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10 wirtschaftsstandort aachen | oktober 2011 Vom „Schreck gespenst“ zur Realität Fachkräftemangel inzwischen spürbar Während vor vier Jahren eine Veranstaltung zum Thema Fachkräftemangel in Aachen kaum Resonanz erzeugt hätte, kann heute solch ein Termin nicht mehr über Besuchermangel klagen . Im Gegenteil: Für viele Betriebe ist der seit langem prophezeite Fachkräftemangel, der seine Karriere als Schreckgespenst vor etwa fünf Jahren begonnen hat, zur Realität geworden . Wo Aufträge nicht mehr erfüllt werden können, weil das Personal fehlt, wird der Leidensdruck größer . Aus den Unternehmenskontakten des Fachbereichs Wirtschaftsförderung wird ersichtlich, dass das Thema auf den Nägeln brennt und viele Betriebe Probleme bei der Stellenbesetzung haben . Die gesamte Region Aachen ist mit ihrer starken High-Tech-Orientierung besonders gefährdet, was den Mangel an qualifizierten Fachkräften betrifft und steht mit anderen Regionen Deutschlands als auch mit dem Ausland in einem starken Wettbewerb . Der Fachkräftemangel, von dem wir heute sprechen, ist eine Herausforderung, die nicht mehr allein auf Konjunk- turphasen zurückzuführen ist, wie es zum Beispiel zu Zeiten des Informatikermangels Ende der 1990er Jahre der Fall war . Eine starke Alterskohorte, die Generation der so genannten „Baby-Boomer“, stellt heute das Gros an Fachkräften . Bei deren Renteneintritt in einigen Jahren wird folglich eine erhebliche Lücke an Meistern, Technikern oder Ingenieuren klaffen . 1 Bereits im Jahr 2015 wird in Deutschland mehr als jeder dritte Erwerbsfähige älter als 50 Jahre alt sein . Es werden somit in Deutschland weitaus mehr Menschen ins Rentenalter übergehen als an „Ersatz“ in den Arbeitsmarkt eintritt . Dem Kammerbezirk Aachen werden nach Berechnungen von IT .NRW bis zum Jahr 2030 insgesamt 76 .000 Erwerbspersonen weniger zur Verfügung stehen, wobei insbesondere der Anteil der Erwerbspersonen bis 49 Jahre dramatisch zurückgehen wird . 2 Es ist zwar nicht möglich, die Fachkräftelücke quantitativ genau zu bestimmen, verschiedene Studien stimmen jedoch darin überein, dass gerade die Nachfrage nach © Ingo Bartussek - Fotolia .com
Hochqualifizierten steigen wird . Schon im Februar 2011 konnten nach dem Institut der Deutschen Wirtschaft in Deutschland 117 .000 Jobs für Fachkräfte aus den so genannten „MINT-Fächern“ (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) nicht besetzt werden . Aber auch Facharbeiter sowie Gesundheits- und Sozialbe rufe sind stark betroffen . So zeichnet sich beispielsweise schon jetzt deutlich ein Fachkräftemangel in der Pflege ab . Mangelnde Qualifikationen und Kompetenzen sind laut einer Unternehmensbefragung des Instituts der deutschen Wirtschaft der Hauptgrund für Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung . 3 Aufgrund des voranschreitenden Strukturwandels werden Qualifikationsanforderungen tendenziell steigen . Das bedeutet: Der Ersatzbedarf an Qualifizierten wird höher und steigende Anforderungen werden sich auch bei einfachen Arbeitsplätzen bemerkbar machen . Individuelle Qualifikationsentscheidungen können diese Entwicklung weiterhin ungünstig beeinflussen . Es kann also passieren, dass sich zusätzlich zum Mangel an MINT-Fachkräften auch noch wenige junge Leute für eine Ausbildung oder ein Studium in diesem Bereich entscheiden . 