen. Damit ist der Zweck der<br />
Rechnung, nämlich die Überprüfung der Angemessenheit der Rechnung, in einem<br />
Masse erfüllt, dass jede einzelne Position auf ihre Angemessenheit überprüft werden<br />
kann.<br />
1372 Vor diesem Hintergrund ist die Bemerkung von Umbricht zur<br />
Rechnungsstellungspflicht von Rechtsanwälten wohl zu verstehen: „<strong>Die</strong> schwierigste<br />
Aufgabe <strong>des</strong> Anwaltsberufs ist die Rechnungsstellung.“ 1373<br />
3.7.3.4.5.2.3 Allgemeine Verallgemeinerungsfähigkeit?<br />
Wie im vorangehenden Abschnitt dargestellt wurde, wird der Inhalt der<br />
Spezifizierungspflicht in der anwaltsrechtlichen Rechnungsstellung sehr detailliert<br />
vorgegeben. <strong>Die</strong> hier interessierenden Fragen sind <strong>des</strong>halb, ob sich diese Art der<br />
spezifizierten Abrechnung für das allgemeine Auftragsrecht sachlich rechtfertigen lässt<br />
und ob die dargestellte Spezifizierungspflicht als Abrechnungspflicht gemäss Art. 400<br />
OR mit Geltung für das gesamte Auftragsrecht verallgemeinert werden kann.<br />
Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Fragen ist die Besinnung auf den Zweck der<br />
Abrechnung: Der Zweck der Rechnung ist die Überprüfung der Angemessenheit der<br />
Rechnung. 1374 Es ist damit nicht der eigentliche Zweck der Rechnung, etwa die<br />
Vertragsausführung als solche oder gar einzelne Details der Auftragsausführung zu<br />
kontrollieren. Überprüft werden soll bloss die Angemessenheit <strong>des</strong> Honorars. Im<br />
Blickpunkt der entsprechenden Abrechnungsverpflichtung ist nicht die Leistung als<br />
1371<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.6.3.<br />
1372<br />
Umbricht, 33.<br />
1373<br />
Umbricht, 33. Dazu auch die Bemerkung von Späh, 403, wonach die Fragen rund um die<br />
korrekte Rechnungsstellung immer wieder Gegenstand von Verzeigungen in der<br />
aufsichtsrechtlichen Praxis seien.<br />
1374 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.
- 280 -<br />
solche, sondern nur ihr Verhältnis zu einer Vergütung (weshalb auch von einer sog.<br />
„prüfbaren Rechnung“ gesprochen wird 1375 ). Dabei entspricht es dem Wesen der<br />
massgebenden Kriterien bei dieser Überprüfung, dass eine Fokussierung auf die<br />
Gesamtleistung oder auf Untergruppen von Leistungen erfolgt. 1376 Damit wird von<br />
vornherein in diesem Überprüfungskonzept eine deutliche Unschärfe in Kauf<br />
genommen.<br />
Eine Spezifizierungspflicht, wie sie im vorangehenden Abschnitt für das Anwaltsrecht<br />
dargestellt wurde, führt demgegenüber zu einer eigentlichen, wenn auch<br />
nachgeschalteten Kontrolle über die Tätigkeiten <strong>des</strong> beauftragten Anwalts. <strong>Die</strong> Art der<br />
Detaillierung erfordert die Aufführung einer Vielzahl von spezifischen Leistungen<br />
unter Angabe der entsprechenden Zeitangabe, was eine Transparenz in die ganze<br />
Auftragsausführung bringt, die sich nicht ohne Weiteres mit den allgemeinen<br />
Charakteristika <strong>des</strong> Auftragsrechts verträgt: 1377 vor den Doppelpunkt Wie die<br />
bisherigen Ausführungen im rechtssystematischen Teil der Arbeit aufgezeigt haben,<br />
zeichnet sich der Auftragsvertrag gerade durch einen dem Auftraggeber zugestandenen<br />
Autonomiebereich aus. 1378 Vor diesem Hintergrund sind die weit gehenden<br />
Detaillierungsvorschriften aus dem Anwaltsvertrag im allgemeinen Auftragsvertrag<br />
kaum zu rechtfertigen, weshalb die Spezifizierungspflicht im allgemeinen<br />
Mandatsvertragsrecht gesondert zu umschreiben ist.<br />
<strong>Die</strong> Auseinandersetzung mit dem Zweck der Rechnung und den Argumenten<br />
„Überprüfbarkeit“ und „Angemessenheit“ haben ergeben, dass gerade keine<br />
nachgeschaltete Kontrolle beabsichtigt ist, soweit sie über eine Globalkontrolle<br />
hinausreicht. 1379 Eine detaillierte Spezifizierungspflicht widerspricht einer bewusst in<br />
Kauf genommenen „Unschärfe“ im Recht der Rechnungsstellung, wie sie bereits in<br />
der Zweckumschreibung angelegt ist. <strong>Die</strong> Rechtfertigung der weiter gehenden<br />
Spezifizierungspflicht im Bereich <strong>des</strong> Anwaltsrechts ist spezifisch im besonderen<br />
Verhältnis zwischen Klient und Anwalt zu suchen, wodurch diese Beziehung auch im<br />
Interesse einer weiteren Öffentlichkeit steht. 1380 Es besteht <strong>des</strong>halb auch ein<br />
grundsätzlich öffentliches Interesse, dass die Spezifizierungspflicht in einem<br />
1375<br />
So die Formulierung von BK-Fellmann, Art. 400 N 50.<br />
1376<br />
Siehe dazu insbesondere Kapitel 3.7.3.4.4.1.<br />
1377<br />
Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3.5 und 3.7.2.<br />
1378<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2, 3.3.3.4.4 und 3.4.3.<br />
1379<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.<br />
1380<br />
Siehe dazu ZR 79 Nr. 62 E. 2 und ZR 86 Nr. 106 E. 3 und 4.
- 281 -<br />
entsprechenden Detaillierungsgrad besteht. Der Rechtssuchende, der den Anwalt<br />
gerade auch in einem eigentlichen Monopolbereich aufsucht (Betreuung von<br />
Rechtsverfahren etc.), soll in diesem besonderen Verhältnis besonders geschützt<br />
werden. Aufgrund der <strong>St</strong>ellung als Anwalt trifft dies nicht im eigentlichen<br />
Monopolbereich zu, sondern umfasst seine gesamte Tätigkeit, da diese Art der<br />
Rechnungsstellung mit seiner Eigenschaft als Anwalt verbunden wird. Der<br />
Regelungsgedanke, dass der Anwalt aufgrund seiner Eigenschaft einer besonderen<br />
Verpflichtung im Rahmen der Abrechnungspflicht unterliegt, gelangt auch sehr<br />
deutlich im Zusammenhang mit der Spezifizierungspflicht zum Vorschein, wenn ein<br />
Mandat mit besonderer Vergütungsform in Rede steht. 1381<br />
Aus diesen Überlegungen folgt, dass die im Anwaltsvertrag dargestellte<br />
Spezifizierungspflicht im Rahmen der Pflicht zur Rechnungsstellung nicht<br />
verallgemeinert werden kann. Eine Spezifizierungspflicht im allgemeinen<br />
Mandatsrecht nach Art. 400 Abs. 1 OR muss folglich aus den Erwägungen abgeleitet<br />
werden, wie sie sich aus den Ergebnissen <strong>des</strong> rechtssystematischen Teils der<br />
vorliegenden Arbeit und im Zusammenhang mit der Analyse <strong>des</strong> Zwecks der<br />
Rechnung ergeben. Da hierbei jedoch die Thematik und der Inhalt vorgegeben werden<br />
können, handelt es sich bei der Pflicht zur Rechnungsstellung und damit bei der<br />
gesamten Abrechnungspflicht um eine eigentliche Berichtspflicht, welche nachfolgend<br />
inhaltlich für den Bereich <strong>des</strong> allgemeinen Auftragsrechts dargestellt werden soll.<br />
Aufgrund der bisherigen Ergebnisse aus der Arbeit können folgende inhaltliche<br />
Aussagen für eine Berichtspflicht „spezifizierte Abrechnung“ mit Geltung für das<br />
gesamte Mandatsrecht festgehalten werden:<br />
(1) Es wird durch die Spezifizierungspflicht im allgemeinen Auftragsrecht kein<br />
Informationsrecht eingerichtet, welches nachträglich eine eigentliche Kontrolle über<br />
die Auftragsausführung schaffen will.<br />
(2) Thematisch ist die Berichtspflicht auf die Abrechnungspflicht begrenzt, welche<br />
eine blosse Überprüfung der Angemessenheit der Rechnung bezweckt.<br />
(3) Der Zweck der Rechnung bringt es mit sich, dass nicht jede Teilleistung<br />
aufzuführen und mit der Angabe <strong>des</strong> Preises zu versehen ist. Der eigentliche Zweck<br />
der Rechnung setzt lediglich voraus, dass die (zusammengefassten) Leistungen,<br />
1381 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.4.
- 282 -<br />
welche in einem inneren Zusammenhang stehen, separat mit einem Preis versehen<br />
werden.<br />
(4) Setzt sich demnach der Auftrag aus Teilleistungen zusammen, die aber letztlich<br />
eine Leistung darstellen, weil alle Teilleistungen einen inneren Zusammenhang<br />
aufweisen, so ist auch nur die Auflistung einer Leistung und eines Zeitaufwan<strong>des</strong> resp.<br />
einer Preisangabe geschuldet.<br />
(5) Es wird eine „Unschärfe“ in der Rechnungsstellung bewusst in Kauf genommen.<br />
Aus diesem Grund müssen nicht alle Leistungen aufgeführt werden. Im Unterschied<br />
zur anwaltlichen Rechnungsstellung können gleichartige und verschiedenartige<br />
Leistungen zusammengefasst werden, soweit ein innerer Zusammenhang gegeben ist.<br />
(6) Dabei reicht ein genereller Beschrieb der eigentlichen Tätigkeitsfelder aus, welcher<br />
die einzelnen Leistungen abstrakt zusammenfasst.<br />
(7) <strong>Die</strong> getrennte Aufführung von Telefonaten und Besprechungen ist nicht<br />
notwendig.<br />
(8) <strong>Die</strong> Angaben der jeweiligen Personen, mit welchen Besprechungen und Telefonate<br />
stattgefunden haben, sind nicht erforderlich.<br />
(9) Aus dem Kriterium der Angemessenheit folgt, dass sowohl die Grundlage <strong>des</strong><br />
geltend gemachten Vergütungsanspruches (insbesondere Vergütungsform) als auch<br />
der Totalbetrag anzuführen sind. 1382 Bei einem Zeithonorar ist also entweder der<br />
entsprechende <strong>St</strong>undenansatz (gegebenenfalls pro zusammengefasste Leistung) oder<br />
die <strong>St</strong>undenanzahl offenzulegen. Sind verschiedene Personen auf Seiten <strong>des</strong><br />
Auftragnehmers mit der Ausführung <strong>des</strong> Auftrages beschäftigt, reicht die Angabe<br />
eines durchschnittlichen <strong>St</strong>undensatzes aus. <strong>Die</strong>se Angaben sind anzuführen, weil im<br />
Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungslegung die Spezifizierung insbesondere<br />
auch aufdecken will, „ob die Geschäfte getreulich und haushälterisch besorgt worden<br />
sind.“ 1383<br />
(10) Eine Abrechnung, welche den vorangehenden Ausführungen entspricht, ist im<br />
Rahmen <strong>des</strong> allgemeinen Auftragsrechts als „vollständig“ zu betrachten. Damit erfüllt<br />
1382 Zur Spezifizierungspflicht bei den verschiedenen Vergütungsformen: Siehe dazu Kapitel<br />
3.7.3.4.5.2.4.<br />
1383 Hofstetter, 2000, 118. Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.
- 283 -<br />
eine entsprechende Abrechnung das Qualitätskriterium „Vollständigkeit“, welches im<br />
Zusammenhang mit Informationspflichten nach Art. 400 OR gefordert wird.<br />
(11) Als weiteres Qualitätsmerkmal einer Informationspflicht im Kontext von Art. 400<br />
Abs. 1 OR (und damit auch der Abrechnungspflicht) wird die „Richtigkeit“ der<br />
entsprechenden Informationen angeführt. Im Rahmen der Informationspflichten von<br />
Art. 400 OR ist zu fordern, dass die Richtigkeit der aufgeführten Tatsachen in einer<br />
Rechnung überprüfbar ist. <strong>Die</strong>s erfolgt im Bereich der Pflicht zur Rechnungslegung<br />
mit der entsprechenden Aufzeichnungs- und Belegungspflicht (Entsprechen<strong>des</strong> gilt im<br />
Bereich <strong>des</strong> Auslagenersatzrechts nach Art. 402 OR). Im Rahmen der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung (und damit im Zusammenhang mit der Überprüfung <strong>des</strong> Honorars)<br />
ist zu beachten, dass gerade die in der geforderten Art aufgeführten Informationen<br />
deren Richtigkeit bestätigen: „Ist der Anwalt den Anforderungen an die Spezifizierung<br />
der einzelnen Positionen einer Honorarrechnung nachgekommen, ist in aller Regel<br />
davon auszugehen, dass die darin enthaltenen Angaben über den Zeitaufwand richtig<br />
in dem Sinne sind, dass sie keiner weiteren Begründung bedürfen.“ 1384 Damit hat der<br />
Beauftragte seine Beweislast erfüllt. 1385 Mit anderen Worten: Da es sich bei der Pflicht<br />
zur Rechnungsstellung um eine Berichtspflicht handelt, wird der Inhalt und damit die<br />
Richtigkeit der Pflicht gerade durch die Pflicht selbst definiert, weshalb es keine<br />
eigentliche weitere Kontrolle gibt. 1386 Entsprechend ist im Zusammenhang mit der<br />
Pflicht zur Rechnungsstellung der eigenständige Beweis der Richtigkeit nicht<br />
vorgesehen. 1387 <strong>Die</strong>sem Umstand ist bei der Formulierung von Belegungs- und<br />
Aufzeichnungspflichten im Rahmen der Pflicht zur Rechnungsstellung Beachtung zu<br />
schenken. 1388 Bei vollständig erfüllter Abrechnungspflicht ist es Sache <strong>des</strong><br />
Auftraggebers, Mängel an den Arbeitsleistungen und damit die allfällige Reduktion<br />
der Vergütung darzulegen.<br />
(12) Abschliessend wird auch die „Wahrheit“ der Information als Qualitätskriterium<br />
im Zusammenhang mit einer Informationspflicht gemäss Art. 400 OR aufgeführt.<br />
Dabei handelt es sich um ein Kriterium, welches im Rahmen der gesamten<br />
1384<br />
Testa, 202 (mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).<br />
1385<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.3.<br />
1386<br />
In diesem Sinne wohl auch ZR 91 Nr. 72 E. 1, in welchem die Begriffe „Spezifizierung“<br />
und „Substantiierung“, bezogen auf die Pflicht zur Rechnungsstellung, als Synonyme<br />
verwendet werden.<br />
1387 Zur sehr umfassenden Spezifizierungspflicht <strong>des</strong> Anwaltes im Falle der Bestreitung der<br />
Forderung durch den Klienten: Testa, 202 (mit Hinweis auf den illustrativen Entscheid in<br />
ZR 89 Nr. 85).<br />
1388 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.7.4.
