DKV-Magazin Nr. 6 - Chronik des Karate
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S t i l r i c h t u n g e n<br />
26<br />
Die Atmung in der traditionellen Kampfkunst<br />
<strong>des</strong> Koreanischen <strong>Karate</strong><br />
Im Rahmen der traditionellen Ausbildung im<br />
Koreanischen <strong>Karate</strong> ist einer der wichtigsten<br />
Aspekte die Schulung der richtigen Atmung,<br />
der Bauchatmung. Zu Beginn der Ausbildung<br />
wird dem Anfänger zunächst einmal der<br />
Unterschied zwischen der Bauchatmung und<br />
der Brustatmung aufgezeigt, da dieser vielen<br />
Schülern nicht bewusst ist.<br />
Bei der Brustatmung wirken die äußeren Rippenmuskeln<br />
und die Nackenmuskeln zusammen, um<br />
die Vorderseite <strong>des</strong> Brustkorbs zu heben. Sie pressen<br />
die Rippen weiter nach außen und weiten so die<br />
Brusthöhle, wodurch es zu einem Unterdruck und<br />
einer Einatmung kommt. Bei der Bauchatmung<br />
kommt es zu einer Kontraktion und somit Abwärtsbewegung<br />
<strong>des</strong> Zwerchfells, welches dann den<br />
Boden der Brustkorbhöhle nach unten zieht. Das<br />
hat zur Folge, dass die Einatmung umfassender<br />
genutzt werden kann. Ihr kommt somit bei der<br />
Volumenarbeit eine größere Bedeutung zu .<br />
Dass beim Ausüben <strong>des</strong> <strong>Karate</strong>-Do fast ausschließlich<br />
die Bauchatmung praktiziert wird, hat neben<br />
dem größeren Volumenumsatz noch weitere Gründe.<br />
Bei der Brustatmung wird der Brustkorb gehoben<br />
und die Spannung nach oben verlagert, was wiederum<br />
zur Folge hat, dass die untere Unterleibshälfte<br />
um ihre Innenspannung gebracht wird. Bei der<br />
Bauchatmung wird dagegen die Brusthöhle nach<br />
unten erweitert und auch die untere Hälfte <strong>des</strong><br />
Unterleibs wird gefüllt, wodurch der Druck in der<br />
unteren Unterleibshälfte im Bereich <strong>des</strong> Tandens<br />
gesteigert wird. Dieser Vorgang unterstützt sowohl<br />
die physische wie auch die geistige Stabilität.<br />
Bewusst eingesetzt, dient die Atemkunst im Tanden<br />
der Aufrechterhaltung der Spannung im Unterleib,<br />
wodurch sich der Schwerpunkt in den Unterleib verlagert.<br />
Das ist wiederum die Voraussetzung für<br />
einen <strong>Karate</strong>ka, dass er auch bei schnellen und<br />
kraftvollen Bewegungen nicht sein Gleichgewicht<br />
verliert.<br />
Der Anfänger macht zum Erlernen der Bauchatmung<br />
zunächst Übungen ohne <strong>Karate</strong>-Techniken, bei<br />
denen der Bauch bei der Einatmung bewusst herausgewölbt<br />
wird. Im weiteren Verlauf wird die<br />
Bauchatmung mit der Technik ausgeführt, was für<br />
Anfänger häufig schon ein Problem darstellt, denn<br />
sobald sie sich nicht mehr auf die Atmung konzentrieren,<br />
verfallen sie wieder in die Brustatmung. Bis<br />
die Bauchatmung zur selbstverständlichen Atmung<br />
in der Technik, und optimalerweise auch im Alltag,<br />
geworden ist, vergehen häufig Monate bis Jahre.<br />
Unterstützend üben kann man dies im täglichen<br />
Zazen, indem man eine korrekte Haltung einnimmt,<br />
die man beim regungslosen Sitzen beibehält und<br />
die Bauchatmung praktiziert. Zur Schulung <strong>des</strong> Körperbewusstseins<br />
können weiterhin Ibuki-Übungen<br />
durchgeführt werden, bei denen die Bauchatmung<br />
zunächst im Stand und durch Armbewegungen<br />
unterstützt ausgeführt wird.<br />
Im weiteren Verlauf der Ausbildung erlernt der<br />
Schüler schon bald, dass es verschiedene Formen<br />
