OBERSCHULEN GESTALTEN ZUKUNFT - kobra.net
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Wie arbeiten wir heute gemeinsam an der Bildung von morgen?<br />
grandIOS<br />
Heft 1<br />
<strong>OBERSCHULEN</strong> <strong>GESTALTEN</strong> <strong>ZUKUNFT</strong>
grandIOS<br />
<strong>OBERSCHULEN</strong> <strong>GESTALTEN</strong> <strong>ZUKUNFT</strong><br />
Wie arbeiten wir heute gemeinsam an der Bildung von morgen?
Inhalt<br />
2 Editorial<br />
Markus Wicke<br />
4 „Die Vorzüge und Qualitäten von Oberschulen sichtbar machen!“<br />
Warum eine gute Öffentlichkeitsarbeit wichtig ist und wie sie gelingt<br />
Interview mit Sigrid Neutmann – Schulleiterin der Oberschule Wittenberge<br />
6 „Keine Schule gleicht der anderen. Jede Schule geht eigene Wege!“<br />
Wie Profilbildung Oberschulen stärkt<br />
Interview mit Dr. Karin Borck – democaris<br />
8 „Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt …“<br />
Wie können Schülerinnen und Schüler individuell gefördert werden?<br />
Erfahrungen aus dem Deutschunterricht<br />
Katrin Leubner<br />
14 3 Fragen zur Person<br />
Afra Riemer und Frank Schubert – Landstreicherei Potsdam<br />
17 „Auf den Blickwinkel kommt es an …“<br />
Wie können Schülerinnen und Schüler in IOS-Projekten individuell gefördert werden?<br />
Interview mit Afra Riemer und Frank Schubert – Landstreicherei Potsdam<br />
19 Kooperation mit Wirkung<br />
Wie gute Praxis aus IOS-Projekten verstetigt werden kann<br />
Claudia Buschner<br />
25 3 Fragen an die Berufsberatung<br />
Interview mit Peter Limpächer – Teamleiter U25, Agentur für Arbeit Potsdam<br />
26 YouWiPod – Innovative Berufserkundung in Unternehmen<br />
Claudia Buschner<br />
28 2 x 3 Fragen zum Lernen durch Kooperation<br />
Birgit Hein – stellvertretende Schulleiterin der Hugo-Rosenthal Oberschule Borgsdorf<br />
Frank Baumann – Geschäftsführer von BÜRO BLAU<br />
30 Lernen im Café?<br />
IOS-Projekte unterstützen nachhaltiges Lernen<br />
A<strong>net</strong>te Kwade<br />
34 Literaturtipp: Soziales Lernen im Kontext Schule<br />
Instrumente für die Planung und dialogische Reflexion sozialer Lernprozesse<br />
Arbeitshilfe und Fortbildung für pädagogische Fachkräfte<br />
Elke Klein<br />
36 Impressum<br />
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Liebe Leserinnen und liebe Leser,<br />
die Zahlen sind alarmierend: Bundesweit wurden im vergangenen Sommer für rund<br />
30.000 Ausbildungsstellen keine Auszubildenden gefunden. Allein in Brandenburg konnten<br />
914 freie Stellen nicht besetzt werden - 633 Stellen waren es noch im Vorjahr. Was dabei<br />
besonders auffällt, ist die Tatsache, dass erstmals die Zahl der unbesetzten Stellen höher<br />
ist als die der unversorgten Bewerber, die mit 735 Jugendlichen gegenüber dem Vorjahr<br />
(950) erneut gesunken ist * . Dies bestätigt die allgemeine Aussage, dass wir in den nächsten<br />
Jahren auch im Land Brandenburg einen deutlichen Fachkräftemangel zu erwarten<br />
haben, wenn nicht gegengesteuert wird.<br />
Für die Brandenburger Oberschulen bedeuten diese Zahlen Chance und Herausforderung<br />
zugleich. Die Chance besteht darin, sich noch klarer und deutlicher als berufsorientierende<br />
Schulen gegenüber Unternehmen, Eltern und nicht zuletzt Schülerinnen und Schülern<br />
zu profilieren. Wobei die berufliche Orientierung nicht nur auf berufsbezogene Grundkenntnisse<br />
und das Wissen um aktuelle Berufe und deren Anforderungen reduziert werden<br />
darf. Es geht auch darum, Schülerinnen und Schüler zu motivieren und zu befähigen,<br />
ihre Berufs- und Lebensplanung selbst in die Hand zu nehmen und soziale Fähigkeiten zu<br />
entwickeln, die ihnen eine anerkannte berufliche und soziale Stellung in der Gesellschaft<br />
ermöglichen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dafür sind derzeit so günstig wie<br />
schon seit Jahren nicht mehr.<br />
Die gute Aussicht, auch in Brandenburg einen Ausbildungsplatz zu finden, kann vielleicht<br />
auch denen eine neue Lernmotivation geben, die die Schule mit ihren Anforderungen<br />
bisher als etwas empfunden haben, was mit ihrer Lebens- und Erfahrungswelt wenig zu<br />
tun hat. Diese begrenzte Welt, die oft mit familiären Erfahrungen und Bildern von Arbeitsund<br />
Perspektivlosigkeit verbunden ist, zu öffnen und Jugendlichen neue positive Erfahrungen<br />
zu ermöglichen, ist zugleich eine der Herausforderungen, vor der Brandenburger<br />
Oberschulen stehen. Eine Herausforderung, die sie nicht allein meistern können.<br />
Programme wie die „Initiative Oberschule“ (IOS) bieten Oberschulen die Möglichkeit, mit<br />
Kooperationspartnern gemeinsam Angebote zu entwickeln, die auf den Bedarf und das<br />
Profil der Schule ausgerichtet sind. Eine „Einladung zum Mitmachen“ sei das Programm,<br />
meinten die Evaluatoren der Universität Erfurt, die der „Initiative Oberschule“ 2011 ein<br />
sehr gutes Zeugnis ausstellten. Vor allem weil IOS bei Schülerinnen und Schülern und der<br />
Schule selbst eine gute Wirkung entfaltet hat. Diese gute Wirkung anhand der Vorstellung<br />
guter Praxis in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen, soll Zweck der Publikationsreihe<br />
„grandIOS“ sein, deren erstes Heft wir Ihnen ans Herz legen wollen. Damit möchte der<br />
IOS-Regionalpartner zugleich die Ergebnisse der jährlichen IOS-Fachtage dokumentieren.<br />
* Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Ergebnisse der Ausbildungsmarktstatistik;<br />
Berechnungen des Bundesinstituts für Berufsbildung<br />
www.bibb.de/dokumente/pdf/naa309_2011_ tab016_1land.pdf
In der noch bis Mitte 2014 laufenden Programmphase der „Initiative Oberschule“ wird<br />
es vor allem darauf ankommen, die guten Wirkungen von IOS zu verstetigen und die<br />
Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Programm dauerhaft für die Entwicklung der<br />
Schulen zu nutzen. Dieses Heft widmet sich daher dem Querschnittsthema Nachhaltigkeit,<br />
das auch schon beim letzten Fachtag des IOS-Regionalpartners im September 2011<br />
in Potsdam eine wichtige Rolle spielte. Diesen leider allzu oft als Schlagwort genutzten<br />
Begriff in die alltägliche Schul- und Projektpraxis zu übersetzen, ist das Anliegen dieser<br />
Publikation, in der neben einigen notwendigen theoretischen Ausführungen vor allem<br />
auch Vertreterinnen und Vertreter von Oberschulen und Kooperationspartnern zu Wort<br />
kommen. Sie zeigen, dass es nicht immer eines Kraftaktes bedarf, Nachhaltigkeit in der<br />
Planung und Umsetzung eines Projektes oder in der täglichen Unterrichtsarbeit zu berücksichtigen.<br />
Wie dabei die Schülerinnen und Schüler möglichst individuell angesprochen<br />
werden können, ist in vielen beispielhaften Projekten zu sehen.<br />
Sie verdeutlichen aber auch, wie notwendig es ist, die guten Erfolge der Arbeit in den<br />
Oberschulen in den letzten Jahren nach außen zu tragen. Dazu gehört zunächst eine<br />
klare Profilbildung der einzelnen Oberschule, die regional durchaus mit unterschiedlichen<br />
Akzenten in der Schullandschaft ihren Platz gefunden hat. Dieses Profil mit Beteiligung<br />
der ganzen Schule zu bestimmen und zu schärfen, ist nicht nur für die Kommunikation<br />
nach außen wichtig - dieser Prozess dient auch der Identifizierung der Schülerinnen und<br />
Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer und nicht zuletzt der Eltern mit „ihrer“ Schule und<br />
stärkt den Zusammenhalt untereinander.<br />
Die Gewinnung eines Profils ist jedoch nur ein Schritt auf dem Weg zu einer gut wahrgenommenen<br />
Oberschule, denn erkennbares Profil sollte auch gut kommuniziert werden,<br />
nach innen und nach außen. Auch hierfür gibt es in Brandenburg gute Beispiele, die oft<br />
auch mit Beteiligung von Schülerinnen und Schülern im Rahmen eines Projektes entstanden<br />
sind. Die Jean-Clermont-Oberschule in Sachsenhausen wirbt z.B. ganz offensiv und<br />
selbstbewusst mit dem Slogan: „Wir sind die Oberschule in Oranienburg, die die Handwerker<br />
und Facharbeiter von morgen am besten auf die Zukunft vorbereitet.“<br />
Mit diesen guten Aussichten wünsche ich Ihnen eine für Ihre Arbeit anregende Lektüre.<br />
Über eine Resonanz würden wir uns freuen.<br />
Markus Wicke<br />
Projektleiter der „Initiative Oberschule“ beim IOS-Regionalpartner Potsdam<br />
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„Die Vorzüge und Qualitäten von Oberschulen sichtbar machen!“<br />
Warum eine gute Öffentlichkeitsarbeit wichtig ist und wie sie gelingt<br />
Interview mit Sigrid Neutmann – Schulleiterin der Oberschule Wittenberge<br />
Mit welchen Formen der Öffentlichkeitsarbeit präsentiert sich die Oberschule Wittenberge<br />
zur Zeit nach außen und was haben Sie noch für die Zukunft geplant?<br />
Unsere Schule tritt nach außen in einem einheitlichen Erscheinungsbild auf, bei dem unser<br />
Logo und die dazugehörigen Farben die wichtigsten Wiedererkennungselemente bilden. Die<br />
Palette der Öffentlichkeitsarbeit ist dabei sehr breit: Mit unserer Inter<strong>net</strong>seite, dem dort<br />
abzurufenden Imagefilm und einem Schulflyer informieren wir Eltern sowie Schülerinnen<br />
und Schüler über die Angebote unserer Schule. Für die Vorstellung der Schule in Betrieben,<br />
dem Rathaus oder für Besucher im Schulgebäude haben wir zusätzlich eine transportable<br />
Präsentationswand und Roll-up-Displays angeschafft. Wir haben außerdem gute Erfahrungen<br />
damit gemacht, unsere Schule für Interessierte zu öffnen: Die Tage der offenen Tür,<br />
unsere Ehemaligentreffen, aber auch Konzerte der Musikschule sind immer gut besucht<br />
und tragen zum guten Ruf unserer Schule bei.<br />
In der Zukunft wird es darauf ankommen, die Elemente unserer Öffentlichkeitsarbeit ständig<br />
aktuell zu halten, neuen Gegebenheiten anzupassen und dabei die Corporate Identity unserer<br />
Schule nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Arbeit wird nach der Einführung eines<br />
einheitlichen Erscheinungsbildes (Corporate Design) oft unterschätzt.<br />
Wer hat die Initiative für eine Verbesserung Ihres öffentlichen Erscheinungsbildes gehabt<br />
und wie haben Sie die einzelnen Elemente finanziert?<br />
Die Initiative dazu entstand in Kooperation von Schulleitung, dem Lehrerkollegium und<br />
dem Förderverein der Oberschule Wittenberge e. V.. Dieser Prozess war sehr zeitaufwendig<br />
