26 Exkurs: Berechnung von Inflation (Lit: Pindyck, Robert S., and ...
26 Exkurs: Berechnung von Inflation (Lit: Pindyck, Robert S., and ...
26 Exkurs: Berechnung von Inflation (Lit: Pindyck, Robert S., and ...
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<strong>Exkurs</strong>: <strong>Berechnung</strong> <strong>von</strong> <strong>Inflation</strong><br />
(<strong>Lit</strong>: <strong>Pindyck</strong>, <strong>Robert</strong> S., <strong>and</strong> Daniel L. Rubinfeld, Mikroökonomie, 5. Auflage, Pearson Studium 2003, Abschnitt 3.6)<br />
1) Der ideale Lebenshaltungskostenindex gibt an, um wie viel die Ausgaben eines Durchschnittskonsumenten steigen<br />
müssten, damit dieser das Nutzenniveau der Basisperiode erreichen kann.<br />
2) Der Laspeyres-Index gibt an, um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der Basisperiode steigen.<br />
3) Der Paasche-Index gibt an, um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der Vergleichsperiode gestiegen sind.<br />
Der ideale Lebenshaltungsindex beruht auf Nutzenvergleich. Problem der Messbarkeit: (i) Nutzen ist nicht direkt messbar,<br />
(ii) Die Nutzenfunktionen verschiedener Konsumenten unterscheiden sich.<br />
Theoretisches Konzept beruht auf repräsentativem Konsumenten<br />
Beispiel einer 2-Güter-Ökonomie (Lebensmittel und Bücher)<br />
Basisjahr 1990: Preis für 1 kg Lebensmittel: 2 €, Preis für ein Buch: 20 €<br />
Vergleichsjahr 2000: Preis für 1 kg Lebensmittel: 2,20 €, Preis für ein Buch: 100 €<br />
Warenkorb des Durchschnittsverbrauchers 1990: 100 kg Lebensmittel, 15 Bücher Ausgaben 1990: 500 €<br />
Warenkorb des Durchschnittsverbrauchers 2000: 320 kg Lebensmittel, 8 Bücher Ausgaben 2000: 1504 €<br />
Wie hoch ist die <strong>Inflation</strong>srate im Zeitraum 1990-2000?<br />
1) Idealer Lebenshaltungsindex:<br />
Die Nutzenfunktion des Durchschnittskonsumenten ist durch die nachfolgende Grafik angedeutet (wir benötigen nur die<br />
Indifferenzkurve zum Güterbündel des Jahres 1990).<br />
Das Preisverhältnis 2 : 20 entspricht der Budgetgeraden B1. Da der Haushalt sich für das Güterbündel (100,15) entscheidet,<br />
offenbart er, dass seine Indifferenzkurve die Budgetgerade in diesem Punkt tangiert.<br />
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Der ideale Lebenshaltungsindex gibt an, um wie viel die Ausgaben steigen müssten, damit der Konsument das bei neuen<br />
Preisen dieselbe Indifferenzkurve erreichen kann. Das neue Preisverhältnis 2,20 : 100 entspricht der Steigung der<br />
Budgetgeraden B2 und B3. Die Gerade B2 charakterisiert das minimale Budget, welches der Haushalt benötigt um die alte<br />
Indifferenzkurve zu erreichen. Das zugehörige Güterbündel (derjenige Punkt in dem die Indifferenzkurve die Steigung des<br />
neuen Preisverhältnisses hat) besteht aus 300 kg Lebensmittel und 6 Büchern.<br />
Dafür muss der Haushalt im Jahr 2000 1.<strong>26</strong>0 € ausgeben.<br />
Im Jahre 1990 musste der Haushalt 500 € ausgeben um dasselbe Nutzenniveau zu erreichen.<br />
Der Lebenshaltungsindex im Jahre 2000 bezogen auf das Basisjahr 1990 beträgt also 100 * 1<strong>26</strong>0 / 500 = 252.<br />
Die zehnte Wurzel aus 2,52 ist 1,0968. Die durchschnittliche <strong>Inflation</strong>srate betrug demnach 9,68%.<br />
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Bücher<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
2) Laspeyres-Index<br />
Indifferenzkurve<br />
B_1<br />
gewähltes Güterbündel 1990<br />
B_2<br />
gewähltes Güterbündel 2000<br />
0 100 200 300 400<br />
Lebensmittel<br />
500 600 700 800<br />
B_3<br />
Der Laspeyres-Index gibt an, um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der Basisperiode gestiegen sind.<br />
Das Güterbündel der Basisperiode kostet nach neuen Preisen 1.720 €<br />
Dies entspricht der Budgetgeraden B3 in der oberen Abbildung.<br />
Der Laspeyres-Lebenshaltungsindex im Jahre 2000 bezogen auf das Basisjahr 1990 beträgt also 100 * 1720 / 500 = 344.<br />
Die zehnte Wurzel aus 3,44 ist 1,1315. Die durchschnittliche <strong>Inflation</strong>srate betrug demnach 13,15%.<br />
