13.01.2013 Aufrufe

Komplexe Symbiosen? Pilze, Algen und Bakterien auf Außenfassaden

Komplexe Symbiosen? Pilze, Algen und Bakterien auf Außenfassaden

Komplexe Symbiosen? Pilze, Algen und Bakterien auf Außenfassaden

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Komplexe</strong> <strong>Symbiosen</strong>?<br />

Besteht ein technischer Mangel durch<br />

organische Besiedlung oder handelt<br />

es sich ausschließlich um eine optische<br />

Beeinträchtigung? Der bayrische<br />

Sachverständigenverband hat schon<br />

2005 eine vorzeitige Veralgung als<br />

Mangel tituliert. Zur Klärung dieser<br />

Fragen sind vor allem die Ursachen<br />

für eine mikrobielle Besiedlung zu klä -<br />

ren. Nur im Hinblick <strong>auf</strong> die Ursachen<br />

kann die Wirksamkeit von Maßnahmen<br />

gegen den mikrobiellen Befall<br />

abgeschätzt werden. Darüber hinaus<br />

sind alle technischen Möglichkeiten<br />

gegen den Befall an der Baukonstruktion<br />

<strong>und</strong> an den verwendeten<br />

Baustoffen auszuschöpfen.<br />

Ursachen <strong>und</strong> Schäden<br />

durch Mikroorganismen<br />

Aus dem Blickwinkel eines Mikrobiologen<br />

stellte sich die folgende Sichtweise<br />

dar:<br />

Die mikrobielle Kontamination <strong>und</strong><br />

die Intensität ihrer nachfolgenden<br />

Schadensprozesse sind, <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> der<br />

nährstoff- <strong>und</strong> feuchtespezifischen<br />

Wachstumsanforderungen, eng mit<br />

den petrologischen Eigenschaften<br />

der jeweiligen Baustoffe verb<strong>und</strong>en.<br />

Hierzu zählen die Mineralzusammensetzung,<br />

Art des Bindemittels, die<br />

Porosität <strong>und</strong> die Permeabilität. Da -<br />

mit stellt, neben den physikalischen<br />

<strong>und</strong> chemischen Einflüssen der Umwelt,<br />

die strukturellen Baustoffeigenschaften,<br />

insbesondere die Porosität,<br />

gr<strong>und</strong>legende Eigenschaften für die<br />

26 · DER MALER UND LACKIERERMEISTER 10/ 2010<br />

<strong>Pilze</strong>, <strong>Algen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Bakterien</strong> <strong>auf</strong> <strong>Außenfassaden</strong><br />

Bedrohen <strong>Pilze</strong> <strong>und</strong> <strong>Algen</strong> unsere Fassaden? Hydrophile oder hydrophobe Einstellung<br />

der Außenbeschichtungen? Wie ges<strong>und</strong> ist ein biozider Zusatz in Außenbeschichtungen<br />

<strong>und</strong> wie lange funktioniert er? – All diese Fragen beschäftigen den Handwerker, Planer<br />

<strong>und</strong> den Bauherrn. Die Verpilzung <strong>und</strong> Veralgung unserer <strong>Außenfassaden</strong> hat schon<br />

seit je stattgef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ist mit dem Auftreten an sogenannten „kalten Fassaden“ oder<br />

wärmegedämmten Fassaden wieder aktuell geworden. Auch die Rechtslage ist nicht eindeutig.<br />

Gerichte entscheiden über eine vorzeitige Veralgung oder Verpilzung einer frischen Fassade<br />

als Mangel unterschiedlich. Auch aus Sachverständigenkreisen wird über die vorzeitige<br />

Besiedlung mit organischen Mikroorganismen sehr unterschiedlich diskutiert.<br />