und kostete natürlich Geld. Für die Finanzierung haben wir verschiedenste engagierte<br />
Partner, die uns unterstützen: Der Förderverein finanzierte die Inter<strong>net</strong>seite, den Flyer<br />
und die Präsentationswand. Dies geschah mit Eigenmitteln des Vereins und teilweise mit<br />
Fördermitteln wie z.B. bei der Erstellung des Imagefilms. Weitere Gelder kommen aus<br />
Projektmitteln und Förderer der Oberschule Wittenberge stellen ihre Arbeitsleistung<br />
unentgeltlich zur Verfügung.<br />
Warum ist Ihnen eine gute Präsentation der Oberschule nach außen wichtig und wie beziehen<br />
Sie Ihre Schülerinnen und Schüler und Ihre Kolleginnen und Kollegen in diesen Prozess ein?<br />
Die Vorzüge und Qualitäten unserer Schule zeigen wir der Öffentlichkeit gern, denn die<br />
Oberschule wird in Brandenburg leider zu Unrecht noch oft als zweite Wahl betrachtet.<br />
Wir wollen mit unserer Öffentlichkeitsarbeit die Oberschule hingegen als gute Alternative<br />
zum Gymnasium darstellen, die andere Schwerpunkte setzt. Es kommt darauf an, der
Öffentlichkeit die besonderen Qualitäten dieser Schulform für die Entwicklung von Jugend-<br />
lichen zu vermitteln. In unserem Imagefilm zeigen die Schülerinnen und Schüler selbst,<br />
dass sie hinter den alten Fassaden modern ausgestaltete Unterrichtsräume zur Verfügung<br />
haben, die technisch auf dem aktuellen Stand und farblich ansprechend gestaltet sind.<br />
Der Film vermittelt die vielfältigen Möglichkeiten beim Lernen und im Ganztag und zeigt<br />
eindrücklich, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit ihrer Schule identifizieren und<br />
sie als wichtigen Lebensort betrachten.<br />
Die Bearbeitung der Inter<strong>net</strong>seite und die Pressearbeit werden von Freunden und Förderern<br />
der Oberschule übernommen, die die Informationen im engen Kontakt mit uns verarbeiten.<br />
Den Blick eines Außenstehenden finden wir an dieser Stelle sehr wichtig. Die Schulleitung<br />
und die Lehrerinnen und Lehrer geben natürlich Anregungen und die Schülerinnen und<br />
Schüler machen Fotos oder schreiben einzelne Texte.<br />
Das Interview führte Markus Wicke vom IOS-Regionalpartner Potsdam.<br />
Startseite der Homepage<br />
der Oberschule Wittenberge<br />
Oberschule Wittenberge<br />
Sigrid Neutmann<br />
Scheunenstraße 13<br />
19322 Wittenberge<br />
fon: 03877 - 40 38 32<br />
fax: 03877 - 77 08 2<br />
oberschule.wittenberge@schulen.brandenburg.de<br />
www.oberschule-wittenberge.de<br />
Imagefilm:<br />
www.oberschule-wittenberge.de/Oberschule_Wittenberge/Film.html<br />
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„Keine Schule gleicht der anderen. Jede Schule geht eigene Wege!“<br />
Wie Profilbildung Oberschulen stärkt<br />
Interview mit Dr. Karin Borck – democaris<br />
Wie wichtig ist Profilbildung für Schulen allgemein und warum sollten<br />
sich Oberschulen in Brandenburg auf diesen Weg begeben?<br />
Wenn sich Schulen und hier in allererster Linie zunächst die Lehrerkollegien und die Schulleitung<br />
auf den Weg machen, über das Profil ihrer Schule und damit auch über das Ziel<br />
und die Richtung ihrer Arbeit zu sprechen, erlebe ich das nach einer anfänglichen Skepsis<br />
zumeist als sehr produktiven und freudvollen Prozess für alle Beteiligten. Sich gemeinsam<br />
mit den Kolleginnen und Kollegen einmal Zeit und Raum für die Reflexion der pädagogischen<br />
Arbeit, die Analyse von Stärken und Potenzialen der Schule nehmen zu können,<br />
empfinden viele als wertvolle Ergänzung zu ihrer alltäglichen Arbeit. Vieles ist so selbstverständlich,<br />
dass die Reflexion darüber oft zu kurz kommt. Wo stehen wir? Wo wollen wir<br />
hin? Auf diese Fragen zu schauen - mit einer externen Begleitung und Moderation - ist wie<br />
ein kurzes Aussteigen aus dem Alltag. Selbstverständlich ist das nicht, gerade auch in<br />
Kollegien, die schon seit Jahrzehnten zusammen arbeiten. Für die Profilbildung einer Schule<br />
aber ist dieser erste Schritt unerlässlich.<br />
Die Arbeit am Profil einer Schule dient also zunächst einmal vor allem der Schule selbst im<br />
Sinne einer besseren Identifikation mit der eigenen Einrichtung und einer Selbstvergewisserung<br />
über das Ziel, die Strukturen und die Methoden der eigenen Arbeit. Das motiviert für<br />
den Schulalltag mit seinen Herausforderungen und festigt das Team.<br />
Welche Meilensteine sind auf dem Weg zu einem nach innen und außen<br />
gut kommunizierten Schulprofil besonders wichtig?<br />
Wichtig ist zunächst einmal, dass jede Schule ihren eigenen Weg der Profilbildung findet<br />
und gehen muss, der am jeweiligen konkreten Bedarf der Schule ansetzen sollte. Ein einheitliches<br />
Raster gibt es dafür nicht. Die Initiative für einen solchen Prozess geht erfahrungsgemäß<br />
von der Lehrerschaft einer Schule aus, die in einem ersten Schritt in internen<br />
Arbeitsgruppen eine Bedarfsanalayse, ein erstes Ziel und einen Fahrplan des Prozesses erarbeiten<br />
sollte. In einem zweiten Schritt sollten die Schülerinnen und Schüler und möglichst<br />
auch die Eltern und ggf. weitere Partner der Schule beteiligt werden, damit möglichst viele<br />
Ideen und Sichtweisen einfließen. Hier hat sich die Arbeit in gemischten Teams als sehr<br />
erfolgreich erwiesen. Auch das stärkt in besonderer Weise den Zusammenhalt einer Schule<br />
und trägt positiv zum Schulklima bei. In einem dritten Schritt kann das so auf breiter Basis<br />
gewonnene Profil über verschiedene Wege nach außen kommuniziert werden, z.B. über<br />
einen Imagefilm, einen Flyer oder eine neu gestaltete Homepage. Auch hier ist es wichtig,<br />
Schülerinnen und Schüler aktiv zu beteiligen, z.B. als Filmemacher oder als Teilnehmer<br />
einer Mediengruppe, die die neue Inter<strong>net</strong>seite regelmäßig pflegt und aktualisiert.
Was war Ihre wichtigste Erfahrung bei Ihrer bisherigen Arbeit<br />
mit Brandenburger Oberschulen?<br />
Was mir besonders an den Oberschulen imponiert, ist die Tatsache, dass dort Bildung<br />
und Erziehung ganz selbstverständlich als schulischer Auftrag zusammen gedacht werden.<br />
Das Interesse am und die Arbeit mit dem Schüler und der Schülerin hören nicht beim<br />
Unterricht auf, denn viele schulische Probleme haben ihre Ursachen oft im familiären oder<br />
sozialen Umfeld. Mit dieser doppelten pädagogischen Herausforderung machen die Lehrerinnen<br />
und Lehrer einen Wahnsinnsjob mit viel Herzblut und einer hohen Identifikation mit<br />
ihrem Beruf. Um dieses Potential der Oberschulen nachhaltig zu sichern, weiter zu entwickeln<br />
und nach außen zu tragen, benötigen die Schulen aber auch langfristig eine bedarfsgerechte<br />
und individuelle Beratung und Unterstützung durch außerschulische Partner. Aus<br />
den guten Kooperationserfahrungen des Programms „Initiative Oberschule“ heraus sollten<br />
daher auch zukünftig Mittel für eine solche Unterstützung bereitgestellt werden.<br />
Das Interview führte Markus Wicke vom IOS-Regionalpartner Potsdam<br />
Die democaris GbR berät und begleitet Brandenburger<br />
Schulen im Rahmen der „Initiative Oberschule“ u.a. auf<br />
dem Weg der Profilbildung. Weitere Schwerpunkte sind<br />
die Beratung und Unterstützung von Schulen in der<br />
Elternarbeit und die bedarfsgerechte Entwicklung und<br />
Anwendung von Sozialkompetenzkonzepten.<br />
democaris GbR<br />
Dr. Karin Borck<br />
Kleineweg 152<br />
12101 Berlin<br />
fon: 0170 - 774 09 55<br />
borck@democaris.de<br />
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„Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt …“<br />
Wie können Schülerinnen und Schüler individuell gefördert werden?<br />
Erfahrungen aus dem Deutschunterricht<br />
Katrin Leubner<br />
Alle Lehrerinnen und Lehrer spüren bei ihrer täglichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen,<br />
dass sich sowohl die Kinder und Jugendlichen als auch die Bedingungen außerhalb der Schule<br />
grundlegend verändert haben und sich die Frage stellt, wie sich diese Veränderungen auf<br />
die Institution Schule, auf das Lernen auswirken (siehe Infokasten „Megatrends“).<br />
Der folgende Artikel soll Mut und<br />
Lust machen, sich diesen Veränderungen<br />
zu stellen, Kinder und<br />
Jugendliche in ihrer Verschiedenartigkeit<br />
wahr- und anzunehmen und<br />
das nicht als Belastung, sondern als<br />
Chance zu begreifen. Dazu gehört<br />
auch, die eigene Rolle als Lehrkraft<br />
zu überdenken und selbst wieder<br />
Lernende zu sein.<br />
Natürlich ist das eine Herausforderung,<br />
aber: „Jeder Weg beginnt<br />
mit dem ersten Schritt“. So können<br />
Lehrkräfte gerade auf der unterrichtlichen<br />
Ebene jeden Tag den ersten<br />
Schritt wagen, Schülerinnen und<br />
Schüler individuell anzusprechen.<br />
Beispiel 1<br />
Du-kannst-Aufgabe für 8. Klasse<br />
Megatrends *<br />
Vielfalt: Die Kinder und Jugendlichen bringen<br />
heute sehr vielfältige Sozialisierungshintergründe<br />
mit, diese als Chance fürs Lernen zu sehen, fällt im<br />
schulischen Alltag manchmal gar nicht so leicht<br />
Menge: Wir stehen heute vor einer Datenflut<br />
(Informationsfülle) mit schneller Veralterungsrate.<br />
Wie gehen wir als Schule damit um?<br />
Z.B. ca. 50 .000 Seiten Papier bekommt ein Schüler<br />
von der 1. – 9. Klasse oder in einem Einkaufszentrum<br />
gibt es ca. 60.000 Artikel – wir brauchen ca. 200.<br />
* Andreas Müller „Mehr ausbrüten, weniger gackern.<br />
Denn Lernen heißt: Freude am Umgang mit Widerständen<br />
entwickeln oder kurz: Vom Was zum Wie, S. 21 ff.<br />
Verknüpfung des Exkursionstages<br />
„Potsdam und seine Umgebung kennen lernen“ mit dem Deutsch-Unterricht<br />
(Wahl des thematischen Schwerpunkts und einer Textsorte)<br />
Schreibe einen Text zu unserem 1. Exkursionstag.<br />
Dabei kannst du inhaltlich einen der folgenden Schwerpunkte wählen:<br />
Auf den Spuren von Lenné auf der Pfaueninsel …<br />
Auf den Spuren von Königin Luise auf der Pfaueninsel …<br />
Auf den Spuren besonderer Pflanzen, der Pfauen und anderer Tiere auf der Pfaueninsel …<br />
Auf den Spuren moderner Kunst auf der Pfaueninsel …<br />
Dabei kannst du dir die Textsorte selbst wählen. (Wir haben in Klasse 7 einige Textsorten<br />
mit ihren Merkmalen kennengelernt, z.B.: Gedicht, Tagebucheintrag, Kurzgeschichte.<br />
Diese sollst du dir jetzt noch einmal ansehen, denn die Merkmale der jeweiligen Textsorte<br />
sollen in deinem Geschriebenen zu erkennen sein.)
