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Offener Brief an die Angehörigen<br />

von Organspendern:<br />

Herzlichen Dank für mein Leben!<br />

Ich verdanke mein Leben einem gestorbenen Menschen, dessen Organ mir geschenkt worden<br />

ist, damit ich weiterleben kann. Er oder stellvertretend Sie als Angehörige haben Ja<br />

dazu gesagt.<br />

Ich weiß, daß Ihnen diese Entscheidung nicht leicht gefallen ist, weil sie in einer<br />

Stunde der Trauer und des Abschiednehmens von einem lieben Angehörigen getroffen<br />

werden mußte. Ich weiß auch, daß es schwer ist, sich zu trennen und loszulassen. Die<br />

Fragen nach dem „Warum” und „Warum jetzt“ und „Warum gerade er (oder sie)” stellen<br />

sich unweigerlich. Es gibt darauf kaum eine Antwort. Und das ist schmerzlich.<br />

Diese Fragen stellen sich auch Menschen und deren Angehörigen, die erfahren, daß sie<br />

so schwer erkrankt sind, daß ihr Leben nur durch eine Organspende gerettet werden<br />

kann. Diese Nachricht kommt genauso überraschend wie der Tod und ist unfaßbar. Sie<br />

wissen und hoffen, daß die Transplantation für sie die Chance ist, weiterzuleben. Die<br />

Wartezeit bis zum Tage X, an dem die Nachricht kommt ”wir haben eine Leber für Sie”<br />

ist eine Zeit der Angst und des Bangens für alle Beteiligten. Hoffentlich wird es<br />

nicht zu spät sein?<br />

Umso mehr danke ich meinem „Spender” und seiner Familie für das Geschenk zu meinem<br />

Leben. Sie haben es mir mit Ihrem Ja zur Organspende gerettet.<br />

Ich kenne Sie nicht und ich weiß auch nicht, ob der Verstorbene einen Organspenderausweis<br />

hatte oder ob die Entscheidung von seinen Lieben in seinem Sinne getroffen<br />

worden ist. Es ist mir ein großes Bedürfnis, Ihnen meine Lebensfreude mitzuteilen.<br />

Meinem unbekannten Lebensretter bzw. seinen Angehörigen, danke ich täglich für das<br />

große Geschenk in der Stunde der tiefsten persönlichen Betroffenheit. Vielleicht ist<br />

es ein Trost für Sie, daß jetzt irgendwo ein Mensch mit seiner Familie weiterlebt,<br />

vielleicht sind es sogar zwei, drei oder mehr.<br />

Die Transplantation kann ich nur im Vertrauen annehmen, daß die Ärzte alles getan<br />

haben, um z. B. den durch einen Unfall lebensgefährlich Verletzten zu retten. Und<br />

erst dann das Organ zu entnehmen, wenn sich der Verstorbene zu Lebzeiten dazu<br />

eindeutig erklärt hat bzw. seine Angehörigen zugestimmt haben. Ich kann die<br />

Transplantation aber auch nur dann annehmen, wenn der Hirntod vor der Organentnahme<br />

nach den (künftig) gesetzlich geregelten und für die Medizin in der ganzen Welt<br />

verbindlichen Richtlinien festgestellt worden ist. Ich könnte mich meines Lebens<br />

nicht freuen, wenn ein anderer hätte sterben müssen, damit ich überlebe!<br />

Weil ich also weiß, wie schwer die Entscheidung fällt, setze ich mich dafür ein, daß<br />

sich möglichst viele Menschen persönlich und verantwortet zur Organspende bekennen<br />

(oder sie auch eindeutig ablehnen), einen Spenderausweis bei sich tragen - und ihre<br />

Familien darüber informieren! Denn keiner weiß, wann seine Stunde schlägt. Und dann<br />

erspart er seinen Angehörigen einen großen Konflikt.<br />

[26]<br />

In großer Dankbarkeit<br />

Ihr Unbekannter

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