bunsenmagazin - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...
bunsenmagazin - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...
bunsenmagazin - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
Alfred Blume und Roland Winter<br />
Generell rücken in der molekular orientierten biologischen Forschung<br />
im post-genomen Zeitalter nicht nur Proteine, sondern insbesondere<br />
auch ihre Interaktionen in Netzwerken immer mehr in den Mittelpunkt<br />
des Forschungsinteresses, vornehmlich solche Prozesse, die<br />
in und an Zellmembranen ablaufen. Tatsächlich sind etwa 30 %<br />
aller im Genom kodierten Proteine Membranproteine. Generell<br />
sind membranabhängige Prozesse zentral <strong>für</strong> das Verständnis<br />
der Signalerkennung und -weiterleitung, der Energieumwandlung,<br />
der Pathogenese sowie des aktiven und passiven Transports durch<br />
Membranen. Zurzeit ist jedoch lediglich eine geringe Anzahl von<br />
Membranprozessen hinsichtlich ihres Ablaufs, ihrer beteiligten Interaktionspartner<br />
und ihrer Funktion bekannt. Sie sind damit ein<br />
noch weitgehend unverstandenes Element des molekularen Netzwerks,<br />
das zelluläre Funktionen kontrolliert. Sie stellen jedoch die<br />
wichtigste Familie von Ansatzpunkten <strong>für</strong> neue Wirkstoffe. Die<br />
Membranforschung berührt fast alle derzeitigen Zivilisationskrankheiten,<br />
wie Krebs, Herz- und Kreislauferkrankungen, Erbkrankheiten<br />
des zentralen Nervensystems, Alzheimer-Demenz, Diabetes Mellitus,<br />
Schizophrenie, Depressionen und Immunkrankheiten. Sind solche<br />
Membranprozesse, etwa durch Mutationen der beteiligten Proteine,<br />
gestört, kann dies Krankheiten, wie z. B. Krebs, hervorrufen. Eine<br />
Fehlfunktion des membranassoziierten Ras-Proteins ist z. B. <strong>für</strong><br />
diese Erkrankung mit verantwortlich. Die Arbeiten über membranassoziierte<br />
Vorgänge haben daher eine über die Grundlagenforschung<br />
weit hinausgehende hohe medizinische Relevanz.<br />
Das International Discussion Meeting der Bunsen-Gesellschaft<br />
<strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie mit dem Thema „Membrane Interacting<br />
Peptides and Proteins“, das am 28.-31. März 2007 an der Martin-<br />
Luther-Universität Halle-Wittenberg in Halle/Saale statt fand,<br />
widmete sich dieser interessanten Thematik. Die Diskussionstagung<br />
wurde von Prof. Dr. A. Blume, MLU Halle-Wittenberg, und<br />
Prof. Dr. R. Winter, Universität Dortmund, vorbereitet und organisiert.<br />
Sie hatten sich zum Ziel gesetzt, international anerkannte<br />
Experten auf dem Gebiet der Erforschung der Wechselwirkungen<br />
von Peptiden und Proteinen mit Modellbiomembranen zusammenzubringen,<br />
um Informationen über die neuesten Forschungsergebnisse<br />
auszutauschen und zu diskutieren. Besonderes Augenmerk<br />
richtete sich auf die folgenden Themen: 1) Struktur und Dynamik<br />
von Modellbiomembranen, 2) Rafts und ihre Bedeutung <strong>für</strong> die<br />
Prof. Dr. Alfred Blume<br />
Martin-Luther-Universität, Naturwissenschaftliche Fakultät II<br />
Chemie und Physik, Institut <strong>für</strong> Chemie<br />
Mühlpforte 1, 06108 Halle<br />
Tel.: 0345 / 55 25850, Fax: 0345 / 55 27157<br />
Email: alfred.blume@chemie.uni-halle.de<br />
Prof. Dr. Roland Winter<br />
Fachbereich Chemie<br />
Universität Dortmund<br />
Otto-Hahn-Str. 6, 44221 Dortmund<br />
Tel.: +49-231-755 3900, Fax: +49-231-755 3901<br />
Email: roland.winter@uni-dortmund.de<br />
TAGUNGEN<br />
„MEMBRANE INTERACTING PEPTIDES AND PROTEINS“<br />