Besiedlung mit Mikroorganismen an<br />

oder in Bauwerken dar [1]. Sehr unterschiedliche<br />

Gruppen von Mikro -<br />

organismen können sich <strong>auf</strong> Bauteil -<br />

oberflächen ansiedeln <strong>und</strong> nachfolgend<br />

die Oberflächeneigenschaften<br />

im Sinne der Wachstumsförderung<br />

verändern:<br />

– <strong>Algen</strong> <strong>und</strong> Cyanobakterien,<br />

– <strong>Bakterien</strong>,<br />

– <strong>Pilze</strong>,<br />

– anaerobe Mikroorganismen.<br />

<strong>Algen</strong> bauen durch den Vorgang der<br />

Fotosynthese mit dem Energieträger<br />

Sonne <strong>und</strong> dem in der Luft vorhandenen<br />

Kohlendioxid Kohlenhydrate<br />

<strong>auf</strong>. Zum Wachstum benötigen sie<br />

ausreichend Feuchtigkeit, Stickstoffverbindungen<br />

<strong>und</strong> Mineralstoffe.<br />

<strong>Bakterien</strong> können aus anorganischen<br />

Verbindungen Energie gewinnen <strong>und</strong><br />

bilden dabei schweflige Säuren <strong>und</strong><br />

Salpetersäure.<br />

Bestimmte <strong>Bakterien</strong>arten <strong>und</strong> <strong>Pilze</strong><br />

benötigen organische Substanzen<br />

aus denen sie Energie gewinnen <strong>und</strong><br />

Wachstum möglich ist.<br />

Anaerobe Mikroorganismen, die<br />

unter Luftabschluss organische Verbindungen<br />

unvollständig oxidieren<br />

<strong>und</strong> korrosive Verbindungen in Form<br />

von Milch-, Essigsäuren <strong>und</strong> Schwefelwasserstoff<br />

ausscheiden.<br />

Die unterschiedlichen Gruppen von<br />

Mikroorganismen besiedeln im L<strong>auf</strong><br />

der Zeit gemeinsam die Baustoff -<br />

oberfläche. Häufig treten als erstes<br />

<strong>Algen</strong> <strong>auf</strong> der Oberfläche <strong>auf</strong>, denen<br />

folgen <strong>Pilze</strong> <strong>und</strong> <strong>Bakterien</strong>, die sich in<br />

Symbiose <strong>auf</strong> den Flächen ausbreiten.<br />

In Einzelfällen treten auch ausschließlich<br />

<strong>Pilze</strong> als Erstbesiedlung<br />

<strong>auf</strong> [1].<br />

In der Folgezeit können <strong>auf</strong> den<br />

Oberflächen komplexe <strong>Symbiosen</strong><br />

von <strong>Pilze</strong>n <strong>und</strong> <strong>Algen</strong> in Form von<br />

Flechten entstehen. Das Wachstum<br />

dieser Mikroorganismen wird durch<br />

die Zufuhr von Licht, Wasser <strong>und</strong><br />

Nährstoffen bestimmt.<br />

Besiedlungsoberfläche<br />

Baustoffoberflächen können unter<br />

Um ständen einen idealen Besiedlungsplatz<br />

für Mikroorganismen bilden.<br />

Eine Außenfassade ist dem<br />

Schlagregen <strong>und</strong> der Sonneneinstrahlung<br />

ausgesetzt. Die Oberfläche<br />

weist in Abhängigkeit von der Herstellung<br />

<strong>und</strong> der chemischen Zusammensetzung<br />

eine porige Oberfläche<br />

Dr. Michael<br />

Figgemeier<br />

Dipl.-Mineraloge,<br />

1993 Promotion<br />

in der Bau- <strong>und</strong><br />

Werk stoffchemie.<br />

1994 bis 2003<br />

Anwendungstech niker<br />

in der Bau stoffin du strie.<br />

Seit 2004 eigen ständiges Gutachterbüro<br />

<strong>und</strong> Labor für Baustoff analyse &Bauphysik<br />

in Remseck. Öffentlich bestellter <strong>und</strong> ver -<br />

ei digter Sachverständiger der IHK Stuttgart.<br />

www.figgemeier.de


<strong>und</strong> Wasser<strong>auf</strong>nahmefähigkeit <strong>auf</strong>.<br />

Unter Umständen können Mikroorganismen<br />

einen Teil der Baustoffe<br />

(Kalkverbindungen etc.) als Nährstoffe<br />

umsetzen. Baustoffoberflächen stellen<br />

unter Umständen sehr günstige<br />

bis ideale Voraussetzungen für die<br />

Besiedlung von Mikroorganismen dar.<br />

Die Oberfläche der Baustoffe, das<br />

Nährstoffangebot im oder außerhalb<br />

des Baustoffs, Licht <strong>und</strong> Feuchte<br />

entscheiden über die Art <strong>und</strong> Menge<br />

der Ansiedlung. Unstrittig ist, dass<br />

die <strong>Pilze</strong>, <strong>Bakterien</strong> <strong>und</strong> <strong>Algen</strong> sehr<br />

