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Was hat Qubique gegenüber anderen Veranstaltungen abgegrenzt?<br />
Wir wollten nie eine Designveranstaltung wie die DMY sein, unsere<br />
Vorstellung war ganz klar: Interior mit Marken, die klare kommerzielle<br />
Absichten und auch die nötigen Produktionskapazitäten<br />
haben. Aber direkt nach dem Event und auch im Januar war<br />
kaum Anschlussvermarktung möglich, weil jeder sofort wieder<br />
zum Tagesgeschäft übergegangen ist. Die Abläufe sind sehr eng<br />
getaktet, da ist es sehr schwierig sich zu profilieren.<br />
Der Fokus der Qubique lag auf Produkten, die man auch als<br />
Normalsterblicher tatsächlich kaufen, bestellen und bezahlen<br />
kann, gleichzeitig war es eine große Show, sehr schick, mit viel<br />
Glamour. Ergab sich daraus <strong>nicht</strong> auch ein Spannungsfeld?<br />
Ja, vielleicht ein bisschen zu schick und ein bisschen zu viel Glamour,<br />
okay. Aber Spannungsfelder sind ja grundsätzlich <strong>nicht</strong><br />
von Nachteil. Und wir hatten ja auch <strong>nicht</strong> vor, eine reine Verkaufsmesse<br />
wie etwa die blickfang zu machen. Man muss eine<br />
klare Struktur aufweisen: Bist du eine B2B- (Business-to-business,<br />
Anm.d.Red.) oder eine B2C- (Business-to-consumer, Anm.d.<br />
Red.) Veranstaltung? Entsprechend hast du unterschiedliche Aussteller.<br />
Bei einer B2B-Veranstaltung sind deine Kunden die Händler,<br />
die contract-Leute, die Architekten, und weniger die Endverbraucher.<br />
Das war unser Ziel: Eine gute B2B-Veranstaltung zu<br />
machen, und gleichzeitig <strong>das</strong> B2C im Sinne von Markenkommunikation<br />
zu nutzen. Der normale Endverbraucher kennt keine einzige<br />
vernünftige Marke. Und ich rede <strong>nicht</strong> von denen, die so<br />
teuer sind wie Cassina. Es gibt hochwertige Stühle für hundert<br />
Euro. Und die wurden auch <strong>nicht</strong> von Kinderhänden zusammengeleimt,<br />
oder wie diese ganzen Vorurteile lauten.<br />
Daraus ergibt sich ja jetzt eine düstere Einschätzung des Status<br />
quo: Es gibt eine Menge schicker Messen für ein kleines Oligarchenpublikum,<br />
und der Rest wird von IKEA abgedeckt. Oder ist<br />
<strong>das</strong> übertrieben?<br />
Ich würde sogar noch weiter gehen. Ich kenne zwar die ganz genauen<br />
Zahlen <strong>nicht</strong>, aber unter den zehn größten Möbel-Händlern<br />
in Europa ist eigentlich keiner, der Produkte von klassischen Designherstellern<br />
im Sortiment hat. Die Markenwelt, in der wir uns<br />
bewegen, ist kein Abbild der Realität. Ich zeichne ja <strong>nicht</strong>s düster,<br />
ich sage ja nur wie es ist: Wo kaufen die meisten Leute ihre Möbel?<br />
Warum gibt es zum Beispiel von Moroso keine Linie für<br />
junge Leute, die <strong>nicht</strong> so teuer ist? Leute wären im Prinzip bereit,<br />
100 oder auch 200 Euro für einen Stuhl zu bezahlen, <strong>das</strong> geht ja<br />
alles noch. Aber <strong>das</strong> machen sie nur, wenn sie eine Marke mit einer<br />
Story dahinter sehen. Die Modeindustrie betreibt <strong>das</strong> par excellence.<br />
Da wird gepusht, da ist Feuer dahinter. In der Möbelindustrie<br />
herrscht immer noch dieses Bedächtige vor.<br />
Liegt <strong>das</strong> vielleicht auch daran, <strong>das</strong>s wir allgemein ein merkwürdiges<br />
Verhältnis zu Design haben? Zum einen sind beispielsweise<br />
Möbel Gebrauchsobjekte, die man kauft, weil man eben gerade<br />
einen Stuhl braucht, und auf der anderen Seite geben wir Dingen<br />
eine fast schon museal-sakrale Aura, wenn wir sie als hohes Design<br />
klassifiziert haben...<br />
Genau, auf vielen Messen stehen die Möbel ja auf Podesten, damit<br />
man sie auch ja <strong>nicht</strong> anfasst. Absurd. Wir wollen im Grunde<br />
wieder zurück zum Benutzen von Dingen. Ich beobachtete sogar<br />
teilweise, <strong>das</strong>s Leute auf dieses schon Benutzte stehen, weil es<br />
ihnen die Schwellenangst nimmt. Man merkt <strong>das</strong> auch schon in<br />
den Läden. In denen wird man fast abgeschreckt, auch wenn<br />
