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Zahnmedizin in England - Zahnheilkunde.de

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TOP-GESPRÄCH PRAXIS • 561<br />

Frau Brentzel, was hat Sie dazu bewogen, <strong>Zahnmediz<strong>in</strong></strong><br />

im Ausland zu praktizieren?<br />

• Brentzel: Neben privaten Grün<strong>de</strong>n war es die re<strong>in</strong>e<br />

Herausfor<strong>de</strong>rung und Neugier, me<strong>in</strong>en erlernten Beruf<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>de</strong>ren Land bzw. System und <strong>in</strong> frem<strong>de</strong>r<br />

Sprache auszuführen. Im festgelegten Stun<strong>de</strong>nplan <strong>de</strong>s<br />

<strong>Zahnmediz<strong>in</strong></strong>studiums war es mir nicht gelungen, e<strong>in</strong><br />

Auslandssemester zu planen, so dass mir nach e<strong>in</strong>jähriger<br />

Assistententätigkeit <strong>in</strong> Deutschland <strong>de</strong>r optimale<br />

Zeitpunkt erschien.<br />

Welche herausragen<strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong> s<strong>in</strong>d Ihnen aufgefallen?<br />

• Brentzel: Der <strong>in</strong> Deutschland lei<strong>de</strong>r stark angestiegene<br />

Konkurrenz- und Umsatzdruck ist <strong>in</strong> <strong>England</strong> bei<br />

weitem nicht so ausgeprägt. Die Zahnärzte <strong>in</strong> <strong>England</strong><br />

gehören mit zu <strong>de</strong>n bestverdienen<strong>de</strong>n Berufsgruppen<br />

im Lan<strong>de</strong>, und selbst e<strong>in</strong>e Praxisneugründung, die hohe<br />

Kredite mit sich br<strong>in</strong>gt, birgt weniger Risiko als <strong>in</strong><br />

Deutschland, da man mit e<strong>in</strong>er ausreichen<strong>de</strong>n Patientenzahl<br />

rechnen kann.<br />

Das Gesundheitssystem <strong>in</strong> <strong>England</strong> ist an<strong>de</strong>rs aufgebaut<br />

als das <strong>de</strong>utsche: Es gibt nicht hun<strong>de</strong>rte von GKVs<br />

und PKVs, son<strong>de</strong>rn nur e<strong>in</strong>e staatliche Gesundheitsversorgungse<strong>in</strong>richtung.<br />

Je<strong>de</strong>r steuerzahlen<strong>de</strong> bzw. zahlungsbefreite<br />

Bewohner Großbritanniens erhält somit<br />

ärztliche bzw. zahnärztliche Standardversorgung auf<br />

Kosten <strong>de</strong>s staatlichen NHS (National Health Service).<br />

Der Standard entspricht <strong>in</strong> <strong>de</strong>r <strong>Zahnmediz<strong>in</strong></strong> ungefähr<br />

unserer Versorgung durch die GKV (sprich Amalgam-<br />

Füllungen, NEM-Verblendkronen, Mo<strong>de</strong>llgussprothesen,<br />

etc.). Wird darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e höherwertige Versorgung<br />

erwünscht, so entfällt damit <strong>de</strong>r Anspruch<br />

auf Kostenübernahme durch <strong>de</strong>n NHS und <strong>de</strong>r Patient<br />

bezahlt alles privat. Für diesen Fall obliegt es je<strong>de</strong>m<br />

A. Brentzel<br />

<strong>Zahnmediz<strong>in</strong></strong><br />

<strong>in</strong> <strong>England</strong><br />

Patienten, e<strong>in</strong>e private Zahnversicherung abzuschließen.<br />

Allgeme<strong>in</strong> ist mir <strong>de</strong>r sehr herzliche, bemühte Umgang<br />

<strong>de</strong>r Menschen mite<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r – sowohl <strong>in</strong> unserem Praxisteam,<br />

mit <strong>de</strong>n Patienten als auch im allgeme<strong>in</strong>en Alltagsgeschehen<br />

– <strong>in</strong> positiver Er<strong>in</strong>nerung geblieben. Dies<br />

mag auch daran gelegen haben, dass es im Englischen<br />

nur e<strong>in</strong>e Form von Anre<strong>de</strong> mit e<strong>in</strong>heitlichem „You“ gibt<br />

und man häufig auch bei offiziellen Erledigungen direkt<br />

mit <strong>de</strong>m Vornamen angesprochen wird. Dies suggeriert<br />

e<strong>in</strong>em schnell e<strong>in</strong> vertrautes Gefühl.<br />

Die Uhren ticken außer<strong>de</strong>m e<strong>in</strong> bisschen „gemütlicher“<br />

