Dokumentation 2003: "Blicke auf das Lager" (PDF, 2167
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Der Förderkreis<br />
Im Rahmen eines städtebaulichen Sanierungsverfahrens wurde 1993 in Schöneweide<br />
<strong>das</strong> letzte noch vollständig erhaltene Zwangsarbeiterlager von Berlin entdeckt. Das<br />
Lager besteht aus dreizehn Baracken.<br />
Im Jahr 1990 übernahm <strong>das</strong> Robert-Koch-Institut <strong>das</strong> <strong>auf</strong> dem Gelände befindliche<br />
Impfstoffinstitut der DDR. 1994 gab <strong>das</strong> Robert-Koch-Institut seinen Standort <strong>auf</strong> dem<br />
Lagergelände schließlich <strong>auf</strong>. Seither stehen sechs Baracken leer. Dieser Teil des<br />
Geländes, der von den restlichen Baracken durch einen Zaun getrennt ist, soll <strong>das</strong><br />
zukünftige <strong>Dokumentation</strong>s- und Begegnungszentrum beherbergen. Geplant ist, zwei<br />
der Baracken <strong>auf</strong> dem leerstehenden Geländeteil in eigener Sache zu nutzen und für<br />
die restlichen vier Baracken eine angepasste Nutzung zu finden. Denkbar sind<br />
beispielsweise Ateliers.<br />
Die letzten sechzig Jahre haben ihre Spuren an den Baracken hinterlassen. Auf dem<br />
Geländeteils des Robert-Koch-Instituts ist keine Baracke mehr im Originalzustand<br />
erhalten. Sowohl die Innen-, als auch die Außenräume wurden stark verändert.<br />
Geblieben ist jedoch der Eindruck des Lagers als Barackenkomplex.<br />
Acht Jahre nach der Entdeckung des Lagers gründete sich der Förderkreis für ein<br />
<strong>Dokumentation</strong>s- und Begegnungszentrum zur NS-Zwangsarbeit. Er wird<br />
hauptsächlich von folgenden Vereinen getragen:<br />
Berliner Geschichtswerkstatt<br />
Der Berliner Geschichtswerkstatt e. V. beschäftigt sich seit seiner Gründung vor 22 Jahren<br />
mit Alltagsgeschichte und der Geschichte des Nationalsozialismus. Seit 1994 existiert die<br />
Projektgruppe „NS-Zwangsarbeit“. Aus ihr sind zahlreiche Veröffentlichungen<br />
hervorgegangen. Einer der Schwerpunkte des vergangenen Jahres war die Rekonstruktion<br />
der Geschichte des Lagers in Berlin-Schöneweide.<br />
Bund der Antifaschisten Treptow<br />
Der Bund der Antifaschisten Treptow e. V. formierte sich im April 1990. Engagierte<br />
Bürgerinnen und Bürger trafen sich, um gemeinsam kulturelle Veranstaltungen zu erleben.<br />
Über seine Projektgruppen „Zwangsarbeit in Treptow“ und Lehr- und Lernmittel zum<br />
Nationalsozialismus möchte der Bund der Antifaschisten heutigen neofaschistischen<br />
Tendenzen entgegentreten.<br />
Kulturlandschaft Dahme-Spreewald<br />
Irmtraud Carl beschäftigte sich erstmals 1989 mit dem Thema Zwangsarbeit. Neun Jahre<br />
später gründete sie den Verein Kulturlandschaft Dahme-Spreewald. Unter diesem Dach<br />
sollen arbeitslose Akademikerinnen über Zeitverträge regionale Kulturprojekte bearbeiten.<br />
Der Schwerpunkt liegt dabei in der Beschäftigung mit Themen über die Zeit des<br />
Nationalsozialismus. Eine Reihe von Filmen, Ausstellungen und Begegnungen mit<br />
Zeitzeugen sind Ergebnis dieser Arbeit. Zuletzt erschien 2001 <strong>das</strong> Buch „Zwangsarbeit in<br />
Deutschland. So war es“.<br />
1
Das Lager in Berlin-Schöneweide<br />
1943 Der GBI 1 genehmigt den Bau eines Lagers für 2160 Personen <strong>auf</strong> dem<br />
Grundstück in Berlin-Schöneweide. Aufgrund einer Verordnung werden<br />
Steinbaracken anstelle der sonst üblichen Holzbauten errichtet.<br />
1944 Im Lager befinden sich 531 italienische Militärinternierte.<br />
1945 Weibliche Häftlinge aus dem KZ-Außenlager Pertrix werden, nachdem ihre<br />
Unterkunft bei einem Luftangriff beschädigt wurde, ins GBI-Lager 75/76<br />
verlegt.<br />
1950er Jahre<br />
1960er Jahre<br />
Die sowjetische Armee benutzt die Baracken als Papier- und<br />
Lebensmittellager.<br />
Verschiedene Gewerbeeinheiten richten ihre Werkstätten in den Baracken<br />
ein. Die Baracken werden renoviert: Teilweise werden sie mit Außenputz<br />
versehen, Türen erneuert, an den Fenstern werden zum Teil Gitter<br />
angebracht.<br />
1993 Identifizierung des Barackenkomplexes als ehemaliges<br />
Zwangsarbeiterlager.<br />
1995 Open-Air-Ausstellung zum Thema NS-Zwangsarbeit an der Baracke<br />
Rudower, Ecke Köllnische Straße.<br />
2001 Das gesamte Gelände wird unter Denkmalschutz gestellt. Eine Gedenktafel<br />
vom Bezirk Treptow wird am Eingang Britzer Straße <strong>auf</strong>gestellt und<br />
eingeweiht. Am selben Tag wird der Förderkreis für die Schaffung eines<br />
<strong>Dokumentation</strong>s- und Begegnungszentrum gegründet.<br />
Der SPD-PDS-Senat schreibt die Unterstützung des Vorhabens in seiner<br />
Koalitionsvereinbarung fest<br />
2002 Der Förderkreis veranstaltet im Zeitraum von zwei Monaten<br />
Werkstattgespräche, vor allem mit erfahrenen Gedenkstättenarbeitern.<br />
Die Gespräche dienten der Konzeptionierung. Im Herbst 2002 wurde ein<br />
umfangreiches Konzept fertig gestellt und politischen<br />
Entscheidungsträgern übermittelt.<br />
<strong>2003</strong><br />
Werkstattgespräche: Vom vergessenen Lager zum<br />
<strong>Dokumentation</strong>szentrum<br />
Der Förderkreis führt Projekttage durch. Das Gelände des zukünftiges<br />
<strong>Dokumentation</strong>s- und Begegnungszentrum war für zwei Wochen der<br />
Öffentlichkeit zugänglich. In einer Baracke waren zahlreiche Ausstellungen<br />
zu sehen.<br />
Zu Gast waren neben zwei ehemaligen Zwangsarbeiterinnen aus Polen ein<br />
ehemaliger Zwangsarbeiter aus den Niederlanden, eine italienische<br />
Schülergruppe, eine Schülergruppe aus Cottbus, zahlreiche Teilnehmer<br />
von Fahrradkorsen, etc.<br />
Ausblick Zustimmung des Landes Berlin zum K<strong>auf</strong> des Geländes;<br />
Gründung eines Fördervereins;<br />
Zweckgerechte Gestaltung des Geländes und der Baracken;<br />
Kontinuierliche Projektarbeiten.<br />
1 Generalinspektor für die Reichshauptstadt Berlin<br />
2
Lageplan<br />
3
Programm der Veranstaltungsreihe <strong>2003</strong><br />
14:00 Eröffnung<br />
14:30 Karsten Troyke singt Lieder<br />
14:45 Wir begrüßen unsere Gäste –<br />
ehemalige ZwangsarbeiterInnen aus Holland und Polen<br />
15:15 Karsten Troyke singt Lieder<br />
15:30 „Mein Freund Wim Stevens“ –<br />
Henk Van Uitert (Holland) stellt Tagebücher vor, gemeinsam<br />
mit SchülerInnen der Paul-Dessau-Gesamtschule Zeuthen<br />
16:30-18:30 „Rundgang der Erinnerungen“ –<br />
Marina Schubarth (Kontakte e.V.), Cord Pagenstecher<br />
(Berliner Geschichtswerkstatt e.V.) und ein deutschrussisches<br />
Jugendensemble (Club Dialog e.V.) gestalten eine<br />
Lesung von Zeitzeugenberichten mit historischer Führung<br />
ab 18:30 Konzert mit Johan Meijer und seinen Musikern (Holland)<br />
Weiterhin konnten in den Räumen der Baracke<br />
- ausgewählte Bestandteile der Ausstellung „Zwangsarbeit in Berlin 1938-1945“<br />
(gestaltet vom Arbeitskreis Berliner Regionalmuseen) besichtigt<br />
- die Ausstellung „Zwangsarbeit in Berlin“ der Berliner Geschichtswerkstatt<br />
- ein 3D-Modell des Lagers (gestaltet von StudentInnen der FHTW, Fachbereich<br />
Angewandte Informatik) kennen gelernt und mit der Computertastatur <strong>das</strong><br />
Lagerinnere und die Kellerräume erkundet werden, wie sie vor 60 Jahren<br />
ausgesehen haben könnten<br />
- die Videofilme „Vergessen leicht gemacht“ und „So war es“ (Kulturlandschaft<br />
e.V., Bärbel Becker)<br />
- sowie viele andere Projektdokumentationen, so zum Beispiel Ausstellungen von<br />
Zeitzeugengesprächen an Berliner Schulen oder Begegnungsfahrten mit<br />
Jugendlichen nach Polen angeschaut werden.<br />
Weitere Aktivitäten:<br />
- 29.08.<strong>2003</strong>: Historischer Rundgang mit einer italienischen Jugendgruppe aus Villa<br />
Minozzo, Provinz Reggio-Emilia<br />
- 02.09.<strong>2003</strong>: Historischer Rundgang mit drei Vertreterinnen von „Violence against<br />
women in War – Network Japan (Initiatorinnen eines<br />
<strong>Dokumentation</strong>szentrums zur Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg<br />
in Tokio); Auf den Spuren der Zwangsarbeit: Zeitzeugengespräch mit<br />
drei ehemaligen ZwangsarbeiterInnen: Kazimiera Kosonowska und Irena<br />
Szeliga aus Polen sowie Hendrik van Uitert aus Holland<br />
- 14.09.<strong>2003</strong>: Tag des Offenen Denkmals: Historischer Rundgang mit einer szenischen<br />
Lesung von Zeitzeugenberichten<br />
- 03.12.<strong>2003</strong>: Historischer Rundgang mit einer Schülergruppe von der Merian-<br />
Oberschule<br />
4
Gedenken 2<br />
Heut wird noch einmal Kohlsuppe gegessen<br />
Die Wanzen lecken noch mal unser Blut.<br />
Das Wort „Schweinehunde“ haben wir nicht vergessen.<br />
Heute sind wir wieder ständig <strong>auf</strong> der Hut.<br />
Heut hören wir die Bomben wieder pfeifen<br />
Und über uns hinweg rast noch der Tod.<br />
Heut wird uns ab und zu die Angst ergreifen.<br />
Heut abend leuchtet der Himmel wieder rot.<br />
Johan Meijer mit seinen Musikern<br />
Heute sind wir bei unsren Kameraden,<br />
die in dieser Hölle damals sind krepiert.<br />
Wir alle tragen noch an diesen Schaden.<br />
Der Frieden hat bis jetzt noch nicht regiert.<br />
Heute wollen wir diese Blumen geben.<br />
Dann wird alles zur Vergangenheit.<br />
Vielleicht ist Tod ein andres Wort für Leben.<br />
Vielleicht seid ihr schon längst vor uns befreit.<br />
Nachher fängt uns <strong>das</strong> Heute wieder ein.<br />
Wozu <strong>das</strong> alles war, <strong>das</strong> sage mir.<br />
Wir können vieles schon verzeihen,<br />
aber nie und nimmer vergessen wir.<br />
2 „Ein Text des Rotterdamer Dichters Wim de Vries (1923-1994). Während des Krieges war er, wie viele anderen aus<br />
Rotterdam, Zwangsarbeiter in Kassel. Die letzte Strophe dieses Liedes (eine Übersetzung seines Gedichtes<br />
„Herinnering“) ist in <strong>das</strong> Monument für die Zwangsarbeiter im Kriegs- und Widerstandsmuseum in Overloon (1996,<br />
Limburg/NL), eingemeißelt.“ Aus dem Inhaltsverzeichnis der CD: „Von der Maas bis an die Memel – Lieder für<br />
Überlebende“ von Johan Meijer, Stichting Holländerei, Berlin/Utrecht <strong>2003</strong>.<br />
5
<strong>Blicke</strong> <strong>auf</strong> <strong>das</strong> Lager<br />
„Ich…weine, als müßte ich die unterdrückten Tränen nachweinen auch über <strong>das</strong> Nichtwissen, <strong>das</strong><br />