Beispiel 2<br />
Du-kannst-Aufgabe für 8. Klasse<br />
Erörtere, inwiefern es heute gerechtfertigt ist, Friedrich II. den Beinamen<br />
„der Große“ zu geben. (Dazu kannst du auch das LB S. 118 nutzen.)<br />
Wähle dazu eine der folgenden Wahlaufgaben:<br />
Du kannst dazu ein Interview mit einem Historiker führen (dazu brauchst du einen Partner).<br />
Du kannst dazu ein Lernplakat gestalten.<br />
Du kannst eine Rede auf der Versammlung einer Bürgerinitiative halten, die einem<br />
zentralen Platz in Potsdam den Namen „Friedrich der Große“ geben will.<br />
Du kannst dazu einen Artikel für unsere Schülerzeitung verfassen.<br />
Du kannst eine Talkshow zum Thema vorbereiten, daran sollten mind. ein Historiker,<br />
ein Prominenter und andere Bürger teilnehmen. Dazu kannst du in einer Gruppe von<br />
max. 4 Schülern arbeiten.<br />
Eine „Du-kannst-Aufgabe“ ist eine gute Möglichkeit für den Einstieg. Sie ist ein Instru-<br />
ment, das der Verschiedenartigkeit der Schülerinnen und Schüler Rechnung trägt und<br />
sie produktiv zu nutzen versucht. Der Aufwand ist relativ gering, denn es wird eine ge-<br />
meinsame Aufgabenstellung für die gesamte Lerngruppe konstruiert. Den Schülerinnen und<br />
Schülern werden damit Wahlmöglichkeiten eröff<strong>net</strong>. Damit arbeiten zwar alle Schülerinnen<br />
und Schüler an der gleichen „Oberaufgabe“, aber entweder nach selbst gewählten individuellen<br />
Schwerpunkten oder mit unterschiedlichen Methoden. Damit wird den Jugendlichen<br />
die Möglichkeit geboten, ihre eigenen Stärken zur Geltung zu bringen oder entsprechend<br />
ihren Interessen und Neigungen zu arbeiten. Meine Erfahrungen mit diesem Aufgabenformat<br />
sind sehr positiv, Schülerinnen und Schüler nehmen diese Aufgaben gern an,<br />
fragen von Zeit zu Zeit sogar, „Wann können wir denn mal wieder …“ und es kommt fast<br />
nie vor, dass Schüler kein Arbeitsergebnis vorweisen können oder wollen.<br />
Eine anderes Beispiel aus dem Deutschunterricht: Rechtschreibung ist für viele Schülerinnen<br />
und Schüler ein großes Problem, jeder Jugendliche macht dabei seine eigenen,<br />
ganz individuellen Fehler. Ein Ansatz für individuelle Förderung in diesem Bereich könnte<br />
die Arbeit an individuellen Fehlerschwerpunkten sein. Bei mir heißen diese „meine Rechtschreibmonster“.<br />
Eine Beispielaufgabe dazu:<br />
„Meine Rechtschreibmonster …“<br />
Aus den eigenen Fehlern kann (muss) man lernen …. – aber nur,<br />
wenn man sich genauer damit beschäftigt:<br />
Schau dir deine Fehler beim 1. Übungsdiktat genau an:<br />
Berichtige deine Rechtschreibfehler (R), indem du das Wort richtig notierst.<br />
Überlege und notiere, ob es zu diesem Wort mögliche Eselsbrücken<br />
bzw. Herleitungen gibt, damit du dir die Schreibung besser merken kannst.<br />
Formuliere drei Sätze mit dem „Rechtschreibmonster“.<br />
Nutze dazu den Duden!<br />
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Es ist ein langer Weg zum richtigen Schreiben. Schülerinnen und Schüler gehen ihn oft nur<br />
widerwillig. Sich mit eigenen Fehlern intensiv auseinanderzusetzen, macht Mühe und muss<br />
eingeübt werden, aber sie übernehmen damit Verantwortung für den eigenen Lernprozess.<br />
Daran anschließen könnte sich ein Training an individuellen Fehlerschwerpunkten. Günstig<br />
ist es dabei, dieses immer nach den gleichen „Spielregeln“ ablaufen zu lassen. Diese können<br />
die Schüler gut einüben.<br />
Beispiel eines Ablaufplanes eines individualisierten<br />
Trainings im Deutschunterricht<br />
– Diktat schreiben und Rückgabe der korrigierten Diktate<br />
– Selbstständige Fehleranalyse und Berichtigung (mit Hilfe des<br />
Dudens) – „Rechtschreibmonster“ ergänzen<br />
– Kontrolle und ggf. Neueinschätzung „LERNFORTSCHRITTE“<br />
„Nachdenken über Sprache I“<br />
– Selbst- und Fremdkontrolle der Übungen (der Woche)<br />
– Planung des Trainings und Schwerpunktsetzung für die nächste<br />
Woche (ggf. „Materialbestellung“ und Rücksprache mit der Lehrkraft)<br />
– Selbstständiges Training im Unterricht und zu Hause<br />
– Dokumentation mit Tabelle „Mein Training“ –<br />
Unterschrift/Kenntnisnahme der Eltern<br />
Das folgende Beispiel kann je nach Lerngruppe abgewandelt, verkürzt oder ergänzt werden.<br />
Ich habe ganz bewusst auf eine überwiegend negative Bewertung verzichtet und stattdessen<br />
nach der vorher gezeigten Form mit den Schülern an ihren individuellen Fehlerschwerpunkten<br />
weiter trainiert und ihnen dann ihren Fortschritt in Form einer Erfolgstreppe gezeigt.<br />
Mein Ziel:<br />
Das ist deine<br />
Erfolgstreppe auf<br />
dem Weg zur sicheren<br />
Beherrschung der<br />
deutschen Sprache.<br />
(17.März) 10 Fehler<br />
Pauls Lernerfolg<br />
Erfolgstreppe gezeigt: Start: (9.März) 25 Fehler
Um Lernerfolge sichtbar zu machen, arbeite ich seit einiger Zeit mit sogenannten Lern-<br />
fortschrittsbögen. Anders als mit Noten habe ich damit ein Instrument, das konkret<br />
aufschlüsselt, welche Kompetenzen in dieser Jahrgangsstufe in diesem Bereich erworben<br />
werden sollen, wo jeder Jugendliche momentan steht und welche Fortschritte es in den<br />
vergangenen Wochen erreicht hat. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich jede Schülerin und<br />
jeder Schüler eigene, ganz individuelle Ziele setzen kann und muss: Was möchte ich in<br />
der nächsten Zeit lernen, was will ich konkret erreichen? Wie motivierend es sein kann,<br />
an eigenen Zielen zu arbeiten, ist sicher gut nachvollziehbar.<br />
Schule muss nach Andreas Müller ein Ort sein, den die Lernenden als einen Ort erleben,<br />
wo sie erfolgreich sein können. Die Aufgabe von Lehrern ist es deshalb, den individuellen<br />
Erfolg zum Maß der Bewertung zu machen. Erfolg ist aber an Leistungen gebunden, an<br />
viele kleine Siege über sich selbst.<br />
LERNFORTSCHRITTE IM FACH DEUTSCH<br />
In dieser Tabelle sollst du innerhalb eines<br />
Schuljahres selbst eintragen, was du im<br />
Deutschunterricht geschafft hast.<br />
Lernziele in Deutsch<br />
Nachdenken über Sprache I –<br />
Rechtschreibung / Grammatik<br />
Ich kenne folgende Rechtschreibregeln<br />
und kann diese anwenden:<br />
Name:<br />
Klasse:<br />
Datum:<br />
Kann<br />
ich<br />
sicher<br />
bzw.<br />
sehr<br />
gut<br />
Groß- und Kleinschreibung x<br />
Kann<br />
ich<br />
recht<br />
gut<br />
Getrennt- und Zusammenschreibung x<br />
Kann<br />
ich<br />
weniger<br />
gut<br />
Muss<br />
ich<br />
noch<br />
üben<br />
bzw.<br />
lernen<br />
Rück-<br />
meldung<br />
Schüler Lehrer<br />
s-Laute (das – dass) x<br />
......<br />
Hier<br />
ist ein<br />
wichtiger<br />
Übungsschwerpunkt<br />
Der Lernfortschrittsbogen ist auf andere Jahrgangsstufen bzw. andere Fächer übertragbar.<br />
Diese kleine Auswahl von Beispielen zeigt mögliche erste Schritte, um Schülerinnen<br />
und Schüler individuell zu fördern.<br />
Das setzt einen Umdenkprozess über meine Rolle als Lehrerin voraus, ich verwalte und<br />
vermittle nicht mehr in erster Linie Wissen – an mich werden neue Anforderungen gestellt,<br />
vor allem im Bereich der Diagnose des Lernstandes, aber auch in der Lernbegleitung<br />
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und –beratung. Dieser Umdenkprozess geht nicht von heute auf morgen, aber er gelingt<br />
leichter, wenn ich Erfolge erreiche, wenn es anfangs auch nur sehr kleine sind.<br />
Nachhaltige Erfolge auf Schulebene sind erst möglich, wenn sich nicht nur ein einzelner<br />
Kollege auf den Weg macht, sondern die Schule nach Möglichkeiten sucht, individuelles<br />
Lernen stärker zu fördern. Am Beginn sollte das Verständnis der Beteiligten zu diesem<br />
Thema diskutiert und sich möglichst auch auf eine Begriffsbestimmung von „Individueller<br />
Förderung“ als Grundlage der weiteren Arbeit verständigt werden. Das hört sich vielleicht<br />
banal an, aber gerade dieser erste Verständigungsprozess zeigt oft, welche Widerstände<br />
es dagegen gibt und wie kontrovers und vielfältig die Vorstellungen und das Vorwissen<br />
der Kolleginnen und Kollegen sind. Desto mehr Kolleginnen und Kollegen gerade in dieser<br />
ersten Phase zur Mitarbeit herangezogen (begeistert) werden (können), desto günstiger<br />
und solider ist die Basis für die Weiterarbeit. So haben wir uns bei <strong>kobra</strong>.<strong>net</strong> in einer<br />
bereichsübergreifenden Arbeitsgruppe auf die folgende Arbeitsdefinition verständigt:<br />
Begriff „individuelle Förderung“ von <strong>kobra</strong>.<strong>net</strong><br />
Individuelle Förderung ist eine didaktische Herangehensweise, die die Potenziale<br />
der jungen Menschen weckt, herausfordert und aktiv entfalten hilft. Ausgangspunkt<br />
der individuellen Förderung ist die Verschiedenartigkeit junger Menschen in Bezug<br />
auf ihre Begabung, Persönlichkeit und Herkunft.<br />
Individuelle Förderung geht ressourcenorientiert von den einzelnen Kindern und<br />
Jugendlichen aus, von ihren spezifischen Lernvoraussetzungen. Individuelle Förderung<br />
hat das Ziel, den individuellen Lern- und Bildungserfolg aller Kinder und Jugendlichen<br />
zu ermöglichen. Das heißt, dass sie die Verantwortung für den eigenen Lernprozess<br />
übernehmen, auf ihre Selbstwirksamkeit vertrauen und über die Fähigkeit<br />
zum lebenslangen Lernen verfügen.<br />
Da das Prinzip der Selbstständigkeitsförderung bei der individuellen Förderung im<br />
Vordergrund steht, bedarf es einer Kompetenzerweiterung der pädagogischen Fachkräfte<br />
zu Lernbegleitenden: Die Fachkräfte diagnostizieren, reflektieren, kooperieren<br />
und begleiten individuell.<br />
Als nächster Schritt kann der momentane Zustand beschrieben werden: Welche<br />
Ansätze zur individuellen Förderung werden bei uns an der Schule bereits umgesetzt?<br />
Über welches Wissen verfügen wir als Kollegium bzw. einzelne Kolleginnen und Kollegen?<br />
Auch das klingt vielleicht einfach und doch ist so eine „ehrliche Bestandsaufnahme“<br />
entscheidend für die weitere Arbeit.<br />
– Was tun wir bereits in diesem Bereich?<br />
– Sind wir damit erfolgreich? Ist das ausreichend?<br />
– Wen erreichen wir mit diesen Ansätzen und wen nicht?<br />
Manches ist uns durch die tägliche Routine gar nicht mehr bewusst oder schon selbstverständlich.<br />
Durch diese „Rundumschau“ wird es wieder präsent.<br />
Die Ansätze für die weitere gemeinsame Arbeit ergeben sich aus der Bedarfsanalyse:<br />
Was brauchen wir dringend? Womit wollen wir beginnen? Es können auch die Hauptfächer
sein, mit denen man beginnt. Auch scheint es wichtig, möglichst viele oder noch besser<br />
alle Kolleginnen und Kollegen einzubinden. In der Startphase kann es hilfreich sein,<br />
dass die Kollegen damit anfangen, was sie sofort brauchen und gleich einsetzen können,<br />
was sie schon immer mal ausprobieren wollten.<br />
Ein nächster Schritt, um individuelle Förderung an der Schule zu etablieren, besteht darin,<br />
dass sich das Kollegium über mögliche Zielsetzungen der Arbeit in diesem Bereich verständigt<br />
und Maßnahmen zum Erreichen des Ziels formuliert (Wer tut was, mit wem, bis wann).<br />
Nur durch angemessene und transparente Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen<br />
in der Schule kann individuelle Förderung systematisch und nachhaltig gelingen.<br />
Dabei ist es wichtig, dass mögliche Bedenken und Unsicherheiten von Kolleginnen und<br />
Kollegen ernst genommen, diskutiert und für das weitere Vorgehen produktiv einbezogen<br />
werden. Es wird nur das an individueller Förderung in Schulen umgesetzt werden, was<br />
von den Lehrern als leistbar und sinnvoll angesehen wird. Dabei sind es manchmal nur<br />
kleine Umdenkprozesse, die eine große Wirkung zeigen können.<br />
Individuelle Förderung im täglichen Unterricht umzusetzen heißt längerfristig, von traditionellen<br />
Lern- und Lehrvorstellungen Abschied zu nehmen. Erst in offenen und differenzierten<br />
Unterrichtssituationen, die neben klassische Unterrichtsformen treten, kann<br />
individuelle Förderung zur Anwendung kommen und weiter wachsen. Dazu braucht es<br />
auch zusammenhängende Arbeitszeiten im Unterricht. Individuelle Förderung ist nach<br />
meiner Erfahrung kaum in einem 45-Minuten-Rhythmus möglich. 90-Minuten-Blöcke<br />
bieten deutlich mehr „Freiraum“ für eigenverantwortliches Lernen.<br />
Zum Abschluss soll noch einmal Andreas Müller zu Wort kommen: „In der Schule sollen<br />
Schüler und Lehrer zu PROSUMENTEN werden, sie sind also Konsumenten und Produzenten<br />
in einem. Lernen erfolgt immer gegenseitig, so haben alle in der Schule eine Doppelfunktion,<br />
es gibt kein Fertig … Lernen ist immer eine Baustelle.“<br />
Die vorgestellten Instrumente stehen auf der Inter<strong>net</strong>seite www.ios-potsdam.de in der<br />
Rubrik „Material“ zum Download zur Verfügung.<br />
Literaturhinweise:<br />
Bildungschancen in der neuen Ganztagsschule, Lernmöglichkeiten verwirklichen,<br />
Hrsg. von Kahl und Knauer (DKJS), Beltz Verlag, Weinheim/Basel 2007.<br />
Forum GanzGut, Schwerpunkt Individuelle Förderung, Hrsg. von der Serviceagentur<br />
Ganztag, <strong>kobra</strong>.<strong>net</strong>, Potsdam 2008.<br />
Individuelle Förderung in der Sekundarstufe I und II, Hrsg. von Ingrid Kunz und<br />
Claudia Solzbacher, Schneider Verlag, Hohengehren, Baltmannsweiler 2009.<br />
Manual zur individuellen Förderung in der Sekundarstufe I, Hrsg. vom Landesinstitut<br />
für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM), Ludwigsfelde 2008.<br />
Müller, Andrea; Noirjean, Roland: Lernerfolg ist lernbar, 22x33 handfeste Möglichkeiten<br />
Freude am Verstehen zu kriegen, hep verlag ag, Bern 2009.<br />
Müller, Andrea: Neue Lernkultur – Lernen im Fokus der Kompetenzorientierung,<br />
Hrsg. vom Landesinstitut für Schulentwicklung Baden-Würtemberg, Stuttgart 2009.<br />
Praxisratgeber Schule, 99 Tipps – Differenzieren im Unterricht, Cornelsen Verlag, Berlin 2009.<br />
Praxisratgeber Schule, 99 Tipps – Individuelles Fördern, Cornelsen Verlag, Berlin 2009.<br />
www.institut-batenberg.ch<br />
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3 Fragen zur Person<br />
Afra Riemer und Frank Schubert – Landstreicherei Potsdam<br />
Afra Riemer und Frank Schubert sind zur Zeit in zwei IOS-Projekten an der Thomas-<br />
Müntzer-Oberschule in Ziesar tätig.<br />
Das IOS-Projekt „Ich mach mir die Welt, dass sie mir gefällt.“ findet mit zwei 9. Klassen statt.<br />
Zielstellung ist es, dass die Jugendlichen ihre sozialen Fähigkeiten weiterentwickeln und darin<br />
Unterstützung und Stärkung erfahren. Grundlage ist hierbei ein ressourcenorientierter<br />
Ansatz. Der Schwerpunkt liegt bei der Entwicklung und Stärkung positiver Fähigkeiten.<br />
Methodisch wird sowohl in Einzel– als auch Gruppenarbeit gearbeitet. Teamarbeit ist insbesondere<br />
beim erlebnispädagogischen Teil draußen in der Natur gefragt.<br />
Das Berufsorientierungsprojekt „Agieren statt resignieren“ hat die Zielsetzung, die<br />
Jugendlichen bei ihrer Berufswahlkompetenz zu stärken, sodass sie eine bewusste, eigenverantwortliche<br />
und realitätsnahe Wahl treffen können. Dieses Projekt findet ebenfalls<br />
in den 9. Klassen statt. Zur Umsetzung der Zielstellung werden verschiedene Methoden<br />
verwendet: Einzel- und Gruppenarbeit, Plan- und Rollenspiele, Erstellen von Collagen …<br />
Eingebettet in dieses Projekt ist die Unterstützung und Begleitung der Jugendlichen<br />
beim Finden eines geeig<strong>net</strong>en Praktikumsplatzes.<br />
1. Frage<br />
Aus welchen Berufen kommen Sie ursprünglich? Was haben Sie gelernt bzw. studiert?<br />
Afra Riemer: Einerseits bin ich Krankenschwester. In diesem Beruf habe ich in Berlin und<br />
München gearbeitet, auch schon mit dem Schwerpunkt, dass ich Jugendliche angeleitet<br />
habe. Ich war in München für die Praxisanleitung der Jugendlichen auf den Stationen zuständig.<br />
Dann habe ich mein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt und Landschaftsplanung<br />
studiert, auch da wieder mit der umweltpädagogischen Schwerpunktsetzung:<br />
Natur- und Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Speziell mit der<br />
Problematik Jungen und Mädchen, wie z.B. spielen Jungen, wie spielen Mädchen auf dem<br />
Spielplatz. Dann habe ich mich 2004 freiberuflich selbstständig gemacht und bin froh und<br />
glücklich in diesem Bereich. Ich arbeite oft mit Jugendlichen, aber auch mit Erzieherinnen<br />
und Erziehern und biete naturpädagogische Fortbildungen an.
