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Juni 2010 (PDF) - an.schläge

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schleier-debatte<br />

Die Burka-Blase<br />

Die meisten Männer und Frauen erkennen ein Opfer<br />

des Patriarchats nur d<strong>an</strong>n, „wenn es unterm Kopftuch<br />

daherkommt, d<strong>an</strong>n allerdings völlig unabhängig davon,<br />

ob dieses sich selbst als Opfer fühlt oder was <strong>an</strong><br />

eigenen Ged<strong>an</strong>ken in dem Kopf unterm Tuch<br />

vorgehen mag. Mit Kopftuchfrauen spricht m<strong>an</strong> nicht,<br />

m<strong>an</strong> bemitleidet sie einfach”. 1<br />

Sylvia Köchl und Vina Yun haben sich die aktuelle<br />

Debatte zur Burka genauer <strong>an</strong>gesehen.<br />

1 Hilal Sezgin in:<br />

www.sueddeutsche.de/<br />

politik/562/497863/text<br />

2 www.taz.de/1/politik/europa/<br />

artikel/1/wegen-schleierzw<strong>an</strong>gabgelehnt<br />

3 http://derst<strong>an</strong>dard.at/<br />

1271377058536/STANDARD-<br />

Interview-Verhuellung-istnicht-republik<strong>an</strong>isch<br />

08 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2010</strong><br />

„Das Problem der Burka ist kein<br />

religiöses Problem. Es ist ein Problem<br />

der Freiheit und der Würde der Frau.<br />

Es ist kein religiöses Zeichen, es ist ein<br />

Zeichen der Unterwerfung, es ist ein<br />

Zeichen der Erniedrigung. Ich möchte<br />

feierlich erklären, dass die Burka in<br />

Fr<strong>an</strong>kreich nicht erwünscht ist.” Was der<br />

fr<strong>an</strong>zösische Staatspräsident Nicolas<br />

Sarkozy im <strong>Juni</strong> 2009 mit nationalem<br />

Stolz verkündete, wird nun schon bald<br />

Realität. Ende Jänner dieses Jahres<br />

schlug eine eigens eingerichtete, parteiübergreifende<br />

„Burka-Kommission” des<br />

fr<strong>an</strong>zösischen Parlaments vor, zukünftig<br />

Personen mit verhülltem Gesicht<br />

den Zug<strong>an</strong>g zu öffentlichen Diensten,<br />

Einrichtungen und Verkehrsmitteln zu<br />

verbieten. Der Ruf nach einer solchen<br />

Untersuchungskommission wurde<br />

übrigens zu einem Zeitpunkt laut, als<br />

noch keine offiziellen Zahlen zu den<br />

Burka-Trägerinnen im L<strong>an</strong>d vorlagen.<br />

Jüngste Erhebungen der Regierung<br />

gehen von rund 2.000 Personen aus, die<br />

den „voile intégral”, den G<strong>an</strong>zkörperschleier,<br />

tragen – bei geschätzten vier<br />

bis sechs Millionen Muslim_innen in<br />

g<strong>an</strong>z Fr<strong>an</strong>kreich.<br />

Im Mai präsentierte die fr<strong>an</strong>zösische<br />

Regierung einen Gesetzestext, der über<br />

die Empfehlung der Untersuchungskommission<br />

hinausgeht und auf ein<br />

Totalverbot von Burka und Niqab (zu<br />

den unterschiedlichen Verschleierungsformen<br />

siehe den Beitrag von Dagmar<br />

Buchta auf S. 9) in der Öffentlichkeit<br />

abzielt. Damit würde der gesichtsbedeckende<br />

Schleier nicht nur vom öffentlichen<br />

Tr<strong>an</strong>sport und von öffentlichen<br />

Gebäuden und Ämtern, sondern ebenso<br />

aus Geschäften und Restaur<strong>an</strong>ts und<br />

von der Straße verb<strong>an</strong>nt. Wer trotzdem<br />

Shadi Ghadiri<strong>an</strong>s „Domestic Life #04” (oben) und „Domestic Life #61” (S.10) (2002, C-print, Courtesy<br />

