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DAS INTERVIEW Klinikclown Gerry Sheridan erzählt<br />
Sonntag, 3. April 2011<br />
kaufen + sparen 5<br />
Clinic Clown Gerry Sheridan bringt seine Gitarre mit <strong>und</strong> versucht die kleinen Patienten in der<br />
Uniklinik einwenigaufzuheitern. Foto RED<br />
Ein Funke im Auge<br />
Gerry Sheridan versucht ihn auf die Kinder zu übertragen<br />
MÜNSTER. Gerry Sheridan hat<br />
sich schon auf vielen Berufsfeldern<br />
getummelt. Hauptsächlich<br />
ist er jedoch Schauspieler,<br />
Musiker <strong>und</strong> Clown.<br />
Wir sprachen mit dem 54-jährigen<br />
gebürtigen Dubliner<br />
über seine Spielfreude <strong>als</strong> Clinic<br />
Clown in den Krankenzimmern<br />
der Uniklinik.<br />
Wann sind Sie das erste Mal<br />
mit den Clinic Clowns im<br />
Universitätsklinikum aufgetreten?<br />
Ich bin Anfang der 90er<br />
Jahre mit Klaus Renzel zusammen<br />
<strong>als</strong> „Melodions“ bei<br />
der Eröffnung aufgetreten.<br />
Wir waren erst zu zweit, inzwischen<br />
sind es sieben<br />
Clowns. Dam<strong>als</strong> sind wir zu<br />
unterschiedlichen Tagen dahin<br />
gegangen. Jetzt ist immer<br />
mittwochs der Clownstag.<br />
Sie sind immer noch zu<br />
zweit?<br />
Ja, es ist besser für die Kinder,<br />
damit die nicht unter<br />
Druck gestellt werden. Dann<br />
sind wir nicht immer auf das<br />
Kind bezogen. Die haben<br />
schon genug Druck, wenn sie<br />
im Krankenhaus sind.<br />
Hilft da Ihr Pädagogik-Studium?<br />
Indirekt, denke ich, schon.<br />
Es ist jedoch eher der<br />
Clownansatz, der hilft. Auch<br />
die Musik hat sehr viel gebracht.<br />
Es ist sehr leicht, mit<br />
Musik eine Atmosphäre zu erzeugen.<br />
Besonders bei den<br />
Kleinen, wenn die Angst haben.<br />
Für die ist das erst einmal<br />
komisch. Da kommen für<br />
ihre Verhältnisse sehr große<br />
Gestalten mit einer dicken roten<br />
Nase ins Zimmer <strong>und</strong> die<br />
wissen zunächst nicht: Sind<br />
das Monster oder nicht?<br />
Wie treten Sie in Kontakt<br />
mit den jungen Patienten?<br />
Das ist unterschiedlich. Es<br />
ist eine sehr große Altersspanne.<br />
Sie geht von Babys<br />
bis zu 19-, 20-Jährigen. Bei<br />
den Jugendlichen braucht<br />
man andere Spielansätze. Da<br />
kann man mit Hiphop oder einer<br />
radikaleren Spielweise<br />
eher ankommen. Bei den<br />
Kleinen macht man eher Seifenblasen,<br />
schöne Musik oder<br />
ganz vereinfachte Spiele.<br />
Welche Rolle spielt das Klinikpersonal?<br />
Die Kinder sind in einer<br />
fremden Umgebung, <strong>und</strong> die<br />
Eltern sind nicht immer da.<br />
Das Personal macht das schon<br />
toll. Die verdienen ein großes<br />
Lob, wie die auf die Bedürfnisse<br />
der Kleinen eingehen.<br />
Die Krankenhäuser wären<br />
verloren ohne die Krankenschwestern<br />
<strong>und</strong> Pfleger.<br />
Gibt es auch Kinder, die Sie<br />
gar nicht erreichen?<br />
Manche Kinder haben einfach<br />
keine Lust. Manche sind<br />
energetisch schlicht am Boden.<br />
Haben gerade eine<br />
schlechte Nachricht oder sind<br />
schlecht drauf. Man muss gucken.<br />
Es läuft vieles über den<br />
Blickkontakt. Wir stehen erst<br />
an der Tür <strong>und</strong> öffnen sie<br />
leicht <strong>und</strong> fragen, ob wir reindürfen.<br />
Funken in den Augen<br />
signalisieren, ob wir erwünscht<br />
sind. Manchmal ist<br />
es aber auch in einer Sek<strong>und</strong>e<br />
ein Ja mit den Augen <strong>und</strong><br />