Frank Schubert: Wenn man mich nach meinen beruflichen Ursprüngen fragt, dann ver-<br />
weise ich gern auf einen Moment in meinem Leben, der für mich am entscheidendsten war:<br />
Ich bin mal als ungelernter Erzieher im Kinderheim „Hilde Coppi“ in Brandenburg gelandet,<br />
nachdem man mir in der DDR deutlich gemacht hat, dass man mich aus bestimmten<br />
Gründen nicht studieren lassen möchte. Dadurch habe ich die Tür geöff<strong>net</strong> in eine Tätigkeit<br />
mit Menschen. Ich habe mich durch diese Tätigkeit nicht abschrecken lassen, in einem<br />
Kinderheim, wo es ganz schön heftig zuging, dranzubleiben und daraus für mich Kraft und<br />
Orientierung gefunden. Dann habe ich ein Erzieherstudium mit Lehrbefähigung Unterstufe<br />
für Musik absolviert. Danach arbeitete ich mehrere Jahre in einem Schwerhörigeninternat<br />
und habe dort sehr schöne Erfahrungen gesammelt. Nebenberuflich habe ich einen sozialpädagogischen<br />
Abschluss gemacht und bin dann in der Orientierung eher zur offenen<br />
Jugendsozialarbeit gewechselt. Als Schritt voll ins Leben wurde ich in einem Jugendclub mit<br />
sehr unterschiedlichen Problematiken von Jugendlichen und jungen Erwachsenen konfrontiert.<br />
Der Umgang mit Suchtmitteln und suchtbildenden Verhaltensweisen hat mich dabei<br />
besonders beschäftigt. Auch deshalb habe ich mich dann auf eine Stelle in einem Obdachlosenübergangswohnheim<br />
in Berlin-Treptow beworben, wo es darum ging, mit alkoholkranken<br />
und heroinabhängigen Erwachsenen zu arbeiten. Das war mit ausschlaggebend dafür,<br />
dass ich ein ganzes Jahrzehnt später hier in Potsdam mit einigen Mitstreiterinnen und<br />
Mitstreitern einen Verein aufgebaut habe, eine Kontakt- und Drogenberatungsstelle, die<br />
heute die Suchtpräventionsfachstelle der Landeshauptstadt ist.<br />
2. Frage<br />
Inwiefern beeinflusst dies Ihre Sicht auf Kinder und Jugendliche?<br />
Afra Riemer: Die persönliche Ebene, die ich mitgeben kann, ist, dass ein Berufsweg nicht<br />
immer gleichmäßig sein muss, dass es Lücken und Brüche gibt. Von der Krankenschwester<br />
zur Landschaftsplanerin, sagen viele, das ist ja ein himmelweiter Unterschied. Ich sehe<br />
trotzdem die Verbindung zwischen beiden und denke, dass ich beide Bereiche ganz gut<br />
für IOS-Projekte und die Arbeit mit Jugendlichen verknüpfen kann. Gerade bei dem Landschaftsplanungsstudium<br />
wurde viel in Projekten gearbeitet und es wurde viel Flexibilität<br />
verlangt. Deshalb weiß ich heute, wie wichtig Projekte für die eigene Entwicklung sind.<br />
Bei der Projektplanung ist mir die erlebnispädagogische Ebene besonders wichtig. Gerade<br />
Jugendliche, die 13, 14, 15 Jahre alt sind, möchten körperlich agieren und wenn man ihnen<br />
draußen in der Natur Angebote macht, hat man auch die Möglichkeit, sie in einem erlebnispädagogischen<br />
Kontext ganz anders zu erleben.<br />
Frank Schubert: Gerade die zehn Jahre Kontakt- und Drogenberatungsarbeit haben ganz<br />
wesentlich meine Tätigkeit geprägt. Im Sommer 2007 habe ich mich dann selbstständig<br />
gemacht und meine Tätigkeitsfelder auf Kommunikations-, Bewerbungs- und Motivationstrainings<br />
ausgeweitet, weiterhin auch sehr viel Suchtprävention. Meine Zusammenarbeit<br />
mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung war dann auch mein Einstieg in die<br />
Camp-Arbeit. Ich habe für die DKJS zweimal Sommercamps geleitet und danach dann<br />
für <strong>kobra</strong>.<strong>net</strong> Camps.<br />
Ich habe es immer noch nicht aufgegeben, jungen Menschen, gerade denen, die in schwierigen<br />
Lebenssituationen sind, nicht nur Hoffnung, sondern auch den einen oder anderen<br />
Ansatz mitzugeben.<br />
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Durch unsere ganz unterschiedlichen Zugänge ist uns das Schubladendenken nicht so<br />
geläufig. Bei mir ist es der Blick auf den Menschen, nicht so sehr auf Rollen und Muster.<br />
Grundlage für meine Arbeit ist ein respektvoller Umgang mit den Menschen, egal, was<br />
sie vorher gemacht haben. Dadurch ernten wir auch Respekt von den Jugendlichen.<br />
Afra Riemer: Schon allein, dass wir die Möglichkeit haben, im Projekt z.B. über das Thema<br />
„Respekt“ zu sprechen, ist bereichernd und förderlich für die weitere Zusammenarbeit.<br />
Außerdem lesen wir vorher keine Schülerakte, wir wissen also nichts von den Jugendlichen,<br />
wir können auch ganz unvoreingenommen rangehen.<br />
3. Frage<br />
Welche Erfahrungen haben Sie in der Zusammenarbeit mit Lehrkräften<br />
in IOS-Projekten gemacht?<br />
Afra Riemer: Ein IOS-Projekt ist abhängig davon, mit welchen Lehrerinnen und Lehrern<br />
man zusammenarbeitet. Meine Zusammenarbeit mit den beiden Lehrkräften in Ziesar<br />
ist gewachsen. Wir arbeiten jetzt schon das zweite Jahr zusammen und ich mache gute<br />
Erfahrungen. Wir lernen uns immer besser kennen. Beide Lehrerinnen sind sehr engagiert<br />
und offen für die Arbeit in Projekten oder der Arbeit in Gruppen. Das ist eine wesentliche<br />
Voraussetzung dafür, dass das Projekt erfolgreich laufen wird, sodass Schülerinnen und<br />
Schüler, die Lehrkräfte und wir als Kooperationspartner die Arbeit als Bereicherung<br />
empfinden.<br />
Frank Schubert: Ich habe auch gute Erfahrungen gemacht, weil die beiden Pädagoginnen,<br />
mit denen wir zusammenarbeiten, ein offenes und sichtbares Interesse an der Zusammenarbeit<br />
sowohl mit uns als auch mit den Schülern haben. Sie kennen ihre Schüler sehr gut,<br />
das ist für mich auch immer ein Zeichen, dass es da eine Verbindung gibt und man nicht<br />
nur nebeneinanderherlebt.<br />
Die Fragen stellte Katrin Leubner vom<br />
IOS-Regionalpartner Potsdam<br />
Landstreicherei<br />
Afra Riemer<br />
Weberplatz 1<br />
14482 Potsdam<br />
fon: 0331-704 86 57<br />
information@Landstreicherei.de
„Auf den Blickwinkel kommt es an …“<br />
Wie können Schülerinnen und Schüler in IOS-Projekten<br />
individuell gefördert werden?<br />
Interview mit Afra Riemer und Frank Schubert – Landstreicherei Potsdam<br />
Was heißt für Sie, Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern?<br />
Frank Schubert: Wir haben das Projekt so aufgebaut, dass der Anteil von Jugendlichen<br />
an der Kommunikation, am Austausch sehr hoch ist. Wichtig ist uns auch, dass die<br />
Schülerinnen und Schüler in Einzel- oder Gruppenarbeitsphasen ganz unterschiedliche<br />
Möglichkeiten haben, selbst aktiv zu werden. Die Zeit in einem solchen Projekt ist aber<br />
nicht ausreichend, um grundlegende Veränderungen bei denen hervorzurufen, die sich sehr<br />
verschlossen haben.<br />
Darüber hinaus habe ich gute Erfahrungen im erlebnispädagogischen Bereich gemacht:<br />
Sobald ich mit den Jugendlichen in diesem Bereich tätig bin, können sie Fähigkeiten zeigen,<br />
die sonst in der Schule nicht so gefragt sind.<br />
Afra Riemer: Ein Beispiel dazu: Es wurde im Wald, zwischen alten Bäumen, der sogenannte<br />
„Mohawk Walk“ aufgebaut. Dieser besteht aus einer Abfolge mehrerer, etwa 50 cm oberhalb<br />
des Bodens installierter Seilelemente. Die Aufgabe der Schülerinnen und Schüler ist<br />
es, dass die gesamte Klasse über den ca. 25m langen Seilparcour kommen muss, ohne das<br />
eine/r hinabfällt. Sobald eine/r das Seil verlässt, musste die gesamte Klasse von vorn beginnen.<br />
Der Clou daran ist, es funktioniert nicht ohne gegenseitige Hilfe. Da ist die ganze<br />
Klasse gefragt. Ein Schüler ist dabei sehr aus sich herausgegangen, er hat viel Verantwortung<br />
übernommen. So hatte er die Möglichkeit, den anderen Schülern, aber auch seiner<br />
Lehrerin zu zeigen, ich kann hier was.<br />
Ein zweites Beispiel: Es gibt einen Schüler, der im Projekt zwar präsent ist, der aber immer<br />
malt. So bekommt er von uns immer solche Aufgaben, die er malerisch umsetzen kann.<br />
Oft verweigert er sich, aber in diesem Bereich nie.<br />
Welche Gelingensbedingungen für individuelles Lernen gibt es aus Ihrer Sicht?<br />
Afra Riemer: Eine Grundvoraussetzung für individuelles Lernen ist, dass man sehr gut<br />
beobachtet. Wir haben den großen Vorteil, dass wir zu zweit im Projekt arbeiten. Wenn<br />
einer von uns etwas erklärt, dann beobachtet der andere sehr genau. Dadurch ist es<br />
leichter herauszufinden, wo die Stärken des jeweiligen Schülers sind, die wir dann unterstützen<br />
können. Dadurch, dass wir z.B. diesen malenden Schüler bei seiner Stärke ansprechen,<br />
tritt er uns auch viel offener entgegen.<br />
Wenn wir also den Blickwinkel verändern und es uns gelingt, dieses Malen nicht mehr als<br />
Desinteresse, als störend zu interpretieren, dann eröff<strong>net</strong> man den Jugendlichen unter<br />
Umständen die Möglichkeit, sich auch aktiver z.B. in Gruppenarbeitsprozesse einzubringen.<br />
So hat dieser Schüler beispielsweise in einer Gruppenarbeit die Gedanken und Ergebnisse<br />
bildhaft für eine Präsentation dargestellt und war nicht mehr passiv und verschlossen wie<br />
sonst, sondern hat auch Anerkennung von der Gruppe bekommen. Er konnte jetzt seine<br />
Stärke für die Gruppe einbringen.<br />
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Frank Schubert: Dahinter steckt im Kern die Idee, nach Möglichkeiten zu suchen, über<br />
den Unterricht hinaus, aber auch im Unterricht selbst die individuellen Fähigkeiten, die<br />
Neigungen und besonderen Qualitäten von Schülerinnen und Schülern in den Mittelpunkt<br />
zu stellen. Also nicht zu verlangen, dass alle sich einer Sache unterordnen, wo natürlich<br />
immer nur ein paar Schülerinnen und Schüler glänzen können.<br />
Könnten Sie ein Beispiel beschreiben, wie es Ihnen im Projekt gelungen ist, dass sich die<br />
Schülerinnen und Schüler mit ihren individuellen Fähigkeiten auseinandergesetzt haben?<br />
Afra Riemer: An diesem Projekttag wurde getrenntgeschlechtlich gearbeitet. Ich habe<br />
die Mädchen, Frank Schubert die Jungen betreut. Jeder Schüler bekam ein großes Blatt<br />
Papier, wo gegenseitig die Körperumrisse aufgezeich<strong>net</strong> wurden. Anschließend sollten sie<br />
auf dem Papier außerhalb des Körperumrisses ihre Potentiale, Ressourcen und „Baustellen“<br />
notieren, in den Körperumriss ihre Fähigkeiten, Talente und Stärken.<br />
Woran können Sie sich noch besonders gut erinnern?<br />
Afra Riemer: Das war eine sehr intensive Einheit. Sehr positiv fand ich, dass sich die<br />
Mädchen gut einschätzen konnten, vor allem in Bezug auf ihre eigenen Fähigkeiten. Aber<br />
ich war erschüttert von dem, was sie zu Rückmeldungen aus ihrem Umfeld erzählt haben.<br />
Wie sie als Person von Eltern, Lehrern oder im Sportverein wahrgenommen werden. Das<br />
war fast durchgängig negativ besetzt. Ich habe die Schülerinnen dadurch viel besser<br />
kennengelernt. Jetzt kann ich mir auch erklären, warum sie manchmal ganz lethargisch<br />
im Projekt sitzen. Sie müssen das, was sie in ihrem persönlichen Umfeld erleben, erst mal<br />
verarbeiten.<br />
Frank Schubert: Einige Jungen hatten im Gegensatz dazu gar keine Vorstellungen von<br />