International Discussion Meeting der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie<br />
MLU Halle-Wittenberg, 28.-31. März 2007<br />
Tagungsort war das<br />
Melanchthonianum<br />
der Martin-Luther-<br />
Universität Halle-<br />
Wittenberg am Universitätsplatz<br />
Funktion biologischer Membranen, 3) Lipid-Peptid/Protein-Wechselwirkung,<br />
4) Dynamik und Kinetik von Membranprozessen und 5)<br />
Theorie und Computersimulation zur Lipid-Protein-Wechselwirkung.<br />
Die Bunsen-Diskussionstagung in Halle hat sich damit insbesondere<br />
mit dem Thema der Wechselwirkung von Peptiden und Proteinen<br />
mit Modellbiomembranen befasst, wobei sowohl theoretische Betrachtungen<br />
als auch experimentelle Ergebnisse diskutiert wurden.<br />
Es wurden dabei nicht nur strukturelle und energetische Aspekte<br />
der Lipid-Protein-Wechselwirkung betrachtet, sondern auch der<br />
Einfl uss dynamischer Prozesse auf die Funktion biologischer<br />
Membranen. Aufgrund des in den letzten Jahren zu beobachtenden<br />
großen Fortschritts im Bereich der Computersimulation (z. B.<br />
Replica-Exchange-MD) und der experimentellen Techniken (z. B.<br />
Einzelmolekülspektroskopie und -mikroskopie an Membranen),<br />
waren auch diese Neuentwicklungen gut auf der Tagung vertreten.<br />
Einige der Vorträge können hier nur kurz Erwähnung fi nden:<br />
Helmut Grubmüller gab einen State-of-the-Art-Überblick, was man<br />
heutzutage mit MD-Computersimulationsmethoden an Details über<br />
Membranprozesse lernen kann. An zwei Beispielen, dem Kerntransport<br />
und dem Mechanismus der Elektroporation von Membranen,<br />
wurde die heutige Leistungsfähigkeit der Computersimulationsmethoden<br />
deutlich. Yves Dufrêne und Andreas Janshoff gaben<br />
einen Überblick über die Leistungsfähigkeit der Atomic Force<br />
Microscopy (AFM)-Methode in Biochemie und Biophysik und ihr<br />
Potential zur Untersuchung von Membranstrukturen. Die AFM-<br />
Technik erlaubt heute auch die Untersuchung biochemischer<br />
Reaktionen und die Wirkung von Pharmaka mit Lipidmembranen<br />
und sogar natürlich gewachsenen Zellen mit „Real-time“-Zeitauflösung.<br />
Auch bietet sie die Möglichkeit, über Kraftmessungen<br />
thermomechanische Größen zu bestimmen sowie einzelne molekulare<br />
Wechselwirkungsplätze hinsichtlich ihrer Energetik zu charakterisieren.<br />
Luis Bagatolli zeigte, wie sich mit Hilfe einer komplementären<br />
Technik auf Mikrometer-Längenskala, der konvokalen,<br />
zwei-photonenangeregten Fluoreszenz-Mikroskopie, an einzelnen<br />
Lipidvesikeln Interaktionen mit Peptiden studieren lassen. Adam<br />
Simonsen von der Mouritsen-Gruppe zeigte anhand der Phospholipase<br />
A2-Aktivität (spaltet Phospholipide), dass sich auch mit der<br />
Fluoreszenzmikroskopie zeitaufgelöste Prozesse verfolgen lassen.<br />
Gerald Brezesinki zeigte unter anderem am Beispiel des Alzheimer-<br />
Peptids, wie mit IRRAS (Infrared Refl ection Absorption Spectroscopy)<br />
und GIXD (Grazing Incidence X-ray Diffraction) strukturelle Details<br />
der Orientierung von Peptiden in Lipid-Monoschichten gewonnen<br />
werden können.<br />
Joachim Heberle beschrieb eindrucksvoll, wie man die surfaceenhanced<br />
IR-Absorption (SEIRA) Spectroscopy mit elektrochemischen<br />
Methoden in biomimetischen Systemen, wie dem Photosystem<br />
II, koppeln kann, um Elektronentransportreaktionen zu<br />
studieren. Klaus Gerwert zeigte, wie mit Hilfe der time-resolved<br />
FTIR-Spektroskopie unter Einbeziehung der Isotopensubstitution<br />
die Zeitabläufe von an Membranen ablaufenden Prozessen (wie<br />
175