- 284 -<br />
Abrechnungspflicht zu beachten ist. 1389 Es gilt der Grundsatz, dass jede Information im<br />
Rahmen der Rechnungsstellungspflicht dem Qualitätskriterium „Wahrheit“<br />
entsprechen muss. In diesem Zusammenhang ist betreffend <strong>des</strong> Auslagen- und<br />
Verwendungsersatzrechtes speziell darauf hinzuweisen, dass das Wahrheitsgebot den<br />
<strong>Beauftragten</strong> auch verpflichtet, die Unterscheidung zu den sog. Generalunkosten,<br />
welche im Rahmen <strong>des</strong> allgemeinen Vergütungsanspruchs abgedeckt sind, korrekt<br />
vorzunehmen. Im Übrigen ermöglicht in der Praxis die Art der Belegung der<br />
entsprechenden Positionen die Überprüfung der Wahrheit der Information. 1390<br />
<strong>Die</strong>se Ausführungen zeigen, dass ausserhalb <strong>des</strong> Anwaltsvertragsrechts die Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung eine weniger weit zu spezifizierende Informationspflicht ist, da<br />
einzig der allgemeine Zweck der Rechnung inhaltsbestimmend ist. Solange der Zweck<br />
der Rechnung erfüllt wird, hat der Auftragnehmer Freiheit in der Rechnungsstellung.<br />
<strong>Die</strong>s entspricht auch der allgemeinen Feststellung im Zusammenhang mit dem<br />
Mandatsrecht, dass dieser Vertrag ohne Kontrollrecht besteht. 1391 Aufgrund der<br />
Ausführungen präsentiert sich die Abrechnungspflicht als eine standardisierte<br />
Informationspflicht, welche als Berichtspflicht das Thema und den Inhalt vorgibt. Mit<br />
einer entsprechend spezifizierten Rechnung erfüllt der Auftragnehmer alle<br />
Anforderungen ein eine Abrechnungspflicht und damit alle Anforderungen einer<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“, welche ihre Rechtsgrundlage in Art. 400 Abs. 1<br />
OR hat. In rechtshistorischer Hinsicht kann sich diese Art der Spezifizierungspflicht,<br />
welche sich am Zweck der Rechnung orientiert, auch auf die frühe Rechtsprechung<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts zu Art. 398 aOR abstützen, 1392 welche der Rechtslage unter Art.<br />
400 OR entspricht. Damit kann angemerkt werden, dass es sich bei der<br />
Abrechnungspflicht um den tradierten Pflicht- und Regelungsinhalt der<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ handelt. 1393<br />
3.7.3.4.5.2.4 Einfluss der Vergütungsform auf die Spezifizierungspflicht<br />
Es wurde bereits verschiedentlich darauf hingewiesen, dass den entsprechenden<br />
Ausführungen zur Spezifizierungspflicht im Rahmen der Abrechnungspflicht<br />
grundsätzlich die Abrede eines Zeithonorars unterstellt wurde. Im Falle der<br />
1389<br />
Hofstetter, 2000, 118.<br />
1390<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.7.3.<br />
1391<br />
Siehe dazu Kapitel 3.5 und 3.7.2.<br />
1392<br />
Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2.8.4.2.<br />
1393<br />
Siehe dazu Kapitel 2.8, aber auch das ganze Kapitel 2.
- 285 -<br />
Vereinbarung eines Zeithonorars 1394 findet die in den vorgängigen Abschnitten<br />
dargestellte Spezifikationspflicht Anwendung. Damit erscheint die Vergütung nach<br />
dem Zeithonorar auch im Bereich der Spezifizierungspflicht als Normalfall. <strong>Die</strong><br />
Ausführungen zur Spezifizierungspflicht haben gezeigt, dass zwischen den<br />
Anforderungen <strong>des</strong> Anwaltsrechts und <strong>des</strong> allgemeinen Mandatsrechtes zu<br />
unterscheiden ist: Im zuletzt genannten Fall ist eine inhaltlich deutlich weniger<br />
detaillierte Pflicht der Abrechnung zu beachten, da die allgemeinen Überlegungen zum<br />
Zweck der Rechnung und die <strong>St</strong>ruktur <strong>des</strong> Mandatsrechts zu berücksichtigen sind. 1395<br />
In diesem Abschnitt soll weiter geklärt werden, welche Aussagen über die<br />
Spezifizierungspflicht bei anderen Vergütungsformen 1396 anzubringen sind. Im Bereich<br />
der übrigen pauschalen Vergütungsformen (Pauschalvergütung, Prozentvergütung und<br />
Erfolgsbeteiligung) fällt die Beantwortung der Frage nach dem Einfluss der<br />
Vergütungsform auf die entsprechende Pflicht zur Rechnungsstellung differenziert<br />
aus. Wie sich nachfolgend zeigen wird, ist ebenfalls eine Differenzierung zwischen der<br />
Rechtslage im spezifischen Anwaltsvertrag einerseits und im allgemeinen<br />
Auftragsrecht anderseits vorzunehmen. Hierzu ist bereits an dieser <strong>St</strong>elle festzuhalten,<br />
dass im allgemeinen Auftragsrecht zwischen den übrigen pauschalen<br />
Vergütungsformen (Erfolgs-, Prozent- oder Pauschalhonorar) keine Unterscheidungen<br />
zu treffen sind. Allerdings ist bereits an dieser <strong>St</strong>elle darauf hingewiesen, dass sich<br />
bezüglich der Belegungspflicht entsprechende Unterschiede zwischen den<br />
verschiedenen Vergütungsformen ergeben. 1397<br />
Im Zusammenhang mit der Spezifizierungspflicht bei der Vereinbarung von Erfolgs-,<br />
Prozent- oder Pauschalhonoraren wird ausgeführt, dass eine Spezifizierungspflicht<br />
„naturgemäss“ dahinfalle: Aus dem Umstand der <strong>St</strong>atuierung von Pauschalierungen in<br />
der auf Anwälte anwendbaren Kostenverordnung 1398 hat die Anwaltskammer <strong>des</strong><br />
Kantons Luzern die Schlussfolgerung gezogen, dass aus „der Natur der Sache nach<br />
einer Spezifikation der einzelnen Verrichtungen nicht verlangt werden kann.“ 1399<br />
<strong>Die</strong>sbezüglich wird in der Lehre darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen ein<br />
„Anspruch auf Rechenschaftsablegung mangels Rechtsschutzbedürfnis <strong>des</strong><br />
1394<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.5.3.<br />
1395<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4 und 3.5.<br />
1396<br />
Siehe dazu die Übersicht in Kapitel 3.7.3.4.5.2.4.<br />
1397<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.7.2 – 3.7.3.4.7.4.<br />
1398<br />
(Alte) Verordnung über die Kosten in den Zivil- und <strong>St</strong>rafverfahren <strong>des</strong> <strong>St</strong>an<strong>des</strong> Luzern.<br />
1399<br />
LGVE 1971 I Nr. 121 [S. 139]. <strong>Die</strong>ser Ansicht folgt auch Gmür, N 421 FN 336.
- 286 -<br />
1400 Auftraggebers zu verneinen ist.“ Aufgrund dieser Situation kann die<br />
Schlussfolgerung gezogen werden, dass einer pauschalierten Vergütung eine<br />
„pauschale“ Informationspflicht „Rechenschaft“ gegenüber steht, die sich in extremis<br />
auf die Mitteilung der Auftragserfüllung und der Angabe <strong>des</strong> Totalbetrages<br />
beschränken würde. In diesem Fällen decken sich die Anforderungen mit jenen aus<br />
1401 einer ersten, pauschalen Rechnungsstellung. Im Rahmen der<br />
Aufzeichnungspflichten ist in den Fällen von Prozent- oder Erfolgsvergütungen<br />
allerdings die Berechnungsgrundlage in der Abrechnung offenzulegen. 1402 <strong>Die</strong>se<br />
Offenlegung erübrigt sich allerdings im Falle einer Vereinbarung eines<br />
Pauschalbetrages. Eine zusätzliche Abgrenzungsfrage stellt sich allenfalls <strong>des</strong>halb,<br />
wenn zu klären ist, ob es sich bei der Abrede um eine Vereinbarung einer sog.<br />
Totalpauschale handelt, welche auch die Beträge aus dem Bereich <strong>des</strong> Auslagen- und<br />
Verwendungsersatzrechtes beinhaltet. 1403<br />
Mit der entsprechenden Grundsatzfrage hatten sich auch die Zürcher<br />
Rechtsprechungsinstanzen im Rahmen <strong>des</strong> Anwaltsrechts in den letzten Jahren<br />
mehrmals auseinanderzusetzen. Im Gegensatz zur dargestellten Praxis und Lehre zum<br />
allgemeinen Mandatsrecht wurde hier die Zwecksetzung der Rechnung 1404 generell<br />
und verstärkt in den Vordergrund gerückt, was zu einer allgemeinen Anwendbarkeit<br />
der Spezifizierungspflicht auch bei der Vereinbarung einer anderen Vergütungsformen<br />
als dem Zeithonorar führte. So hatte die Aufsichtskommission 1405 entschieden, dass<br />
die Honorarrechnung auch bei einer Pauschalhonorarabrede überprüfbar sein müsse,<br />
weshalb der Verzicht auf eine Spezifizierung grundsätzlich nicht möglich und folglich<br />
in der Pauschalabrede auch nicht enthalten sein könne. Noch allgemeiner hat das<br />
Zürcher Obergericht 1406 festgehalten, dass etwa ein anwaltlicher Willensvollstrecker<br />
(und damit jeder Anwalt) seinem Klienten ungeachtet der vereinbarten<br />
Vergütungsform Rechenschaft über den Zeitaufwand geben muss, weil nur auf diese<br />
Weise die Angemessenheit der Honorarforderung überprüfbar ist. Damit kommen in<br />
1400<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 84 (unter Hinweis auf die deutsche Lehre).<br />
1401<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.1.<br />
1402<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.7.4.<br />
1403<br />
Nach Gmür, N 169, und BK-Fellmann, Art. 394 N 447, ist es eine Frage der Auslegung,<br />
ob eine sog. einfache Pauschale oder eine sog. Totalpauschale vereinbart worden ist.<br />
1404 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.<br />
1405<br />
AKE 90133, Entscheid vom 6. 9. 1990.<br />
1406<br />
ZR 94 Nr. 64 E. 3c. [S. 197, linke Spalte]. <strong>Die</strong>se Rechtslage wurde in ZR 99 Nr. 50 E. 2<br />
bestätigt.
- 287 -<br />
dieser Rechtsprechung die Forderung der Vertragsgerechtigkeit und damit der<br />
Äquivalenzgedanke deutlich zum Ausdruck, 1407 welche in allen Anwaltsverträgen zu<br />
erfüllen sind.<br />
<strong>Die</strong> angesprochene aufsichtsrechtliche Rechtsprechung äussert sich bezüglich der hier<br />
interessierenden Frage zum Verhältnis von Anwaltsrecht und allgemeinen<br />
Mandatsrecht (und damit zur Verallgemeinerungsfähigkeit der entsprechenden<br />
Aussagen) und hält fest, dass sich die dargestellte Rechtslage sowohl aufgrund <strong>des</strong><br />
kantonal-öffentlichen Anwaltsrechts (§ 12 und 13 AnwG/ZH) als auch aufgrund <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong>zivilrechts (Art. 400 Abs. 1 OR) ergebe. Nach Ansicht <strong>des</strong> Gerichts handelt es<br />
sich bei der allgemein und stets anwendbaren Spezifizierungspflicht im Anwaltsrecht<br />
um eine Rechtslage, welche auch im gesamten Anwendungsbereich von Art. 400 Abs.<br />
1 OR Anwendung findet. Zur Aussage über die Verallgemeinerungsfähigkeit ist aber<br />
einzuwenden, dass bereits bei der Frage der Spezifizierungspflicht eine sachlich<br />
gerechtfertigte und deutliche Unterscheidung zwischen der Rechtslage im<br />
Anwaltsrecht und im allgemeinen Auftragsrecht vorgenommen wurde. 1408 Es kann aus<br />
diesem Grunde auch hier nicht angenommen werden, die Rechtslage im<br />
Zusammenhang mit der Spezifizierungspflicht bei pauschalen Vergütungen im Bereich<br />
<strong>des</strong> Anwaltsrechts entspreche auch der Rechtslage im allgemeinen<br />
Mandatsvertragsrecht. Bezüglich der Frage der Verallgemeinerungsfähigkeit ist aus<br />
Sicht <strong>des</strong> allgemeinen Auftragsrechts festzuhalten, dass die Abrede einer bestimmten<br />
Vergütungsform im allgemeinen Mandatsrecht ohne jede besondere Einschränkung<br />
erfolgen kann. Da auch keine nachträgliche Kontrolle eingerichtet wird und keine<br />
öffentlichen Interessen zu beachten sind, gestaltet sich die entsprechende<br />
Informationspflicht „Abrechnung“ wesentlich undetaillierter. 1409 Es ist weiter im<br />
einfachen Auftragsvertrag angelegt, dass sich zwei gleichwertige Vertragsparteien<br />
gegenüberstehen, welche aufgrund ihrer <strong>St</strong>ellung keines spezifischen und generellen<br />
Schutzes bedürfen. Aufgrund dieser Erwägungen ist <strong>des</strong>halb in der hier sich stellenden<br />
Frage der Spezifizierungspflicht bei pauschalen Vergütungsabreden im allgemeinen<br />
Auftragsrecht der Ansicht zu folgen, 1410 welche einer entsprechenden Vertragsabrede<br />
(Erfolgs-, Prozent- oder Pauschalhonorar) und den entsprechenden Konsequenzen<br />
1407 Besonders deutlich auch Tercier, N 4779, für den Fall der richterlichen Bestimmung <strong>des</strong><br />
Honorars, falls diesbezüglich eine Lücke vorliegt.<br />
1408 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.3.<br />
1409 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.3.<br />
1410<br />
Gmür, N 421 FN 336; BK-Fellmann, Art. 400 N 84 (unter Hinweis auf die deutsche<br />
Lehre).