eigenen Fähigkeiten. Mit den Fragen „Was zeich<strong>net</strong> mich aus?“ „Was kann ich gut?“ konnten<br />
sie nichts anfangen. Es war ein ganz langsames Herantasten notwendig. Die Jungen sind es<br />
nicht gewohnt, über so etwas nachzudenken und zu sprechen. Sie haben wenig Vertrauen<br />
in sich selbst. Die kleine Gruppe war dabei sehr hilfreich. Ich konnte mich den Jungen ganz<br />
individuell zuwenden, dann kamen die ersten Ideen „ Ich helfe gern.“ oder „Bei der Feuerwehr,<br />
da kann man sich auf mich verlassen.“<br />
Das Interview führte Katrin Leubner vom IOS-Regionalpartner Potsdam
Kooperation mit Wirkung<br />
Wie gute Praxis aus IOS-Projekten verstetigt werden kann<br />
Claudia Buschner<br />
„Ein Projekt ist nachhaltig, wenn es keins mehr ist“,<br />
dieses Zitat unbekannter Herkunft ist so einfach wie<br />
zutreffend. Und es eig<strong>net</strong> sich zum Widerspruch:<br />
Wenn nach Projektende nichts mehr bleibt, war das<br />
Projekt vermutlich nicht sehr nachhaltig. Gemeint<br />
ist mit dem Zitat jedoch etwas anderes. Wie kann<br />
es gelingen, die Inhalte und Erfahrungen eines<br />
zeitlich begrenzten Projektes in ein dauerhaftes<br />
Angebot zu übertragen und zu verstetigen?<br />
Darum geht es in diesem Beitrag.<br />
Fertige Konzepte gibt es dafür nicht, denn Nachhaltigkeit<br />
in der Projektarbeit ist genauso vielfältig, wie<br />
es unterschiedliche Projektansätze gibt. Sie hängt<br />
vom Projektumfeld ab, von den Projektinhalten, den<br />
Akteuren und nicht zuletzt von den erschließbaren<br />
Ressourcen.<br />
Was ist Nachhaltigkeit?<br />
Woher kommt der Begriff der Nachhaltigkeit eigentlich? Der sog. Brundtland–Bericht<br />
der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung hat bereits im Jahr 1987 nachhaltige<br />
Entwicklung definiert: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse<br />
der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass zukünftige Generationen ihre<br />
Bedürfnisse nicht befriedigen können“.<br />
Im Jahr 2002 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Weltdekade für<br />
nachhaltige Entwicklung ausgerufen, mit folgendem Ziel:<br />
„Allen Menschen Bildungschancen zu eröffnen, die es ihnen ermöglichen, sich Wissen<br />
anzueignen, sowie Verhaltensweisen und Lebensstile zu erlernen, die für eine lebenswerte<br />
Zukunft und positive gesellschaftliche Veränderung notwendig sind.“<br />
Die für die „Initiative Oberschule“ wichtige Förderung im Europäischen Sozialfonds (ESF)<br />
orientiert sich an der europäischen und der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Nachhaltigkeit<br />
ist deshalb eines der Querschnittsziele im Operationellen Programm des Bundes<br />
für den ESF sowie im Operationellen Programm des Landes Brandenburg. Die Förderung<br />
über den Europäischen Sozialfonds richtet sich in erster Linie auf die soziale Dimension<br />
der Nachhaltigkeit, die die soziale Integration der Menschen, z. B. durch Verringerung der<br />
Arbeitslosigkeit und durch Bekämpfung von Bildungsarmut, zum Ziel hat.<br />
Soziale Gerechtigkeit<br />
Ökonomische Sicherheit<br />
Ökologisches Gleichgewicht<br />
Nachhaltigkeitsmodell:<br />
Gleiche Lebenschancen für<br />
gegenwärtige und zukünftige<br />
Generationen<br />
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Das Land Brandenburg zielt mit der ESF-<br />
Förderung* u. a. auf die Verbesserung der<br />
beruflichen Orientierung von Schülerinnen und<br />
Schülern zur Steigerung der Ausbildungsfähigkeit.<br />
Damit setzt das Land einerseits bei der<br />
ökonomischen Dimension – Stichwort Fachkräftesicherung<br />
– an, andererseits bei der sozialen<br />
Dimension durch verbesserte Anschlussperspektiven<br />
von jungen Menschen beim Berufseinstieg.<br />
Hierzu soll und kann die „Initiative<br />
Oberschule“ beitragen. Auf die Programmund<br />
Projektebene bezogen, besteht für die<br />
Akteure auf unterschiedlichen Ebenen die<br />
Aufgabe, Merkmale und Kriterien für Nachhaltigkeit<br />
in den Projekten aufzustellen, Maßnahmen<br />
dafür zu planen und umzusetzen.<br />
Europäische<br />
Nachhaltigkeitsstrategie<br />
ökologische<br />
ökonomische<br />
soziale Nachhaltigkeit<br />
„… die die soziale Integration<br />
der Menschen, z. B. durch Verringerung<br />
der Arbeitslosigkeit<br />
und durch Bekämpfung von<br />
Bildungsarmut zum Ziel hat.“<br />
Quelle: www.esf.de<br />
Merkmale für die Nachhaltigkeit von Förderprogrammen und Projekten<br />
Allgemein können die Merkmale dafür, dass ein Projekt nachhaltig ist, wie<br />
folgt beschrieben werden:<br />
Die wichtigsten Ergebnisse und Erfolgsfaktoren sind ebenso dokumentiert wie<br />
wichtige Etappenziele, Wendepunkte und Problemlösungen. Neben dem Projekt-erfolg<br />
ist es ebenso wichtig herauszufinden, weshalb das Projekt erfolgreich war,<br />
um die guten Ergebnisse verbreiten und übertragen zu können. Dafür dienen in<br />
der Regel die Sachberichte der Projekte, aber auch entwickelte Instrumente wie<br />
Arbeitshilfen oder Curricula.<br />
Die Verbreitung von Ergebnissen und Erfahrungen, z. B. durch Ver<strong>net</strong>zung, Fachtage<br />
und Veröffentlichungen, sind wichtige Schritte auf dem Weg zur Verstetigung<br />
verbreitungswürdiger Projektansätze.<br />
Projektbeschreibungen auf den Schulhomepages und denen der Kooperationspartner<br />
sowie die Präsentation der Projekte auf der Inter<strong>net</strong>seite des IOS-Regionalpartners<br />
sorgen für lokale und überregionale Bekanntmachung vielfältiger Ansätze für<br />
andere Schulen. Damit wird auch Transparenz über öffentlich geförderte Projekte<br />
hergestellt.<br />
Um übertragbare Projektergebnisse dauerhaft zu implementieren, müssen sie<br />
zunächst identifiziert und dann verbreitet werden. Dazu braucht es die fachliche<br />
Draufsicht durch die Programmsteuerung des Fördermittelgebers und durch<br />
Begleitstrukturen, wie z.B. die IOS-Regionalpartner, mit breiter Konzept- und<br />
Praxiskenntnis.<br />
* siehe Operationelles Programm zur Umsetzung des ESF im Land Brandenburg
Nachhaltigkeit bedeutet nicht, dass alle Projekte künftig weiterlaufen müssen wie bisher.<br />
Naturgemäß ist nicht alles, was in einem Programm modellhaft erprobt wird, auch praxistauglich<br />
im Sinne von zukunftsfähiger Schulentwicklung.<br />
Die Projektansätze jedoch, die der Weiterentwicklung von Bildungsqualität am besten<br />
gerecht werden, sollten verstetigt werden. Darüber ist ein fachlicher Dialog auf allen<br />
beteiligten Ebenen notwendig.<br />
Eine Vielfalt von geeig<strong>net</strong>en Projektansätzen und Raum für Innovation sind weiter<br />
notwendig, um die Angebote auch zukünftig bedarfsgerecht und flexibel bereitstellen<br />
zu können.<br />
Die Erschließung und Bereitstellung von Ressourcen zur nachhaltigen Verankerung von<br />
Projekten ist unverzichtbar. Das sind nicht in jedem Fall Geldmittel, aber eben auch Geldmittel.<br />
Darüber hinaus müssen zeitliche, sachliche, organisatorische und personelle<br />
Ressourcen erschlossen werden. Obwohl das natürlich oft eine Herausforderung ist, bei<br />
deren Bewältigung die Schulen unterstützt werden müssen.<br />
Der Übertragung von Know-how von Projekten auf den Schulalltag kommt in diesem<br />
Zusammenhang eine herausragende und ressourcenschonende Bedeutung zu. Die Lehrkräfte<br />
und weitere Projektbeteiligte haben in der Zusammenarbeit mit ihren Kooperationspartnern<br />
neues Wissen erworben, das nun bleibend für die Bildungsarbeit der<br />
Schule nutzbar werden soll.<br />
Strategien für Nachhaltigkeit auf allen Ebenen<br />
Es ist schon angeklungen, dass Anstrengungen für Nachhaltigkeit auf allen beteiligten<br />
Ebenen notwendig sind. Für die „Initiative Oberschule“ können diese Ebenen folgendermaßen<br />
beschrieben werden.<br />
Auf der ersten Ebene der Lernenden in den IOS-<br />
Projekten geht es um das Ermöglichen von nachhaltigen<br />
Lernerfahrungen in den Bereichen der<br />
Berufsorientierung und der Entwicklung von<br />
Sozial- und Schlüsselkompetenzen.<br />
Hier weist der Bericht zur Zwischenevaluation<br />
bereits große Fortschritte aus, vor allem im<br />
Bereich der nachhaltigen Lernerfolge.<br />
Hauptverantwortung tragen dafür die Fachkräfte<br />
von Schule und Partnern bei der Umsetzung ihrer<br />
Projekte. Aber auch die Schulleitungen, deren<br />
Aufgabe es ist, die Voraussetzungen für die nachhaltige<br />
Verankerung von Projektinhalten an der<br />
Schule zu schaffen, sind verantwortlich.<br />
Zitate aus dem<br />
Evaluationsbericht<br />
„...IOS fördert die Selbständigkeit,<br />
v. a. bei der beruflichen Orientierung,<br />
d.h. der Auswahl des<br />
zukünftigen Ausbildungsplatzes“<br />
„Das Programm steigert mit seinen<br />
Angeboten die Attraktivität<br />
und Stabilität der Oberschulen“<br />
Bericht zur Zwischenevaluation der<br />
Universität Erfurt, Februar 2011<br />
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Adressatenebene<br />
Schüler/innen<br />
Lehrkräfte<br />
Steuerungsebene Schulsystem<br />
Bildungsministerium<br />
Staatliche Schulämter<br />
Schulträger<br />
ermöglichen nachhaltiges Lernen<br />
erproben innovative Lernansätze<br />
reflektieren, dokumentieren und<br />
verbreiten Ergebnisse<br />
fördern Ver<strong>net</strong>zung<br />
und Transfer<br />
identifizieren trans-<br />
ferfähige Ansätze<br />
stellen Ressourcen für<br />
Implementierung und<br />
Innovation bereit<br />
Lernende<br />
Organisationen<br />
kooperieren<br />
ver<strong>net</strong>zen sich<br />
entwickeln Schule<br />
verstetigen Angebote<br />
Organisationsebene<br />
Schulen<br />
Projektträger<br />
Auf der zweiten Ebene geht es um die Frage, wie das einzelne IOS-Projekt zum Lernen der<br />
beteiligten Organisationen beiträgt. Neben den Lernzielen für die Teilnehmenden sollen<br />
die Projekte gleichzeitig einen Beitrag zur Unterrichts- und Schulentwicklung leisten und<br />
nicht zuletzt auch zur fachlichen Weiterentwicklung des Kooperationspartners. Um das<br />
zu erreichen, müssen beide Organisationen, nämlich Schule und Kooperationspartner,<br />
voneinander lernen. Hauptverantwortlich dafür ist die Schulleitung, die im günstigsten<br />
Fall durch eine erweiterte Schulleitung oder Steuerungsgruppe entlastet wird. Beim<br />
Kooperationspartner liegt diese Verantwortung bei der Projektleitung zusammen mit den<br />
übergeord<strong>net</strong>en Leitungsebenen.<br />
Auch auf der Organisationsebene bescheinigt die Evaluation schon gute Fortschritte auf<br />
schulischer Seite. Die Projekte werden für die Weiterentwicklung und Verbesserung des<br />
Schulprogramms, des Schulprofils oder des Schulimages genutzt.<br />
Die dritte Ebene betrifft die Steuerung des landesweiten Schulsystems. Die Steuerebene<br />
unterstützt auf der Grundlage von Programmauswertung und Evaluation die Bemühungen<br />
der Akteure um Nachhaltigkeit auf den anderen Ebenen durch Fachaufsicht und Erschließung<br />
und Sicherstellung von Ressourcen.