der Atmung bei verschiedenen Techniken gibt. In<br />
Abhängigkeit <strong>des</strong> zu überwindenden Widerstan<strong>des</strong><br />
kann die Atmung daher auch länger dauern als die<br />
sehr kurze Ausatmung bei einem Oi-Zuki. Genannt<br />
seien hier die Techniken Te-Osae-Uke und Ushiro-<br />
Mawashi-Geri.<br />
Die große Bedeutung der Bauchatmung für die<br />
Stabilität einer Technik im Moment der Kraftabgabe<br />
liegt auch darin begründet, dass sie über die normale<br />
Bauchatmung hinaus geht, denn bei der normalen<br />
Bauchatmung werden die Unterleibsmuskeln kaum<br />
mit einbezogen. Im <strong>Karate</strong>-Do werden bei der<br />
Bauchatmung im Moment der Kraftabgabe auch die<br />
Unterleibsmuskeln kontrahiert. Dadurch kommt es<br />
zu einem Aufwärtsdruck, der die Anspannung und<br />
Stabilität im Unterleib erhöht.<br />
Der Unterleib ist als eine Art Schaltzentrale der<br />
Muskelbewegungen <strong>des</strong> gesamten Körpers zu<br />
sehen. Bei schwerer körperlicher Arbeit, z. B. ein<br />
hohes Gewicht vom Boden heben, kann man die<br />
Muskeln <strong>des</strong> übrigen Körpers nicht einsetzen, ohne<br />
die Unterleibsmuskeln anzuspannen. Selbst beim<br />
Anheben eines Beines oder einer Hand, wird die<br />
Unterleibsmuskulatur benötigt. Sie gibt dem gesamten<br />
Körper seine Stabilität. Bei allen Aktionen<br />
im <strong>Karate</strong>-Do besteht die wichtigste Technik daher<br />
darin, seinen Schwerpunkt im Tanden zu halten.<br />
Brustatmung<br />
Diese Stabilität, die über die Aktivierung <strong>des</strong> Tanden<br />
erreicht wird, kommt im Koreanischen <strong>Karate</strong> sowohl<br />
aktiv, wie auch passiv zur Anwendung. Mit<br />
aktiv ist der bereits beschriebene Moment der Kraftabgabe<br />
bei einer Technik gemeint. Passiv bezieht<br />
sich auf das Absorbieren eines Schlages zum<br />
eigenen Körper, was über die so genannten Abhärtungsübungen<br />
trainiert wird. Auch hierbei erfolgen<br />
eine Atmung aus dem Bauch und die Aktivierung<br />
<strong>des</strong> Tanden. Die in dem Augenblick <strong>des</strong> Auftreffens<br />
aufgebaute Spannung im Bauchraum ist vergleichbar<br />
mit einem Druck auf Reifen bei der Landung<br />
eines Flugzeuges, der die Energie <strong>des</strong> aufsetzenden<br />
Gewichtes abfängt. Bei der Bauchatmung kommt<br />
entlastend hinzu, dass die Energie eines gegnerischen<br />
Schlages über die Ausatmung kanalisiert<br />
bzw. abgeführt werden kann. So sind auch die<br />
Demonstrationen von Großmeistern <strong>des</strong> Koreanischen<br />
<strong>Karate</strong> zu erklären, die Kleinwagen oder sogar<br />
oder LKW über ihre Bäuche fahren lassen, ohne<br />
dabei Schaden zu nehmen.<br />
Das Maximum an Spannung in den Atemmuskeln<br />
und im Unterleib wird im <strong>Karate</strong>-Do beim KIAI<br />
erzeugt. Hierbei kommt es vor allem auf die Spannung<br />
im Tanden zum richtigen Zeitpunkt an. Es ein<br />
Höchstmaß an Aufmerksamkeit notwendig, um im<br />
richtigen Moment die äußerste Kraft aufbieten zu<br />
können. Beim Ausführen einer KIAI-Technik bündeln<br />
sich geistige und physische Kraft in einem kurzen<br />
explosionsartigen Ausatmen. Beim KIAI wird auch<br />
das gesamte zur Verfügung stehende Lungenvolumen<br />
ausgeatmet. Um dies meisterlich zur Anwendung<br />
bringen zu können, bedarf es – wie immer im <strong>Karate</strong><br />
– eines jahrelangen kontinuierlichen Trainings.<br />
Bauchatmung<br />
Alexander Hartmann