11.01.2013 Aufrufe

RUDOLF BUCHBINDER DA CAPO - Styria

RUDOLF BUCHBINDER DA CAPO - Styria

RUDOLF BUCHBINDER DA CAPO - Styria

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Werk im Zusammenhang vor. So erlebte ich wirklich hautnah, wie<br />

sich die Sonaten in Buchbinders Seele kontinuierlich weiterentwickelten,<br />

bereicherten, verwandelten. Nicht so sehr, doch auch, was<br />

das Pianistische, Manuelle angeht. Wohl aber im Hinblick auf Tiefe<br />

und Gehalt. Was ich ihm dabei zumutete, machte ich mir kaum<br />

hinreichend klar. Einmal, es ging um die „Hammerklaviersonate“,<br />

op. 106, redete ich fast 50 Minuten lang. Er aber durfte nicht ruhig<br />

vor sich hinträumend dabei sitzen, sondern musste gespannt aufpassen,<br />

weil ja immerfort Zitate von ihm erbeten wurden, um dann<br />

letztendlich nach diesem anstrengenden Diskurs die wohl schwerste<br />

Sonate der Klavierliteratur komplett darzubieten.<br />

Die Frage, warum große Musik einen Interpreten lebenslang fesseln<br />

kann, selbst wenn ihm nichts anderes vorschwebt, als die Kompositionen<br />

„nur“ werktreu zu verlebendigen, ohne ihnen Gewalt<br />

anzutun – diese Frage kann folgendermaßen beantwortet werden:<br />

In bedeutungsvoller Klassik steckt ein Reichtum an nuancierten<br />

seelischen Gestalten, Bekundungen, Erlebnissen und Einsichten,<br />

von dem amusische Zeitgenossen kaum etwas ahnen. Solche Musik<br />

gleicht einem unendlichen Reservoir emotionaler Erfahrung! Sie<br />

lehrt uns, immer Zarteres, Verästelteres, Differenziertes wahrzunehmen.<br />

Mendelssohn hatte schon recht, als er einmal feststellte,<br />

Musik sei nicht etwa begriffslos-vage und nationale Sprache konkret<br />

klar. Sondern in Tönen gäbe es unendlich mehr Zwischenstufen<br />

gestalteter Gefühle, als Worte existieren, all diese Schattierungen<br />

zu benennen. Und damit nimmt es ein großer Pianist auf.<br />

Um nun die Aufgaben zu bewältigen, wie sie von den Werken der<br />

traditionellen Kunst und der „klassischen Moderne“ gestellt werden,<br />

helfen Rudolf Buchbinder einige bemerkenswerte künstlerische<br />

und menschliche Besonderheiten. Zunächst: Er ist für mich<br />

das größte pianistische Naturtalent, dem ich in meinem Leben<br />

begegnet bin. Er braucht sich nie Fingersätze zu notieren, tut es<br />

auch nicht, selbst bei heikelsten Schwierigkeiten! Die Finger finden<br />

es schon von selbst. Darauf kann er beneidenswerterweise fest vertrauen.<br />

So sagt er hier: „Es gibt drei Arten von Fingersätzen: den,<br />

den man studiert, den, den man den Kollegen empfiehlt, und den,<br />

den man beim Konzert erwischt.“ Das Verbum „erwischt“ verrät<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!