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FietsPad.De – Traum Südamerika – Teil 1<br />
verhängt der Präsident des Kriegsrecht. Fortan liefern sich Demonstranten und Polizei in den leeren<br />
Strassen von La Paz und insbesondere in der Vorstadt El Alto schwere Schlachten. Während die<br />
Scharfschützen ihre Waffen gezielt auf die Menge richten, wehren sich die Demonstranten mit<br />
Steinen und Stöcken. Viele sind mit "Kind und Kegel" unterwegs. An jenem Wochenende gibt es 26<br />
Tote ... über 70 werden es bis zum vorläufigen Ende der Auseinandersetzungen sein. Die Fahnen<br />
stehen auf Halbmast. Schwarze Plastiktüten bilden den Trauerflor.<br />
In diesen Tagen warnt auch das Auswärtige Amt vor Reisen nach Bolivien. Der internationale<br />
Flughafen hat längst seinen Betrieb eingestellt. Die Deutsche Botschaft beginnt mit der Evakuierung<br />
ihrer Staatsbürger (600 Dollar bis Lima). Wir richten uns auf eine längere Wartezeit ein. Den<br />
Bolivianern gleich, stürmen wir die wenigen geöffneten Läden um uns zum doppelten Preis mit<br />
Lebensmitteln einzudecken. Für Gas und Brot bilden sich lange Schlangen. Nachrichtenagenturen<br />
berichten von einer kritischen Versorgungslage. Selbst in Spitzenhotels würden Lebensmittel und<br />
Medikamente knapp .... die Ärmsten!!!! Bei dieser Panik, an der wir uns mitschuldig machen, ist<br />
Knappheit vorprogrammiert. Doch die Reseven der kleinen Händler scheinen unerschöpflich. Nach<br />
dem Bruch eines Wasserkanals füllen wir auch alle Wasserbehälter und wagen uns für ein paar Tage<br />
nicht aus dem Haus. Unterdessen gehen die Proteste in radikalisierter Form weiter. Wir verfolgen das<br />
Geschehen aus sicher Fernseh-position.<br />
Nur mit militärischer Gewalt und der Rückendeckung des zur Demokratie (!) mahnenden<br />
amerikanischen Aussenministeriums konnte sich der Präsident im Amt halten. Doch nach dem<br />
Rückzug eines Koalitionspartners und mehrer Minister weicht Lozada schliesslich dem Druck der<br />
Strasse und tritt zurück. Ein Aufatmen geht durch tausend Kehlen. Lozada setzt sich nach Florida ab.<br />
Noch am selben Abend wird der vormalige Vize und Parteilose Carlos Mesa als Präsident vereidigt.<br />
Er wird es nicht einfach haben.<br />
Die Normalität kehrt zurück. Auf leisen Sohlen, verhalten erst doch dann mit erstaunlicher<br />
Geschwindigkeit füllen sich die Lebensadern und das Herz von La Paz beginnt wieder zu schlagen.<br />
Zwischen Krieg und Frieden, zwischen Normalität und Ausnahmezustand liegen nur wenige Stunden.<br />
Der Mensch ist anpassungsfähig. Sichtlich erleichtert ist die Menge, doch gefeiert wird nur verhalten.<br />
Zu viele mussten sterben, zu tief sitzt der Schreck und zu gross ist das Misstrauen. Heute erinnern<br />
nur noch die glasübersäten Strassen, zerstörte Brücken, bemalte Häuserwände und vereinzelte<br />
Barrikadensteine an die Unruhen und Schrecken der vergangen Tage.<br />
Doch einmal mehr wagt Bolivien, wagen die Landbauern, die Lehrer, Arbeiter, Studenten und die<br />
indianische Bevölkerung die Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, während der<br />
neoliberale Geier sie mit scharfen Augen überwacht und sie hämisch grinsend unbemerkt in seinen<br />
Krallen hält.<br />
Uns bleibt der Luxus, weggehen zu können. Ein unverschämtes Privileg - wie uns in diesen Tagen<br />
besonders bewusst wird. Wir werden die Entspannung der Lage nutzen, um für ein paar Wochen ins<br />
warme Tiefland zu fahren. Mal sehen wieviel uns der Regen noch erlaubt.<br />
Oh ja, es wird ein schwerer Abschied nach langer Zeit unter Vertrautheit und Freunden und nahe<br />
einem Schicksal, dass - wenngleich es nicht unseres ist - doch für immer Spuren in unseren Herzen<br />
hinterlässt. Ein Trost bleibt vorerst .... wir wollen wiederkommen .... irgendwann.<br />
Und dann, ja dann ist es endlich soweit: Ende November bekommen wir unseren ersten Besuch.<br />
in friedlicher Absicht und danke an alle besorgten Anfrager, mario und ann<br />
PS: Keine aktuellen Bilder da wir uns wohlweisslich nicht in den Brennpunkten herumgetrieben<br />
haben.<br />
Wer Fragen an Ann und Mario hat, sendet einfach eine E-Mail an:<br />
(Anmerkung von Sascha: Adresse muss abgedippt werden, ich habe sie zum Schutz vor Spam-Mails in eine Bild-Datei gepackt)<br />
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