<strong>in</strong> <strong>England</strong> und Zeit für e<strong>in</strong>e „Cup of Tea“ ist eigentlich<br />

immer.<br />

Deutsche <strong>Zahnmediz<strong>in</strong></strong> von außen betrachtet: Was<br />

macht sie wertvoll, was macht sie schwierig?<br />

• Brentzel: Diese Frage zu beantworten ist recht schwierig,<br />

<strong>de</strong>nn es ergeben sich im Bereich <strong>de</strong>r privaten Behandlung<br />

kaum Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen<br />

und englischen System. Betrachtet man allerd<strong>in</strong>gs <strong>de</strong>n<br />

Bereich <strong>de</strong>r GKV-Regelversorgung, so stehen uns <strong>in</strong><br />

Deutschland höherwertige Versorgungen als im englischen<br />

System zur Verfügung. So geschieht z. B. die Standard-Dauerversorgung<br />

e<strong>in</strong>es reduzierten Restgebisses im<br />

vergleichbaren englischen NHS meist mit <strong>de</strong>m, was wir<br />

als e<strong>in</strong>e Interimsversorgung ohne Klammern bezeichnen.<br />

Grund dafür ist, dass e<strong>in</strong> englischer Zahnarzt im<br />

NHS seit Anfang 2006 das gleiche Honorar für jegliche<br />

Art von prothetischer Leistung bekommt, egal, ob es<br />

sich um e<strong>in</strong>e Krone, Brücke, Schiene, Interims- o<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>llgussprothese<br />

han<strong>de</strong>lt. Somit wählt er <strong>in</strong> <strong>de</strong>n meisten<br />

Fällen die schnellste Versorgung. Außer<strong>de</strong>m ist mir aufgefallen,<br />

dass die <strong>de</strong>utschen Zahntechniker zwar <strong>de</strong>utlich<br />

schneller, nicht aber qualitativ besser arbeiten.<br />

Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift • 62 • 2007 • 9 • © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln


562 • PRAXIS A. Brentzel: <strong>Zahnmediz<strong>in</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>England</strong><br />

Was schätzen Sie an <strong>de</strong>r <strong>Zahnmediz<strong>in</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>England</strong> beson<strong>de</strong>rs?<br />

• Brentzel: In e<strong>in</strong>er englischen Zahnarztpraxis<br />

herrscht <strong>de</strong>utlich weniger Bürokratie und <strong>de</strong>r Zeitaufwand<br />

für die Papierverwaltung ist ger<strong>in</strong>ger. Es gibt ke<strong>in</strong>e<br />

GOZ/GOÄ o<strong>de</strong>r ähnliches <strong>in</strong> <strong>de</strong>r englischen Privatbehandlung.<br />

We<strong>de</strong>r zeitrauben<strong>de</strong> Anträge und Formulare<br />

noch Abrechnungsbestimmungen verzögern <strong>de</strong>n Behandlungsablauf.<br />

Was zählt ist <strong>de</strong>r Kostenvoranschlag,<br />

die Unterschrift <strong>de</strong>s Patienten und die zahnärztliche<br />

E<strong>in</strong>schätzung se<strong>in</strong>er Bonität. Bezahlt wird übrigens<br />

nach je<strong>de</strong>r Behandlung an <strong>de</strong>r Rezeption, so dass auch<br />

das Schreiben und Versen<strong>de</strong>n von Rechnungen und<br />

Mahnungen entfällt.<br />

Genügte Ihre Ausbildung <strong>in</strong> Deutschland <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

im Ausland?<br />

• Brentzel: Me<strong>in</strong>e Ausbildung an e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>utschen Universität<br />

genügte <strong>in</strong> je<strong>de</strong>m Fall <strong>de</strong>n zahnmediz<strong>in</strong>ischen<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen, die das englische System an mich stellte.<br />

Beson<strong>de</strong>rs aber im Bereich Chirurgie, Prothetik und<br />

im Umgang mit zahntechnischen Arbeiten hatte ich gegenüber<br />

<strong>de</strong>n gleichgestellten englischen Kollegen im<br />

Praxisteam (auch Assistenzzahnärzte) e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<br />

Vorsprung. Während beispielsweise me<strong>in</strong>e Kollegen es<br />

vorzogen, auch e<strong>in</strong>fachere Weisheitszahnextraktionen<br />

o<strong>de</strong>r Wurzelspitzenresektionen an oralchirurgische<br />

Praxen zu überweisen, habe ich mir zugetraut, <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>griff<br />

selbst vorzunehmen.<br />

Auf welchen zahnmediz<strong>in</strong>ischen Gebieten ergaben<br />

sich die größten Verän<strong>de</strong>rungen gegenüber <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />

