Raus aus dem Abseits - Diakonie Deutschland
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Her<strong>aus</strong>forderung 6<br />
Eine chancen- und präventionsgerichtete Kriminalpolitik für junge Menschen gestalten <strong>Diakonie</strong> Texte 08.2010 21<br />
Eine chancen- und präventionsgerichtete Kriminalpolitik für junge Menschen<br />
gestalten<br />
Die Jugendkriminalität ist ein gesellschaftspolitisches Reizthema,<br />
mit <strong>dem</strong> sich vortreffl ich polarisieren lässt. Ausgelöst<br />
durch die Berichterstattung zur polizeilichen Kriminalstatistik<br />
(PKS) und schwere gewalttätige Übergriffe Jugendlicher werden<br />
immer wieder Forderungen nach einer Verschärfung des<br />
Jugendstrafrechts laut. In der Zwischenzeit sind sie zum<br />
Bestandteil des Koalitionsvertrages der neuen Bundesregierung<br />
geworden.<br />
Obwohl die PKS-Daten nach Auffassung vieler Experten nur<br />
von begrenzter Aussagekraft über die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung<br />
sind und die vorliegenden Dunkelfeldforschungen<br />
bis in die jüngste Vergangenheit eher gegenteilige<br />
Trends vermelden, entzündeten sich jeweils heftige Debatten<br />
in der Kriminal-und Sicherheitspolitik, Migrations- und Integrationspolitik<br />
und nicht zuletzt in der Jugendpolitik. In den<br />
Mittelpunkt des Medieninteresses rückten zuletzt sogenannte<br />
„Boot- und Erziehungscamps“, deren Ansatz darauf gerichtet<br />
ist, sozial unerwünschte delinquente Verhaltensweisen abzutrainieren.<br />
Die existierenden pädagogischen Konzepte wurden<br />
als „Kuschelpädagogik“ diffamiert und insbesondere für<br />
die Behandlung jugendlicher Intensivtäter für ungeeignet<br />
befunden.<br />
Wiederholt diskutiert wird auch, ob der soziale Frieden im<br />
öffentlichen Raum durch die vermehrte Präsenz von öffentlichen<br />
und privaten Ordnungskräften und durch fl ächendeckende<br />
Videoüberwachung gestärkt werden kann.<br />
Gute Praxis VIII<br />
Kinder und Jugendliche werden straffällig und überfordern<br />
sich und ihr Umfeld. Das folgende Beispiel zeigen, wie es<br />
gelingen kann, mit und für diese jungen Menschen ein förderliches<br />
pädagogisch-therapeutisches Umfeld zu schaffen.<br />
Nicht nur durch klare Regeln, sondern auch durch die ihnen<br />
entgegengebrachte Wertschätzung lernen sie, Verantwortung<br />
für sich und andere zu übernehmen.<br />
Der schwierige Weg zu Selbstöffnung – Therapie für<br />
Jungen mit sexuell grenzverletzen<strong>dem</strong> Verhalten<br />
Von Kirsten Borgwardt, Neukirchen-Vluyn<br />
Das Kinder- und Jugenddorf des Neukirchener Erziehungsvereins<br />
bietet ein integratives therapeutisches Behandlungskonzept<br />
für sexuell grenzverletzende männliche Jugendliche<br />
an. Die ungefähr 12- bis 16-Jährigen weisen neben anderen<br />
Verhaltensauffälligkeiten eine gestörte psychosexuelle Entwicklung<br />
auf, neigen dazu, Macht zu missbrauchen und<br />
andere zu manipulieren, haben sexuelle Übergriffe begangen<br />
oder sexualisierte Gewalt gezeigt. Im Rahmen einer einjährigen<br />
Unterbringung absolvieren die Jungen einzel -und gruppentherapeutische<br />
Maßnahmen.<br />
Selbstkontrolle lernen<br />
In der Gruppentherapie gibt es ein strukturiertes Programm<br />
mit zwölf Kapiteln für ein Jahr. Dort müssen die Jungen beispielsweise<br />
eine Chronologie der Missbräuche in Form eines<br />
Deliktkreislaufes erstellen, potenzielle Risikosituationen be-schreiben<br />
und Notfallpläne mit Ausstiegsmöglichkeiten <strong>aus</strong><br />
<strong>dem</strong> Deliktkreislauf erarbeiten.<br />
Selbstkontrolltechniken werden vermittelt und können auch<br />
durch die enge Verknüpfung mit <strong>dem</strong> Alltag immer wieder<br />
kontrolliert und geübt werden. So können in kleinen überschaubaren<br />
Situationen Techniken erprobt werden, die später<br />
von den Jungen eigenverantwortlich in Risikosituationen an -<br />
ge wandt werden sollen.<br />
Die Gruppe hilft gegen Verleugnung und<br />
Bagatellisierung<br />
Die Auseinandersetzung in der Gruppe ist sehr hilfreich: Die<br />
Jungen konfrontieren sich gegenseitig und haben ein gutes<br />
Gespür für Bagatellisierung oder Verleugnung ihrer Taten.<br />
Jugendliche, die eher zurückhaltend oder schüchtern sind,<br />
profi tieren im Sinn des Modell-Lernens von den anderen.