B_1<br />
B_2<br />
B_3<br />
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3) Paasche-Index<br />
Der Paasche-Index gibt an, um wie viel die Ausgaben für das Güterbündel der Vergleichsperiode gestiegen sind.<br />
Der Warenkorb des Durchschnittsverbrauchers 2000 besteht aus 320 kg Lebensmitteln und 8 Büchern<br />
Dieser Warenkorb kostet im Jahre 2000 1.504 €. Im Jahre 1990 kostete dieser Warenkorb 800 €.<br />
Das Verhältnis der Kosten beträgt 1.504/800 = 1,88<br />
Der Paasche-Lebenshaltungsindex im Jahre 2000 bezogen auf das Basisjahr 1990 beträgt also 100 * 1.504 / 800 = 188.<br />
Die zehnte Wurzel aus 1,88 ist 1,0652. Die durchschnittliche <strong>Inflation</strong>srate betrug demnach 6,52%.<br />
Wie wir an der obigen Abbildung sehen, erreicht der Konsument im Jahre 2000 ein höheres Nutzenniveau als im Jahre 1990.<br />
Er kann sich das Güterbündel (320 kg Lebensmittel und 8 Bücher) leisten. Wie stark ist sein Realeinkommen gestiegen?<br />
(Annahme: Die Konsumquote des Haushalts hat sich nicht verändert)<br />
Die Ausgaben im Jahre 2000 betragen 1504 €. Die Ausgaben im Jahre 1990 betrugen 500 €. Die Ausgaben haben sich also<br />
mit dem Faktor 1504 / 500 = 3,008 verändert. Gemessen am idealen Lebenshaltungsindex (252) ist dies ein realer Anstieg <strong>von</strong><br />
10 300,8 / 252 = 1,3369. Die jährliche reale Wachstumsrate betrug demnach 1,<br />
3369 − 1 = 2,<br />
95%<br />
.<br />
Die spiegelt das Faktum wieder, dass der Haushalt ein höheres Nutzenniveau erreicht.<br />
Gemessen am Laspeyres-Index war das Wachstum aber negativ! Mit dem neuen Budget kann sich der Haushalt das alte<br />
Güterbündel nicht mehr leisten. Die reale Veränderung gegenüber dem Basisjahr wird mit 300,8 / 344 = 0,8744 berechnet. Die<br />
10 jährliche reale Wachstumsrate betrug demnach 0,<br />
8744 − 1 = −1,<br />
33%<br />
.<br />
Gemessen am Paasche-Index hätte der Haushalt sogar dann einen realen Zuwachs erzielen können, wenn sein Nutzenniveau<br />
zurückgegangen wäre. Bei den hier gegebenen Zahlen ergibt sich jedoch ein realer Anstieg <strong>von</strong> 1 auf 300,8/188 = 1,6, was<br />
10 einer jährlichen realen Wachstumsrate <strong>von</strong> 1,<br />
6 − 1 = 4,<br />
81%<br />
entspricht.<br />
Die unterschiedlichen Ergebnisse sind darauf zurückzuführen, dass Paasche und Laspeyres die Substitutionseffekte<br />
vernachlässigen. Im Beispiel sind die Preise der beiden Güter sehr unterschiedlich gestiegen, der Lebensmittelpreis um 10%,<br />
der Bücherpreis um 400%. Die Relativpreisänderung führt dazu, dass Haushalte das relativ teurer gewordene Gut weniger<br />
stark nachfragen und durch das relativ billiger gewordene Gut substituieren (auch wenn schwer vorstellbar ist, dass man den<br />
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Hunger nach Bildung durch Lebensmittel stillen kann). Der ideale Lebenshaltungsindex würde diese Subsitutionseffekte<br />
einbeziehen (er entspricht dem mikroökonomischen Konzept der „compensated variation“). Aus den o.g. Gründen lässt er sich<br />
jedoch nur schwer berechnen, weil zumindest lokale Eigenschaften der Nutzenfunktion geschätzt werden müssen.<br />
Das nachfolgende Schaubild zeigt, wie die Umstellung des Verfahrens der <strong>Inflation</strong>smessung (für den BIP-Deflator) die<br />
ausgewiesenen realen Wachstumsraten verändert hat.<br />
Das statistische Bundesamt hat die BIP-<strong>Inflation</strong>srate bis 2004 mit einem Laspeyres-Index berechnet, wobei der Warenkorb alle<br />
5 Jahre aktualisiert wurde (so wie heute noch bei den Lebenshaltungskosten). 2005 wurde auf verkettete Indizes umgestellt,<br />
was auf eine jährliche Aktualisierung des Warenkorbs hinausläuft. Dadurch werden die systematischen Fehler verringert. Da<br />
die <strong>Inflation</strong> durch den Laspeyres-Index überschätzt wurde, ist das reale Wachstum unterschätzt worden. Mit der neuen<br />
Methode erscheinen die realen Wachstumsraten deshalb höher.<br />
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