4 Daneben kommen Faktoren wie räumliche und berufliche Mobilität, Erwerbsbeteiligung und die Verweildauer im Beruf ins Spiel, die häufig durch familiäre Gegebenheiten beeinflusst werden, und die Situation der generellen Verknappung zusätzlich verschärfen . Auch die Entwicklung Deutschlands vom Einwanderungs- zum Auswanderungsland wirkt sich negativ aus . Gerade Akademiker zieht es häufig ins Ausland, womit Deutschland gegenüber anderen EU-Staaten Fachkräfte verliert . 5 © Doc RaBe - Fotolia .com Was bedeuten diese Entwicklungen für die Unternehmen in Aachen? Für einen Betrieb wird es wichtiger denn je, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und sich als ein solcher zu präsentieren . Als renommierte Hochschulstadt ist Aachen Anziehungspunkt für junge Leute . Es wird darauf ankommen, diese für sich zu gewinnen . Eine Befragung von Nachwuchskräften ergab, dass bei der Entscheidungsfindung für einen Job knapp 90 Prozent der Kriterien nicht monetärer Art sind, was auch kleinen Unternehmen grundsätzlich Handlungsspielraum einräumt . 6 Zu den genannten weichen Faktoren gehören zum Beispiel Weiterbildungsmöglichkeiten, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und Unternehmenskultur . Darüber hinaus liegen ungenutzte Potenziale bei verschiedenen Personengruppen, wie bei Frauen, Älteren, Menschen mit Migrationshintergrund oder Langzeitarbeitslosen brach . So können qualifizierte Migranten/-innen beispielsweise ihre Berufe oft nicht ausüben, weil ihre Abschlüsse in Deutschland nicht anerkannt werden, und bekommen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt . Laut einer Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung berücksichtigt über die Hälfte der Betriebe Bewerber nicht, wenn sie über ein Jahr lang arbeitslos waren, auch wenn sie eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Zusatzqualifikationen vorzuweisen haben . 7 Hohe Ansprüche an Bewerber kritisch zu hinterfragen kann heißen, Bewerber mit Entwicklungspotenzial, die möglicherweise erst auf den zweiten Blick geeignet erscheinen, nicht von Vornherein auszuschließen und gute Fachkräfte zu gewinnen . Aus kommunaler Sicht ist die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensbestands „das A und O“, um als Wirtschaftsstandort und für Fachkräfte attraktiv zu bleiben . Der Fachbereich Wirtschaftsförderung nimmt deshalb seine Aufgabe ernst, Unternehmen in dieser Frage bestmöglich zu unterstützen und setzt sich mit verschiedenen Projekten und Initiativen, wie zum Beispiel „Perspektive 50plus“ oder „SWITCH“ für die Fachkräftesicherung ein . Die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes wird durch Maßnahmen wie den „Newcomerservice“ unterstützt, der durch verschiedene Angebote und Veranstaltungen für Fachkräfte den Zuzug nach Aachen erleichtert und schmackhaft macht . Fachkräftesicherung kann nur gelingen, wenn viele Akteure an ein und demselben Strang ziehen . Die Attraktivierung des Hochschulstandortes ist ein Thema, an dem der Fachbereich zusammen mit den Hochschulen verstärkt arbeitet . Gleichzeitig treibt die Wirtschaftsförderung mit der Region Aachen die Entwicklung eines regionalen Handlungsplans zur Fachkräftesicherung voran . 1) IW-Zukunftspanel 2) IHK Aachen: Fachkräfte sichern, Juli 2011. 3) 88 Prozent der befragten Unternehmen gaben dies an. Institut der deutschen Wirtschaft: Qualifizierungsmonitor, 2010. 4) G.I.B., 2011. 5) Bertelsmannstiftung, 2010. 6) Prognos Trendletter 1/11, S. 8. 7) IAB-Erhebung des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots 2009. wirtschaftsstandort aachen | oktober 2011 Schwerpunkt i weitere Informationen: Fachbereich Wirtschaftsförderung/ Europäische Angelegenheiten Ulrike Fehsenfeld Tel .: 0241-432 7657 Mail: ulrike .fehsenfeld@ mail .aachen .de 11
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