Nichtwissenwollen, der Mutter, des Vaters, des Bruders, was sie hätten wissen können, wissen müssen,<br />
in der Bedeutung von wissen, nach der althochdeutschen Wurzel, wizzan,: erblicken, sehen. Sie haben<br />
nicht gewußt, weil sie nicht sehen wollten, weil sie wegsahen.“<br />
Aus: Uwe Timm „Am Beispiel meines Bruders“<br />
Zwangsarbeit während der NS-Zeit gehörte lange Zeit zu den wissenschaftlich und<br />
öffentlich verdrängten Themen. Erst durch die Entschädigungsdebatte erfuhren viele<br />
jüngere Deutsche, <strong>das</strong>s es in der Zeit von 1939 bis 1945 zum massenhaften,<br />
zwangsweisen Arbeitseinsatz von nach Deutschland verschleppten Ausländern kam.<br />
Vor allem ausländischen Zeitzeugen ist es zu verdanken, <strong>das</strong>s heute ein realistisches<br />
und umfassendes Bild der NS-Zwangsarbeit überhaupt vermittelt werden kann.<br />
Mit der Aufforderung: <strong>Blicke</strong> <strong>auf</strong> <strong>das</strong> Lager! drückt der Förderkreis sein Ziel aus, <strong>das</strong>s<br />
sich Deutsche auch mit diesem Teil ihrer Geschichte auseinandersetzen.<br />
Die im Rahmen der Zwangsarbeiter-Entschädigung <strong>auf</strong>gearbeiteten Archivbestände<br />
und Materialien, die von Zeitzeugen zur Verfügung gestellt wurden, dürfen jetzt nicht<br />
nur konserviert werden. Im Gegenteil sollen sie jetzt am authentischen Ort des<br />
Zwangsarbeiterlagers für pädagogische Bildungsarbeit genutzt werden.<br />
Die Betreiber der Werkstätten und medizinisch-sozialen Einrichtungen <strong>auf</strong> dem<br />
Gelände des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers waren bei einer gezielten Befragung<br />
nach ihrer Meinung, was mit den sechs heute noch leer stehenden Baracken passieren<br />
soll, unterschiedlicher Auffassung. Die meisten standen dem Projekt „neutral“<br />
gegenüber. Einige hingegen begrüßten unsere Initiative und hielten <strong>das</strong> Gelände als<br />
sehr geeigneten Ort, vor allem für Jugendliche, sich mit der Geschichte der<br />
Zwangsarbeit im NS-Staat auseinanderzusetzen.<br />
Das Motto „<strong>Blicke</strong> <strong>auf</strong> <strong>das</strong> Lager“ beinhaltet, <strong>das</strong>s es mehrere, unterschiedliche<br />
Sichtweisen und Wahrnehmungen zum<br />
Lager, seiner Geschichte und seiner<br />
zukünftigen Nutzung gibt. Ehemalige<br />
Zwangsarbeiter, deutsche Zeitzeugen,<br />
Mitglieder des Förderkreises und Schüler<br />
nehmen es <strong>auf</strong>grund ihrer jeweiligen<br />
Erfahrungen unterschiedlich wahr. Diesen<br />
Erfahrungen und diesen zum Teil sehr<br />
persönlichen Meinungsbildern, die den<br />
Mitgliedern des Förderkreises gegenüber<br />
geäußert wurden, soll und wird <strong>das</strong><br />
zukünftige <strong>Dokumentation</strong>s- und<br />
Begegnungszentrum Rechnung tragen.<br />
Eingang am Tag der Auftaktveranstaltung<br />
Den folgenden Seiten sind einige Reflexionen über <strong>das</strong> Lager und seiner zukünftigen<br />
Nutzung zu entnehmen...<br />
6
<strong>Blicke</strong> <strong>auf</strong> <strong>das</strong> Lager von Kazimiera Kosonowska, einer polnischen Zeitzeugin<br />
…Nach dem Krieg passierte in Sachen ehemalige Zwangsarbeiter im 3. Reich<br />
lange, lange überhaupt nichts. Erst am 24. März 1988 wurde der Regionale<br />
Verband der durch <strong>das</strong> 3. Reich geschädigten Polen gegründet. Der Verband ist<br />
eine durch den Staat anerkannte und geachtete Organisation. Es hat sich so<br />
ergeben, <strong>das</strong>s ich zur Teilnahme an der ersten Versammlung in Gorzów<br />
eingeladen wurde. Ohne zu zögern, bin ich dem Verband beigetreten, weil ich<br />
dem Kreis derjenigen zugehören wollte, die einen ähnlichen Lebensl<strong>auf</strong> haben.<br />
Wir alle haben viel Leid und Verachtung erfahren. Und unsere Lebenswege<br />
während des Krieges und nach dem Kriege waren sehr schwierig und<br />
schmerzhaft. Die Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs war die<br />
Sklaverei des 20. Jahrhunderts. Wir waren niemand und nichts und dazu noch<br />
gebrandmarkt mit dem Zeichen „P“.<br />
…Das Lager in Berlin-Schöneweide machte <strong>auf</strong> mich einen großen Eindruck,<br />
und besonders die Inszenierung, die die Ankunft junger Frauen im<br />
Zwangsarbeitslager darstellte. Die SS-Frauen sind genauso gewesen wie die<br />
Schauspielerin – hart, ja eisern und verschlossen, wie hinter einer harten<br />
Schale. Aber in unserem Lager trugen die Wachmänner schwarze Uniformen.<br />
Ob dieser Ort meine Erinnerungen weckt? Ich antworte anders. Als ich<br />
zusammen mit Gisela und Ewa in die Baracke rein ging, erzählte ich, <strong>das</strong>s ich<br />
viele Fotos aus dieser Zeit mitbrachte, aber sie nicht bei mir habe, weil ich sie<br />
in der Baracke (und nicht im Hotel) liegen ließ. Ein Kommentar ist hier wohl<br />
nicht nötig.<br />
Das <strong>Dokumentation</strong>s- und Begegnungszentrum in Berlin-Schöneweide <strong>auf</strong>erlegt<br />
den Lebenden die Pflicht, die historische Wahrheit über die Polen zu zeigen und<br />
zu dokumentieren, die in jenen Jahren so viel Leid, Verachtung und Hass<br />
erfuhren. Der Krieg ist <strong>das</strong> größte Unheil für die Menschen. Unsere Generation,<br />
die Kriegs- und Lagergeneration, nimmt schon Abschied von der Welt und bald<br />
werden wir nicht mehr da sein. Daher lohnt es, die tragische Vergangenheit<br />
neu, anders zu betrachten. Die alten Wunden müssen dabei nicht <strong>auf</strong>gerissen<br />
werden, aber sie sollen als eine Mahnung dienen, damit sich <strong>das</strong> nie wiederholt.<br />
Im <strong>Dokumentation</strong>szentrum würde ich auch eine Rekonstruktion einer<br />
gewöhnlichen Stube sehen, in welcher wir gewohnt haben. Es waren<br />
gewöhnliche hölzerne Etagenpritschen, für Frauen kleiner, für Männer etwas<br />
größer, Strohsäcke (keine Matratzen), ein kleiner Kopfkeil, zwei Decken, beigebraun<br />
kariert. Zwischen den Pritschen standen metallene Doppelschränke,<br />
wobei die Hälfte für zwei Personen vorgesehen war. Auf dem Schrak lag der<br />
Koffer. Die Kleiderbügel machten wir uns selbst: aus einem gefundenen Stock<br />
und Schnur. Von Möbeln gab es dort noch einen rechteckigen Tisch, zwei Bänke<br />
und einen Koksofen. Unter jeder Pritsche stand eine kleine weiße<br />
Waschschüssel, darüber hinaus hatte jede eine Suppenschüssel, einen Löffel<br />
und einen Becher. Über der Pritsche hing immer ein heiliges Bild oder ein Foto<br />
von einem geliebten Menschen. Für mich war die Pritsche der wichtigste Platz,<br />
dort war mein Lebensraum, mein Asyl…<br />
Glinik, 05.10.<strong>2003</strong><br />
7
„Mein Freund Wim Stevens“ – Tagebuch<strong>auf</strong>zeichnungen<br />
Zusammen mit Hendrik van Uitert haben die beiden Schüler Maria Bormann und Paul<br />
Hosfeld bei der Auftaktveranstaltung Auszüge aus den Tagebüchern von Wim Stevens<br />
vorgestellt. Kopien von Auszügen aus dem Tagebuch wurde dem Förderkreis von<br />
Hendrik van Uitert übergeben 3 .<br />
In den beiden folgenden Texten schildern Maria Bormann und Paul Hosfeld, wie der<br />
Kontakt zu Hendrik van Uitert zustande kam und was sie zu einer Lesung mit ihm<br />
motviert hat:<br />
Maria Bormann:<br />
Ich möchte damit beginnen, wie der Kontakt zu den ehemaligen Zwangsarbeitern<br />
zustande gekommen ist. In der Schule wurden wir mit dieser Problematik<br />
konfrontiert, unsere Lehrerin in dem Fach Politische Bildung hat den Kontakt<br />
zuerst hergestellt. Einige ausgewählte Schüler hatten danach die Möglichkeit,<br />
eine Gruppe mit ehemaligen Zwangsarbeitern eine Woche zu begleiten. Zu dieser<br />
Gruppe, die hauptsächlich aus Polen bestand, gehörte auch Herr van Uitert und<br />
seine Frau. Zu diesem Zeitpunkt - <strong>das</strong> war dieses Jahr im Januar - waren die<br />
Erfahrungen, die ich gemacht habe, beeindruckend. Ich hatte die Möglichkeit,<br />
eine Menge zu lernen, und so stellte sich auch keine Frage, als ich gefragt wurde,<br />
ob ich noch einmal helfen könnte. Ich habe mich gefreut <strong>auf</strong> <strong>das</strong> Wiedersehen mit<br />
Henk van Uitert und dar<strong>auf</strong>, bei einer solch wichtigen Sache helfen zu können.<br />
Maria und Paul bei der Lesung<br />
Ich war sehr gespannt <strong>auf</strong> den Tag, denn die Möglichkeit, ein<br />
Zwangsarbeiterlager kennen zu lernen und endlich zu begreifen, wie diese<br />
Menschen leben mussten, ist sehr selten, ich wollte sie unbedingt nutzen. Die<br />
Tagebucheinträge waren ergreifend, nicht nur für mich, auch <strong>das</strong> Publikum hat<br />
der Vorlesung <strong>auf</strong>merksam gelauscht. Der Ort, <strong>das</strong> Tagebuch, die ganze Situation<br />
wirkte authentisch, und man hatte <strong>das</strong> Gefühl, den Menschen von damals ein<br />
Stück näher zu sein. Die Emotionen machten mich nachdenklich. Warum ist es<br />
nicht selbstverständlich, <strong>das</strong> <strong>auf</strong> einem Gelände, wo Geschichte geschehen ist<br />
und diese Geschichte noch gut erhalten ist, für Zwecke zu nutzen, wo man<br />
anderen Menschen diese Geschichte nahe bringen kann? Dieses Gelände des<br />
ehem. Zwangsarbeiterlagers Schöneweide hat einen unschätzbaren Wert. Es<br />
3 Das Original befindet sich im NIOD (Nederlandse Instituut voor Orlogsdocomentatie).<br />
8
kommen natürlich die Gedanken <strong>auf</strong>, was man mit solch einem kostbaren<br />
Geschichtserbe machen kann. Es gibt viele Möglichkeiten für einen sinnvollen<br />
Nutzen. Es ist der beste Platz für Ausstellungen über Zwangsarbeit und<br />
Nationalsozialismus. Ich bin auch der Meinung, <strong>das</strong>s Schüler mehr über<br />
Zwangsarbeit wissen sollten.<br />
Wie <strong>das</strong> Haus der Wannenseekonferenz, so ist dieses Lager ein idealer Ort für<br />
Projekttage und Informationsveranstaltungen.<br />
Ich hoffe, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Lager eine Zukunft mit viel Aufklärungsarbeit hat, auch in der<br />
Öffentlichkeit. Es müssten viel mehr Menschen von dieser Möglichkeit erfahren.<br />
Geschichte erleben und nicht nur aus Büchern erlesen ist spannend und wichtig<br />
für <strong>das</strong> Verständnis. Ich möchte noch sagen, <strong>das</strong>s ich dankbar bin, bei diesem<br />