Die IOS-Regionalpartner unterstützen diese<br />
Prozesse und Aufgaben durch die Beratung.<br />
Sie bereiten notwendige Informationen auf<br />
und stellen sie für die Verbreitung bereit,<br />
z. B. durch die Projektübersicht im Inter<strong>net</strong>,<br />
Handreichungen oder die Ausrichtung der<br />
jährlichen Fachtage.<br />
Die Aktivitäten und Verantwortlichkeiten auf<br />
und zwischen den Ebenen sind nicht immer<br />
genau abgrenzbar. Überschneidungen und<br />
planvolles Ineinandergreifen sind notwendig.<br />
Mit der Anbindung der IOS-Projekte an Schulprogramm und Schulentwicklung sind schon<br />
von der Programmkonzeption her wesentliche Grundlagen für die Entstehung von nachhaltigen<br />
Projekterfolgen gelegt.<br />
Um Nachhaltigkeit in der Projektförderung zu erreichen, ist es notwendig, ein Programm<br />
oder Projekt vom Ende her zu planen, ausgehend von den Zielen und geplanten Ergebnissen.<br />
Nachhaltigkeit entsteht nicht von selbst, sie muss konzeptionell intendiert sein. Sie ist<br />
Ergebnis von systematischer Planung, Projekt- und Programmsteuerung.<br />
Das bedeutet auch, dass geeig<strong>net</strong>e Aktivitäten dafür entwickelt und in der Planung festgehalten<br />
werden müssen, wie die Einplanung von Zeit und finanziellen Mitteln für Publikationen<br />
oder Fachaustausch.<br />
Durch Projektauswertung und Programmsteuerung werden transferfähige Ergebnisse<br />
identifiziert und bedarfsgerecht verbreitet.<br />
Ressourcen für Verstetigung zu planen und zu erschließen, ist wie bereits erwähnt,<br />
auf allen Ebenen der Programmumsetzung erforderlich und unverzichtbar. Dabei<br />
ist ein erweiterter Ressourcenbegriff notwendig, der nicht nur auf finanzielle Mittel<br />
allein reduziert ist.<br />
Wann sind IOS-Projekte nachhaltig?<br />
Strategien für Nachhaltigkeit<br />
Konzeptionelle Berücksichtigung<br />
von Nachhaltigkeitsaspekten bei<br />
der Programm- und Projektplanung<br />
Verbreitung durch Ver<strong>net</strong>zung,<br />
Tagungen, Publikationen<br />
Transfer neuer Erkenntnisse und<br />
Methodik in die Breite unter<br />
Nutzung der Evaluationsergebnisse<br />
Erschließung und Bereitstellung<br />
notwendiger Ressourcen<br />
Mit der konzeptionell angelegten Verpflichtung zur Kooperation mit außerschulischen<br />
Partnern wird ein systemübergreifender gemeinsamer Arbeits-, Lern- und Entwicklungsprozess<br />
initiiert. Er ist geeig<strong>net</strong>, um neue und zukunftsweisende Erkenntnisse und Lernansätze<br />
hervorzubringen. Darin liegt eine besondere Qualität, aber auch eine besondere<br />
Herausforderung im Vergleich zu anderen Programmen. Denn die Projekte der „Initiative<br />
Oberschule“ weisen eine hohe Komplexität auf.<br />
Es geht nicht nur darum, ein Projekt gemeinsam gut durchzuführen, sondern gleichzeitig<br />
um die Erprobung neuer Unterrichts- und Lernansätze, um Schulentwicklung. Das gelingt<br />
besonders gut, wenn die Kooperation auf Dauer angelegt wird, partnerschaftlich und<br />
vertrauensvoll auf gleicher Augenhöhe erfolgt.<br />
Neben den inhaltlichen und methodischen Ergebnissen sind auch die Erfahrungen des<br />
gemeinsamen Lernens der Organisationen wertvoll. Was genau ist an unserer Kooperation<br />
erfolgreich? Wo gab es Probleme? Wie haben wir sie gelöst? Was haben wir daraus gelernt?<br />
grandIOS<br />
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IOS-Projekte sind nachhaltiger als andere,<br />
wenn sie prozesshaft angelegt sind und eine<br />
Übertragung von Erkenntnissen auf die Schule<br />
erfolgt, die diese langfristig nutzbar macht.<br />
Das ist z.B. bei den im Beitrag auf S.26 vorgestellten<br />
Podcast-Projekten gut erkennbar<br />
oder auch bei Streitschlichter-Ausbildungen.<br />
Eine hohe Nachhaltigkeit weisen in der Regel<br />
Projekte zur Lehrerfortbildung auf oder Projekte,<br />
bei denen Fortbildung integriert ist,<br />
weil mit den Lehrkräften die Schule lernt.<br />
Es bestehen größere Chancen für Transfer<br />
und Verbreitung, da die Fortbildung indirekt<br />
eine Vielzahl von Schülerinnen und Schülern<br />
erreicht. Allerdings gilt das nur dann, wenn<br />
im Projektverlauf verbindliche Vereinbarungen<br />
dazu getroffen werden, wie die Erkenntnisse<br />
künftig in den Schul- und Unterrichtsalltag<br />
einfließen sollen.<br />
IOS-Kriterien für Nachhaltigkeit<br />
Konzeptionelle Berücksichtigung<br />
von Nachhaltigkeitsaspekten bei<br />
der Programm- und Projektplanung<br />
Verknüpfung der Projektinhalte mit<br />
dem Unterricht<br />
Einbeziehung mehrerer Ebenen in<br />
die Projektarbeit<br />
Zuwachs von Know-how an der Schule<br />
Transfer neuer Erkenntnisse und<br />
Methodik in die Breite unter Nutzung<br />
von Evaluationsergebnisse, Ver<strong>net</strong>zung<br />
und Veröffentlichungen<br />
Abgestimmtes und koordiniertes<br />
Vorgehen aller beteiligten Ebenen<br />
Erschließung und Bereitstellung notwendiger<br />
Ressourcen.<br />
So ist auch das Praxislernen außerordentlich nachhaltig, weil hier langfristige Wirkungen<br />
auf mehreren Ebenen erzielt werden. Das geschieht vor allem durch den fächerübergreifenden<br />
Ansatz, die Anpassung der Curricula und die begleitende Lehrerfortbildung.<br />
In den vergangenen Jahren ist umfangreiches inhaltliches und methodisches Unterrichtsmaterial<br />
entstanden, das mit tragbarem Aufwand für andere Schulen anwendbar ist.<br />
Bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit von Projektangeboten schätzen die IOS-Regionalpartner<br />
auch ein, ob für dieses Angebot über den Förderzeitraum hinaus zusätzliche<br />
Ressourcen erforderlich sein werden.<br />
Die Frage des weiteren Mittelbedarfs über die Förderperiode hinaus ist allerdings kein<br />
Ausschlusskriterium für Nachhaltigkeit und kann es auch nicht sein. So brauchen z. B.<br />
Projekte, die sinnvollerweise an außerschulischen Lernorten stattfinden, auch künftig<br />
dafür Mittel, beispielsweise für Gruppenfahrten, den Besuch in Werkstätten oder Materialien.<br />
Auch für Honorarmittel werden künftig sicher weiterhin Mittel benötigt.<br />
Der Einsatz externer Kooperationspartner an Schulen sollte, wo konzeptionell angezeigt,<br />
weiterhin möglich sein, weil multiprofessionelle Einflüsse, die neue Perspektiven für die<br />
Schulentwicklung eröffnen, sinnvoll sind.<br />
„Ein Projekt ist nachhaltig, wenn es keins mehr ist.“ Hinter dem Eingangszitat steht auch ein<br />
Wunsch der Programmbeteiligten, dass die Projektarbeit eine bleibende Wirkung erreicht.<br />
www.praxislernen.de<br />
www.nachhaltigkeit.info/artikel/brundtland_report_563.htm<br />
www.<strong>kobra</strong><strong>net</strong>.de/<strong>kobra</strong><strong>net</strong>/freitext/843/IOS-Publikation2009online(1).pdf
3 Fragen an:<br />
Peter Limpächer – Teamleiter U25, Agentur für Arbeit Potsdam<br />
Die Agentur für Arbeit war von Anfang an einer der ganz wichtigen Kooperationspartner<br />
in der „Initiative Oberschule“ (IOS): Zum Ersten stehen die Berufsberatungsfachkräfte den<br />
Schulen bei den Projekten der beruflichen Orientierung mit Rat und Tat zur Seite. Zum Zweiten<br />
tragen die Arbeitsagenturen in diesen Projekten fast die Hälfte der Projektfinanzierung.<br />
Und zum Dritten begleiten sie die Initiative seit 2007 auch auf der Steuerungsebene.<br />
1. Frage:<br />
Was ist Ihnen besonders wichtig, wenn wir über Nachhaltigkeit in Berufsorientierungsprojekten<br />
sprechen?<br />
Berufsorientierungsprojekte sollen das Ziel haben, Jugendlichen die Berufs- und Arbeitswelt<br />
in ihrer Region näher zu bringen. Das ist insbesondere bei den Schülern der 7. und<br />
8. Klassen eine recht große Herausforderung. Die Projekte müssen daher so konzipiert<br />
sein, dass die Schüler das in den Projekten Erarbeitete später, wenn in Klasse 9 und 10<br />
die Berufswahl ansteht, nutzen können. Dieses Anliegen setzt ein schulisches Konzept zur<br />
beruflichen Orientierung voraus, das voll in die Unterrichtsstruktur integriert ist und alle<br />
Klassenstufen umfasst.<br />
2. Frage:<br />
In Kürze beginnt die Angebotsphase für die Projekte im kommenden Schuljahr. Welchen<br />
Entwicklungsbedarf sehen Sie in diesem Sinne bei den Projektkonzepten?<br />
Die Förderung des Programmes IOS ist, wie bei allen Förderprogrammen, endlich. Die<br />
neuen Projektkonzepte müssen daher verstärkt Impulse setzen, um die zusätzlichen Berufsorientierungsmaßnahmen<br />
dauerhaft an den Schulen zu etablieren.<br />
3. Frage:<br />
Welche Unterstützung geben die Arbeitsagenturen den Schulen und ihren Kooperationspartnern,<br />
um Berufsorientierungsprojekte nachhaltig zu gestalten?<br />
Die Berufsberater und Mitarbeiter aus dem Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit<br />
stehen als Ansprechpartner zur Verfügung. Darüber hinaus sind wir sehr gut ver<strong>net</strong>zt<br />
und sind sehr gern dabei behilflich, Kontakte zu Ausbildungsbetrieben in unserer Region<br />
herzustellen. Die Berufsberater können auch dazu beitragen, die Projektergebnisse eines<br />
Schuljahres in den darauf folgenden Schuljahren weiterhin einzubeziehen.<br />
Das Interview führte Claudia Buschner<br />
vom IOS-Regionalpartner Potsdam.<br />
Peter Limpächer<br />
Arbeitsagentur Potsdam<br />
Team 251/Berufsberatung<br />
Teamleiter<br />
fon: 0331 - 880 23 30<br />
fax: 0331 - 880 91 11 239<br />
potsdam.251-u25@arbeitsagentur.de<br />
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YouWiPod – Innovative Berufserkundung in Unternehmen<br />
Claudia Buschner<br />
“Mist, das Auto ist kaputt! Schnell zum Kfz-Mechatroniker.“ Nico und Christian von der<br />
Goethe- Oberschule Kremmen waren da und haben sich bei der Werkstatt Mühle beraten<br />
lassen. Sie waren beim coolen Herrn Mühle, dem Chef der Werkstatt. Er und seine Jungs<br />
sind gute Kfz-Mechatroniker und helfen jedem aus der ,,Patsche“. Viel Spaß, wir hoffen,<br />
euch gefällt unser Interview.“<br />
Das ist die Einleitung für diesen Podcast, der im Inter<strong>net</strong> unter www.youwipod.de zu<br />
finden ist. Inzwischen gibt es 345 Podcast-Episoden zu den unterschiedlichsten Berufen,<br />
alle angefertigt von Schülerinnen und Schülern. Das Reinhören lohnt sich. Rings um das<br />
Thema Berufsorientierung finden sich spannende Geschichten auch über die Unternehmen,<br />
deren Chefs und Mitarbeiter bereitwillig Auskunft geben.<br />
Der Projektansatz ist aus verschiedenen Gründen besonders nachhaltig. Schülerinnen und<br />
Schüler eignen sich die Kenntnisse über die Berufsbilder eigenständig an. Sie produzieren<br />
ihren Podcast in Teamarbeit und bekommen Einblicke in Betriebe ihrer Region. Eine<br />
Vielzahl von Fähigkeiten und Kenntnissen wird vermittelt. Diese andere Art von Unterricht<br />
macht Freude, ist an- und aufregend. Die Methodik entspricht der Lebensrealität von<br />
Jugendlichen. Ihre Faszination für Technik, Computer und Inter<strong>net</strong> lässt sich in Verbindung<br />
mit persönlichen Gesprächen im Interview für nachhaltiges Lernen nutzen.<br />
Die Episoden werden auch für das Schulradio genutzt und so entstehen mit der Zeit<br />
immer neue interessante Podcasts, die für alle Schülerinnen und Schüler zur Verfügung<br />
stehen. Die Podcasts haben es sogar auf die bekannte Inter<strong>net</strong>seite www.pla<strong>net</strong>-beruf.de<br />
der Bundesagentur für Arbeit geschafft. So werden sie bundesweit verbreitet und können<br />
in der Berufsorientierung eingesetzt werden.
