Prof. Dr. Hartmut Rupp: "Bonhoeffer heute"
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Hartmut</strong> <strong>Rupp</strong> Vortrag: „<strong>Bonhoeffer</strong> heute“ 26. Januar 2006<br />
2. Die Kirche vor der Judenfrage, April 1933 – die erste Station<br />
Als die Nationalsozialisten 1933 an die Regierung kommen und Hitler Reichskanzler wird,<br />
geht es Schlag auf Schlag. 28. Februar – Notverordnung, 24. März – Ermächtigungsgesetz,<br />
1. April – Boykott jüdischer Geschäfte, 7. April – Einführung des Arierparagraphes. Beamte<br />
jüdischer Herkunft werden aus dem Dienst entlassen. Nationalsozialistische Kräfte<br />
innerhalb der evangelischen Kirche drängen darauf, dieses Gesetz auch auf Pfarrer anzuwenden.<br />
Als Protest dagegen bildet sich die Bekennende Kirche. Der Protest wird wirksam.<br />
Anfänglich wenige, später zunehmend mehr Pfarrer schließen sich der Bekennenden<br />
Kirche an und wenden sich gegen die Diskriminierung von evangelischen Pfarrern, die im<br />
Sinne des nationalsozialistischen Rassengesetzes Judenchristen sind. Zu einem Protest gegen<br />
die Diskriminierung von Juden in Staat und Gesellschaft kommt es nicht. Im Gegenteil.<br />
Es gibt prominente Stimmen, die den nationalsozialistischen Staat zu hartem Eingreifen<br />
ermutigen. So der damalige Superintendent und spätere Bischof von Berlin, Otto<br />
Dibelius, am 21. März 1933 anlässlich der Wiedereröffnung des Reichtags nach seinem<br />
Brand. Anders Dietrich <strong>Bonhoeffer</strong>. Als einer der ganz wenigen in Kirche und Gesellschaft<br />
nimmt er klar und deutlich Stellung. Am 14. April 1933 legt er einen Aufsatz vor zum<br />
Thema „Die Kirche vor der Judenfrage“. Vorher hatte er seine Überlegung schon einmal<br />
an einen Pfarrkonvent in Berlin vorgetragen. Als einer der wenigen wendet er sich gegen<br />
eine Rassenideologie. „Judentum ist niemals ein rassischer, sondern religiöser Begriff“,<br />
sagt er. Das haben bis heute noch nicht viele verstanden und ordnen deshalb die Begriffe<br />
„Deutsche“ und „Juden“ neben einander. Angemessen wäre von „Juden und Christen“ zu<br />
reden.<br />
Im Blick auf das staatliche Handeln sagt er: Kirche hat dem Staat nichts vorzuschreiben.<br />
Aber Kirche muss den Staat fragen, ob sein Handeln tatsächlich für Recht und Ordnung<br />
sorgt. Der Staat steht immer wieder in der Gefahr, entweder zu wenig oder zu viel an Recht<br />
und Ordnung zu schaffen. Ein „Zuwenig“ schafft er, wenn er eine Gruppe von Menschen,<br />
wie z. B. jetzt Deutsche jüdischer Abstammung in dem so genannten Arierparagraph<br />
rechtlos macht. Auch <strong>Bonhoeffer</strong>s Schwager, Gerhard Leibholz, ist von diesem Arierparagraph<br />
betroffen. Gerhard Leibholz ist der Mann seiner Zwillingsschwester Sabine, die<br />
10 Minuten nach ihm geboren wurde. Ein „Zuviel“ an Recht und Ordnung liegt dann vor,<br />
wenn der Staat in die Kirche eingreift und dort das kirchliche durch staatliches Recht ersetzen<br />
will. <strong>Bonhoeffer</strong> hat die Einführung des Arierparagraphes in der Kirche vor Augen,<br />
von der auch sein Freund, Franz Hildebrandt, betroffen ist.<br />
In einer solchen Situation hat die Kirche drei Möglichkeiten:<br />
(1) den Staat nach der Rechtmäßigkeit seines Handelns zu befragen<br />
(2) den Opfern staatlichen Handels beizustehen und – <strong>Bonhoeffer</strong> spricht jetzt metaphorisch<br />
–<br />
(3) nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die<br />
Speichen zu fallen.<br />
Alle drei Möglichkeiten sind Ausdruck des Respekts vor dem Staat. Für die dritte Möglichkeit<br />
jedoch sieht <strong>Bonhoeffer</strong> die Zeit noch nicht gekommen. Aber eines ist ihm klar:<br />
über die Situation und das richtige Handeln muss dann in einem „evangelischen Konzil“<br />
entschieden werden. Das war damals ein vollkommen neuer Gedanke. Als das Führerprinzip<br />
von allen bejubelt wird, spricht er von demokratischen Prozessen.<br />
Man muss sich klarmachen, was da geschehen ist. <strong>Bonhoeffer</strong> wendet sich ja nicht nur<br />
gegen die Maßnahme des Hitlerregimes und gegen eine nationalsozialistisch gefärbte<br />
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