bunsenmagazin - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...
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NACHRICHTEN<br />
Am 14. Oktober 2007 feiert Hans Wolfgang Spiess seinen 65.<br />
Geburtstag, ohne dabei an das Ende seiner wissenschaftlichen<br />
Arbeit zu denken. Den Anfang kenne ich als einer seiner jüngsten<br />
Schüler nur in der Form einer Legende. Hans Wolfgang Spiess<br />
stammt aus Frankfurt-Hoechst. An der Universität Frankfurt fand<br />
er schon als Diplomand in der Gruppe von Hermann Hartmann<br />
das Gebiet, das ihn bis heute begeistert- die magnetische Kernresonanz-Spektroskopie<br />
(NMR-Spektroskopie) an Festkörpern.<br />
Während der Promotion waren die Proben einkristallin und die<br />
Kern-Quadrupol-Wechselwirkungen sehr groß.<br />
Danach erfüllte Hans Spiess als PostDoc in Florida eine Pfl icht,<br />
die ein Physikochemiker seinem Bekunden nach hat: eine Arbeit<br />
über Wasser zu schreiben. Sie beschäftigte sich mit der 17O-<br />
Kern-Quadrupol-Wechselwirkung in festem, fl üssigem und gasförmigem<br />
Wasser und wird bis heute in regelmäßigen Abständen<br />
zitiert. Zugleich war sie sein erster Ausfl ug in die Bewegungsmittelung<br />
anisotroper NMR-Parameter. Nach der Rückkehr aus den<br />
USA schloss er sich 1970 dem damals wohl aktivsten Magnetresonanz-Zentrum<br />
in Deutschland an, der Gruppe von Karl Hausser<br />
am Max-Planck-Institut <strong>für</strong> Medizinische Forschung in Heidelberg.<br />
Auch in dieser Zeit waren die meisten Proben einkristallin, aber<br />
einige gerieten immer mehr in Bewegung. So demonstrierte<br />
Hans Spiess in einer Arbeit aus dem Jahr 1974 den Einfl uss<br />
molekularer Sprungbewegungen im Festkörper auf NMR-Linien-<br />
194<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 9. JAHRGANG · 5/2007<br />
Hans Wolfgang Spiess zum 65. Geburtstag<br />
formen. Dieser Effekt sollte sich später in der Anwendung auf<br />
Polymere als ausgesprochen informativ erweisen. Die in Mainz<br />
1977 eingereichte Habilitationsschrift befasste sich mit dem<br />
Einfl uss der Molekülrotation auf die Relaxation von Kernspins.<br />
Die entscheidende Wendung in Richtung von Polymerproben<br />
kam 1975, als der frisch auf einen Lehrstuhl <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong><br />
Chemie berufene Hans Sillescu ihn an die Universität Mainz<br />
holte. Dort gelang es ihm, Deuteronen-NMR-Spektren mittels einer<br />
auf dem Festköper-Echo beruhenden Impuls-Fourier-Transformations-Technik<br />
zu messen. Die Anwendung dieser Technik<br />
auf langsame und ultralangsame molekulare Bewegungen ist in<br />
einer Serie von Publikationen beschrieben, die zwischen 1980<br />
und 1985 erschienen sind. Bereits nach der ersten dieser Publikationen<br />
war Hans Spiess auf dem Gebiet der NMR-Spektroskopie<br />
weltweit bekannt.<br />
Die Anerkennung in Deutschland ließ etwas länger auf sich warten.<br />
Seine erste Erfahrung mit den Anforderungen einer Professur<br />
<strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie konnte er 1981/82 sammeln, als<br />
er Werner Müller-Warmuth in Münster vertrat. Die junge Universität<br />
Bayreuth berief ihn schließlich 1983 auf einen Lehrstuhl<br />
<strong>für</strong> Makromolekulare Chemie. Bereits kurz darauf suchte jedoch<br />
das neu gegründete Max-Planck-Institut <strong>für</strong> Polymerforschung<br />
in Mainz einen Direktor <strong>für</strong> das Gebiet der Polymerspektroskopie.<br />
Die Wahl fi el- nicht überraschend- auf Hans Spiess.<br />
Zurück in der Max-Planck-Gesellschaft und in Mainz baute er<br />
in kürzester Zeit eine Gruppe auf, deren anfängliche Zusammensetzung<br />
heute verblüfft. Mit ihm forschten in dieser Zeit als<br />
Habilitand Bernhard Blümich (heute Professor <strong>für</strong> Makromolekulare<br />
Chemie an der RWTH Aachen), als Postdoktoranden Stefan<br />
Jurga (Professor <strong>für</strong> Physik an der Adam-Mieckiewicz-Universität<br />
Poznan) und Gerry Harbison (Professor <strong>für</strong> Chemie an der<br />
University of Nebraska at Lincoln) und als Doktorandin Claudia<br />
Schmidt (Professorin <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> und Makromolekulare<br />
Chemie in Paderborn).<br />
Diese enorme Anziehungskraft kann sicherlich auf die „extreme<br />
Direktordynamik“ von Hans Spiess zurückgeführt werden, ein<br />
Phänomen das mitunter auch in Flüssigkristallen auftreten soll,<br />
die ein weiteres seiner Interessengebiete sind. Wissenschaftlich<br />
war die Anfangszeit in Mainz der Einführung von 2D-NMR-<br />
Methoden zur Charakterisierung molekularer Dynamik und der<br />
Arbeit an dynamischen Heterogenitäten in Polymeren gewidmet.<br />
Nach der NMR-Spektroskopie erschloss sich Hans Spiess jetzt<br />
die Polymerphysik. Die Erfolge dieser Periode fanden mit der<br />
Verleihung des Leibniz-Preises der DFG 1988 Anerkennung.<br />
In der Folgezeit führte die Spiess-Gruppe mit Spindiffusionsmessungen<br />
zur Charakterisierung von Domänengrößen in Polymeren<br />
eine weitere Methodik ein, die große Popularität erlangen<br />
sollte. Parallel wurde die konzeptionell einfache, aber ungemein<br />
informative Breitlinien-Separations-Spektroskopie (WISE) entwickelt.<br />
Zu beiden Projekten trug mit Klaus Schmidt-Rohr ein<br />
weiterer Schüler bei, der heute eine Professur auf dem Gebiet<br />
der NMR-Spektroskopie inne hat (Iowa State University). Mit