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Menschenhandel und Arbeitsausbeutung in Deutschland (PDF, 368 ...

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4.2 ZWANGSARBEIT UND ILLEGALE BESCHÄFTIGUNG<br />

Die vorangehenden Kapitel haben aufgezeigt, dass Zwangsarbeit das Ergebnis von<br />

regulärer wie irregulärer Migration ist. In e<strong>in</strong>igen Ausnahmefällen - hauptsächlich <strong>in</strong><br />

der Sex<strong>in</strong>dustrie - kann dieses Problem auch deutsche Staatsangehörige betreffen.<br />

Aus der empirischen Untersuchung ergibt sich auch die Schlussfolgerung, dass es<br />

e<strong>in</strong>en gr<strong>und</strong>legenden Unterschied gibt e<strong>in</strong>erseits zwischen Schuldknechtschaft,<br />

Entführung <strong>und</strong> Sklaverei, wo Menschen direkt an Menschenhändler verkauft werden,<br />

<strong>und</strong> andererseits Situationen der Zwangsarbeit, die sich über e<strong>in</strong>en Zeitraum allmäh-<br />

lich entwickeln. Selbst wenn e<strong>in</strong> Anwerber oder Arbeitgeber Wanderarbeitnehmer mit<br />

ausbeuterischer Absicht e<strong>in</strong>stellt, gehen die Migranten, denen falsche Tatsachen<br />

vorgespiegelt werden, diese Beziehung häufig freiwillig e<strong>in</strong>. Die ausbeuterischen<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Entlohnungsbed<strong>in</strong>gungen werden im Allgeme<strong>in</strong>en nach <strong>und</strong> nach e<strong>in</strong>geführt.<br />

Um den Term<strong>in</strong>us zu verwenden, den e<strong>in</strong> Sachverständiger der IG BAU bei<br />

e<strong>in</strong>em Interview prägte, “testen” die Täter die Bereitschaft der Opfer zum Widerstand<br />

“aus” <strong>und</strong> ziehen dann die Schraube der E<strong>in</strong>schüchterung immer weiter an.<br />

Wanderarbeitnehmer s<strong>in</strong>d also nicht e<strong>in</strong>fach Opfer von Zwangsarbeit, sie werden zu<br />

Opfern. In diesem Kapitel wird die schrittweise Auferlegung von Formen des Zwanges<br />

<strong>in</strong> dem größeren Kontext illegaler <strong>und</strong> unter der Norm liegender Beschäftigung <strong>in</strong> bestimmten<br />

Wirtschaftszweigen untersucht. Dabei wird die Wahrnehmung der unter-<br />

schiedlichen Akteure, <strong>in</strong>sbesondere der Migranten selbst, berücksichtigt.<br />

DIE SICHTWEISE DER MIGRANTEN<br />

Werden die <strong>in</strong>formellen Absprachen zwischen Arbeitgebern <strong>und</strong> Arbeitnehmern <strong>in</strong><br />

Bezug auf Entlohnung <strong>und</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>gehalten, f<strong>in</strong>det illegale<br />

Beschäftigung im gegenseitigen E<strong>in</strong>vernehmen von Arbeitgebern <strong>und</strong> Arbeitnehmern<br />

statt. In diesem Fall profitieren alle Parteien von dem illegalen<br />

Beschäftigungsverhältnis, es ergibt sich e<strong>in</strong>e ‚W<strong>in</strong>-W<strong>in</strong>-Situation’ für alle Beteiligten.<br />

Diese e<strong>in</strong>vernehmliche Beziehung zwischen geme<strong>in</strong>samen Tätern wird <strong>in</strong> der<br />

Krim<strong>in</strong>ologie als “Straftat ohne Opfer” bezeichnet, weil ke<strong>in</strong>er der direkten Akteure<br />

e<strong>in</strong>en persönlichen Verlust erleidet. Illegale Beschäftigung <strong>in</strong> gegenseitigem<br />

E<strong>in</strong>vernehmen ist e<strong>in</strong> typisches Kontrolldelikt, bei dem viele Fälle unentdeckt bleiben.<br />

Die Mehrheit der <strong>in</strong>terviewten illegalen ausländischen Arbeitnehmer unterstrich die<br />

Vorteile des Arbeitens <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Ausländische Wanderarbeiter haben ke<strong>in</strong>e<br />

moralischen Bedenken, sich an der <strong>in</strong>formellen Wirtschaft zu beteiligen. Die<br />

Verletzung der Gesetze wird mit dem Argument gerechtfertigt, dass die Arbeitnehmer<br />

legitime Arbeiten ausführen <strong>und</strong> faire Löhne dafür erhalten, mit denen sie ihre<br />

Familien unterstützen <strong>und</strong> berechtigte Bedürfnisse befriedigen können. Sie betonen,<br />

dass die schlechte wirtschaftliche Situation im Heimatland sie dazu zw<strong>in</strong>gt, im Ausland<br />

zu arbeiten.<br />

<strong>Menschenhandel</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 53

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