Projekt mithelfen zu können. Ich habe einen Eindruck bekommen, wie <strong>das</strong> Leben<br />
dieser Menschen ausgesehen hat, und wo es solche Lager in unserer Umgebung<br />
gab. Denn auch in meinem Wohnort gab es ein Zwangsarbeiterlager. Bevor ich<br />
mit diesem Thema in der Schule in Berührung gekommen bin, habe ich nichts<br />
von dem Lager in Wildau gewusst. Aus diesem Grund finde ich die Arbeit der<br />
Geschichtswerkstatt sehr wichtig und interessant. Vielen Dank und ich hoffe, <strong>das</strong>s<br />
die Geschichtswerkstatt noch mehr solch wertvolle Arbeit leistet.<br />
Paul Hosfeld:<br />
…Als ich von dieser Veranstaltung erfahren habe und man mich gefragt hat, ob<br />
ich gerne aus einem Tagebuchauszug vorlesen möchte, war ich zum einen<br />
natürlich sehr interessiert, zum anderen allerdings auch ein wenig geehrt, da es<br />
schon etwas Besonderes ist, aus einem Buch vorzulesen, in dem jemand die<br />
eigenen Gedanken niedergeschrieben hat. Als ich dann noch erfuhr, <strong>das</strong>s dieses<br />
Buch von Herrn van Uitert ist, war ich natürlich um sehr mehr an der Sache<br />
interessiert, da ich ja einen Teil seiner Geschichte schon kannte und die seiner<br />
Freunde. Aber in diesem Auszug stand natürlich noch viel mehr drin. Deswegen<br />
habe ich <strong>das</strong> Ganze angenommen. Die Zusammenarbeit mit Herrn van Uitert und<br />
mit meiner Mitschülerin war sehr schön, angenehm und natürlich auch sehr<br />
informativ. Als schwierig empfand ich bloß, <strong>das</strong> Geschriebene den Zuhörern so zu<br />
vermitteln, <strong>das</strong>s diese nicht nur einen Einblick in <strong>das</strong> Alltagsleben von den<br />
Fakten her bekommen, sondern auch von der emotionalen Seite her. Denn<br />
obwohl wir Herrn van Uitert fragen konnten, wie die Situation zu der damaligen<br />
Zeit aussah, gestaltete es sich trotzdem als sehr schwierig, für mich persönlich,<br />
die Situation in der damaligen Zeit emotional nachzuvollziehen, da wir ja in der<br />
heutigen Zeit im Gegensatz zu damals sehr behütet <strong>auf</strong>gewachsen sind. Aber ich<br />
denke, <strong>das</strong>s wir beide unser Bestes gegeben haben, um den Auszug aus dem<br />
Tagebuch so realistisch wie möglich darzustellen.<br />
Da ich mich sowieso sehr gerne mit der Zeit des II. Weltkrieges befasse, <strong>das</strong><br />
heißt nicht nur in der Schule, sondern auch in meiner Freizeit, hat diese Aktion<br />
natürlich sofort mein Interesse geweckt. Wenn man sich mit der Zeit des II.<br />
Weltkrieges befasst, nicht nur in die Richtung von Zwangsarbeitern, sondern auch<br />
in andere Richtungen, kann man doch die Haltung der Nazis und <strong>das</strong> Handeln aus<br />
heutiger Sicht nur mit einem Kopfschütteln betrachten. Da wir ja <strong>auf</strong> eine<br />
Musikbetonte Schule gehen und ich auch schon seit der 7. Klasse im Musikprojekt<br />
bin, habe ich natürlich auch schon an anderen Projekten teilgenommen, die sich<br />
vorrangig mit dem Thema Kultur und speziell mit der Musik zur Zeit des<br />
Nationalsozialismus befassen. Sogar in diesen Bereichen wurden Verbrechen<br />
begangen, die man nie wieder gut machen kann. Allerdings sind diese Projekte<br />
immer sehr trocken und theoretisch. Hier war es anschaulicher, weil man die<br />
Gelegenheit bekommen hat, einen Zeitzeugen zu befragen und um auch<br />
bestimmte Dinge zu hinterfragen, da einfach manche Fakten so unwirklich<br />
klingen. Von daher finde es nicht nur wichtig, <strong>das</strong>s man Zeitzeugen zu diesem,<br />
9
wie ich finde, sehr ernsten und wissenswerten Thema zu befragen, sondern <strong>das</strong>s<br />
es auch Gedenkstätten gibt, wie zum Beispiel Sachsenhausen, wo einem <strong>das</strong><br />
Grauen direkt vor Augen geführt wird. Auch, <strong>das</strong>s es <strong>Dokumentation</strong>szentren gibt<br />
und Menschen, die sich aktiv mit diesem Thema auseinandersetzen, um<br />
Aufklärung zu betreiben. Ich fand <strong>das</strong> <strong>Dokumentation</strong>szentrum in Schöneweide<br />
sehr gut, da es einem viele Informationen nicht nur allgemein über <strong>das</strong> Thema<br />
der Zwangsarbeiter gab, sondern <strong>das</strong>s man Material ausgestellt hat, <strong>das</strong> sich<br />
direkt mit dieser Umgebung beschäftigt. Ich finde, <strong>das</strong>s man solche Zentren in<br />
größerem Rahmen in ganz Deutschland einrichten lassen sollte. Vor allen Dingen<br />
in so genannten „Problemzonen“, denn ich bin der Meinung, <strong>das</strong>s die Menschen<br />
einen viel größeren Bezug zu der Problematik bekommen, wenn sie merken, <strong>das</strong>s<br />
solche Verbrechen nicht nur irgendwo in Deutschland verübt wurden, sondern <strong>das</strong><br />
es überall solche Schauplätze gibt, die einfach von den Menschen verdrängt oder<br />
auch vertuscht wurden, um mit der Vergangenheit abzuschließen, was aber bei<br />
diesem Thema nicht sein darf, da auch dies ein Teil unserer Geschichte ist und<br />
wir uns mit dieser Geschichte auseinandersetzen müssen, um sie nicht zu<br />
vergessen. Ich finde, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Gelände, oder beziehungsweise diese Institution,<br />
etwas ausstrahlt und für etwas Wichtiges steht und dies auch repräsentiert. Das<br />
tut es allerdings nach außen hin nicht. Man sollte <strong>das</strong> Gelände nach außen hin<br />
attraktiver gestalten, damit mehr Leute angelockt werden und bereit sind, sich<br />
mit der Problematik, die dort anschaulich gemacht wird, auseinanderzusetzen.<br />
Das, was fehlt, ist die Attraktivität. Ansonsten ist alles in diesem<br />
Informationszentrum vorhanden. Die Materialien, welche dort zusammengetragen<br />
wurden, finde ich bemerkenswert.<br />
10
Das Tagebuch<br />
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe des Förderkreises übergab Hendrik van Uitert<br />
dem Förderkreis ein Erinnerungsstück, <strong>das</strong> Tagebuch seines Freundes Wim Stevens.<br />
Er begann sein Tagebuch am 21. Juni 1943. Im Februar 1945 kam er bei einem<br />
Bombenangriff <strong>auf</strong> <strong>das</strong> Zwangsarbeiterlager Berlin-Treptow ums Leben. Das Tagebuch<br />
umfasst vier Bände. Ein Teil davon liegt in deutscher Übersetzung vor.<br />
Am 21. Juni 1943 fuhr ich zusammen mit meinem Freund Herman Hammega, der<br />
auch vom niederländischen Arbeitsdienst verpflichtet worden war, in Deutschland<br />
zu arbeiten, vom Hauptbahnhof in Amsterdam mit einem Sonderzug ab.<br />
Am folgenden Tag, um 7.30 Uhr kamen wir im Durchgangslager in Potsdam-<br />
Rehbrücke an. Der Zug fuhr ins Lager ein und hinter uns wurde <strong>das</strong> Tor<br />
geschlossen, so <strong>das</strong>s keiner mehr <strong>das</strong> Lager verlassen konnte.<br />
Im Lager bekamen wir einen Teller mit Löffel für die Lagersuppe als Leihgabe. Wir<br />
sollten außerdem mitgebrachte Lebensmittel aus unseren Koffern holen.....Nachts<br />
war es ziemlich kalt, jeder schlief daher in seinen Kleidern.<br />
Wenn ein Betrieb Personal anforderte, wurden im<br />
Lager Namen <strong>auf</strong>gerufen. Man musste sich <strong>auf</strong> einen<br />
Platz stellen, <strong>auf</strong> dem Nummernschilder <strong>auf</strong>gestellt<br />
waren. Dort wurde man von einem Vertreter des<br />
Betriebs abgeholt. Von dort ging man unter<br />
Bewachung mit dem Vertreter des Betriebes zu der<br />
neuen Adresse. Obwohl Herman und ich alles<br />
versuchten, zusammen zu bleiben, ist uns <strong>das</strong> leider<br />
nicht gelungen. Ich kam nach Treptow zu Gustav<br />
Genschow, einer Fabrik, die Unterteile für<br />
Maschinengewehre produzierte. Untergebracht wurden<br />
wir in einem Lager im Treptower Park.... Von jetzt bin<br />
ich Maschinenschlosser und muss drei Maschinen<br />
bedienen. ...In der Fabrik werde ich jetzt als<br />
Dolmetscher zwischen Holländern, Franzosen und<br />
Deutschen eingesetzt aber mir eine Stelle im Büro<br />
geben oder mich in einen anderen Betrieb zu<br />
versetzen - <strong>das</strong> will man nicht....<br />
Hendrik van Uitert mit seinem<br />
Freund Wim Stevens<br />
2. Dezember. Die Bomben kommen immer näher. Heute Abend sind <strong>auf</strong> ungefähr<br />
150 Meter drei Bomben gefallen. Wir hörten sie im Keller pfeifen und fühlten nach<br />
dem Knall etwas wie einen Orkan durch den Keller heulen. Nach dem Alarm lag<br />
draußen ein schwer verwundeter Tscheche aus dem Lager neben uns. Sein Lager<br />
war total vernichtet.<br />
7. Dezember. Heute sind von neun Urlaubsgängern vier zurückgekommen. Sie<br />
haben Briefe für mich mitgebracht von Mutter, von Annie... Mutter und Annie<br />
machen sich Sorgen meinetwegen. Es scheint, ich habe unvorsichtig über die<br />
Bombardements geschrieben. Ich habe es satt hier. Ich sehne mich nach Hause,<br />
nach Annie.....<br />
11
Erinnerungen von Kazimiera Kosonowska und Irena Szeliga<br />
Erinnerungen (Auszüge) an die Zeit der Zwangsarbeit in Berlin von Kazimiera<br />
Kosonowska, geb. am 6. Juni 1924 (Glinik, den 4.11.1997):<br />
...Morgens wartet <strong>auf</strong> uns derselbe Fabrikangestellte. Es war ein Ingenieur,<br />
Österreicher. Er führte uns in die Gummifabrik, eine Firma von Mery Daubitz. Wir<br />
gingen etwa 1,5 km zu Fuß. In verschiedenen Hallen teilte man uns Arbeitsplätze<br />
zu. Ich und andere Mädchen gelangten in die wohl schwerste Abteilung. Wir sollten<br />
die dünnen Ärztehandschuhe von den schweren Steingutformen abnehmen. Die<br />
Halle, in der wir arbeiteten, stellte eine Verlängerung von einer anderen dar, in der<br />
elektrische Öfen standen, wo sich die ganze technische Endbehandlung<br />
verschiedener Produkte vollzog. Nach der Öffnung der Öfen qualmten eine Weile<br />
lang Schwaden vom heißen Gummirauch, so <strong>das</strong>s man kaum etwas sah. An den<br />
Öfen arbeiteten Holländer mit einem deutschen Meister. Neben mir arbeitete<br />
Czesia; wir holten <strong>auf</strong> einer langen Schiene die aus den Öfen herausgenommenen<br />
und abgekühlten Formen mit Handschuhen. Dann steckte man jede solche „Hand“<br />
in einen speziellen Griff ein, bestreute sie mit dem Talkumpulver und nahm<br />
vorsichtig den Handschuh ab. Anfangs brachte uns unser Betreuer, der Ingenieur,<br />
geduldig bei, wie man <strong>das</strong> macht. Jede von uns musste täglich bis zu 150 Kilo<br />