flexibel <strong>auf</strong> das Nährstoffangebot re a -<br />

gieren können. Mit der verstärkten<br />

Ansiedlung schafft sich der Mikro -<br />

organismus sein eigenes Klima bzw.<br />

Milieu, um besonders gut zu gedeihen.<br />

Die Besiedlungsfläche, biozide<br />

Zusatzstoffe in Anstrichen oder die<br />

Feuchtesorption verlieren ihren Einfluss<br />

<strong>und</strong> sind bei starker Besiedlung<br />

bedeutungslos. Eine Veralgung ist<br />

<strong>auf</strong> fast allen Oberflächen an der<br />

Außenluft zu beobachten. Besonders<br />

betroffen sind Natursteine, Holz, Metalle,<br />

Beton, organische <strong>und</strong> mineralische<br />

Außenbeschichtungen.<br />

Schäden durch<br />

Mikroorganismen<br />

In der Regel geht von den Mikroorganismen<br />

<strong>auf</strong> Bauteiloberflächen im<br />

Außenbereich keine Gefahr für die<br />

Bewohner aus, da in der Außenluft<br />

eine stärkere Konzentration von z. B.<br />

Pilzsporen an Hausfassaden durch<br />

Verdünnungseffekte im Gegensatz zu<br />

den Innenräumen nicht zu erwarten<br />

ist.<br />

Bei längerer Einwirkung von <strong>Algen</strong><br />

oder <strong>Bakterien</strong> bildet sich <strong>auf</strong> der<br />

Oberfläche der Baustoffe ein sogenannter<br />

Biofilm oder Bioschleim, der<br />

dazu führt, dass die Oberfläche der<br />

Baustoffe angegriffen werden kann.<br />

Die Umsetzungsprodukte in Form von<br />

Säuren greifen das Kalkbindemittel<br />

an <strong>und</strong> führen zu tief greifenden Zerstörungen.<br />

Besondere Schäden sind<br />

an Natursteinoberflächen mit einer<br />

kalkigen <strong>und</strong> porösen Bindemittelmatrix<br />

zu beobachten. Es bilden sich<br />

dort schalige Krusten <strong>auf</strong> den Oberflächen,<br />

die an der Oberfläche relativ<br />

hart sind <strong>und</strong> den tatsächlichen Schaden<br />

an der Oberfläche verschleiern.<br />

Unter diesen Oberflächen bilden sich<br />

komplexe Biofilme, die durch die<br />

tiefe Eindringung in die Steinsub -<br />

s tanz ein erhebliches Schadens -<br />

potenzial darstellen <strong>und</strong> die spätere<br />

Restaurierung der Oberflä chen vor<br />

eine komplexe Aufgabe stellt.<br />

Abb. 1: Giebelfläche eines modernen Einfamilienhauses mit starken Rissbildungen.<br />

Mineralische oder organisch geb<strong>und</strong>ene<br />

Oberputze mit wasserabweisenden<br />

Eigenschaften werden durch<br />

<strong>Bakterien</strong>, <strong>Pilze</strong> oder <strong>Algen</strong> in der<br />

Regel im Zeitraum eines Renovierungsintervalls<br />

nicht tiefgreifend geschädigt.<br />

Die Situation ändert sich, wenn Risse,<br />

wie im folgenden Beispiel, in der<br />

Beschichtung <strong>auf</strong>treten <strong>und</strong> es zu<br />

einer Wassereindringung infolge von<br />

Schlagregen kommt. Die Abbildungen<br />

1 <strong>und</strong> 2 zeigen das Giebelfeld<br />

eines Einfamilienhauses mit horizontalen<br />

<strong>und</strong> vertikalen Rissbildungen<br />

in der Putzbeschichtung. Die Dämmplatten<br />

<strong>auf</strong> dem Betongurt hatten sich<br />

gelöst <strong>und</strong> infolge der thermischen<br />

Beanspruchung haben sich die Platten<br />

stark verwölbt. Es bildeten sich<br />

an den Plattengrenzen infolge der<br />

hohen Zugbelastung in der Beschichtung<br />

Risse. Die Risse mit einer<br />

Breite von $ 0,3 mm transportieren<br />

kapillar das Wasser in die Putzschicht.<br />

In der Risszone konnten sich <strong>Pilze</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Algen</strong> ansiedeln. Die moderne<br />

