Dokumentation 2003: "Blicke auf das Lager" (PDF, 2167
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Erinnerungen (Auszüge) an die Zeit der Zwangsarbeit in Berlin von Irena Szeliga, geb.<br />
am 2. März 1925 (Warschau, im September <strong>2003</strong>)<br />
...1940 begann man die Polen zur Zwangsarbeit nach Deutschland zu verschleppen<br />
– in die Landwirtschaft und Industrie. So war es auch mit meinem älteren Bruder,<br />
der bei einem Bauern in Petershagen bei Stettin gearbeitet hat. Dann wurden mein<br />
Vater und mein Schwager nach Schlesien verschleppt, wo sie in einem Bergbau<br />
arbeiten mussten. Zu Hause sind nur meine Mutter und meine Schwester mit ihrem<br />
Kind geblieben, denn auch ich bekam im November 1942 eine Vorladung vom<br />
Arbeitsamt und in zwei Tagen war ich schon weg.<br />
Zusammen mit anderen jungen Menschen wurde ich nach<br />
Włocławek abtransportiert, wo gleich am Bahnhof eine<br />
Selektion durchgeführt wurde, um festzustellen, wer<br />
arbeitsfähig ist. Dann brachte man uns mit einem Zug nach<br />
Lodz, ins Übergangslager in der Kopernik-Straße. Dort war<br />
ich ein paar Tage, bis ich <strong>auf</strong> Transport nach Deutschland<br />
ging. Nach vielen Stunden Fahrt gelangten wir nach<br />
Wilhelmshagen, wo wir bis zum Morgen <strong>auf</strong> hölzernen<br />
Pritschen schlafen konnten. Vormittags erschien ein<br />
Vertreter der Firma Daubitz und wählte sich zig Frauen aus.<br />
Man machte von uns ein Foto, jede wurde registriert, dann<br />
wurden wir alle gezählt und zu S-Bahn abgeführt.<br />
Nach einer kurzen Fahrt stiegen wir im Adlershof aus, wo es<br />
Irena Szeliga<br />
in der Nähe ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager gab, in<br />
dem wir untergebracht wurden. Für uns alle war <strong>das</strong> ein<br />
Schock, denn <strong>das</strong>, was wir dort sahen, überstieg unsere Vorstellungskraft. Dort war<br />
es unmöglich dreckig und stinkig, es gab keinen Fußboden, sondern einfach nasse,<br />
schlammige Erde. Es gab Läuse und Wanzen. Dort wohnten wir zwei Wochen lang.<br />
...Meine erste Arbeit bestand darin, <strong>das</strong>s ich die Sperrballons unter Aufsicht von<br />
einer jungen, sympathischen Deutschen kleben musste. Die Arbeit war insofern<br />
schwer, weil man die ganze Zeit <strong>auf</strong> den Beinen war und entlang eines langen<br />
Tisches l<strong>auf</strong>en musste. Dazu kam noch, <strong>das</strong>s verschiedene schädliche<br />
Klebstoffsubstanzen schmerzhafte Augenentzündungen hervorriefen. Meine Füße<br />
schmerzten, meine Augen schmerzten. Dann wurde ich kurz behandelt und zum<br />
Saubermachen in der Kantine geschickt. Mit den Augen ging es dann besser, aber<br />
die Füße taten immer noch weh. Nach ein paar Monaten bekam ich<br />
Gelenkenentzündung und musste eine Zeit lang in der Krankenstube liegen. Dort<br />
erschienen täglich die Leute von der Fabrik, um zu prüfen, ob die Kranken wirklich<br />
krank waren. Als ich dann wieder zur Arbeit gehen musste, obwohl meine Füße und<br />
Gelenke immer noch schmerzten, gab man mir Arbeit im Sitzen – ich bestreute die<br />
Gummihandschuhe mit dem Talkpulver, packte sie ein oder führte andere<br />
Hilfstätigkeiten aus.<br />
Im Frühjahr 1945 kam offensichtlich die Blockade von Berlin. In der Fabrik lief die<br />
Produktion nicht mehr, weil es am Rohstoff fehlte. …Endlich kam der 26. April 1945,<br />
ein für uns wichtiger Tag, an dem die sowjetischen und polnischen Truppen kamen.<br />
Wir konnten nach Polen zurückkehren, zu unseren Familien...<br />
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