heben, denn zunächst holten wir eine solche Schiene für mich, dann die zweite für<br />
Czesia, und später trugen wir die beiden zurück, zu den Öfen.<br />
In einer Ecke der Halle arbeiteten zwei junge Juden, mit Armbinden. Sie nahmen<br />
von den Formen sehr dicke, schwarze Handschuhe ab, die bei der Bedienung der<br />
Kanonen gebraucht wurden. Eines Frühlingstages kamen sie nicht mehr zur Arbeit.<br />
Ihre Plätze besetzten Holländer.<br />
Arbeitskarte von<br />
Kazimiera Kosonowska<br />
...Wir härteten ab und jede wurde schnell erwachsen. Es<br />
war eine harte, schwere und beschleunigte Lebensschule.<br />
Eine Überraschung war für uns der arbeitsfreie Tag am 1.<br />
Mai, dem Arbeiterfeiertag. Jedes Mädchen nutzte diesen<br />
Tag <strong>auf</strong> ihre Weise: für <strong>das</strong> Schreiben der Briefe (am<br />
besten schrieb man sitzend <strong>auf</strong> der Pritsche mit dem<br />
Koffer <strong>auf</strong> dem Schoß), andere machten Wäsche mit der<br />
rationierten Seife, die in der Hälfte aus Sand bestand.<br />
Nach einer solchen Wäsche blieben von der Wäsche nur<br />
Fetzen, die wir <strong>auf</strong> dem Zaun aus Stacheldraht<br />
trockneten.<br />
...Es war der heisse Sommer 1944. Unsere Jungs<br />
brachten uns hoffnungsvolle Nachrichten, die sie im Radio<br />
abhörten. Wir lebten in der Hoffnung, aber alltäglich<br />
verekelten uns die Wanzen <strong>das</strong> Leben bis zum<br />
Unerträglichen, so <strong>das</strong>s wir bei der Hitze unsere<br />
Strohsäcke heraus trugen und draussen, neben der Baracke schliefen, bis der erste<br />
Regen fiel. Die Wachmänner schenkten dem Ganzen keine Beachtung und duldeten<br />
diesen grossen Campingplatz inmitten des Lagers.<br />
...Im März trieb man Hunderte von Menschen aus Fabriken und verschiedenen<br />
Betrieben zusammen, damit sie die Schutzgräben gegen Panzer ausheben. Für uns<br />
war <strong>das</strong> eine mörderische Arbeit. Diese Schutzgräben waren 2 Meter tief und 4<br />
Meter breit. Diese Arbeiten gingen unter Militärbewachung vonstatten. Es war kalt<br />
und es fiel Schnee mit Regen, und wir gruben ohne geeignete Bekleidung in der<br />
12
glitschigen, wasserunterl<strong>auf</strong>enen Erde. Am Boden sammelte sich <strong>das</strong> Wasser.<br />
Während der Arbeit machten wir uns Gedanken, woher, aus welchen Vorratslagern<br />
diese unzähligen Sch<strong>auf</strong>eln für die Arbeitenden kamen. Zum Schluss der Arbeit<br />
gaben wir sie den Deutschen zurück, sie warfen sie, schmutzig und mit dem Matsch<br />
beklebt, <strong>auf</strong> die Lastwagen hin. Am nächsten Morgen bekamen wir sie wieder<br />
sauber und gründlich abgewaschen in die Hände.<br />
Vor der Baracke: obere Reihe 2.v.r. K.Kosonowska,<br />
untere Reihe, 5.v.r. I. Szeliga<br />
…Es kommen die Russen. Am 26. April 1945 sind wir befreit von der Sklaverei, die<br />
uns <strong>das</strong> 3. Reich bereitete. Über unserer Baracke erscheint und flattert die weißrote<br />
Fahne. Dies waren unsere Bekannten aus Zamojszczyzna, die unter ihren<br />
Sachen eine noch aus Polen mitgebrachte Fahne <strong>auf</strong>bewahrten. Dank gilt ihrem<br />
lebendigen Patriotismus, auch der Freude, die sie uns bereiteten! Gegen Abend<br />
kommen die ersten russischen Soldaten ins Lager. Mit Neugier betrachten wir die<br />
schlitzäugigen Jungs. Aber die größte Überraschung für uns sind die Soldaten -<br />
Polen. Sie unterhalten sich gern mit uns und fragen, wie wir nach Hause fahren<br />
wollen. Sie selber behaupten, es werde eine schwere Reise sein, aber sie wollen uns<br />
helfen. Nach einer Stunde kommen sie wieder und wir bekommen drei schöne<br />
Fahrräder. Mir fiel ein elegantes kirschfarbenes Damenrad zu. Als sie sich von uns<br />
verabschiedeten, warnten sie uns vor angetrunkenen Soldaten und rieten uns, noch<br />
diese eine Nacht im Lager zu verbringen.<br />
Am Morgen kamen die Jungs aus Grünau zu uns. Wir sind fertig zum Aufbrechen.<br />
Noch die letzten Umarmungen, Küsse, Austausch der Adressen mit<br />
Kommilitoninnen, und wir verlassen <strong>das</strong> Lager. Auf den Straßen überwiegt Weiß. An<br />
allen übrig gebliebenen Häusern hängen weiße Fahnen herunter. Ein unvergeßlicher<br />
Anblick. Berlin bleibt hinter unseren Rücken.<br />
13
Erinnerungen (Auszüge) an die Zeit der Zwangsarbeit in Berlin von Irena Szeliga, geb.<br />
am 2. März 1925 (Warschau, im September <strong>2003</strong>)<br />
...1940 begann man die Polen zur Zwangsarbeit nach Deutschland zu verschleppen<br />
– in die Landwirtschaft und Industrie. So war es auch mit meinem älteren Bruder,<br />
der bei einem Bauern in Petershagen bei Stettin gearbeitet hat. Dann wurden mein<br />
Vater und mein Schwager nach Schlesien verschleppt, wo sie in einem Bergbau<br />
arbeiten mussten. Zu Hause sind nur meine Mutter und meine Schwester mit ihrem<br />
Kind geblieben, denn auch ich bekam im November 1942 eine Vorladung vom<br />
Arbeitsamt und in zwei Tagen war ich schon weg.<br />
Zusammen mit anderen jungen Menschen wurde ich nach<br />
Włocławek abtransportiert, wo gleich am Bahnhof eine<br />
Selektion durchgeführt wurde, um festzustellen, wer<br />
arbeitsfähig ist. Dann brachte man uns mit einem Zug nach<br />
Lodz, ins Übergangslager in der Kopernik-Straße. Dort war<br />
ich ein paar Tage, bis ich <strong>auf</strong> Transport nach Deutschland<br />
ging. Nach vielen Stunden Fahrt gelangten wir nach<br />
Wilhelmshagen, wo wir bis zum Morgen <strong>auf</strong> hölzernen<br />
Pritschen schlafen konnten. Vormittags erschien ein<br />
Vertreter der Firma Daubitz und wählte sich zig Frauen aus.<br />
Man machte von uns ein Foto, jede wurde registriert, dann<br />
wurden wir alle gezählt und zu S-Bahn abgeführt.<br />
Nach einer kurzen Fahrt stiegen wir im Adlershof aus, wo es<br />
Irena Szeliga<br />
in der Nähe ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager gab, in<br />
dem wir untergebracht wurden. Für uns alle war <strong>das</strong> ein<br />
Schock, denn <strong>das</strong>, was wir dort sahen, überstieg unsere Vorstellungskraft. Dort war<br />
es unmöglich dreckig und stinkig, es gab keinen Fußboden, sondern einfach nasse,<br />
schlammige Erde. Es gab Läuse und Wanzen. Dort wohnten wir zwei Wochen lang.<br />
...Meine erste Arbeit bestand darin, <strong>das</strong>s ich die Sperrballons unter Aufsicht von<br />
einer jungen, sympathischen Deutschen kleben musste. Die Arbeit war insofern<br />
schwer, weil man die ganze Zeit <strong>auf</strong> den Beinen war und entlang eines langen<br />
Tisches l<strong>auf</strong>en musste. Dazu kam noch, <strong>das</strong>s verschiedene schädliche<br />
Klebstoffsubstanzen schmerzhafte Augenentzündungen hervorriefen. Meine Füße<br />
schmerzten, meine Augen schmerzten. Dann wurde ich kurz behandelt und zum<br />
Saubermachen in der Kantine geschickt. Mit den Augen ging es dann besser, aber<br />
die Füße taten immer noch weh. Nach ein paar Monaten bekam ich<br />
Gelenkenentzündung und musste eine Zeit lang in der Krankenstube liegen. Dort<br />
erschienen täglich die Leute von der Fabrik, um zu prüfen, ob die Kranken wirklich<br />
krank waren. Als ich dann wieder zur Arbeit gehen musste, obwohl meine Füße und<br />
Gelenke immer noch schmerzten, gab man mir Arbeit im Sitzen – ich bestreute die<br />
Gummihandschuhe mit dem Talkpulver, packte sie ein oder führte andere<br />
Hilfstätigkeiten aus.<br />
Im Frühjahr 1945 kam offensichtlich die Blockade von Berlin. In der Fabrik lief die<br />
Produktion nicht mehr, weil es am Rohstoff fehlte. …Endlich kam der 26. April 1945,<br />
ein für uns wichtiger Tag, an dem die sowjetischen und polnischen Truppen kamen.<br />
Wir konnten nach Polen zurückkehren, zu unseren Familien...<br />
14
Rundgang der Erinnerungen<br />
Marina Schubarth (Kontakte e.V.), Cord Pagenstecher (Berliner Geschichtswerkstatt)<br />
und ein deutsch-russisches Jugendensemble (Club Dialog e.V.) gestalteten für die<br />
Projekttage eine szenische Lesung von Zeitzeugenberichten in Kombination mit einer<br />
historischen Führung über <strong>das</strong> Gelände.<br />
In einem Interview schildert die Regisseurin Marina Schubarth die Motivation zu ihrer<br />
Arbeit und ihre Eindrücke von dem Gelände. 4<br />
Anne: Was hat Dich motiviert, in Schöneweide eine szenische Lesung zu machen?<br />
Marina: Erst einmal hat mich erschreckt, <strong>das</strong>s sich <strong>auf</strong> diesem Gelände, <strong>auf</strong> dem die<br />
Baracken stehen, ein Kindergarten und ein Restaurant befindet. Sachen, wo ich der<br />
Meinung bin, <strong>das</strong> so etwas dort nicht sein darf. Das war sozusagen die Motivation,<br />
eine Aktion dagegen zu machen: damit die Menschen begreifen, was <strong>das</strong> für ein Ort<br />
ist.<br />
Anne: Wie bist Du dazu bekommen, den Kontakt hast Du hergestellt über…?<br />
Marina: Über die Berliner Geschichtswerkstatt. Sie haben gefragt, ob ich bereit wäre,<br />
da was zu machen. Dann haben Cord Pagenstecher und ich uns zusammengesetzt<br />
und haben uns überlegt, wie man <strong>das</strong> als historische Führung machen kann: mit<br />
Elementen von Biographien und auch szenischen darstellerischen Situationen.<br />
Anne: Wie war <strong>das</strong> für Dich, als die szenische Lesung stattfand, oder auch die<br />
Vorbereitung: was für ein Gefühl hattest Du <strong>auf</strong> diesem Gelände?<br />
Marina: Ein ganz furchtbares, aber <strong>das</strong> ist bei<br />
mir prinzipiell immer so: wenn ich die Orte<br />
betrete, wo ich weiss, <strong>das</strong>s sie durch Leid und<br />
Blut getränkt sind, da werde ich ganz traurig<br />
und melancholisch. Ich beginne, die Stimmen zu<br />
hören und alles was sich dort in der Erde<br />
verfestigt hat, zugetrampelt worden ist, lebt da<br />
wieder hoch. Ich gehe auch an meine Arbeit<br />
immer so heran, <strong>das</strong>s mir erst einmal der Ort<br />
erzählt, was er so hergibt. Das setze ich um in<br />
ein Theaterstück oder eine szenische Lesung.<br />
Anne: War die szenische Lesung für Dich<br />
gelungen? Marina Schubarth (vorne) mit ihrer Gruppe<br />
Marina: Sie hat mich total glücklich gemacht, vor allem da die Jugendlichen<br />
überhaupt keine Proben vorher hatten. Wir sind nur dort herum gel<strong>auf</strong>en. Das heisst,<br />