- 288 -<br />
(keine Spezifizierung) im Rahmen der Abrechnungspflicht gemäss Art. 400 OR den<br />
Vorrang vor allgemeineren Überlegungen zum Zweck der Rechnung einräumt: 1411 Aus<br />
diesem Grund besteht im Anwendungsbereich <strong>des</strong> allgemeinen Mandatsrechts (und<br />
damit gestützt auf Art. 400 OR) bei der Vereinbarung einer Pauschalvergütung keine<br />
Spezifizierungspflicht.<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das allgemeine Mandatsrecht keine<br />
Spezifikationspflicht im Rahmen der Pflicht zur Rechnungsstellung anerkennt, wenn<br />
eine besondere Vergütungsart (Erfolgs-, Prozent- oder Pauschalhonorar) verabredet<br />
wurde. Auch in dieser Frage ist zwischen dem Anwaltsrecht und dem allgemeinen<br />
Mandatsrecht zu unterscheiden.<br />
3.7.3.4.6 Inhalt der Pflicht beim Auslagen- und Verwendungsersatzanspruch<br />
3.7.3.4.6.1 Vorbemerkungen<br />
Der Begriff und die Modalitäten <strong>des</strong> Anspruchs auf Auslagen- und Verwendungsersatz<br />
1412 wurden bereits dargestellt. Da diese Ansprüche von der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung mitumfasst werden, ist weiter auf die Ausführungen zum Zweck<br />
der Rechnung hinzuweisen, wobei „Überprüfbarkeit“ und „Angemessenheit“ die<br />
zentralen Begriffe sind. 1413<br />
Im Bereich <strong>des</strong> Anspruchs auf Auslagenersatz kommt der Frage der Überprüfbarkeit<br />
eine zentrale Funktion zu: In erster Linie ist in diesem Bereich eine klare Leistung zu<br />
beurteilen, für die der Auftragnehmer vom Auftraggeber Ersatz fordert. Dabei fällt die<br />
Überprüfbarkeit der Auslage in diesem Bereich in der Regel mit der Frage der<br />
Belegungspflicht zusammen, weshalb auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen<br />
werden kann. 1414 Demgegenüber ist die Frage der Angemessenheit sowohl im Bereich<br />
<strong>des</strong> Auslagen- als auch <strong>des</strong> Verwendungsersatzes von Bedeutung, da dieses Kriterium<br />
bei der Beurteilung der Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit entscheidend ist. Es<br />
ist in diesem Zusammenhang auch sicherzustellen, dass die Abgrenzung zu den<br />
Generalunkosten beachtet wird.<br />
1411<br />
Anders die bun<strong>des</strong>gerichtliche Rechtsprechung, welche auch hier eine Spezifizierung<br />
fordert, weil die der Zweck der Rechnung fordert: Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel<br />
3.7.3.2.1 (BGE 117 II 282ff. und BGE 101 II 109ff.).<br />
1412<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.3.<br />
1413<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.<br />
1414<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.7.3.
- 289 -<br />
3.7.3.4.6.2 Gegenstand und Zweck der Spezifizierung<br />
Grundsätzlich müssen Auslagen und Verwendungen zum Zweck der<br />
Auftragsausführung erbracht worden sein, wenn ein entsprechender Ersatz geltend<br />
gemacht und durchgesetzt werden soll. Dabei müssen die Auslagen und<br />
Verwendungen „zur Ausführung <strong>des</strong> Auftrages erforderlich sein.“ 1415 Für die<br />
praktische Handhabung dieses Massstabes kann auf die Lehre zum Recht der<br />
Geschäftsführung ohne Auftrag verwiesen werden, in welcher der in Art. 422 Abs. 1<br />
OR geregelte analoge Anspruch wie folgt angewendet wird: 1416 „Wie sich aus dem<br />
französischen Gesetzestext klar ergibt, sind die notwendigen Verwendungen in jedem<br />
Falle zu ersetzen, die nützlichen hingegen nur, soweit sie verhältnismässig waren (‚le<br />
maître doit rembourser au gérant (...) toutes ses dépenses nécessaires ainsi que ses<br />
dépenses utiles justifiées par les circonstances.‘).“ 1417 Auf diese Weise kann die<br />
1418 einzelne Position qualifiziert und beurteilt werden. <strong>Die</strong> Grenze der<br />
Verhältnismässigkeit wäre aber etwa dort erreicht, wo bereits gemäss einer<br />
hypothetischen ex ante Beurteilung eine Auslage oder Verwendung als nicht<br />
notwendig qualifiziert werden müsste. 1419 Unerheblich ist aber in jedem Fall, ob die<br />
Auslage oder Verwendung tatsächlich nützlich war. 1420<br />
3.7.3.4.6.3 Zwingende Spezifizierungspflicht<br />
Im Rahmen der Vergütungspflicht wurde dargestellt, dass eine erstmalige<br />
Geltendmachung <strong>des</strong> Honoraranspruchs durch den Auftragnehmer grundsätzlich<br />
pauschal erfolgen kann (pauschale Rechnungsstellung). 1421<br />
Im hier untersuchten Zusammenhang ist es aber gerade die im vorangehenden<br />
Abschnitt dargestellte Notwendigkeits- und Verhältnismässigkeitsprüfung, welche<br />
eine detaillierte Einzelauflistung jeder Auslage und jeder Verwendung erforderlich<br />
1415<br />
BK-Fellmann, Art. 402 N 40 (mit weiteren Hinweisen).<br />
1416<br />
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass aus einer anderen Terminologie nichts<br />
abgeleitet werden kann. Nach Ansicht von BK-Gautschi, Art. 402 N 2a (mit Hinweisen<br />
auf die Rechtsprechung), „erwachsen dem vertragslosen Geschäftsführer nach Art. 422<br />
OR die nämlichen Ansprüche wie dem unentgeltlichen Mandatar aus Art. 402 OR.“<br />
1417 Schmid, Nr. 497 (Hervorhebungen im Original).<br />
1418 Siehe diesbezüglich auch die deutsche Rechtslage in § 670 BGB, wonach jene<br />
Aufwendungen durch den Auftraggeber zu ersetzen sind, die der Beauftragte „den<br />
Umständen nach für erforderlich halten durfte (...).“ Gefordert wird die Ausübung eines<br />
pflichtgemässen Ermessens (Soergel-Beuthien, § 670 Rz 5), wobei der Massstab der sog.<br />
subjektiv vernünftigen Prognose gerichtlich Anwendung findet (BGH NJW 1989, 1285).<br />
1419<br />
BK-Fellmann, Art. 402 N 77 (<strong>Die</strong>ser Autor nennt diese Aufwendungen „unberechtigte<br />
Aufwendungen“).<br />
1420<br />
BK-Fellmann, Art. 400 N 46.<br />
1421 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.1.
- 290 -<br />
macht. Dabei ist erforderlich, dass insbesondere „Drittkosten (...) min<strong>des</strong>tens<br />
herkunfts- und betragsmässig sichtbar gemacht werden.“ 1422 Damit ist eine detaillierte<br />
und transparente Abrechnung erforderlich. Durch diese Art der Offenlegung in der<br />
Abrechnung wird auch das Sonderproblem der Abgrenzung zu den sog.<br />
Generalunkosten gelöst. Im Zusammenhang mit dem Verwendungsersatzrecht wurde<br />
dementsprechend in der Rechtsprechung bereits früh festgehalten, dass die Auslagen<br />
und Verwendungen einzeln aufgeführt werden müssen. 1423 „Danach kann die Kostenund<br />
Honorarnote allgemein gehalten sein. <strong>Die</strong> Kosten sind dabei getrennt<br />
aufzuführen.“ 1424 Es ist der Ansicht zu folgen, dass eine Abrechnung zum Vornherein<br />
ungenügend ist, wenn die Barauslagen (und Verwendungen) nicht einzeln aufgeführt<br />
und nicht vom Honorar unterschieden werden. 1425 <strong>Die</strong>s deckt sich auch mit der<br />
Rechtsprechung, wie sie im Rahmen der allgemeinen Spezifizierungspflicht ergangen<br />
ist, wird doch dort „selbstverständlich auch eine detaillierte Spesenrechnung“<br />
gefordert. 1426<br />
Im Gegensatz zur mangelnden Verallgemeinerungsfähigkeit im Bereich <strong>des</strong><br />
Vergütungsanspruchs 1427 gelten diese Ausführungen aber sowohl im Bereich <strong>des</strong><br />
Anwaltsrechts als auch im Bereich <strong>des</strong> allgemeinen Auftragsrechts. Abschliessend ist<br />
anzuführen, dass die Spezifizierungspflicht in diesem Bereich auch unabhängig von<br />
der vereinbarten Vergütungsform ist, weshalb der entsprechende Anspruch auf<br />
Auslagen- und Verwendungsersatz grundsätzlich stets von vornherein zu spezifizieren<br />
ist. <strong>Die</strong> Ausnahme betrifft einzig die Abrede einer sog. Totalpauschale. 1428<br />
Damit gilt als erste <strong>St</strong>ufe der Geltendmachung <strong>des</strong> Anspruchs auf Auslagen- und<br />
Verwendungsersatz die detaillierte Auflistung jeder einzelnen Position. In der zweiten<br />
<strong>St</strong>ufe ist demgegenüber eine Begründung mittels Belegen gefordert (sog.<br />
Belegungspflicht). 1429<br />
1422<br />
Testa, 203 (unter Hinweis auf AKE 90168 vom 7.2.1991).<br />
1423<br />
ZR Nr. 66 Nr. 85 E. 2 mit Hinweis auf die frühere Rechtsprechung in ZR 55 Nr. 177 [S.<br />
375]. In LGVE 1971 I Nr. 121 wurde bezüglich der Auslagen festgehalten, dass diese<br />
spezifiziert aufgeführt werden müssen.<br />
1424 So die Walliser Rechtsprechung in RJV 1989 327 E. 3f/bb (i.V.m. 3f/cc).<br />
1425 Das führt letztlich zur Aussage, dass die minimale Rechnung zwei Rechnungsposten hat:<br />
Umbricht, 33.<br />
1426 ZR 79 Nr. 62 E. 2 (Es ist der Höhepunkt der Spezifizierungspflicht).<br />
1427 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.3.<br />
1428 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.3.<br />
1429 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.7.3.
- 291 -<br />
3.7.3.4.7 Belegungs- und Aufzeichnungspflicht bei der Abrechnungspflicht<br />
Wie bereits zuvor dargelegt worden ist, ist die Belegungs- und Aufzeichnungspflicht<br />
als ein Bestandteil der Abrechnungspflicht anzusehen. 1430 In diesem Abschnitt wird<br />
einzig eine Belegungspflicht und Aufzeichnungspflicht dargestellt, soweit sie sich auf<br />
der Grundlage der Abrechnungspflicht gemäss Art. 400 Abs. 1 OR ergeben. 1431<br />
3.7.3.4.7.1 Vorbemerkungen<br />
3.7.3.4.7.1.1 Belege<br />
Es handelt sich bei den Belegen um jene Bestandteile der Abrechnungspflicht, welche<br />
die Richtigkeit (und Wahrheit) einzelner Positionen der Abrechnung belegen können.<br />
Bei Belegen im hier dargestellten Sinne handelt es sich um Aufzeichnungen, die dem<br />
<strong>Beauftragten</strong> von Dritten in schriftlicher Form zugehen. Aus der Belegungspflicht<br />
folgt auch die vorgelagerte Pflicht zur Aufbewahrung der Belege. 1432 <strong>Die</strong><br />
Aufbewahrungspflicht richtet sich dabei nach verschiedenen Grundsätzen, etwa Art.<br />
962 OR, AnwG etc. 1433<br />
Als Teil der Abrechnungspflicht sind diese Belege auf ausdrückliches Verlangen <strong>des</strong><br />
Auftraggebers von der entsprechenden Informationspflicht „Rechenschaft“ erfasst,<br />
wodurch eine Pflicht zur spezifizierten und belegten Abrechnung resultiert. 1434 <strong>Die</strong><br />
Rechtsprechung hat bezüglich der Belegungspflicht klargestellt, dass es „keine<br />
Ausnahme bezüglich Führung von Rechenschaftsablegung, Buchhaltung,<br />
Belegsammlung und dergleichen (...)“ 1435 gibt, weshalb etwa in diesem Entscheid die<br />
beklagte Partei erfolglos behauptete, sie habe die Belege bereits entsorgt. Damit gibt es<br />
etwa auch keinen Beweisnotstand aus Mangel an Belegen, der sich zu Gunsten <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> auswirken könnte. 1436 <strong>Die</strong> Belegungspflicht ist ein eigentliches<br />
<strong>St</strong>andardprogramm im Rahmen der Abrechnungspflicht von Art. 400 OR, weshalb<br />
etwa ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Vertragsparteien ohne Einfluss auf<br />
1430<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.1.1.1.<br />
1431<br />
Für die allgemeine Dokumentationspflicht: Siehe dazu Kapitel 3.2. Zur<br />
Ablieferungspflicht gewisser Aufzeichnungen: Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4 und 3.3.4.<br />
1432 BK-Fellmann, Art. 400 N 45f.<br />
1433 Siehe dazu ausführlich: Weber, Aufbewahrung, 67ff.<br />
1434 Hofstetter, 2000, 118. BGE 110 II 181ff., E. 2.<br />
1435<br />
ZR 83 Nr. 59 E. IV. 5b. Ebenso der entsprechende Berufungsentscheid in BGE 110 II<br />
181ff., E. 2.<br />
1436<br />
In BGE 110 II 181ff., E. 2 wird die Anwendung der Grundsätze aus BGE 108 II 204ff., E.<br />
6b (Rechtsfolgen der Beweisnot im Falle der Liquidation von Konkubinatsverhältnissen)<br />
explizit abgelehnt, da bereits in jenem Entscheid die Anwendung <strong>des</strong> Auftragsrechtes<br />
explizit vorbehalten worden war.
