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Friedensdekade - Ev.-Luth. Kirchgemeinde Bad Doberan

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Zunächst war sie nur vergesslich; dann<br />

kam Misstrauen und Orientierungslosigkeit<br />

hinzu. An der Diagnose führte<br />

kein Weg mehr vorbei: Die Schwiegermutter<br />

ist demenzkrank nach dem<br />

Alzheimerschen Formenkreis. Nun ist<br />

sie ins letzte Stadium eingetreten, liegt<br />

nur noch still im Bett; sie ist nicht mehr<br />

ansprechbar. Zuletzt tritt hinzu, dass<br />

sie nicht mehr in der Lage ist, selbständig<br />

Nahrung aufzunehmen.<br />

Die Familie wird von dem behandelnden<br />

Arzt mit der Frage konfrontiert,<br />

ob eine künstliche Ernährung erfolgen<br />

solle, was bedeute, dass eine Magensonde<br />

gelegt werden müsse.<br />

Vor solcher Situation standen nicht<br />

nur wir einst, sondern in unserer Gesellschaft<br />

werden viele Menschen im<br />

Leben einmal oder sogar mehrere Male<br />

in eine derartige oder eine ähnliche Lage<br />

versetzt. Heute in der Zeit der „Apparate-Medizin“<br />

ist es auf vielerlei Art<br />

möglich, sterbende Menschen auf<br />

künstliche Art am Leben zu erhalten,<br />

oder muss man sagen, durch Unterlassen<br />

lebensverlängernder Maßnahmen<br />

das Leben künstlich zu verkürzen.<br />

Damit sind wir mitten in einer sowohl<br />

ethisch-theologisch wie auch juristisch<br />

schwierigsten Problematik, die sowohl<br />

in die eine wie in die andere Richtung<br />

nicht abschließend erörtert ist und oft<br />

Nachdenke über ... Nachdenken über ...<br />

Sterbehilfe?<br />

als Grauzone bezeichnet wird, in der<br />

man sich nur tastend bewegen könne.<br />

In diesem Beitrag soll von mir als Juristin<br />

lediglich der Versuch unternommen<br />

werden, etwas Licht auf die juristische<br />

Seite zu werfen. Die Beleuchtung der<br />

anderen überlasse ich berufenerem<br />

Munde.<br />

Eindeutig steht fest - insofern ist die<br />

Gesetzeslage klar -, dass die aktive Sterbehilfe<br />

verboten und strafbar ist. Z.B.<br />

darf man einem Sterbenden kein Mittel<br />

eingeben, dass den Verlauf der Dinge<br />

beschleunigt. Es geht im Folgenden also<br />

nur um die passive Sterbehilfe.<br />

Grundlegend ist hier und das kann<br />

nicht genügend betont werden, dass es<br />

in dieser schwierigen Entscheidungslage<br />

zuförderst auf den Willen, bzw.,<br />

wenn dieser nicht mehr feststellbar ist,<br />

den mutmaßlichen Willen des Patienten<br />

ankommt. Hat beispielsweise der Sterbende<br />

vorher in einem sogenannten<br />

„Patiententestament“ klar festgelegt,<br />

dass er lebensverlängernde Maßnahmen<br />

nicht wünsche, könnte der betreuende<br />

Sohn nicht rechtswirksam in der<br />

oben geschilderten Situation dem Legen<br />

einer Magensonde zustimmen. Der<br />

Arzt ist gezwungen, sich an den Willen<br />

des Patienten zu halten.<br />

Ist auch der mutmaßliche<br />

Patientenwille nicht mehr feststellbar,<br />

so kann der Betreuer, der gemäß §1896<br />

des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)<br />

bestellt wird und meist ein naher Angehöriger<br />

sein wird, über die medizinische<br />

Maßnahme entscheiden, das heißt beispielsweise<br />

über das Legen einer Magensonde<br />

beziehungsweise das Unterlassen,<br />

sofern zwei weitere Voraussetzungen<br />

vorliegen: Erstens die Maßnahme<br />

birgt keine schwere Gefahr (dazu<br />

sogleich), zweitens der behandelnde<br />

Arzt ist einverstanden.<br />

Geht der Eingriff mit einer Lebensgefahr<br />

oder der Gefahr des Eintrittes eines<br />

schweren Schadens für den Patienten<br />

einher, so gilt dem Grunde nach zunächst<br />

dasselbe. Das heißt, der Wille<br />

oder der mutmaßliche Wille des Sterbenden<br />

hat absoluten Vorrang.<br />

Ist dagegen der Wille nicht mehr feststellbar<br />

- zu denken ist beispielsweise an<br />

eine Herzoperation beim plötzlich bewusstlos<br />

gewordenen Herzinfakt-<br />

Patienten -, so schreibt das Gesetz in §<br />

1904 BGB vor, dass die Genehmigung<br />

des Vormundschaftsgerichts einzuholen<br />

ist. Diese Vorschrift ist wenig bekannt,<br />

verdient aber gleichwohl Beachtung.<br />

So hat mein vorsichtiger Juristen-<br />

Ehemann das Vormundschaftsgericht<br />

im Falle der eingangs gestellten Frage<br />

angerufen und sich unangenehme Fragen,<br />

wie: „Ist Vermögen vorhanden?<br />

12 13<br />

Wer erbt?“, gefallen lassen müssen.<br />

Und dies, obwohl es sich dabei eigentlich<br />

um die zuerst dargestellte Fallkonstellation<br />

handelte, nämlich die Frage<br />

nach der Durchführung eines ungefährlichen<br />

Eingriffs.<br />

Dieses war nur ein sehr grober Überblick<br />

über die juristische Problematik,<br />

der ohne Gewähr und mit der abschließenden<br />

Bemerkung verschafft wird,<br />

dass der bestellte Betreuer bei schwieriger<br />

Entscheidungslage gemäß § 1837<br />

Absatz 1 Satz 1 BGB eine Beratung<br />

durch das Gericht in Anspruch nehmen<br />

kann.<br />

Schwiegermutter zog es vor, von allein<br />

zu sterben, bevor ein anderer eine Entscheidung<br />

über sie gefällt hatte.<br />

Dr. A. Jaspersen

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