Aeroplastics Contemporary/Brussels) waren Teil der Ausstellung „The Seen <strong>an</strong>d the Hidden: Discovering the<br />

Veil” des Österreichischen Kultuforums New York 2009. Ein Ausstellungskatalog erscheint im <strong>Juni</strong> <strong>2010</strong>.<br />

das Haus im „Integralschleier” verlässt,<br />

erwartet in Zukunft eine Geldbuße von<br />

150 Euro oder aber ein Kurs in Staatsbürgerkunde.<br />

Ausnahmen wie medizinische<br />

Gründe, Verkleidungen während<br />

des Karnevals oder der bei jap<strong>an</strong>ischen<br />

Tourist_innen beliebte Mundschutz<br />

bestätigen die Regel.<br />

Europa, patriarchatsfrei. Besonders<br />

hart sollen nach dem von Justizministerin<br />

Michèle Alliot-Marie und<br />

Einw<strong>an</strong>derungsminister Eric Besson<br />

ausgearbeiteten Gesetzesentwurf die<br />

„Auftraggeber” von Burka tragenden<br />

Frauen bestraft werden: Wer eine<br />

Frau zwingt, das Gesicht zu verhüllen,<br />

erwartet eine Strafe von 15.000 Euro<br />

oder bis zu ein Jahr Haft. S<strong>an</strong>ktionen<br />

für Ehemänner oder Partner von<br />

Burka-Trägerinnen gab aber auch schon<br />

vor Inkrafttreten des Gesetzes: Anf<strong>an</strong>g<br />

Februar wurde der Einbürgerungs<strong>an</strong>trag<br />

eines Marokk<strong>an</strong>ers von Minister<br />

Eric Besson persönlich abgelehnt, weil<br />

er von seiner Frau das Tragen eines<br />

G<strong>an</strong>zkörperschleiers verl<strong>an</strong>gte. Das<br />

„Non” zur Naturalisierung gründete<br />

sich allerdings nicht auf den Zw<strong>an</strong>g,<br />

sondern auf die „Lebensweise” des<br />

Antragstellers – denn diese sei, „auch<br />

wenn sie mit religiösen Vorschriften<br />

gerechtfertigt wird, mit den Grundwerten<br />

der Republik und namentlich<br />

mit dem Grundsatz der Gleichheit der<br />

Geschlechter, unvereinbar”. 2 Es war<br />

auch Besson, der parallel zur politischen<br />

Diskussion über die Burka eine Debatte<br />

über Fr<strong>an</strong>kreichs „nationale Identität”<br />

<strong>an</strong>stieß. Kein Zufall also, dass das betreffende<br />

Gesetzgebungsverfahren zum<br />

fr<strong>an</strong>zösischen Burka-Verbot unter dem<br />

Motto „Für die Werte der Republik”<br />

grünes Licht vom Parlament erhielt.<br />

Die Gesichtsverhüllung berühre die „europäische<br />

Identität” und widerspreche<br />

den „republik<strong>an</strong>ischen Vorstellungen<br />

und Gebräuchen”, wiederholte Besson<br />

vor kurzem in einem „St<strong>an</strong>dard”-Interview<br />

3 den St<strong>an</strong>dpunkt der Regierung<br />

und verteidigt das Burka-Verbot<br />

mit dem laizistischen Prinzip, also der<br />

Trennung von Staat und Religion. Auch<br />

als 2004 das Verbot aller „auffälligen<br />

religiösen Symbole” <strong>an</strong> Fr<strong>an</strong>kreichs<br />

Schulen wirksam wurde (ausgelöst<br />

durch einen „Kopftuch-Streit”), erklärten<br />

prominente Kopftuch-Gegner_innen<br />

wie etwa die fr<strong>an</strong>zösische Feministin<br />

Elisabeth Badinter die Weltlichkeit

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