Die Lehrkräfte werden in der Podcast-Technik durch das Team von BÜRO BLAU fortge-<br />
bildet. Die Fortbildungsinhalte wurden gemeinsam mit den Lehrkräften geplant.<br />
Seit diesem Jahr arbeiten sie in gemeinsamen Projektteams mit den Mitarbeitern des<br />
Kooperationspartners.<br />
Durch diese Aktivitäten werden methodische und didaktische Kenntnisse auf die Schule<br />
übertragen. In einigen Schulen wird die Methodik auch in anderen Fächern angewendet.<br />
Der IOS-Regionalpartner hat durch Projektbegleitung und Beratung dazu beigetragen.<br />
Der Ansatz ist an vielen Schulen mehrjährig erprobt, übertragbar auf andere Schulformen<br />
und leistet von Beginn an einen innovativen Beitrag zur Weiterentwicklung<br />
von Unterrichtsqualität.<br />
Von Zeit zu Zeit sind schulübergreifend Nachschulungen für weitere Lehrkräfte notwendig.<br />
Dafür braucht es langfristig die Bereitstellung von Mitteln und experimentellem<br />
Freiraum durch die Steuerungsebene.<br />
Weiterführende Hinweise:<br />
www.youwipod.de/<br />
www.pla<strong>net</strong>-beruf.de/<br />
www.pla<strong>net</strong>-beruf.de/Berufsorientierung-m.7854.0.html<br />
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3 Fragen an:<br />
Birgit Hein – stellvertretende Schulleiterin<br />
der Hugo-Rosenthal-Oberschule Borgsdorf<br />
1. Frage:<br />
Was hat die Kooperation mit dem Team von BÜRO BLAU an ihrer Schule verändert?<br />
BÜRO BLAU hat uns ermutigt, neue Wege zu gehen. Podcast lässt die Schüler selbstständig<br />
zu einem Produkt gelangen, das ihnen Einblicke in die Berufswelt gibt und öffentliche<br />
Anerkennung ermöglicht. Die Lehrer übernehmen die Rolle des Begleiters und Beraters.<br />
2. Frage<br />
Worin sehen Sie die Nachhaltigkeit bei den Podcast-Projekten?<br />
Vier Lehrerinnen haben sich mit dem Podcast-Projekt beschäftigt, um diese Technik in verschiedenen<br />
Fächern einzusetzen. Bewährt hat sich Podcast im Bereich Praxislernen, so dass<br />
hier auch zukünftig der Schwerpunkt liegen wird. Podcast wird weiterhin im Unterricht<br />
eingesetzt, die Voraussetzungen sind geschaffen.<br />
3. Frage:<br />
Was ist Ihnen wichtig bei der Kooperation mit<br />
außerschulischen Partnern?<br />
Wichtig ist eine regelmäßige Kommunikation, der die Bedürfnisse<br />
der Schule zu Grunde liegen. Mit BÜRO BLAU haben<br />
wir einen solchen Partner gefunden. Die Projekte wurden<br />
gemeinsam geplant, die Lehrerinnen waren von Anfang an<br />
in die Projekte eingebunden und haben so die Grundlagen<br />
zur Weiterführung von Podcast ohne die Unterstützung<br />
von außen erworben.<br />
3 Fragen an:<br />
Frank Baumann – Geschäftsführer BÜRO BLAU<br />
1. Frage:<br />
Dr. Hugo Rosenthal Oberschule<br />
Birgit Hein<br />
Berliner Str. 41<br />
16540 Hohen Neuendorf<br />
fon: 03303-40 25 93<br />
fax: 03303-40 43 25<br />
post@hugo-rosenthal-oberschule.de<br />
Sie sind mit Ihrem Team ja schon von Beginn der „Initiative Oberschule“ an Kooperationspartner<br />
für mehrere Schulen. Wie sind Sie auf diese innovative Projektidee mit der Podcast-<br />
Technik gekommen?<br />
Da haben sich verschiedene Mosaiksteine wie in einem Puzzle zusammengefügt: Einerseits<br />
habe ich mich 2006 intensiv mit den Herangehensweisen von Richard Bolles („Durchstarten<br />
zum Traumjob“) und Daniel Porot („The PIE method for career succes“) beschäftigt, die eine<br />
sehr selbstbestimmte Form der Jobsuche beschreiben. Andererseits hatte ich in dieser Zeit<br />
erstmals Einblick in die Möglichkeiten des damals noch neuen Mediums Podcast. Und zum<br />
Dritten kam mir die Erfahrung des BÜRO BLAU aus vielen Bürgerbeteiligungsverfahren in
der Stadt- und Regionalentwicklung zugute, in denen wir die Vorstellungen von sehr<br />
verschiedenen Menschen zu ihrem Wohn- und Lebensumfeld zusammentragen. Dann<br />
hat es irgendwann „klick“ gemacht – übrigens war das unter der Dusche.<br />
… und weshalb sind Sie und die Schulen so erfolgreich damit?<br />
Es ist kein Geheimnis, dass junge Menschen mit den „neuen“ Medien in der Regel sehr<br />
gut vertraut sind. Sie bestimmen auf vielfältige Weise den Alltag der Jugendlichen. In<br />
der Schule werden sie dagegen noch selten eingesetzt. Dabei lässt sich insbesondere die<br />
Podcast-Technik vielseitig für den Unterricht nutzen. Wir verbinden nun einen schulischen<br />
Unterrichtsstoff – Berufsorientierung – mit einer jugendgerechten Methodik, greifen also<br />
die Lebenswelt der Jugendlichen auf. Und wir, genauer gesagt die Jugendlichen, erarbeiten<br />
ein Produkt, mit dem sie sich präsentieren können. Ein schönes Erfolgserlebnis für alle Beteiligten:<br />
Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Eltern und uns sowie – nicht zu vergessen<br />
– die befragten Unternehmen.<br />
2. Frage:<br />
Machen Sie sich nicht überflüssig, wenn die Lehrkräfte die Methodik von Ihnen erlernen?<br />
Zunächst wollen wir Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Arbeit in den Schulen unterstützen.<br />
Wenn sie die Podcast-Technik als hilfreich für ihren Unterricht einschätzen, helfen wir<br />
gerne bei der Anwendung und erläutern das Handwerkszeug. Zumal wir glauben, dass die<br />
Kenntnisse über den Einsatz dieser Techniken auch und gerade zur Vorbereitung auf den<br />
Berufseinstieg immer wichtiger werden. Bei der Zahl der potenziell interessierten Lehrkräfte<br />
und der fortlaufend voranschreitenden Entwicklung der neuen Medien haben wir keine<br />
Angst, in Kürze nichts mehr zu tun zu haben.<br />
3. Frage:<br />
Was haben Sie in der Zusammenarbeit mit Schulen gelernt<br />
und was hat sich dadurch verändert?<br />
Die Rahmenbedingungen und die Art und Weise, wie Berufsorientierung in den Schulen<br />
umgesetzt wird, ist von Schule zu Schule verschieden. Da wir uns bemühen, auf die Erfordernisse<br />
der jeweiligen Schule bestmöglich einzugehen, sind im Laufe der Zeit Projektvarianten<br />
entstanden, mit denen wir die schulischen Abläufe, die Einbindungsmöglichkeiten<br />
in den Deutsch- oder Informatikunterricht oder die technische bzw. räumliche Situation<br />
berücksichtigen.<br />
Die Interviews führte Claudia Buschner<br />
vom IOS-Regionalpartner Potsdam. Frank Baumann<br />
BÜRO BLAU Berlin<br />
fon: 030 / 30105464<br />
baumann@bueroblau.de<br />
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Lernen im Café?<br />
IOS-Projekte unterstützen nachhaltiges Lernen<br />
A<strong>net</strong>te Kwade<br />
Immer montags von 14 bis 16 Uhr öffnen Patrick, Christoph, Domenic, Alexander, Cindy,<br />
Patricia, Lena und Anne Marie aus der Zehdenicker Exin-Oberschule ihr Kinder- und<br />
Jugendcafé (KIJUCA) im Mehrgenerationenhaus.<br />
Patricia weiß ganz genau, warum sie sich für dieses Projekt entschieden hat: „Ich arbeite<br />
hier mit, weil mir die Arbeit Spaß macht und immer Abwechslung da ist. In der Schülerfirma<br />
habe ich gelernt, wie ich mit alten und behinderten Menschen in Kontakt komme und wie<br />
ich mit ihnen umgehen kann.“<br />
Auch Christoph ist begeistert vom Projekt: „Ich habe gelernt, dass ich Menschen, denen<br />
es schlechter geht, helfen kann. Ich habe mitgeholfen, für sie Feste zu organisieren. Aber<br />
am meisten hat es mir gefallen, dass wir das zusammen gemacht haben, das war einfach<br />
super. Wenn man mitgearbeitet hat, bekommt man ein Zertifikat, darauf kann man echt<br />
stolz sein und es auch für Bewerbungen nutzen.“<br />
Frau Siegel, der betreuenden Lehrerin im Projekt, ist besonders wichtig, dass „die sozialen<br />
Kompetenzen sowie die Eigenständigkeit im Handeln und die sinnvolle Kommunikation<br />
untereinander und miteinander weiterentwickelt werden. Wichtig ist die Arbeit mit Jugendlichen,<br />
die sozial schwächer gestellt sind. Während der Veranstaltungen gibt es ein stetes<br />
Miteinander-Reden. Die Freude und Dankbarkeit z.B. der Förderschüler, die wir betreuen,<br />
ist ein tolles Gefühl. Die Mitglieder der Schülerfirma geben die Erkenntnis weiter, dass<br />
behinderte Kinder ‚normal‘ zu behandeln sind wie alle anderen auch. Auch die Entwicklung<br />
Die Schülerfirma „KIJUCA“ – ein verlässlicher Partner in Zehdenick<br />
Das Kinder- und Jugendcafe „ KIJUCA“ in Zehdenick ist im eigentlichen Sinn keine<br />
Schülerfirma. Denn es geht nicht darum, Gewinne zu erzielen, sondern eher um das<br />
ganz praktische Training und die Weiterentwicklung sozialer Kompetenzen der dort<br />
tätigen Schülerinnen und Schüler wie z.B. Einsatzbereitschaft, Teamfähigkeit, soziales<br />
Engagement und Toleranz.<br />
2008 wurde das Cafe von der Exin-Oberschule in Zehdenick gegründet. Das Mehrgenerationenhaus<br />
stellte die Räumlichkeiten zur Verfügung. Die Mitglieder des Cafes<br />
sind immer montags von 14.00 bis 16.00 Uhr dort anzutreffen. Es finden aber auch<br />
Veranstaltungen außerhalb dieser Öffnungszeiten statt.<br />
Die Besonderheit dieses Cafes besteht darin, dass hier von Schülerinnen und Schülern<br />
der Oberschule mit sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird.<br />
Aber auch alle anderen interessierten Jugendlichen sind im Cafe herzlich willkommen.<br />
Die Angebotspalette an Veranstaltungen ist sehr vielseitig. So bieten die Jugendlichen<br />
für Kinder mit Lernschwierigkeiten eine Hausaufgabenhilfe an. Neben Freizeitangeboten<br />
wie Spiel- und Sportnachmittage gibt es im „KIJUCA“ auch thematische Veranstaltungen<br />
für Kinder und Jugendliche, aber auch für Eltern und Großeltern, wie<br />
etwa das „Erzählcafé“.<br />
Die Jugendlichen arbeiten eng mit Vereinen und Schulen der Stadt zusammen – auch<br />
außerhalb des Mehrgenerationenhauses: Sie bieten Hilfe bei der Organisation oder<br />
dem gastronomisch Service von Veranstaltungen an.