Architektur des Gebäudes ver fügt<br />

über keinen konstruktiven Feuchte-<br />

Abb. 3: Rissbildungen in der<br />

Beschichtung eines Wärmedämm-<br />

Verb<strong>und</strong>systems mit starker<br />

Verpilzung der Rissrandbereiche.<br />

Abb. 2: Organischer Bewuchs an<br />

den Rissflanken durch Auffeuchtung<br />

der Putzfläche über die Risse.<br />

schutz der Fassade. Weder ist ein<br />

Dachüberstand, noch sind Fensterbänke<br />

vorgesehen. Die vorzeitige Besiedlung<br />

mit Mikroorganismen ist jedoch<br />

<strong>auf</strong> die Risse in der Beschichtung<br />

zurückzuführen.<br />

An einem weiteren Beispiel zeigte<br />

sich eine ähnliche Verpilzung <strong>auf</strong> der<br />

Beschichtung eines Dämmsystems.<br />

Hier hatten sich zudem feine Haar risse<br />

gebildet, an dessen Ränder sich in<br />

einem Abstand von ca. 2,5 cm der<br />

Pilzsaum angesiedelt hatte. Nach<br />

Öffnung der Beschichtung war die<br />

Rissbildung <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> der nicht ausreichend<br />

gestoßenen Dämmplatten<br />

erklärbar (Abb. 3). Die verstärkte Pilzbildung<br />

wurde durch die Haarriss -<br />

bildung begünstigt, da sich in dieser<br />

Zone verstärkt Tauwasser niederschlagen<br />

konnte. Die Gesamtfassade wies<br />

auch in den rissfreien Flächen deut -<br />

liche Pilzbildungen <strong>auf</strong>.<br />

Das Obergeschoss einer Wohnan -<br />

lage in München weist extreme Veralgungen<br />

<strong>auf</strong> (Abb. 4). Die Untersuchungen<br />

zeigten, dass der Oberputz<br />

in einer sehr dünnen Schicht <strong>auf</strong> getragen<br />

war <strong>und</strong> Feuchtigkeit stark<br />

absorbieren konnte (Abb. 5). Ein zusätzlicher<br />

Anstrich war nicht vorhanden.<br />

Durch die andauernde Durchfeuchtung<br />

konnte sich der <strong>Algen</strong> -<br />

befall stark entwickeln.<br />

DER MALER UND LACKIERERMEISTER 10/ 2010 · 27


Hydrophob oder hydrophil?<br />

Die aktuelle Diskussion bei wärmegedämmten<br />

Fassaden dreht sich um<br />

die Frage, können an der Oberfläche<br />

hydrophile Oberputze die Feuchtigkeit<br />

wirksam <strong>auf</strong>nehmen, um den<br />

erhöhten Tauwasseranfall <strong>auf</strong> den<br />

Ober flächen zu verhindern. Mit diesem<br />

Ansatz geht man von der Auffassung<br />

stark wasserabweisender<br />

Oberflächen in eine andere Richtung.<br />

Die Feuchtigkeit wird unmittelbar<br />

absorbiert <strong>und</strong> über den Vorgang der<br />

Diffusion wieder an die Oberfläche<br />

abgegeben. Die Oberfläche des Putzes<br />

verbleibt trocken, sodass Mikroorganismen<br />

aus der Luft nicht <strong>auf</strong> der<br />

Oberfläche haften können. In diesen<br />

