Onkel war oft militant streng mit mir – ich habe viele Tränen vergossen. Wenn ich aber heute die Korrespondenz lese, wie er sich bei verschiedensten Stellen immer wieder für mich eingesetzt hat, dann kommen mir gleich wieder Tränen, und zwar solche der Rührung. In Mappen hat er feinsäuberlich getippte Briefe abgelegt, beispielsweise den vom 17. Februar 1958 an den Herrn Stadtrat Hans Mandl, dem damaligen Leiter des Kulturamtes der Gemeinde Wien: „Im Namen meines Neffen Rudi Buchbinder, dessen musikalischer, physischer und psychischer Betreuer ich seit Jahren an Stelle eines Vaters bin – da er keinen Vater mehr hat – …möchte ich Ihnen, Herr Stadtrat, mitteilen, dass ich schon lange den Wunsch hege, bei Ihnen vorsprechen zu können. Möchte vorausschicken, dass ich nicht materielle Wünsche vorbringen will, sondern mit Ihnen, als Leiter des Kulturamtes der Gemeinde Wien, eine kulturelle Angelegenheit besprechen möchte. Bitte Sie daher, sehr verehrter Herr Stadtrat, mir mitzuteilen, wann ich bei Ihnen vorsprechen darf.“ Die Antwort des Stadtrates war ernüchternd: „… Zu Ihrem Wunsch, bei Gelegenheit mit mir zu sprechen, muss ich Ihnen aber leider mitteilen, dass ich in absehbarer Zeit keine Möglichkeit habe, mich mit Ihnen zu treffen …“ Mein Onkel gab aber nicht auf und richtete an den Stadtrat nun ein noch ausführlicheres Schreiben, in dem er unter anderem ausführte: „… Zu Ihrem Schreiben … teile ich mit, dass ich es bedaure, nicht die Möglichkeit zu haben, bei Ihnen vorzusprechen … erlaube mir nun, meinen Wunsch schriftlich vorzutragen, in der Hoffnung, bei Ihnen, Herr Stadtrat, Verständnis zu finden. Wie Sie sich selbst überzeugen konnten, ist mein Neffe ein sehr talentierter Bub auf dem Gebiete der Musik … Rudi Buchbinder studiert seit fünfeinhalb Jahren auf der Musikakademie (Klavier) und zählt nach Feststellung der dortigen Professoren zu den besten Hoffnungen. Er hat nach einem Studienjahr bereits bei öffentlichen Konzerten mitgewirkt und hat nebst steten diesbezüglichen Erfolgen im Jahre 1956 bei einem Wettbewerb den „Gasteiner Musikpreis“ gemacht, der ihn verpflichtete, in Bad Gastein ein Konzert zu geben. Er spielte damals mit dem Gasteiner Kurorchester unter Musikdirektor Hans Schneider das Klavierkonzert in D-Dur von Joseph Haydn und hatte bei dem internationalen Publikum großen Erfolg. Neben Konzerten im Wiener Konzert- 16
Der kleine Pianist mit dem Spangerl im Haar: Ob „Waldspecht“ oder „Ich möchte gern Dein Herz klopfen hören“ – noch konzertierte ich ausschließlich in C-Dur.