Depesche 131 - Old-Tablers Deutschland
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Beruflich bin ich Führungskraft<br />
in einem mittelständischen<br />
Immo-bilienunternehmen. Vor<br />
kurzem warnte der externe<br />
Coach des Unternehmens den gesamten<br />
Führungskreis davor, konstant immer<br />
wieder „die Welt retten zu wollen“.<br />
Er meinte damit die Anspruchshaltung,<br />
dass alles immer, überall und unter allen<br />
Umständen perfekt sein muss. Sofern<br />
dies das Leitbild des Unternehmens sei,<br />
würden wir nie an das Ziel kommen. Und<br />
vor allem würden wir immer wieder<br />
die Gelegenheit verpassen, uns an den<br />
Teilerfolgen auf dem Weg zum Ziel zu erfreuen<br />
und aus diesen Energie zu ziehen<br />
für kommende Herausforderungen.<br />
Aber gilt dies denn auch für einen<br />
Service Club wie Round Table, der sich<br />
gewissermaßen auf die Fahnen geschrieben<br />
hat, seinen Teil dazu beizutragen,<br />
dass die Welt um uns herum buchstäblich<br />
der Rettung ein Stückchen näher<br />
rückt? Woran soll gemessen werden,<br />
ob das Stückchen, das gerade erreicht<br />
wurde, groß genug ist? Und wie kann<br />
ich erkennen, ob das Stückchen vom<br />
Stückchen, das ich als einzelner Tabler<br />
dazu beitrage, ausreicht?<br />
Diese und andere Fragen stellten sich<br />
uns als RT 44 nach dem letzten Event,<br />
das wir organisiert hatten, der Comedy<br />
im Sarglager am 16. März 2012. Das<br />
Konzept sah vor, dass wir einen Raum<br />
in einem ehemaligen Sarglager in Berlin<br />
Wedding zur Verfügung hatten und<br />
Ingmar und Boussa von der Radio Energy<br />
Toast Show für einen Auftritt gewinnen<br />
konnten. Das Programm bestand<br />
dabei aus einer Mischung von Standup<br />
Comedy mit Ingmar und einem Auftritt<br />
der Thiams, der Band von Boussa und ihrer<br />
Schwester N‘gone, die sogar schon<br />
mit Künstlern wie Jan Delay aufgetreten<br />
war. Grundsätzlich ein Konzept, mit<br />
dem sich große Hallen füllen lassen. Und<br />
ein Konzept, das es ohne den unermüd-<br />
lichen Einsatz unseres <strong>Tablers</strong> Dietmar<br />
Kurze nicht gegeben hätte. Ohne ihn wären<br />
wir hier nicht einmal ansatzweise so<br />
weit gekommen!<br />
Die Vorbereitungen liefen gut, wir bekamen<br />
ein Sponsoring für den Druck<br />
der Karten, ein Sponsoring der Bühne,<br />
Topwerbung in der Radio Energy Morning<br />
Show, es wurden Kartenkontingente zugeteilt<br />
und der Bestattungsunternehmer<br />
Otto Berg, der den Raum zu Verfügung<br />
stellte, legte noch ein paar beleuchtete<br />
Särge oben drauf.<br />
Dann kam der Tag X. Ein paar Stunden<br />
vor dem Event begann die Einrichtung<br />
des Raumes, die Technik funktionierte,<br />
kleinere Engpässe an der Bar wurden<br />
VOM ANSPRUCH<br />
DIE WELT ZU RETTEN<br />
durch spontanes Improvisieren überbrückt,<br />
die Band kam, der Raum sah super<br />
aus und alles startete wie geplant.<br />
Die Comedy war zum Brüllen lustig, die<br />
Thiams schafften es sogar, einen Teil des<br />
Publikums zum Tanzen zu bringen, es<br />
wurde getrunken und... der Raum war<br />
halbleer. Und es war noch nicht einmal<br />
ein besonders großer Raum.<br />
Was bedeutete das für unsere<br />
Reputation als RT 44? Was bedeutete das<br />
für die Menschen, die sich im Rahmen<br />
der Organisation der Veranstaltung besonders<br />
exponiert hatten? Hatten wir<br />
versagt in unserem Anspruch, die Welt<br />
ihrer Rettung ein Stückchen näher zu<br />
bringen? Oder versuchten wir auch hier,<br />
die Welt zu retten, und übersahen dabei<br />
die Bedeutung von dem, was wir bereits<br />
erreicht hatten? Ich kann diese Frage<br />
nicht alleine beantworten, aber ich vermute,<br />
dass die erste Antwort „nein“ lautet<br />
und dass die zweite Frage mit „ja“ zu<br />
beantworten ist.<br />
George Bernard Shaw hat einmal geschrieben:<br />
„The reasonable man adapts<br />
himself to the world; the unreasonable<br />
one persists in trying to adapt<br />
the world to himself. Therefore, all<br />
progress depends on the unreason-<br />
able man.“. Aus diesem Grund heißt<br />
einer der Buchklassiker über soziales<br />
Unternehmertum „The Power of<br />
Unreasonable People“. Auch wenn das,<br />
was wir als Tabler tun, eher soziales<br />
Unternehmertum im Kleinen ist, so<br />
möchte ich doch diesen Ausspruch für<br />
uns mit in Anspruch nehmen. Allein<br />
die Idee, dass wir in dieser Welt etwas<br />
verändern können, wird manchmal als<br />
Hybris oder als zum Scheitern verurteiltes<br />
Gutmenschentum belächelt. Denn es<br />
herrscht der Eindruck vor, dass wir mit<br />
diesem Ansatz alleine stehen und nichts<br />
bewirken werden.<br />
Einem solchen Eindruck kann ich<br />
Verständnis und Sympathie entgegenbringen,<br />
auch wenn er falsch ist.<br />
Er ist falsch, solange es Service Clubs<br />
wie Round Table, Rotary, Lions, Ladies‘<br />
Circle und Zonta gibt. Er ist falsch, solange<br />
eine Organisation wie Ashoka in<br />
über 60 Ländern auf der Welt insgesamt<br />
über 2.000 soziale Unternehmer unterstützt.<br />
Er ist falsch, solange Stiftungen<br />
wie die Schwab Foundation, die Skoll<br />
Foundation, die Bill and Melinda Gates<br />
Foundation und die Clinton Foundation<br />
weltweit Engagement zeigen. Er ist<br />
falsch, solange es soziale Private Equity-<br />
Unternehmen wie den Acumen Fund in<br />
New York, das Omydiar Network und<br />
Good Capital in San Francisco, Blue<br />
Orchard in Genf und den Social Venture<br />
Fund und BonVenture in München gibt.<br />
Und er ist falsch, solange wir den Wert<br />
unserer Handlungen nicht an halbleeren<br />
Räumen festmachen, sondern daran,<br />
dass wir an eine Idee glauben und an die<br />
Gewissheit, dass wir uns dem Ziel früher<br />
oder später weiter nähern werden. Stück<br />
für Stück für Stück.<br />
Yours in Table<br />
Christoph Holzmann<br />
OT 44 Berlin<br />
18 OTD-Halbjahrestreffen im Rheingau, 5. bis 7. Oktober 2012 | <strong>Depesche</strong> 130