- 292 -<br />
die entsprechende Verpflichtung ist. 1437 Es kann aus diesen Gründen von der<br />
allgemeinen Pflicht zur Belegung der Abrechnung gesprochen werden, welche im<br />
gesamten Mandatsrecht Anwendung findet.<br />
3.7.3.4.7.1.2 Aufzeichnungen<br />
Im Gegensatz zu den Belegen handelt es sich bei den Aufzeichnungen um Dokumente,<br />
die vom Beauftragen selber erstellt werden, welche gewisse Tatsachen festhalten<br />
sollen. In diesem Zusammenhang kann auf die Ausführungen zur schuldrechtlichen<br />
Dokumentationspflicht verwiesen werden, bei welcher die Abrechnungspflicht <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> explizit auch als eine Grundlage der entsprechenden Pflicht genannt<br />
wird. 1438 Aufgrund dieses Umstan<strong>des</strong> ist nachfolgend herauszuarbeiten, welche<br />
Aufzeichnungen aus der Dokumentationspflicht im Zusammenhang mit der<br />
Abrechnungspflicht vorzulegen und übergeben werden müssen.<br />
3.7.3.4.7.2 Im Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungslegung<br />
Im Rahmen dieser Arbeit wurde verschiedentlich ausgeführt, dass die Pflicht zur<br />
Rechnungslegung als fester Bestandteil der Abrechnungspflicht und damit der<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ im Sinne von Art. 400 OR inhaltlich mit der<br />
Ablieferungsobligation verbunden ist. 1439 In erster Linie werden <strong>des</strong>halb vom<br />
<strong>Beauftragten</strong> Aufzeichnungen über Ein- und Ausgaben gefordert, wobei diese<br />
„Buchführungspflicht“ selbstredend keine eigentliche oder vollständige doppelte<br />
Buchhaltung sein muss. 1440 Der Gegenstand der Belegungs- und Aufzeichnungspflicht<br />
in diesem Bereich der Abrechnungspflicht erklärt sich weitgehend durch den<br />
Gegenstand der Pflicht zur Rechnungslegung selbst. In inhaltlicher (aber auch<br />
formeller) Hinsicht müssen die Aufzeichnungen die entsprechenden Zwecksetzungen<br />
erfüllen können: Substanziierung der Ablieferungsobligation und entsprechende<br />
Kontrolle über die diesbezüglichen finanziellen Aspekte der Mandatsbeziehung. Der<br />
Beauftragte ist damit verpflichtet, eine Zusammenstellung der Ein- und Ausgaben<br />
auszuhändigen und die Saldoziehung vorzunehmen.<br />
Im Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungslegung ist zu beachten, dass in<br />
diesem beschränkten Bereich eine eigentliche Kontrolle <strong>des</strong> Auftraggebers realisiert<br />
1437<br />
BGE 110 II 181ff., E. 2.<br />
1438<br />
Siehe dazu Kapitel 3.2.3.2.<br />
1439<br />
Siehe dazu Kapitel 3.3 und 3.7.3.1.2.<br />
1440<br />
BasK-Weber, Art. 400 N 7.
- 293 -<br />
wird. Aus diesem Grund sind hier allenfalls ergänzende Erklärungen zu einzelnen<br />
Positionen (Buchungen) notwendig, sofern die Angaben der ordnungsgemäss<br />
vorgenommenen Buchführung nicht selbsterklärend sind. In diesem beschränkten<br />
Bereich der Abrechnungspflicht ist gegen eine Pflicht zur Erstellung eines eigentlichen<br />
ergänzenden Berichtes nichts einzuwenden 1441 , da in diesem Bereich die Grundsätze<br />
der Fremdnützigkeit und der Interessenwahrung uneingeschränkt zur Geltung<br />
gelangen. 1442 Eine entsprechende Berichtspflicht kann sich etwa ergeben, wenn die<br />
eigentliche Buchführung nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist oder allenfalls<br />
erläuternder Bemerkungen bedarf, die das Verständnis erst ermöglichen. 1443 So ist<br />
etwa vorstellbar, dass verschiedene Positionen nur durch eine Erklärung plausibel und<br />
überprüfbar werden. Im Bereich der Pflicht zur Rechnungslegung ist entsprechend<br />
anzuerkennen, dass die Pflicht zur Rechnungslegung „die erschöpfende und<br />
1444 verständliche Zusammenstellung“ der entsprechenden Tatsachen fordert.<br />
Entsprechend der eingerichteten Kontrolle soll hier, gestützt auf die Grundsätze der<br />
Fremdnützigkeit und der Interessenwahrung, volle Transparenz und <strong>des</strong>halb<br />
vollständige Offenlegung (auch von Zusammenhängen) realisiert werden. Falls sich in<br />
diesem Zusammenhang auch Belege im Besitz <strong>des</strong> Auftragnehmers befinden, sind<br />
diese – auf Aufforderung <strong>des</strong> Auftraggebers – vorzulegen, wodurch die belegte und<br />
damit vollständige Erfüllung der Pflicht zur Rechnungslegung erfolgt.<br />
3.7.3.4.7.3 Im Zusammenhang mit dem Auslagen- und Verwendungsersatzrecht<br />
<strong>Die</strong> Bedeutung der Belege liegt deutlich im Bereich der Auslagen im Sinne von Art.<br />
402 Abs. 1 OR. Mit der entsprechenden Belegung erfüllt der Auftragnehmer die ihn<br />
diesbezüglich treffende Spezifizierungspflicht im Rahmen seiner allgemeinen<br />
Abrechnungspflicht. Der Beauftragte hat sich in diesem Zusammenhang um<br />
entsprechende Belege zu bemühen. Im Bereich der Auslagen sind jedoch folgende<br />
Grenzen der Belegung zu beachten: Belege können etwa dort nicht beigebracht werden<br />
(und werden demnach auch im Rahmen der Abrechnungspflicht nicht gefordert), wo<br />
nach dem normalen Geschäftsleben keine Quittungen etc. ausgestellt werden und sich<br />
1441 In der hL ist jedoch allgemein von einer Berichtspflicht die Rede, falls dies die Umstände<br />
erfordern (d.h. im ganzen Bereich der <strong>Rechenschaftspflicht</strong>): BK-Fellmann, Art. 400 N 52<br />
(unter Hinweis auf BK-Gautschi, Art. 400 N 28c).<br />
1442 Siehe dazu Kapitel 3.3 und 3.7.1.<br />
1443 <strong>Die</strong>s entspricht auch einer Vorstellung in der frühen Rechtsprechung der Schweiz zu Art.<br />
398 aOR: Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2.8.4.1.<br />
1444 BK-Fellmann, Art. 400 N 48.
- 294 -<br />
in der Folge auch tatsächlich keine im Besitz <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> befinden. 1445 <strong>Die</strong><br />
Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang allerdings klargestellt, dass es sich<br />
dabei um Ausnahmefälle handeln muss, 1446 steht doch bereits das Belegprinzip der<br />
Buchhaltung einer davon abweichenden Auffassung entgegen. In der Praxis wird diese<br />
Ausnahme in aller Regel ohnehin nur bei Beträgen von untergeordneter Bedeutung<br />
Anwendung finden.<br />
Im Zusammenhang mit der Verwendung sind keine Belege von Dritten vorhanden,<br />
sondern die Belegung stützt sich einzig auf Aufzeichnungen <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>. Dabei<br />
gilt als Verwendung der Verbrauch (resp. auch die übermässige Abnutzung) von<br />
Sachen, die keinen unmittelbaren Geldaufwand darstellen. 1447 Aufgrund der<br />
notwendigen Abgrenzung zu den Generalunkosten wird deutlich, dass der<br />
Auftragnehmer nur jene Aufwendungen unter dem Rechtstitel <strong>des</strong> Anspruchs auf<br />
Verwendungsersatz geltend machen können soll, die in einem unmittelbaren und<br />
ausschliesslichen Zusammenhang mit dem konkret in Rechnung gestellten Auftrag<br />
stehen. Nur wenn die allgemeinen Anforderungen (Notwendigkeit,<br />
Verhältnismässigkeit) für die Geltendmachung der Verwendung erfüllt sind, gilt eine<br />
Aufwendung als belegt. Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass hier der<br />
Auftragnehmer in die Lage versetzt ist, den entsprechenden Beleg selbst auszustellen.<br />
Der Beleg im Zusammenhang mit dem Verwendungsersatz stellt <strong>des</strong>halb einen blossen<br />
Ausweis darüber dar, was der Auftragnehmer unter dem entsprechenden Rechtstitel<br />
„Verwendung“ behauptet. Indem der Auftragnehmer aber seine diesbezüglichen<br />
Behauptungen einzeln aufführen muss, 1448 ist zum einen die Pflicht zur Spezifizierung<br />
der Rechnung erfüllt und zum anderen die damit verbundene Beweislast für diesen<br />
besonderen Teil der Abrechnungspflicht erbracht. 1449 Erforderlich ist, dass der<br />
Beauftragte alle Informationen aufführt, welche eine Überprüfbarkeit (auf<br />
Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit) einer geltend gemachten Verwendung<br />
ermöglichen.<br />
1445 BK-Fellmann, Art. 400 N 46.<br />
1446 BGE 110 II 181ff., E. 2.<br />
1447 BK-Fellmann, Art. 402 N 16f.<br />
1448<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.6.3.<br />
1449<br />
BK-Fellmann, Art. 402 N 50 (mit dem Hinweis, dass der Richter im Prozess die<br />
Aufwendungen auch schätzen kann). Hinsichtlich der Qualitätskriterien „Vollständigkeit“<br />
und „Richtigkeit“ gelten analog die Ausführungen zur Spezifizierungspflicht im Bereich<br />
der Pflicht zur Rechnungsstellung: Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.3.
- 295 -<br />
3.7.3.4.7.4 Im Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungsstellung<br />
3.7.3.4.7.4.1 Gegenstand<br />
<strong>Die</strong> Belegungs- und Aufzeichnungspflicht ist vor dem Hintergrund der Ausführungen<br />
1450 zum Zweck der Rechnung und den Ergebnissen im Bereich der<br />
Spezifizierungspflicht 1451 zu formulieren.<br />
Dabei bezieht sich eine entsprechende Pflicht von vornherein einzig auf die mögliche<br />
Belegung von Positionen, welche aufgrund der Pflicht zur Rechnungsstellung<br />
überhaupt spezifiziert werden müssen. Es handelt sich bei der Belegungs- und<br />
Aufzeichnungspflicht <strong>des</strong>halb nicht um ein eigenständiges Informationsrecht, da es<br />
dem Auftraggeber keine weiteren (oder weitergehenden) Informationen verschafft.<br />
Es wurde bereits im Rahmen der Spezifizierungspflicht <strong>des</strong> Vergütungsanspruchs auf<br />
die grundsätzliche Unschärfe der Rechnungsstellungspflicht hingewiesen, welche im<br />
Bereich <strong>des</strong> allgemeinen Mandatsrechts besteht. 1452 Aus diesem Grund ist als<br />
Ausgangspunkt auf ein Urteil <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>gerichts hinzuweisen, welches in einem<br />
Entscheid betreffend einer Vermögensverwaltung allgemein festgehalten hat, dass es<br />
für die Abrechnung nicht notwendigerweise Quittungen bedarf, „sondern es genügen<br />
jene schriftlichen Aufzeichnungen, die der Beauftragte nach Vertrag gehalten ist, über<br />
seine Tätigkeit zu verfassen.“ 1453 Unter den „schriftlichen Aufzeichnungen“ versteht<br />
das Bun<strong>des</strong>gericht offenbar das Anlegen einer Krankengeschichte und die Führung der<br />
Buchhaltung, da im Entscheid einzig auf die Lehrmeinung von Hofstetter 1454<br />
verweisen wurde.<br />
Nachfolgend soll dargestellt werden, ob im Rahmen der Abrechnungspflicht die<br />
entsprechenden Aufzeichnungen tatsächlich vorzulegen sind. In diesem<br />
Zusammenhang ist auf die Teilergebnisse in dieser Arbeit hinzuweisen, in denen<br />
dargelegt werden konnte, dass es, gestützt auf verschiedene Rechtsgrundlagen, einen<br />
Eigenbereich <strong>des</strong> Auftragnehmers gibt, welcher von den Informationsrechten <strong>des</strong><br />