sie mussten sehr spontan reagieren. Das haben sie als Darsteller einfach bombastisch<br />
bewältigt. Ich hatte sogar manchmal <strong>das</strong> Gefühl, <strong>das</strong>s man <strong>das</strong> hätte filmen müssen:<br />
es gab ein paar Situationen, die waren wie ein Film. Und wir hatten ja auch so eine<br />
Panne mit dem Regen. Da eine Truppe zu haben, die trotzdem sagt, wir spielen weiter,<br />
wir gehen weiter - <strong>das</strong>s sie sich so dafür eingesetzt haben finde ich unglaublich toll.<br />
Auch die Reaktion der Zuschauer.<br />
Anne: Auf dem Gelände soll ja ein <strong>Dokumentation</strong>szentrum entstehen. Was hättest<br />
Du für Ideen für ein solches Zentrum? Es sollen zwei Baracken ausgebaut werden und<br />
4 Die Interviews wurden am 12.10.03 geführt. Marina Schubarth inszenierte zusammen mit den Jugendlichen von Club<br />
Dialog e.V. eine szenische Lesung über osteuropäische ZwangsarbeiterInnen – „Ostarbeiter“ – welche im Bunker am<br />
Gesundbrunnen <strong>auf</strong>geführt wird.<br />
15
Du als Tänzerin, als Choreographin und Regisseurin: was könntest Du Dir vorstellen<br />
was man da machen könnte?<br />
Marina: Ich würde tatsächlich sehr gerne theatralisch da ran gehen, weil <strong>das</strong> sehr<br />
viele junge Menschen anzieht. Ich denke, <strong>das</strong>s man mit Ausstellungen und mit<br />
Sachen, die - sagen wir mal - sehr gängig sind, leider Gottes nicht mehr so viele junge<br />
Menschen erreicht. Obwohl die Ausstellung der Geschichtswerkstatt zum Beispiel super<br />
ist. Aber es reicht eben doch leider nicht aus. Was ich denke: da wirklich mit vielen<br />
Künstlern zusammen zu arbeiten und vor allem auch Begegnungsarbeit zu machen.<br />
Das könnte ein Ort sein, der dazu sehr gut geeignet<br />
ist. Wir haben <strong>das</strong> auch hier im Bunker gemerkt: die<br />
Zwangsarbeiter waren hier, und <strong>das</strong> ist auch ein<br />
authentischer Ort. Der Beton wurde in Rüdersdorf<br />
von Zwangsarbeitern hergestellt, französische<br />
Zwangsarbeiter bauten ihn - <strong>das</strong> heisst, der Ort ist<br />
authentisch. Er ist ja auch für Kriegsfälle gebaut<br />
worden. Und ich finde, gerade da gehört <strong>das</strong> Theater<br />
hin. Das ist ein Mahnmal, ein lebendiges Mahnmal.<br />
Mit einem Stein oder einer Gedenktafel wird es nicht<br />
mit Leben gefüllt werden können.<br />
Ich habe es ganz spannend gefunden, welche<br />
Empfindungen die Jugendlichen dort <strong>auf</strong> dem<br />
Gelände hatten. Eine schrieb mir eine SMS, sie sagte:<br />
ich bin schon da, oh Gott, <strong>das</strong> ist so ein furchtbarer<br />
Ort, er erzählt so viel Furchtbares und ich habe<br />
Eine Darstellerin in der Baracke Angst. Das konnte ich gut nachvollziehen. Ich finde toll<br />
gelungen, <strong>das</strong>s sie selbst diese Zeit gefühlt haben und umso mehr Motivation<br />
bekommen gegen <strong>das</strong>. Die Solidarität für die Zwangsarbeiter zu behalten - <strong>das</strong> es nie<br />
wieder passiert. Das ist uns an diesem Ort glaube ich ganz gut gelungen.<br />
16
Begegnen<br />
In diesem Teil der <strong>Dokumentation</strong> geht es um die unterschiedlichen Begegnungen, die<br />
während des Sommerprogramms stattfanden. Im Rahmen der Veranstaltungen<br />
wurden Gäste aus Polen, Holland, Japan und Italien eingeladen. Alle haben ihr<br />
Interesse an dem Gelände bekundet und sich Gedanken über die Gestaltung eines<br />
<strong>Dokumentation</strong>szentrums gemacht.<br />
Nimmt man den Ort des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers so, wie er dort liegt, so<br />
werden Menschen, die um seine Geschichte nichts wissen können, dort keine<br />
„Begegnung“ mit der Zeitgeschichte erfahren. Ihnen wird der Ort neutral vorkommen.<br />
Erst durch die vermittelte Geschichte wird er zu etwas Besonderem, erst dann können<br />
sich Menschen eine Vorstellung machen von dem, was hier einmal geschehen ist. Nur<br />
durch eine Wissensvermittlung – der Vermittlung von dort Erlebtem und Erfahrenen -<br />
kann der Ort gefüllt werden.<br />
Für ein <strong>Dokumentation</strong>szentrum bedeutet <strong>das</strong>, <strong>das</strong>s den Besuchern in verschiedenen<br />
Vermittlungsformen Raum für eigene Vorstellungen und Wissensaneignung gegeben<br />
wird: in Formen wie zum Beispiel <strong>Dokumentation</strong>en zur Aneignung historischem<br />
Hintergrundwissens, Ausstellungen, virtuelle Raumgestaltungen (wie sie beim<br />
Auftaktprogramm in Schöneweide schon vorgestellt wurden) oder Nachbildungen der<br />
Barackeneinrichtungen. All dies würde den Besuchern eine Begegnung mit der<br />
Geschichte am historischen Ort ermöglichen.<br />
Doch neben der notwendigen Wissensvermittlung und Darstellung des historischen<br />
Ortes finden Begegnungen streng genommen nur <strong>auf</strong> der zwischenmenschlichen Ebene<br />
statt. Eine Begegnung ist immer interaktiv, hier treffen sich Menschen, um<br />
miteinander zu diskutieren, zu arbeiten und Erfahrungen und Lebenswelten<br />
auszutauschen.<br />
Insofern sollen sich die Aktivitäten, die in dem <strong>Dokumentation</strong>szentrum geplant sind,<br />
<strong>auf</strong> drei Begegnungsformen konzentrieren:<br />
- interinterdisziplinäre Begegnungen: die Übermittlung von Geschichte und<br />
individuellem Schicksal soll in unterschiedlichen Formen vermittelt werden: anhand<br />
von Faktenwissen, Zeitzeugen-Berichten - in Form von Briefen oder Interviews -,<br />
Ausstellungen, Nachbildungen von Barackeneinrichtungen, Malerei, Theater- und<br />
Photo-Workshops und interdisziplinären Gesprächsforen. PolitologInnen,<br />
HistorikerInnen, ArchitektInnen, KünstlerInnen und ZeitzeugInnen sollen die<br />
Möglichkeit bekommen, sich auszutauschen.<br />
- intergenerative Begegnungen: um die Zeit des Nationalsozialismus für<br />
nachfolgende Generationen begreifbar zu machen, ist es weiterhin von Vorteil, viele<br />
unterschiedliche Aktionen für Jugendliche anzubieten. Gerade der Kontakt zu<br />
ZeitzeugInnen bietet Jugendlichen einen Einblick in die damalige Zeit. Durch die<br />
Biographie des Erzählenden haben Jugendliche die Möglichkeit, aktiv Fragen zu<br />
stellen und dadurch eigene Vorstellungsebenen zu erweitern. Deswegen sollen in<br />
dem <strong>Dokumentation</strong>szentrum Kontakte zu Schulen und Jugendeinrichtungen<br />
gepflegt, Workcamps für Jugendliche organisiert und Zeitzeugengespräche,<br />
Gedenkstättenfahrten sowie Rundgänge durch <strong>das</strong> Lager organisiert werden.<br />
17
- Interkulturelle Begegnungen: <strong>das</strong> <strong>Dokumentation</strong>szentrum soll ein Ort der<br />
Begegnungen zwischen Kulturen und Ländern sein. Gemeinsame interkulturelle<br />
sowie internationale Koproduktionen wie künstlerisch-gestalterische Projekte oder<br />
Gespräche mit ZeitzeugInnen – in Berlin sowie als Begegnungsfahrten zu den<br />
ZeitzeugInnen in den betroffenen Ländern - mit einer anschliessenden<br />
Ausarbeitung in Form von Internetpräsentationen oder Ausstellungen <strong>auf</strong> dem<br />
Gelände sind zum Beispiel Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit.<br />
Mit dieser Arbeit haben wir bereits begonnen: in den letzten Jahren haben<br />
Zeitzeugengespräche und Expertengespräche stattgefunden, nun wurde dieses Jahr<br />
eine szenische Lesung mit einer internationalen Crew von Jugendlichen <strong>auf</strong> dem<br />
Gelände entwickelt und zur Aufführung gebracht.<br />
18
Kazimiera Kosonowska und Irena Szeliga<br />
Anlässlich der Projekttage hatte die Berliner Geschichtswerkstatt vom 30.08.–<br />
06.09.<strong>2003</strong> zwei ehemalige polnische Zwangsarbeiterinnen eingeladen: Kazimiera<br />
Kosonowska und Irena Szeliga. Gefördert wurde die Begegnungswoche von der<br />
Stuttgarter Stiftung für Bildung und Behindertenförderung.<br />
Der Kontakt zu den Gästen entstand Ende der 90er Jahre: seit 1995 existiert die von<br />
der Berliner Geschichtswerkstatt gegründete Projektgruppe „Zwangsarbeit in Berlin“.<br />
Diese Projektgruppe wandte sich zunächst unter anderem an Betroffenenverbände in<br />
der tschechischen Republik, Weißrussland, der Ukraine und Polen, um Erfahrungen<br />
über die Zeit der Zwangsarbeit von den ZeitzeugInnen selbst zu sammeln.<br />
Derzeit umfasst die Sammlung der Berliner Geschichtswerkstatt mehr als 500 Briefe,<br />
davon 220 aus Polen und knapp 90 aus der Ukraine und Weißrussland.<br />
Um einen Kontakt zu den Betroffenen aus Polen zu bekommen, wandte sich die<br />
Berliner Geschichtswerkstatt 1997 an den „Verband der vom Dritten Reich<br />
geschädigten Polen“ und an die „Stiftung Deutsch-Polnische Versöhnung“. Aufgrund<br />
von Aufrufen, Lebenserinnerungen und Dokumente an die Stiftungen zu senden,<br />
entstand der Kontakt zu Frau Kosonowska und Frau Szeliga, die dar<strong>auf</strong> geantwortet<br />
hatten.<br />
Bis Kriegsende wurden circa eine Million polnische Frauen und zwei Millionen Männer<br />
(davon 400.000 Kriegsgefangene) zum Arbeitseinsatz in Deutschland gezwungen. In<br />
grossen Durchgangslagern wurden die Polinnen und Polen zunächst meist tagelang<br />
unter unsäglichen Lebensbedingungen festgehalten und dann nach Deutschland<br />
verschleppt.<br />
Unter den ca. 700.000 polnischen Jugendlichen, die in Deutschland Zwangsarbeit<br />
leisten mussten, befanden sich auch Kazimiera Kosonowska und Irena Szeliga.<br />
Kazimiera Kosonowska ist Jahrgang 1924, Frau Szeliga 1925. Die beiden Frauen<br />
lernten sich in Deutschland kennen und wohnten zusammen in einem Berliner<br />
Zwangsarbeiterlager. Ihre Zwangsverschleppung nach Deutschland erfolgte zur selben<br />
Zeit, 1942, nachdem sie tagelang in einem Durchgangslager in der Kopernik-Strasse in<br />
Łódź ausharren mussten. In ihrer ersten Zeit in Berlin mussten sie mit anderen<br />
polnischen Mädchen in einem Zwangsarbeiterlager leben, in dem vorher<br />
19
Kriegsgefangene gefangen gehalten wurden und in dem hygienisch unerträgliche<br />
Lebensbedingungen herrschten. Dann wurden sie für den Rest der Zwangsarbeiterzeit<br />
in der Köpenicker Strasse in Berlin-Rudow untergebracht und mussten in der<br />
Gummifabrik von Mery Daubitz in der Kopernikusstr. 91 in Berlin-Neukölln arbeiten.<br />
Ende April 1945 wurden sie befreit. Beide traten mit ihren polnischen Freundinnen und<br />
