Frohe Weihnachten und Prosit 2012! - Österreich Journal
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 114 / 21. 12. <strong>2012</strong><br />
Viele österreichische BerufssprecherInnen<br />
im Radio <strong>und</strong> Fernsehen tendieren<br />
bei ihrer Aussprache zum Deutschländischen<br />
Deutsch“, bemerkt Ass.-Prof. Rudolf Muhr<br />
von der Karl-Franzens-Universität Graz. Der<br />
Linguist analysiert seit 2000 die Aussprache<br />
des <strong>Österreich</strong>ischen Deutsch <strong>und</strong> vergleicht<br />
sie mit den Standards unserer Nachbarn<br />
Deutschland <strong>und</strong> Schweiz. Die Ergebnisse<br />
seiner Forschungsarbeit hat der Germanist in<br />
einem „<strong>Österreich</strong>ischen Aussprachewörterbuch“<br />
zusammengefaßt <strong>und</strong> in der Aussprache-Datenbank-Austria<br />
„ADABA“ erstmals<br />
verarbeitet. Rudolf Muhr ist auch Initiator<br />
des seit 1999 jährlich gewählten Wort <strong>und</strong><br />
Unwort des Jahres.<br />
„Lange Zeit wurde das Burgtheaterdeutsch<br />
in <strong>Österreich</strong> als Normsprache geführt“,<br />
erläutert der Wissenschafter. Diese<br />
sei aber ausschließlich als überhöhte Norm<br />
der theatralischen Darstellung anzusehen.<br />
„Die Norm, die wir für das Projekt kodifiziert<br />
haben, war die ,Medienpräsentationssprache‘“.<br />
Darunter versteht er jene Sprache, die<br />
Menschen verwenden, wenn sie im R<strong>und</strong>funk<br />
oder Fernsehen auftreten <strong>und</strong> öffentlich<br />
sprechen. Dabei müsse zwischen geschulten<br />
<strong>und</strong> ungeschulten SprecherInnen unterschieden<br />
werden; beides zusammen sind gültige<br />
Realisierungsformen des <strong>Österreich</strong>ischen<br />
Deutsch, <strong>und</strong> sie werden in der Aussprache-<br />
Datenbank präsentiert.<br />
Mehr als 75.000 Wörter<br />
<strong>und</strong> 50 Modelltexte<br />
Rudolf Muhr erstellte im Rahmen eines<br />
umfangreichen Projekts einen repräsentativen<br />
Korpus von insgesamt 75.650 Wörtern<br />
<strong>und</strong> 50 Modelltexten. Jeweils zwei SprecherInnen<br />
aus <strong>Österreich</strong>, Deutschland <strong>und</strong><br />
der Schweiz mußten denselben Korpus im<br />
Studio aufnehmen, damit die Aussprache<br />
vergleichbar wurde. Die Ergebnisse waren<br />
für den Forscher eindeutig: Selbst bei den<br />
ModellsprecherInnen der drei deutschsprachigen<br />
Länder bestehen zum Teil erhebliche<br />
Unterschiede in der Aussprache, zum Beispiel<br />
bei den Lehnwörtern. „Bei vielen österreichischen<br />
SprecherInnen ist jedoch ein Hang<br />
zum Deutschländischen Deutsch erkennbar“,<br />
faßt Muhr zusammen. Das hänge damit<br />
zusammen, daß das Norddeutsche – fälschli-<br />
Wissenschaft <strong>und</strong> Technik<br />
Variantenreich<br />
Neue Datenbank erfaßt Aussprache des <strong>Österreich</strong>ischen Deutsch<br />
Foto: Forschungsstelle <strong>Österreich</strong>isches Deutsch<br />
Eine Beispielsseite aus dem ÖAWB<br />
cherweise – als Norm angesehen werde.<br />
Demgegenüber verfüge das <strong>Österreich</strong>ische<br />
Deutsch über eine eigene Aussprachenorm,<br />
für die man sich nicht schämen müsse.<br />
B<strong>und</strong>esländervergleich<br />
Neben einem Dreiländervergleich interessierten<br />
den Wissenschafter auch die innerösterreichischen<br />
Unterschiede. Damit ein<br />
Querschnitt der österreichischen Aussprache<br />
repräsentiert wird, sind in der ADABA auch<br />
die regionalen SprecherInnen des ORF <strong>und</strong><br />
sogenannte DurchschnittssprecherInnen erfaßt.<br />
Von allen ORF-B<strong>und</strong>esländerstudios<br />
wurden jeweils drei Personen ausgewählt,<br />
die drei unterschiedliche Texte produzierten:<br />
einen phonetisch reichhaltigen Text, einen<br />
Nachrichtentext <strong>und</strong> in freier Rede ihre Biografie.<br />
„Dabei wird der Unterschied zwischen<br />
gelesener Sprache <strong>und</strong> freier Sprechsprache<br />
sichtbar“, erklärt Muhr <strong>und</strong> ergänzt:<br />
„Zu beobachten war, daß die Varianz der<br />
»<strong>Österreich</strong> <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at<br />
68<br />
geschulten SprecherInnen innerhalb <strong>Österreich</strong>s<br />
gering ist.“ Die Webversion der Datenbank<br />
wurde von InformatikerInnen der<br />
HTL Kaindorf erstellt. ADABA steht im Internet<br />
zur Verfügung <strong>und</strong> kann frei genutzt<br />
werden. „Es ist die erste <strong>und</strong> einzige länderübergreifende<br />
Dokumentation von Aussprachegewohnheiten<br />
dieser Art.“<br />
http://www.adaba.at<br />
Zweite Datenbank »Speechdat«<br />
Ergänzend zu ADABA hat Muhr eine<br />
zweite Aussprache-Datenbank „Speechdat“<br />
gemeinsam mit dem Forschungszentrum<br />
Telekommunikation Wien <strong>und</strong> der TU Graz<br />
entwickelt. Sie enthält Telefonsprache, die<br />
zur Verbesserung der Spracherkennung aufgenommen<br />
wurde. Die Webversion fasst<br />
r<strong>und</strong> 50.000 Einheiten, die von 1000 Männern<br />
<strong>und</strong> 1000 Frauen aus dem gesamten<br />
B<strong>und</strong>esgebiet <strong>Österreich</strong>s stammen. �<br />
http://www.speechdatweb.at