6 D E R Z I G E U N E R B A R O N Zigeunerromantik im Grünen In diesem Sommer kehrt „Der Zigeunerbaron“ zurück auf die Greifensteine, um ein weiteres Mal die Besucher der Naturtheaterbühne zu begeistern: Feurig-südländische Zigeunerklänge, heitere Dialoge und die klassischen Operettenklänge des österreichischen Walzerkönigs Johann Strauss laden zum sommerlich-bunten Theaternachmittag ein. 1 Für tierische Begeisterung ist gesorgt 2 Ein farbenfrohes Feuerwerk der Melodien erwartet die Besucher 3 Auch wenn es manche Zwistigkeit gibt – am Ende wird alles wieder gut 4 Auch rassige Pferde haben auf der Naturbühne ihren großen Auftritt 2 1 3 Auf geht's zu einer abenteuerlichen Reise ins südliche Ungarn. Die Geschichte beginnt so: Der weltgewandte Sándor Barinkay, gespielt von dem amerikanischen Tenor Craig Bermingham, kehrt nach langer Zeit der Verbannung zurück in den Ort seiner Kindheit. Lang ist es her, dass die wohlhabende Familie Barinkay ihren Besitz aufgeben und die Heimat verlassen musste. Während dieser Zeit hat deren Nachbar, der reiche Schweinezüchter Zsupán, ein Auge auf die Besitztümer der Barinkays geworfen und lässt dort bisher erfolglos nach einem angeblich verborgenem Schatz suchen. Ohne langes Überlegen wittert der Schweinezüchter Ärger und unliebsame Konsequenzen, als ihn die Nachricht der Heimkehr des rechtmäßigen Besitzers erreicht. Argwöhnisch beobachtet er den jungen Barinkay, der schließlich um die Hand von Zsupáns einziger Tochter Arsena anhält. Mehr und mehr beruhigt, freundet sich Zsupán mit dem Gedanken an, seine Tochter mit dem Nachbarn zu verheiraten. Was könnte ihm Besseres passieren? Doch Arsena ist bereits verliebt, heimlich zwar, doch dafür ist ihre Liebe zu Ottokar, einem Jungen aus dem Dorf, umso stärker. Trotzig weist sie jede Annährung Barinkays zurück, fordert, ganz die Drama-Queen, dass ihr zukünftiger Ehegatte mindestens ein Baron sein müsse, alles andere sei ihr nicht gut genug. In seiner Ehre gekränkt, zieht sich Barinkay zurück und wird von einer Gruppe Zigeuner warmherzig aufgenommen. Die weise alte Zigeunerin Czipra erkennt in dem jungen Reisenden den Sohn des ehemaligen Besitzers, was dazu führt, dass Sándor Barinkay von den Zigeunern zum Wojewoden gewählt und zu ihrem Baron ernannt wird. Czipras bildhübsche Pflegetochter Saffi zieht den neuen Baron in ihren Bann, Barinkay verliebt sich auf der Stelle in die junge Zigeunerin, gespielt von Marita Posselt, und erklärt sie zu seiner Braut. Am nächsten Morgen erzählt Czipra von einem wunderbaren Traum – ein Greis hat ihr darin von einem in den Schlossmauer verborgenem Schatz erzählt. Ungläubig beginnt Barinkay mit der Suche und tatsächlich: Unter den Mauern seines Schlosses liegt ein vergrabener Schatz. Doch das Glück des jungen Paares soll auf eine harte Probe gestellt werden. Es kommt ans Tageslicht, dass Saffi die Tochter eines türkischen Paschas und somit Angehörige des Hochadels ist. Barinkay, ein weiteres Mal in seiner Ehre angegriffen, glaubt dem Stand der Adelstochter nicht zu entsprechen und zieht freiwillig in den Krieg. Doch das Happy End soll nicht fehlen und so kehrt Barinkay nach dem Sieg der Zigeuner-Husaren aus dem Krieg zurück, wird für seine Verdienste zu einem wahrhaftigen Baron geadelt und darf seine Saffi rechtmäßig heimführen. Schon im vorherigen Jahr sahen über 5200 Zuschauer die Johann Strauss’ Operette auf der Naturtheaterbühne Greifensteine und auch dieses Jahr dürfen sich die Besucher eines der berühmtesten Werke des Wiener Komponisten hinter der einmaligen Kulisse freuen – vielleicht beobachtet ja sogar der ein oder andere wie selbst die grünen Baumspitzen ihre Blätter im Walzertakt wiegen. ❱❭ I N T E R V I E W M I T R E G I S S E U R D A N I E L R Ö T T I N G ■ Herr Rötting, wenn wir mal alle Klischees von „onngarrischem Feuärrh“, Speck und schluchzenden Geigen beiseite schieben – was kommt da für eine alte Geschichte auf uns heute zu? Eine Geschichte über die unbedingte Freiheit zur Liebe! „Lebe dein Leben und lebe deine Liebe“ ist die unmissverständliche Lebensauffassung der Titelfigur. Als wahrer „flotter Frei-Geist“, quasi ein Vorläufer des „Easy Rider“, muss sich Sandor Barinkay nun das erste Mal in seinem Leben entscheiden: Nehme ich mein Erbe an, also Grund und Boden und die damit immer verbundene Verpflichtung und Bindung, oder mache ich mir nur einen Spaß daraus und gehe alsdann wieder meiner Wege? Und schon sieht man, dass sich sol- che Entscheidungen nie ganz einfach gestalten. Freilich immer mit heiterer Gelassenheit, denn es kommt sowieso, wie es kommt. Hat er sich bisher als Dompteur, Jongleur und sonst irgendwie durchs Leben schlagen können, so stellen sich ihm nun zwei Lebensentwürfe zur Verfügung: Bäuerlich bieder, aber wohl behütet und vom üppigen Wohlstand gesegnet oder frei, dem Herzen in unmittelbarer Nähe und recht zügellos, jedoch immer ungeschützt und von zweifelhaftem Luxus – beides scheint reizvoll, doch nur eines geht. ■ Die Zeiten verändern sich, von Generation zu Generation wechseln die Vorstellungen, was einem wertvoll erscheint. Wieso schafft es die Operette trotzdem D E R Z I G E U N E R B A R O N 4 Der Zigeunerbaron – Ein Meisterwerk von Johann Strauss Am Vorabend seines sechzigsten Geburtstags war es soweit: Johann Strauss führte seine Operette „Der Zigeunerbaron“ am 24. Oktober 1885 in Wien zum ersten Mal vor der versammelten Wiener Gesellschaft auf. Vorangegangen waren zwei Jahre harte Arbeit. 1883 hatte Strauss in Budapest den berühmten Romancier Maurus Jokai kennen gelernt und ihn um eine zugkräftige Erzählung für seine neueste Komposition gebeten. Jokais Erzählung „Saffi“, eine Zigeunergeschichte, faszinierte Strauss sofort und so war die Idee für „den Zigeunerbaron“ geboren. Jokai war ein viel beschäftigter Mann und so schlug er Strauss den Journalisten Ignaz Schnitzer vor, der die Texte für Strauss’ Kompositionen schreiben sollte. Strauss, der außer Noten alles Gedruckte nicht mochte, hatte nun jedoch eine Idee im Kopf und schrieb intuitiv das Stück, bevor die Texte von Schnitzer vorlagen. Dieser hatte nur noch die Aufgabe, seine Erzählungen in das musikalische Meisterwerk einzubetten. An jenem Premierenabend schlug die Begeisterung im Saal des Wiener Theaters hoch und Johann Strauss ebnete sich den Weg zum Superstar der österreichischen Klassik. Craig Bermingham spielt den Zigeunerbaron Sándor Barinkay Erst über verschiedene Umwege kam der US-amerikanische Tenor Craig Bermingham zum Gesang. Geboren in New Jersey, erhielt er zunächst eine Ausbildung als Posaunist und Bassist an Universitäten in Pennsylvania, Florida und an der Universität Augsburg. Craig Bermingham reiste viel und studierte weiter in England und Spanien. Während seines Studiums entdeckte man seine ausdrucksstarke, umfassende Stimme und so schloss Bermingham eine Ausbildung im lyrischen Gesang ab. Schon während seines Studiums war der lyrische Tenor in vielen Stücken, unter anderem als Tamino in Mozarts „Zauberflöte“, zu sehen. Sein erstes Festengagement bekam der Tenor 2005 am Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg und begeisterte in „Die lustigen Weiber von Windsor“, „Hoffmanns Erzählungen“ und vielen anderen Stükken. Dieses Jahr wird er vor der grünen Naturkulisse der Greifensteine als edler Zigeunerbaron Sándor Barinkay zu sehen sein. immer wieder, Publikum zu finden, obwohl doch die Lebensumstände ihrer Geburt beinahe gar nicht mehr nachvollziehbar sind und heute auch keiner mehr wirklich mit Operettenmusik groß wird? Die Operette hat einen unschlagbaren Grundzug: Sie schafft eine Identifikation mit den Figuren über eine Musik, die nie psychologisiert, sondern ein Lebensgefühl erzeugt, das wir so vielleicht nur von Schlagerklassikern kennen. Und das immer mit einem Humor, der virtuos zwischen frechen Anspielungen jeder Art, sei es gegenüber den Geschlechtern oder den gesellschaftlichen Gruppen, und einem sich jedem logischen Zugriffs entziehenden „höheren Blödsinn“ hin und her springt. N A T U R T H E A T E R G R E I F E N S T E I N E 7