gleich darauf schon ein Nein.<br />
Muss man abwägen. Man<br />
muss selber einen kleinen<br />
Funken in den Augen haben.<br />
Es sind ja auch immer unterschiedliche<br />
Diagnosen <strong>und</strong><br />
oft ganz schreckliche Geschichten.<br />
Nehmen Sie die<br />
mit nach Hause?<br />
Letztens hatte ich ausgerechnet<br />
ein irisches Mädchen.<br />
Das ist zwei Jahre alt <strong>und</strong> hat<br />
eine Verkalkung der Arterien.<br />
Es ist eine Stoffwechselkrankheit.<br />
An der Uniklinik gibt es<br />
einen Spezialisten. Es ist<br />
schon nicht leicht zu sehen,<br />
wie ein kleines Kind sich freut<br />
<strong>und</strong> die Mutter weiß genau,<br />
dass es das erste Jahr nicht<br />
überlebt. Meistens ist es aber<br />
toll, weil es so viel Spaß<br />
macht. Die sind schwer<br />
krank, sehen die Clowns <strong>und</strong><br />
wollen einfach nur spielen.<br />
Sie bieten ja auch eine Ablenkung<br />
vom Alltag ...<br />
Wir repräsentieren den<br />
Spielgeist für sie. Es ist quasi<br />
GANZPERSÖNLICH<br />
Zum Urlaub in die Natur<br />
ein Schlüssel für die Kommunikation.<br />
Die Kinder haben<br />
ein bestimmtes Bild vom <strong>und</strong><br />
eine Erwartungshaltung an<br />
den Clown.<br />
Wie zeigen Kinder Ihnen,<br />
dass sie Spaß haben?<br />
Letztens war da ein fünfjähriges<br />
südamerikanisches<br />
Mädchen, kleines Gesicht,<br />
lange dunkle Haare. Ich habe<br />
dann eine große rote Nase<br />
auf ihr Gesicht gesteckt. Die<br />
war fast so groß wie das Gesicht.<br />
Es sah komisch aus. Sie<br />
freute sich wie ein Honigkuchenpferd.<br />
Ich spielte spanische<br />
Musik <strong>und</strong> sie tanzte dazu.<br />
Das ist auch für mich Unterhaltung.<br />
Manchmal schreiben<br />
sie auch Dankesbriefe<br />
oder malen die Clowns. Kleine<br />
Dialoge mit Sprechblasen.<br />
Die kommen dann an die<br />
Wand.<br />
Sie müssen doch sicher auch<br />
manchmal improvisieren?<br />
Manchmal werfen wir alles<br />
über den Haufen. Wir versuchen<br />
auch das Personal mit<br />
einzubeziehen. Die wollen<br />
auch ihren Spaß haben <strong>und</strong><br />
tanzen. Dann lachen die Leute<br />
über die Schwestern. Das<br />
lockert auf. Es bricht die klassische<br />
Institution auf, die oft<br />
sehr steif in ihren Strukturen<br />
ist. Das Personal haucht dem<br />
Ganzen so viel Leben, Liebe<br />
<strong>und</strong> Großzügigkeit ein. Das<br />
ist oft toll. Wir sind im Gr<strong>und</strong>e<br />
nur eine Ergänzung.<br />
Krankenhäuser sind ja eher<br />
auch triste Orte ...<br />
Allein der Name Krankenhaus<br />
sagt es ja schon: Es ist<br />
für Kranke. Die nennen das<br />
jetzt ja Ges<strong>und</strong>heitszentrum.<br />
(lacht) Es ist vom Ansatz her<br />
eine sich selbst erfüllende<br />
Prophezeiung.<br />
Gerry Sheridan wurde am 22. Januar 1957 in Dublin (Irland)<br />
geboren. Er ist nicht verheiratet <strong>und</strong> hat keine Kinder.<br />
Welches Buch lesen Sie gerade? „Sehen“ von John Berger.<br />
Worüber haben Sie zuletzt gelacht? Über den Film „Eggs“<br />
von Bent Hamer.<br />
Wobei entspannen Sie am besten? BeimMeditieren.<br />
Wohin fahren Sie am liebsten in den Urlaub? Egal wo.<br />
Hauptsache in die Natur.<br />
Was ist Ihre größte Leidenschaft? Filmeschauen <strong>und</strong>machen<br />
sowie Musik machen.<br />
Was mögen Sie an Münster am liebsten? Das langsame<br />
Tempo <strong>und</strong> die Sicherheit.<br />
Was gefällt Ihnen weniger gut? DieBürokraten.