Freunden, die sie in Berlin kennen gelernt hatten, die Heimkehr an.<br />
Frau Szeliga lebt nun in Warschau, Frau Kosonowska in einem Forsthaus in der Nähe<br />
von Gorzów, nur 100 km von Berlin entfernt. Kazimiera Kosonowskas<br />
Lebenserinnerungen an die Zeit der Zwangsarbeit wurde bei einem Wettbewerb, der<br />
durch den „Verein der vom Dritten Reich geschädigten Polen“ ausgeschrieben war, mit<br />
einem Preis ausgezeichnet. Ihre Aufzeichnungen wurden auch für die <strong>Dokumentation</strong><br />
von der Berliner Geschichtswerkstatt „Zwangsarbeit in Berlin 1940-1945“ 5 verwendet.<br />
Zur Buchpräsentation im November 2000 wurde Frau Kosonowska damals von der<br />
Berliner Geschichtswerkstatt eingeladen.<br />
Die Auftaktveranstaltung des Sommerprogramms in Schöneweide war einer der<br />
Höhepunkte der Besuchswoche. Wir haben viel darüber gesprochen, was für Gefühle<br />
dieses Gelände bei den beiden Gästen auslöst und ob sie es für ein<br />
<strong>Dokumentation</strong>szentrum für geeignet halten. Auch haben wir sie gefragt, was für<br />
Ideen sie für solch ein Zentrum haben.<br />
Die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen bei der Veranstaltung<br />
Beide waren einerseits von der Veranstaltung, andererseits von der Idee, daraus ein<br />
<strong>Dokumentation</strong>szentrum zu machen, sehr begeistert. Sie fanden <strong>das</strong> Gelände<br />
geeignet, um Menschen direkt am historischen Ort dieses Kapitel des<br />
Nationalsozialismus nahe zu bringen. Frau Szeliga hat immer wieder betont, wie<br />
wichtig sie es findet, <strong>das</strong>s gerade junge Leute einen Eindruck von dieser Zeit<br />
bekommen, damit sie für die Zukunft lernen können. Sie würde es sehr begrüssen,<br />
wenn dort multinationale Kontakte gefördert werden könnten. Bei den<br />
Zeitzeugengesprächen in den Schulen hat sie mehrmals die Jugendlichen selber<br />
gefragt, was sie an dem Thema interessiert und warum sie darüber mehr erfahren<br />
möchten. Frau Kosonowska hatte die Idee, einen Raum der Baracken so einzurichten,<br />
wie es damals mal ausgesehen haben könnte, mit den wenigen Gegenständen, die die<br />
5 „Erzählte Geschichte. Zwangsarbeit in Berlin 1940-1945. Erinnerungsberichte aus Polen, der Ukraine und<br />
Weißrußland.“ Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.), Sutton Verlag, Erfurt 2000, S. 24-34.<br />
20
Bewohner dort zur Verfügung hatten und lebensnotwendig waren: eine<br />
„Allzweckschüssel“, mit der man gekocht, Wäsche gewaschen, Kohle geholt oder Tee<br />
gemacht hat; oder der Koffer, der ein symbolisches Zuhause darstellte, den man in<br />
der Zeit der Luftangriffe gepackt neben seinem Bett stehen hatte oder der als<br />
Schreibtisch diente, wenn man nach Hause schrieb.<br />
Ewa Czerwiakowski, eine der beiden Dolmetscherinnen, hat in einem Bericht ihre<br />
Eindrücke von dem Besuch <strong>auf</strong>gezeichnet:<br />
…Erster Abend. Auf dem Wege zum Restaurant erinnert sich Frau Szeliga an den<br />
Straßennamen: Oranienburger Straße. Ja, hier sei sie schon einmal gewesen, bei<br />
der Gestapo. Und dann, beim Abendessen, erzählt sie völlig undramatisch ihre<br />
Geschichte: von der Zensur der Briefe, von ihren Winkelzügen, um<br />
Lebensmittelpakete bekommen zu können, von einem befreundeten Holländer und<br />
schließlich von dem Verhör, bei dem sie ins Gesicht geschlagen wurde. Es habe<br />
aber keine weiteren Konsequenzen gegeben. Aus dieser kleinen Geschichte lässt<br />
sich eine Menge über die Lebensbedingungen der Zwangsarbeiterinnen erfahren.<br />
Über die Zwänge und Not, die zu ihrem Alltag gehörten.<br />
Die Rolle der Zeitzeuginnen übernehmen die beiden Frauen <strong>auf</strong> eine ganz natürliche<br />
Weise. Ihr Gedächtnis wird wach und verschiedene Details rufen ihre Erinnerungen<br />
hervor: Alexanderplatz, Unter den Linden, ja sogar die gewöhnliche Rolltreppe bei<br />
der U-Bahn. Sie gab es nämlich schon damals. Damals, vor über 50 Jahren, als die<br />
beiden nach Berlin zur Zwangsarbeit verschleppt wurden und dann in der Mery<br />
Daubitz Gummifabrik arbeiten mussten.<br />
Am Sonntag gibt es ein Fest <strong>auf</strong> dem ehemaligen Lagergelände in<br />
Niederschöneweide. Unsere Gäste sind ein wenig <strong>auf</strong>geregt, fragen mehrmals, ob<br />
sie etwas sagen und wie sie sich verhalten sollen. Nein, sie mögen nur dabei sein,<br />
sie würden nur begrüßt und kurz vorgestellt, sie seien Ehrengäste. Als wir dann in<br />
der ersten Reihe, direkt an der provisorischen Bühne, neben dem Senator sitzen,<br />
spürt man, <strong>das</strong>s die Frauen eine Art Genugtuung empfinden. Genauso wie einen<br />
Tag später im Roten Rathaus, wo sie u.a. von dem regierenden Bürgermeister<br />
begrüßt werden.<br />
In Niederschöneweide betrachten sie <strong>auf</strong>merksam die Baracke. Sie sei anders als<br />
diejenigen, in denen sie gewohnt haben, jene sei aus Holz gewesen. Aber der<br />
Korridor und die Stuben links und rechts seien auch dort gewesen. Auf die<br />
Inszenierung mit Schauspielern reagieren sie mit gemischten Gefühlen: Einerseits<br />
ist sie ihnen unangenehm, vor allem die Schreie. Und <strong>auf</strong> diese Weise könne man<br />
doch die Wahrheit über <strong>das</strong> Leben im Lager nicht vermitteln, jedenfalls sei <strong>das</strong><br />
Ganze für sie etwas künstlich. Andererseits sind sie <strong>auf</strong> der emotionalen Ebene<br />
ziemlich mitgenommen. Nicht zufällig kommt es dann zu einem bezeichnenden<br />
Versprecher: Frau Kosonowska will mir etwas zeigen, was sie nicht mitgenommen<br />
hat, und sagt: „Ach, ich habe es in der Baracke liegen lassen.“ Sie meint dabei <strong>das</strong><br />
Hotel, in dem sie jetzt wohnen. Die beiden sind auch von der „Aufseherin“ sichtlich<br />
beeindruckt. „Genauso sahen sie aus!“, beteuern sie. Auf meine direkte Frage, ob<br />
eine solche Inszenierung bei dem Publikum etwas bewirken kann, meinen sie dann,<br />
<strong>das</strong>s doch, vielleicht, bei den jungen Menschen. Und sie staunen immer wieder,<br />
<strong>das</strong>s es so viele junge Menschen gibt, die sich für ihre Schicksale interessieren.<br />
Vielleicht würde <strong>das</strong> geplante Zentrum gerade für sie nützlich sein, meinen sie.<br />
21
Hendrik van Uitert<br />
Hendrik van Uitert mit seiner Frau am Baum der Erinnerungen<br />
Hendrik van Uitert reiste 2001 mit seiner Frau <strong>auf</strong> eigene Initiative nach Wildau, um<br />
den Ort wieder zu sehen, in dem er vor 50 Jahren Zwangsarbeit leisten musste. Er<br />
suchte den Bürgermeister der Stadt Wildau <strong>auf</strong>, der ihn schließlich mit Irmtraud Carl,<br />
der Vorsitzenden des Vereins Kulturlandschaft Dahme-Spreewald bekannt machte.<br />
Irmtraud Carl ermutigte Hendrik van Uitert, Schülern von seinen Erfahrungen als<br />
Zwangsarbeiter im NS-Staat zu berichten. Seither besucht Hendrik van Uitert jährlich<br />
die kleine Gemeinde, gemeinsam mit seiner Frau. Vor Schulklassen berichtet er von<br />
seiner Zeit als Zwangsarbeiter in Deutschland.<br />
Hendrik van Uitert wurde am 28. Mai 1923 in Amsterdam geboren. Nach Abschluss<br />
seiner Schulausbildung wurde bei der Reichsversicherungsbank angestellt.<br />
Als Hendrik van Uitert am 16. Juli 1943 nach Berlin fahren musste, um dort in der<br />
Rüstungsindustrie zu arbeiten, waren dort bereits drei seiner besten Freunde, unter<br />
ihnen Wim Stevens.<br />
Hendrik van Uitert wurde beim Rüstungsbetrieb „Berliner<br />
Maschinenbau AG, vormals Schwarzkopf eingesetzt. Dort<br />
musste er in der Kesselschmiede arbeiten. Hendrik van<br />
Uitert schrieb: „Wir sollten >stemmen
Zeitzeugengespräch<br />
Im Rahmen des Sommerprogramms nahmen Kazimiera Kosonowska, Irena Szeliga<br />
und Hendrik van Uitert am Dienstag, dem 2.09.<strong>2003</strong> an einem Zeitzeugengespräch in<br />
Schöneweide teil. Das Gespräch moderierten Gisela Wenzel von der Berliner<br />
Geschichtswerkstatt und Irmtraud Carl von der Kulturlandschaft Dahme-Spreewald<br />
e.V..<br />
Ewa Czerwiakowski übersetzte an diesem Abend. Sie schildert im Folgenden ihre<br />
Eindrücke zu dem Abend:<br />
Am Dienstag haben unsere Gäste ein volles Programm. Vormittags ein Treffen mit<br />
Jugendlichen, nachmittags <strong>das</strong> Zeitzeugengespräch. In dem kleinen Raum des<br />
Sanierungsbüros sitzen nicht allzu viele Zuschauer. Auf dem Podium drei<br />
Zeitzeugen: die beiden Frauen aus Polen und ein Mann aus Holland. Sie berichten<br />
über die schwierige Zeit in Berlin. Besonders dramatisch ist die Geschichte von Frau<br />
Kosonowska – ihre Verschleppung und ihre Erlebnisse. Sie verdeutlicht immer<br />
wieder ihre Gefühle von damals: Erniedrigung, Ausgeliefertsein, Unsicherheit,<br />
Angst, schwere Arbeit. Dies prägt ihre Geschichte. Frau Szeliga erzählt knapp und<br />
sachlich über ihre körperlichen Leiden. Dann kommt aus den Publikum eine wichtige<br />
Frage: Ob die Zeitzeugen damals auch positive Erlebnisse hatten. Frau Kosonowska<br />
antwortet sofort mit einem klaren Nein. Sie seien nicht als Menschen betrachtet<br />
worden. Später, schon nach dem Treffen, erzählt sie von zufälligen Begegnungen<br />
mit jungen deutschen Frauen, die damals am Flughafen beschäftigt waren. „Sie<br />
hatten saubere Uniformen an, sie waren schön, dufteten, lachten. Ich schaute so<br />
neidisch <strong>auf</strong> sie. Und sie haben uns überhaupt nicht wahrgenommen, wir waren für<br />
sie wie die Luft.“<br />
Auf die Frage nach positiven Erfahrungen weiß Frau Szeliga eine andere Antwort.<br />
Sie erzählt ganz kurz von einem deutschen Meister, der Mitleid mit den polnischen<br />
Mädchen gehabt und sie immer wieder angesprochen hat. „Während der<br />
Bombardierungen ging er immer zusammen mit uns zum Bunker, nicht mit den<br />
Deutschen.“<br />
Leider wurde <strong>das</strong> Thema an dem Abend nicht weiter verfolgt. Dabei ist es sehr<br />
wichtig, jene scheinbar belanglosen positiven Momente in dieser düsteren Zeit<br />
zutage zu fördern. Ich bin fest davon überzeugt, <strong>das</strong>s gerade sie einen wichtigen<br />
und nicht genug beachteten Aspekt der Geschichte totalitärer Systeme darstellen.<br />
Sie zeugen von einem wirksamen Widerstand gegen die ideologisch untermauerte<br />
Menschenverachtung, ja sie beweisen, <strong>das</strong>s der Mensch immer eine freie Wahl hat.<br />