Verhältnissen?<br />

• Brentzel: Im Bereich <strong>de</strong>r privaten englischen <strong>Zahnmediz<strong>in</strong></strong><br />

stehen e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> jeglichem Gebiet <strong>de</strong>r <strong>Zahnheilkun<strong>de</strong></strong><br />

die gleichen Mittel und Vorgehensweisen wie<br />

<strong>in</strong> Deutschland zur Verfügung. Die e<strong>in</strong>zige Ausnahme<br />

ist die prothetische Versorgung mit Teleskoparbeiten.<br />

Soweit ich E<strong>in</strong>blick hatte und mich mit englischen Kollegen<br />

ausgetauscht habe, wer<strong>de</strong>n diese nicht angefertigt<br />

und <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>llguss ist weiterh<strong>in</strong> die gängigste Versorgungsform.<br />

Mit <strong>de</strong>n Anfang 2006 geän<strong>de</strong>rten vertragszahnärztlichen<br />

NHS-Verträgen greifen allmählich <strong>de</strong>utsche Ver-<br />

Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift • 62 • 2007 • 9<br />

hältnisse um sich, <strong>de</strong>nn es tritt <strong>in</strong> <strong>England</strong> nun erstmals<br />

so etwas wie e<strong>in</strong>e abgeschwächte Budgetierung<br />

e<strong>in</strong>. Der jeweilige Zahnarzt wird anhand se<strong>in</strong>er Vorjahresabrechnungen<br />

e<strong>in</strong>geschätzt und erhält e<strong>in</strong> festgelegtes<br />

Budget, das ihm <strong>in</strong> zwölf Monatsraten ausgezahlt<br />

wird. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Abrechnungsjahres muss er se<strong>in</strong>e Behandlungen<br />

nachweisen: Hat er über das Budget h<strong>in</strong>ausgearbeitet,<br />

bekommt er dies nicht bezahlt; liegt er<br />

darunter, muss er zurückzahlen und bekommt e<strong>in</strong> <strong>de</strong>mentsprechen<strong>de</strong>s<br />

niedrigeres Budget für das kommen<strong>de</strong><br />

Jahr. Daraufh<strong>in</strong> steigen nun viele englische Zahnärzte<br />

ganz aus <strong>de</strong>r nationalen Gesundheitsversorgung aus<br />

und wer<strong>de</strong>n zu re<strong>in</strong>en Privatpraxen. Daraus ergibt sich<br />

das zurzeit größte zahnmediz<strong>in</strong>ische Problem <strong>England</strong>s:<br />

Man f<strong>in</strong><strong>de</strong>t kaum noch e<strong>in</strong>en Zahnarzt, <strong>de</strong>r NHS-<br />

Behandlung anbieten möchte o<strong>de</strong>r kann.<br />

Gab es sprachliche Probleme bei <strong>de</strong>r Verständigung<br />

mit <strong>de</strong>n Patienten?<br />

• Brentzel: Ne<strong>in</strong>, absolut nicht. Wenn man im NHS-System<br />

arbeiten möchte, ist es vorab erfor<strong>de</strong>rlich, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational<br />

anerkannte Sprachprüfung (IELTS) mit vorgegebener<br />

M<strong>in</strong><strong>de</strong>stnote abzulegen. Das Wichtigste ist,<br />

dass man sich nicht scheut, Fehler zu machen und immer<br />

offen „losplau<strong>de</strong>rt“. E<strong>in</strong> längerer Aufenthalt <strong>in</strong><br />

Australien hatte mich im alltäglichen englischen<br />

Sprachgebrauch sicherer gemacht. Bei zahnmediz<strong>in</strong>ischen<br />

Erläuterungen <strong>de</strong>m Patienten gegenüber und <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>r Behandlung halfen mir am Anfang Zeichnungen,<br />

„Hän<strong>de</strong> und Füße“, vor allem aber me<strong>in</strong>e englische Helfer<strong>in</strong>,<br />

die mir bei je<strong>de</strong>m Hilfe suchen<strong>de</strong>n Blick die passen<strong>de</strong><br />

Vokabel verriet. Und außer<strong>de</strong>m hat e<strong>in</strong> Lächeln<br />

se<strong>in</strong>e ganz eigene universelle Übersetzung, also „Don't<br />

worry!“<br />

• Korrespon<strong>de</strong>nzadresse:<br />

Anja Brentzel<br />

(Geme<strong>in</strong>schaftspraxis ZÄ A.Brentzel & Dr.K.-R.Köver)<br />

Holzstraße 27<br />

21682 Sta<strong>de</strong><br />

Tel.: 0 41 41/26 28<br />

Fax: 0 41 41/26 18<br />

E-Mail: anjabrentzel@web.<strong>de</strong>

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