Auftraggebers zu respektieren ist:<br />
1450 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.4.<br />
1451 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.<br />
1452 Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.3.<br />
1453 BGE 110 II 181ff., E. 2.<br />
1454 Siehe dazu: Hofstetter, 1979, 90.
- 296 -<br />
(1) Soweit eine Offenbarungspflicht der Buchhaltung angesprochen wird, kann auf die<br />
folgenden spezifischen Ausführungen hingewiesen werden: Bei den Ausführungen zur<br />
Dokumentationspflicht konnte aufgezeigt werden, dass eine Aufzeichnungspflicht<br />
deutlich von einer Informationspflicht zu unterscheiden ist, was im Falle der<br />
Buchhaltung noch verstärkt Geltung hat. 1455 So konnte bei der Behandlung <strong>des</strong><br />
Gegenstan<strong>des</strong> der Ablieferungsobligation dargelegt werden, dass eine<br />
Herausgabepflicht (und damit eine entsprechend hier diskutierte Belegungspflicht)<br />
bezüglich der Buchhaltung nicht gegeben ist. <strong>Die</strong> Buchhaltung gehört nach<br />
allgemeiner Auffassung zum Bereich der sog. Handakten, welche gerade von der<br />
Ablieferungsobligation und einer Vorlegungspflicht ausgenommen sind.<br />
Abschliessend ist auch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Buchhaltung im<br />
Übrigen auch nicht um Informationen handelt, die der Auftragnehmer, gestützt auf die<br />
Erfordernisse <strong>des</strong> Interessenwahrungsgrundsatzes, an einen nachfolgenden<br />
Auftragnehmer herauszugeben hätte. 1456<br />
Im Sinne einer Schlussfolgerung muss für das allgemeine Mandatsrecht gefordert<br />
werden, dass die Buchhaltung nicht als ein Gegenstand bezeichnet werden kann,<br />
welcher durch die Belegungspflicht im Rahmen der Abrechnungspflicht <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong> erfasst wird. Damit wird ein Vergütungsanspruch auch dann<br />
durchsetzbar, wenn er nicht durch die Buchhaltung belegt wird. Anders ist die<br />
Rechtslage nur im Bereich der Pflicht zur Rechnungslegung, da hier eine Kontrolle<br />
durch den Auftraggeber ermöglicht werden soll. 1457<br />
(2) In der im Entscheid zitierten Lehrmeinung wird weiter die Krankengeschichte als<br />
möglicher Gegenstand erwähnt. Es handelt sich bei der Krankengeschichte um jenes<br />
Informationsaggregat, dass der Auftragnehmer aufgrund einer schuldrechtlichen<br />
Dokumentationspflicht herzustellen verpflichtet ist. 1458 Wie bereits im Rahmen der<br />
Behandlung der Dokumentationspflicht ausgeführt worden ist, kann auch die Pflicht<br />
zur Rechnungsstellung als eine Rechtsgrundlage der Dokumentationspflicht angesehen<br />
werden. 1459<br />
1455 Siehe diesbezüglich die Ausführungen im Rahmen der Dokumentationspflicht in Kapitel<br />
3.2, 3.3.3.4.4 und 3.3.4.<br />
1456 Siehe dazu Kapitel 3.3.4.<br />
1457 Siehe dazu Kapitel 3.7.1 und 3.7.3.4.7.2.<br />
1458 Siehe dazu Kapitel 3.2.<br />
1459 Siehe dazu Kapitel 3.2.3.2.
- 297 -<br />
Es wurde aber bereits ausgeführt, dass unter schuldrechtlichen Gesichtspunkten eine<br />
Vielzahl von erstellten Dokumenten unter den Bereich der sog. internen Handakten<br />
fällt, weshalb diese von der Herausgabepflicht und entsprechend vom Einsichtsrecht<br />
ausgenommen sind. 1460 <strong>Die</strong>s trifft nach der hier vertretenen Ansicht auch gerade auf<br />
den überwiegenden Teil einer solchen Dokumentation (Krankengeschichte) zu.<br />
Bei der Formulierung von Pflichten <strong>des</strong> Auftragnehmers ist stets zwischen einer<br />
Aufzeichnungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> und einem Informationsrecht <strong>des</strong><br />
Auftraggebers zu unterscheiden. Einer generellen Auffassung, dass die<br />
Aufzeichnungen aufgrund der Dokumentationspflicht zur Belegung der Forderungen<br />
<strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> dem Auftraggeber übergeben werden oder sonst wie offengelegt<br />
werden müssten, kann aufgrund der in dieser Arbeit gewonnen Erkenntnissen nicht<br />
zugestimmt werden. Es handelt sich hierbei regelmässig um Daten, die dem<br />
eigentlichen Arbeitsbereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> zuzurechnen sind und damit den<br />
„Zugriffsschutz“ beanspruchen können, wie er sich aus allgemeinen Überlegungen aus<br />
dem Informationsrecht im Mandatsvertrag und aus der datenschutzrechtlichen<br />
Informationsordnung ergibt. 1461 Es wäre zudem ein Wertungsbruch, falls der<br />
Auftragnehmer aufgrund einer „blossen“ Pflicht zur Rechnungsstellung“ (inkl. der<br />
entsprechenden Belegungspflicht) Informationen offenlegen müsste, die er selbst<br />
aufgrund von zentraleren Rechtsinstituten <strong>des</strong> Auftragsrechts (z.B.<br />
Interessenwahrungsgrundsatz etc.) nicht beizubringen hätte.<br />
Der Auftragnehmer hat jedoch die entsprechenden Informationen in der<br />
Dokumentation zu erfassen, soweit es die Spezifizierungspflicht mit sich bringt. Im<br />
allgemeinen Auftragsrecht ist dies insbesondere dort der Fall, wo die Zeitvergütung<br />
verabredet wurde (oder keine eigentliche explizite Vereinbarung über die<br />
Vergütungsform getroffen worden ist). Allerdings ist auch hier zwischen<br />
Aufzeichnungspflicht und Offenlegungspflicht zu unterscheiden: Im Rahmen <strong>des</strong><br />
allgemeinen Auftragsrechts ist in diesem Zusammenhang auf die „entlastende“<br />
Funktion der korrekt wahrgenommenen Pflicht zur Rechnungsstellung hinzuweisen:<br />
„Ist der Anwalt den Anforderungen an die Spezifizierung der einzelnen Positionen<br />
einer Honorarrechnung nachgekommen, ist in aller Regel davon auszugehen, dass die<br />
darin enthaltenen Angaben über den Zeitaufwand richtig in dem Sinne sind, dass sie<br />
1460 Siehe dazu Kapitel 3.3.3.4.4<br />
1461 Siehe dazu Kapitel 3.3.4 und 3.4.3.
- 298 -<br />
keiner weiteren Begründung bedürfen.“ 1462 Was für den Anwalt gilt, gilt auch für jeden<br />
<strong>Beauftragten</strong>. Mit der entsprechenden Rechnung hat damit der Beauftragte seine<br />
Beweislast erfüllt. 1463 Da es sich bei der Pflicht zur Rechnungsstellung um eine<br />
Berichtspflicht handelt, wird der Inhalt und damit die Richtigkeit der Pflicht gerade<br />
durch die Pflicht selbst definiert und es gibt keine weitere und spezifische Kontrolle<br />
mehr. 1464 Entsprechend ist im Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungsstellung<br />
der eigenständige Beweis der Richtigkeit nicht vorgesehen, weshalb keine weiteren<br />
Aufzeichnungen beizubringen sind.<br />
Der dargestellte Mechanismus wirkt sich im Rahmen einer Belegungs- und<br />
Aufzeichnungspflicht im Bereich der Rechnungsstellungspflicht also in der Weise aus,<br />
dass es eine solche Belegungs- und Aufzeichnungspflicht nach der hier vertretenen<br />
Ansicht faktisch nicht gibt. Aus den angeführten Gründen ist der bun<strong>des</strong>gerichtlichen<br />
Rechtsprechung <strong>des</strong>halb insofern nicht zu folgen, als diese eine tatsächliche<br />
Herausgabe oder Vorlegung der genannten Dokumente verlangt.<br />
3.7.3.4.7.4.2 Einfluss der Vergütungsform auf den Gegenstand<br />
In der Auseinandersetzung mit dem allgemeinen Mandatsvertragsrecht wurde<br />
dargelegt, dass die Frage der Vergütungsform einen entscheidenden Einfluss auf die<br />
Frage der Spezifikationspflicht hat: 1465 Im Falle einer pauschalierten Vergütungsabrede<br />
besteht im allgemeinen Mandatsrecht – im Gegensatz zum Anwaltsrecht – keine<br />
Spezifizierungspflicht.<br />
Entsprechend hat die Frage der Vergütungsform auch einen Einfluss auf die<br />
Belegungs- und Aufzeichnungspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong>: <strong>Die</strong> in den vorangehenden<br />
Abschnitten dargestellte Rechtslage gilt in all jenen Fällen, in denen ein Zeithonorar<br />
zwischen den Parteien vereinbart wurde. Bezüglich der Fälle, in denen eine besondere<br />
pauschale Vergütung vereinbart wurde, sind jeweils diejenigen Belege und<br />
Aufzeichnungen der Rechnung beizufügen, welche die Berechnung <strong>des</strong> Honorars<br />
bestimmen (bspw. Berechnung <strong>des</strong> <strong>St</strong>reitwertes und entsprechende Dokumentation,<br />
Darstellung <strong>des</strong> Erfolgseintritts etc.). 1466 Aufgrund der Vielfalt der Lebenssachverhalte<br />
1462<br />
Testa, 202 (mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).<br />
1463<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.2.3.<br />
1464<br />
In diesem Sinne wohl auch ZR 91 Nr. 72 E.1, in welchem die Begriffe „Spezifizierung“<br />
und „Substantiierung“ bezogen auf die Pflicht zur Rechnungsstellung als Synonyme<br />
verwendet werden.<br />
1465<br />
Siehe dazu Kapitel 3.7.3.4.5.2.4.<br />
1466 Testa, 200.
- 299 -<br />
ergibt sich der konkrete Gegenstand jeweils nur aufgrund <strong>des</strong> konkreten Umstan<strong>des</strong>,<br />
weshalb nur der Einzelfall beurteilt werden kann.<br />
3.7.3.5 Fazit<br />
Nachdem in Kapitel 3.7.1 die Interessensituation im Auftragsvertrag im Allgemeinen<br />
und der mögliche Einfluss auf das Informationsrecht im Sinne von Art. 400 OR im<br />
Besonderen dargestellt wurde und in Kapitel 3.7.2 ein Vergleich der informationellen<br />
Rechtslagen in Auftragsvertrag und Personengesellschaftsvertrag vorgenommen<br />
worden ist, bildete die Auseinandersetzung mit der sog. Abrechnungspflicht den<br />
Schwerpunkt dieses Kapitels (Kapitel 3.7.3). Im Rahmen der Abrechnungspflicht<br />
wurden folgende Fragen geklärt und es folgt anschliessend eine Zusammenfasung der<br />
einzelnen Ergebnisse: Bestand der Abrechnungspflicht, Form der Abrechnung, Zweck<br />
der Rechnung, Inhalt der pauschalen Abrechnung, Inhalt der spezifizierten<br />
Abrechnung, Inhalt der Belegungs- und Aufzeichnungspflicht im Rahmen der<br />
Abrechnungspflicht.<br />
<strong>Die</strong> entsprechenden Ausführungen zum Bestand der Abrechnungspflicht haben<br />
ergeben, dass das schweizerische Auftragsrecht eine allgemeine spontane<br />
Endabrechnungspflicht anerkennt. Von dieser spontanen Endabrechnungspflicht ist<br />
sowohl die Pflicht zur Rechnungslegung als auch die Pflicht zur Rechnungsstellung<br />
betroffen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass sich im schweizerischen Recht keine<br />
allgemeinen Fristen definieren lassen. <strong>Die</strong> Darstellung der Abrechnungspflicht hat<br />
weiter ergeben, dass, gestützt auf die Rechtsprechung, auch eine allgemeine<br />
Verpflichtung zur (spezifizierten) Zwischenabrechnung auf Verlangen bei allen<br />
Mandatsverhältnissen anzuerkennen ist (Pflicht zur Rechnungslegung und Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung). Differenzierter ist die Rechtslage jedoch im Bereich einer<br />
Verpflichtung zur spontanen Zwischenabrechnung: <strong>Die</strong> Analyse der Rechtslage hat<br />
ergeben, dass im schweizerischen Mandatsrecht im allgemeinen Auftragsrecht nur<br />
eine Verpflichtung zur spontanen Rechnungslegung begründet werden kann, wobei<br />
sich eine eigentliche Rechnungsperiode nicht allgemein definieren lässt. Eine<br />
Verpflichtung zu spontanen Zwischenrechnungsstellung ist nur, gestützt auf<br />
spezialgesetzliche Grundlagen, anzuerkennen, wie es etwa auf die Situation <strong>des</strong><br />
Anwalts zutrifft.<br />
<strong>Die</strong> Abrechnung hat grundsätzlich in schriftlicher Form zu erfolgen. Im Rahmen der<br />
Pflicht zur Rechnungsstellung ist darauf hinzuweisen, dass eine Spezifizierung vorerst<br />
auch in anderer Form erfolgen kann, solange der Auftraggeber nicht ausdrücklich nach<br />
einer schriftlichen Spezifizierung verlangt.
- 300 -<br />
Der Inhalt der Abrechnung wird massgeblich durch die Zwecksetzung der Rechnung<br />
bestimmt, weshalb in der Darstellung vorab eine ausführliche <strong>St</strong>ellungnahme zu dieser<br />
Thematik erfolgte. Der Zweck der Pflicht zur Rechnungslegung besteht darin, dass die<br />
Ablieferungsobligation vorbereitet und dokumentiert wird. Daraus leitet sich auch<br />
direkt der Inhalt der Pflicht ohne Weiteres ab. Im Gegensatz dazu verfolgt der Zweck<br />
der Pflicht zur Rechnungsstellung das Ziel der Überprüfbarkeit der Angemessenheit<br />
der Honorarforderung. Bereits aus der rechtshistorischen Untersuchung (siehe dazu<br />
die Ausführungen in Kapitel 2, insbesondere Kapitel 2.8) ist bekannt, dass durch<br />
dieses Instrument die Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Mandats sichergestellt werden sollte.<br />
Entsprechend ist es nicht Zweck der Pflicht zur Rechnungsstellung, dass die<br />
Leistungen oder Tätigkeiten etc. überprüft werden. Im Fokus der Zwecksetzung steht<br />
neben der Sicherung der Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Auftrages insbesondere die<br />
Gewährleistung einer gewissen Vertragsgerechtigkeit (im Sinne der Äquivalenz von<br />
Leistung und Gegenleistung).<br />
Vor diesem Hintergrund wurde der Inhalt der Abrechnungspflicht (speziell der Pflicht<br />
zur Rechnungsstellung) untersucht. Es hat sich dabei gezeigt, dass das schweizerische<br />
Recht grundsätzlich eine erste und pauschale Art der Rechnungsstellung zulässt,<br />
sofern keine gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen oder anders lautende<br />
vertragliche Abreden bestehen. Eine solche erste, nicht spezifizierte Rechnung enthält<br />
beim entgeltlichen Mandat in inhaltlicher Hinsicht als Min<strong>des</strong>tbestandteile<br />
typischerweise zwei Positionen: Als Minimalstandard wird zum einen die Vergütung<br />
und zum anderen die Aufwendung gefordert (zur Spezifizierungspflicht der<br />
Aufwendungen sogleich unten). <strong>Die</strong> Möglichkeit einer ersten und pauschalen Art der<br />
Rechnungsstellung ist dort nicht gegeben, wo das Mandatsverhältnis durch<br />
ausserordentliche Umstände beendigt worden ist, indem bspw. der Auftrag widerrufen<br />
worden ist. Im Bereich der Rechnungslegung besteht demgegenüber eine grundsätzlich<br />
andere Rechtslage: Im Rahmen der Pflicht zur Rechnungslegung ist die erste<br />
Rechnung bereits zu spezifizieren, aber noch nicht zu belegen.<br />
Grundsätzlich besteht keine Möglichkeit der Begrenzung auf eine pauschale<br />
Rechnungsstellung, da damit der Zweck der Rechnung unterlaufen werden kann.<br />
Währenddem ein Vorausverzicht von vornherein unbeachtlich ist, bedeutet ein<br />
nachträglicher Verzicht in der Regel nur ein Aufschub der Spezifizierungspflicht.<br />
Analoges gilt auch für die Pflicht zur Rechnungslegung, weshalb diese Grundsätze für<br />
die gesamte Abrechnungspflicht gelten.