Die meisten Zeitzeugen berichten ganz spontan von solchen Erfahrungen, die ihnen<br />
Hoffnung und Trost spendeten.<br />
v.l.n.r.: E. Czerwiakowski, K. Kosonowska,<br />
I. Szeliga, G. Wenzel, I. Carl, H. van Uitert<br />
Ohne Zweifel hat der Besuch für die<br />
beiden Frauen eine große Bedeutung:<br />
Ihnen wurde die Wichtigkeit ihrer Berichte<br />
vermittelt. Nach so vielen Jahren ist bei<br />
ihnen <strong>das</strong> Mitteilungsbedürfnis immer<br />
noch groß und man hört ihnen zu.<br />
Vielleicht ist aber am wichtigsten, <strong>das</strong>s sie<br />
nicht mehr als anonyme Opfer, ja als<br />
Nummer fungieren. Sie haben nun ihre<br />
eigene Identität zurück gewonnen.<br />
23
Aus dem Brief von Frau Kosonowska an Gisela Wenzel vom 14.9.<strong>2003</strong>:<br />
„Die Zeit ist <strong>das</strong> beste Heilmittel. Dieses Mal empfand ich meinen Aufenthalt in<br />
Berlin nicht mehr so emotional. Vieles schmerzt nicht mehr, drückt nicht mehr, da<br />
es so fern gerückt ist. Und doch habe ich etwas „in der Baracke“ und nicht im Hotel<br />
liegen lassen. Ich denke mit Sympathie an <strong>das</strong> Treffen mit den Jugendlichen und<br />
ihren Lehrern in beiden Schulen zurück. Es sind wunderbare Menschen. Und es war<br />
schade, <strong>das</strong>s es zweimal zur Pause geklingelt hat, weil unser Gespräch noch länger<br />
hätte dauern können. In der anderen Schule war es ähnlich und zum Abschluss<br />
baten uns die Jugendlichen um ein gemeinsames Foto. Ich bin froh, wenn unser<br />
Besuch etwas Gutes bewirkt hat.“<br />
24
Workshop<br />
"Erinnerungsprojekte zu einem vergessenen Thema: Italienische<br />
Militärinternierte und Italienerlager"<br />
Ein Tagungsbericht<br />
Der Förderkreis für ein <strong>Dokumentation</strong>s- und Begegnungszentrum NS-Zwangsarbeit in<br />
Berlin-Schöneweide lud zum 27. November <strong>2003</strong> deutsche und italienische Vertreter<br />
von Initiativen, Gedenkstätten und Jugendeinrichtungen zu einem Workshop ein.<br />
Bei dem Ort, an dem <strong>das</strong> <strong>Dokumentation</strong>s- und Begegnungszentrum eingerichtet<br />
werden soll, handelt es sich um ein sogenanntes Italienerlager. Dar<strong>auf</strong> verweisen<br />
verschiedene Dokumente sowie heute noch vorhandene Inschriften an den<br />
Kellerwänden einer Baracke. Der Förderkreis ist entsprechend sehr daran interessiert,<br />
die Geschichte der italienischen Militärinternierten an diesem Ort zu rekonstruieren<br />
und in die Gesamtgeschichte der italienischen Militärinternierten einzubetten. Bislang<br />
existierten verschiedene, untereinander nicht oder nur unzureichend vernetzte<br />
Initiativen, Einzelforschungen zum Thema und lediglich zwei staatliche Gedenkstätten,<br />
die sich der Geschichte der italienischen Militärinternierten ausführlicher widmen. Um<br />
Erfahrungen und Wissen auszutauschen, sowie zukünftige, gemeinsame Projekte<br />
anzudenken, dazu diente dieser Workshop.<br />
Im Anschluss an die Eröffnungsrede der Bezirkskulturstadträtin von Treptow-Köpenick,<br />
Eva Mendl, berichtete der Historiker Martin Seckendorf von der Berliner Gesellschaft<br />
für Faschismusforschung über seine Ergebnisse <strong>auf</strong> dem<br />
Gebiet der Militärforschung. Seit zwanzig Jahren setzt er sich<br />
mittlerweile mit der deutschen Besatzungspolitik in Italien<br />
auseinander. In seinem Vortrag stellte Martin Seckendorf<br />
neben der militärischen Befehlsstruktur und des zeitlichen<br />
Abl<strong>auf</strong>s der Besatzung auch die ökonomischen Absichten der<br />
Okkupationsmacht Deutschland dar, sowie die mit brutalen<br />
Mittel durchgesetzten Besatzung. Neben<br />
Lebensmittelvorräten war Deutschland vor allem an<br />
Arbeitskräften für die deutsche Rüstungsindustrie interessiert.<br />
So wurden nach dem Bruch des Achsenbündnisses außer<br />
italienischen Kriegsgefangenen weitere 117.000 zivile<br />
Martin Seckendorf Italiener zur Arbeit nach Deutschland verschleppt.<br />
Rund 600 000 Kriegsgefangene wurden in die Lager im Deutschen Reich und den<br />
besetzten Gebieten verschleppt und zur Zwangsarbeit eingesetzt. Viele von ihnen<br />
kamen auch nach Berlin. Auf der politisch-rassistisch Diskriminierungsskala der<br />
Nationalsozialisten waren die ehemals politisch und militärisch wichtigsten<br />
Verbündeten nun plötzlich ganz weit unten angesiedelt; die deutsche Bevölkerung<br />
beschimpfte sie als "Verräter" und "Badoglios".<br />
Die deutsche Besatzungspolitik war, so Seckendorf, an Grausamkeit durchaus mit der<br />
deutschen Besatzungspolitik in der damaligen Sowjetunion vergleichbar. Das Ausmaß<br />
der Wehrmachtsverbrechen in Italien hingegen sei im Gegensatz zu den Verbrechen an<br />
der sowjetischen Bevölkerung "ein in der deutschen Öffentlichkeit bislang noch<br />
unbekanntes Phänomen".<br />
Jens Nagel, der in seinem dar<strong>auf</strong>folgenden Vortrag den Erinnerungsort Ehrenhain<br />
Zeithain vorstellte, bestätigte diese Einschätzung. Seiner Erfahrung nach wüssten die<br />
25
wenigsten Besucher der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain, <strong>das</strong>s es italienische<br />
Kriegsgefangene überhaupt gegeben habe. Lehrer hätten zudem Schwierigkeiten,<br />
italienische Militärinternierte als Opfergruppe richtig einzuordnen.<br />
Angeregt durch die von Jens Nagel gezeigten historischen Dokumente, die in der<br />
Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain bisher mühsam zusammengetragen wurden, drehte<br />
sich die Diskussion schließlich um die Quellenlage. Es hat sich für den Förderkreis als<br />
außerordentlich schwierig erwiesen, Quellen zu dem konkreten Ort des<br />
„Italienerlagers“ in Berlin-Schöneweide zu finden. Es stellte sich also die Frage, ob die<br />
Geschichte der italienischen Militärinternierten in Berlin, wo es kein zentrales Stalag<br />
gab, überhaupt dokumentiert werden könne. Jens Nagel gab dar<strong>auf</strong>hin zu bedenken,<br />
<strong>das</strong>s es in deutschen Archiven generell keine zusammenhängende Überlieferung<br />
einzelner Stalags gäbe, es sich also nicht um ein Berlin-spezifisches Problem handle.<br />
Eine wichtige Quelle sieht Jens Nagel indessen in der Dokumentenüberlieferung, die<br />
sich in der Wehrmachtsauskunftsstelle (WASt) befindet. Da neben<br />
Italien auch <strong>das</strong> damalige Jugoslawien als einzige Staaten nach<br />
Kriegsende <strong>auf</strong> eine Übergabe der Personalkarten verzichteten,<br />
sind diese heute noch in Berlin archiviert. Die WASt ist jedoch<br />
kein öffentlich zugängliches Archiv, sondern eine Behörde, die als<br />
solche Verwaltungs<strong>auf</strong>gaben übernimmt und den Zugang zu den<br />
Archivbeständen ablehnen kann.<br />
Die Diskussion und Situation in Italien waren Gegenstand des<br />
zweiten Themenblocks: Vermittlungsarbeit und<br />
Entschädigungspolitik. Das Podium bildeten Thomas Radigk,<br />
Journalist in Rom, Valter Merazzi vom Istituto di Storia<br />
Contemporanea "Pier Amato Perretta" Como (ISC), sowie Guido<br />
Ambrosino, Journalist von IL MANIFESTO. Valter Merazzi und<br />
Thomas Radigk berichteten, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> ISC Como seit drei Jahren<br />
an einer Videodokumentation mit Zeitzeugen arbeitet. Ein<br />
Jens Nagel bei<br />
seinem Vortrag<br />
weiteres Ausstellungsprojekt soll ab dem nächsten Frühjahr in den italienischen<br />
Provinzhauptstädten zu sehen sein: Fotos von italienischen Militärinternierten sollen<br />
mit Zeitzeugenberichten kombiniert werden. Dabei verfolgt <strong>das</strong> ISC nicht <strong>das</strong> Ziel, eine<br />
wissenschaftlich-historische Ausstellung zu erarbeiten. Vielmehr soll sie dazu dienen,<br />
vor allem Jugendliche zu informieren. Zielgruppe sind insbesondere Realschüler und<br />
Gymnasiasten. Valter Merazzi und Thomas Radigk legen Wert dar<strong>auf</strong>, <strong>das</strong>s diese<br />
Ausstellung auch im Internet zugänglich gemacht wird, damit sie von verschiedenen<br />
deutschen und italienischen Forschungsgruppen ergänzt werden kann.<br />
Das ISC Como lege ferner Wert <strong>auf</strong> Zusammenarbeit mit regionalen Initiativen in<br />
Deutschland. Auch, weil die Quellenlage in Deutschland um einiges günstiger als in<br />
Italien sei. Trotzdem, berichtet Valter Merazzi, richteten vor allem deutsche<br />
Forschergruppen Anfragen an <strong>das</strong> ISC, ob Quellen leihweise an sie abgegeben werden<br />
könnten.<br />
Bisher arbeitet <strong>das</strong> ISC mit verschiedenen Städten, z. B. mit Gersthofen, und Marburg,<br />
mit dem Land Niedersachsen sowie mit dem Historischen Centrum Hagen zusammen.<br />
Allerdings, so merkt Valter Merazzi an, habe Christian Tomuschat durch sein<br />
Gutachten, den Sinn der Arbeit des ISC torpediert. Über <strong>das</strong> Zustandekommen des<br />
Gutachtens, <strong>das</strong> den Ausschluss der italienischen Militärinternierten von der<br />
Entschädigung beinhaltet, spricht schließlich der Journalist Guido Ambrosino. Christian<br />
Tomuschat, be<strong>auf</strong>tragt vom Bundesfinanzministerium, legte sein Gutachten am 31. Juli<br />
2000 vor, berichtete Guido Ambrosino. In dem Gutachten erklärt Völkerrechtler<br />
26
Tomuschat die Überführung der italienischen Kriegsgefangenen in den<br />
Zivilarbeiterstatus als auch damals völkerrechtswidrig und somit heute als nicht<br />
bindend für die deutsche Bundesregierung:<br />
Im Herbst 1944 wurden italienische Kriegsgefangene <strong>auf</strong> Drängen des Ministers für<br />
Munition und Kriegsproduktion, Albert Speer, im Zuge des Erlasses zum Totalen<br />
Kriegseinsatz in ein Zivilarbeitsverhältnis überführt. Da dieser Statuswechsel von der<br />
Bundesregierung als nicht wirksam betrachtet wird, gelten die 90,000 Überlebenden<br />
als Kriegsgefangene und bleiben damit von den Zahlungen nach dem<br />
Entschädigungsgesetz ausgeschlossen, denn Kriegsgefangene wiederum können -<br />
zumindest bedingt- nach der Genfer Kriegskonvention zu Arbeit herangezogen werden.<br />
Als Gründe für den Inhalt des Gutachtens nennt Ambrosino hauptsächlich einen<br />
Grund: Italien habe zu wenig Interesse an der Entschädigung der Militärinternierten<br />
signalisiert. Das wiederum führte Ambrosino dar<strong>auf</strong> zurück, <strong>das</strong>s die italienische<br />