Verknüpfung von Projektinhalten<br />
mit dem Unterricht<br />
Beispiel B<br />
– Erfassen der durch das Projekt geförderten<br />
Kompetenzen in einer Übersicht<br />
– Fachkonferenzen tragen ein, was sie übernehmen<br />
– Beratung und Abstimmung der Verknüpfungen<br />
mit den schulinternen Curricula<br />
Projekt Soziales Lernen Mögliche Fächer<br />
Inhalte MA DEU LER ENG<br />
Organisationsfähigkeit<br />
Klassenregeln einhalten<br />
Selbsteinschätzung<br />
Umgang mit Kritik<br />
Kontaktaufnahme<br />
Teamfähigkeit<br />
Konfliktfähigkeit<br />
Durch die thematischen<br />
Veranstaltungen im „KIJUCA“<br />
werden viele Projektinhalte<br />
mit dem Unterricht verknüpft.<br />
So hat z.B. die Veranstaltung<br />
im Erzählcafe zum Thema<br />
„Interessieren sich Jugendliche<br />
für Politik?“ einen engen<br />
Bezug zum Politikunterricht,<br />
oder der „Apfeltag“ zum Biologieunterricht.<br />
Jedes IOS–Projekt bietet Möglichkeiten<br />
zur Verknüpfung<br />
mit dem Unterricht und<br />
somit zum nachhaltigen<br />
Lernen. Hier einige ganz<br />
praktische Beispiele und<br />
Dokumentationshilfen.<br />
Beispiel A<br />
1. Überprüfung, welche Fächer Bezug<br />
zum Projekt haben<br />
2. Beratung der Fachkonferenzleiter<br />
zu Inhalten und Verknüpfungen mit<br />
den schulinternen Curricula<br />
3. Beratung der Fachkonferenz<br />
4. Abstimmung der Fachkonferenzleiter<br />
5. Umsetzung durch das Kollegium<br />
Beispiel C<br />
Die verschiedenen Kompetenzen werden unabhängig vom Projekt<br />
(Medienkompetenz, Methodenkompetenz, Selbsteinschätzung ...)<br />
erfasst, die Mitglieder der Fachkonferenzen tragen ein, welche<br />
Kompetenzen in ihrem Fach entwickelt und gefestigt werden<br />
können. Beispiele:<br />
Während einer Teamfindungsfahrt werden Klassenregeln er-<br />
arbeitet. Über die neuen Regeln werden alle Fachlehrkräfte<br />
informiert und können einheitlich in allen Unterrichtsstunden<br />
danach arbeiten. Die Chance zur nachhaltigen Verankerung<br />
der Klassenregeln im Schulalltag steigt.<br />
Das Thema Konfliktfähigkeit wird ebenfalls im Verlauf eines<br />
Projektes aufgegriffen. Hier bietet sich z.B. der LER-Unterricht<br />
zur Verknüpfung an. Dafür sollte das Thema schon im Vorfeld<br />
des Projektes im Unterricht behandelt werden, um die Schüler<br />
für das Thema aufzuschließen. Nach der Fahrt wird das Thema<br />
weiter vertieft.<br />
Der Umgang mit Kritik ist ebenfalls ein Beispiel für die weitere<br />
Festigung in den unterschiedlichen Unterrichtsfächern. In den<br />
Fächern PB und LER ist dieser Punkt fester Bestandteil des<br />
Unterrichts. Aber auch in den naturwissenschaftlichen Fächern<br />
sowie allen anderen Unterrichtsfächern wird der Umgang mit<br />
Kritik geübt, z.B. bei der Einschätzung von Gruppenarbeit<br />
oder Schülervorträgen.<br />
Die erworbenen Medien- und Methodenkompetenzen z.B. aus<br />
den Podcast – Projekten können in anderen Fächern bei der<br />
Erstellung von Fachbeiträgen angewendet und gefestigt werden.<br />
Literaturhinweise:<br />
Landesberufsschule Feldkirch Projektteam „Nachhaltiges Lernen“<br />
www.ibsfe1.snv.at/uploads/media/NachaltLernen-leitfaden.pdf<br />
www.blk-luna.de, Nachhaltiges Lernen, selbstgesteuertes Lernen und Aushandlungsprozesse<br />
grandIOS<br />
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grandIOS<br />
Instrumente für die Planung und dialogische Reflexion sozialer Lernprozesse<br />
Arbeitshilfe und Weiterbildung für pädagogische Fachkräfte<br />
Elke Klein<br />
Literaturtipp<br />
Die Arbeitshilfe: Soziale Lernprozesse professionell gestalten und begleiten<br />
Schulen stellen sich zunehmend der Herausforderung, soziales Lernen in schulische Lehr- und<br />
Lernzusammenhänge zu integrieren. Das kann nur erfolgreich gelingen, wenn zum einen zielgruppenadäquate<br />
Lern- und Handlungsräume im schulischen Kontext entwickelt und zum anderen<br />
systematisch Kompetenzstände erfasst und reflektiert werden. Beide Aspekte thematisiert<br />
die neue Arbeitshilfe der Landeskooperationsstelle Schule - Jugendhilfe.<br />
Vor dem Hintergrund und der Notwendigkeit, soziales Lernen im System Schule weiter zu qualifi-<br />
zieren, wurde die vorliegende Arbeitshilfe für die dialogische Entwicklung und Reflexion sozialer<br />
Lernprozesse entwickelt. Pädagogischen Fachkräften bietet das Material vielfältige Anregungen<br />
für die eigene Praxis.<br />
Der Aufbau des Materials folgt der Intention, dass die Gestaltung sozialer Lernprozesse von<br />
Anfang an einer intensiven und kontinuierlichen Reflexion der Beteiligten bedarf. Das beginnt mit<br />
der Analyse der Ausgangslagen und Handlungsbedarfe (Was soll wie gefördert werden?) und der<br />
daraus zu begründenden Maßnahmen, schließt die Zielstellung (konkret benannte Kompetenzen/<br />
Kompetenzaspekte) ein und reicht weit über den Einsatz geeig<strong>net</strong>er Instrumente zur Wirksamkeitsüberprüfung<br />
hinaus. Die in der Arbeitshilfe angeführten Instrumente unterstützen pädagogische<br />
Fachkräfte dabei, Entwicklungsbedarfe kontinuierlich zu identifizieren und passgenaue/<br />
konkrete Entwicklungsziele zu formulieren.<br />
Soziales Lernen bedarf einer professionellen und dialogischen Reflexion auf unterschiedlichen<br />
Ebenen und zwischen allen Beteiligten. Vor diesem Hintergrund entstand eine exemplarische<br />
Instrumentensammlung für drei grundlegende soziale Lernangebote: den Klassenrat, das Teamtraining<br />
und ein Konflikttraining. Insgesamt liegen ca. 50 Reflexionsinstrumente für Schüler/innen<br />
und Lehrer/innen vor, die vor, während und nach dem jeweiligen Lernarrangement und darüber<br />
hinaus eingesetzt und je nach Bedarf modifiziert werden können.
Inhaltsverzeichnis<br />
Soziales Lernen im Kontext Schule<br />
– Ausgangssituation an Schulen<br />
– Förderung sozialer Kompetenzen als gesamtgesellschaftliche Bildungsaufgabe<br />
– Schlussfolgerungen für die pädagogische Gestaltung schulischer Lehr -und Lernprozesse<br />
– Einbindung des sozialen Lernens in das System Schule<br />
– Handlungsfelder, Lernfelder und „Bausteine“<br />
– Schulentwicklungsschwerpunkt:<br />
– Entwicklung eines schulinternen Curriculums zum Sozialen Lernen<br />
– Ziele schulischer Projekte zum Sozialen Lernen - Integration in den Schulalltag<br />
– Integration in den Schulalltag<br />
– Der Kompetenzbegriff<br />
– Sozialkompetenz und sozial kompetentes Verhalten<br />
– Kompetenzkategorien<br />
– Erfassen sozialer Kompetenzen im schulischen Rahmen<br />
Schulcheck Bestandsaufnahme, Ermittlung von Handlungsbedarfen und Zielbestimmung<br />
zur Förderung sozialer Kompetenzen<br />
– Ist-Stand-Analyse und Zielbestimmung<br />
– Reflexion bisheriger Aktivitäten und ihrer Ergebnisse<br />
– Auswahl geeig<strong>net</strong>er Maßnahmen<br />
Instrumente für eine dialogische Reflexion sozialer Lernprozesse<br />
– Einführung in die dialogische Reflexion sozialer Lernprozesse<br />
– Aufbau der Instrumentensammlung<br />
– Grundlegende Hinweise zu ihrem Einsatz<br />
– Instrumentensammlung<br />
– Der Klassenrat<br />
– Teamentwicklung<br />
– Konflikttraining<br />
Die Fortbildungsangebote<br />
Parallel zur Herausgabe der Arbeitshilfe wurden durch <strong>kobra</strong>.<strong>net</strong> mehrere<br />
Fortbildungsangebote zu folgenden Themen entwickelt:<br />
1. Soziales Lernen im Kontext Schule – eine Informationseinheit<br />
für pädagogische Fachkräfte in Schule und Jugendhilfe<br />
2. Soziale Lernprozesse professionell gestalten und dialogisch<br />
begleiten – eine Fortbildung für Berater/innen und<br />
Multiplikator/innen aus Schule und Jugendhilfe<br />
3. Sozialtraining(s) in der Schule von der Konzeptentwicklung<br />
bis zur Evaluation – ein standortbezogener Workshop<br />
4. Entwicklung eines gemeinsamen, standortbezogenen<br />
Handlungskonzeptes zur Förderung personaler und<br />
sozialer Kompetenzen – Modulare Qualifizierung und<br />
Begleitung eines Standortes<br />
Die Broschüre kann heruntergeladen werden unter<br />
www.<strong>kobra</strong><strong>net</strong>.de/<strong>kobra</strong><strong>net</strong>/index.php?uid=913<br />
Nähere Informationen zur Fortbildung unter:<br />
www.<strong>kobra</strong><strong>net</strong>.de/<strong>kobra</strong><strong>net</strong>/index.php?uid=882<br />
<strong>kobra</strong>.<strong>net</strong><br />
Landeskooperationsstelle<br />
Schule – Jugendhilfe<br />
Elke Klein<br />
Benzstraße 8/9<br />
14482 Potsdam<br />
fon: 0331 - 704 58 92<br />
klein@<strong>kobra</strong><strong>net</strong>.de<br />
grandIOS<br />
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grandIOS<br />
Impressum<br />
grandIOS I Ausgabe 2012<br />
1. Auflage, 1.000 Exemplare, März 2012<br />
Herausgeber:<br />
WIBB GmbH / Projektverbund <strong>kobra</strong>.<strong>net</strong><br />
IOS-Regionalpartner Potsdam<br />
Benzstr. 8/9, 14482 Potsdam<br />
fon: 0331 - 70 44 46 52<br />
info@ios-potsdam.de<br />
www.ios-potsdam.de<br />
Redaktion:<br />
Katrin Leubner, Markus Wicke<br />
Gestaltung:<br />
Max Baumann, Till Heinritz<br />
www.kunstabzweig/gestaltung.de<br />
Druck:<br />
Druckerei Rüss, Potsdam<br />
www.druckerei-ruess.de<br />
Fotonachweis:<br />
Umschlag innen und außen, S. 18: Frank Schubert © <strong>kobra</strong>.<strong>net</strong>; S. 3: Christoph Lemmen © <strong>kobra</strong>.<strong>net</strong>;<br />
S. 7: Christian Prengel © Domizil Leuchtturm; S. 14 + 16: Katrin Leubner © <strong>kobra</strong>.<strong>net</strong>;<br />
S. 26/27: Sven Gatter © BÜRO BLAU<br />
Der Herausgeber war bestrebt, die Urheberrechte der verwendeten Fotos zu beachten. Sollten<br />
trotz sorgfältiger Prüfung Rechte Dritter berührt sein, bitten wir uns dies schriftlich mitzuteilen.<br />
Förderer:<br />
Diese Publikation erscheint im Rahmen der „Initiative Oberschule“ (IOS), die vom Ministerium<br />
für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, vom Europäischen Sozialfonds und<br />
der Bundesagentur für Arbeit gefördert wird.<br />
Die „Initiative Oberschule“ (IOS) unterstützt Kooperationsprojekte zwischen Oberschulen und<br />
außerschulischen Partnern, die dazu dienen sollen, die Ausbildungsfähigkeit der Jungen und<br />
Mädchen an Oberschulen zu verbessern, ihre Sozialkompetenzen zu stärken und eine bessere<br />
Berufsorientierung zu garantieren. Gleichzeitig sollen durch IOS-Projekte die Kompetenzen<br />
der Lehrerinnen und Lehrer als wichtige Begleiter der Schülerinnen und Schüler auf dem Weg<br />
der Ausbildungsplatzsuche erweitert und die Oberschulen gestärkt werden.<br />
Mehr Informationen unter www.ios-potsdam.de<br />
Gedruckt auf FSC-zertifizierten Papier.<br />
Investition in Ihre Zukunft
grandIOS
gefördert durch:<br />
grandIOS<br />
Investition in Ihre Zukunft