Putzsystemen verzichtet man <strong>auf</strong> die<br />

übliche biozide Filmkonservierung<br />

gegen den organischen Befall. Inwieweit<br />

sich dieses System bewährt,<br />

muss die Baupraxis zeigen.<br />

Die neuesten wasserabweisenden<br />

Putz- <strong>und</strong> Farbsysteme basieren <strong>auf</strong><br />

dem Effekt der Nanotechnik, indem<br />

feinste Strukturen <strong>auf</strong> der Oberflä -<br />

che, ähnlich dem eines Pflanzenblattes<br />

für einen schnellen Wasserabl<strong>auf</strong><br />

<strong>auf</strong> der Oberfläche sorgen. Durch<br />

die Molekülform der Beschichtungsstoffe<br />

wird die Oberflächenspannung<br />

deutlich unter der des Wassers verschoben.<br />

Eine adhäsive Wirkung des<br />

stark polaren Wassermoleküls wird<br />

durch diese Oberflächenausformung<br />

der Nanopartikel vollständig unterdrückt.<br />

Mit dem schnellen Wasser -<br />

abl<strong>auf</strong> werden auch unter günstigen<br />

Voraussetzungen Schmutzpartikel an<br />

der Fassade <strong>auf</strong>genommen <strong>und</strong> von<br />

der Oberfläche gespült.<br />

Mit diesem physikalischen Prinzip<br />

lassen sich Tauwasserniederschläge<br />

Abb. 4: Extreme Veralgung im Obergeschoss einer Wohnanlage<br />

mit nicht gestrichenem Oberputz.<br />

28 · DER MALER UND LACKIERERMEISTER 10/ 2010<br />

<strong>auf</strong> stark unterkühlten Fassaden<br />

eines Wärmedämm-Verb<strong>und</strong>systems<br />

nicht verhindern. Untersuchungen<br />

konnten zeigen, dass 60-mal mehr<br />

der Taupunkt <strong>auf</strong> einer gedämmten<br />

Fassade unterschritten wird als <strong>auf</strong><br />

einem Massivmauerwerk. Der Wärm e -<br />

fluss <strong>und</strong> die hohe Wärmekapazität<br />

eines Massivmauerwerks führen da -<br />

zu, dass eine Taupunktunterschreitung<br />

durch eine schnelle Unterkühlung<br />

der Oberfläche gegenüber dem<br />

Außenklima verhindert bzw. verzögert<br />

wird. Der Vorteil einer thermischen<br />

Entkoppelung durch den Dämmstoff<br />

führt zu einer kalten Fassadenoberfläche<br />

<strong>und</strong> damit zu dem Nachteil<br />

gegenüber einem Massivmauerwerk<br />

eines häufigen Tauwasserniederschlags.<br />

Der feine Feuchtigkeitsfilm eines<br />

Tauwasserniederschlags verbleibt in<br />

der Regel <strong>auf</strong> der Oberfläche <strong>und</strong><br />

bietet eine gute Gr<strong>und</strong>lage für die<br />

Be siedlung mit Mikroorganismen.<br />

Den Farbbeschichtungen <strong>auf</strong> den<br />

stark wasserabweisenden Systemen<br />

wird ein biozider Zusatzstoff beigefügt,<br />

der die Ausbreitung von <strong>Algen</strong>,<br />

<strong>Pilze</strong>n <strong>und</strong> <strong>Bakterien</strong> verhindern soll.<br />