Regierung befürchtet hätte, dadurch die eigene Geschichte <strong>auf</strong>arbeiten zu müssen.<br />
Am Nachmittag wurden die Teilnehmer des Workshops mit dem Gelände des<br />
ehemaligen Zwangsarbeiterlagers und seiner Geschichte vertraut gemacht. Cord<br />
Pagenstecher führte interessierte Teilnehmer über <strong>das</strong> Gelände.<br />
Der dritte Themenblock war Erfahrungsberichten von<br />
Schülerbegegnungen in Deutschland, speziell in Berlin<br />
gewidmet. Dabei ging es hauptsächlich um die Frage, wie<br />
PädagogInnen vor Ort italienischen und auch anderen<br />
ausländischen Jugendlichen den Nationalsozialismus<br />
verdeutlichen können und was für eine Bedeutung<br />
authentische Orte wie <strong>das</strong> Lagergelände für die<br />
pädagogische Bildungsarbeit haben.<br />
Martin Gerlach sprach über binationale Jugendbegegnungen<br />
in Berlin, die er über den Verein Kids & Co. e.V. durchführt.<br />
Die Gruppen werden kreativ und aktiv mit dem Thema<br />
Verständigung, Kulturunterschiede und Vorurteile<br />
Valter Merazzi<br />
konfrontiert. Durch gemeinsame Spiele macht er den<br />
Jugendlichen zum Beispiel deutlich, <strong>das</strong>s man nicht der Sprache der anderen mächtig<br />
sein muss, um sich verständigen zu können - man verstehe sich vielmehr mit <strong>Blicke</strong>n<br />
und Gesten. Wichtig sei es, <strong>das</strong>s Jugendliche Vorurteile gegenüber anderen Ländern<br />
abbauen und sie angeregt werden, zu differenzieren. Man unterscheide sich nicht<br />
wegen der unterschiedlichen Kultur oder dem Land voneinander, sondern deshalb, weil<br />
jeder Mensch einzigartig sei und seine individuellen Lebenserfahrungen gesammelt<br />
habe. Schliesslich demonstrierte er den TeilnehmerInnen des Workshops mit einer<br />
Übung, wie sehr jeder durch seine „Kulturbrille“ schaut: Rituale unbekannter<br />
Völkergruppen zum Beispiel deute jeder aus seinem eigenen gewohnten Vorstellungsund<br />
Vorurteilsraster.<br />
Im Anschluss an seinen Vortrag stellte Cord Pagenstecher einen von Bärbel Becker<br />
gedrehten Film vor, in dem eine Führung mit einer italienischen Schülergruppe <strong>auf</strong><br />
dem ehemaligen Zwangsarbeitergelände dokumentiert wird. Einige der Jugendlichen<br />
aus Villa Minozzo erzählten, <strong>das</strong>s auch Großväter von ihnen als italienische<br />
Militärinternierte in Deutschland zur Arbeit gezwungen wurden. Ihre Eindrücke von<br />
dem Lagergelände haben sie für den Baum der Erinnerung festgehalten. Cord<br />
Pagenstecher erwähnte – auch im Zusammenhang mit der Arbeit Martin Gerlachs -,<br />
<strong>das</strong>s es für eine antirassistische pädagogische Bildungsarbeit notwendig sei, darüber<br />
27
zu diskutieren, inwieweit der authentische Ort wie <strong>das</strong> Lagergelände für solch eine<br />
Arbeit sinnvoll und notwendig ist. Sollten PädagogInnen mit Jugendlichen am Beispiel<br />
des Nationalsozialismus Probleme wie Rechtsradikalismus oder Fremdenfeindlichkeit<br />
diskutieren oder eignet sich die Thematisierung der NS-Geschichte nicht für solch eine<br />
Bildungsarbeit.<br />
Claudio Cassetti, Stadtführer und Dozent in Berlin, und Tanja Kinzel vom Initiativkreis<br />
Jugendbegegnungsstätte Sachsenhausens sprachen abschliessend über ihre<br />
Erfahrungen von Führungen mit ausländischen Jugendgruppen. Claudio Cassetti sagte,<br />
<strong>das</strong>s die NS-Geschichte meistens als „spektakulär“ betrachtet wird. Viele Jugendliche<br />
wollten den „Grusel“ eines Konzentrationslagers sehen und seien an anderen NS-<br />
Gedenkstätten weniger interessiert. Auch Tanja Kinzel sprach diese Haltung<br />
Jugendlicher als Problem an, die die LehrerInnen oft noch unterstützten, indem sie die<br />
Jugendlichen undifferenziert <strong>auf</strong> solch eine Fahrt nach Deutschland vorbereiten. Sie<br />
hat auch die Erfahrung gemacht, <strong>das</strong>s Jugendliche, die eher Desinteresse an einer<br />
Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zeigen, durch praktische Arbeit – sie<br />
wird in der Gedenkstätte Sachsenhausen für Jugendliche angeboten, zum Beispiel<br />
Grabungen oder handwerkliche Tätigkeiten -, einen Zugang zu dem Thema finden.<br />
Aus dem Workshop, der den Abschluss der Veranstaltungsreihe "<strong>Blicke</strong> <strong>auf</strong> <strong>das</strong> Lager –<br />
erinnern und begegnen-" bildete, sind bereits konkrete Planungen hervorgegangen:<br />
• Als Basis für eine engere Zusammenarbeit beschlossen die Teilnehmer einhellig,<br />
<strong>das</strong>s Quellen und Informationen ausgetauscht werden, worunter auch<br />
Übersetzungsarbeiten zu verstehen sind.<br />
• Der Generalsekretär des ANRP, Orlanducci, ist entschlossen, kommendes<br />
Frühjahr die Diskussion im Rahmen eines weiteren Workshops in Rom<br />
fortzusetzen.<br />
• Im Vorfeld des Gedenktags am 27. Januar soll eine Podiumsdiskussion am 25.<br />
Januar 2004 stattfinden, wo darüber diskutiert werden soll, wie <strong>das</strong> Thema der<br />
verweigerten Entschädigung erneut in die Medien transportiert werden kann.<br />
_________________________<br />
28
Das Projekt wird von folgenden Institutionen und Personen unterstützt:<br />
- Berliner Geschichtswerkstatt e.V.<br />
www.berliner-geschichtswerkstatt.de<br />
- Bund der Antifaschisten Treptow e.V.<br />
www.bda-treptow.de<br />
- Bezirksamt Treptow-Köpenick<br />
www.berlin.de/ba-treptow-koepenick<br />
- Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick<br />
- Betroffenenvertretung des Sanierungsgebietes Niederschöneweide<br />
www.sanierungsgebiet-niederschoeneweide.de<br />
- Kulturlandschaft Dahme-Spreewald e.V.<br />
- Kreisverband Bündnis 90/Grüne Treptow-Köpenick<br />
www.gruene-berlin.de/bezirke/treptow<br />
- Helmut Bräutigam (Historiker)<br />
- Interessengemeinschaft ehemaliger Zwangsarbeiter, Berliner Büro<br />
www.ig-zwangsarbeit.de<br />
- Interessierte Bürgerinnen und Bürger<br />
Die Stiftung SPI (www.stiftung-spi.de) und die Sanierungsbe<strong>auf</strong>tragte des Landes Berlin<br />
für Niederschöneweide wirken an der Arbeit des Förderkreises mit.<br />
Weitere Informationen unter: www.zwangsarbeit-in-berlin.de<br />
Mails: foerderkreis@zwangsarbeit-in-berlin.de<br />
29
Literatur<br />
Barwig, Klaus u.a. (Hg.): Entschädigung für NS-Zwangsarbeit. Rechtliche, historische und<br />
politische Aspekte, Baden-Baden, 1998.<br />
Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.): „Totaleinsatz“. Zwangsarbeit in Berlin (1943-1945).<br />
Tschechische ZeitzeugInnen erinnern sich. Briefdokumentation der Projektgruppe „Vergessene<br />
Lager-Vergessene Opfer, ZwangsarbeiterInnen in Berlin 1939-1945“, Berlin 1998.<br />
Bonwetsch, Bernd: Sowjetische Zwangsarbeiter vor und nach 1945. Ein doppelter Leidensweg.<br />
IN: Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas 41 (1993), S. 532-546.<br />
Bräutigam, Helmut: Nationalsozialistische Zwangsarbeiterlager in Berlin. Fremdarbeiterlager<br />
1939-1945. IN: Ribbe, Wolfgang (Hg.): Berlin-Forschungen IV, Berlin 1989, S. 235-280.<br />
Ders.: Einige Aspekte des „Fremdarbeitereinsatzes“ in Berlin 1939-1945. IN: Spanjer, Rimco<br />
u.a. (Hg.), a.a.O., S. 31-42.<br />
Demps, Laurenz: Zwangsarbeiterlager in Berlin 1939-1945, Berlin (Ost) 1986.<br />
Ders.: Sechs Forschungsvorschläge – Anmerkungen zum Stand der Forschung über die Fremd-<br />
und Zwangsarbeit in Berlin. IN: Spanjer, Rimco u.a. (Hg.): Zur Arbeit gezwungen.<br />
Zwangsarbeit in Deutschland 1940-1999, Bremen 1999, S. 23-29<br />
Endlich, Stefanie/Lutz, Thomas: Gedenken und Lernen an historischen Orten. Ein Wegweiser zu<br />
Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin, Berlin 1995.<br />
Frankenberger, Tamara: Wir waren wie Vieh. Lebensgeschichtliche Erinnerungen ehemaliger<br />
sowjetischer Zwangsarbeiterinnen, Münster 1997.<br />
Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V., Bonn/Förderverein für Memorial St. Petersburg e.V.,<br />
Berlin (Hg.): „Es ist schwer, Worte zu finden“. Lebenswege ehemaliger Zwangsarbeiterinnen,<br />
Bonn u.a. 1999.<br />
Geschichtswerkstatt, H. 19: Zwangsarbeit. Arbeit-Terror-Entschädigung, Hamburg 1989.<br />
Hammermann, Gabriele: Zwangsarbeit für den „Verbündeten“. Die Arbeits- und<br />
Lebensbedingungen der italienischen Militärinternierten in Deutschland 1943 – 1945, Tübingen<br />
2002.<br />
Herbert, Ulrich: Geschichte der Ausländerbeschäftigung in Deutschland 1880-1980, Bonn 1986.<br />
Ders.: Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des<br />
Dritten Reiches, Berlin u.a. 1986.<br />
Kubatzki, Rainer: Standorte und Topographie der Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager<br />
in Berlin und Umland. 1929-1945. Eine <strong>Dokumentation</strong>, Berlin 2000.<br />
Kulturlandschaft Dahme-Spreewald e.V. (Hg.): So war es. Zwangsarbeiter in Deutschland,<br />
Zeuthen 2002.<br />
Meijer, Johan: Von der Maas bis an die Memel (CD), STICHTING HOLLÄNDEREI (Hg.),<br />
Berlin/Utrecht <strong>2003</strong>.<br />
Meyer, Winfried u.a. (Hg.): Zwangsarbeit während der NS-Zeit in Berlin und Brandenburg.<br />
Formen, Funktion, Rezeption, Berlin 2000.<br />
Pagenstecher, Cord: Vergessene Opfer. Zwangsarbeit im Nationalsozialismus <strong>auf</strong> öffentlichen<br />
und privaten Fotographien. IN: Fotogeschichte 17 (65) 1997, S. 59-72.<br />
Sachse, Carola (Hg.): Als Zwangsarbeiterin 1941 in Berlin. Die Aufzeichnungen der Volkswirtin<br />
Elisabeth Freund, Berlin 1996.<br />
Scholze-Irrlitz, Leonore/Noack, Karoline (Hg.): Arbeit für den Feind. Zwangsarbeiter-Alltag in<br />
Berlin und Brandenburg (1939-1945), Berlin 1998.<br />
Schreiber, Gerhard: Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943 –<br />
1945. Verraten, verachtet, vergessen. München 1990.<br />
Spanjer, Rimco/Ondesluijs, Diete/Meijer, Johan (Hg.): Zur Arbeit gezwungen. Zwangsarbeit in<br />
Deutschland 1940-1945, Bremen 1999.<br />
Stepien, Stanislaus: Der alteingesessene Fremde. Ehemalige Zwangsarbeiter in<br />
Westdeutschland, Frankfurt a.M. u.a. 1989.<br />
Wenzel, Gisela: „Unerlaubte Abkehr“ – eine <strong>Dokumentation</strong> zur Fluchtgeschichte holländischer<br />
Zwangsarbeiter. IN: STICHTING HOLLÄNDEREI u.a. (Hg.): Niederländer und Flamen in Berlin<br />
1940-1945, Berlin 1996, S. 194-200.<br />
30