- 301 -<br />
Aufgrund der bisherigen Ergebnisse aus der Arbeit konnten folgende inhaltliche<br />
Aussagen für eine Berichtspflicht „spezifizierte Abrechnung“ (bei der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung) mit Geltung für das gesamte Mandatsrecht festgehalten werden:<br />
(1) Es wird durch die Spezifizierungspflicht im allgemeinen Auftragsrecht kein<br />
Informationsrecht eingerichtet, welches nachträglich eine eigentliche Kontrolle über<br />
die Auftragsausführung ermöglicht. Thematisch ist die Berichtspflicht auf die<br />
Abrechnungspflicht begrenzt, welche eine blosse Überprüfung der Angemessenheit<br />
der Rechnung bezweckt.<br />
(2) Der Zweck der Rechnung bringt es mit sich, dass nicht jede Teilleistung<br />
aufzuführen und mit der Angabe <strong>des</strong> Preises zu versehen ist. Der eigentliche Zweck<br />
der Rechnung setzt lediglich voraus, dass die (zusammengefassten) Leistungen,<br />
welche in einem inneren Zusammenhang stehen, separat mit einem Preis versehen<br />
werden. Setzt sich demnach der Auftrag aus Teilleistungen zusammen, die aber<br />
letztlich eine Leistung darstellen, weil alle Teilleistungen einen inneren<br />
Zusammenhang aufweisen, so ist auch nur die Auflistung einer Leistung und eines<br />
Zeitaufwan<strong>des</strong> resp. einer Preisangabe geschuldet. Es wird eine „Unschärfe“ in der<br />
Rechnungsstellung bewusst in Kauf genommen. Aus diesem Grund müssen nicht alle<br />
Leistungen aufgeführt werden. Es können gleichartige und verschiedenartige<br />
Leistungen zusammengefasst werden, soweit ein innerer Zusammenhang gegeben ist.<br />
Dabei reichen jeweils generelle Leistungsbeschriebe/Bezeichnungen aus.<br />
(3) <strong>Die</strong> Grundlage <strong>des</strong> geltend gemachten Vergütungsanspruches (insbesondere<br />
Vergütungsform) sowie der Totalbetrag sind anzuführen. Bei einem Zeithonorar ist<br />
dementsprechend entweder der <strong>St</strong>undenansatz (pro zusammengefasste Leistung) oder<br />
die <strong>St</strong>undenanzahl offenzulegen. Es reicht die Angabe eines durchschnittlichen<br />
<strong>St</strong>undensatzes.<br />
(4) Eine Abrechnung, welche den gesamten vorangehenden Ausführungen entspricht<br />
(siehe die gesamten Ausführungen dieses Fazit), erfüllt die<br />
Informationsqualitätskriterien, welche im Rahmen der Informationspflichten gemäss<br />
Art. 400 OR formuliert werden: Vollständigkeit, Rechtzeitigkeit und Wahrheit.<br />
Aufgrund der Ausführungen präsentiert sich die Abrechnungspflicht als eine<br />
standardisierte Informationspflicht, welche als Berichtspflicht das Thema und den<br />
Inhalt vorgibt. Mit einer entsprechend spezifizierten Rechnung erfüllt der<br />
Auftragnehmer alle Anforderungen der Abrechnungspflicht und damit alle
- 302 -<br />
Anforderungen einer Informationspflicht „Rechenschaft“, welche ihre<br />
Rechtsgrundlage in Art. 400 Abs. 1 OR hat.<br />
<strong>Die</strong> Untersuchung <strong>des</strong> Einflusses der Vergütungsform auf die Spezifizierungspflicht hat<br />
zu den folgenden Ergebnissen geführt: Im allgemeinen Mandatsrecht entfällt eine<br />
Spezifizierungspflicht bei der Verabredung einer pauschalen Vergütungsform<br />
(Prozent-, Pauschal- und Erfolgshonorar). Dabei unterscheidet sich die allgemeine<br />
Rechtslage deutlich von der Rechtslage im Bereich <strong>des</strong> Anwaltsvertrages, wo auch bei<br />
pauschalen Vergütungen die Möglichkeit der Überprüfbarkeit der Angemessenheit von<br />
Honorarforderungen verlangt wird. <strong>Die</strong>se unterschiedliche Behandlung kann aufgrund<br />
der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen gerechtfertigt werden, auch wenn im<br />
allgemeinen Auftragsrecht die Überprüfbarkeit grundsätzlich infrage gestellt wird.<br />
<strong>Die</strong> Ausführungen zum Auslagen- und Verwendungsersatzrecht haben deutlich<br />
gemacht, dass in diesem Bereich – wie im Bereich der Pflicht zur Rechnungslegung –<br />
eine pauschale Rechnungsstellung nicht möglich ist, weshalb die Beträge bereits in<br />
einer ersten Rechnungsstellung spezifiziert, allerdings noch nicht belegt aufgeführt<br />
werden müssen. <strong>Die</strong>se Spezifizierungspflicht ergibt sich aus der Tatsache, dass jede<br />
Aufwendung auf ihre Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit überprüft werden<br />
können soll.<br />
<strong>Die</strong> Untersuchung der Belegungs- und Aufzeichnungspflicht, welche die<br />
Abrechnungspflicht vervollständigt, hat gezeigt, dass zwischen den drei Bereichen<br />
„Rechnungslegung“, „Rechnungsstellung“ und „Auslagen- und<br />
Verwendungsersatzrecht“ zu unterscheiden ist:<br />
(1) <strong>Die</strong> Pflicht zur Rechnungslegung ermöglicht dem Auftraggeber ein beschränktes<br />
Kontrollrecht, soweit die Rechnungslegung überhaupt reicht. Entsprechend hat der<br />
Beauftragte die Aufzeichnungen im Rahmen einer Berichtspflicht als Teil der Pflicht<br />
zur Rechnungslegung zu übergeben. In diesem beschränkten Bereich soll Transparenz<br />
herrschen, weshalb der Auftragnehmer bei Bedarf dazu verpflichtet werden kann,<br />
erläuternde Bemerkungen anzubringen oder Gesamtdarstellungen zu erstellen, wenn<br />
dadurch das Verständnis der tatsächlichen Situation erst ermöglich wird.<br />
(2) Im Zusammenhang mit den Auslagen ist die Belegungspflicht zentral.<br />
Grundsätzlich ist jede Auslage zu belegen, ansonsten sie nicht geltend gemacht werden<br />
kann. Im Zusammenhang mit den Verwendungen ist die Aufzeichnungspflicht von<br />
Bedeutung, ist doch darzulegen, warum eine ersatzfähige Verwendung vorliegt. <strong>Die</strong>se
- 303 -<br />
Aufzeichnungen sind notwendig, damit auch eine Abgrenzung zu den sog.<br />
Generalunkosten möglich wird.<br />
(3) Im Zusammenhang mit der Pflicht zur Rechnungsstellung ist darauf hinzuweisen,<br />
dass insbesondere die schriftlichen Aufzeichnungen wie Buchhaltung und<br />
Dokumentation <strong>des</strong> Auftrages, welche aufgrund der Dokumentationspflicht zu<br />
erstellen ist, auch nicht im Rahmen der Abrechnungspflicht (Pflicht zur<br />
Rechnungslegung und Pflicht zur Rechnungsstellung) herauszugeben sind (siehe dazu<br />
insbesondere die Ausführungen in Kapitel 3.2 und 3.3). Aus diesem Grunde gibt es im<br />
Bereich der Pflicht zur Rechnungsstellung keine weitere Belegungspflicht, da<br />
insbesondere eine Abrechnung, welche allen Anforderungen der Spezifikation genügt,<br />
die Vermutung der Vollständigkeit, Wahrheit und Richtigkeit beanspruchen kann.<br />
<strong>Die</strong> gesamten Ausführungen zur Abrechnungspflicht haben ergeben, dass die<br />
Abrechnungspflicht – neben der Dokumentationspflicht – die zentrale Pflicht im<br />
Rahmen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nach Art. 400 Abs. 1 OR darstellt.
- 304 -<br />
4 Fazit der vorliegenden Arbeit<br />
4.1 Erklärtes Ziel<br />
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Erarbeitung eines Beitrages zum Verständnis<br />
<strong>des</strong> Informationsrechts im Auftragsrecht. Dabei sollen ein konkretes Verständnis der<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ geschaffen und der Inhalt der entsprechenden<br />
Pflicht definiert werden. Nachfolgend werden die entsprechenden Ergebnisse der<br />
vorliegenden Arbeit zusammengefasst dargestellt:<br />
4.2 Ergebnis der rechtsgeschichtlichen Darstellung<br />
<strong>Die</strong> rechtshistorische Darstellung der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> in Kapitel 2 der<br />
vorliegenden Arbeit hat ergeben, dass seit jeher die Rechnungslegung zentraler Inhalt<br />
der Pflicht war. <strong>Die</strong>ses Ergebnis hat die Beschäftigung mit den römischen<br />
Rechtsquellen und den einzelstaatlichen deutschen Kodifikationen von Hessen, Bayern<br />
und Sachsen ergeben. Der entsprechende Befund bestätigt sich auch bei der Analyse<br />
<strong>des</strong> ALR, <strong>des</strong> ABGB und <strong>des</strong> Code Civil. <strong>Die</strong>ses Rechtsverständnis setzt sich weiter<br />
auch in der Kodifikationsgeschichte zum Dresdener Entwurf und zum BGB fort,<br />
wobei im letztgenannten Fall aufgezeigt werden konnte, dass die Einflüsse der<br />
Zweiten Kommission und damit die Schaffung einer allgemeinen Informationsnorm<br />
nicht auf die schweizerische Rechtsentwicklung eingewirkt haben.<br />
Soweit die Rechtslage in der Schweiz in rechtshistorischer Hinsicht untersucht wurde,<br />
ergibt sich ursprünglich eine klare Orientierung an der Pflicht zur Rechnungslegung,<br />
wobei sowohl im Rahmen <strong>des</strong> PGB als auch <strong>des</strong> aOR resp. OR alsdann die Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung als weiterer Inhalt der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> erkannt worden sind.<br />
Typisch für die Rechtslage im Rahmen <strong>des</strong> PGB ist etwa die Auffassung, dass das<br />
Vertrauen beim Eingehen einer mandatsrechtlichen Beziehung eine Relativierung der<br />
Informationspflichten mit sich bringt. Aus der entsprechenden Untersuchung wird<br />
deutlich, dass das Auftragsrecht kein allgemeines Informationsrecht<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ gewährt.<br />
Dabei hat nach der hier vertretenen Ansicht die schweizerische (bun<strong>des</strong>gerichtliche)<br />
Rechtsprechung den Inhalt der infrage stehenden <strong>Rechenschaftspflicht</strong> in der Weise<br />
konkretisiert, als die Verwirklichung <strong>des</strong> Zwecks der Rechnung ins Zentrum gestellt<br />
wird. Dabei bezweckt diese Pflicht die Gewährleistung, dass der Auftraggeber die<br />
Angemessenheit einer Honorarforderung überprüfen kann. <strong>Die</strong> entsprechende
- 305 -<br />
Spezifizierungspflicht fordert <strong>des</strong>halb die inhaltliche Detaillierung der Information,<br />
aber eben nur, soweit es dieser spezifische Zweck es rechtfertigt.<br />
In diesem Sinne ergab die rechtshistorische Untersuchung, bezogen auf die Rechtslage<br />
im geltenden Obligationenrecht, in Gesetzgebung, Lehre und Rechtsprechung ein<br />
einheitliches Bild: Im Ergebnis ist die mandatsrechtliche <strong>Rechenschaftspflicht</strong> die<br />
Pflicht zur belegten oder anderswie justifizierten Rechnungslegung resp. zur<br />
spezifizierten Rechnungsstellung. Inhaltlich handelt es sich dabei gemäss der<br />
Begriffsbestimmung in dieser Arbeit um die sog. Abrechnungspflicht.<br />
4.3 Ergebnis der rechtssystematischen Darstellung<br />
Neben der rechtshistorischen Untersuchung in Kapitel 2 wurden in der<br />
rechtssystematischen Darstellung zahlreiche Argumente daraufhin untersucht, was<br />
sich aus ihnen für den Bestand und den Inhalt der Informationspflicht „Rechenschaft“<br />
ableiten lässt. In der entsprechenden Darstellung wurden insbesondere verschiedene<br />
Typenmerkmale und Institutionen <strong>des</strong> Auftragvertrages auf ihren Einfluss auf die<br />
entsprechende spezifische Informationspflicht „Rechenschaft“ <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
untersucht. <strong>Die</strong> Ergebnisse lassen sich anschliessend wie folgt zusammenfassen:<br />
4.3.1 Dokumentationspflicht<br />
<strong>Die</strong> Darstellung ergab, dass der Beauftragte einer eigentlichen Aktenführungspflicht zu<br />
genügen hat, welche seine Auftragsausführung dokumentiert (Rekonstruktion). <strong>Die</strong>se<br />
Pflicht lässt sich aus verschiedenen Rechtsgrundlagen ableiten, was aber auch<br />
bedeutet, dass diese Dokumentation auch verschiedenen Rechtsansprüchen zu genügen<br />
hat. Es ist <strong>des</strong>halb zu differenzieren, in welchem Ausmass hier die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> von Bedeutung ist.<br />
Nach der hier vertretenen Ansicht ist die zentrale Grundlage der<br />
Dokumentationspflicht jedoch der allgemeine Interessenwahrungsgrundsatz <strong>des</strong><br />
<strong>Beauftragten</strong>, weshalb die entsprechende Aufzeichnungspflicht vor allem Ausfluss der<br />
Ausführungsobligation resp. in diesem Zusammenhang zu begreifen ist. Dabei stellt<br />
die Dokumentationspflicht den Auftrag in seiner informationsmässigen Dimension<br />
sicher, hat aber insbesondere grundsätzlich nicht den Zweck, eine informierte<br />
Gegenpartei zu haben oder zu schaffen. Geschützt resp. beabsichtigt ist vor allem<br />
einmal die Ausführung <strong>des</strong> Auftrages selbst. Gestützt auf diese Einordnung, ist die<br />
Unterstützung der Auftragsausführung als solche oberste Leitidee der<br />
Dokumentationspflicht, weshalb bloss ein abstraktes Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers an<br />
