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Nr. 16 - Collegium Carolinum

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Dr. Gerald Mund<br />

Quellenedition<br />

„Deutschland und das Protektorat<br />

Böhmen und Mähren<br />

� Gerlestraße 3<br />

D-90459 Nürnberg<br />

� +49-911-1207501<br />

� +49-911-1207570<br />

� gerald.mund@web.de<br />

Aus den deutschen diplomatischen Akten<br />

von 1939 bis 1945“<br />

Am 15. März 2009 jährte sich zum 70. Mal der deutsche Einmarsch in Prag, der<br />

das Ende der Tschechoslowakei bedeutete. Zu diesem Jahrestag gibt es nicht nur<br />

neue Fachliteratur, sondern auch vermehrt öffentliche Debatten. Eine Ergänzung<br />

soll die aus Dokumenten des Auswärtigen Amtes bestehende Quellenedition mit<br />

dem Titel „Deutschland und das Protektorat Böhmen und Mähren. Aus den deutschen<br />

diplomatischen Akten von 1939 bis 1945“ sein, die Wissenschaftlern, Journalisten<br />

und der Öffentlichkeit als zuverlässige und umfassende Grundlage für weitere<br />

Forschungen und Diskussionen zur deutschen und tschechischen Geschichte<br />

dienen kann.<br />

Im September 1938 war Ernst Eisenlohr im Zuge der Sudetenkrise als Gesandter<br />

des Deutschen Reiches in Prag abberufen und Andor Hencke als Geschäftsträger<br />

eingesetzt worden. Mit der Angliederung der „Tschechei“ an das Dritte Reich als<br />

Protektorat Böhmen und Mähren endete am 15. März 1939 die Zweite Tschechoslowakische<br />

Republik und damit die diplomatische Arbeit der Deutschen Gesandtschaft.<br />

Trotzdem setzte Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop eine Vertretung<br />

des Auswärtigen Amtes beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren mit<br />

einem ebensolchen Vertreter (VAA) bei Hitler und Reichsprotektor Konstantin<br />

Freiherr von Neurath durch. Zu den Aufgaben des VAAs sollten die ständige Unterrichtung<br />

zunächst der Wehrmacht zählen, die nur wenige Wochen Inhaber der<br />

vollziehenden Gewalt war, und später des Reichsprotektors über wichtige außenpolitische<br />

Vorgänge. Dazu erhielt der VAA von der Zentrale das entsprechende Informationsmaterial.<br />

Des Weiteren oblag dem Vertreter die Bearbeitung aller Angelegenheiten,<br />

welche die im Ausland befindlichen Staatsangehörigen des Protektorats<br />

betrafen. Ebenso gab es eine Zuständigkeit für die im Protektorat lebenden<br />

Ausländer sowie der Konsularbehörden. Für Ribbentrop hatte jedoch die Sichtung<br />

13. Münchner Bohemisten-Treffen, 20. März 2009 — Exposé <strong>Nr</strong>. <strong>16</strong>


der Akten des tschechoslowakischen Außenministeriums durch die Deutsche Archiv-Kommission<br />

Priorität. Er glaubte, durch die Unterlagen eine antideutsche Haltung<br />

der Tschechoslowakei beweisen zu können, womit er die Okkupation völkerrechtlich<br />

erklären wollte. Dementsprechend sollte der VAA die Arbeit der Kommission<br />

beschleunigen. Wie sich später allerdings herausstellte, gab es keine negative<br />

Deutschland-Politik mit Geheimverträgen der Tschechoslowakischen Republik.<br />

Die bereits von Ribbentrop am <strong>16</strong>. März 1939 formulierte Aufgabe der laufenden<br />

Berichterstattung an die Zentrale wurde nicht explizit festgelegt, doch bekam<br />

sie im Laufe des Jahres 1939 eine zunehmende Bedeutung.<br />

Besonders Henckes Nachfolger Kurt Ziemke beschäftigte sich ab September 1939<br />

in seiner umfangreichen und detaillierten Berichterstattung mit der innenpolitischen<br />

Lage im Protektorat. Hilfreich waren ihm dabei seine guten Kontakte zu Staatssekretär<br />

Karl Hermann Frank und zu den deutschen Sicherheitsbehörden im Protektorat.<br />

Dadurch konnte er die Zentrale in Berlin beispielsweise über Regierungskrisen<br />

und -umbildungen, politische Gruppierungen und die Einheitspartei Národní souručenství,<br />

die tschechische Presse, aber auch über die Stimmungslage und das<br />

deutsch-tschechische Verhältnis informieren. Seine Nachfolger Martin von Janson,<br />

Georg Gerstberger, Werner Gerlach und Erich von Luckwald setzten diese Arbeit<br />

bis fast zum Ende des Zweiten Weltkrieges fort.<br />

Nach 1945 befasste sich eine internationale Expertengruppe mit der Herausgabe<br />

der „Akten zur deutschen auswärtigen Politik“, die sich auf Material des Auswärtigen<br />

Amtes stützt. Da aber im März 1939 die Tschechoslowakei aufgehört hatte,<br />

völkerrechtlich zu existieren, wurden nur noch sehr wenige diplomatische Unterlagen<br />

in dieses für die Wissenschaft so wichtige Standardwerk eingearbeitet. Auch in<br />

späteren Quellensammlungen, welche die Zeit der Okkupation zum Inhalt haben,<br />

wurden die vorhandenen diplomatischen Dokumente des Auswärtigen Amtes nur<br />

unzureichend berücksichtigt.<br />

Diese Quellenedition kann kein vollständiges Bild über die Ereignisse im Protektorat<br />

Böhmen und Mähren vermitteln. In den Akten des Politischen Archivs des<br />

Auswärtigen Amtes bestehen dazu zu große Fehlbestände. Grund dafür ist unter<br />

anderem ein abnehmender Schriftverkehr durch fehlende Diplomaten, Bombeneinschläge<br />

mit Bränden im Auswärtigen Amt sowie Anweisungen zur Vernichtung<br />

wichtiger Akten. Einige Bestandslücken konnten allerdings mit Dokumenten aus<br />

der Reichskanzlei, der Dienststelle Ribbentrop oder anderer Reichsbehörden, die<br />

im Bundesarchiv und im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes lagern, geschlossen<br />

werden. Darüber hinaus konnten Dokumente der Vertretung des Auswärtigen<br />

Amtes sowie Materialien aus dem persönlichen Besitz des VAAs Kurt Ziemke,<br />

die sich im Staatsarchiv/Národní archiv in Prag befinden, eingearbeitet werden.

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