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Welchen Naturschutz wollen wir? - beim DNR

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<strong>Welchen</strong> <strong>Naturschutz</strong> <strong>wollen</strong> <strong>wir</strong>?<br />

Wolfgang Haber<br />

1. Einleitung<br />

Im Oktober 2006 habe ich in einem Vortrag in<br />

Berlin, der im Dezemberheft 2006 von „Stadt<br />

+Grün“ abgedruckt wurde(Haber 2006), har-<br />

te undgrundsätzliche Kritik an Gesetzgebung<br />

und Praxis des deutschen und europäischen<br />

<strong>Naturschutz</strong>es geübt. Ich war auf heftigen<br />

Widerspruch gefasst, erhielt aber zumeiner<br />

Überraschung viel Zustimmung, und sogar<br />

Hubert Weinzierl als Präsident des Deut-<br />

schen <strong>Naturschutz</strong>rings lobte meine Ausfüh-<br />

rungen. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er im<br />

Interesse der Sache meine Kritik konstruktiv<br />

aufgenommenhat undsie mitzum Anlass für<br />

dieses Symposium gemachthat.Esist an der<br />

Zeit, über Ziele und Maßnahmen im Natur-<br />

schutz neu und grundsätzlich nachzudenken,<br />

seine Geschichte kritisch zureflektieren und<br />

ihn auch indie Zusammenhänge einer glo-<br />

balisierten Welt unter Aspekten nachhaltiger<br />

Entwicklungsinnvolleinzufügen.<br />

2. <strong>Naturschutz</strong> durch Kritik –<br />

auch an Begriffen –stärken!<br />

MeineKritik soll –das betone ichausdrücklich<br />

gleich zuAnfang –den <strong>Naturschutz</strong> stärken<br />

undihm vorallem zu breiteremgesellschaft-<br />

lichen Ansehen verhelfen. Dazu müssen frei-<br />

lich seine Fehleinschätzungen, Sackgassen<br />

und Selbstgefälligkeiten aufgezeigt werden.<br />

<strong>Naturschutz</strong> ist heute notwendiger denn je,<br />

aber auch schwieriger denn je durchzuset-<br />

zen. <strong>Naturschutz</strong>und Naturnutzung sind zwei<br />

Seiten derselben Münze, die die menschliche<br />

Existenz auf der Erde symbolisiert. Dies ist<br />

allerdings ein „Janus-Symbol“, weil man von<br />

jederSeite derMünze in eine andere Richtung<br />

blickt. Wenn <strong>Naturschutz</strong> zukunftsfähig sein<br />

soll, müssen <strong>wir</strong> uns dazu durchringen, un-<br />

sere Blicke immerwiederauch umzuwenden.<br />

Wenn ichbei meinen folgenden Ausführungen<br />

alsÖkologe vonnüchternerbiologischerRati-<br />

onalität ausgehe, heißt das nicht, dass ich die<br />

auch in Empfindungen undGefühlenwurzeln-<br />

den, kulturbedingten Aspekte missachte. Im<br />

Gegenteil, ich halte <strong>Naturschutz</strong> insgesamt<br />

für eine Kulturaufgabe (Markl 1986) –aber<br />

sie muss auch ökologisch, also naturwissen-<br />

schaftlich zu rechtfertigenund tragfähig sein,<br />

weil sie sonstscheitert.<br />

Und dasei gleich zuAnfang inaller Deutlich-<br />

keit festgestellt,dassein <strong>Naturschutz</strong>, dersich<br />

im Gewandder „Biodiversität“auf denArten-<br />

schutz konzentriert oder einengt, ökologisch<br />

nichttragfähig ist. EinExistenzrecht allerbe-<br />

stehendenArten nichtnur zu fordern, sondern<br />

sogar mit detaillierten (Verbots-)Vorschriften<br />

durchzusetzen, läuft allen ökologischen Er-<br />

kenntnissen zuwider. Denn mit diesem von<br />

uns Menschen gesetzten Existenzrecht für<br />

alle Arten setzen <strong>wir</strong> uns inGegensatz zu<br />

sämtlichen anderenLebewesen, diejainihrer<br />

Lebensweise das Existenzrecht anderer Ar-<br />

ten nicht berücksichtigen können (Herrmann<br />

2003). Mit solchem Vorgehen verwandeln <strong>wir</strong><br />

die Natur in einen botanischen und zoolo-<br />

gischen Garten, wo jedes Individuum von uns<br />

behütetund gepflegt <strong>wir</strong>d.Schon dieschlichte<br />

Frage, womit <strong>wir</strong> denn diese Individuen er-<br />

nähren, führt uns ins Dilemma –von unserer<br />

eigenenVersorgungganzzuschweigen.<br />

Die Komplexität unseres Seins und unserer<br />

Welt, deren Erkenntnis <strong>wir</strong> der Forschung<br />

verdanken, und die mit jedem Forschungs-<br />

resultat weiter zunimmt, zwingt uns – um<br />

sie auch nur gedanklich zu bewältigen –zu<br />

Vereinfachungen mit entsprechenden Be-<br />

griffen, wie z.B. Biodiversität. Inihnen liegen<br />

Stärke und Schwäche zugleich. Ihre Stärke<br />

beruht in der Vereinigung vieler Einzelheiten<br />

in einemübergreifenden,auf denerstenBlick<br />

einleuchtenden, ja suggestiven Konzept oder

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