einer optimalen Auftragsausführung verwirklicht wird. <strong>Die</strong>se Differenzierung hat ihre
- 306 -<br />
Bedeutung insbesondere darin, dass die Rechtspositionen, bezogen auf diese<br />
Dokumentation, entsprechend ausgestaltet werden können. „Begünstigt“ von dieser<br />
Rechtslage ist damit der Auftragnehmer, da seine Interessen geschützt werden, soweit<br />
sich die Dokumentationspflicht auf die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als Grundlage stützen<br />
kann.<br />
In inhaltlicher Hinsicht weist die Dokumentation drei Bereiche auf: „Sachverhalt“,<br />
„Handlungen“ und „Aufklärung“. <strong>Die</strong> Ausführungen haben ergeben, dass es sich um<br />
eine umfangreiche und detaillierte Dokumentation handeln kann, die etwa auch den im<br />
Zusammenhang mit der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> entwickelten<br />
Informationsqualitätskriterien „Vollständigkeit“, „Wahrheit“ und „Rechtzeitigkeit“<br />
zu genügen hat. Dabei ist festzustellen, dass die Dokumentationspflicht in den<br />
Bereichen „Sachverhalt“ und „Handlungen“ eine eigentliche Berichtspflicht darstellt,<br />
da jeweils Thema und Inhalt vorgegeben sind. In dieser Hinsicht kann die Tatsache<br />
bejaht werden, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> eine wesentliche Grundlage der<br />
Dokumentationspflicht ist. Es wurde weiter aufgezeigt, dass demgegenüber der<br />
Bereich „Aufklärung“ bei der Dokumentationspflicht eine andere Qualität aufweist,<br />
weshalb andere Rechtsfolgen (Vorlegungspflicht) resultieren.<br />
Im Ergebnis ist die mandatsrechtliche Dokumentationspflicht, soweit sie sich auf die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> abstützt, eine Arbeitsunterlage, die dem <strong>Beauftragten</strong> resp. der<br />
Abwicklung <strong>des</strong> Auftrages abstrakt dient. <strong>Die</strong> Interessenwahrung zielt dabei einzig auf<br />
die Auftragsausführung als solche und deren abstrakte Sicherung, nicht aber auf einen<br />
informierten Auftraggeber ab (Ausnahme: Aufklärungspflicht als einem Bereich der<br />
Dokumentationspflicht, wobei eben anzumerken ist, dass dieser Teil einer<br />
Dokumentationspflicht sich nicht auf die Rechtsgrundlage einer <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
[Art. 400 Abs. 1 OR] abstützen kann.).<br />
4.3.2 Ablieferungsobligation<br />
<strong>Die</strong> Ablieferungsobligation realisiert das mandatsrechtliche Konzept der<br />
Nichtbereicherung, weshalb eine allgemeine Bereinigung der Vermögens- und<br />
Sachsphäre eingerichtet wird. <strong>Die</strong>s trifft auf zwei von drei Bereichen der<br />
Ablieferungsobligation (Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Erhaltenen und<br />
Erlangten) unbeschränkt zu, weshalb in diesen Bereichen das Interesse <strong>des</strong><br />
Auftraggebers vollständig zum Durchbruch gelangt. Entsprechend ist der Inhalt der<br />
Ablieferungspflicht und die dazugehörende Pflicht zur Rechenschaft gemäss Art. 400<br />
Abs.1 OR in diesen Bereichen zu formulieren.
- 307 -<br />
<strong>Die</strong> Ausführungen haben aber weiter ergeben, dass die Situation im dritten Bereich der<br />
Ablieferungsobligation (Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Geschaffenen)<br />
anderen Kriterien folgt. <strong>Die</strong> Darstellung dieser Ablieferungsobligation und die<br />
Auseinandersetzung mit dem Leistungsgegenstand im Auftragsrecht führten zum<br />
Ergebnis, dass das Auftragsrecht nur im Rahmen <strong>des</strong> eigentlichen Arbeitsresultates<br />
das Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers im Sinne einer eindeutigen Interessenvorherrschaft<br />
anerkennt. Im Übrigen kann keine zwingende Interessenprävalenz <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
festgestellt werden, was dazu führt, dass grundsätzlich kein Informationsrecht<br />
„Rechenschaft“ besteht.<br />
<strong>Die</strong> weitere Analyse hat ergeben, dass in dieser Rechtslage das Konzept der sog.<br />
Handakten die notwendige Klärung im Rahmen dieses Bereichs der<br />
Ablieferungsobligation bringen kann. Es handelt sich dabei um ein Konzept, welches<br />
im Auftragsrecht allgemein anwendbar ist. <strong>Die</strong>ses beschreibt sowohl konzeptionell als<br />
auch gegenständlich einen Bereich, welcher von der Ablieferungsobligation<br />
ausgenommen wird (Eigenbereich <strong>des</strong> Auftragnehmers). Damit ist die Rechtslage<br />
anders zu beurteilen als in den beiden anderen Bereichen der Ablieferungsobligation.<br />
Gestützt auf die Ablieferungsobligation, kann etwa die Herausgabe der<br />
Arbeitsunterlage, welche im Rahmen der Dokumentationspflicht erstellt worden ist,<br />
grundsätzlich verweigert werden (Ausnahme: Dokumentation über die<br />
Aufklärungspflicht, wobei eben anzumerken ist, dass dieser Teil einer<br />
Dokumentationspflicht sich nicht auf die Rechtsgrundlage einer <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
[Art. 400 Abs. 1 OR] abstützen kann.).<br />
Es wurde auch dargelegt, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> als komplementäres<br />
Informationsrecht zur Herausgabepflicht die gleichen Beschränkungen wie die<br />
Herausgabepflicht aufweist. Damit wird der entsprechende Eigenbereich der sog.<br />
Handakten einheitlich geachtet, auch von den weiteren schuldrechtlichen<br />
Informationspflichten (Vorlegungspflicht, Recht auf Kopie etc.), weshalb in dieser<br />
Hinsicht von einer einheitlichen Informationsordnung gesprochen werden kann.<br />
Durch die Anerkennung eines adressatenspezifischen Informationsrechts, nach<br />
welchem der nachfolgende Beauftragte entsprechende Informationen <strong>des</strong><br />
vorangehenden <strong>Beauftragten</strong> einfordern kann, ist das Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers an<br />
der gesamten Auftragsausführung <strong>des</strong> Auftrages hinreichend gesichert, weshalb auch<br />
die eigentliche Zwecksetzung der Dokumentationspflicht voll zur Geltung kommt.<br />
<strong>Die</strong>ses Konzept ermöglicht es, durch ein entsprechen<strong>des</strong> Verständnis der
- 308 -<br />
Interessenwahrungspflicht die gegenläufigen Interessen von Auftragnehmer und<br />
Auftraggeber zu koordinieren.<br />
4.3.3 Datenschutzrecht<br />
Das Datenschutzrecht stellt eine wichtige Orientierungshilfe in der<br />
Informationsordnung <strong>des</strong> Auftragsvertrags dar, weil diese Ordnung auf einer<br />
grundsätzlichen Interessenabwägung zwischen den Parteien basiert. <strong>Die</strong> daraus<br />
resultierende Informationsordnung liefert <strong>des</strong>halb einen verlässlichen Anhaltspunkt<br />
darüber, wie die Informationsordnung allgemein ausgestaltet sein sollte, damit die<br />
Interessen angemessen / „gerecht“ berücksichtigt worden sind.<br />
In diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass zwischen einer materiellrechtlichen<br />
und einer prozessualen Rechtslage zu unterscheiden ist. Da sich die vorliegende Arbeit<br />
mit der materiellen Rechtslage auseinander setzt, war einzig diese<br />
Informationsordnung darzustellen. Aus den entsprechenden materiellrechtlichen<br />
Schlussfolgerungen wird deutlich, dass das Datenschutzrecht auf die Daten<br />
zurückgreifen muss, welche schuldrechtlich aufzuzeichnen sind<br />
(Dokumentationspflicht).<br />
<strong>Die</strong> Abwägungen im Rahmen <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen Anwendungsbereichs haben<br />
ergeben, dass die Dokumentation als die zentrale Arbeitsunterlage <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
nicht vom Datenschutzrecht erfasst ist, weil sie zum Eigenbereich <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> zu<br />
zählen ist. <strong>Die</strong>s widerspiegelt aber auch gerade eine zentrale Erkenntnis in der<br />
Informationsordnung <strong>des</strong> Auftragsvertrages, wie sie aus der Analyse der<br />
schuldrechtlichen Normen gewonnen werden konnte.<br />
Weiter wurde in der Auseinandersetzung mit den Grundlagen <strong>des</strong><br />
datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruches aufgezeigt, dass der allgemeine<br />
datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch im hier untersuchten privatrechtlichen<br />
Anwendungsbereich inhärente Grenzen kennt, welche dem Auskunftsanspruch die<br />
eigene Basis entziehen. Entsprechend kann die Grundlage für ein entsprechen<strong>des</strong><br />
Auskunftsrecht erst gar nicht begründet werden. Zudem konnte dargestellt werden,<br />
dass die Informationsordnung, welche schuldrechtlich begründet wird, durch die<br />
ausdrücklichen Einschränkungen <strong>des</strong> datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs<br />
gestützt wird.<br />
Im Ergebnis werden zentrale Aussagen aus der Analyse von schuldrechtlichen<br />
Rechtsinstituten und Typenmerkmalen <strong>des</strong> Auftragsvertrags durch die Ausführungen
- 309 -<br />
und die Rechtslage im Datenschutzrecht bestätigt, was zur Feststellung führt, dass hier<br />
eine einheitliche, rechtliche Grundordnung herrscht.<br />
4.3.4 Weisungsrecht<br />
<strong>Die</strong> Gegenüberstellung zwischen Auftragsvertrag und Arbeitsvertrag hat die<br />
verschiedenen Grundlagen und Wirkungsweisen der Weisungsrechte in den beiden<br />
Vertragstypen offengelegt.<br />
In informationsrechtlicher Hinsicht liegt der entscheidende Unterschied zwischen<br />
diesen beiden Arbeitsleistungsverträgen im Bestehen oder Nichtbestehen eines<br />
Kontrollrechtes, welches im Bereich <strong>des</strong> Arbeitsvertrages dem rechtlich relevanten<br />
Subordinationsverhältnis entspricht. Das Kontrollrecht (<strong>des</strong> Auftraggebers) ist<br />
demgegenüber als grundsätzlich mit dem Auftragsvertrag unvereinbar anzusehen.<br />
Hinsichtlich <strong>des</strong> hier zu untersuchenden Informationsrechts (<strong>Rechenschaftspflicht</strong>)<br />
zeichnet sich das Auftragsrecht durch eine einheitliche Informationsordnung aus.<br />
Dabei wurde im Zusammenhang mit der Darstellung <strong>des</strong> Fachanweisungsrechts das<br />
eingeschränkte Einwirkungsrecht <strong>des</strong> Auftraggebers herausgearbeitet, was im Resultat<br />
auch mit dem Autonomiekonzept <strong>des</strong> Auftragvertrags harmoniert, welches im Rahmen<br />
der Ausführungen zur Dokumentationspflicht, Ablieferungspflicht und zum<br />
Datenschutzrecht dargestellt worden ist.<br />
Dem eingeschränkten Weisungsrecht entspricht informationsseitig ein eingeschränktes<br />
Informationsrecht, wodurch sich die hier untersuchte Informationsordnung im<br />
Auftragsrecht auszeichnet. Es wurde dabei dargestellt, weshalb aus dem bestehenden<br />
Weisungsrecht in der Ausprägung <strong>des</strong> Fachanweisungsrechts nichts für ein<br />
umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht „Rechenschaft“ abgeleitet werden kann. <strong>Die</strong><br />
Untersuchung ergab, dass der Gesetzgeber in einem Grundsatzentscheid die<br />
verschärfte Haftung als Ausgleichsmechanismus für den zugestandenen<br />
Autonomiebereich gewählt hat, wodurch sich die Rechtslage auch zu derjenigen im<br />
Personengesellschaftsrecht unterscheidet. In diesem Sinne entspricht das<br />
eingeschränkte Informationsrecht „Rechenschaft“ auch einem generellen<br />
Einordnungsprinzip (Interessengegensatz, Interessenwahrnehmung,<br />
Interessenvergemeinschaftung, geordnet nach Intensität einer vertraglichen<br />
Beziehung), da es sich beim Auftragsvertrag lediglich um einen<br />
Interessenwahrungsvertrag handelt.<br />
<strong>Die</strong> Beschäftigung mit dem Auftrag als Organisation führte zu einer<br />
Informationsordnung, welche sich über konkrete Zuständigkeiten <strong>des</strong> Auftraggebers
- 310 -<br />
definieren muss: Eine Informationspflicht, gestützt auf Art. 400 OR, ergibt sich<br />
diesbezüglich nur und insoweit, als eine konkrete Zuständigkeit oder eine<br />
Interessenlage gegeben ist. In genereller Weise zeigte sich bei der entsprechenden<br />
Untersuchung, dass für die Wahrnehmung <strong>des</strong> Zielanweisungsrechts jedoch eine<br />
eigentliche Kommunikationsnorm notwendig ist, weshalb sich insbesondere die<br />
Aufklärungs- und Benachrichtigungspflichten als Grundlagen für eine entsprechend<br />
erforderliche Kommunikationsordnung anbieten. <strong>Die</strong> <strong>Rechenschaftspflicht</strong> kann aber<br />
nach der hier vertretenen Ansicht diese Kommunikation gerade nicht sicherstellen,<br />
weshalb, gestützt auf Art. 400 OR, auch die Rechtfertigung für ein „umfassen<strong>des</strong><br />