Allerdings verlieren die wasserlös -<br />

lichen Zusatzstoffe im L<strong>auf</strong>e der<br />

Standzeit ihre Wirkung. Die Fassaden<br />

werden in der Regel oft schon<br />

nach 3 bis 5 Jahren <strong>auf</strong> den wetterexponierten<br />

Seiten besiedelt.<br />

Die physikalischen <strong>und</strong> chemischen<br />

Veränderungen der Baustoffoberflä -<br />

chen durch die Besiedlung mit Mikr o -<br />

organismen ist nahezu unabhängig<br />

von den Ausgangseigenschaften der<br />

Baustoffe. Sowohl hydrophile als<br />

auch hydrophobe Beschichtungen<br />

werden durch die Exposition der<br />

Fläche in der Atmosphäre betroffen.<br />

Abb. 5: Die Oberputzbeschichtung<br />

beträgt weniger als 1 mm.<br />

Lediglich die Geschwindigkeit der<br />

Besiedlung wird durch die Auswahl<br />

der Beschichtungsstoffe beeinflusst.<br />

Durch technische Fehler an der Fassadenbeschichtung<br />

oder an den Anschlussdetails<br />

von Fenstern, Sockeln<br />

<strong>und</strong> sonstigen Wandöffnungen werden<br />

organische Mikroorganismen<br />

schneller angesiedelt.<br />

Ein vorzeitiger biologischer Befall <strong>auf</strong><br />

Fassadenoberflächen ist in der Regel<br />

kein Mangel des Beschichtungssys -<br />

tems. Es ist ein natürlicher Vorgang,<br />

der <strong>auf</strong> allen denkbaren Oberflächen<br />

bei freier Bewitterung <strong>auf</strong>treten kann.<br />

In der Gerichtspraxis wird der vor zeitige<br />

Befall innerhalb der Gewähr -<br />

leistung von Fassaden sehr unterschiedlich<br />

beurteilt.<br />

Aus technischer Sicht des Verfassers<br />

ist die Verschmutzung der Fassaden<br />

mit Mikroorganismen generell erst<br />

dann ein technischer oder optischer<br />

Mangel, wenn eindeutig technische<br />

Fehler oder handwerkliche Unzulässigkeiten<br />

nachweislich einen mikrobiellen<br />

Befall gefördert haben. Erst<br />

unter dieser Voraussetzung kann von<br />

einem unzulässigen optischen oder<br />

technischen Mangel gesprochen<br />

werden.<br />

Maßnahmen<br />

gegen vorzeitigen<br />

Pilz- <strong>und</strong> <strong>Algen</strong>befall<br />

Konstruktiver Schutz vor<br />

Feuchtigkeit <strong>auf</strong> der Fassade<br />

In der Phase der Bauplanung kann<br />

schon durch einen effektiven konstruktiven<br />

Feuchteschutz gegen den<br />

biologischen Befall <strong>auf</strong> den Fassadenoberflächen<br />

gesorgt werden.<br />

Eine Möglichkeit bieten weite Dach überstände,<br />

die z. B. das Obergeschoss<br />

vor dem direkten Schlag -<br />

regeneinfluss schützen kann, solange<br />

der Schlagregen nicht durch den<br />

Wind übermäßig beeinflusst wird.<br />

Auch ist der Einfluss von Sohlbank -<br />

überständen für den Feuchteschutz<br />

der Fassade maßgeblich. Der geforderte<br />

Mindestüberstand von ca. 4 cm


kann <strong>auf</strong> 5 bis 6 cm erhöht werden.<br />

Rollladenkästen sollten nach Möglic hkeit<br />

in die Fassadenfläche integriert<br />

werden, sodass sich an den Überständen<br />

keine <strong>Pilze</strong> oder <strong>Algen</strong> durch<br />

Feuchtigkeitsnischen verbreiten.<br />

In diesem Zusammenhang kann<br />

auch der Bauherr dar<strong>auf</strong> achten,<br />

dass Fen ster nicht in einer Dauer -<br />

lüftungsstellung verbleiben <strong>und</strong> für<br />

einen stetig feuchtwarmen Luftstrom<br />

nach draußen sorgen. Die<br />

Feuchtigkeit von innen schlägt sich<br />

oberhalb der Fensteröffnung nieder<br />

<strong>und</strong> sorgt für optimale Lebensbedingungen<br />

für <strong>Pilze</strong> <strong>und</strong> <strong>Algen</strong>. Die<br />