die Produkte sehr gut sind, und zwar aus genau diesem Grund:<br />
Man hat <strong>das</strong> Gefühl, in einem sakralen Palast zu stehen. Bloß<br />
<strong>nicht</strong> nach dem Preis fragen!<br />
Davon hat Qubique sich abgegrenzt. Aber wie geht es denn nun<br />
weiter?<br />
Qubique ist momentan ein noch zu definierendes offenes Gebilde.<br />
Die Messe wird nie wieder in der gleichen Form wie letztes Jahr<br />
stattfinden, <strong>das</strong> ist ausgeschlossen. Aber jetzt werden wir ganz<br />
gezielt unsere Kommunikationskanäle nutzen, um in der Community<br />
herumzufragen. Und zwar ohne jeden Verkaufsdruck dahinter.<br />
Und wenn von Seiten der Marken jetzt die Aussage kommt:<br />
Ja, wir brauchen Berlin als kommunikative Zentrale Europas,<br />
dann wird sich sicher auch ein Weg finden, <strong>das</strong> umzusetzen.<br />
Wie muss man sich <strong>das</strong> konkret vorstellen? Das Konzept, eine<br />
große Party zu veranstalten, um die Leute in dieses Segment zu<br />
locken, ist ja zumindest von der Presse sehr gut aufgenommen<br />
worden...<br />
So würde ich es auch wieder machen wollen. Aber ich könnte<br />
mir <strong>das</strong> Ganze inzwischen auch dezentralisierter vorstellen. Heute<br />
ist es so: Große Messen finden an einem Ort und zu einer Zeit<br />
statt. Der Salone del Mobile ist im April in Mailand, Punkt. Das ist<br />
festgenagelt. Entsprechend kommen auch immer dieselben Leute.<br />
Aber was wäre denn, wenn man <strong>das</strong> Ganze total loslöst von<br />
Ländern, Städten und Locations? Warum <strong>nicht</strong> flexibel agieren?<br />
Warum <strong>nicht</strong> mit einer micro-fair an Orte gehen, wo schon viel<br />
passiert? Oder wo noch gar <strong>nicht</strong>s passiert, um in die örtliche<br />
Community vorzudringen? Qubique könnte quasi etwas sein,<br />
was unabhängig von Ort und Zeit stattfindet. Damit ließen sich<br />
ganz neue Märkte erschließen: andere Händler und andere business-contract-Kontakte<br />
als zum Beispiel in Mailand oder in Berlin.<br />
Und es wäre auch für den Veranstalter sehr viel interessanter, als<br />
dauernd den Druck zu haben: Ich muss einen Termin sicher kommunizieren,<br />
ich merke aber in der Zwischenzeit, ich bekomme<br />
keine zwanzigtausend Quadratmeter voll. Vielleicht haben ja ein<br />
paar Leute Lust, gemeinsam mit uns neue Wege zu gehen. Aber<br />
wie gesagt, momentan schwebt Qubique noch im luftleeren<br />
Raum.<br />
Welche Mentalität in der Branche wäre aus der Sicht von Qubique<br />
denn wünschenswert?<br />
Das ist schwierig zu beantworten. Ich würde mir vielleicht mutigere<br />
Hersteller mit mutigeren Vertriebskonzepten wünschen. Davon<br />
ist Messe nur ein kleines Teilchen. Das Bewusstsein dafür ist teilweise<br />
schon da, <strong>das</strong> beweisen ja die vielen neuen Messen. Aber<br />
der Vertrieb muss sich grundlegend wandeln: schneller, kostenbewusster,<br />
markenbewusster, öffentlichkeitsbewusster. Die Frage<br />
ist letztlich: Gibt es <strong>das</strong> Design zum Nutzen der Menschen oder<br />
zum Nutzen des Designers? Beides ist legitim, aber im letzteren<br />
Fall ist er dann eben eher ein Künstler als ein Designer.<br />
Und wie stehen hier die Chancen auf Veränderung?<br />
Wir leben in einer bunten Welt, alles ist in Bewegung, <strong>das</strong> ist ja<br />
auch <strong>das</strong> Gute an unserer Zeit. Wir müssen uns <strong>nicht</strong> ausschließlich<br />
mit Gelsenkirchener Barock beschäftigen oder mit der Neuen<br />
Sachlichkeit. Wir leben in einer Zeit, in der alles geht. Man kann<br />
alles mixen. Das ist total demokratisch. In gewisser Weise ist <strong>das</strong><br />
auch mein Wunsch: Dass die Produkte demokratischer werden,<br />
also einer breiteren Masse zugänglich. Bei den Händlern und<br />
auch bei den Marken muss und wird eine ganze Menge passieren,<br />
<strong>das</strong> sieht man jetzt schon. Vielleicht waren wir nur zwei Jahre zu<br />
früh.<br />
Matthias Schmid, vielen Dank für <strong>das</strong> Gespräch.<br />
Das Interview führte Tilmann Hoffer<br />
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