Informationsrecht Rechenschaft“ mangels Zuständigkeit resp. Interesse entfällt.<br />
4.3.5 Vertrauen<br />
Das entsprechende Kapitel untersuchte die Wirkungsebenen von Vertrauen im<br />
Auftragsvertrag. Dabei wurde das Vertrauen als eigentliche Basis <strong>des</strong> Auftragvertrags,<br />
als eigentliches Informationssurrogat und als Grundlage für das mandatsrechtliche<br />
Widerrufsrecht dargestellt.<br />
Es wurde ausgeführt, dass nach richtigem Verständnis der Funktion von Vertrauen –<br />
gerade gestützt darauf – kein allgemeines Informationsrecht hergeleitet werden kann,<br />
soweit es um eine Informationspflicht im Rahmen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss<br />
Art. 400 OR geht.<br />
<strong>Die</strong> Darstellung hat insbesondere ergeben, dass die einzige Rechtsfolge von<br />
verlorenem Vertrauen die Möglichkeit der Wahrnehmung eines jederzeitigen<br />
Widerrufsrechts und nicht etwa ein umfassen<strong>des</strong> Informationsrecht ist. <strong>Die</strong>s folgt v.a.<br />
aus dem Umstand, dass „Vertrauen“ den <strong>Beauftragten</strong> nie zu einem aktiven<br />
Unterfangen zwingt, soweit es die hier untersuchten Informationspflichten<br />
„Rechenschaft“ gestützt auf Art. 400 OR betrifft.<br />
4.3.6 Interessenwahrungsgrundsatz<br />
In der vorliegenden Arbeit wurden drei Aspekte <strong>des</strong> Interessenwahrungsgrundsatzes<br />
dargestellt und daraufhin untersucht, welchen Einfluss sie auf ein Informationsrecht<br />
„<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ haben:<br />
<strong>Die</strong> Ausführungen zum allgemeinen Interessenwahrungsgrundsatz haben gezeigt, dass<br />
der Auftragsvertrag grundsätzlich als Austauschvertrag zu verstehen ist. Dabei zeigen<br />
gerade die Darstellungen in den anderen Kapiteln, dass die allgemeine Wirkung eines<br />
Interessenwahrungsgrundsatzes auf das hier untersuchte Informationsrecht aus dem
- 311 -<br />
Grunde beschränkt ist, weil die jeweiligen konkreten Lösungen der Fragestellungen,<br />
welche in den einzelnen Kapiteln dieser Arbeit dargestellt wurden, bereits den Aspekt<br />
der allgemeinen Interessenwahrung berücksichtigt haben. Damit bleibt der Einfluss<br />
der allgemeinen Interessenwahrung bei richtiger Einordnung grundsätzlich aus. <strong>Die</strong>s<br />
harmoniert mit der Feststellung, dass sich die konkreten Informationspflichten im<br />
Auftragsvertrag aus einer besonderen Zuständigkeit oder einer besonderen<br />
Interessenlage ergeben müssen. Es ist dies die Sichtweise, welche den Blick für die<br />
Wirkung <strong>des</strong> Interessenwahrungsgrundsatzes nicht verklärt, weshalb auch die Gefahr<br />
gebannt ist, den Interessenwahrungsgrundsatz als Ersatzgrundlage für<br />
Informationspflichten <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong> zu verwenden.<br />
Das Personengesellschaftsrecht zeichnet sich durch eine besondere Interessenlage<br />
zwischen den Gesellschaftern aus. Informationsseitig wird grundsätzlich jedem<br />
Personengesellschafter entsprechend dieser besonderen Situation ein umfassen<strong>des</strong><br />
Kontrollrecht zugestanden, was dem Wesen <strong>des</strong> Gesellschaftsvertrages als einem<br />
Interessenvergemeinschaftungsvertrag entspricht. Der grundlegende Gedanke der<br />
Gleichbehandlung der Parteien führt zur informationsrechtlichen Gleichstellung der<br />
Vertragsparteien. Dabei lassen sich die Informationsrechtsordnung und damit die<br />
spezielle gesellschaftsrechtliche Interessenlage in ein einheitliches System einordnen<br />
(Interessenvergemeinschaftungsverträge, Interessenwahrungsverträge,<br />
Interessengegensatzverträge). Hierbei erscheint der Auftragsvertrag als<br />
Interessenwahrungsvertrag und damit als ein Vertragsmodell, welches kein<br />
allgemeines Kontrollrecht kennt und entsprechend auch kein umfassen<strong>des</strong><br />
Informationsrecht einrichtet.<br />
Eine angesprochene spezifische Interessenlage und eine entsprechende Zuständigkeit<br />
sind im Rahmen der Abrechnungspflicht (und damit bei der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung und zur Rechnungsstellung) gegeben. In diesem Zusammenhang<br />
ergibt sich die Zuständigkeit <strong>des</strong> Auftraggebers aus der Pflicht <strong>des</strong> Auftraggebers, den<br />
<strong>Beauftragten</strong> für die Arbeitsleistung zu honorieren (Vergütungspflicht), ihn schadlos<br />
zu halten (Auslagen- und Verwendungspflicht) sowie aus dem Interesse, dass sich der<br />
Auftragsvertrag durch die Fremdnützigkeit auszeichnet (Ablieferungsobligation).<br />
Soweit dem Auftraggeber in diesem Zusammenhang Rechte zugestanden werden<br />
(Überprüfung der Angemessenheit einer Honorarforderung, Interesse an der<br />
Fremdnützigkeit etc.), ist auch eine Informationspflicht <strong>des</strong> <strong>Beauftragten</strong><br />
anzuerkennen.
- 312 -<br />
4.4 Abrechnungspflicht als <strong>Rechenschaftspflicht</strong><br />
Gemäss der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit soll ein konkretes Verständnis der<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ gemäss Art. 400 Abs. 1 OR gewonnen und der<br />
Inhalt der entsprechenden Pflicht definiert werden. <strong>Die</strong> rechtshistorischen und<br />
rechtssystematischen Untersuchungen führen nach der hier vertretenen Ansicht zum<br />
Ergebnis, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> in inhaltlicher Hinsicht als Informationspflicht<br />
jene Informationen liefert, die im Rahmen einer spezifizierten Abrechnung (unter<br />
Berücksichtigung <strong>des</strong> Zwecks der Rechnung) bereitzustellen sind. Nach der hier<br />
vertretenen Ansicht erfüllt die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im Auftragsrecht, soweit es ihre<br />
Wirkung gegenüber dem Auftraggeber betrifft, damit informationsrechtlich ein<br />
<strong>St</strong>andardinformationsprogramm. <strong>Die</strong>s charakterisiert die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im<br />
Auftragsvertrag gemäss Art. 400 Abs. 1 OR als eigentliche Berichtspflicht, da die<br />
Pflicht sowohl thematisch wie auch inhaltlich vorgegeben ist.<br />
Im Hinblick auf die rechtshistorischen Wurzeln dieser Pflicht kann damit festgestellt<br />
werden, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> nach der hier vertretenen Ansicht ein tradiertes<br />
Rechtsinstitut ist. <strong>Die</strong> entsprechende Untersuchung hat gezeigt, dass die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> einen klaren Inhalt hat und – allerdings in einem klar definierten<br />
Bereich – Transparenz (Vollständigkeit, Rechtzeitigkeit, Wahrheit) resp.<br />
Interessenausgleich (Fremdnützigkeit) im Auftragsverhältnis herstellen will. In diesem<br />
Zusammenhang macht gerade auch die Dokumentationspflicht deutlich, welche<br />
Interessen im Rahmen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss Art. 400 Abs. 1 OR geschützt<br />
werden sollen (Auftraggeberinteresse an Information versus Interesse an einer<br />
abstrakten Auftragsausführung als solcher). Es zeigt sich nach der in dieser Arbeit<br />
vertretenen Auffassung, dass die Bereiche „Information an sich“ (die Dokumentation)<br />
und „Information für den Auftraggeber“ genau abgegrenzt werden müssen. Aufgrund<br />
der vorliegenden Untersuchung ist – gestützt auf Art. 400 Abs. 1 OR – dieser Bereich<br />
(gewissermassen die Schnittmenge der beiden Bereiche) die Abrechnungspflicht,<br />
weshalb sich die entsprechende Informationspflicht darauf beschränkt.<br />
Aus der rechtshistorischen Untersuchung und aus der Gesetzessystematik geht hervor,<br />
dass zwischen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> und der Ablieferungsobligation ein enger<br />
Bezug besteht. <strong>Die</strong> entsprechende Darstellung hat gezeigt, dass – aus<br />
informationsrechtlicher Sicht – im hier interessantesten Bereich dieser Pflicht<br />
(Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Geschaffenen) nur im Bereich <strong>des</strong><br />
eigentlichen Arbeitsresultats die Interessenprävalenz <strong>des</strong> Auftraggebers deutlich wird<br />
(Orientierung am Arbeitsresultat). <strong>Die</strong> Anerkennung der sog. Handakten im
- 313 -<br />
Auftragsrecht (und damit eines sog. Eigenbereichs <strong>des</strong> Auftragnehmers) führt nämlich<br />
dazu, dass das Informationsrecht „<strong>Rechenschaftspflicht</strong>“ nach Art. 400 Abs. 1 OR<br />
einzig im Zusammenhang mit der Ablieferungsobligation im Bereich der Pflicht zur<br />
Rechnungslegung und / oder Abrechnungspflicht umfassend anerkannt werden kann.<br />
Hier (Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Erhaltenen und Erlangten) sichert<br />
die Ablieferungsobligation das mandatsrechtliche Konzept der Nichtbereicherung,<br />
weshalb in diesen Bereichen das Interesse <strong>des</strong> Auftraggebers auf Information im<br />
Rahmen der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> anzuerkennen ist. Dabei ist von Bedeutung, dass die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> die Wertungen der Ablieferungsobligation mitträgt, weshalb sie<br />
keinen komplementären Informationsanspruch zur Herausgabepflicht darstellt.<br />
<strong>Die</strong> Untersuchung hat gezeigt, dass im Rahmen der Pflicht zur Rechnungslegung die<br />
Fremdnützigkeit <strong>des</strong> Auftragsvertrages in der Weise bestimmend ist, dass in diesem<br />
Bereich die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss Art. 400 Abs. 1 OR eine eigentliche<br />
Kontrollpflicht werden kann. Thematisch betrifft dies zwei Bereiche der<br />
Ablieferungsobligation (Herausgabe <strong>des</strong> bei der Auftragsausführung Erhaltenen und<br />
Erlangten). <strong>Die</strong> Untersuchung der Abrechnungspflicht zeigt aber weiter, dass die<br />
<strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss Art. 400 Abs. 1 OR im Rahmen der Pflicht zur<br />
Rechnungsstellung gerade nicht zu einem Kontrollrecht führt. Weder das<br />
auftragsrechtliche Weisungsrecht noch das Vertrauenskonzept oder die<br />
Interessensituation, welche dem Auftragsvertrag unterlegt sind, rechtfertigen ein<br />
entsprechen<strong>des</strong> Kontrollrecht. Eine Kontrolle wird nur zugestanden, wo es der Zweck<br />
der Rechnung erfordert, da nur insoweit die Interessen <strong>des</strong> Auftraggebers<br />
berücksichtigt werden. Dabei geben die Anforderungen aus der Spezifizierung der<br />
Abrechnung das Mass der Kontrollmöglichkeit vor. Vor diesem Hintergrund erfolgt<br />
diese Spezifizierung nach den folgenden Grundsätzen:<br />
1. Es muss nicht jede Teilleistung aufgeführt werden.<br />
2. Alle Leistungen mit einem inneren Zusammenhang können zusammengefasst<br />
dargestellt werden.<br />
3. Es können gleichartige und verschiedenartige Leistungen zusammengefasst<br />
werden, soweit ein innerer Zusammenhang gegeben ist.<br />
4. Es wird eine „Unschärfe“ in der Rechnungsstellung bewusst in Kauf<br />
genommen.<br />
5. Es reichen generelle Leistungsbeschriebe/Bezeichnungen.
- 314 -<br />
<strong>Die</strong> Angabe der Vergütungsform und Angabe <strong>des</strong> (durchschnittlichen) <strong>St</strong>undensatzes<br />
oder der aufgewendeten <strong>St</strong>unden ist notwendig<br />
Abschliessend kann festgehalten werden, dass die <strong>Rechenschaftspflicht</strong> im<br />
Auftragsrecht gemäss Art. 400 Abs. 1 OR die Pflicht zur Rechnungslegung resp. die<br />
Pflicht zur Rechnungsstellung ist. In inhaltlicher Hinsicht liefert die<br />
Informationspflicht „Rechenschaft“ jene Informationen, die im Rahmen einer<br />
spezifizierten Abrechnung (aufgrund <strong>des</strong> Zwecks der Rechnung) im Sinne eines<br />
<strong>St</strong>andardinformationsprogramms (Berichtspflicht) zu übermitteln sind. Soweit es das<br />
Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer betrifft, ist die<br />
Abrechnungspflicht der Anwendungsbereich der <strong>Rechenschaftspflicht</strong> gemäss Art. 400<br />
Abs. 1 OR.<br />
***
Lebenslauf<br />
Ausbildung<br />
- 315 -<br />
1993 Maturität, Typus B<br />
1993 – 1998 <strong>St</strong>udium an der <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> (HSG) (lic. iur)<br />
2000 – 2004 Swiss Tax Academy, Abschluss zum eidg. dipl. <strong>St</strong>euerexperten<br />
Berufliche Erfahrung<br />
1998 – 2000 Assistent bei Prof.Dr. Druey an der <strong>Universität</strong> <strong>St</strong>. <strong>Gallen</strong> (HSG)<br />
2000 – 2006 PricewaterhouseCoopers AG, Zürich, <strong>St</strong>euerabteilung<br />
2006 - Tax Manager bei Cofra Holding AG