Lüftung erfolgt bei komplett geöffnetem<br />

Fenster (Stoßlüftung), sodass<br />

der vollstän dige Luftaustausch<br />

in einem sehr kurzen Zeit -<br />

intervall erfolgt.<br />

Wasserabweisende<br />

Beschichtungen<br />

In der Regel werden die Bedingungen<br />

an wasserabweisende Putz<strong>und</strong><br />

Anstrichschichten systembedingt<br />

erfüllt, sodass zusätzliche<br />

Hydrophobie rungen nicht sinnvoll<br />

sind. Besonders bewährt haben<br />

sich Silikon harze oder Reinsilikonfarben,<br />

die <strong>auf</strong>gr<strong>und</strong> ihrer Oberflächenstruktur<br />

für einen schnellen<br />

Wasserabl<strong>auf</strong> <strong>auf</strong> der Fassade sorgen.<br />

Die Zumischung von algeziden-<br />

<strong>und</strong> fungiziden Zusätzen verbessert<br />

die Wirksamkeit gegen<br />

einen schnellen Befall. Hierbei hat<br />

sich gezeigt, dass Zusätze in Putzbeschichtungen<br />

keine Wirkung <strong>auf</strong><br />

den biologischen Befall haben. Bei<br />

Wärm edämm-Verb<strong>und</strong>systemen<br />

ge hö ren fungizid <strong>und</strong> algezid eingestellte<br />

Far b beschichtungen zum<br />

technischen Standard.<br />

Fungizide <strong>und</strong><br />

algezide Vorbehandlungen<br />

Ein erhöhter Schutz gegen <strong>Algen</strong><strong>und</strong><br />

Pilzbefall kann durch eine separate<br />

Imprägnierung der Fassade<br />

mit erhöhten Wirkstoffgehalten des<br />

Biozids stärker als mit einer fungizid<br />

eingestellten Farbe erreicht werden.<br />

Bei bestimmten Pilzarten sind die<br />

handelsüblichen Breitbandwirkstoffe<br />

unwirksam. Die <strong>Pilze</strong> breiteten<br />

sich nach der Behandlung der Fassade<br />

mit üblichen Mitteln (auch Chlor-<br />

Bleichlaugen) nur noch schneller<br />

aus. Durch die Wirkung des Mittels<br />

werden die Oberflächen angegriffen,<br />

sodass durch die Vertiefungen<br />

ein zusätzlicher Raum für Mikroorganismen<br />

geschaffen wird. Der Pilz-<br />

befall kann in diesen Fällen nur<br />

nach Bestimmung der Pilzart durch<br />

ein Spezialmittel wirksam bekämpft<br />

werden. Für die Beseitigung von<br />

Schimmelpilzen haben sich ges<strong>und</strong>heitlich<br />

unbedenkliche Frucht -<br />

säuren mit stabilisiertem Wasserstoffperoxid<br />

bewährt. Diese Mittel<br />

sind besonders für Innenräume geeignet.<br />

Es ist dem Bauherrn <strong>und</strong> auch dem<br />

Fachhandwerker gegenüber deutlich<br />

darzustellen, dass alle Biozide<br />

Giftstoffe enthalten. Die Stoffe sind<br />

wasserlöslich <strong>und</strong> ihre Wirkung<br />

lässt mit der Zeit nach, da sie vom<br />

Regen ausgewaschen <strong>und</strong> verdünnt<br />

werden. Ein übermäßiger Einsatz<br />

von Bioziden <strong>auf</strong> der Fassade sollte<br />

deshalb vermieden werden. Auch<br />

als Selbstschutz für den verarbeitenden<br />

Betrieb, der das Biozid <strong>auf</strong><br />

die Fassade <strong>auf</strong>trägt, sollte der Zusatz<br />

in der Farbe möglichst gering<br />

dosiert sein. Bei werksmäßig hergestellten<br />

Farben mit bioziden Zusätzen<br />

richtet sich die Menge an die<br />

Gefahrstoffverordnung. In der Regel<br />

ist der Zusatz so bemessen, dass<br />

für die Verarbeitung kein besonderer<br />

Personenschutz erforderlich ist<br />

<strong>und</strong> die Farbe keine Kennzeichnung<br />

trägt.<br />

Die Beimengungen von Bioziden in<br />

einem Anstrichsystem sind so zu<br />

bemessen, dass im üblichen Instandsetzungszyklus<br />

der Fassade<br />

(ca. 10 bis 15 Jahren) der biologische<br />

Befall sich in Grenzen hält <strong>und</strong><br />

anschlie ßend mit der Reinigung <strong>und</strong><br />

dem Neuanstrich die Fassade wieder<br />

sauber dasteht. Im Zweifelsfall<br />

ist der Hersteller des Anstrichsystems<br />

zur Beratung hinzuzuziehen,<br />

um bei hartnäckigen Fällen, das<br />

richtige Mittel in einer wirksamen<br />

Konzentration zu finden.<br />

Der Fachhandwerker sollte in jedem<br />

Fall im Gespräch mit dem Bauherrn<br />

das Thema „<strong>Algen</strong> <strong>und</strong> <strong>Pilze</strong> <strong>auf</strong><br />

Fassaden“ ansprechen. Der Notwendigkeit<br />

<strong>und</strong> dem Nutzen einer<br />

zusätzlich gedämmten Fassade<br />

müssen auch die systembedingten<br />

Nachteile gegenübergestellt werden.<br />

Dazu ist mit dem richtigen<br />

Augenmaß vorzugehen, um den<br />

K<strong>und</strong>en nicht abzuschrecken <strong>und</strong><br />

die möglichen Auswirkungen richtig<br />

zu bewerten. �<br />

Literatur<br />

[1] Warscheid, Th., Praxisgerechte<br />

Bewertung von mikrobiellem Befall,<br />

vbn Sonderheft Schimmelpilz,<br />

Fraunhofer Verlag, Stuttgart, 2001

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!